Language of document : ECLI:EU:C:2002:420

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

SIEGBERT ALBER

vom 4. Juli 2002(1)

Rechtssache C-444/00

The Queen auf Antrag der Mayer Parry Recycling Limited

gegen

1. Environment Agency

2. Secretary of State for Environment, Transport and the Regions

Beteiligte:

1. Corus (UK) Limited

2. Allied Steel and Wire Limited

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales])

„Richtlinie 75/442/EWG, geändert durch die Richtlinie 91/156/EWG und die Entscheidung 96/350/EG - Richtlinie 94/62/EG - Begriff des Abfalls - Begriff der stofflichen Verwertung - Behandlung von metallhaltigen Verpackungsabfällen“

Inhaltsverzeichnis

    I - Einleitung

I -

    II - Rechtlicher Rahmen

I -

        A - Gemeinschaftsrecht

I -

            1) Abfallrichtlinie

I -

            2) Verpackungsrichtlinie

I -

            3) Zu den Divergenzen der verschiedenen Sprachfassungen

I -

        B - Nationale Regelungen

I -

    III - Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits

I -

    IV - Vorabentscheidungsersuchen

I -

    V - Vorbringen der Beteiligten

I -

        A - Mayer Parry Recycling Limited

I -

        B - Umweltbehörde

I -

        C - Corus UK Limited

I -

        D - Dänische Regierung

I -

        E - Niederländische Regierung

I -

        F - Österreichische Regierung

I -

        G - Britische Regierung

I -

        H - Kommission

I -

    VI - Rechtliche Würdigung

I -

        A - Das Verhältnis zwischen Abfall- und Verpackungsrichtlinie

I -

        B - Verhältnis zwischen Abfallbegriff und stofflicher Verwertung

I -

        C - Zur Reihenfolge der Behandlung der beiden Vorlagefragen

I -

        D - Zur zweiten Vorlagefrage

I -

            1) Vorbemerkungen

I -

                a)    Die stoffliche Verwertung im Gemeinschaftsrecht

I -

                b)    Die stoffliche Verwertung im Regelungskontext der Verpackungsrichtlinie

I -

                    i)    Hohes Umweltschutzniveau

I -

                    ii)    Keine Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt

I -

                c)    Entwicklung des Begriffs der stofflichen Verwertung im Rechtsetzungsverfahren

I -

                d)    Weitere Entwicklung

I -

            2) Auslegung von Artikel 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie

I -

                a)    Abfallmaterialien

I -

                b)    Wiederaufarbeitung für den ursprünglichen Zweck oder für einen anderen Zweck

I -

                c)    Produktionsprozess

I -

            3) Einordnung des von MPR durchgeführten Verfahrens

I -

            4) Einordnung des von den Stahlherstellern durchgeführten Verfahrens

I -

        E - Zur ersten Vorlagefrage

I -

    VII - Ergebnis

I -

I - Einleitung

1.
    Im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren ersucht der High Court of Justice in London den Gerichtshof um die Auslegung der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle(2) (im Folgenden: Abfallrichtlinie) und der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle(3) (im Folgenden: Verpackungsrichtlinie). Im Kern geht es um die Frage, ob die Behandlung (Sortieren, Reinigen, Schneiden, Zerkleinern, Trennen und/oder Paketieren) von Verpackungsabfällen aus Metall durch die Klägerin im Ausgangsrechtsstreit, die Mayer Parry Recycling Ltd (im Folgenden: MPR), eine abgeschlossene stoffliche Verwertung (Recycling) darstellt, so dass der Metallschrott nach der Aufbereitung nicht mehr als Abfall einzuordnen ist.

2.
    MPR möchte als ein Verwertungsbetrieb zugelassen werden, der zur Ausstellung von Bescheinigungen über die Verwertung von Verpackungsabfall (Packaging Waste Recovery Notes - im Folgenden: PRNs) berechtigt ist (zur Bedeutung der PRNs siehe unten Nummer 19). Dieses Recht hat eine der Beklagten des Ausgangsrechtsstreits, die für England und Wales zuständige Environment Agency (im Folgenden: Umweltbehörde) den Stahlherstellern verliehen, die das von MPR aufbereitete Material einschmelzen und daraus Rohblöcke, Bleche oder Rollen herstellen.

II - Rechtlicher Rahmen

A - Gemeinschaftsrecht

1) Abfallrichtlinie

3.
    Artikel 1 der Abfallrichtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

a)    .Abfall‘: alle Stoffe oder Gegenstände, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.“

4.
    Anhang I der Richtlinie nennt unter Position Q 5 „[i]nfolge absichtlicher Tätigkeiten kontaminierte oder verschmutzte Stoffe (z. B. Reinigungsrückstände, Verpackungsmaterial, Behälter usw.)“. Ferner enthält der Anhang zwei Auffangpositionen, nämlich die Position Q 1 „[n]achstehend nicht näher beschriebene Produktions- und Verbrauchsrückstände“ sowie die Position Q 16 „Stoffe und Produkte aller Art, die nicht einer der oben erwähnten Gruppen angehören“.

5.
    Für den Begriff der Verwertung verweist Artikel 1 Buchstabe f auf die in Anhang II B aufgeführten Verfahren. Dort wird unter Position R 3 die „Verwertung/Rückgewinnung von Metallen und Metallverbindungen“ aufgeführt.

6.
    Artikel 3 Absatz 1 der Abfallrichtlinie gibt den Mitgliedstaaten folgende Ziele vor:

„a)    in erster Linie die Verhütung oder Verringerung der Erzeugung von Abfällen und ihrer Gefährlichkeit, ...

b)    in zweiter Linie

    i)    die Verwertung der Abfälle im Wege der Rückführung, der Wiederverwendung, des Wiedereinsatzes oder anderer Verwertungsvorgänge im Hinblick auf die Gewinnung von sekundären Rohstoffen oder

    ii)    die Nutzung von Abfällen zur Gewinnung von Energie.“

2) Verpackungsrichtlinie

7.
    Artikel 3 der Verpackungsrichtlinie enthält u. a. folgende Definitionen:

„2. .Verpackungsabfälle‘ Verpackungen oder Verpackungsmaterialien, die unter den Begriff .Abfälle‘ im Sinne der Richtlinie 75/442/EWG fallen, mit Ausnahme von Produktionsrückständen;

...

6. .Verwertung‘ die Maßnahmen nach Anhang II B der Richtlinie 75/442/EWG;

7. .stoffliche Verwertung‘ die in einem Produktionsprozess erfolgende Wiederaufarbeitung der Abfallmaterialien für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke einschließlich der organischen Verwertung, jedoch mit Ausnahme der energetischen Verwertung.“

8.
    Artikel 6 Absatz 1 der Verpackungsrichtlinie stellt folgende Vorgabe für die Verwertung von Verpackungsabfällen auf:

„Zur Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie ergreifen die Mitgliedstaaten Maßnahmen mit folgenden, sich auf ihr gesamtes Hoheitsgebiet beziehenden Zielvorgaben:

a)    Spätestens fünf Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem diese Richtlinie in innerstaatliches Recht umgesetzt sein muss, werden zwischen mindestens 50 und höchstens 65 Gewichtsprozent der Verpackungsabfälle verwertet.

b)    Innerhalb dieses Verwertungsziels und innerhalb der gleichen Frist werden zwischen mindestens 25 und höchstens 45 Gewichtsprozent des gesamten Verpackungsmaterials, das in Verpackungsabfällen enthalten ist, und mindestens 15 Gewichtsprozent jedes einzelnen Verpackungsmaterials stofflich verwertet.“

9.
    Zur Erreichung der Verwertungsquote müssen die Mitgliedstaaten nach Artikel 7 Systeme zur Rücknahme und/oder Sammlung sowie zur Verwertung der Verpackungsabfälle errichten.

3) Zu den Divergenzen der verschiedenen Sprachfassungen

10.
    Im Zentrum dieses Rechtsstreits steht der Begriff der stofflichen Verwertung bzw. der Rückführung im Sinne der Verpackungs- und der Abfallrichtlinie. Deswegen ist es erforderlich, bereits an dieser Stelle auf einige terminologische Unterschiede in den verschiedenen Sprachfassungen der beiden Richtlinien hinzuweisen.

11.
    In der englischen Fassung wird sowohl in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i der Abfallrichtlinie als auch in Artikel 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie der Begriff „recycling“ verwendet. Auch in den romanischen Sprachen und dem Niederländischen finden sich an beiden Stellen mit dem Wort „Recycling“ verwandte Wörter („recyclage“, „reciclado“, „riciclo“ etc.). In anderen Sprachen werden nicht mit „recycling“ verwandte Worte gewählt, jedoch in beiden Richtlinien die gleichen.

12.
    Nur in der deutschen, der schwedischen und der finnischen Fassung finden sich an den genannten Stellen der Abfall- und Verpackungsrichtlinie verschiedene Begriffe. So ist in der deutschen Fassung der Abfallrichtlinie von „Rückführung“ die Rede und in der Verpackungsrichtlinie von „stofflicher Verwertung“. In dem Vorschlag der Kommission für die Verpackungsrichtlinie fand sich hinter dem Begriff „stoffliche Verwertung“ noch das Wort „Recycling“ als Klammerzusatz; dieser Zusatz ist aber im weiteren Rechtsetzungsverfahren weggefallen.

13.
    In der Richtlinie 2000/53/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 über Altfahrzeuge (im Folgenden: Richtlinie 2000/53)(4), die zwar keine unmittelbare Bedeutung für den vorliegenden Fall hat, auf die aber einige Beteiligte zu Vergleichszwecken Bezug nehmen, wird schließlich auch im Deutschen von „Recycling“ gesprochen.

14.
    Da somit nur ein kleiner Teil der Sprachfassungen unterschiedliche Termini in den beiden Richtlinien aufweist, kann aus der unterschiedlichen Wortwahl in diesen Fassungen allein nicht auf eine unterschiedliche Bedeutung der Begriffe geschlossen werden. Im Folgenden werden die Worte „stoffliche Verwertung“, „Rückführung“ und „Recycling“ deswegen sprachlich als Synonyme aufgefasst. Das schließt aber nicht aus, dass „Recycling/Rückführung/stoffliche Verwertung“ im Sinne der Abfallrichtlinie und im Sinne der Verpackungsrichtlinie entsprechend der jeweiligen Definition eine andere Bedeutung hat, wie noch zu prüfen sein wird.

B - Nationale Regelungen

15.
    Durch die Producer Responsibility Obligations (Packaging Waste) Regulations 1997 (im Folgenden: Regulations) ist Artikel 6 Absatz 1 der Verpackungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt worden. Nach den Regulations sind die Erzeuger von Verpackungsabfällen verpflichtet, bestimmte Mengen davon stofflich oder anderweitig zu verwerten. Die Begriffsbestimmungen von „recovery“ („Verwertung“) und „recycling“ („stoffliche Verwertung“) in den Regulations entsprechen denen der Verpackungsrichtlinie.

16.
    Nach den Regulations muss ein Erzeuger registriert sein, Maßnahmen zur Verwertung und stofflichen Verwertung bestimmter Mengen von Verpackungsabfällen ergreifen und eine Bestätigung vorlegen, dass er seiner Verwertungspflicht nachgekommen ist (certificate of compliance). Der Verstoß gegen diese Bestimmungen ist strafbar.

17.
    Ein Erzeuger kann seinen Verpflichtungen auch dadurch nachkommen, dass er einem eingetragenen System angehört, was in der Praxis der Regelfall ist.

18.
    Die britischen Umweltbehörden haben Leitlinien zum Nachweis der Erfüllung der Verpflichtungen und zur freiwilligen Zulassung von Verwertungsbetrieben („Producer Responsibility Obligations 1997: Guidance on evidence of compliance and voluntary accreditation of reprocessors“), das so genannte „Orange Book“, herausgegeben. Darin werden die Anforderungen der Umweltbehörden an den Nachweis, dass die Erzeuger ihren Verwertungspflichten nachgekommen sind, näher geregelt und ein freiwilliges Zulassungssystem für Verwertungsbetriebe vorgesehen, die berechtigt sind, PRNs auszustellen.

19.
    Durch die PRN bescheinigt der Verwertungsbetrieb, welche Menge Verpackungsabfall aus dem Vereinigten Königreich er angenommen hat, ob diese stofflich oder anderweitig verwertet werden soll und welche Verwertungsmaßnahmen auf das Material anzuwenden sind. Durch Vorlage der PRNs kann der Erzeuger der Umweltbehörde gegenüber nachweisen, dass die von ihm oder in seinem Namen an einen zugelassenen Verwertungsbetrieb gelieferten Verpackungsabfälle ordnungsgemäß verwertet worden sind. PRNs sind handelbar und haben einen wirtschaftlichen Wert (im Falle der vorliegenden Verpackungsabfälle aus Metall 10 bis 15 GBP pro Tonne im Jahre 2000).

