Language of document : ECLI:EU:T:2022:181

URTEIL DES GERICHTS (Vierte erweiterte Kammer)

30. März 2022(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Luftfrachtmarkt – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV, Art. 53 des EWR-Abkommens und Art. 8 des Abkommens zwischen der Gemeinschaft und der Schweiz über den Luftverkehr festgestellt wird – Abstimmung von Preisbestandteilen für Luftfrachtdienste (Treibstoffaufschlag, Sicherheitsaufschlag, Zahlung einer Provision auf die Aufschläge) – Austausch von Informationen – Räumliche Zuständigkeit der Kommission – Art. 266 AEUV – Verjährung – Verteidigungsrechte – Nichtdiskriminierung – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Höhe der Geldbuße – Umsatz – Schwere der Zuwiderhandlung – Zusatzbetrag – Mildernde Umstände – Ermutigung zu wettbewerbswidrigem Verhalten durch Behörden – Sehr geringfügige Beteiligung – Verhältnismäßigkeit – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung“

In der Rechtssache T‑340/17,

Japan Airlines Co. Ltd mit Sitz in Tokio (Japan), vertreten durch die Rechtsanwälte J.‑F. Bellis und K. Van Hove sowie R. Burton, Solicitor,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Dawes, G. Koleva und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte im Beistand von J. Holmes, QC,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2017) 1742 final der Kommission vom 17. März 2017 in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV, Artikel 53 des EWR-Abkommens und Artikel 8 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr (Sache AT.39258 – Luftfracht), soweit er die Klägerin betrifft, und, hilfsweise, auf Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen (Berichterstatter), der Richter J. Schwarcz, C. Iliopoulos und D. Spielmann sowie der Richterin I. Reine,

Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2019

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Japan Airlines Co. Ltd, vormals Japan Airlines International Co. Ltd, ist eine Luftfrachtgesellschaft. Zum maßgeblichen Zeitpunkt war die Klägerin eine Tochtergesellschaft der Japan Airlines Corp., die von ihr übernommen worden und deren Rechtsnachfolgerin sie ist. Sie ist über einen ihrer Geschäftsbereiche, JAL Cargo genannt, auf dem Markt der Dienstleistungen für Luftfracht (im Folgenden: Fracht) tätig.

2        Im Frachtsektor stellen Fluggesellschaften den Transport von Ladungen auf dem Luftweg sicher (im Folgenden: Transportunternehmen). In der Regel erbringen die Transportunternehmen Frachtdienste für Spediteure, die die Beförderung dieser Ladungen im Namen der Absender organisieren. Im Gegenzug zahlen die Spediteure einen Preis an die Transportunternehmen, der sich zum einen aus Tarifen, die pro Kilogramm berechnet und entweder für eine lange Zeitspanne (im Allgemeinen eine Saison, d. h. sechs Monate) oder punktuell ausgehandelt werden, und zum anderen aus verschiedenen Aufschlägen zusammensetzt, mit denen bestimmte Kosten abgedeckt werden sollen.

3        Vier Typen von Transportunternehmen sind zu unterscheiden: erstens solche, die ausschließlich Vollfrachter betreiben, zweitens solche, die auf ihren Passagierflügen einen Teil des Frachtraums des Flugzeugs für den Warentransport vorbehalten, drittens solche, die sowohl über Frachtflugzeuge als auch über Platz für Fracht im Frachtraum von Passagierflugzeugen verfügen (gemischte Fluggesellschaften), und viertens Integratoren, in deren Besitz sich Frachtflugzeuge befinden, mit denen sowohl integrierte Express-Lieferdienste als auch allgemeine Frachtdienste erbracht werden.

4        Da kein Transportunternehmen in der Lage ist, weltweit alle wichtigen Frachtdestinationen in hinreichender Frequenz zu bedienen, hat sich zwischen ihnen der Abschluss von Vereinbarungen zur Steigerung der Netzabdeckung oder zur Verbesserung der Flugpläne – auch im Rahmen umfassenderer Handelsallianzen zwischen Transportunternehmen – herausgebildet. Zu diesen Allianzen gehörte zum maßgeblichen Zeitpunkt u. a. die WOW-Allianz, in der die Deutsche Lufthansa AG (im Folgenden: Lufthansa), die SAS Cargo Group A/S (im Folgenden: SAS Cargo), die Singapore Airlines Cargo Pte Ltd (im Folgenden: SAC) und die Klägerin zusammengeschlossen waren.

A.      Verwaltungsverfahren

5        Am 7. Dezember 2005 erhielt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß ihrer Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3) von Lufthansa und deren Tochtergesellschaften, der Lufthansa Cargo AG und der Swiss International Air Lines AG (im Folgenden: Swiss), einen Antrag auf Geldbußenerlass. In diesem Antrag wurde erklärt, dass zwischen mehreren Transportunternehmen intensive wettbewerbswidrige Kontakte bestünden, die insbesondere

–        den Treibstoffaufschlag, der eingeführt worden sei, um den steigenden Treibstoffkosten zu begegnen, und

–        den Sicherheitsaufschlag, der eingeführt worden sei, um den Kosten bestimmter nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 vorgeschriebener Sicherheitsmaßnahmen zu begegnen,

beträfen.

6        Am 14. und 15. Februar 2006 führte die Kommission gemäß Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) unangekündigte Nachprüfungen in den Geschäftsräumen mehrerer Transportunternehmen durch.

7        Im Anschluss an die Nachprüfungen stellten mehrere Transportunternehmen, darunter die Klägerin, einen Antrag gemäß der oben in Rn. 5 erwähnten Mitteilung von 2002.

8        Am 19. Dezember 2007 richtete die Kommission, nachdem sie mehrere Auskunftsersuchen versandt hatte, eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an 27 Transportunternehmen, darunter die Klägerin (im Folgenden: Mitteilung der Beschwerdepunkte). Sie stellte fest, dass diese Transportunternehmen dadurch gegen Art. 101 AEUV, Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und Art. 8 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr (im Folgenden: Abkommen EG–Schweiz über den Luftverkehr) verstoßen hätten, dass sie sich an einem Kartell u. a. über den Treibstoffaufschlag, den Sicherheitsaufschlag und eine Verweigerung der Zahlung von Provisionen auf die Aufschläge (im Folgenden: Verweigerung der Zahlung von Provisionen) beteiligt hätten.

9        In Beantwortung der Mitteilung der Beschwerdepunkte reichten ihre Adressaten schriftliche Erklärungen ein.

10      Vom 30. Juni bis zum 4. Juli 2008 fand eine Anhörung statt.

B.      Beschluss vom 9. November 2010

11      Am 9. November 2010 erließ die Kommission den Beschluss K(2010) 7694 endg. in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV, Artikel 53 des EWR-Abkommens und Artikel 8 des [Abkommens EG–Schweiz über den Luftverkehr] (Sache COMP/39258 – Luftfracht) (im Folgenden: Beschluss vom 9. November 2010). Dieser Beschluss ist an 21 Transportunternehmen (im Folgenden: durch den Beschluss vom 9. November 2010 beschuldigte Transportunternehmen) gerichtet, nämlich

–        Air Canada;

–        Air France-KLM (im Folgenden: AF‑KLM);

–        Société Air France (im Folgenden: AF);

–        Koninklijke Luchtvaart Maatschappij NV (im Folgenden: KLM);

–        British Airways plc;

–        Cargolux Airlines International SA (im Folgenden: Cargolux);

–        Cathay Pacific Airways Ltd (im Folgenden: CPA);

–        Japan Airlines Corp.;

–        die Klägerin;

–        Lan Airlines SA (im Folgenden: Lan);

–        Lan Cargo SA;

–        Lufthansa Cargo;

–        Lufthansa;

–        Swiss;

–        Martinair Holland NV (im Folgenden: Martinair);

–        Qantas Airways Ltd (im Folgenden: Qantas);

–        SAS AB;

–        SAS Cargo;

–        Scandinavian Airlines System Denmark-Norway-Sweden (im Folgenden: SAS Consortium);

–        SAC;

–        Singapore Airlines Ltd (im Folgenden: SIA).

12      Die Beschwerdepunkte, die gegenüber den übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorläufig erhoben worden waren, wurden fallen gelassen (im Folgenden: nicht beschuldigte Transportunternehmen).

13      Der Beschluss vom 9. November 2010 beschrieb in seinen Gründen eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV, Art. 53 des EWR-Abkommens und Art. 8 des Abkommens EG–Schweiz über den Luftverkehr im Gebiet des EWR und der Schweiz, mit der die durch den Beschluss vom 9. November 2010 beschuldigten Transportunternehmen ihr Verhalten bei der Festsetzung von Preisen für die Bereitstellung von Frachtdiensten untereinander abgestimmt haben sollen.

14      Der verfügende Teil des Beschlusses vom 9. November 2010, soweit er die Klägerin betraf, hatte folgenden Wortlaut:

Artikel 2

Die folgenden Unternehmen haben gegen Artikel 101 AEUV verstoßen, indem sie sich an einer aus Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestehenden Zuwiderhandlung beteiligt haben, mit der sie verschiedene Elemente der für [Frachtdienste] auf Strecken zwischen Flughäfen innerhalb der Europäischen Union und Flughäfen außerhalb des EWR zu berechnenden Preise untereinander für die folgenden Zeitspannen abstimmten:

h)      [Japan Airlines Corp.] vom 1. Mai 2004 bis zum 14. Februar 2006;

i)      [die Klägerin] vom 1. Mai 2004 bis zum 14. Februar 2006;

Artikel 3

Die folgenden Unternehmen haben gegen Artikel 53 des EWR-Abkommens verstoßen, indem sie sich an einer aus Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestehenden Zuwiderhandlung beteiligt haben, mit der sie verschiedene Elemente der für [Frachtdienste] auf Strecken zwischen Flughäfen in Ländern, die zwar Vertragsparteien des EWR-Abkommens, aber keine Mitgliedstaaten sind, und Drittländern zu berechnenden Preise untereinander für die folgenden Zeitspannen abstimmten:

h)      [Japan Airlines Corp.] vom 19. Mai 2005 bis zum 14. Februar 2006;

i)      [die Klägerin] vom 19. Mai 2005 bis zum 14. Februar 2006;

Artikel 5

Für die in den Artikeln 1 bis 4 [des Beschlusses vom 9. November 2010] genannten Zuwiderhandlungen werden die folgenden Geldbußen festgesetzt:

h)      [Japan Airlines Corp.] und [die Klägerin] gesamtschuldnerisch: 35 700 000 [Euro];

Artikel 6

Die in den Artikeln 1 bis 4 genannten Unternehmen beenden die in diesen Artikeln genannten Zuwiderhandlungen unverzüglich, soweit dies noch nicht geschehen ist.

Sie sehen künftig von der Wiederholung der in den Artikeln 1 bis 4 genannten Handlungen oder Verhaltensweisen sowie von allen Handlungen und Verhaltensweisen ab, die denselben oder einen ähnlichen Zweck oder dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben.“

C.      Klage gegen den Beschluss vom 9. November 2010 vor dem Gericht

15      Mit Klageschrift, die am 24. Januar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Klägerin Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses vom 9. November 2010, soweit er sie betraf, sowie, hilfsweise, auf Herabsetzung der gegen sie selbst und die Japan Airlines Corp. verhängten Geldbuße. Auch die anderen durch den Beschluss vom 9. November 2010 beschuldigten Transportunternehmen mit Ausnahme von Qantas erhoben vor dem Gericht Klagen gegen diesen Beschluss.

16      Mit Urteilen vom 16. Dezember 2015, Air Canada/Kommission (T‑9/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:994), Koninklijke Luchtvaart Maatschappij/Kommission (T‑28/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:995), Japan Airlines/Kommission (T‑36/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:992), Cathay Pacific Airways/Kommission (T‑38/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:985), Cargolux Airlines/Kommission (T‑39/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:991), Latam Airlines Group und Lan Cargo/Kommission (T‑40/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:986), Singapore Airlines und Singapore Airlines Cargo Pte/Kommission (T‑43/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:989), Deutsche Lufthansa u. a./Kommission (T‑46/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:987), British Airways/Kommission (T‑48/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:988), SAS Cargo Group u. a./Kommission (T‑56/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:990), Air France-KLM/Kommission (T‑62/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:996), Air France/Kommission (T‑63/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:993), und Martinair Holland/Kommission (T‑67/11, EU:T:2015:984), erklärte das Gericht den Beschluss vom 9. November 2010 ganz oder teilweise für nichtig, soweit er Air Canada, KLM, die Klägerin und die Japan Airlines Corp., CPA, Cargolux, die Latam Airlines Group SA (vormals Lan Airlines) und Lan Cargo, SAC und SIA, Lufthansa, Lufthansa Cargo und Swiss, British Airways, SAS Cargo, SAS Consortium und SAS, AF‑KLM, AF bzw. Martinair betraf. Nach Ansicht des Gerichts litt dieser Beschluss an einem Begründungsmangel.

17      Das Gericht stellte insoweit als Erstes fest, dass der Beschluss vom 9. November 2010 mit Widersprüchen zwischen seinen Gründen und seinem verfügenden Teil behaftet war. Die Gründe dieses Beschlusses beschrieben eine einzige einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, die sich auf alle vom Kartell erfassten Strecken bezog und an der sich die durch den Beschluss vom 9. November 2010 beschuldigten Transportunternehmen beteiligt haben sollen. Dagegen stellte der verfügende Teil des Beschlusses entweder vier getrennte einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlungen oder eine einzige einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung fest, für die lediglich die Transportunternehmen zur Verantwortung gezogen wurden, die sich auf den in den Art. 1 bis 4 desselben Beschlusses genannten Strecken an dem im jeweiligen Artikel erwähnten rechtswidrigen Verhalten unmittelbar beteiligt oder Kenntnis von Absprachen über diese Strecken gehabt haben sollen, deren Gefahr sie auf sich nahmen. Keine dieser beiden Lesarten des verfügenden Teils des fraglichen Beschlusses stand jedoch mit seinen Gründen im Einklang.

18      Das Gericht wies auch die von der Kommission vorgeschlagene alternative Lesart des verfügenden Teils des Beschlusses vom 9. November 2010, wonach sich die Tatsache, dass einige der durch diesen Beschluss beschuldigten Transportunternehmen in dessen Art. 1, 3 und 4 des Beschlusses nicht erwähnt würden, dadurch erklären lasse – ohne dass davon ausgegangen werden müsse, dass diese Artikel getrennte einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlungen feststellten –, dass die genannten Transportunternehmen die von diesen Vorschriften erfassten Strecken nicht bedienten, wegen Unvereinbarkeit mit seinen Gründen zurück.

19      Als Zweites vertrat das Gericht die Auffassung, dass die Gründe des Beschlusses vom 9. November 2010 erhebliche innere Widersprüche enthielten.

20      Als Drittes prüfte das Gericht, nachdem es festgestellt hatte, dass keine der beiden möglichen Lesarten des verfügenden Teils des Beschlusses vom 9. November 2010 mit seinen Gründen im Einklang stand, ob die inneren Widersprüche des Beschlusses im Rahmen zumindest einer dieser beiden möglichen Lesarten geeignet waren, die Verteidigungsrechte der Klägerin zu verletzen und das Gericht daran zu hindern, seine Kontrolle auszuüben. Was die erste Lesart betraf, die von vier getrennten einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlungen ausging, entschied es erstens, dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen war, zu verstehen, inwiefern die in den Gründen dargelegten Beweismittel für eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung geeignet waren, die vier im verfügenden Teil festgestellten getrennten Zuwiderhandlungen zu belegen, und es ihr daher auch nicht möglich gewesen war, die Hinlänglichkeit dieser Beweismittel zu bestreiten. Zweitens entschied es, dass es der Klägerin unmöglich gewesen war, zu verstehen, weshalb die Kommission sie für eine Zuwiderhandlung – auch auf nicht bedienten Strecken innerhalb des in jedem einzelnen Artikel des Beschlusses vom 9. November 2010 festgelegten Gebiets – zur Verantwortung gezogen hatte.

D.      Angefochtener Beschluss

21      Am 20. Mai 2016 – nach der vom Gericht ausgesprochenen Nichtigerklärung – richtete die Kommission ein Schreiben an die durch den Beschluss vom 9. November 2010 beschuldigten Transportunternehmen, die vor dem Gericht dagegen geklagt hatten, und setzte sie davon in Kenntnis, dass ihre Generaldirektion (GD) Wettbewerb beabsichtige, ihnen den Erlass eines neuen Beschlusses vorzuschlagen, in dem festgestellt werde, dass sie sich an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV, Art. 53 des EWR-Abkommens und Art. 8 des Abkommens EG–Schweiz über den Luftverkehr auf allen in diesem Beschluss erwähnten Strecken beteiligt hätten.