20.
    Die Behörde lässt die Betriebe zu, die im Anhang D Absatz 3 des Orange Book aufgeführt sind; als Verwertungsbetriebe für Metalle (Aluminium und Stahl) werden Betriebe anerkannt, die aus Verpackungsabfällen Rohblöcke, Bleche oder Rollen herstellen.

21.
    Die Zulassung wird so bezüglich des Verfahrensschritts im Stoffkreislauf erteilt, in dem ein neues Erzeugnis hergestellt wird, das nicht von einem aus Primärrohstoffen hergestellten Produkt zu unterscheiden ist. Dies soll den Verwaltungsvollzug erleichtern und gewährleisten, dass im Verlauf der Verarbeitung derselben Materialien nicht zweimal PRNs ausgestellt werden.

III - Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits

22.
    MPR bezieht - in der Regel gegen Bezahlung - Schrott, darunter auch Verpackungsabfälle, aus gewerblichen und anderen Quellen. MPR bearbeitet den Schrott, so dass er dem von der Industrie entwickelten Standard 3B entspricht. Dafür sind im Wesentlichen folgende Bearbeitungsschritte erforderlich: Sicht- und Strahlungsprüfung, Schreddern in faustgroße Stücke, mehrere Sortierverfahren zum Aussondern von Fremdstoffen (z. B. Kunststoffe, Nichteisenmetalle, Glas oder Steine), erneute Sichtprüfung. Das 3B-Material enthält rund 4,1 % Metall aus Verpackungsabfällen. Anschließend verkauft MPR das 3B-Material an Stahlwerke, die daraus Stahlblöcke, -bleche oder -rollen herstellen. Die 3B-Qualität hat wegen ihres hohen Eisengehalts, ihrer hohen Dichte und ihrer großen Oberfläche einen hohen Wirkungsgrad. Der Preis für 3B-Material beträgt rund 60 GBP pro Tonne.

23.
    In welchem Maße das von MPR erzeugte 3B-Material noch organische und anorganische Verunreinigungen enthält, ist zwischen den Beteiligten des Ausgangsrechtsstreits umstritten; die Angaben reichen von 2 - 3 % (MPR - gebundene Verunreinigungen) bis zu 7 % (Umweltbehörde). Zu den Verunreinigungen gehören Reste von Oberflächenüberzügen wie Farbe oder Öl, nichtmetallische Materialien und unerwünschte chemische Elemente. Wegen des potenziellen Schadstoffgehalts muss das 3B-Material bedeckt oder auf einem festen Standplatz mit Abfluss in ein Auffangbecken gelagert werden. Die Entfernung der Verunreinigungen erfolgt erst im Prozess der Stahlherstellung.

24.
    Die Stahlhersteller unterliegen der im Environment Protection Act 1990 geregelten „Integrated Pollution Control“. Danach müssen die von ihnen angewandten Verfahren bestimmten Umweltschutzstandards entsprechen und bedürfen der Genehmigung. Im Gegenzug sind sie von einer Genehmigung nach den nationalen Vorschriften über die Abfallbewirtschaftung befreit.

25.
    Im November 1998 beantragte MPR die Zulassung als Verwertungsbetrieb, der zur Ausstellung von PRNs berechtigt ist. Mit Schreiben vom 15. November 1999 lehnte die Umweltbehörde diesen Antrag ab. MPR erhob darauf Klage beim High Court und beantragte u. a. die Nichtigerklärung dieser Entscheidung und die Feststellung, dass sie die Verwertung und die stoffliche Verwertung im Sinne der Verpackungsrichtlinie durchführe.

IV - Vorabentscheidungsersuchen

26.
    Mit Beschluss vom 9. November 2000 hat der High Court das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG um eine Vorabentscheidung über folgende Fragen ersucht:

„Wenn ein Unternehmen Verpackungsmaterialien einschließlich Eisenmetalle, die beim Empfang durch das Unternehmen .Abfall‘ im Sinne des Artikels 1 Buchstabe a der Richtlinie 75/442/EWG des Rates in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates und der Entscheidung 96/350/EWG der Kommission darstellen, durch Sortieren, Reinigen, Schneiden, Zerkleinern, Trennen und/oder Paketieren so behandelt, dass diese Materialien als Rohstoffe in einem Schmelzofen mit dem Ziel der Herstellung von Stahlblöcken, -blechen oder -rollen verwendet werden können:

1.     Sind diese Materialien stofflich verwertet worden und haben sie ihre Eigenschaft als Abfall im Sinne der Richtlinie 75/442 des Rates verloren, wenn sie

    a)    als Rohstoff verwendbar gemacht worden sind oder

    b)    von einem Stahlerzeuger zur Herstellung von Stahlblöcken, -blechen oder -rollen verwendet worden sind?

2.     Sind diese Materialien im Sinne der Richtlinie 94/62 des Europäischen Parlaments und des Rates über Verpackungen und Verpackungsabfälle .stofflich verwertet‘ worden, wenn sie

    a)    als Rohstoffe verwendbar gemacht worden sind oder

    b)    von einem Stahlerzeuger zur Herstellung von Stahlblöcken, -blechen oder -rollen verwendet worden sind?“

V - Vorbringen der Beteiligten

27.
    Vor dem Gerichtshof haben MPR, die Umweltbehörde, die Corus UK Limited (im Folgenden: Corus), ein Stahlhersteller, der im Ausgangsverfahren die Position der Umweltbehörde als Streithelfer unterstützte, die britische, die niederländische, die dänische und die österreichische Regierung sowie die Kommission Stellungnahmen abgegeben.

A - Mayer Parry Recycling Limited

28.
    MPR stellt die Auslegung der Abfallrichtlinie in den Vordergrund und argumentiert zusammengefasst wie folgt: Sie verwerte Verpackungsabfall und erzeuge 3B-Eisenschrott, der kein Abfall sei, sondern ein Sekundärrohstoff. Die Verpackungsrichtlinie müsse in Einklang mit der Abfallrichtlinie ausgelegt werden. Da 3B-Schrott kein Abfall sei, müsse die Bearbeitung durch MPR auch als abgeschlossene stoffliche Verwertung im Sinne der Verpackungsrichtlinie angesehen werden.

29.
    Zum gemeinschaftsrechtlichen Rahmen führt MPR im Einzelnen aus, dass sich vier gemeinsame Grundzüge der Abfallrichtlinie und der Verpackungsrichtlinie ausmachen ließen.

30.
    Erstens hätten die Begriffe Abfall, Verwertung und stoffliche Verwertung in beiden Richtlinien jeweils dieselbe Bedeutung. Die stoffliche Verwertung sei dabei eine besondere Form der Verwertung. Verwertungsmaßnahmen im Sinne der Richtlinien könnten nur an Abfällen durchgeführt werden. Zweitens sei es für den Abfallbegriff bestimmend, dass sich der Besitzer des Materials entledige. Drittens verfolgten die Richtlinien das Ziel, durch die Verwertung von Abfällen Rohstoffe einzusparen. Viertens werde die stoffliche Verwertung von der energetischen Verwertung unterschieden.

31.
    MPR beschreibt ferner die wirtschaftliche Bedeutung des Rechts, PRNs ausstellen zu dürfen, das demjenigen zustehe, der die stoffliche Verwertung durchführe. Da MPR den Metallschrott so aufarbeite, dass er von den Stahlherstellern in gleicher Weise wie ein Primärrohstoff eingesetzt werden könne, handele es sich bei dem 3B-Material von MPR nicht um Abfall, sondern um einen Sekundärrohstoff. Die Stahlhersteller verwerteten somit keinen Abfall und könnten schon deswegen nicht als Recycling-Betrieb angesehen werden.

32.
    Im Rahmen ihrer Ausführungen zur ersten Vorlagefrage leitet MPR folgende Grundlinien aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes bzw. den Schlussanträgen der Generalanwälte ab: Es sei dem nationalen Gericht vorbehalten, unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden, ob es sich bei einem Material um Abfall handele.(5) Entscheidend für das Vorliegen von Abfall sei, ob sich der Besitzer der Substanz entledige.(6) Die Verwertung von Abfall und die gewöhnliche industrielle Behandlung von Produkten seien zu unterscheiden.(7) Die Verwertung sei abgeschlossen, wenn die verwertete Substanz unmittelbar in einem Produktionsprozess als Sekundärrohstoff eingesetzt werden könne.(8)

33.
    Dagegen wendet sich MPR gegen den von der Umweltbehörde vertretenen Ansatz, wonach die Verwertung erst zu einem späteren Zeitpunkt abgeschlossen sei, nämlich wenn man dem Erzeugnis nicht mehr ansehen könne, ob es aus Abfällen oder Primärrohstoffen hergestellt worden sei. Diese auf die Recycling-Definition in der Verpackungsrichtlinie gestützte Argumentation sei nicht haltbar. Die Verpackungsrichtlinie bilde eine gegenüber der Abfallrichtlinie nachgeordnete Regelung und könne den Verwertungsbegriff nicht davon abweichend definieren.

34.
    Dass Artikel 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie im Zusammenhang mit der Definition der stofflichen Verwertung auf die Wiederaufarbeitung in einem Produktionsprozess abstelle, diene der Abgrenzung von der energetischen Verwertung. Das von MPR angewandte Verfahren stelle jedenfalls einen Produktionsprozess dar, in dem ein Sekundärrohstoff, nämlich 3B-Schrott, erzeugt werde. Dieses Material sei kein Abfall, weil es einen wirtschaftlichen Wert habe und keine Gefahr des Sich-Entledigens bestünde.

35.
    MPR schlägt insbesondere folgende Gesichtspunkte vor, um Sekundärrohstoffe von Abfall abzugrenzen: die Eignung des Materials für den Wiedereinsatz, mit oder ohne weitere Vorbehandlung, seinen wirtschaftlichen Wert und die von dem Stoff ausgehenden Umweltgefahren. Inwieweit diese Kriterien vorlägen, sei nach Auffassung von MPR vom vorlegenden Gericht zu klären.

36.
    Für den Fall, dass der Gerichtshof dennoch darauf eingehen wolle, trägt MPR vor, das 3B-Material erfülle die Kriterien für einen Sekundärrohstoff. Es könne ohne weitere Behandlung ebenso wie Eisenerz unmittelbar zur Stahlerzeugung eingesetzt werden. Besondere Vorkehrungen zum Schutz der Umwelt seien weder bei der Lagerung und dem Transport noch bei dem Einsatz in der Stahlerzeugung erforderlich.

37.
    Zur zweiten Frage führt MPR aus, dass ein Material, das vollständig verwertet und kein Abfall im Sinne der Abfallrichtlinie mehr sei, auch als stofflich verwertet nach der Verpackungsrichtlinie anzusehen sei.

B - Umweltbehörde

38.
    Die Umweltbehörde ist wie MPR der Auffassung, dass beiden Richtlinien dasselbe Verständnis der Begriffe „Abfall“ und „Verwertung“ zugrunde liege. Im Gegensatz zu MPR meint sie aber, dass die von MPR vorgenommene Behandlung keine vollständige stoffliche Verwertung darstelle. Erst nach dem Einschmelzen des 3B-Materials und der Herstellung von Stahlblöcken, -blechen oder -rollen durch die Stahlhersteller sei die Verwertung abgeschlossen und die Abfalleigenschaft aufgehoben.

39.
    Zum Verhältnis der beiden Vorlagefragen führt die Umweltbehörde aus, beide Richtlinien müssten im Zusammenhang ausgelegt werden. In der Verpackungsrichtlinie werde nur näher erläutert, was unter stofflicher Verwertung als besonderer Form der Verwertung zu verstehen sei. Artikel 2 Absatz 2 der Abfallrichtlinie lasse spezielle Richtlinien für besondere Abfallgruppen wie Verpackungsabfälle ausdrücklich zu. Da beide Richtlinien das Ziel verfolgten, die Verwertung von Abfall zu fördern, sei dieselbe Definition von „Verwertung“ zugrunde zu legen. Nach der vollständigen stofflichen Verwertung im Sinne der Verpackungsrichtlinie könne das verwertete Material auch nicht mehr als Abfall nach der Abfallrichtlinie angesehen werden.

40.
    Zur ersten Frage hebt die Umweltbehörde zunächst hervor, dass der Gerichtshof die Frage selbst beantworten solle. Die Beurteilung, wann Abfall vollständig verwertet sei, dürfe nicht den Mitgliedstaaten überlassen werden, wie MPR meine, da dies dem Ziel der gemeinschaftsweiten Rechtsangleichung zuwiderlaufe. Die Begriffe Abfall und Verwertung seien hinreichend konkret, um ohne weitere Konkretisierung durch nationales Recht unmittelbar anwendbar zu sein.

41.
    Die Umweltbehörde verweist weiter auf die Rechtsprechung, nach der der Begriff des Abfalls weit auszulegen sei(9), und auf die Ziele der Abfallrichtlinie, nämlich die Abfallvermeidung, die Förderung der Verwertung und das Verbot der unkontrollierten Entsorgung von Abfällen.

42.
    Wann ein Material seine Abfalleigenschaft verliere, sei in der Abfallrichtlinie nicht geregelt. Dafür genüge es jedenfalls nicht, dass der Abfall in den Besitz desjenigen gelange, der das Material verwerten oder eine sonstige Behandlung vornehmen möchte. Die Tatsache, dass Abfälle einem der in Anhang II B der Abfallrichtlinie genannten Verwertungsverfahren unterzogen würden, könne zum Verlust der Abfalleigenschaft führen, dies sei aber nicht zwingend der Fall, wie der Gerichtshof festgestellt habe.(10)

43.
    MPR führe keine stoffliche Verwertung durch, sondern nur eine Vorbehandlung, indem sie den Abfall sortiere und die Zusammensetzung verändere. MPR sei folglich ein Abfallerzeuger im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b der Abfallrichtlinie. Die Behandlung durch MPR sei keine Wiederaufarbeitung in einem Produktionsprozess, wie in Artikel 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie definiert. Auch in der Richtlinie 2000/53 werde die entsprechende Behandlung von Altautos als Vorbehandlung und nicht als Recycling angesehen.

44.
    Die Umweltbehörde wendet sich gegen das Argument von MPR, dass 3B-Schrott einen Sekundärrohstoff darstelle und daher stofflich verwertet worden sei. Nicht jede Verwertung ziele auf die Gewinnung von Sekundärrohstoffen. Es entspreche auch nicht der Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass ein Material durch seine Umwandlung in einen Sekundärrohstoff seine Abfalleigenschaft verliere. Die Eignung zum Einsatz als Rohstoff schließe die Qualifikation als Abfall nicht aus.

45.
    Außerdem bestreitet die Umweltbehörde die Behauptung von MPR, dass es keiner besonderen Umweltschutzvorkehrungen beim Umgang mit 3B-Material bedürfe. Die Stahlhersteller, die 3B-Schrott verarbeiteten, unterlägen der „Integrated Pollution Control“.

46.
    Der Gerichtshof habe überdies - anders als einige Generalanwälte - die Umweltschutzanforderungen bei dem Umgang mit einem Material oder die von ihm ausgehenden Umweltgefahren auch nicht als entscheidend für dessen Qualifikation als Abfall angesehen.(11)

47.
    Als Antwort auf die zweite Frage schlägt die Umweltbehörde aufgrund der Ausführungen zur ersten Frage vor, dass Verpackungsabfall erst mit der Herstellung von Stahlblöcken, -blechen oder -rollen stofflich verwertet sei.

C - Corus UK Limited

48.
    Nach Ansicht von Corus ist nur die Beantwortung der zweiten Frage erforderlich. Es sei dabei Sache des Mitgliedstaats, den Zeitpunkt zu wählen, zu dem ein Stoff als vollständig recycelt angesehen werden könne und zu entscheiden, ob es sich noch um Abfall handele oder nicht, soweit dabei die Ziele der Verpackungsrichtlinie beachtet würden.

49.
    Das Vereinigte Königreich habe einen zutreffenden und genau nachvollziehbaren Zeitpunkt für den Abschluss der stofflichen Verwertung gewählt, indem es auf die Herstellung von Blöcken, Blechen und Rollen durch die Stahlhersteller abgestellt habe. 3B-Schrott sei dagegen als Abfall anzusehen.

50.
    Ob ein Material stofflich verwertet sei, sei allein anhand der Verpackungsrichtlinie zu bestimmen. Es komme darauf an, ob das Material wieder zur Herstellung von Verpackungen oder zu anderen Produktionszwecken diene. Diese Voraussetzung erfüllten nur die Erzeugnisse von Corus, nicht aber die Vorprodukte von MPR. Die Form des Nachweises für die stoffliche Verwertung könne - mangels gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben - von den Mitgliedstaaten geregelt werden.

51.
    Die Einnahmen aus der Ausstellung der PRNs würden von den Recycling-Unternehmen zum Aufbau neuer Kapazitäten genutzt. So werde zu einer Erhöhung der im Fall von Metallverpackungsabfällen noch sehr geringen Recycling-Quote beigetragen. MPR habe dagegen kein entsprechendes wirtschaftliches Interesse an der Verwertung von Verpackungsabfällen, da diese nur einen sehr kleinen Teil des von MPR behandelten Materials ausmachten. Wäre MPR zur Ausstellung von PRNs berechtigt, bestehe die Gefahr, dass MPR den 3B-Schrott in großem Umfang bearbeite und dann nur lagere.

D - Dänische Regierung

52.
    Die dänische Regierung teilt im Wesentlichen die Auffassung der Umweltbehörde. Der Begriff des Abfalls ist nach ihrer Auffassung weit auszulegen, um die Überwachung des Abfallstroms sowie der Abfallbeseitigung und -verwertung sicherzustellen. Sobald ein Material die Abfalleigenschaft verloren habe, unterliege es nicht mehr den entsprechenden Kontrollen. Insbesondere finde die Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (im Folgenden: Verordnung Nr. 259/93)(12) nicht mehr Anwendung. Der wirtschaftliche Wert oder die Verwertbarkeit eines Materials spielten für die Abfalldefinition nach der Rechtsprechung keine Rolle.

53.
    Der von MPR aufbereitete Metallschrott sei Abfall. Die in der Definition der stofflichen Verwertung genannte „Wiederaufarbeitung“ setze eine Änderung der Zusammensetzung voraus, die das Material wieder unmittelbar einsetzbar mache. Diese Voraussetzung erfüllten erst die Erzeugnisse der Stahlhersteller.

54.
    Die Sammlung und Sortierung werde in Dänemark nicht als Verwertung aufgefasst, sondern als Vorbehandlung. Eine entsprechende Vorbehandlung könne oder müsse unter Umständen auch der Abfallbeseitigung vorausgehen, wie z. B. die Regelungen in Artikel 6 der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien(13) und in Artikel 6 der Richtlinie 2000/76/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2000 über die Verbrennung von Abfällen(14) zeigten.

55.
    Wenn nicht einmal die vollständige Verwertung einem Material zwingend die Abfallqualität nehme, wie der Gerichtshof festgestellt habe,(15) so führten bloße Vorbehandlungen erst recht nicht zu diesem Ergebnis.

E - Niederländische Regierung

56.
    Zur ersten Frage führt die niederländische Regierung aus, der Zeitpunkt, zu dem ein Material stofflich verwertet sei, falle mit dem Zeitpunkt des Verlustes der Abfalleigenschaft zusammen. Der Gerichtshof habe in der Rechtssache Arco Chemie die Bedeutung des Sich-Entledigens für den Abfallbegriff hervorgehoben.(16) Der Begriff müsse im Einklang mit den Zielen der Abfallrichtlinie und damit weit ausgelegt werden.

57.
    Nach der Abfallrichtlinie sei Recycling nicht nur im Falle des Einsatzes der Abfälle in einem Produktionsprozess gegeben, sondern auch bei einer Verwertung mit dem Ziel, Sekundärrohstoff zu gewinnen. Ob ein Sekundärrohstoff mit denselben Eigenschaften wie ein Primärrohstoff aus dem Abfall geworden sei, bestimme sich danach, ob sich der Besitzer des erzeugten Stoffes dessen entledige.

58.
    Dabei seien kumulativ folgende Kriterien zu berücksichtigen: Das Material müsse so zusammengesetzt sein, dass es in derselben Weise wie der entsprechende Primärrohstoff eingesetzt werden könne. Es dürfe nicht mehr Verunreinigungen als der Primärrohstoff enthalten. Der Stoff müsse ohne weitere Vorbehandlung einsetzbar sein. Von seinem Einsatz dürfe kein höheres Umweltrisiko als von dem Einsatz des Primärrohstoffs ausgehen. Der Einsatz dürfe nicht in einem bloßen Verwertungsverfahren bestehen. Schließlich dürfe das Material keinen negativen wirtschaftlichen Wert haben.

59.
    Auf die erste Frage sei folglich zu antworten, metallhaltige Verpackungsabfälle seien stofflich verwertet im Sinne der Abfallrichtlinie und kein Abfall mehr, wenn die eben genannten Kriterien vorlägen und das Material somit wie ein Primärrohstoff einsetzbar sei.

60.
    Zur zweiten Frage meint die niederländische Regierung, der Recycling-Begriff der Verpackungsrichtlinie habe eine andere Bedeutung als der Recycling-Begriff der Abfallrichtlinie. Stofflich verwertet im Sinne der Verpackungsrichtlinie sei Abfall erst, wenn er in einem Produktionsprozess wiederverwendet worden sei, also im vorliegenden Fall bei der Herstellung von Stahlblöcken, -blechen und -rollen. Nur durch den tatsächlichen Einsatz in einem Produktionsprozess würden die Ziele der Energie- und Rohstoffeinsparung erreicht. Außerdem sei nur so gewährleistet, dass im Hinblick auf die Erfüllung der Recyclingquoten nach Artikel 6 der Verpackungsrichtlinie keine Doppelzählung erfolge.

F - Österreichische Regierung

61.
    In ihrer Untersuchung der ersten Frage weist die österreichische Regierung darauf hin, dass der Begriff der stofflichen Verwertung nicht in der Abfall-, sondern in der Verpackungsrichtlinie geregelt sei. Eine ähnlich lautende Definition enthalte auch die Richtlinie 2000/53. Diese Begriffe stellten auf den Einsatz in einem Produktionsprozess ab und seien enger als der aus der Abfallrichtlinie stammende Begriff der Verwertung.

62.
    Im Hinblick auf den Abfallbegriff verweist die österreichische Regierung auf die Feststellungen des Gerichtshofes in der Rechtssache Arco Chemie.(17) Bei der Bestimmung des Zeitpunkts der vollständigen Verwertung seien folgende Kriterien maßgeblich: Die Sache werde üblicherweise für den Verwendungszweck eingesetzt, und es existiere ein Markt dafür; es lägen Qualitätskriterien vor, die die abfallspezifischen Eigenschaften berücksichtigten; schließlich dürfe von der Sache kein höheres Umweltrisiko als von vergleichbaren Rohstoffen ausgehen.

63.
    Zur zweiten Frage ergänzt die österreichische Regierung noch, dass die stoffliche Verwertung nicht in einem Schritt erfolgen müsse. In jedem Abschnitt sei zu prüfen, ob eine Verwertung oder eventuell eine Scheinverwertung vorliege.

64.
    Zusammengefasst meint sie, MPR führe eine Verwertung von Abfällen durch, die aber nur eine Vorstufe für die stoffliche Verwertung im Sinne der Verpackungsrichtlinie darstelle.

G - Britische Regierung

65.
    Nach Auffassung der britischen Regierung braucht zur Lösung des Ausgangsrechtsstreits nur die zweite Frage beantwortet zu werden, auf die sie folglich ihre Ausführungen konzentriert.

66.
    Sie hebt hervor, Verpackungsabfall könne nur einmal stofflich verwertet werden, wenn dies möglicherweise auch in mehreren Etappen erfolge. Es müsse vermieden werden, dass Verwertungsvorgänge an demselben Material bei der Prüfung der Recyclingquote in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verpackungsrichtlinie mehrfach berücksichtigt würden. Die stoffliche Verwertung werde vorliegend von den Stahlherstellern durchgeführt.

67.
    Die Behandlung der Abfälle durch MPR entspreche nicht der Definition der stofflichen Verwertung in Artikel 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie. Sortieren, Reinigen, Zerkleinern und Paketieren stellten keine Produktionsprozesse dar.