22      Die Adressaten des oben in Rn. 21 erwähnten Schreibens der Kommission wurden aufgefordert, innerhalb eines Monats zum Vorschlag der GD Wettbewerb der Kommission Stellung zu nehmen. Alle, auch die Klägerin, machten von dieser Möglichkeit Gebrauch.

23      Am 17. März 2017 erließ die Kommission den Beschluss C(2017) 1742 final in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV, Artikel 53 des EWR-Abkommens und Artikel 8 des Abkommens [EG–Schweiz] über den Luftverkehr (Sache AT.39258 – Luftfracht) (im Folgenden: angefochtener Beschluss). Dieser Beschluss ist an 19 Transportunternehmen (im Folgenden: beschuldigte Transportunternehmen) gerichtet, nämlich

–        Air Canada;

–        AF‑KLM;

–        AF;

–        KLM;

–        British Airways;

–        Cargolux;

–        CPA;

–        die Klägerin;

–        Latam Airlines Group;

–        Lan Cargo;

–        Lufthansa Cargo;

–        Lufthansa;

–        Swiss;

–        Martinair;

–        SAS;

–        SAS Cargo;

–        SAS Consortium;

–        SAC;

–        SIA.

24      Im angefochtenen Beschluss werden keine Beschwerdepunkte gegenüber den übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte erhoben.

25      Der angefochtene Beschluss beschreibt in seinen Gründen eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV, Art. 53 des EWR-Abkommens und Art. 8 des Abkommens EG–Schweiz über den Luftverkehr, mit der die beschuldigten Transportunternehmen ihr Verhalten bei der Festsetzung von Preisen für die weltweite Bereitstellung von Frachtdiensten mittels des Treibstoffaufschlags, des Sicherheitsaufschlags und der Zahlung einer Provision auf diese Aufschläge untereinander abgestimmt haben sollen.

26      Als Erstes beschrieb die Kommission in Nr. 4.1 des angefochtenen Beschlusses die „Grundprinzipien und [die] Struktur des Kartells“. In den Erwägungsgründen 107 und 108 dieses Beschlusses führte sie aus, dass die Untersuchung ein weltweit tätiges Kartell ergeben habe, das auf ein Netz bilateraler und multilateraler Kontakte zwischen den Wettbewerbern über einen langen Zeitraum gestützt gewesen sei und das Verhalten betreffe, das sie im Zusammenhang mit verschiedenen Elementen des Preises für Frachtdienste, nämlich dem Treibstoffaufschlag, dem Sicherheitsaufschlag und der Verweigerung der Zahlung von Provisionen, beschlossen, geplant oder an den Tag zu legen gedacht hätten. Gemeinsames Ziel dieses Netzes von Kontakten sei die Abstimmung des Verhaltens der Wettbewerber bei der Preisgestaltung oder die Verringerung der Ungewissheit in Bezug auf ihre Preispolitik gewesen (im Folgenden: streitiges Kartell).

27      Nach dem 109. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zielte die koordinierte Anwendung des Treibstoffaufschlags darauf ab, dafür zu sorgen, dass Transportunternehmen auf der ganzen Welt für alle betroffenen Sendungen einen pauschalen Aufschlag pro Kilo erheben. Ein komplexes Netzwerk von – in erster Linie bilateralen – Kontakten zwischen Transportunternehmen sei mit dem Ziel errichtet worden, die Anwendung des Treibstoffaufschlags zu koordinieren und zu überwachen, wobei über das genaue Anwendungsdatum, so die Kommission, oft auf lokaler Ebene entschieden worden sei, in dem Sinne, dass das wichtigste örtliche Transportunternehmen in der Regel die Richtung vorgegeben habe und die anderen gefolgt seien. Dieser koordinierte Ansatz sei sowohl auf den Sicherheitsaufschlag als auch auf die Verweigerung der Zahlung von Provisionen ausgeweitet worden, so dass diese für die Transportunternehmen zu Nettoeinnahmen geworden seien und eine weitere Fördermaßnahme dargestellt hätten, um die Unternehmen zu veranlassen, der Koordinierung der Aufschläge zu folgen.

28      Nach dem 110. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses soll die Geschäftsleitung der Hauptverwaltung mehrerer Transportunternehmen entweder direkt an den Kontakten mit den Wettbewerbern beteiligt gewesen oder regelmäßig über diese informiert worden sein. Im Fall der Aufschläge sollen die verantwortlichen Mitarbeiter der Hauptverwaltung miteinander in Kontakt gestanden haben, wenn eine Änderung des Aufschlags in der Höhe unmittelbar bevorstand. Auch die Verweigerung der Zahlung von Provisionen soll anlässlich von Kontakten auf der Ebene der Zentralverwaltung wiederholt bekräftigt worden sein. Darüber hinaus sollen häufig Kontakte auf lokaler Ebene stattgefunden haben, mit dem Ziel, die von den Zentralverwaltungen erteilten Anweisungen besser zu befolgen und sie an die örtlichen Marktbedingungen anzupassen einerseits und lokale Initiativen zu koordinieren und umzusetzen andererseits. Im letztgenannten Fall sollen die Hauptverwaltungen der Transportunternehmen die vorgeschlagene Maßnahme in der Regel genehmigt haben oder darüber informiert worden sein.

29      Nach dem 111. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses sollen die Transportunternehmen untereinander – entweder bilateral oder in kleinen Gruppen und in einigen Fällen in großen multilateralen Foren – Kontakt aufgenommen haben. Die örtlichen Vereinigungen von Vertretern der Transportunternehmen sollen – u. a. in Hong Kong und in der Schweiz – genutzt worden sein, um Maßnahmen zur Verbesserung der Rendite zu erörtern und die Aufschläge zu koordinieren. Auch Treffen von Allianzen wie der WOW-Allianz sollen zu diesen Zwecken genutzt worden sein.

30      Als Zweites beschrieb die Kommission in den Nrn. 4.3, 4.4 und 4.5 des angefochtenen Beschlusses die Kontakte, die den Treibstoffaufschlag, den Sicherheitsaufschlag bzw. die Verweigerung der Zahlung von Provisionen betrafen (im Folgenden: streitige Kontakte).

31      So fasste die Kommission erstens in den Erwägungsgründen 118 bis 120 des angefochtenen Beschlusses die Kontakte betreffend den Treibstoffaufschlag wie folgt zusammen:

„(118) Ende 1999/Anfang 2000 ist unter Mitwirkung mehrerer Fluggesellschaften ein Netzwerk bilateraler Kontakte errichtet worden, das es den Teilnehmern ermöglicht hat, Informationen über Handlungen der Unternehmen mit allen Mitgliedern des Netzwerks zu teilen. Die Transportunternehmen nahmen regelmäßig Kontakt miteinander auf, um Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem Treibstoffaufschlag stellten, u. a. Modifikationen des Mechanismus, Änderungen des Treibstoffaufschlags in der Höhe, die kohärente Anwendung des Mechanismus und Fälle, in denen bestimmte Fluggesellschaften dem System nicht folgten, zu erörtern.

(119) Zur Umsetzung der Treibstoffaufschläge auf lokaler Ebene ist häufig ein System angewandt worden, mit dem die auf bestimmten Strecken oder in bestimmten Ländern dominierenden Fluggesellschaften die Änderung als Erste ankündigten und die übrigen sodann folgten …

(120) Die wettbewerbswidrige Koordinierung des Treibstoffaufschlags fand hauptsächlich in vier Kontexten statt: im Zusammenhang mit der Einführung der Treibstoffaufschläge zu Beginn des Jahres 2000, der Wiedereinführung eines Treibstoffaufschlagsmechanismus nach der Nichtigerklärung des vom [Internationalen Luftverkehrsverband (IATA)] vorgesehenen Mechanismus, der Einführung neuer Auslöseschwellen (mit denen die Obergrenze für den Treibstoffaufschlag angehoben wurde) und vor allem dem Zeitpunkt, zu dem sich die Treibstoffindizes der Schwelle näherten, auf der eine Erhöhung oder Senkung des Treibstoffaufschlags ausgelöst wurde.“

32      Zweitens fasste die Kommission die Kontakte betreffend den Sicherheitsaufschlag im 579. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wie folgt zusammen:

„Mehrere [beschuldigte Transportunternehmen] haben u. a. ihre Absichten erörtert, einen Sicherheitsaufschlag einzuführen … Zudem sind auch die Höhe des Aufschlags und der Zeitplan für seine Einführung diskutiert worden. Die [beschuldigten Transportunternehmen] haben sich außerdem darüber ausgetauscht, wie sie ihn ihren Kunden gegenüber begründen wollten. Während des gesamten Zeitraums zwischen 2002 und 2006 haben punktuelle Kontakte betreffend die Umsetzung des Sicherheitsaufschlags stattgefunden. Die rechtswidrige Koordinierung ist sowohl auf der Ebene der Zentralverwaltungen als auch auf lokaler Ebene erfolgt.“

33      Drittens führte die Kommission im 676. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aus, dass sich die beschuldigten Transportunternehmen „weiterhin geweigert [hätten], eine Provision auf die Aufschläge zu zahlen, und sich ihrer Absicht in diesem Bereich anlässlich zahlreicher Kontakte versichert [hätten]“.

34      Als Drittes nahm die Kommission in Nr. 4.6 des angefochtenen Beschlusses eine Beurteilung der streitigen Kontakte vor. Die Beurteilung der der Klägerin zur Last gelegten Kontakte findet sich in den Erwägungsgründen 760 bis 764 dieses Beschlusses.

35      Im 765. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fügte die Kommission hinzu, dass die Klägerin den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte festgestellten Sachverhalt nicht bestreite.

36      Als Viertes wandte die Kommission in Nr. 5 des angefochtenen Beschlusses Art. 101 AEUV auf den vorliegenden Sachverhalt an, stellte in Fn. 1289 dieses Beschlusses aber klar, dass die angestellten Erwägungen auch für Art. 53 des EWR-Abkommens und Art. 8 des Abkommens EG–Schweiz über den Luftverkehr gelten würden. So kam sie erstens im 846. Erwägungsgrund des genannten Beschlusses zu dem Ergebnis, dass die beschuldigten Transportunternehmen ihr Verhalten untereinander abgestimmt oder die Preisgestaltung beeinflusst hätten, „was letztlich auf eine Preisabsprache im Zusammenhang mit [dem Treibstoffaufschlag, dem Sicherheitsaufschlag und der Zahlung einer Provision auf die Aufschläge hinauslaufe]“. Im 861. Erwägungsgrund desselben Beschlusses stufte sie das „allgemeine System zur Koordinierung des Preisgestaltungsverhaltens bei Frachtdiensten“, dessen Existenz ihre Untersuchung ergeben hatte, als „aus verschiedenen Handlungen bestehende komplexe Zuwiderhandlung [ein], die als Vereinbarung oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweise eingestuft werden [könne], in deren Rahmen die Wettbewerber die mit dem Wettbewerb verbundenen Risiken bewusst durch die praktische Zusammenarbeit untereinander ersetzt [hätten]“.

37      Zweitens gelangte die Kommission im 869. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Schluss, dass das „fragliche Verhalten eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 AEUV [darstelle]“. So vertrat sie die Auffassung, dass die in Rede stehenden Abmachungen ein einheitliches wettbewerbswidriges Ziel – die Behinderung des Wettbewerbs im Frachtsektor innerhalb des EWR – verfolgten, und zwar auch dann, wenn die Abstimmung auf lokaler Ebene erfolgt und durch örtliche Unterschiede gekennzeichnet gewesen sei (Erwägungsgründe 872 bis 876) und sich die Absprachen auf ein „einziges Produkt“ bzw. eine „einzige Dienstleistung“ bezögen, nämlich „die Erbringung von Frachtdiensten … und die Preisgestaltung für diese“ (877. Erwägungsgrund), dieselben Unternehmen beträfen (878. Erwägungsgrund), eine Einheit bildeten (879. Erwägungsgrund) und sich auf drei Bestandteile bezögen, nämlich den Treibstoffaufschlag, den Sicherheitsaufschlag und die Verweigerung der Zahlung von Provisionen, die „häufig zusammen während desselben Kontakts mit den Wettbewerbern erörtert worden“ seien (880. Erwägungsgrund).

38      Im 881. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fügte die Kommission hinzu, dass „die Mehrheit der Betroffenen“, darunter die Klägerin, an den drei Bestandteilen der einheitlichen Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei.

39      Drittens stellte die Kommission im 884. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses den fortgesetzten Charakter der in Rede stehenden Zuwiderhandlung fest.

40      Viertens prüfte die Kommission in den Erwägungsgründen 885 bis 890 des angefochtenen Beschlusses die Relevanz der Kontakte in Drittländern und der Kontakte betreffend Strecken, die die Transportunternehmen nie bedient hatten oder nicht rechtmäßig hätten bedienen können. Sie vertrat die Ansicht, dass diese Kontakte in Anbetracht des globalen Charakters des streitigen Kartells für die Feststellung einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung relevant seien. Insbesondere stellte sie zum einen fest, dass es sich bei den Aufschlägen um allgemein anwendbare Maßnahmen handle, die nicht spezifisch für eine Strecke seien, sondern auf weltweit alle Strecken angewandt werden sollten, auch auf die Strecken mit Abflug und Ankunft im EWR und in der Schweiz. Auch die Verweigerung der Zahlung von Provisionen habe allgemeinen Charakter. Zum anderen vertrat sie die Auffassung, dass die Transportunternehmen durch keine unüberwindliche Barriere daran gehindert würden, Frachtdienste auf Strecken zu erbringen, die sie nie bedient hätten oder nicht rechtmäßig hätten bedienen können, was insbesondere auf die Vereinbarungen zurückzuführen sei, die sie untereinander schließen könnten.

41      Fünftens kam die Kommission im 903. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Schluss, dass das streitige Verhalten bezweckt habe, den Wettbewerb „zumindest innerhalb der [Union], im EWR und in der Schweiz“ einzuschränken. Im 917. Erwägungsgrund des Beschlusses fügte sie im Wesentlichen hinzu, dass es daher nicht erforderlich sei, die „konkreten Auswirkungen“ dieses Verhaltens zu berücksichtigen.

42      Sechstens befasste sich die Kommission in den Erwägungsgründen 922 bis 971 des angefochtenen Beschlusses mit der WOW-Allianz. Im 971. Erwägungsgrund dieses Beschlusses stellte sie Folgendes fest:

„In Anbetracht des Inhalts der Vereinbarung über die WOW-Allianz und ihrer Umsetzung geht die Kommission davon aus, dass die Koordinierung der Aufschläge zwischen den Mitgliedern der WOW[-Allianz] außerhalb des zulässigen Rahmens der Allianz, der sie nicht rechtfertigt, erfolgt ist. Die Mitglieder hatten tatsächlich Kenntnis von der Rechtswidrigkeit einer solchen Koordinierung. Sie waren außerdem darüber auf dem Laufenden, dass sich an der Koordinierung der Aufschläge mehrere [Transportunternehmen] beteiligten, die nicht an der WOW[-Allianz] beteiligt waren. Die Kommission ist somit der Ansicht, dass die Nachweise über Kontakte zwischen den Mitgliedern der WOW[-Allianz] … den Beweis für ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 AEUV, so wie sie in diesem Beschluss beschrieben wird, darstellen.“

43      Siebtens prüfte die Kommission in den Erwägungsgründen 972 bis 1021 des angefochtenen Beschlusses die Rechtsvorschriften von sieben Drittländern, hinsichtlich derer mehrere beschuldigte Transportunternehmen vortrugen, sie schrieben ihnen vor, sich untereinander über die Aufschläge abzustimmen, so dass die einschlägigen Wettbewerbsregeln nicht zur Anwendung gelangten. Die Kommission vertrat die Auffassung, die Transportunternehmen seien den Nachweis schuldig geblieben, dass sie unter dem Zwang dieser Drittländer gehandelt hätten.

44      Achtens kam die Kommission in den Erwägungsgründen 1024 bis 1035 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten, den Vertragsparteien des EWR-Abkommens und den Vertragsparteien des Abkommens EG–Schweiz über den Luftverkehr spürbar zu beeinträchtigen.