68.
    Es handele sich auch nicht um eine Wiederaufarbeitung, da der Abfall seine wesentlichen Eigenschaften behalte und nicht zu einem neuen Produkt werde. Eine Wiederaufarbeitung setze eine ähnliche Verwendung wie die ursprüngliche voraus, nämlich das Einschmelzen anstelle des Primärrohstoffs und die Herstellung von Stahlblöcken, -blechen und -rollen. Die von MPR ausgeführte Vorbehandlung für diese Verwendung sei selbst keine Wiederaufarbeitung. Nur diese Betrachtung werde dem Ziel in Artikel 6 Absatz 2 der Verpackungsrichtlinie gerecht, aus recyceltem Verpackungsmaterial möglichst wieder Verpackungen oder andere Produkte herzustellen.

69.
    Die britische Regierung untermauert diese Auffassung durch einen Vergleich mit der Richtlinie 2000/53, die ähnliche Regelungen wie die Verpackungsrichtlinie enthalte.

70.
    Sie wendet sich gegen die von MPR vorgeschlagene zusammenhängende Auslegung der Verpackungs- und der Abfallrichtlinie. Die Abfallrichtlinie sehe keine für alle anderen Regelungen auf diesem Gebiet verbindlichen Definitionen vor, vielmehr erfolgten die Begriffsbestimmungen in Artikel 1 der Abfallrichtlinie ausdrücklich im Hinblick auf die Verwendung der Begriffe in dieser Richtlinie.

71.
    Wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber in anderen Rechtsakten dieselben Begriffe meine wie in der Abfallrichtlinie, werde dies durch ausdrückliche Verweise klargestellt. Die Verpackungsrichtlinie enthalte an einigen Stellen solche Verweise; im Übrigen seien ihre Begriffe aber autonom auszulegen.

72.
    Artikel 2 Absatz 2 der Abfallrichtlinie sehe ausdrücklich den Erlass von Spezialregelungen - wie etwa die Verpackungsrichtlinie - vor. Die Verpackungsrichtlinie definiere die Begriffe „stoffliche Verwertung“ und „Verwertung“ eigenständig. Artikel 3 Nummer 6 nehme nur auf die anwendbaren Verwertungsformen („applicable operations“) des Anhangs II B der Abfallrichtlinie Bezug.(18)

73.
    Aus Anhang II B der Abfallrichtlinie ergebe sich, dass Abfall mehrere Verwertungsschritte durchlaufen könne. Metallabfälle könnten z. B. zunächst gelagert werden (R 12), und später könnte das Metall zurückgewonnen werden (R 3). Eine stoffliche Verwertung sei aus den genannten Gründen dagegen nur einmal möglich. Nur solche Maßnahmen aus dem Katalog in Anhang II B der Abfallrichtlinie könnten eine anwendbare Maßnahme im Sinne des Artikels 3 Nummer 6 der Verpackungsrichtlinie sein, die eine stoffliche Verwertung darstellten.

74.
    Die Verpackungsrichtlinie enthalte für die Begriffe „stoffliche“, „energetische“ und „organische Verwertung“ (Artikel 3 Nummern 7 bis 9) eigenständige Definitionen. Andere Verwertungsformen würden nicht erwähnt. Nur die ausdrücklich erwähnten Arten der Verwertung seien im Rahmen der Verpackungsrichtlinie anwendbare Verfahren. Von diesen komme bei Metallen allein die stoffliche Verwertung zur Anwendung.

75.
    Es reiche nicht aus, dass MPR eine Verwertungsmaßnahme nach Anhang II B der Abfallrichtlinie durchführe, vielmehr müsse sie ein im Rahmen der Verpackungsrichtlinie anwendbares Verfahren zum Einsatz bringen, nämlich die stoffliche Verwertung.

76.
    Um die Erfassung der verwerteten Verpackungsabfälle nach gemeinschaftsweit einheitlichen Maßstäben zu gewährleisten, sei ein klar bestimmbares Kriterium erforderlich, wann die Materialien vollständig verwertet seien. Den Mitgliedstaaten verbleibe insoweit kein Beurteilungsspielraum. Am geeignetsten sei der Moment, in dem der Metallschrott erneut eingeschmolzen werde.

77.
    Die Verpackungsrichtlinie habe die tatsächliche Wiederaufarbeitung zum Ziel. Solange die Verpackungsabfälle nur für die Wiederaufarbeitung vorbereitet würden, sei der effektive Einsatz, nämlich das Einschmelzen, noch nicht sichergestellt.

78.
    Ein Stoff sei unter zwei Voraussetzungen als stofflich verwertetes Verpackungsmaterial im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verpackungsrichtlinie anzusehen: Die Verpackungsmaterialien müssten Verpackungsabfall gewesen und stofflich verwertet worden sein. Ob das Material zu irgendeinem Zeitpunkt aufgehört habe, Abfall im Sinne der Abfallrichtlinie zu sein, sei unerheblich.

79.
    Aus alledem schließt die britische Regierung, dass eine zusammenhängende Auslegung beider Richtlinien mangels entsprechender Verweise in der Verpackungsrichtlinie nicht angebracht sei.

80.
    Nur hilfsweise äußert sie sich noch zur ersten Frage. Anders als die Verpackungsrichtlinie lasse die Abfallrichtlinie den Mitgliedstaaten einen Spielraum bei der Beurteilung, was eine Maßnahme der Verwertung darstellt.(19) Die Tatsache, dass ein Material einer Verwertung nach der Abfallrichtlinie unterzogen worden sei, lasse nicht darauf schließen, dass es ein im Rahmen der Verpackungsrichtlinie anwendbares Verwertungsverfahren durchlaufen habe.

81.
    Der Gerichtshof habe die Notwendigkeit der Konkretisierung des Begriffs der Verwertung durch die nationalen Umsetzungsregelungen bestätigt.(20) Die Verpackungsrichtlinie lasse dagegen nur drei Arten der Verwertung (stoffliche, energetische und organische Verwertung) zu und eröffne den Mitgliedstaaten insoweit keinen Beurteilungsspielraum.

82.
    Die Verpackungsrichtlinie könne das Verständnis der älteren Abfallrichtlinie auch nicht rückwirkend geändert haben. Es verstieße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, wenn man der Abfallrichtlinie nach dem Erlass der Verpackungsrichtlinie eine andere Bedeutung beimessen wollte als vorher.

H - Kommission

83.
    Die Kommission vertritt im Wesentlichen dieselbe Auffassung wie die Umweltbehörde. Die Begriffe „Abfall“ und „Verwertung“ hätten in der Abfall- und in der Verpackungsrichtlinie die gleiche Bedeutung. Die besondere Definition der stofflichen Verwertung in der Verpackungsrichtlinie trage den Zielen dieser Richtlinie Rechnung (Vorrang der stofflichen vor der energetischen Verwertung).

84.
    MPRs Tätigkeit sei zwar ein Verwertungsschritt, die Verwertung sei aber erst mit der Verarbeitung im Schmelzofen abgeschlossen. Erst dann sei kein Abfall mehr gegeben. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Erzeugnisse von MPR einen wirtschaftlichen Wert hätten. Selbst nach vollständiger Verwertung könne die bearbeitete Substanz noch immer Abfall sein. Dies gelte erst recht, wenn die Verwertung nur in einer einfachen Sortierung und Vorbehandlung zum späteren Einsatz als Sekundärrohstoff bestehe.

85.
    Die Kommission leitet aus dem Vortrag der Beteiligten vor dem nationalen Gericht ab, dass 3B-Schrott noch immer Verunreinigungen enthalte, die erst beim Einschmelzen beseitigt würden und dass der Umgang mit dem Material besonderer Umweltschutzvorkehrungen bedürfe. Dies zeige, dass es sich um Abfall handele.

86.
    Schließlich hebt die Kommission die Bedeutung einer klaren Abfalldefinition z. B. für die Anwendung der Verordnung Nr. 259/93 hervor, auch wenn diese vorliegend nicht unmittelbar erheblich sei.

VI - Rechtliche Würdigung

A - Das Verhältnis zwischen Abfall- und Verpackungsrichtlinie

87.
    Die Beteiligten vertreten unterschiedliche Auffassungen dazu, in welchem Verhältnis die beiden Richtlinien und die darin verwendeten Begriffe des Abfalls, der Verwertung und der stofflichen Verwertung zueinander stehen.

88.
    Eine Mehrheit ist der Auffassung, dass die Richtlinien im Zusammenhang zu lesen seien und dass die jeweiligen Begriffe dieselbe Bedeutung hätten. Die Vertreter dieser Ansicht halten deswegen überwiegend eine Antwort auf beide Vorlagefragen für nötig. Da ihrer Auffassung nach beiden Richtlinien dasselbe Verständnis der einschlägigen Begriffe zugrunde liegt, fallen die von ihnen vorgeschlagenen Antworten auf beide Fragen entsprechend aus. Mit Ausnahme MPRs meinen sie, die Tätigkeit von MPR sei keine abgeschlossene stoffliche Verwertung, sondern eine Vorbehandlung bzw. eine sonstige Verwertungsmaßnahme. Der erzeugte 3B-Schrott sei Abfall. MPR kommt zum gegenteiligen Ergebnis.

89.
    Die britische Regierung und Corus sind dagegen der Auffassung, dass die Verpackungsrichtlinie selbständig auszulegen und anzuwenden sei und es für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits allein auf die zweite Vorlagefrage ankomme.

90.
    Dazu ist zunächst festzustellen, dass mit der Abfallrichtlinie im Jahre 1975 erste grundlegende Regelungen zur Rechtsangleichung der nationalen Vorschriften auf dem Gebiet der Abfallbeseitigung eingeführt wurden. Auf diesem damals am Beginn seiner Entwicklung stehenden Rechtsgebiet beschränkte sich die Gemeinschaft in der Richtlinie auf wenige vage Rahmenbestimmungen.

91.
    Vor allem wurde nicht präzise festgelegt, was eigentlich Abfall ist. Zwar wurde die Abfallrichtlinie 1991 wesentlich überarbeitet.(21) Die Abfalldefinition blieb aber nahezu unverändert. Sie hat den Gerichtshof immer wieder vor schwierige Auslegungsfragen gestellt, auf die nicht immer befriedigende Antworten zu finden waren.

92.
    1991 wurde allerdings auch Artikel 2 Absatz 2 eingeführt, der ausdrücklich besondere oder ergänzende Regelungen für die Bewirtschaftung einzelner Abfallgruppen in weiteren Richtlinien vorsieht. Eine solche ergänzende Spezialregelung stellt die Verpackungsrichtlinie dar.

93.
    Artikel 2 Absatz 2 der Abfallrichtlinie liest sich zwar wie eine Ermächtigungsgrundlage. Jedoch bedarf es einer solchen tatsächlich nicht. Denn die Befugnis zum Erlass von Richtlinien auf dem Gebiet der Abfallbewirtschaftung ergibt sich unmittelbar aus dem EG-Vertrag, im Fall der Verpackungsrichtlinie aus Artikel 100a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG). Auch ohne Artikel 2 Absatz 2 der Abfallrichtlinie wäre die Gemeinschaft frei gewesen, weitere spezielle, Abfall betreffende Richtlinien zu erlassen.

94.
    Es besteht daher keine Normenhierarchie zwischen den beiden Richtlinien in dem Sinne, dass die Abfallrichtlinie Vorrang vor der Verpackungsrichtlinie hätte. Vielmehr handelt es sich um gleichrangige, unmittelbar auf den Vertrag gestützte Sekundärrechtsakte. Die Verpackungsrichtlinie bildet dabei für die von ihr erfasste Abfallgruppe eine Spezialregelung, die im Falle von Normkollisionen der Abfallrichtlinie vorgeht.

95.
    Das heißt allerdings nicht, dass die Abfallrichtlinie für den Umgang mit Verpackungsabfällen ohne Bedeutung wäre. Denn zum einen verweist die Verpackungsrichtlinie an zahlreichen Stellen auf die Abfallrichtlinie. Durch die Verweisung auf die Definitionen der Abfallrichtlinie erhalten diese auch im Anwendungsbereich der Verpackungsrichtlinie Gültigkeit. Auf diese Weise wird dem Ziel Rechnung getragen, dem Abfallrecht der Gemeinschaft eine gemeinsame Terminologie zugrunde zu legen, das im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/156 zur Änderung der Abfallrichtlinie(22) zum Ausdruck kommt.

96.
    Entsprechende Verweise finden sich im Zusammenhang mit der Definition der Verpackungsabfälle in Artikel 3 Nummer 2 und der Verwertung in Artikel 3 Nummer 6 der Verpackungsrichtlinie. Der Begriff der stofflichen Verwertung wird dagegen in Artikel 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie ohne jegliche Bezugnahme auf die Abfallrichtlinie festgelegt.

97.
    Zum anderen sind Verpackungsabfälle zugleich Abfälle im Sinne der Abfallrichtlinie, wie sich schon aus der Definition in Artikel 3 Nummer 2 der Verpackungsrichtlinie ergibt. Soweit die Verpackungsrichtlinie keine abweichenden Regelungen enthält, finden alle anderen einschlägigen abfallrechtlichen Regelungen daher auch auf Verpackungsabfälle Anwendung. Die Gemeinschaft wollte mit der Verpackungsrichtlinie keine abschließende Regelung für Verpackungsabfälle schaffen und diese Abfallgruppe nicht dem Anwendungsbereich anderer abfallrechtlicher Bestimmungen entziehen.

98.
    So enthält die Verpackungsrichtlinie zwar eingehende Bestimmungen über die Verwertung von Verpackungsabfällen, nicht aber z. B. über deren Beseitigung oder grenzüberschreitende Verbringung. Die Vorgaben der Artikel 4 und 5 der Abfallrichtlinie und die Verordnung Nr. 259/93 sind folglich auch beim Umgang mit Verpackungsabfällen zu beachten.

99.
    Schließlich sind die Grundsätze der Abfallrichtlinie bei der Auslegung der Verpackungsrichtlinie insoweit zu beachten, als darin die Gesamtstrategie der Gemeinschaft für die Abfallbewirtschaftung ihren Niederschlag gefunden hat.(23) In diese Gesamtstrategie fügt sich auch die Verpackungsrichtlinie selbst ein.

100.
    Dementsprechend verfolgen beide Richtlinien im Wesentlichen dieselben Ziele, nämlich erstens die Vermeidung und Verminderung von Abfällen(24) und zweitens die Verwertung von Abfällen statt ihrer Beseitigung(25). Dies dient letztlich der umsichtigen und rationellen Verwendung der natürlichen Ressourcen, wie von Artikel 174 Absatz 1 dritter Spiegelstrich EG geboten.

101.
    Allerdings geht die Verpackungsrichtlinie insofern weiter als die Abfallrichtlinie, als sie quantitative Ziele für den Anteil der Verpackungsabfälle setzt, die zu verwerten und stofflich zu verwerten sind.

B - Verhältnis zwischen Abfallbegriff und stofflicher Verwertung

102.
    Für die Lösung des Falles von entscheidender Bedeutung ist das Verhältnis zwischen der Einordnung als Abfall und der Durchführung eines Verfahrens der stofflichen Verwertung. Es ist unstreitig, dass die von MPR verarbeiteten Materialien Verpackungsabfälle sind. Würde die Durchführung der stofflichen Verwertung zum Verlust dieser Eigenschaft führen, käme es ausschließlich auf die Auslegung der Verpackungsrichtlinie an, die eine Spezialregelung für die stoffliche Verwertung von Verpackungsabfällen darstellt.

103.
    Nach Auffassung des Gerichtshofes nimmt die vollständige Durchführung eines Verwertungsverfahrens nach Anhang II B einem Stoff nicht notwendigerweise die Abfalleigenschaft.(26) Vielmehr sei diese Tatsache nur einer der Umstände, die bei der Feststellung zu berücksichtigen seien, ob es sich um Abfall handele. Diese Aussage lässt sich jedoch auf den Fall der stofflichen Verwertung nicht ohne weiteres übertragen.

104.
    Theoretisch ist es zwar nicht auszuschließen, dass auch der durch ein Verfahren der stofflichen Verwertung gewonnene Stoff Abfall darstellt. Bestünde etwa auf absehbare Zeit keine Nachfrage für das recycelte Material und würden die Lagerkosten die später möglicherweise zu erzielenden Erlöse übersteigen, wäre es denkbar, dass sich das Recycling-Unternehmen seiner Erzeugnisse entledigen will. In der Praxis dürfte der Fall jedoch äußerst selten sein, dass der Besitzer sich des aufwendig recycelten Materials wieder entledigen will.

105.
    Es widerspräche auch dem Sinn und Zweck der Verpackungsrichtlinie, anzunehmen, dass stofflich verwertete Verpackungsabfälle noch immer Abfall sind. Zentrales Anliegen der Verpackungsrichtlinie ist die Erreichung von quantitativen Verwertungszielen. Verlöre Verpackungsabfall durch seine stoffliche Verwertung nicht im Regelfall seine Abfalleigenschaft, könnte er ein weiteres Mal einem Verwertungsverfahren unterzogen werden. Dasselbe Material würde dann zweimal verwertet und im Hinblick auf die Erfüllung der Verwertungsquote doppelt gezählt.

106.
    Die Mehrheit der Beteiligten plädiert dafür, beide Richtlinien „im Zusammenhang“ zu lesen, und meint ebenfalls, dass Abfall nach Durchführung der stofflichen Verwertung seine Abfalleigenschaft verliert. Davon ausgehend schließt insbesondere MPR vom Fortbestehen bzw. Verlust der Abfalleigenschaft des bearbeiteten Materials auf das durchgeführte Verwertungsverfahren. Die Definition der stofflichen Verwertung wird so von ihrem Ergebnis her bestimmt.

107.
    Dieser Ansatz verkennt, dass die Verpackungsrichtlinie für die Definition der stofflichen Verwertung eine Spezialregelung gegenüber der Abfallrichtlinie darstellt. Schlösse man vom Vorliegen oder Fehlen der Abfallqualität eines Materials auf die Durchführung der stofflichen Verwertung, trüge man diesem Verhältnis nicht Rechnung. Nach der hier vertretenen Ansicht zum Verhältnis der beiden Richtlinien ist gerade umgekehrt in erster Linie zu untersuchen, ob ein Verfahren der stofflichen Verwertung durchgeführt wurde. War dies der Fall, ist daraus im Regelfall auf das Ende der Abfalleigenschaft des verwerteten Materials zu schließen.

108.
    Dabei ist zu bedenken, dass sich die Frage, ob ein Stoff Abfall ist, nach ständiger Rechtsprechung nicht anhand bestimmter Merkmale des Stoffes selbst beantworten lässt, sondern dass es dafür entscheidend auf das Verhalten seines Besitzers ankommt, nämlich ob er sich des Stoffes entledigen will oder nicht.(27) So hat es der Gerichtshof abgelehnt, die Einordnung als Abfall von dem wirtschaftlichen Wert des Materials, seiner Eignung zur Wiederverwendung(28) oder den von ihm ausgehenden Umweltgefahren(29) abhängig zu machen.

109.
    Die Bewertung des Verhaltens des Besitzers kann nur unter Berücksichtigung seiner Intentionen erfolgen, was den Rechtsanwender vor erhebliche Schwierigkeiten stellt. Der Gerichtshof löst dieses Problem, indem er von objektiven Anhaltspunkten auf den Willen, sich des Stoffes zu entledigen, schließt; dabei berücksichtigt er sowohl sämtliche Umstände des Sachverhalts als auch die Zielsetzung der Abfallrichtlinie.(30)

110.
    Bei der Frage, ob 3B-Schrott als Abfall einzuordnen ist, wären dementsprechend alle Umstände von Bedeutung, die für oder gegen ein Sich-Entledigen sprechen. Eine entscheidende Rolle spielt in diesem Zusammenhang, ob das Material bereits einer stofflichen Verwertung unterzogen worden ist. War dies nicht der Fall, kann ein weiterer Anhaltspunkt sein, ob es einem solchen Verwertungsvorgang zugeführt werden soll. Folglich ist die Beurteilung der von MPR bzw. den Stahlherstellern durchgeführten Prozesse am Maßstab des Artikels 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie eine Vorfrage für die Einordnung des 3B-Schrotts als Abfall und nicht umgekehrt.

111.
    Zwar hat der Gerichtshof festgestellt, dass man von der Durchführung eines in Anhang II A oder II B der Abfallrichtlinie aufgeführten Verfahrens für sich allein nicht darauf schließen könne, dass sich der Besitzer des betreffenden Materials entledigen wolle, da sich ein Verfahren zur Verwertung oder Beseitigung von Abfällen oft schwer von der Behandlung anderer Erzeugnisse unterscheiden lasse.(31)

112.
    Diese Feststellungen stehen dem hier vertretenen Ansatz aber nicht entgegen. Anders als in den zitierten Entscheidungen ist das zu verwertende Material (jedenfalls ursprünglich) Verpackungsabfall gewesen. Es geht allein darum, zu beurteilen, ob die Abfalleigenschaft noch fortbesteht. Die Einordnung der Verfahren, die bereits durchgeführt worden sind oder noch durchgeführt werden sollen, hat in diesem Fall eine andere Bedeutung als in Fällen, in denen erst ermittelt werden soll, ob das zu behandelnde Material überhaupt Abfall ist.

113.
    Außerdem soll nicht von der Durchführung eines Verwertungsverfahrens des Anhangs II B der Abfallrichtlinie auf die Abfalleigenschaft geschlossen werden, sondern von der Durchführung eines Verfahrens zur stofflichen Verwertung, das in Artikel 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie näher definiert wird als die Verfahren in Anhang II B.

114.
    Der Abfallbegriff wird durch den hier vertretenen Ansatz auch nicht rückwirkend verändert. Vielmehr kam es für die Qualifikation eines Stoffes nach der Abfallrichtlinie schon immer darauf an, ob sich der Besitzer dessen entledigen will. Welche Kriterien für die Ermittlung des Willens des Besitzers anzuwenden sind, regelt die Abfallrichtlinie nicht.(32) Hierfür kommt es - wie bereits ausgeführt - auf die Gesamtumstände des jeweiligen Falles an. In diesem Zusammenhang können nicht nur tatsächliche Umstände, sondern auch der weitere Regelungskontext von Bedeutung sein, selbst wenn die einschlägigen Regelungen erst nach der Abfallrichtlinie erlassen worden sind.

C - Zur Reihenfolge der Behandlung der beiden Vorlagefragen

115.
    Aus den Ausführungen unter A und B folgt, dass die Frage, welches Verfahren eine vollständige stoffliche Verwertung von Stahl aus Verpackungsabfällen darstellt, nicht davon abhängt, ob die aus dem jeweiligen Prozess hervorgehenden Materialien noch als Abfälle im Sinne der Abfallrichtlinie einzuordnen sind. Vielmehr ergibt sich der Verlust der Abfalleigenschaft gerade aus der Qualifikation des durchgeführten Verfahrens.

116.
    Deswegen erscheint eine Antwort auf die erste Vorlagefrage im Hinblick auf die im Ausgangsrechtsstreit zu lösenden Rechtsfragen nicht erforderlich. Jedenfalls ist die zweite Frage vorrangig zu behandeln.

D - Zur zweiten Vorlagefrage

117.
    Artikel 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie definiert, was unter stofflicher Verwertung (Recycling) im Sinne dieser Richtlinie zu verstehen ist. Diese Bestimmung bildet den Maßstab für die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage. Soweit ersichtlich, hat der Gerichtshof bisher noch nicht zum Begriff der stofflichen Verwertung Stellung genommen. Vor einer am Wortlaut orientierten Auslegung der Bestimmung ist kurz auf den gemeinschaftsrechtlichen Kontext, die Bedeutung des Begriffs im Hinblick auf die Ziele der Verpackungsrichtlinie und die Entwicklung des Begriffs der stofflichen Verwertung im Rechtsetzungsverfahren einzugehen, das zum Erlass der Verpackungsrichtlinie führte.

1) Vorbemerkungen

a) Die stoffliche Verwertung im Gemeinschaftsrecht

118.
    In der Verpackungsrichtlinie taucht erstmals eine eingehende Definition des Begriffs der stofflichen Verwertung (Recycling) auf, die - vereinfacht gesagt - in der Wiedergewinnung der Materialen besteht, aus denen die Verpackungen hergestellt worden sind, um sie erneut zu verwenden. Diese Methode der Verwertung von Verpackungsabfällen hat zwei Vorzüge. Erstens braucht das recycelte Material nicht mehr als Abfall beseitigt zu werden. Zweitens werden Energie und Rohstoffe gespart.

119.
    Der Sache nach findet dieser Ansatz bereits in einer Reihe älterer Rechtsakte Erwähnung. So wird in der Abfallrichtlinie - wenn auch nicht in der deutschen Sprachfassung - ebenfalls der Begriff Recycling (Rückführung) in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i erwähnt. MPR stützt sich maßgeblich auf diese Bestimmung, in der das Recycling durch seine Ausrichtung auf die Gewinnung von sekundären Rohstoffen charakterisiert werde. Auch das vorlegende Gericht stellt in der Fragealternative a einen Bezug zur Gewinnung von Sekundärrohstoff her.