45      Neuntens prüfte die Kommission die Grenzen ihrer räumlichen und zeitlichen Zuständigkeit für die Feststellung und Ahndung eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln im vorliegenden Fall. Zum einen gelangte sie in den Erwägungsgründen 822 bis 832 des angefochtenen Beschlusses unter der Überschrift „Zuständigkeit der Kommission“ im Wesentlichen zu dem Schluss, dass sie zunächst Art. 101 AEUV nicht auf Vereinbarungen und Verhaltensweisen aus der Zeit vor dem 1. Mai 2004 betreffend Strecken zwischen Flughäfen innerhalb der Europäischen Union und Flughäfen außerhalb des EWR (im Folgenden: Strecken Union-Drittländer), sodann Art. 53 des EWR-Abkommens nicht auf Vereinbarungen und Verhaltensweisen aus der Zeit vor dem 19. Mai 2005 betreffend die Strecken Union-Drittländer und Strecken zwischen Flughäfen in Ländern, die Vertragsparteien des EWR-Abkommens und keine Mitglieder der Union seien, und Flughäfen in Drittländern (im Folgenden: Strecken EWR [ohne Union]-Drittländer und – zusammen mit den Strecken Union-Drittländer – Strecken EWR-Drittländer) und schließlich Art. 8 des Abkommens EG–Schweiz über den Luftverkehr nicht auf Vereinbarungen und Verhaltensweisen aus der Zeit vor dem 1. Juni 2002 betreffend Strecken zwischen Flughäfen innerhalb der Union und schweizerischen Flughäfen (im Folgenden: Strecken Union-Schweiz) anwende. Sie stellte auch klar, dass der angefochtene Beschluss „keineswegs den Anspruch [habe], irgendeinen Verstoß gegen Art. 8 des Abkommens [EG–Schweiz über den Luftverkehr] betreffend Frachtdienste [zwischen] der Schweiz [und] Drittländern offenzulegen“.

46      Zum anderen wies die Kommission in den Erwägungsgründen 1036 bis 1046 des angefochtenen Beschlusses unter der Überschrift „Die Anwendbarkeit von Artikel 101 AEUV und von Artikel 53 des EWR-Abkommens auf eingehende Strecken“ das Vorbringen einiger beschuldigter Transportunternehmen zurück, wonach sie in Anbetracht der Regeln des Völkerrechts die Grenzen ihrer räumlichen Zuständigkeit überschreite, wenn sie eine Zuwiderhandlung gegen diese beiden Vorschriften auf Strecken mit Abflug in Drittländern und Ankunft im EWR (im Folgenden: eingehende Strecken und – in Bezug auf die auf diesen Strecken angebotenen Frachtdienste – eingehende Frachtdienste) feststelle und ahnde. Insbesondere rief sie im 1042. Erwägungsgrund des Beschlusses die Kriterien, die sie für anwendbar hielt, wie folgt in Erinnerung:

„Was die extraterritoriale Anwendung von Artikel 101 AEUV und von Artikel 53 des EWR-Abkommens angeht, so sind diese Vorschriften auf Vereinbarungen anwendbar, die innerhalb der [Union] durchgeführt werden (Theorie der Durchführung) oder sofortige, erhebliche und vorhersehbare Wirkungen innerhalb der [Union] haben (Theorie der Wirkungen).“

47      In den Erwägungsgründen 1043 bis 1046 des angefochtenen Beschlusses wandte die Kommission die fraglichen Kriterien auf den vorliegenden Sachverhalt an:

„(1043) Bei [eingehenden] Frachtdiensten sind Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens anwendbar, weil die von der Zuwiderhandlung auf dem Gebiet der Festsetzung von Preisen erfasste Dienstleistung selbst im Gebiet des EWR erbracht werden muss und tatsächlich teilweise dort erbracht wird. Zudem haben zahlreiche Kontakte, mit denen die Adressaten die Aufschläge und die [Verweigerung der] Zahlung von Provisionen koordiniert haben, innerhalb des EWR oder unter Einbeziehung von Teilnehmern stattgefunden, die sich im EWR befinden.

(1044) … ist das in der [Konsolidierten] Mitteilung [über die Zuständigkeit der Kommission gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2008, C 95, S. 1, und berichtigt in ABl. 2009, C 43, S. 10)] angeführte Beispiel hier nicht relevant. Die[se] Mitteilung bezieht sich auf die geografische Aufteilung des Umsatzes auf Unternehmen für die Zwecke der Feststellung, ob die Umsatzschwellen von Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen [(ABl. 2004, L 24, S. 1)] erreicht sind.

(1045) Außerdem sind die wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen in Drittländern in Bezug auf die Beförderung der Fracht … in die Union und den EWR geeignet, sofortige, erhebliche und vorhersehbare Wirkungen innerhalb der Union und des EWR zu haben, da sich erhöhte Kosten für den Luftverkehr in den EWR und somit höhere Preise für eingeführte Waren naturgemäß auf die Verbraucher im EWR auswirken können. Im vorliegenden Fall konnten die wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die den Wettbewerb zwischen [eingehende] Frachtdienste anbietenden Transportunternehmen ausschalteten, solche Auswirkungen auch auf die Erbringung von [Fracht‑]Diensten innerhalb des EWR – zwischen den von Transportunternehmen aus Drittländern genutzten Luftkreuzen (‚Hubs‘) im EWR und den Zielflughäfen der Sendungen im EWR, die von diesen Unternehmen nicht bedient werden – durch andere Transportunternehmen haben.

(1046) Schließlich ist hervorzuheben, dass die Kommission ein Kartell auf globaler Ebene aufgedeckt hat. Das Kartell ist weltweit umgesetzt worden, und die Abmachungen des Kartells betreffend die eingehenden Strecken waren wesentlicher Bestandteil der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens. Die Abmachungen des Kartells wurden in zahlreichen Fällen auf zentraler Ebene organisiert, und das örtliche Personal wandte sie lediglich an. Die weltweit einheitliche Anwendung der Aufschläge war ein Schlüsselelement des Kartells.“

48      Als Fünftes kam die Kommission im 1146. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass das streitige Kartell am 7. Dezember 1999 begonnen und bis zum 14. Februar 2006 gedauert habe. In demselben Erwägungsgrund stellte sie klar, dass dieses Kartell gegen folgende Vorschriften verstoßen habe:

–        Art. 101 AEUV vom 7. Dezember 1999 bis zum 14. Februar 2006 in Bezug auf den Luftverkehr zwischen Flughäfen innerhalb der Union;

–        Art. 101 AEUV vom 1. Mai 2004 bis zum 14. Februar 2006 in Bezug auf den Luftverkehr auf den Strecken Union-Drittländer;

–        Art. 53 des EWR-Abkommens vom 7. Dezember 1999 bis zum 14. Februar 2006 in Bezug auf den Luftverkehr zwischen Flughäfen innerhalb des EWR (im Folgenden: EWR-interne Strecken);

–        Art. 53 des EWR-Abkommens vom 19. Mai 2005 bis zum 14. Februar 2006 in Bezug auf den Luftverkehr auf den Strecken EWR (ohne Union)-Drittländer;

–        Art. 8 des Abkommens EG–Schweiz über den Luftverkehr vom 1. Juni 2002 bis zum 14. Februar 2006 in Bezug auf den Luftverkehr auf den Strecken Union-Schweiz.

49      Was die Klägerin angeht, so nahm die Kommission an, dass sich die Dauer der Zuwiderhandlung vom 7. Dezember 1999 bis zum 14. Februar 2006 erstreckt habe.

50      Als Sechstes ging die Kommission in Nr. 8 des angefochtenen Beschlusses auf die zu treffenden Abhilfemaßnahmen und die zu verhängenden Geldbußen ein.

51      Was insbesondere die Festsetzung der Höhe der Geldbußen betrifft, so wies die Kommission darauf hin, dass sie die Schwere und die Dauer der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung sowie etwaige erschwerende oder mildernde Umstände berücksichtigt habe. Sie verwies insoweit auf die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006).

52      In den Erwägungsgründen 1184 und 1185 des angefochtenen Beschlusses führte die Kommission aus, der Grundbetrag der Geldbuße bestehe aus einem Anteil, der 30 % des Werts der Verkäufe des Unternehmens erreichen könne und nach der Schwere der Zuwiderhandlung bestimmt, mit der Anzahl der Jahre der Beteiligung des Unternehmens an der Zuwiderhandlung multipliziert und durch einen Zusatzbetrag, der zwischen 15 % und 25 % des Werts der Verkäufe liege (im Folgenden: Zusatzbetrag), ergänzt werde.

53      Im 1197. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ermittelte die Kommission den Wert der Verkäufe, indem sie auf das Jahr 2005 – dem letzten vollen Jahr vor dem Ende der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung – den Umsatz im Zusammenhang mit den Flügen in beide Richtungen auf den EWR-internen Strecken, den Strecken Union-Drittländer, den Strecken Union-Schweiz und den Strecken EWR (ohne Union)-Drittländer aufaddierte. Sie berücksichtigte auch den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zur Union im Jahr 2004.

54      In den Erwägungsgründen 1198 bis 1212 des angefochtenen Beschlusses setzte die Kommission den Schwerekoeffizienten unter Berücksichtigung der Art der Zuwiderhandlung (horizontale Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen), der gemeinsamen Marktanteile der beschuldigten Transportunternehmen (34 % weltweit und mindestens genauso viel auf den EWR-internen Strecken und den Strecken EWR-Drittländer), der geografischen Tragweite des streitigen Kartells (weltweit) und seiner tatsächlichen Umsetzung auf 16 % fest.

55      In den Erwägungsgründen 1214 bis 1217 des angefochtenen Beschlusses ermittelte die Kommission die Dauer der Beteiligung der Klägerin an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung nach Maßgabe der betroffenen Strecken wie folgt:

–        In Bezug auf die EWR-internen Strecken: vom 7. Dezember 1999 bis zum 14. Februar 2006, in Jahren und Monaten sechs Jahre und zwei Monate, was einem Multiplikationsfaktor von 6 2/12 entspricht;

–        in Bezug auf die Strecken Union-Drittländer: vom 1. Mai 2004 bis zum 14. Februar 2006, in Jahren und Monaten ein Jahr und neun Monate, was einem Multiplikationsfaktor von 1 9/12 entspricht;

–        in Bezug auf die Strecken Union-Schweiz: vom 1. Juni 2002 bis zum 14. Februar 2006, in Jahren und Monaten drei Jahre und acht Monate, was einem Multiplikationsfaktor von 3 8/12 entspricht;

–        in Bezug auf die Strecken EWR (ohne Union)-Drittländer: vom 19. Mai 2005 bis zum 14. Februar 2006, in Monaten acht Monate, was einem Multiplikationsfaktor von 8/12 entspricht.

56      Im 1219. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses kam die Kommission zu dem Schluss, dass der Zusatzbetrag angesichts der besonderen Umstände des Falls und der oben in Rn. 54 dargelegten Kriterien 16 % des Werts der Verkäufe entsprechen sollte.

57      Dementsprechend wurde der für die Klägerin mit 113 000 000 Euro berechnete Grundbetrag nach Anwendung einer auf Nr. 37 der Leitlinien von 2006 gestützten Ermäßigung um 50 % (im Folgenden: allgemeine Ermäßigung um 50 %) im Zusammenhang mit der Tatsache, dass ein Teil der mit den eingehenden Strecken und den Strecken mit Abflug im EWR und Ankunft in Drittländern (im Folgenden: ausgehende Strecken) verbundenen Dienste außerhalb des vom EWR-Abkommen erfassten Gebiets erbracht wurde und ein Teil des Schadens somit möglicherweise außerhalb dieses Gebiets eintrat, in den Erwägungsgründen 1240 bis 1242 des angefochtenen Beschlusses auf 56 000 000 Euro festgesetzt.

58      In den Erwägungsgründen 1264 und 1265 des angefochtenen Beschlusses gewährte die Kommission den beschuldigten Transportunternehmen gemäß Nr. 29 der Leitlinien von 2006 eine zusätzliche Ermäßigung des Grundbetrags der Geldbuße um 15 % (im Folgenden: allgemeine Ermäßigung um 15 %), weil bestimmte Rechtsvorschriften zum streitigen Kartell ermutigt hätten.

59      Dementsprechend setzte die Kommission den Grundbetrag der Geldbuße der Klägerin im 1293. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nach Anpassung auf 47 600 000 Euro fest.

60      In den Erwägungsgründen 1314 bis 1322 des angefochtenen Beschlusses berücksichtigte die Kommission den Beitrag der Klägerin im Rahmen ihres Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung und wandte eine Ermäßigung um 25 % auf den Betrag der Geldbuße an, so dass der Betrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße, wie im 1404. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt wird, auf 35 700 000 Euro festgesetzt wurde.

61      Der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses hat, soweit er den vorliegenden Rechtsstreit betrifft, folgenden Wortlaut:

„Artikel 1

Durch die Abstimmung ihres Verhaltens bei der Festsetzung von Preisen für die weltweite Erbringung von [Fracht‑]Diensten in Bezug auf den Treibstoffaufschlag, den Sicherheitsaufschlag und die Zahlung einer Provision auf die Aufschläge haben die folgenden Unternehmen auf folgenden Strecken und für die folgenden Zeitspannen die folgende einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 [AEUV], Artikel 53 des [EWR-Abkommens] und Artikel 8 des [Abkommens EG–Schweiz über den Luftverkehr] begangen.

1.      Die folgenden Unternehmen haben auf den [EWR-internen] Strecken für die folgenden Zeitspannen gegen Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens verstoßen:

h)      [die Klägerin] vom 7. Dezember 1999 bis zum 14. Februar 2006;

2.      Die folgenden Unternehmen haben auf den Strecken [Union-Drittstaaten] für die folgenden Zeitspannen gegen Artikel 101 AEUV verstoßen:

h)      [die Klägerin] vom 1. Mai 2004 bis zum 14. Februar 2006;

3.      Die folgenden Unternehmen haben auf den Strecken [EWR (ohne Union)-Drittstaaten] für die folgenden Zeitspannen gegen Artikel 53 des EWR-Abkommens verstoßen:

h)      [die Klägerin] vom 19. Mai 2005 bis zum 14. Februar 2006;

4.      Die folgenden Unternehmen haben auf den Strecken [Union-Schweiz] für die folgenden Zeitspannen gegen Artikel 8 des Abkommens [EG–Schweiz] über den Luftverkehr verstoßen:

h)      [die Klägerin] vom 1. Juni 2002 bis zum 14. Februar 2006;

Artikel 2

Der Beschluss … vom 9. November 2010 wird wie folgt geändert:

In Artikel 5 werden die Buchstaben j, k und l aufgehoben.

Artikel 3

Für die in Artikel 1 dieses Beschlusses genannte einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung und in Bezug auf British Airways … auch für die Aspekte der Art. 1 bis 4 des Beschlusses … vom 9. November 2010, die rechtskräftig geworden sind, werden die folgenden Geldbußen festgesetzt:

h)      [die Klägerin]: 35 700 000 [Euro];

Artikel 4

Die in Artikel 1 genannten Unternehmen beenden die in diesem Artikel genannte einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung unverzüglich, soweit dies noch nicht geschehen ist.

Sie sehen darüber hinaus von allen Handlungen und Verhaltensweisen ab, die denselben oder einen ähnlichen Zweck oder dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben.

Artikel 5

Dieser Beschluss ist gerichtet an:

[die Klägerin]

…“

II.    Verfahren und Anträge der Parteien

62      Mit Klageschrift, die am 30. Mai 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

63      Die Kommission hat die Klagebeantwortung am 29. September 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

64      Die Klägerin hat die Erwiderung am 2. Januar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

65      Die Kommission hat die Gegenerwiderung am 8. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

66      Am 24. April 2019 hat das Gericht auf Vorschlag der Vierten Kammer gemäß Art. 28 seiner Verfahrensordnung beschlossen, die vorliegende Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

67      Am 17. Juni 2019 hat das Gericht den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 seiner Verfahrensordnung schriftliche Fragen gestellt. Die Parteien haben fristgerecht geantwortet.

68      Die Parteien haben in der Sitzung vom 3. Juli 2019 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

69      Mit Beschluss vom 19. Juni 2020 hat das Gericht (Vierte erweiterte Kammer), das sich für unzureichend unterrichtet hielt und der Ansicht war, dass die Parteien aufgefordert werden sollten, zu einem Vorbringen Stellung zu nehmen, das sie zuvor nicht erörtert hatten, gemäß Art. 113 seiner Verfahrensordnung die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschlossen.

70      Die Parteien haben am 22. Juni 2020 fristgerecht auf eine Reihe von Fragen des Gerichts geantwortet und anschließend Stellungnahmen zu ihren jeweiligen Antworten vorgelegt.