120.
    Der Gedanke des Recycling tauchte auch bereits in Artikel 2 Buchstabe e der Richtlinie 85/339/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über Verpackungen für flüssige Lebensmittel(33) auf, die durch die Verpackungsrichtlinie ersetzt worden ist.(34) Ferner ist der Artikel 3 der Richtlinie 75/439/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 über die Altölbeseitigung(35) zu nennen.

121.
    Abgesehen davon, dass die Aussagekraft dieser Spezialregelungen für den Bereich der Verpackungsabfälle gering ist, lassen sich diesen Regelungen auch keine näheren Hinweise zum Begriff des Recycling entnehmen. Dies gilt auch für der Verpackungsrichtlinie nachfolgende Regelungen, die deren Recycling-Definition aufgegriffen haben.(36)

b) Die stoffliche Verwertung im Regelungskontext der Verpackungsrichtlinie

122.
    Artikel 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie kann nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr sind für die Auslegung dieser Bestimmung die Ziele der Richtlinie und der Regelungskontext zu berücksichtigen.

123.
    Dabei ist hervorzuheben, dass die Verpackungsrichtlinie einerseits darauf zielt, die Auswirkungen der Verpackungsabfälle auf die Umwelt zu vermeiden oder solche Auswirkungen zu verringern und so ein hohes Schutzniveau sicherzustellen und andererseits das Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten.(37)

i) Hohes Umweltschutzniveau

124.
    Das Ziel, ein hohes Umweltschutzniveau zu erreichen, steht in Einklang mit den Vorgaben des Artikels 174 Absatz 2 EG. Gemäß Artikel 6 EG müssen die Erfordernisse des Umweltschutzes auch bei Erlass von Maßnahmen zur Rechtsangleichung einbezogen werden. Aus diesem Ziel, dem auch die Abfallrichtlinie dient, hat der Gerichtshof gefolgert, dass der Begriff des Abfalls weit auszulegen ist.(38)

125.
    Übertragen auf die Verpackungsrichtlinie bedeutet dies, dass der Begriff der stofflichen Verwertung nicht so ausgelegt werden kann, dass ein Material vorschnell seine Abfalleigenschaft verliert und der abfallspezifischen Kontrolle infolgedessen schon zu einem Zeitpunkt nicht mehr unterliegt, zu dem diese Kontrolle zur Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus noch erforderlich ist.

126.
    Insbesondere muss gewährleistet sein, dass von gebrauchten Verpackungen keine Gefahr für die Umwelt ausgeht und dass sie - soweit sie nicht wiederverwendet werden können - möglichst verwertet und nicht beseitigt werden.(39)

127.
    Unter den verschiedenen Verwertungsformen ist die stoffliche Verwertung anderen Formen der Verwertung vorzuziehen.(40) Sie trägt nämlich zum Schutz der Umwelt bei, indem sie eine Einsparung an Energie und Primärrohstoffen sowie eine Reduzierung des Abfalls, der endgültig zu beseitigen ist, bewirkt.(41)

ii) Keine Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt

128.
    Im Unterschied zur Abfallrichtlinie stellt die Verpackungsrichtlinie konkrete Verwertungsziele auf. So macht Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b den Mitgliedstaaten quantitative Vorgaben für die mindestens stofflich zu verwertenden Anteile am gesamten Verpackungsmaterial. Durch die auf Artikel 100a EG-Vertrag gestützte Verpackungsrichtlinie sollen die Vorschriften der Mitgliedstaaten vereinheitlicht werden, und es soll Wettbewerbsverzerrungen vorgebeugt werden.

129.
    Auch wenn Recycling unter Berücksichtigung aller Faktoren volkswirtschaftlich zu Ersparnissen führen kann,(42) stellt es für die Unternehmen, die für die stoffliche Verwertung der von ihnen in Verkehr gebrachten Verpackungen aufkommen müssen, einen Kostenfaktor dar. Letztlich verteuern diese Aufwendungen ihre Produkte und beeinflussen so ihre Marktchancen.

130.
    Die Gemeinschaft hat in gewissem Umfang ungleiche Belastungen der Industrie in den Mitgliedstaaten hingenommen, indem sie keine genau bestimmte Mindestverwertungsquote vorgegeben, sondern eine Spanne gelassen hat. Es könnte zu weiter gehenden Ungleichgewichten kommen, wenn die Mitgliedstaaten erheblich voneinander abweichende Begriffe der stofflichen Verwertung zugrunde legen und die Kosten für die Erfüllung der Verwertungsquoten infolgedessen voneinander abweichen.

131.
    Der Gerichtshof sollte daher eine abschließende Auslegung des Begriffs der stofflichen Verwertung vornehmen, um das Ziel der Rechtsangleichung zu gewährleisten. Ferner muss die Auslegung sicherstellen, dass dasselbe Verpackungsmaterial bei der Berechnung der Quote für die stoffliche Verwertung nicht mehrfach berücksichtigt wird, wie die britische Regierung zu Recht hervorhebt.

c) Entwicklung des Begriffs der stofflichen Verwertung im Rechtsetzungsverfahren

132.
    Anders als in der geltenden Fassung (siehe oben Nummer 7) lautete die Definition der stofflichen Verwertung im Vorschlag der Kommission(43) ursprünglich:

„.stoffliche Verwertung (Recycling)‘: die Verwertung von Stoffen für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke mit Ausnahme der Energierückgewinnung. Die stoffliche Verwertung umfasst auch die Aufbereitung und die Kompostierung.“

133.
    In der Begründung wird auf die Definition nicht näher eingegangen. Ihr fehlen einige Tatbestandsmerkmale, die sich nunmehr in der geltenden Fassung finden. Der stofflichen Verwertung können nach der deutschen Fassung des Vorschlags schlicht „Stoffe“ unterzogen werden. Es bleibt offen, ob es sich um Verpackungsabfälle handeln muss oder nicht. Ferner wird der Prozess allein durch das Ziel des Wiedereinsatzes des Materials für den ursprünglichen oder für andere Zwecke charakterisiert. Eine nähere Beschreibung des Vorgangs der stofflichen Verwertung enthielt der Entwurf nicht.

134.
    Eine im Wesentlichen der jetzigen Formulierung entsprechende Fassung taucht erst im gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 13/94 des Rates vom 4. März 1994(44) auf. Für diese Änderung fehlt eine Begründung. Sie scheint auch weder von der Kommission noch vom Parlament im weiteren Verfahren kommentiert worden zu sein. Festzustellen ist lediglich, dass die schließlich angenommene Definition den Vorgang der stofflichen Verwertung genauer beschreibt und damit eine klarere Abgrenzung der stofflichen Verwertung von sonstigen Verwertungsmaßnahmen ermöglicht, was im Hinblick auf die Verwertungsquoten in Artikel 6 Absatz 1 von Bedeutung ist.

d) Weitere Entwicklung

135.
    Die stoffliche Verwertung hat mittlerweile eine erhebliche Bedeutung gewonnen und wird in Zukunft einen noch größeren Stellenwert bei der Verwertung von Verpackungsabfällen bekommen.

136.
    Aus dem in Artikel 6 Absatz 3 vorgesehenen Zwischenbericht, den die Kommission 1999 vorgelegt hat,(45) ergibt sich, dass fast alle Mitgliedstaaten die Mindestzielvorgaben bereits vier Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie erreicht, teils die Maximalziele sogar deutlich überschritten haben. Das Vereinigte Königreich belegte mit einem Anteil der stofflichen Verwertung von 30 Gewichtsprozent eher einen Platz am Ende der Liste der Mitgliedstaaten; bei Stahl erreichte die Recyclingquote dort einen mittleren Wert von 26 Gewichtsprozent.(46)

137.
    Inzwischen hat die Kommission einen Vorschlag für eine Änderung der Verpackungsrichtlinie vorgelegt.(47) Der Vorschlag sieht eine deutliche Erhöhung der Verwertungsquoten vor (60 bis 75 Gewichtsprozent für die Verwertung und 55 bis 70 Gewichtsprozent für die stoffliche Verwertung). Außerdem verfolgt die Kommission den neuen Ansatz, getrennte Quoten für die stoffliche Verwertung verschiedener Materialien einzuführen. So soll die Quote für die stoffliche Verwertung von Metallen künftig 50 Gewichtsprozent erreichen.

138.
    Insbesondere im Hinblick auf Kunststoffe wird außerdem zwischen der werkstofflichen, der chemischen und der rohstofflichen Verwertung unterschieden. Zwar könnten diese weiteren Definitionen aufschlussreich sein, wenn man sie als Unterfälle der stofflichen Verwertung auffasst. Jedoch bestehen Bedenken, aus einem Vorschlag der Kommission für die Änderung der Verpackungsrichtlinie Rückschlüsse auf die Auslegung der Richtlinie in ihrer geltenden Fassung zu ziehen.

2) Auslegung von Artikel 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie

139.
    Die Definition der stofflichen Verwertung in Artikel 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie enthält drei Tatbestandselemente, die vorliegend von Bedeutung sind: Gegenstand der stofflichen Verwertung sind „Abfallmaterialien“ (a). Diese werden für den ursprünglichen oder für einen anderen Zweck wiederaufgearbeitet (b). Die Wiederaufarbeitung erfolgt in einem Produktionsprozess (c). Der Einschluss der organischen und der Ausschluss der energetischen Verwertung sind für den Fall ohne Bedeutung.

a) Abfallmaterialien

140.
    MPR meint, die Stahlhersteller führten schon deswegen kein Recycling durch, weil das von MPR gelieferte Ausgangsmaterial, der 3B-Schrott, bereits kein Abfall mehr sei.

141.
    In der Definition der stofflichen Verwertung wird allerdings nicht der Begriff Abfall verwendet, sondern Abfallmaterialien, der sonst an keiner anderen Stelle der Verpackungsrichtlinie und auch nicht in der Abfallrichtlinie zu finden ist. Aus dieser Wortwahl könnte man schließen, dass die Materialien, die Gegenstand der stofflichen Verwertung sein können, zwar aus (Verpackungs-)Abfällen stammen, aber zum Zeitpunkt der stofflichen Verwertung nicht mehr zwingend Abfall im Sinne der Abfallrichtlinie sein müssen. Dann käme es für die Qualifikation der Tätigkeit der Stahlhersteller nicht darauf an, ob der von ihnen eingeschmolzene 3B-Schrott noch Abfall ist oder nicht.

142.
    Vorauszuschicken ist, dass einige Sprachfassungen der Verpackungsrichtlinie auch in Artikel 3 Nummer 7 schlicht den „Abfall“ entsprechenden Begriff verwenden (so die französische, spanische, portugiesische und finnische Fassung). Die Mehrheit der Sprachfassungen führt dagegen ein Pendant zu den „Abfallmaterialien“ der deutschen Fassung ein (so die englische dänische, schwedische, niederländische und italienische Fassung). Deshalb ist nicht auszuschließen, dass durch die Verwendung des Begriffs „Abfallmaterialien“ zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass Gegenstand des Recyclings nicht nur Abfälle sein können.

143.
    Gegen diese Auslegung spricht aber die bereits beschriebene Funktion der Recycling-Definition im Hinblick auf die Erreichung der Verwertungsziele. Könnten aus Abfällen stammende Materialien, die keine Abfälle mehr sind, noch Gegenstand eines Verfahrens der stofflichen Verwertung sein, bestünde die Gefahr, dass bereits einmal recycelte Materialien ein weiteres Mal einer stofflichen Verwertung unterzogen werden. Dies könnte zu Mehrfachzählungen desselben Materials bei der Berechnung der Verwertungsquote führen.

144.
    Außerdem schließt die Definition des Verpackungsabfalls in Artikel 3 Nummer 2 der Verpackungsrichtlinie sogar „Verpackungsmaterialien“ ein, sofern sie unter den Abfallbegriff der Abfallrichtlinie fallen. Angesichts dessen kann kaum davon ausgegangen werden, dass der Begriff „Abfallmaterialien“ Stoffe bezeichnen sollte, die keine Abfälle sind.

145.
    Man könnte sich allerdings fragen, ob die Materialien, die der stofflichen Verwertung zugeführt werden, überhaupt Abfälle sein können. Da die stoffliche Verwertung als Einsatz in einem Produktionsprozess beschrieben wird, könnte man annehmen, dass es an dem für den Abfallbegriff zentralen Element des Sich-Entledigens fehlt.

146.
    Dagegen spricht jedoch, dass jede Verwertung einen nützlichen Einsatz des Abfalls darstellt, ohne dass die der Verwertung zuzuführenden Materialien deswegen ihre Abfalleigenschaft verlieren. Nach den Feststellungen des Gerichtshofes liegt ein Sich-Entledigen im Gegenteil gerade dann vor, wenn man das Material verwertet oder beseitigt.(48) Da die stoffliche Verwertung als besondere Form der Verwertung anzusehen ist,(49) kann ein Material, das einem entsprechenden Produktionsprozess unterzogen werden soll, nicht allein deshalb seine Abfalleigenschaft verlieren.

147.
    Der Begriff „Abfallmaterialien“ betont vielmehr nur den materialbezogenen Ansatz des Recyclings. Der stofflichen Verwertung liegt nämlich der Gedanke zugrunde, dass aus den Abfällen bestimmte Stoffe zurückgewonnen und wieder eingesetzt werden, so dass ein Stoffkreislauf entsteht, wie der englische Begriff des „re-cycling“ veranschaulicht.

148.
    Von diesem Gedanken ausgehend verdeutlicht das Wort „Abfallmaterialien“, dass die verschiedenen zu Verpackungen zusammengefügten Materialien oder Stoffe im Hinblick auf ihre stoffliche Verwertung getrennt behandelt werden müssen. Glas, Metall, Kunststoff, Papier usw. können nur in spezifische auf das jeweilige Material anwendbare Produktionsprozesse eingebracht werden. Dies unterscheidet die stoffliche und auch die organische Verwertung von der energetischen Verwertung, der auch Stoffgemische zugeführt werden können.

149.
    Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass durch die Verwendung des Begriffs „Abfallmaterialien“ nicht zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die Stoffe, die Gegenstand der stofflichen Verwertung sind, keine Abfälle mehr sein müssen. Vielmehr trägt dieser Begriff nur dem Umstand Rechnung, dass die Rückgewinnung nach Materialien getrennt erfolgen muss.

b) Wiederaufarbeitung für den ursprünglichen Zweck oder für einen anderen Zweck

150.
    Der Begriff der Wiederaufarbeitung bedeutet, dass die Abfallmaterialien durch die Behandlung wieder in einen Zustand versetzt werden, in dem sie sich befanden, bevor sie zu Verpackungsabfällen geworden sind. Dieser Prozess soll die Materialien wieder für den ursprünglichen oder einen anderen Zweck einsetzbar machen.

151.
    Zu dem Begriff „andere Zwecke“ hat die britische Regierung sowie - in der mündlichen Verhandlung - auch Corus die Meinung vertreten, es müsse sich um ähnliche Zwecke wie die Herstellung neuer Verpackungen handeln. Für diese Auslegung findet sich indes kein Anhaltspunkt im Wortlaut der Richtlinie. Darauf kommt es aber auch gar nicht an. Sinn und Zweck der Richtlinie wollen es lediglich ausschließen, dass das Material zu dem Zweck recycelt wird, es anschließend wieder als Abfall zu behandeln, d. h. weitere Verwertungsverfahren durchzuführen oder gar es zu beseitigen.

c) Produktionsprozess

152.
    Kennzeichnend für einen Produktionsprozess ist, dass mit einem gewissen Aufwand an Produktionsmitteln und dem Einsatz von Energie ein oder mehrere Ausgangsmaterialien in einer Weise umgeformt oder zusammengefügt werden, dass am Ende ein neues Produkt entsteht. Die Ausgangsmaterialien können dabei Rohstoffe oder auch Vorprodukte sein. Das neue Produkt ist durch einen höheren Verarbeitungsgrad als das Ausgangsmaterial gekennzeichnet.

3) Einordnung des von MPR durchgeführten Verfahrens

153.
    Zu untersuchen ist, ob die Tätigkeit von MPR nach Maßgabe der hier vertretenen Auslegung des Artikels 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie als stoffliche Verwertung anzusehen ist.

154.
    Das von MPR bearbeitete Material enthält einen gewissen Anteil an Verpackungsabfällen aus Metall, die unbestritten Abfallmaterialien im Sinne der entwickelten Definition darstellen.

155.
    Zweifelhaft ist jedoch, ob MPR eine Wiederaufarbeitung für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke durchführt. Dazu müsste MPR das Material in einen Zustand versetzen, in dem es sich befand, bevor daraus Verpackungen bzw. Verpackungsabfall wurde.

156.
    Eine Rückumwandlung in Eisenerz ist ausgeschlossen. Selbst wenn man annimmt, dass bei der Herstellung der Verpackungen bereits 3B-Schrott zum Einsatz gekommen ist, versetzt MPR den Stoff nicht wieder in einen identischen Zustand zurück. Denn 3B-Schrott stellt ein Gemisch dar, das neben Stahl in gewissem Umfang auch Fremdstoffe enthält. Der früher einmal verarbeitete 3B-Schrott einerseits und der von MPR aus den Verpackungsabfällen gewonnene 3B-Schrott andererseits haben nicht dieselbe Zusammensetzung. Vielmehr erlangt das Material erst wieder einen zuvor bereits einmal innegehabten Zustand, wenn es wieder reiner Stahl ist.

157.
    Auch ist 3B-Schrott nicht unmittelbar für den ursprünglichen Zweck, der Herstellung neuer Verpackungen, einsetzbar. Allenfalls käme ein „anderer Zweck“ in Betracht, nämlich zum Einsatz als Material zur Beschickung von Schmelzöfen.

158.
    Ziel der stofflichen Verwertung ist jedoch die Rückgewinnung der Ausgangsstoffe. Solange noch Stoffgemische vorliegen, die in weiteren Prozessen gereinigt und von Fremdstoffen befreit werden müssen, liegt noch keine vollständige Wiederaufarbeitung vor. Vielmehr sind anschließende Prozesse der Reinigung und Trennung ihrerseits als Verwertungsverfahren zu betrachten. Ein „anderer Zweck“ im Sinne von Artikel 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie kann es aber nicht sein, einen Stoff zu erzeugen, der weiteren Verwertungsverfahren unterzogen werden muss.

159.
    Wie dem Vorlagebeschluss zu entnehmen ist, enthält 3B-Schrott Verunreinigungen, die vor einer Wiederverwendung des Stahls entfernt werden müssen. Diese Fremdstoffe werden erst beim Einschmelzen mittels chemischer oder physikalischer Verfahren von dem reinen Stahl getrennt, indem sie mit der Schlacke abgezogen werden, die sich auf dem flüssigen Metall absetzt, oder verdampfen.

160.
    Schließlich können die von MPR angewandten Verfahren nicht als Produktionsprozess angesehen werden. Zwar ist nicht zu bestreiten, dass MPR sowohl Maschinen als auch Energie einsetzt. Auch könnte man das Zerkleinern noch als eine Art Umformung ansehen. Ergebnis des Prozesses ist aber kein Produkt, das einen höheren Verarbeitungsgrad als das Ausgangsmaterial aufweist. Vielmehr erzeugt MPR einen Sekundärrohstoff. Dieser mag zwar dem von der Industrie gesetzten 3B-Standard entsprechen und deshalb für den Einsatz in einem Produktionsprozess geeignet sein. Es handelt sich jedoch noch immer um einen Rohstoff, der - wie der Name schon sagt - unverarbeitet ist.

161.
    Die Ausführungen in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i der Abfallrichtlinie zum Begriff der Rückführung (siehe oben Nummer 6) stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Nach MPRs Lesart dieser Bestimmung hat die Rückführung (Recycling) gerade die Gewinnung sekundärer Rohstoffe zum Ziel.

162.
    Zum einen ist aber nicht ganz klar, ob sich der Satzteil „im Hinblick auf die Gewinnung von sekundären Rohstoffen“ auf das Wort „Rückführung“ bezieht oder nur auf das letzte Element der Aufzählung, die „andere[n] Verwertungsvorgänge“. Wie die Umweltbehörde zu Recht hervorhebt, wird jedenfalls bei dem „Wiedereinsatz“ eines Gegenstandes, der auch in der Aufzählung genannt wird, kein Sekundärrohstoff gewonnen.

163.
    Außerdem fällt auf, dass der Begriff der Rückführung (Recycling) nicht in Artikel 1 der Abfallrichtlinie aufgeführt ist, in dem sich die für die Abfallrichtlinie maßgeblichen Begriffsdefinitionen im Übrigen finden. Es ist daher fraglich, ob an dieser Stelle der Abfallrichtlinie überhaupt eine Definition des Begriffs der Rückführung vorgenommen werden sollte.

164.
    Zum anderen ist das Verhältnis der beiden Richtlinien zu berücksichtigen. Nach der hier vertretenen Auslegung der Verpackungsrichtlinie erfüllt die Herstellung eines Sekundärrohstoffs noch nicht den Tatbestand der stofflichen Verwertung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dieser Sekundärrohstoff noch Fremdstoffe enthält, die in weiteren Verfahren entfernt werden müssen. Falls der Abfallrichtlinie insofern ein anderer Begriff des Recyclings zugrunde liegen sollte, so würde die Abfallrichtlinie gegenüber der spezielleren Verpackungsrichtlinie zurücktreten.

165.
    Diese Interpretation steht auch mit den Zielen der Verpackungsrichtlinie in Einklang. Danach soll die stoffliche Verwertung zur Einsparung von Primärrohstoffen führen. Diese Einsparung tritt erst in dem Moment ein, in dem Stahl aus 3B-Schrott anstatt aus Eisenerz gewonnen wird.

166.
    Ferner ist eine enge Auslegung geboten, damit der von MPR verarbeitete Verpackungsabfall seine Abfallqualität nicht zu einem Zeitpunkt verliert, in dem noch eine Überwachung als Abfall geboten ist. Dem Vorlagebeschluss ist zu entnehmen, dass das Material auch nach der Bearbeitung durch MPR Verunreinigungen aufweist, die besondere Vorkehrungen bei der Lagerung gebieten, wie sie bei Abfällen erforderlich sind, um eine Kontamination des Bodens zu vermeiden. Zudem unterliegen die Stahlproduzenten bei der weiteren Verarbeitung des 3B-Schrotts der „Integrated Pollution Control“.

167.
    Die Behandlung der Verpackungsabfälle durch MPR ist somit keine stoffliche Verwertung im Sinne der Verpackungsrichtlinie, weil das Metall nicht vollständig zurückgewonnen wird, sondern noch Fremdstoffe entfernt werden müssen und weil kein Produktionsprozess vorliegt, aus dem ein neues Produkt hervorgeht.

4) Einordnung des von den Stahlherstellern durchgeführten Verfahrens

168.
    Bei dem 3B-Schrott, den die Stahlhersteller einschmelzen, müsste es sich um Abfallmaterialien handeln, die aus Verpackungen stammen. Das Material, das MPR verarbeitet hat, enthielt ursprünglich Verpackungsabfälle. Dass das Verfahren, das MPR durchgeführt hat, nicht als stoffliche Verwertung einzuordnen ist, ist ein Anzeichen für das Fortbestehen der Abfalleigenschaft.

169.
    Zu erwägen wäre allenfalls, ob MPR das Material in sonstiger Weise verwertet hat und es dadurch seine Abfalleigenschaft verloren hat. Bei der Bearbeitung durch MPR könnte es sich etwa um die „Verwertung/Rückgewinnung von Metallen und Metallverbindungen“ gemäß der Kategorie R 3 des Anhangs II B der Abfallrichtlinie handeln.

170.
    Es ist jedoch an die Feststellung des Gerichtshofes zu erinnern, dass die vollständige Durchführung eines Verwertungsverfahrens nach Anhang II B einem Stoff nicht notwendigerweise die Abfalleigenschaft nimmt.(50) Dies gilt erst recht, wenn es sich um eine Vorbehandlung wie das Sortieren und Zerkleinern handelt, durch die das Material nicht von allen unerwünschten Fremdstoffen gereinigt wird.(51)

171.
    Da das Material erst bei den Stahlherstellern einem weiteren Verfahren der Aufarbeitung unterzogen werden soll, in dem der Stahl von letzten Fremdstoffen befreit wird, hat das Verpackungsmaterial durch die Behandlung von MPR folglich seine Abfalleigenschaft nicht verloren. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Stahlhersteller bei der Verarbeitung des 3B-Materials der „Integrated Pollution Control“ unterliegen.