71      Mit Beschluss vom 4. August 2020 hat das Gericht das mündliche Verfahren erneut geschlossen.

72      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft;

–        hilfsweise, die im angefochtenen Beschluss gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

73      Die Kommission beantragt im Wesentlichen,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Betrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße zu berichtigen, indem ihr der Vorteil der allgemeinen Ermäßigung um 50 % und der allgemeinen Ermäßigung um 15 % für den Fall entzogen wird, dass das Gericht entscheidet, dass der Umsatz aus dem Verkauf eingehender Frachtdienste nicht in den Wert der Verkäufe einbezogen werden durfte;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

74      Im Rahmen ihrer Klage stellt die Klägerin sowohl einen Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses als auch einen Antrag auf Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße. Die Kommission hat ihrerseits einen Antrag gestellt, mit dem im Wesentlichen die Berichtigung des Betrags der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße für den Fall begehrt wird, dass das Gericht entscheidet, dass der Umsatz aus dem Verkauf eingehender Frachtdienste nicht in den Wert der Verkäufe einbezogen werden durfte.

A.      Zum Nichtigkeitsantrag

75      Die Klägerin stützt ihren Nichtigkeitsantrag auf zehn Klagegründe. Mit diesen Klagegründen wird geltend gemacht:

–        Erstens ein Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem und Art. 266 AEUV sowie eine Verletzung der Verjährungsfrist;

–        zweitens ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot;

–        drittens Verstöße gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens sowie eine Verletzung der Begründungspflicht im Zusammenhang mit der Tatsache, dass sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf den EWR-internen Strecken und den Strecken Union-Schweiz für den Zeitraum vor dem 1. Mai 2004 zur Verantwortung gezogen wird, einerseits und der Bestimmung des Beginns ihrer Beteiligung an dieser Zuwiderhandlung andererseits;

–        viertens ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens im Zusammenhang mit der Tatsache, dass sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf Strecken zur Verantwortung gezogen wird, auf denen sie keine tatsächliche oder potenzielle Wettbewerberin war;

–        fünftens die fehlende Zuständigkeit der Kommission für die Anwendung von Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens auf eingehende Frachtdienste;

–        sechstens eine Verletzung der Verteidigungsrechte sowie ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit der Anwendung unterschiedlicher Beweisanforderungen auf verschiedene Transportunternehmen;

–        siebtens ein Verstoß gegen die Leitlinien von 2006 und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betreffend die Bestimmung des Werts der Verkäufe einerseits und die Festsetzung des Schwerekoeffizienten und des Zusatzbetrags andererseits;

–        achtens ein Verstoß gegen die Leitlinien von 2006 und den Grundsatz des Vertrauensschutzes im Zusammenhang mit der Einbeziehung des Umsatzes aus dem Verkauf eingehender Frachtdienste an Kunden mit Sitz außerhalb des EWR in den Wert der Verkäufe;

–        neuntens ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aufgrund des unzureichenden Charakters der allgemeinen Ermäßigung um 15 % und

–        zehntens Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie – im Wesentlichen – eine Verletzung der Begründungspflicht im Zusammenhang mit der Weigerung der Kommission, die Geldbuße wegen ihrer geringfügigen Beteiligung an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung um 10 % herabzusetzen.

76      Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den fünften Klagegrund, sodann den von Amts wegen zu prüfenden Klagegrund der Unzuständigkeit der Kommission für die Feststellung und Ahndung einer Zuwiderhandlung auf den Strecken EWR (ohne Union)-Schweiz nach dem Abkommen EG–Schweiz über den Luftverkehr und schließlich den ersten bis vierten und sechsten bis zehnten Klagegrund nacheinander zu untersuchen.

1.      Fünfter Klagegrund: Fehlende Zuständigkeit der Kommission für die Anwendung von Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens auf eingehende Frachtdienste

77      Die Klägerin trägt vor, die Kommission sei für die Anwendung von Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens auf eingehende Frachtdienste nicht zuständig, was diese bestreitet.

78      Es sei darauf hingewiesen, dass sich die Zuständigkeit der Kommission für die Feststellung und Ahndung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV oder Art. 53 des EWR-Abkommens bei einer außerhalb des EWR-Gebiets gezeigten Verhaltensweise völkerrechtlich mit dem Kriterium der Durchführung oder mit dem Kriterium der qualifizierten Auswirkungen begründen lässt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 40 bis 47, sowie vom 12. Juli 2018, Brugg Kabel und Kabelwerke Brugg/Kommission, T‑441/14, EU:T:2018:453, Rn. 95 bis 97).

79      Diese Kriterien sind alternativ und nicht kumulativ (Urteil vom 12. Juli 2018, Brugg Kabel und Kabelwerke Brugg/Kommission, T‑441/14, EU:T:2018:453, Rn. 98; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 62 bis 64).

80      In den Erwägungsgründen 1043 bis 1046 des angefochtenen Beschlusses hat sich die Kommission, wie die Klägerin anerkennt, sowohl auf das Kriterium der Durchführung als auch auf das Kriterium der qualifizierten Auswirkungen gestützt, um ihre Zuständigkeit für die Feststellung und Ahndung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens auf den eingehenden Strecken völkerrechtlich zu begründen.

81      Da die Klägerin einen Fehler bei der Anwendung beider Kriterien geltend macht, hält es das Gericht für zweckmäßig, zunächst zu untersuchen, ob sich die Kommission auf das Kriterium der qualifizierten Auswirkungen berufen durfte. Nach der oben in Rn. 79 angeführten Rechtsprechung wird nämlich nur bei Verneinung dieser Frage zu prüfen sein, ob sich die Kommission auf das Kriterium der Durchführung stützen konnte.

82      Die Klägerin trägt vor, die vermuteten Auswirkungen des streitigen Verhaltens könnten die Anwendung von Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens auf eingehende Frachtdienste nicht rechtfertigen. Die Kommission, bei der die Beweislast liege, habe nicht nachgewiesen, dass dieses Verhalten eine sofortige, erhebliche und vorhersehbare Wirkung im EWR-Gebiet gehabt habe.

83      Die Klägerin führt aus, dass die Wirkungen, auf die sich die Kommission im 1045. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses berufe, bestenfalls spekulativ und jedenfalls zu fernliegend seien, um die Begründung zu untermauern, wonach das streitige Verhalten den Wettbewerb innerhalb des EWR eingeschränkt habe, und stützt sich dafür auf die Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln [101] und [102 AEUV] (ABl. 2004, C 101, S. 81).

84      Insbesondere bringe die Kommission keinen Beweis für ihre Behauptung bei, dass der Preis für innerhalb des EWR verkaufte Waren durch die Preise für eingehende Frachtdienste beeinträchtigt werde. Eine solche Wirkung könne im Übrigen nicht erheblich sein, da die Aufschläge nur einen Bruchteil der Gesamtkosten der Frachtdienste und deren Kosten selbst nur einen Bruchteil der Kosten für in den EWR eingeführte Waren ausmachten. Eine solche Wirkung könne per Definition auch nicht sofortig sein, da es im Ermessen der Kunden stehe, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß sie eine etwaige Erhöhung der Preise für eingehende Frachtdienste auf den Preis für eingeführte Waren aufschlügen. Eine solche Wirkung sei schließlich nicht vorhersehbar gewesen, da die Klägerin auf den betroffenen nachgelagerten Märkten nicht tätig gewesen sei und die Aufschläge nur einen winzigen Teil der Kosten für den Warentransport ausmachten.

85      Außerdem beziehe sich die Wirkung im Zusammenhang mit dem Anstieg des Preises für in den EWR eingeführte Waren auf einen anderen Markt als den, um den es im vorliegenden Fall gehe, nämlich den Markt für Frachtdienste, und könne demnach nicht die Begründung rechtfertigen, wonach das streitige Verhalten den Wettbewerb innerhalb des EWR eingeschränkt habe.

86      Im Übrigen genüge es zur Begründung der Zuständigkeit der Kommission für die Feststellung und Ahndung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln nicht, ein Verhalten als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung einzustufen, ohne seine wettbewerbswidrigen Wirkungen zu analysieren.

87      Die Kommission tritt der Argumentation der Klägerin entgegen.

88      Im angefochtenen Beschluss hat sich die Kommission für die Feststellung, dass das Kriterium der qualifizierten Auswirkungen im vorliegenden Fall erfüllt sei, im Wesentlichen auf drei selbstständige Gründe gestützt.

89      Die ersten beiden Gründe sind im 1045. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthalten. Wie die Kommission in Beantwortung der schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichts bestätigt hat, beziehen sich diese Gründe auf die Auswirkungen der Koordinierung der eingehenden Frachtdienste für sich genommen. Der erste Grund hängt damit zusammen, dass „sich erhöhte Kosten für den Luftverkehr in den EWR und somit höhere Preise für eingeführte Waren naturgemäß auf die Verbraucher im EWR auswirken [konnten]“. Der zweite Grund betrifft die Auswirkungen der Koordinierung der eingehenden Frachtdienste „auch auf die Erbringung von [Fracht‑]Diensten innerhalb des EWR – zwischen den von Transportunternehmen aus Drittländern genutzten Luftkreuzen (‚Hubs‘) im EWR und den Zielflughäfen der Sendungen im EWR, die von diesen Unternehmen nicht bedient werden – durch andere Transportunternehmen“.

90      Der dritte Grund findet sich im 1046. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses und betrifft, wie aus den Antworten der Kommission auf die schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichts hervorgeht, die Auswirkungen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung insgesamt.

91      Das Gericht hält es für zweckmäßig, sowohl die Auswirkungen der Koordinierung der eingehenden Frachtdienste für sich genommen als auch die Auswirkungen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung insgesamt zu prüfen, wobei mit Ersteren begonnen werden soll.

a)      Zu den Auswirkungen der Koordinierung der eingehenden Frachtdienste für sich genommen

92      Zunächst ist die Stichhaltigkeit des ersten Grundes zu prüfen, auf den sich die Schlussfolgerung der Kommission stützt, wonach das Kriterium der qualifizierten Auswirkungen im vorliegenden Fall erfüllt sei (im Folgenden: fragliche Wirkung).

93      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich mit dem Kriterium der qualifizierten Auswirkungen, wie aus dem 1042. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union und des EWR völkerrechtlich rechtfertigen lässt, wenn vorhersehbar ist, dass das streitige Verhalten im Binnenmarkt oder innerhalb des EWR unmittelbare und wesentliche Auswirkungen haben wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 49; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 25. März 1999, Gencor/Kommission, T‑102/96, EU:T:1999:65, Rn. 90).

94      Im vorliegenden Fall bestreitet die Klägerin sowohl die Relevanz der fraglichen Wirkung (siehe unten, Rn. 95 bis 114) als auch ihre Vorhersehbarkeit (siehe unten, Rn. 116 bis 131), ihre Wesentlichkeit (siehe unten, Rn. 132 bis 142) und ihre Unmittelbarkeit (siehe unten, Rn. 143 bis 153).

1)      Zur Relevanz der fraglichen Wirkung

95      Nach der Rechtsprechung steht die Tatsache, dass ein an einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligtes Unternehmen in einem Drittland ansässig ist, der Anwendung von Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens nicht entgegen, wenn sich die Wirkungen dieser Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise auf den Binnenmarkt bzw. auf das Gebiet des EWR erstrecken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 1971, Béguelin Import, 22/71, EU:C:1971:113, Rn. 11).

96      Die Anwendung des Kriteriums der qualifizierten Auswirkungen hat gerade den Zweck, Verhaltensweisen zu erfassen, die zwar nicht im Gebiet des EWR stattgefunden haben, deren wettbewerbswidrige Auswirkungen aber im Binnenmarkt oder innerhalb des EWR zu spüren sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 45).

97      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin verlangt dieses Kriterium nicht den Nachweis, dass das streitige Verhalten „tatsächlich wettbewerbswidrige Wirkungen“ im Binnenmarkt oder innerhalb des EWR gehabt hat. Nach der Rechtsprechung reicht es vielmehr aus, die wahrscheinlichen Auswirkungen dieses Verhaltens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 51).

98      Es ist nämlich Sache der Kommission, den Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt oder innerhalb des EWR gegen Bedrohungen seines wirksamen Funktionierens zu gewährleisten.

99      Bei einem Verhalten, in Bezug auf das die Kommission, wie im vorliegenden Fall, die Auffassung vertreten hat, dass es eine solche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Binnenmarkt oder innerhalb des EWR darstelle, dass es als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens eingestuft werden könne, darf die Anwendung des Kriteriums der qualifizierten Auswirkungen auch nicht den Nachweis der konkreten Auswirkungen verlangen, den die Einstufung eines Verhaltens als „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung im Sinne dieser Vorschriften voraussetzt.

100    Insoweit ist – der Klägerin folgend – darauf hinzuweisen, dass das Kriterium der qualifizierten Auswirkungen im Wortlaut von Art. 101 AEUV und von Art. 53 des EWR-Abkommens verankert ist, die Vereinbarungen und Verhaltensweisen erfassen sollen, die den Wettbewerb im Binnenmarkt bzw. innerhalb des EWR einschränken. Diese Vorschriften verbieten nämlich Vereinbarungen oder Verhaltensweisen von Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs „innerhalb des Binnenmarkts“ bzw. „im räumlichen Geltungsbereich [des EWR-Abkommens]“ bezwecken oder bewirken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 42).

101    Nach ständiger Rechtsprechung sind der wettbewerbswidrige Zweck und die wettbewerbswidrige Wirkung aber keine kumulativen, sondern alternative Voraussetzungen für die Beurteilung, ob ein Verhalten unter die Verbote von Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juni 2009, T‑Mobile Netherlands u. a., C‑8/08, EU:C:2009:343, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

102    Daraus folgt, wie die Kommission im 917. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass die tatsächlichen Auswirkungen des streitigen Verhaltens nicht berücksichtigt zu werden brauchen, wenn feststeht, dass es einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Juli 1966, Consten und Grundig/Kommission, 56/64 und 58/64, EU:C:1966:41, S. 390, sowie vom 6. Oktober 2009, GlaxoSmithKline Services u. a./Kommission u. a., C‑501/06 P, C‑513/06 P, C‑515/06 P und C‑519/06 P, EU:C:2009:610, Rn. 55).

103    Würde das Kriterium der qualifizierten Auswirkungen, wie die Klägerin zu befürworten scheint, dahin ausgelegt, dass es selbst bei Vorliegen einer „bezweckten“ Wettbewerbsbeschränkung den Nachweis der tatsächlichen Auswirkungen des streitigen Verhaltens erforderte, liefe das daher darauf hinaus, die Zuständigkeit der Kommission für die Feststellung und Ahndung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens einer Voraussetzung zu unterwerfen, die im Wortlaut dieser Vorschriften keine Grundlage findet.

104    Die Klägerin kann der Kommission demnach nicht wirklich vorwerfen, einen Fehler begangen zu haben, als sie zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das Kriterium der qualifizierten Auswirkungen erfüllt sei, obwohl sie in den Erwägungsgründen 917, 1190 und 1277 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hatte, dass sie in Anbetracht des wettbewerbswidrigen Zwecks des streitigen Verhaltens nicht verpflichtet sei, eine Beurteilung seiner wettbewerbswidrigen Wirkungen vorzunehmen. Sie kann aus diesen Erwägungsgründen auch nicht ableiten, dass die Kommission bei der Anwendung des Kriteriums der qualifizierten Auswirkungen keine Analyse der Wirkungen durchgeführt hat, die das streitige Verhalten im Binnenmarkt oder innerhalb des EWR erzeugt hat.

105    Im 1045. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission nämlich im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie sich auf die eingehenden Strecken beziehe, geeignet gewesen sei, die Aufschläge und dementsprechend den Gesamtpreis für die eingehenden Frachtdienste zu erhöhen, und die Spediteure diese Mehrkosten auf die im EWR niedergelassenen Absender abgewälzt hätten, die für von ihnen erworbene Waren einen höheren Preis hätten zahlen müssen, als er ihnen ohne die Zuwiderhandlung in Rechnung gestellt worden wäre.

106    Keines der Argumente der Klägerin lässt die Annahme zu, dass die fragliche Wirkung nicht zu den Wirkungen des streitigen Verhaltens gehörte, die die Kommission bei der Anwendung des Kriteriums der qualifizierten Auswirkungen berücksichtigen darf.

107    Erstens lässt entgegen dem Vorbringen der Klägerin nichts in Wortlaut, Aufbau oder Zweck von Art. 101 AEUV den Schluss zu, dass sich die bei der Anwendung des Kriteriums der qualifizierten Auswirkungen berücksichtigten Wirkungen auf dem Markt entfalten müssen, der von der fraglichen Zuwiderhandlung betroffen ist, und nicht auf einem nachgelagerten Markt, wie es hier der Fall ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2015, Toshiba/Kommission, T‑104/13, EU:T:2015:610, Rn. 159 und 161).

108    Zweitens macht die Klägerin zu Unrecht geltend, das streitige Verhalten, soweit es sich auf die eingehenden Strecken beziehe, sei nicht geeignet gewesen, den Wettbewerb im EWR einzuschränken, weil dieser nur in Drittländern bestehe, in denen Spediteure ansässig seien, die bei den beschuldigten Transportunternehmen eingehende Frachtdienste bezögen.

109    Insoweit ist zu beachten, dass die Anwendung des Kriteriums der qualifizierten Auswirkungen anhand des wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhangs zu erfolgen hat, in den sich das fragliche Verhalten einfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 1971, Béguelin Import, 22/71, EU:C:1971:113, Rn. 13).

110    Im vorliegenden Fall geht aus den Erwägungsgründen 14, 17 und 70 des angefochtenen Beschlusses sowie aus den Antworten der Parteien auf die prozessleitenden Maßnahmen des Gerichts hervor, dass die Transportunternehmen ihre Frachtdienste (nahezu) ausschließlich an Spediteure verkaufen. Was die eingehenden Frachtdienste betrifft, so erfolgen fast alle Verkäufe am Ausgangspunkt der fraglichen Strecken – außerhalb des EWR, wo die besagten Spediteure niedergelassen sind. Aus der Klageschrift ergibt sich nämlich, dass die Klägerin zwischen dem 1. Mai 2004 und dem 14. Februar 2006 nur einen geringfügigen Teil ihrer Verkäufe eingehender Frachtdienste bei Kunden getätigt hat, die im EWR ansässig sind.

111    Festzuhalten ist jedoch, dass die Spediteure beim Erwerb dieser Dienste insbesondere in ihrer Eigenschaft als Mittler auftreten und die Dienste in ein Dienstleistungspaket schnüren, dessen Zweck es per Definition ist, den integrierten Warentransport in das EWR-Gebiet im Namen von Absendern zu organisieren. Wie aus dem 70. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, kann es sich bei den Absendern u. a. um die Käufer oder die Eigentümer der beförderten Waren handeln. Es ist somit zumindest wahrscheinlich, dass sie im EWR niedergelassen sind.

112    Sofern die Spediteure die etwaigen sich aus dem streitigen Kartell ergebenden Mehrkosten auf den Preis ihrer Dienstleistungspakete aufschlagen, kann sich folglich die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie eingehende Strecken betrifft, u. a. auf den Wettbewerb auswirken, den sich die Spediteure liefern, um die Klientel dieser Absender abzuschöpfen, wobei sich die fragliche Wirkung später im Binnenmarkt oder innerhalb des EWR konkretisieren könnte.

113    Drittens genügt in Bezug auf Ziff. 43 der oben in Rn. 83 genannten Leitlinien die Feststellung, dass sie einen anderen Fall als den hier betrachteten betrifft und sich jedenfalls auf den Begriff der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV und nicht auf die Frage der räumlichen Zuständigkeit der Kommission nach dem Kriterium der qualifizierten Auswirkungen bezieht. Hierbei handelt es sich um unterschiedliche Fragen, wobei sich die erste auf die Abgrenzung des Geltungsbereichs des Wettbewerbsrechts der Union von dem des Rechts der Mitgliedstaaten bezieht (Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a., C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 41), während die zweite die völkerrechtliche Begründung der Zuständigkeit der Kommission betrifft (siehe oben, Rn. 78).

114    Dementsprechend zählen die Mehrkosten, die die Spediteure möglicherweise zu entrichten hatten, und die Verteuerung der in den EWR eingeführten Waren, die sich daraus ergeben haben kann, zu den Wirkungen des streitigen Verhaltens, auf die sich die Kommission für die Zwecke des Kriteriums der qualifizierten Auswirkungen stützen durfte.

115    Nach der oben in Rn. 93 angeführten Rechtsprechung ist somit zu fragen, ob diese Wirkung die erforderliche Vorhersehbarkeit, Wesentlichkeit und Unmittelbarkeit aufweist.

2)      Zur Vorhersehbarkeit der fraglichen Wirkung

116    Das Erfordernis der Vorhersehbarkeit soll Rechtssicherheit gewährleisten, indem es garantiert, dass die betreffenden Unternehmen nicht aufgrund von Wirkungen bestraft werden können, die sich angeblich zwar aus ihrem Verhalten ergeben, mit deren Eintritt sie aber vernünftigerweise nicht rechnen konnten (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Otis u. a., C‑435/18, EU:C:2019:651, Nr. 83).

117    Dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit genügen daher Wirkungen, mit deren Eintritt die Beteiligten des fraglichen Kartells nach der allgemeinen Lebenserfahrung vernünftigerweise rechnen müssen, im Gegensatz zu Wirkungen, die auf einer völlig außergewöhnlichen Verkettung von Umständen und damit auf einem atypischen Kausalverlauf beruhen (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kone u. a., C‑557/12, EU:C:2014:45, Nr. 42).

118    Aus den Erwägungsgründen 846, 909, 1199 und 1208 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich, dass es im vorliegenden Fall um eine kollusive Verhaltensweise der horizontalen Festsetzung der Preise geht, von der die Erfahrung zeigt, dass sie u. a. Preiserhöhungen nach sich zieht, die zu einer schlechten Verteilung der Ressourcen zulasten insbesondere der Verbraucher führen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 51).

119    Aus den Erwägungsgründen 846, 909, 1199 und 1208 des angefochtenen Beschlusses geht ferner hervor, dass sich diese Verhaltensweise auf den Treibstoffaufschlag, den Sicherheitsaufschlag und die Verweigerung der Zahlung von Provisionen bezog.

120    Im vorliegenden Fall war für die beschuldigten Transportunternehmen somit vorhersehbar, dass die horizontale Festsetzung des Treibstoff- und des Sicherheitsaufschlags deren Erhöhung nach sich ziehen würde. Wie sich aus den Erwägungsgründen 874, 879 und 899 des angefochtenen Beschlusses ergibt, war die Verweigerung der Zahlung von Provisionen geeignet, eine solche Erhöhung zu verstärken. Sie besteht nämlich aus einer konzertierten Weigerung, den Spediteuren Nachlässe auf die Aufschläge zu gewähren, so dass den beschuldigten Transportunternehmen mit ihr ermöglicht werden sollte, „die Unsicherheit auf dem Gebiet der Preisgestaltung, die der Wettbewerb bei der Zahlung von Provisionen [im Rahmen der Verhandlungen mit den Spediteuren] hätte schaffen können, unter Kontrolle zu halten“ (874. Erwägungsgrund dieses Beschlusses) und so die Aufschläge dem Wettbewerb zu entziehen (879. Erwägungsgrund des Beschlusses).

121    Aus dem 17. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass sich der Preis für Frachtdienste aus Gebühren und Aufschlägen, darunter dem Treibstoff- und dem Sicherheitsaufschlag, zusammensetzt. Wenn nicht davon ausgegangen wird, dass eine Erhöhung des Treibstoff- und des Sicherheitsaufschlags – durch eine hinreichend wahrscheinliche Wirkung kommunizierender Röhren – durch eine entsprechende Senkung der Gebühren und anderen Aufschläge ausgeglichen würde, war eine solche Erhöhung grundsätzlich geeignet, einen Anstieg des Gesamtpreises für eingehende Frachtdienste nach sich zu ziehen. Die Klägerin ist aber den Nachweis schuldig geblieben, dass eine Wirkung kommunizierender Röhren derart wahrscheinlich war, dass sie die fragliche Wirkung unvorhersehbar machte.

122    Unter diesen Umständen hätten die Mitglieder des streitigen Kartells vernünftigerweise vorhersehen können, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie eingehende Frachtdienste betraf, zu einer Erhöhung des Preises für Frachtdienste auf den eingehenden Strecken führen würde.

123    Somit ist zu fragen, ob es für die beschuldigten Transportunternehmen vorhersehbar war, dass die Spediteure diese Mehrkosten an ihre eigenen Kunden, d. h. die Absender, weitergeben würden.

124    Aus den Erwägungsgründen 14 und 70 des angefochtenen Beschlusses geht insoweit hervor, dass der Preis für Frachtdienste für Spediteure ein Inputpreis ist. Dabei handelt es sich um variable Kosten, deren Anstieg grundsätzlich zu einer Erhöhung der Grenzkosten führt, anhand deren die Spediteure ihre eigenen Preise festlegen.

125    Die Klägerin bringt keinen Beweis dafür bei, dass die Umstände des konkreten Falls für eine nachgelagerte Abwälzung der sich aus der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung auf den eingehenden Strecken ergebenden Mehrkosten auf die Absender wenig günstig waren.

126    Daher war es für die beschuldigten Transportunternehmen vernünftigerweise vorhersehbar, dass die Spediteure diese Mehrkosten über eine Erhöhung des Preises für Transitdienste auf die Absender abwälzen würden.

127    Wie aus den Erwägungsgründen 70 und 1031 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, beinhalten die Kosten für Waren, deren integrierter Transport im Namen der Absender in der Regel von den Spediteuren organisiert wird, den Preis für Transitdienste und insbesondere für Frachtdienste, die ein fester Bestandteil davon sind.

128    In Anbetracht des Vorstehenden war es somit für die beschuldigten Transportunternehmen vorhersehbar, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie sich auf die eingehenden Strecken bezog, zu einer Erhöhung des Preises für eingeführte Waren führen würde.

129    Aus den oben in Rn. 111 angeführten Gründen war es für die beschuldigten Transportunternehmen auch vorhersehbar, dass diese Wirkung im EWR auftritt, wie aus dem 1045. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht.

130    Da die fragliche Wirkung zum gewöhnlichen Lauf der Dinge gehört hat und wirtschaftlich vernünftig gewesen ist, musste die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen nicht notwendigerweise auf dem Markt der Einfuhr oder des nachgelagerten Weiterverkaufs von Waren tätig sein, um sie vorhersehen zu können.

131    Somit ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission hinreichend nachgewiesen hat, dass die fragliche Wirkung die geforderte Vorhersehbarkeit aufwies.

3)      Zur Wesentlichkeit der fraglichen Wirkung

132    Die Beurteilung der Wesentlichkeit der Auswirkungen der streitigen Verhaltensweise hat anhand sämtlicher relevanter Umstände des konkreten Falls zu erfolgen. Zu diesen Umständen gehören u. a. die Dauer, die Art und die Tragweite der Zuwiderhandlung. Auch andere Umstände wie beispielsweise die Bedeutung der an der Verhaltensweise beteiligten Unternehmen können relevant sein (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. September 2015, Toshiba/Kommission, T‑104/13, EU:T:2015:610, Rn. 159, sowie vom 12. Juli 2018, Brugg Kabel und Kabelwerke Brugg/Kommission, T‑441/14, EU:T:2018:453, Rn. 112).

133    Wenn die untersuchte Wirkung mit einer Erhöhung des Preises für einen Gegenstand oder eine Enddienstleistung zusammenhängt, die auf der Dienstleistung, für die das Kartell gebildet worden ist, beruht oder diese enthält, kann auch der Anteil des Preises für den Gegenstand oder die Enddienstleistung, den die Dienstleistung ausmacht, für die das Kartell gebildet worden ist, berücksichtigt werden.

134    Im vorliegenden Fall ist in Anbetracht sämtlicher relevanter Umstände davon auszugehen, dass die fragliche Wirkung im Zusammenhang mit der Erhöhung des Preises für in den EWR eingeführte Waren wesentlichen Charakter hat.

135    Als Erstes geht nämlich aus dem 1146. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass sich die Dauer der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung auf 21 Monate beläuft, soweit sie die Strecken Union-Drittländer betraf, und auf acht Monate, soweit sie sich auf die Strecken EWR (ohne Union)-Drittländer bezog. Aus den Erwägungsgründen 1215 und 1217 dieses Beschlusses ergibt sich, dass das auch die Dauer der Beteiligung sämtlicher beschuldigter Transportunternehmen mit Ausnahme von Lufthansa Cargo und Swiss war.

136    Als Zweites geht in Bezug auf die Tragweite der Zuwiderhandlung aus dem 889. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass es sich beim Treibstoff- und beim Sicherheitsaufschlag um „allgemein anwendbare Maßnahmen [handelte], die nicht spezifisch für eine Strecke [waren]“ und „auf alle Strecken weltweit angewandt werden sollten, auch auf Strecken mit … Ankunft im EWR“.

137    Als Drittes ergibt sich in Bezug auf die Art der Zuwiderhandlung aus dem 1030. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bezweckte, den Wettbewerb zwischen den beschuldigten Transportunternehmen, insbesondere auf den Strecken EWR-Drittländer, einzuschränken. Im 1208. Erwägungsgrund dieses Beschlusses ist die Kommission zu dem Ergebnis gekommen, dass die „Festlegung verschiedener Preiselemente, einschließlich bestimmter Aufschläge, eine der schwerwiegendsten Wettbewerbsbeschränkungen [darstelle]“, und hat dementsprechend festgestellt, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung die Anwendung eines Schwerekoeffizienten „am oberen Ende der [in den Leitlinien von 2006 vorgesehenen] Bandbreite“ verdiene.

138    Darüber hinaus ist hinsichtlich des Anteils des Preises der kartellisierten Dienstleistung am Gegenstand oder an der Dienstleistung, die auf ihr beruht oder sie enthält, zu beachten, dass die Aufschläge entgegen dem Vorbringen der Klägerin während des Zeitraums der Zuwiderhandlung einen wesentlichen Teil des Gesamtpreises der Frachtdienste ausmachten.

139    So geht aus einem Schreiben der Hong Kong Association of Freight Forwarding & Logistics (Speditions- und Logistikverband von Hong Kong) an den Vorsitzenden des Frachtenunterausschusses des Board of Airline Representatives (Verband der Vertreter der Fluggesellschaften, im Folgenden: BAR) in Hong Kong vom 8. Juli 2005 hervor, dass die Aufschläge einen „sehr erheblichen Anteil“ des von den Spediteuren zu entrichtenden Gesamtpreises der Luftfrachtbriefe ausmachten. Desgleichen wird in der Tabelle, die in Rn. 135 der Klageschrift wiedergegeben ist, ausgeführt, dass die Aufschläge während des Geschäftsjahrs 2004/2005 11,87 % des von der Klägerin berechneten Preises für Frachtdienste auf den Strecken EWR-Drittländer ausmachten.

140    Wie aus dem 1031. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, stellte der Preis der Frachtdienste selbst „einen wichtigen Bestandteil der Kosten der beförderten Waren dar, [was] sich auf den Verkauf dieser Waren auswirkt“. Die Klägerin bestreitet das zwar, beschränkt sich dabei aber auf Behauptungen.

141    Außerdem ergibt sich in Bezug auf die Bedeutung der an der streitigen Verhaltensweise beteiligten Unternehmen aus dem 1209. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass sich die gemeinsamen Marktanteile der beschuldigten Transportunternehmen auf dem „Weltmarkt“ auf 34 % im Jahr 2005 beliefen und „mindestens genauso hoch [waren] bei [Frachtdiensten] … auf den Strecken [EWR-Drittländer]“, die sowohl ausgehende als auch eingehende Strecken umfassen. Die Klägerin selbst erzielte während des Zeitraums der Zuwiderhandlung auf den eingehenden Strecken im Übrigen einen bedeutenden Umsatz in Höhe von mehr als 140 000 000 Euro im Jahr 2005.

142    Somit ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission hinreichend nachgewiesen hat, dass die fragliche Wirkung die geforderte Wesentlichkeit aufwies.

4)      Zur Unmittelbarkeit der fraglichen Wirkung

143    Das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Auswirkungen der streitigen Verhaltensweise bezieht sich auf den Kausalzusammenhang zwischen dem betreffenden Verhalten und der untersuchten Wirkung. Zweck dieses Erfordernisses ist es, sicherzustellen, dass sich die Kommission zur Rechtfertigung ihrer Zuständigkeit für die Feststellung und Ahndung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens nicht auf alle möglichen, noch so entfernten Auswirkungen berufen kann, für die dieses Verhalten die Ursache im Sinne einer conditio sine qua non sein mag (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kone u. a., C‑557/12, EU:C:2014:45, Nrn. 33 und 34).

144    Die unmittelbare Kausalität darf jedoch nicht mit einer Monokausalität verwechselt werden, für die immer und pauschal eine Unterbrechung der Kausalkette festgestellt werden müsste, wenn die Handlung eines Dritten für die fraglichen Auswirkungen mitursächlich geworden ist (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kone u. a., C‑557/12, EU:C:2014:45, Nrn. 36 und 37).