172.
    Die Tatsache, dass 3B-Schrott einen wirtschaftlichen Wert hat und geeignet ist, als Rohstoff eingesetzt zu werden, schließt das Fortbestehen der Abfalleigenschaft nicht aus.(52) In dem Urteil Palin Granit hat der Gerichtshof allerdings in dem Grad der Wahrscheinlichkeit der Wiederverwendung eines Stoffes ohne vorherige Bearbeitung ein maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der Frage gesehen, ob Abfall im Sinne der Abfallrichtlinie vorliegt.(53)

173.
    Im vorliegenden Fall ist nicht genau bekannt, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass das 3B-Material unmittelbar nach der Behandlung durch MPR von den Stahlherstellern weiterverarbeitet wird. Es spricht jedoch einiges dafür, dass der 3B-Schrott alsbald in den Stahlwerken zum Einsatz kommt.

174.
    In dem Urteil Palin Granit war jedoch zu klären, ob das Bruchgestein, das als Nebenprodukt in Steinbrüchen anfällt, überhaupt Abfall ist. Bei dieser Frage sind andere Maßstäbe anzulegen als im vorliegenden Fall, in dem klar ist, dass das fragliche Material Abfall war. Um dem Schutzzweck der Abfall- und der Verpackungsrichtlinie Rechnung zu tragen, ist das Fortbestehen der Abfalleigenschaft zumindest so lange zu vermuten, bis das Material nachweislich vollständig verwertet worden ist. Dabei beendet die stoffliche Verwertung die Abfalleigenschaft in der Regel.(54) Bei anderen Verwertungsformen ist dies nicht unbedingt der Fall.(55)

175.
    Die Behandlung durch die Stahlhersteller stellt auch eine Wiederaufarbeitung für den ursprünglichen oder einen anderen Zweck dar. Durch das Einschmelzen wird reiner Stahl gewonnen und das Material somit wieder in einen Zustand überführt, in dem es sich vor der Herstellung der Verpackungen befand. Aus den Stahlblöcken, -blechen oder -rollen können wieder Verpackungen oder andere Produkte hergestellt werden.

176.
    Schließlich bildet das Einschmelzen auch einen Produktionsprozess. Aus dem 3B-Schrott werden im Verfahren der Stahlherstellung unter Einsatz von Schmelzöfen und Energie (Vor-)Produkte erzeugt, die einen höheren Verarbeitungsgrad haben als das Ausgangsmaterial.

177.
    Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass die Materialien nicht schon im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verpackungsrichtlinie stofflich verwertet worden sind, wenn sie als Rohstoffe verwendbar gemacht worden sind, sondern erst dann, wenn sie von den Stahlherstellern zur Herstellung von Stahlblöcken, -blechen oder -rollen verwendet worden sind.

E - Zur ersten Vorlagefrage

178.
    Angesichts der Antwort auf die zweite Frage erscheint die Beantwortung der ersten Frage nicht mehr erforderlich. Ob Verpackungsabfälle stofflich verwertet worden sind, ist ausschließlich anhand der Verpackungsrichtlinie zu beurteilen.

179.
    Die Frage, ob und wann sie ihre Abfalleigenschaft verloren haben, hat im Zusammenhang mit der stofflichen Verwertung nur insofern eine Bedeutung, als Abfallmaterialien das Ausgangsmaterial für die stoffliche Verwertung bilden. Mangels einer stofflichen Verwertung durch MPR hat 3B-Schrott - wie dargestellt - seine Abfalleigenschaft nicht verloren und kann durch die Stahlhersteller stofflich verwertet werden.

180.
    Die erste Frage könnte allerdings auch dahin gehend zu verstehen sein, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, wann sonstige Materialien, die nicht in den Anwendungsbereich der Verpackungsrichtlinie fallen, als stofflich verwertet anzusehen sind.

181.
    Nach ständiger Rechtsprechung ist es zunächst allein Sache des befassten nationalen Gerichts, das den Rechtsstreit zu entscheiden hat, im Hinblick auf den jeweiligen Einzelfall sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen.(56)

182.
    Gleichwohl hat sich der Gerichtshof außerstande gesehen, über eine von einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage zu befinden, wenn die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift, um die das vorlegende Gericht ersucht, offensichtlich in keinem Zusammenhang mit dem Sachverhalt oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist.(57)

183.
    Die Parteien des Verfahrens vor dem nationalen Gericht streiten um die Berechtigung, PRNs für die stoffliche Verwertung von Verpackungsabfällen ausstellen zu dürfen. Es ist dem Vorlagebeschluss keinerlei Hinweis zu entnehmen, dass die Frage, wann andere Abfälle als Verpackungsabfälle stofflich verwertet worden sind, von Bedeutung für die Entscheidung des vor dem High Court anhängigen Rechtsstreits wäre.

184.
    Die Frage ist demnach nicht zu beantworten.

VII - Ergebnis

185.
    Aufgrund der vorstehenden Ausführungen wird vorgeschlagen, wie folgt auf die zweite Vorlagefrage zu antworten:

Verpackungsabfälle aus Stahl sind nicht schon stofflich verwertet im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle, wenn sie als Rohstoffe verwendbar gemacht worden sind, sondern erst dann, wenn sie von Stahlherstellern zur Herstellung von Stahlblöcken, -blechen oder -rollen verwendet worden sind.


1: -     Originalsprache: Deutsch.


2: -    Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 39, geändert durch Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 zur Änderung der Richtlinie 75/442/EWG über Abfälle (ABl. L 78, S. 32), und Entscheidung 96/350/EG der Kommission vom 24. Mai 1996 zur Anpassung der Anhänge II A und II B der Richtlinie 75/442/EWG des Rates über Abfälle (ABl. L 135, S. 32).


3: -    ABl. L 365, S. 10.


4: -    ABl. L 269, S. 34.


5: -    MPR verweist auf die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 24. Oktober 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-304/94, C-330/94, C-342/94 und C-224/95 (Tombesi u.a ., Slg. 1997, I-3561, I-3564, Nr. 56) und die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 24. April 1997 in der Rechtssache C-129/96 (Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, I-7411, I-7413, Nrn. 69 und 70) sowie auf das Urteil vom 15. Juni 2000 in den verbundenen Rechtssachen C-418/97 und C-419/97 (Arco Chemie u. a., Slg. 2000, I-4475, Randnrn. 51, 65 bis 71, 73, 88, 97).


6: -    Schlussanträge in der Rechtssache Inter-Environnement Wallonie (zitiert in Fußnote 5, Nrn. 26, 27 und 60); Schlussanträge in der Rechtssache Tombesi (zitiert in Fußnote 5, Nrn. 50 und 51) und Urteil Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 34, 36, 46, 47).


7: -    Urteil vom 18. Dezember 1997 in der Rechtssache C-129/96 (Inter-Environnement Wallonie, Slg. 1997, I-7411, Randnr. 33).


8: -    Schlussanträge in der Rechtssache Tombesi (zitiert in Fußnote 5, Nrn. 53, 54); Schlussanträge in der Rechtssache Inter-Environnement Wallonie (zitiert in Fußnote 5, Nr. 78) und Urteil Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 93 und 94).


9: -    Urteil Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 34 bis 40).


10: -    Urteil Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 89, 95 bis 97).


11: -    Die Umweltbehörde verweist insbesondere auf die Urteile Inter-Environnement (zitiert in Fußnote 7, Randnr. 30) und Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 64 bis 69).


12: -    ABl. L 30. S. 1.


13: -    ABl. L 182, S. 1.


14: -    ABl. L 332, S. 91.


15: -    Urteil Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnr. 96).


16: -    Zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 36 bis 41.


17: -    Zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 40, 41 und 97.


18: -    Die Sprachfassungen weichen voneinander ab. Während im Deutschen und einigen anderen Fassungen, z. B. im Spanischen, allgemein auf die Maßnahmen nach Anhang II B der Abfallrichtlinie verwiesen wird („cualquiera de las operaciones“), enthalten andere Sprachfassungen einschränkende Zusätze (z. B. „applicable operations“, „opérations applicables“, „pertinenti operazioni“, „toepasselijke handelingen“).


19: -    Sie verweist auf die Schlussanträge in der Rechtssache Tombesi (zitiert in Fußnote 5, Nr. 56)


20: -    Urteile Inter-Environnement (zitiert in Fußnote 7, Randnr. 33) und Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnr. 70).


21: -    Siehe oben Fußnote 2.


22: -    Zitiert in Fußnote 2.


23: -    Vgl. den siebten Erwägungsgrund der Verpackungsrichtlinie.


24: -    Vgl. insbesondere Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a Abfallrichtlinie und Artikel 1 Absatz 2 Verpackungsrichtlinie.


25: -    Vgl. Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b Abfallrichtlinie und Artikel 1 Absatz 2 Verpackungsrichtlinie.


26: -    Urteil Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 94 und 95).


27: -    Urteile Inter-Environnement (zitiert in Fußnote 7, Randnr. 26) und vom 18. April 2002 in der Rechtssache C-9/00 (Palin Granit, Slg. 2002, I-0000, Randnr. 22).


28: -    Urteile vom 28. März 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-206/88 und C-207/88 (Vessoso und Zanetti, Slg. 1990, I-1461, Randnr. 9) und vom 25. Juni 1997 in den verbundenen Rechtssachen C-304/94, C-330/94, C-342/94 und C-224/95 (Tombesi u. a., Slg. 1997, I-3561, Randnr. 52).


29: -    Urteil Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnr. 66).


30: -    Vgl. Urteil Palin Granit (zitiert in Fußnote 27, Randnrn. 24 und 25).


31: -    Urteile Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 51 und 82) und Palin Granit (zitiert in Fußnote 27, Randnr. 27).


32: -    Vgl. Urteil Palin Granit (zitiert in Fußnote 27, Randnr. 25).


33: -    ABl. L 176, S. 18.


34: -    Vgl. Artikel 23 der Verpackungsrichtlinie, die allerdings in ihrer deutschen Sprachfassung irrtümlich eine nicht existierende Richtlinie 89/389 aufhebt.


35: -    ABl. L 194, S. 23.


36: -    Vgl. insbesondere Artikel 2 Nr. 7 der Richtlinie 2000/53.


37: -    Vgl. Artikel 1 Absatz 1 und den ersten Erwägungsgrund der Verpackungsrichtlinie.


38: -    Urteil Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnr. 40).


39: -    Vgl. Artikel 1 Absatz 2 und den siebten Erwägungsgrund der Verpackungsrichtlinie.


40: -    Vgl. den achten Erwägungsgrund der Verpackungsrichtlinie. Der Vorrang der stofflichen Verwertung steht allerdings unter dem Vorbehalt entsprechender wissenschaftlicher und technologischer Erkenntnisse im Bereich der Verwertung.


41: -    Vgl. den elften Erwägungsgrund der Verpackungsrichtlinie.


42: -    Die Kommission schätzt, gestützt auf verschiedene Studien, dass den Kosten für die stoffliche Verwertung etwa Ersparnisse in gleicher Höhe bei den Abfallbeseitigungskosten gegenüberstehen. (Vgl. die Begründung zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle, KOM[2001] 729 endg. vom 7. Dezember 2001, S. 19.)


43: -    KOM(92) 278 endg., ohne Begründung auch abgedruckt in: ABl. 1992, C 263, S. 1.


44: -    ABl. 1994, C 137, S. 65.


45: -    KOM(1999) 596 endg.


46: -    Vgl. Tabelle III.5 des Zwischenberichts von 1999 (zitiert in Fußnote 45), die Zahlenangaben des Vereinigten Königreichs für 1997 wiedergibt.


47: -    Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle vom 7. Dezember 2001 (KOM[2001] 729 endg., ohne Begründung auch abgedruckt in: ABl. 2002, C 103 E, S. 17).


48: -    Urteil Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnr. 47).


49: -    Vgl. den elften Erwägungsgrund der Verpackungsrichtlinie.


50: -    Urteil Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 94 und 95).


51: -    Vgl. Urteil Arco Chemie (zitiert in Fußnote 5, Randnr. 96; zum Zerkleinern vgl. Urteil Tombesi (zitiert in Fußnote 28, Randnr. 53).


52: -    Urteile Zanetti (zitiert in Fußnote 28, Randnrn. 12 und 13), Tombesi (zitiert in Fußnote 28, Randnr. 54) und Inter-Environnement (zitiert in Fußnote 7, Randnr. 31).


53: -    Urteil Palin Granit (zitiert in Fußnote 27, Randnr. 37).


54: -    Siehe oben Nrn. 104 und 105.


55: -    Vgl. die in Fußnote 26 zitierte Rechtsprechung.


56: -    Vgl. insbesondere Urteil vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93 (Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 59).


57: -    Vgl. Urteil Bosman (zitiert in Fußnote 56, Randnr. 61) und Urteil vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97 (EKW, Slg. 2000, I-1157, Randnr. 52).