145    Im vorliegenden Fall mag das Hinzutreten der Spediteure, von denen zu erwarten war, dass sie die Mehrkosten, die sie hatten begleichen müssen, eigenverantwortlich auf die Absender abwälzen würden, zwar mitursächlich für die fragliche Wirkung gewesen sein. Es war für sich genommen aber nicht geeignet, die Kausalkette zwischen dem streitigen Verhalten und der fraglichen Wirkung zu unterbrechen und dieser damit ihre Unmittelbarkeit zu nehmen.

146    Im Gegenteil: Wenn ein solches Hinzutreten nicht schuldhaft ist, sondern sich objektiv aus dem in Rede stehenden Kartell ergibt, unterbricht es bei normalem Funktionieren des Marktes nicht die Kausalkette (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2005, CD Cartondruck/Rat und Kommission, T‑320/00, nicht veröffentlicht, EU:T:2005:452, Rn. 172 bis 182), sondern führt sie fort (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kone u. a., C‑557/12, EU:C:2014:45, Nr. 37).

147    Im vorliegenden Fall weist die Klägerin nicht nach und macht nicht einmal geltend, dass die vorhersehbare Abwälzung der Mehrkosten auf die im EWR niedergelassenen Absender schuldhaft sein oder nichts mit dem normalen Funktionieren des Marktes zu tun haben soll.

148    Folglich weist die fragliche Wirkung die geforderte Unmittelbarkeit auf.

149    Die vorstehende Schlussfolgerung kann nicht durch das Argument der Klägerin in Frage gestellt werden, wonach eine „etwaige Erhöhung der Preise“, um sich nachteilig auf „die Verbraucher im EWR“, auf die die Kommission im 1045. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses verweist, auszuwirken, „vom Spediteur auf den Absender, danach vom Absender auf den Importeur und anschließend gegebenenfalls vom Importeur auf den Großhändler, vom Großhändler auf den Einzelhändler und zuletzt vom Einzelhändler auf den Verbraucher [hätte] abgewälzt [werden müssen]“. Dieses Argument ist nämlich auf zwei irrige Annahmen zurückzuführen.

150    Die erste der in Rede stehenden Annahmen lautet, dass die im 1045. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannten „Verbraucher im EWR“ die Endverbraucher sind, d. h. natürliche Personen, die zu Zwecken handeln, die nicht zu ihren gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeiten gehören. Der wettbewerbsrechtliche Verbraucherbegriff bezieht sich nicht nur auf Endverbraucher, sondern auf sämtliche – unmittelbaren oder mittelbaren – Nutzer der Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand des streitigen Verhaltens gewesen sind (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:42, Nr. 156).

151    Aus dem 70. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, den die Klägerin in der Sache nicht gewinnbringend beanstandet hat, geht hervor, dass es sich bei den „Absendern um die Käufer oder Verkäufer von Waren, die Gegenstand eines Handelsaustauschs sind, oder um die Eigentümer von Waren handeln kann, die rasch über vergleichsweise große Entfernungen befördert werden müssen“. In ihren Schriftsätzen hat die Kommission klargestellt, dass diese Waren zum unmittelbaren Verzehr oder als Vormaterialien zur Herstellung anderer Produkte eingeführt werden könnten. Bei eingehenden Frachtdiensten können diese Absender, wie die Kommission zutreffend feststellt, im EWR ansässig sein. Somit ist der Verweis auf die „Verbraucher im EWR“ im 1045. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dahin auszulegen, dass er Absender einschließt.

152    Die zweite der in Rede stehenden Annahmen lautet, dass die Endverbraucher – selbst wenn der Verweis auf die „Verbraucher im EWR“ im 1045. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nur sie umfassen sollte – eingeführte Waren nur bei einem Einzelhändler erwerben könnten, der sie selbst nur bei einem Großhändler erwerben könne, der sie wiederum nur bei einem Importeur erwerben könne, und so weiter. Die Endverbraucher können diese Waren aber auch unmittelbar beim Absender erwerben.

153    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die fragliche Wirkung die geforderte Vorhersehbarkeit, Wesentlichkeit und Unmittelbarkeit aufweist und der erste Grund, auf den sich die Kommission für die Schlussfolgerung gestützt hat, dass das Kriterium der qualifizierten Auswirkungen erfüllt sei, stichhaltig ist. Somit ist festzustellen, dass die Kommission fehlerfrei annehmen konnte, dass dieses Kriterium in Bezug auf die Koordinierung der eingehenden Frachtdienste für sich genommen erfüllt sei, ohne dass die Stichhaltigkeit des zweiten im 1045. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführten Grundes geprüft zu werden braucht.

b)      Zu den Auswirkungen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung insgesamt

154    Zunächst sei darauf hingewiesen, dass entgegen dem von der Klägerin in der Erwiderung angeführten Vorbringen nichts einer Prüfung der Frage entgegensteht, ob die Kommission über die erforderliche Zuständigkeit zur Anwendung des Wettbewerbsrechts im Einzelfall anhand einer Gesamtbetrachtung des fraglichen Verhaltens des oder der Unternehmen verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 50).

155    Nach der Rechtsprechung ist Art. 101 AEUV auf Verhaltensweisen und Vereinbarungen anwendbar, die einem einheitlichen wettbewerbswidrigen Ziel dienen, soweit vorhersehbar ist, dass sie insgesamt unmittelbare und wesentliche Auswirkungen im Binnenmarkt haben werden. Den Unternehmen kann nämlich nicht erlaubt werden, sich der Anwendung der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln dadurch zu entziehen, dass sie mehrere demselben Ziel dienende Verhaltensweisen kombinieren, die zwar für sich genommen jeweils keine unmittelbare und wesentliche Auswirkung im Binnenmarkt hervorrufen können, wohl aber zusammen (Urteil vom 12. Juli 2018, Brugg Kabel und Kabelwerke Brugg/Kommission, T‑441/14, EU:T:2018:453, Rn. 106).

156    Die Kommission darf ihre Zuständigkeit für die Anwendung von Art. 101 AEUV auf eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – in der Form, wie sie im streitigen Beschluss festgestellt wurde – daher mit deren vorhersehbaren, unmittelbaren und wesentlichen Auswirkungen im Binnenmarkt begründen (Urteil vom 12. Juli 2018, Brugg Kabel und Kabelwerke Brugg/Kommission, T‑441/14, EU:T:2018:453, Rn. 105).

157    Diese Erwägungen gelten entsprechend für Art. 53 des EWR-Abkommens.

158    Im 869. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission das streitige Verhalten, auch soweit es eingehende Frachtdienste betraf, als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft. Die Klägerin tritt weder dieser Einstufung pauschal entgegen noch beanstandet sie die Feststellung des Vorliegens eines einheitlichen wettbewerbswidrigen Ziels der Beeinträchtigung des Wettbewerbs innerhalb des EWR, auf die sich die Kommission stützt. Höchstens bestreitet sie im Rahmen des dritten Klagegrundes, dass ihre eigenen Handlungen unter eine solche Zuwiderhandlung fallen können.

159    Im 1046. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission die Auswirkungen dieser Zuwiderhandlung insgesamt geprüft, wie aus ihren Antworten auf die schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichts hervorgeht. So hat sie u. a. festgestellt, dass ihre Untersuchung ein „weltweit umgesetztes Kartell“ ergeben habe, dessen „Absprachen … über die eingehenden Strecken wesentlicher Bestandteil der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens waren“. Sie hat hinzugefügt, dass die „weltweit einheitliche Anwendung der Aufschläge ein Schlüsselelement des [streitigen] Kartells war“. Wie die Kommission in Beantwortung der schriftlichen Fragen des Gerichts ausgeführt hat, fügte sich die einheitliche Anwendung der Aufschläge in eine Gesamtstrategie ein, mit der der Gefahr begegnet werden sollte, dass die Spediteure die Auswirkungen dieses Kartells umgingen, indem sie indirekte Verbindungen wählten, die keinen koordinierten Aufschlägen für die Beförderung von Waren vom Ursprungs- zum Bestimmungsort unterlagen. Der Grund dafür ist, dass, wie aus dem 72. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, der „Faktor Zeit für die Beförderung von [Fracht] weniger wichtig ist als für die Beförderung von Fluggästen“, so dass Fracht „mit einer höheren Zahl von Zwischenstopps befördert werden kann“ und indirekte Verbindungen dementsprechend an die Stelle der direkten Verbindungen treten können.

160    Die Argumente, mit denen die Klägerin das Vorliegen einer solchen Austauschbarkeit in Abrede stellt, können keinen Erfolg haben. Zum einen bedeutet der Umstand, dass Fracht möglicherweise das bevorzugte Transportmittel für die Beförderung zeitkritischer Waren ist, weder, dass alle per Fracht beförderten Waren zeitkritisch sind, noch im Übrigen, dass nur zeitkritische Waren per Fracht transportiert werden. Allein aus diesem Umstand lässt sich somit nicht ableiten, dass sich Umsteigestrecken im Allgemeinen nicht für den Frachttransport eignen. Zum anderen ist festzuhalten, dass die Klägerin nicht den geringsten Beweis für ihre Argumentation beibringt. Umgekehrt verweist die Kommission auf eine Vereinbarung, mit der die Mitglieder der WOW-Allianz den Transport von Wein aus dem EWR nach Japan über Anschlussverbindungen über die Vereinigten Staaten und andere asiatische Länder als Japan organisiert haben.

161    Unter diesen Umständen macht die Kommission zutreffend geltend, dass, wenn ihr untersagt würde, das Kriterium der qualifizierten Auswirkungen auf das streitige Verhalten insgesamt anzuwenden, die Gefahr bestünde, dass ein globales wettbewerbswidriges Verhalten, das geeignet ist, sich auf die Struktur des Marktes innerhalb des EWR auszuwirken, künstlich in eine Reihe unterschiedlicher Verhaltensweisen aufgespalten würde, die ganz oder teilweise nicht mehr in die Zuständigkeit der Union fallen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 57).

162    Somit ist davon auszugehen, dass die Kommission im 1046. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Auswirkungen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung insgesamt prüfen durfte.

163    Was Vereinbarungen und Verhaltensweisen angeht, die erstens eine Wettbewerbsbeschränkung zumindest innerhalb der Union, im EWR und in der Schweiz bezweckten (903. Erwägungsgrund dieses Beschlusses), an denen zweitens Transportunternehmen mit beträchtlichen Marktanteilen beteiligt waren (1209. Erwägungsgrund des genannten Beschlusses) und von denen sich drittens ein bedeutender Teil auf EWR-interne Strecken über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren bezogen hat (1146. Erwägungsgrund des Beschlusses), so unterliegt es kaum einem Zweifel, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung insgesamt vorhersehbar unmittelbare und wesentliche Auswirkungen im Binnenmarkt oder innerhalb des EWR hervorrufen würde.

164    Folglich durfte die Kommission im 1046. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auch zu dem Ergebnis kommen, dass das Kriterium der qualifizierten Auswirkungen in Bezug auf die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung insgesamt erfüllt sei.

165    Da die Kommission damit hinreichend nachgewiesen hat, dass das streitige Verhalten vorhersehbar eine wesentliche und unmittelbare Wirkung im EWR hervorrief, ist die vorliegende Rüge und dementsprechend der vorliegende Klagegrund insgesamt zurückzuweisen, ohne dass es einer Prüfung der Rüge bedarf, die aus Fehlern bei der Anwendung des Kriteriums der Durchführung hergeleitet wird.

2.      Von Amts wegen zu prüfender Klagegrund: Fehlende Zuständigkeit der Kommission für die Feststellung und Ahndung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 53 des EWR-Abkommens auf den Strecken EWR (ohne Union)-Schweiz nach dem Abkommen EG–Schweiz über den Luftverkehr

166    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter einen Klagegrund der Unzuständigkeit des Urhebers der angefochtenen Handlung, der zwingenden Rechts ist, von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2000, Salzgitter/Kommission, C‑210/98 P, EU:C:2000:397, Rn. 56).

167    Nach ständiger Rechtsprechung kann der Unionsrichter seine Entscheidung grundsätzlich nicht auf einen von Amts wegen geprüften Rechtsgrund – sei er auch zwingenden Rechts – stützen, ohne die Parteien zuvor aufgefordert zu haben, sich dazu zu äußern (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2009, Überprüfung M/EMEA, C‑197/09 RX‑II, EU:C:2009:804, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

168    Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht für verpflichtet, von Amts wegen zu prüfen, ob die Kommission die Grenzen ihrer eigenen Zuständigkeit nach dem Abkommen EG–Schweiz über den Luftverkehr in Bezug auf die Strecken EWR (ohne Union)-Schweiz überschritten hat, als sie in Art. 1 Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses eine Zuwiderhandlung gegen Art. 53 des EWR-Abkommens auf den Strecken EWR (ohne Union)-Drittländer festgestellt hat, und hat die Parteien im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen aufgefordert, sich dazu zu äußern.

169    Die Klägerin macht geltend, der Verweis auf „Drittstaaten“ in Art. 1 Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses schließe die Schweizerische Eidgenossenschaft mit ein. Diese sei nämlich ein Drittland im Sinne des EWR-Abkommens, gegen das nach besagtem Artikel verstoßen worden sein soll. Die Klägerin leitet daraus ab, dass die Kommission in diesem Artikel eine Zuwiderhandlung gegen Art. 53 des EWR-Abkommens auf den Strecken EWR (ohne Union)-Schweiz festgestellt hat. Sie fügt hinzu, dass die Kommission damit zum einen gegen Art. 11 Abs. 2 des Abkommens EG–Schweiz über den Luftverkehr verstoßen und zum anderen das Völkervertragsrecht verletzt habe, als sie der Schweizerischen Eidgenossenschaft eine Verpflichtung auferlegt habe, ohne zuvor deren Zustimmung erhalten zu haben. Diese Rechtsverletzungen rechtfertigten eine Herabsetzung des Schwerekoeffizienten und folglich des Betrags der gegen sie verhängten Geldbuße.

170    Die Kommission entgegnet, dass der Verweis in Art. 1 Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses auf „Strecken zwischen Flughäfen in Ländern, die zwar Vertragsparteien des EWR-Abkommens, aber keine Mitgliedstaaten sind, und Flughäfen in Drittländern“ nicht dahin ausgelegt werden könne, dass er die Strecken EWR (ohne Union)-Schweiz mit einschließe. Der Begriff „Drittstaaten“ im Sinne dieses Artikels schließe die Schweizerische Eidgenossenschaft aus.

171    Die Kommission fügt hinzu, dass sie, wenn davon auszugehen wäre, dass sie die Klägerin in Art. 1 Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 53 des EWR-Abkommens auf den Strecken EWR (ohne Union)-Schweiz zur Verantwortung gezogen habe, die Grenzen überschritten hätte, die Art. 11 Abs. 2 des Abkommens EG–Schweiz über den Luftverkehr ihrer Zuständigkeit setze.

172    Festzustellen ist, ob die Kommission, wie die Klägerin vorträgt, in Art. 1 Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses einen Verstoß gegen Art. 53 des EWR-Abkommens auf den Strecken EWR (ohne Union)-Schweiz festgestellt hat, und gegebenenfalls, ob sie damit die Grenzen der ihr gemäß dem Abkommen EG–Schweiz über den Luftverkehr übertragenen Zuständigkeit überschritten hat.

173    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der heute in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) Ausdruck findet. Dieser Grundsatz, der im Unionsrecht Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten entspricht, verlangt, dass der verfügende Teil einer Entscheidung, mit der die Kommission Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht feststellt, besonders klar und präzise ist und die zur Verantwortung gezogenen und mit Sanktionen belegten Unternehmen die Zuweisung dieser Verantwortung und die Verhängung dieser Sanktionen, die sich aus dem Wortlaut des genannten verfügenden Teils ergeben, verstehen und anfechten können (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2015, Martinair Holland/Kommission, T‑67/11, EU:T:2015:984, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

174    Die Kommission stellt nämlich Art und Ausmaß der von ihr geahndeten Zuwiderhandlungen im verfügenden Teil ihrer Entscheidungen fest. Gerade soweit es um Umfang und Art der geahndeten Zuwiderhandlungen geht, kommt es daher grundsätzlich auf den verfügenden Teil und nicht auf die Gründe an. Nur dann, wenn der verfügende Teil nicht eindeutig formuliert ist, ist er unter Heranziehung der Gründe der Entscheidung auszulegen (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2015, Martinair Holland/Kommission, T‑67/11, EU:T:2015:984, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

175    In Art. 1 Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission festgestellt, dass die Klägerin „auf Strecken zwischen Flughäfen in Ländern, die zwar Vertragsparteien des EWR-Abkommens, aber keine Mitgliedstaaten sind, und Flughäfen in Drittländern [vom 19. Mai 2005 bis zum 14. Februar 2006] gegen Artikel 53 des EWR-Abkommens verstoßen“ habe. Sie hat die Strecken EWR (ohne Union)-Schweiz weder ausdrücklich in diese Strecken einbezogen noch sie ausdrücklich davon ausgeschlossen.

176    Somit ist zu prüfen, ob die Schweizerische Eidgenossenschaft zu den „Drittländern“ im Sinne von Art. 1 Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses gehört.

177    Insoweit ist zu beachten, dass Art. 1 Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses zwischen „Ländern, die zwar Vertragsparteien des EWR-Abkommens, aber keine Mitgliedstaaten sind“, und Drittländern unterscheidet. Es trifft zu, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft, wie die Klägerin bemerkt, nicht Vertragspartei des EWR-Abkommens ist und für dieses somit zu den Drittländern zählt.

178    Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass, wenn in ein und demselben Rechtsakt mehrfach der gleiche Wortlaut verwendet wird, unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Einheit und der Kohärenz der Rechtsordnung der Union anzunehmen ist, dass er die gleiche Bedeutung hat.

179    In Art. 1 Abs. 2 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV auf „Strecken zwischen Flughäfen innerhalb der Europäischen Union und Flughäfen außerhalb des EWR“ festgestellt. Die vorstehende Wendung schließt Flughäfen in der Schweiz nicht ein, wo doch die Schweizerische Eidgenossenschaft nicht Partei des EWR-Abkommens ist und ihre Flughäfen daher formal als „außerhalb des EWR“ oder mit anderen Worten in einem Land liegend betrachtet werden müssen, das sich nicht am EWR-Abkommen beteiligt. Diese Flughäfen sind Gegenstand von Art. 1 Abs. 4 des angefochtenen Beschlusses, in dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 8 des Abkommens EG–Schweiz über den Flugverkehr auf „Strecken zwischen Flughäfen innerhalb der Europäischen Union und Flughäfen in der Schweiz“ festgestellt wird.

180    Gemäß dem oben in Rn. 177 in Erinnerung gerufenen Grundsatz ist somit anzunehmen, dass die in Art. 1 Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses verwendete Formulierung „Flughäfen in Drittländern“ die gleiche Bedeutung hat wie die in Abs. 2 dieses Artikels verwendete Formulierung „Flughäfen außerhalb des EWR“ und folglich Flughäfen in der Schweiz ausschließt.

181    Da im verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses nicht der geringste Hinweis darauf zu finden ist, dass die Kommission beabsichtigt hätte, dem Begriff „Drittländer“ in Art. 1 Abs. 3 des Beschlusses eine andere Bedeutung zu geben, ist der Schluss zu ziehen, dass dieser Begriff die Schweizerische Eidgenossenschaft ausschließt.

182    Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission die Klägerin in Art. 1 Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 53 des EWR-Abkommens auf den Strecken EWR (ohne Union)-Schweiz zur Verantwortung gezogen hat.

183    Da der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses keinen Anlass zu Zweifeln gibt, fügt das Gericht mithin nur ergänzend hinzu, dass seine Begründung dieser Schlussfolgerung nicht widerspricht.

184    Im 1146. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission ausgeführt, die von ihr beschriebenen „wettbewerbswidrigen Abmachungen“ verstießen vom 1. Mai 2004 bis zum 14. Februar 2006 „in Bezug auf den Luftverkehr zwischen Flughäfen innerhalb der [Union] und Flughäfen außerhalb des EWR“ gegen Art. 101 AEUV. In der dazugehörigen Fußnote (1514) hat sie Folgendes klargestellt: „Für die Zwecke des vorliegenden Beschlusses sind mit ‚Flughäfen außerhalb des EWR‘ Flughäfen in anderen Ländern als der Schweiz[erischen Eidgenossenschaft] und den Vertragsparteien des EWR-Abkommens gemeint.“

185    Bei der Beschreibung der Tragweite der Zuwiderhandlung gegen Art. 53 des EWR-Abkommens im 1146. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission zwar nicht auf den Begriff „Flughäfen außerhalb des EWR“, sondern auf den Begriff „Flughäfen in Drittländern“ verwiesen. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Kommission dem Begriff „Flughäfen außerhalb des EWR“ für die Zwecke von Art. 101 AEUV und dem Begriff „Flughäfen in Drittländern“ für die Zwecke von Art. 53 des EWR-Abkommens eine andere Bedeutung geben wollte. Im Gegenteil: Die Kommission hat diese beiden Ausdrücke im angefochtenen Beschluss austauschbar verwendet. So hat sie im 824. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen, dass sie „Artikel 101 AEUV nicht auf wettbewerbswidrige Vereinbarungen und Verhaltensweisen betreffend den Luftverkehr zwischen Flughäfen der [Union] und Flughäfen von Drittländern anwend[e], die vor dem 1. Mai 2004 stattgefunden [hätten]“. Desgleichen hat sie im 1222. Erwägungsgrund dieses Beschlusses in Bezug auf die Beendigung der Beteiligung von SAS Consortium an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung auf die ihr nach diesen Bestimmungen übertragene Zuständigkeit „für Strecken zwischen der [Union] und Drittländern sowie für Strecken zwischen Island, Norwegen und Liechtenstein und Ländern außerhalb des EWR“ verwiesen.

186    Somit bestätigen die Gründe des angefochtenen Beschlusses, dass die Begriffe „Flughäfen in Drittländern“ und „Flughäfen außerhalb des EWR“ die gleiche Bedeutung haben. Nach der Definitionsklausel in Fn. 1514 ist daher davon auszugehen, dass beide Begriffe Flughäfen in der Schweiz ausschließen.

187    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sprechen die Erwägungsgründe 1194 und 1241 des angefochtenen Beschlusses nicht für eine andere Lösung. Im 1194. Erwägungsgrund dieses Beschlusses hat die Kommission zwar auf „Strecken zwischen dem EWR und Drittländern mit Ausnahme der Strecken zwischen der [Union] und der Schweiz“ Bezug genommen. Desgleichen hat sie im 1241. Erwägungsgrund des Beschlusses – im Rahmen der „Bestimmung des Werts der Verkäufe auf Verbindungen mit Drittländern“ – den Grundbetrag für die „Strecken EWR-Drittländer mit Ausnahme der Strecken zwischen der [Union] und der Schweiz, für die [sie] nach dem Abkommen [EG–Schweiz über den Luftverkehr] tätig wird“, um 50 % herabgesetzt. Es ließe sich jedoch die Auffassung vertreten, dass die Kommission, wie die Klägerin im Wesentlichen bemerkt, den Hinweis „mit Ausnahme der Strecken zwischen der [Union] und der Schweiz“ nur deshalb in die genannten Erwägungsgründe eingefügt hat, weil sie davon ausging, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft unter den Begriff „Drittländer“ falle, soweit es um die Strecken EWR-Drittländer gehe.

188    Die Kommission hat im Übrigen anerkannt, dass sie den Umsatz, den bestimmte beschuldigte Transportunternehmen während des betreffenden Zeitraums auf den Strecken EWR (ohne Union)-Schweiz erzielt hatten, möglicherweise „versehentlich“ in den Wert der Verkäufe einbezogen habe. Der Grund hierfür sei, dass sie die betreffenden Transportunternehmen in einem Informationsersuchen vom 26. Januar 2009, das sich auf bestimmte Umsätze bezog, nicht darüber informiert habe, dass der auf den Strecken EWR (ohne Union)-Schweiz erzielte Umsatz aus dem Wert der auf den Strecken EWR (ohne Union)-Drittländer getätigten Verkäufe habe herausgerechnet werden müssen.

189    Gleichwohl ist mit der Kommission festzustellen, dass diese Elemente ausschließlich die bei der Berechnung der Höhe des Grundbetrags der Geldbuße zu berücksichtigenden Einnahmen betreffen und nicht die geografischen Grenzen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, um die es hier geht.

190    Der vorliegende Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

3.      Erster Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem und gegen Art. 266 AEUV sowie Verletzung der Verjährungsfrist

191    Die Klägerin unterteilt den vorliegenden Klagegrund in zwei Teile, die sich auf einen Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem und gegen Art. 266 AEUV einerseits und auf eine Verletzung der Verjährungsfrist und das Fehlen eines berechtigten Interesses an der förmlichen Feststellung einer Zuwiderhandlung andererseits beziehen.

192    Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den zweiten Teil zu behandeln, mit dem eine Verletzung der Verjährungsfrist gerügt wird.

a)      Zweiter Teil: Verletzung der Verjährungsfrist und Fehlen eines berechtigten Interesses an der förmlichen Feststellung einer Zuwiderhandlung

193    Die Klägerin macht eine Verletzung der Verjährungsfrist und das Fehlen eines berechtigten Interesses an der förmlichen Feststellung einer Zuwiderhandlung geltend.

194    In Bezug auf die Verjährungsfrist führt die Klägerin aus, Art. 25 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003, der im Fall einer anhängigen Klage das Ruhen dieser Frist vorsehe, finde keine Anwendung, da ihre Klage gegen den Beschluss vom 9. November 2010 nicht auf die Nichtigerklärung der Feststellungen einer Zuwiderhandlung betreffend die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz abgezielt habe. Indem die Kommission der Klägerin im angefochtenen Beschluss eine Geldbuße für diese Strecken auferlege, habe sie die genannte Frist daher verletzt.

195    In Bezug auf das berechtigte Interesse an der Feststellung der Zuwiderhandlung auf den EWR-internen Strecken und den Strecken Union-Schweiz trägt die Klägerin vor, die Kommission habe nachzuweisen, dass sie ein solches Interesse habe. Die Kommission bringe jedoch keinerlei Anhaltspunkt dafür vor, dass sich die Klägerin nicht an die im Beschluss vom 9. November 2010 vorgesehene Verpflichtung zur unverzüglichen Beendigung der Zuwiderhandlung gehalten habe. Außerdem erlaube nichts der Kommission die im 1171. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses getroffene Annahme, dass die Klägerin die Zuwiderhandlung zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses möglicherweise nicht beendet habe. Mehr noch: Ausweislich sowohl des angefochtenen Beschlusses als auch des Beschlusses vom 9. November 2010 gebe es keinen Beweis dafür, dass die geheimen Absprachen nach dem ersten Tag der Nachprüfungen – am 14. Februar 2006 – fortgesetzt worden seien. Darüber hinaus genüge es nach der Rechtsprechung, dass die Kommission kein berechtigtes Interesse nachgewiesen habe, um die Nichtigerklärung des gesamten angefochtenen Beschlusses, soweit er sie betreffe, zu rechtfertigen.

196    Sollte das Gericht dem vorliegenden Teil stattgeben, aber entscheiden, dass der angefochtene Beschluss nicht insgesamt für nichtig zu erklären sei, müsse die Verletzung der Verjährungsfrist schließlich bei der Festsetzung der Geldbuße berücksichtigt werden. Der Schwerekoeffizient und der Zusatzbetrag, so die Klägerin, müssten für sie daher auf einen Prozentsatz von weniger als 16 % festgesetzt werden. Andernfalls führe dies zu einer nicht zu rechtfertigenden Diskriminierung zwischen ihr und den Transportunternehmen, die für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf sämtlichen Strecken zur Verantwortung gezogen würden, und entleere die in Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 festgesetzte zehnjährige Verjährungsfrist ihres Sinns.

197    Die Kommission tritt der Argumentation der Klägerin entgegen.

198    Nach Auffassung der Kommission hat die zehnjährige Verjährungsfrist zwischen dem 24. Januar 2011 – dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin ihre Klage gegen den Beschluss vom 9. November 2010 erhoben hat – und dem 16. Dezember 2015 – dem Zeitpunkt, zu dem das Gericht das Urteil Japan Airlines/Kommission (T‑36/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:992) erlassen hat – geruht. Unter Berücksichtigung dieses Ruhens betrage der Zeitraum zwischen dem 14. Februar 2006 – dem Zeitpunkt der Beendigung der Zuwiderhandlung – und dem 17. März 2017 – dem Datum des angefochtenen Beschlusses – nur sechs Jahre, zwei Monate und 26 Tage.

199    Die Kommission hebt hervor, dass der Beschluss vom 9. November 2010 eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung beschrieben habe, die sämtliche betroffenen Strecken umfasse, und die Klägerin mit ihrer Klage gegen diesen Beschluss dessen Nichtigerklärung begehrt habe, was das Ruhen der Verjährungsfrist rechtfertige.

200    Die Kommission fügt hinzu, dass der Schwerekoeffizient und der Zusatzbetrag nicht angepasst zu werden bräuchten. Der Schwerekoeffizient sei für alle Adressaten des angefochtenen Beschlusses gleich geblieben, und die geografische Tragweite des Verhaltens der einzelnen Adressaten sei in den für die Festsetzung der Geldbuße herangezogenen Umsätzen berücksichtigt worden.

201    Es sei darauf hingewiesen, dass die Verjährung der Befugnis zur Festsetzung einer Geldbuße gemäß Art. 25 Abs. 1 Buchst. b sowie Abs. 2, 3 und 5 der Verordnung Nr. 1/2003 eintritt, sofern

–        die Kommission nicht innerhalb von fünf Jahren ab dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung geendet hat (Abs. 1 Buchst. b), eine Geldbuße verhängt hat, ohne dass in der Zwischenzeit eine Unterbrechungshandlung erfolgt ist (Abs. 3),

–        oder spätestens zehn Jahre ab dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung geendet hat, wenn Unterbrechungshandlungen vorgenommen worden sind (Abs. 5).

202    Außerdem sieht Art. 25 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 vor, dass die Verjährung ruht, solange wegen der Entscheidung der Kommission ein Verfahren vor dem Gerichtshof anhängig ist. Gemäß Abs. 5 desselben Artikels verlängert sich die zehnjährige Verjährungsfrist um den Zeitraum, in dem die Verjährung gemäß Abs. 6 ruht.

203    Nach Art. 25 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 wird die Verjährung durch jede auf Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichtete Handlung der Kommission unterbrochen, die mindestens einem an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen bekannt gegeben worden ist. Nach Art. 25 Abs. 4 derselben Verordnung wirkt die Unterbrechung gegenüber allen an der fraglichen Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen.

204    Folglich steht der Umstand, dass ein Unternehmen im Verwaltungsverfahren nicht in einer oder mehreren auf Ermittlung oder Verfolgung der Zuwiderhandlung gerichteten Handlungen als an der Zuwiderhandlung beteiligt bezeichnet worden ist, dem nicht entgegen, dass die Verjährungsunterbrechung auch ihm gegenüber wirkt, sofern das betreffende Unternehmen später als an der Zuwiderhandlung beteiligt identifiziert wird (Urteil vom 31. März 2009, ArcelorMittal Luxembourg u. a./Kommission, T‑405/06, EU:T:2009:90, Rn. 143 und 144).

205    Dagegen hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass das nach Art. 25 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 mit Gerichtsverfahren verbundene Ruhen der Verjährung – im Gegensatz zur Wirkung erga omnes der in Art. 25 Abs. 3 und 4 dieser Verordnung genannten verjährungsunterbrechenden Handlungen – nur inter partes wirkt (Urteil vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190, Rn. 148).

206    Gegenüber Unternehmen, die nicht gegen eine endgültige Entscheidung der Kommission geklagt haben, kann die Klage eines anderen Unternehmens gegen dieselbe endgültige Entscheidung daher nicht zu einem Ruhen der Verjährung führen (Urteil vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190, Rn. 145).

207    Schließlich steht die Tatsache, dass die Kommission Verstoßenden keine Geldbußen auferlegen kann, weil die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist, der Feststellung dieses Verstoßes in sich nicht entgegen, vorausgesetzt, die Kommission weist in einem derartigen Fall ein legitimes Interesse an der Feststellung eines solchen Verstoßes nach (vgl. entsprechend Urteil vom 6. Oktober 2005, Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, T‑22/02 und T‑23/02, EU:T:2005:349, Rn. 131 und 132).

208    Im vorliegenden Fall wird nicht bestritten, dass die Verjährungsfrist gemäß Art. 25 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 am Tag der Beendigung der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, nämlich am 14. Februar 2006, begonnen hat.

209    Darüber hinaus macht die Klägerin lediglich eine Verletzung der in Art. 25 Abs. 5 dieser Verordnung vorgesehenen zehnjährigen Verjährungsfrist geltend, ohne vorzutragen, dass auch die fünfjährige Verjährungsfrist verletzt worden sei. Zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses waren seit der Beendigung der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung aber unstreitig mehr als zehn Jahre vergangen.

210    Die Kommission führt – im Gegensatz zur Klägerin – gleichwohl aus, dass die Verjährungsfrist gemäß Art. 25 Abs. 6 der Verordnung geruht habe, solange das Verfahren anhängig war, in dem das Urteil vom 16. Dezember 2015, Japan Airlines/Kommission (T‑36/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:992), ergangen ist, so dass zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses keine Verjährung eingetreten sei.

211    Somit ist festzustellen, ob die von der Klägerin gegen den Beschluss vom 9. November 2010 erhobene Klage in Bezug auf ihr in Art. 1 Abs. 1 und 4 des angefochtenen Beschlusses festgestelltes rechtswidriges Verhalten auf den EWR-internen Strecken bzw. den Strecken Union-Schweiz zur Verlängerung der zehnjährigen Verjährungsfrist geführt hat.

212    Insoweit ist zu bemerken, dass sich der Gerichtshof für die Feststellung der Inter-Partes-Wirkung des Ruhens der Verjährung einer Klage gegen eine Sanktionsentscheidung der Kommission (siehe oben, Rn. 205) u. a. auf die Konturen des Streitgegenstands gestützt hat, über den der Unionsrichter, der mit einer Nichtigkeitsklage befasst ist, entscheiden soll, wobei er darauf hingewiesen hat, dass der Richter nur mit den Teilen der Entscheidung befasst wird, die den Nichtigkeitskläger betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190, Rn. 142). Daraus ergibt sich eine notwendige Kohärenz zwischen der Tragweite der Nichtigkeitsklage und dem Umfang der gemäß Art. 25 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 damit verbundenen Auswirkungen auf die Verjährung.

213    Somit ist die Tragweite der Klage der Klägerin gegen den Beschluss vom 9. November 2010 und insbesondere zu ermitteln, ob das Gericht im Rahmen des Rechtsstreits, der von der Klägerin bei ihm anhängig gemacht worden ist, mit Verhaltensweisen im Zusammenhang mit den EWR-internen Strecken und den Strecken Union-Schweiz befasst war.

214    In diesem Zusammenhang können die Erwägungen, die zur Begründung einer Entscheidung angestellt werden, nach ständiger Rechtsprechung als solche nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein und nur insofern der Rechtmäßigkeitskontrolle des Unionsrichters unterworfen werden, als sie Gründe eines beschwerenden Rechtsakts sind und die notwendige Begründung des Tenors des Rechtsakts bilden (vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Laboratoires CTRS/Kommission, T‑452/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:373, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

215    Darüber hinaus hat der Gerichtshof entschieden, dass eine mehrere Unternehmen betreffende Wettbewerbsentscheidung, auch wenn sie in Form nur einer Entscheidung abgefasst und veröffentlicht ist, ein Bündel von Individualentscheidungen darstellt, mit denen festgestellt wird, welcher Verstoß oder welche Verstöße den jeweiligen Adressaten zur Last gelegt werden, und diesen gegebenenfalls eine Geldbuße auferlegt wird (Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 100). Er hat weiter festgestellt, dass – abgesehen von besonderen Umständen – der Unionsrichter, wenn der Adressat einer Entscheidung beschließt, eine Nichtigkeitsklage zu erheben, nur mit den diesen Adressaten betreffenden Teilen der Entscheidung befasst wird, während die andere Adressaten betreffenden Teile nicht Gegenstand des vom Unionsrichter zu entscheidenden Rechtsstreits werden (Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 66).

216    Folglich ist der Gegenstand der von der Klägerin gegen den Beschluss vom 9. November 2010 erhobenen Klage auf den Tenor dieses Beschlusses, soweit er sie betraf, sowie auf die Gründe zu beschränken, die seine notwendige Begründung bildeten. In diesem Tenor – soweit in ihm festgestellt wurde, dass die Unternehmen, die Adressaten des Beschlusses sind, an den darin erwähnten rechtswidrigen Verhaltensweisen beteiligt waren – wurde eine solche Feststellung in Bezug auf die Klägerin jedoch nur für die Strecken Union-Drittländer (Art. 2) und die Strecken EWR (ohne Union)-Drittländer (Art. 3) getroffen. Soweit in den Art. 1 und 4 des Tenors von der Klägerin keine Rede war, wurde sie darin hingegen nicht für die Verhaltensweisen im Zusammenhang mit den EWR-internen Strecken und den Strecken Union-Schweiz zur Verantwortung gezogen, so dass der Tenor keinen sie betreffenden Teil der Entscheidung darstellte, der vom Gericht beanstandet werden konnte.

217    Die vorstehende Feststellung wird durch den von der Kommission vorgebrachten Umstand, dass die Klägerin in ihrem Antrag die Nichtigerklärung des Beschlusses vom 9. November 2010 insgesamt begehrt habe, nicht in Frage gestellt.

218    Da dieser Beschluss nämlich ein Bündel von Individualentscheidungen darstellt, mit denen festgestellt wird, welcher Verstoß oder welche Verstöße den jeweiligen durch ihn beschuldigten Transportunternehmen zur Last gelegt werden, begehrt die Klägerin, wenn sie die Nichtigerklärung des gesamten Beschlusses beantragt, die Nichtigerklärung der an sie gerichteten Individualentscheidung, in der ihr die Verhaltensweisen auf den EWR-internen Strecken und den Strecken Union-Schweiz nicht zugerechnet wurden. Dies wird durch den Tenor des Urteils vom 16. Dezember 2015, Japan Airlines/Kommission (T‑36/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:992), bestätigt, in dem es heißt, dass der Beschluss vom 9. November 2010 für nichtig erklärt wird, soweit er die Klägerin betrifft.

219    In Anbetracht des Vorstehenden ist davon auszugehen, dass die von der Klägerin gegen den Beschluss vom 9. November 2010 erhobene Klage in Bezug auf die rechtswidrigen Verhaltensweisen im Zusammenhang mit den EWR-internen Strecken und den Strecken Union-Schweiz nicht zur Verlängerung der in Art. 25 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Verjährungsfrist führen konnte.

220    Mangels Verlängerung der Verjährungsfrist war die Ausübung der Sanktionsbefugnis der Kommission gegenüber den fraglichen Verhaltensweisen folglich ab dem 14. Februar 2016 und damit zu einem Zeitpunkt verjährt, der vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses liegt.

221    Daraus ergibt sich, dass die Kommission die in Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegten Verjährungsregeln verletzt hat, als sie die Klägerin im angefochtenen Beschluss für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf den EWR-internen Strecken und den Strecken Union-Schweiz mit einer Sanktion belegt hat.

222    Selbst wenn unterstellt wird, dass der Klägerin, wie die Kommission in Beantwortung einer vom Gericht im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen gestellten schriftlichen Frage scheinbar angedeutet hat, die Geldbuße nicht wegen der rechtswidrigen Verhaltensweisen betreffend die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz auferlegt wurde, ist außerdem zu bemerken, dass die Kommission weder im angefochtenen Beschluss noch vor dem Gericht vorträgt, sie verfüge ungeachtet der Verjährung der Befugnis zur Festsetzung einer Geldbuße wegen dieser rechtswidrigen Verhaltensweisen über ein berechtigtes Interesse an deren Feststellung (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Oktober 2005, Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, T‑22/02 und T‑23/02, EU:T:2005:349, Rn. 136, sowie vom 16. November 2011, Stempher und Koninklijke Verpakkingsindustrie Stempher/Kommission, T‑68/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:670, Rn. 44).

223    Demnach ist dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes stattzugeben sowie Art. 1 Abs. 1 Buchst. h und Abs. 4 Buchst. h des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären.

224    Daraus folgt entgegen dem Vorbringen der Klägerin jedoch nicht, dass der angefochtene Beschluss insgesamt für nichtig erklärt werden muss (siehe oben, Rn. 195). Zum einen ist die Verjährung – anders als in der Rechtssache, in der das Urteil vom 6. Oktober 2005, Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission (T‑22/02 und T‑23/02, EU:T:2005:349), ergangen ist, auf die sich die Klägerin zu berufen versucht – im vorliegenden Fall nur in Bezug auf einen Teil der im angefochtenen Beschluss enthaltenen Feststellungen einer Zuwiderhandlung, nämlich die Feststellungen zu den EWR-internen Strecken und den Strecken Union-Schweiz, eingetreten. Zum anderen führt die Stattgabe des vorliegenden Teils entgegen dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführten Vorbringen, wie die nachstehende Prüfung der zur Stützung der vorliegenden Klage verbleibenden Klagegründe zeigt, nicht dazu, dass die Klägerin an der sachlichen Diskussion und das Gericht an der Prüfung der Rechtmäßigkeit des restlichen angefochtenen Beschlusses gehindert werden.

225    Der erste Teil von Art. 4 des angefochtenen Beschlusses braucht nicht für nichtig erklärt zu werden, da den beschuldigten Transportunternehmen darin lediglich aufgegeben wird, die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zu beenden, „soweit dies noch nicht geschehen ist“.

226    Soweit die Klägerin vorträgt, die Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 1 Buchst. h und Abs. 4 Buchst. h des angefochtenen Beschlusses müsse im Stadium der Berechnung der Geldbuße berücksichtigt werden, soll ihre Argumentation im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Änderung des Betrags der Geldbuße geprüft werden.

b)      Erster Teil: Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem und gegen Art. 266 AEUV

227    Die Klägerin macht zunächst geltend, die Kommission habe dadurch gegen den in Art. 50 der Charta niedergelegten Grundsatz ne bis in idem und gegen Art. 266 AEUV verstoßen, dass sie sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf den EWR-internen Strecken zwischen dem 7. Dezember 1999 und dem 14. Februar 2006 sowie auf den Strecken Union-Schweiz zwischen dem 1. Juni 2002 und dem 14. Februar 2006 zur Verantwortung gezogen habe, obwohl sie im Beschluss vom 9. November 2010 von jeglicher Haftung auf diesen Strecken entbunden und nur auf den Strecken Union-Drittländer zwischen dem 1. Mai 2004 und dem 14. Februar 2006 sowie auf den Strecken EWR (ohne Union)-Drittländer zwischen dem 19. Mai 2005 und dem 14. Februar 2006 für die einheitliche Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen worden sei.

228    Außerdem habe die Kommission gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, als sie den angefochtenen Beschluss nicht an Qantas gerichtet habe, weil diese den Beschluss vom 9. November 2010 nicht angefochten habe, während die Klägerin, die den Beschluss vom 9. November 2010, soweit sie darin für die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz freigestellt werde, nicht angefochten habe, jetzt für diese Strecken zur Verantwortung gezogen werde.

229    In ihrer Erwiderung fügt die Klägerin hinzu, dass die Kommission, indem sie es unterlassen habe, eine erneute mündliche Anhörung zu veranstalten und eine neue Mitteilung der Beschwerdepunkte zu erlassen, bevor sie den Tenor des Beschlusses vom 9. November 2010 entscheidend geändert und damit die Verantwortung der Klägerin für die EWR-internen Strecken zwischen dem 7. Dezember 1999 und dem 14. Februar 2006 sowie für die Strecken Union-Schweiz zwischen dem 1. Juni 2002 und dem 14. Februar 2006 festgestellt habe, eine Rechtsverletzung begangen habe, die für sich allein die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses rechtfertige.

230    Die Kommission tritt der Argumentation der Klägerin entgegen.

231    Mit den verschiedenen im Rahmen des vorliegenden Teils erhobenen Rügen wirft die Klägerin der Kommission im Wesentlichen vor, sie rechtswidrig für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz betrifft, zur Verantwortung gezogen zu haben. Mit der Stattgabe des zweiten Teils des ersten Klagegrundes und der entsprechenden Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 1 Buchst. h und Abs. 4 Buchst. h des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht die Prüfung des vorliegenden Teils jedoch überflüssig gemacht.

4.      Zweiter Klagegrund eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot und dritter Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens sowie einer Verletzung der Begründungspflicht im Zusammenhang mit der Zurechnung der Verantwortlichkeit für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf den EWR-internen Strecken und den Strecken Union-Schweiz für den Zeitraum vor dem 1. Mai 2004 an die Klägerin einerseits und der Bestimmung des Beginns ihrer Beteiligung an dieser Zuwiderhandlung andererseits

232    Im Rahmen des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe dadurch gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, dass sie sie für eine Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen habe, deren Umfang größer und deren Dauer länger seien als Umfang und Dauer der Zuwiderhandlungen, für die Qantas im Beschluss vom 9. November 2010 haftbar gemacht worden sei.

233    Die Klägerin trägt vor, dass sie sich in der gleichen Lage wie Qantas befinde, da auch sie die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz nicht bediene. Außerdem habe sie wie Qantas nie die Teile des Beschlusses vom 9. November 2010 angefochten, die die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz beträfen, für die sie nach dem angefochtenen Beschluss nunmehr aber zur Verantwortung gezogen werde.

234    Im Rahmen des dritten Klagegrundes wirft die Klägerin der Kommission vor, die Begründungspflicht verletzt sowie gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen zu haben, als sie sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf den EWR-internen Strecken und den Strecken Union-Schweiz für den Zeitraum vor dem 1. Mai 2004 zur Verantwortung gezogen hat. Sie weist darauf hin, dass die Kommission Art. 101 AEUV vor dem 1. Mai 2004 nur auf Strecken zwischen Flughäfen innerhalb der Union habe anwenden können und dieser Artikel auf die Strecken Union-Drittländer somit keine Anwendung finde. Vor dem 19. Mai 2005 gelte Gleiches für Art. 53 des EWR-Abkommens, den die Kommission seinerzeit nicht auf den Luftverkehr auf den Strecken EWR (ohne Union)-Drittländer habe anwenden können. Die Klägerin leitet daraus ab, dass ihre Beteiligung an Kontakten mit anderen Transportunternehmen betreffend die Strecken Union-Japan vor dem 1. Mai 2004 rechtmäßig war. Da diese Kontakte nicht in die Zuständigkeit der Kommission fielen und somit rechtmäßig seien, hätten sie sich per Definition nicht in die „gemeinsame rechtswidrige Unternehmung“ einfügen können, auf die die Kommission im 865. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses verwiesen habe. Es könne somit nicht davon ausgegangen werden, dass sie mit ihrer Teilnahme an den Kontakten zur einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beigetragen habe.

235    Die Kommission tritt der Argumentation der Klägerin entgegen.

236    Festzustellen ist, dass die Klägerin der Kommission mit ihrem zweiten Klagegrund im Wesentlichen vorwirft, gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen zu haben, als sie sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz betrifft, zur Verantwortung gezogen hat, während Qantas keine Zuwiderhandlung auf diesen Strecken zur Last gelegt worden ist. Desgleichen wirft die Klägerin der Kommission mit dem dritten Klagegrund im Wesentlichen vor, gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen zu haben, als sie sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie sich auf dieselben Strecken bezieht, zur Verantwortung gezogen hat.

237    Das Gericht hat jedoch dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes stattgegeben und dementsprechend Art. 1 Abs. 1 Buchst. h und Abs. 4 Buchst. h des angefochtenen Beschlusses, in deren Rahmen die Kommission die Klägerin für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz betraf, zur Verantwortung gezogen hatte, bereits für nichtig erklärt. Die Prüfung des zweiten und des dritten Klagegrundes ist somit überflüssig geworden.

5.      Vierter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens im Zusammenhang mit der Tatsache, dass die Klägerin für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf Strecken zur Verantwortung gezogen worden ist, auf denen sie keine tatsächliche oder potenzielle Wettbewerberin war

238    Die Klägerin führt aus, dass die Kommission gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen habe, als sie sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf Strecken zur Verantwortung gezogen habe, die sie nicht bediene und nach den geltenden internationalen Luftverkehrsabkommen (im Folgenden: LVA) nicht rechtmäßig hätte bedienen können. Die Klägerin macht drei Argumente zur Stützung dieser Auffassung geltend.

239    Als Erstes trägt die Klägerin vor, die Anwendung von Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens setze das Bestehen eines tatsächlichen oder zumindest potenziellen Wettbewerbs zwischen den betreffenden Unternehmen voraus. Sie weist darauf hin, dass sie aus rechtlichen Gründen mit Ausnahme der Strecken EWR-Japan keine Frachtdienste auf den in Art. 1 des angefochtenen Beschlusses genannten Strecken erbringen könne.

240    Die Klägerin fügt hinzu, dass sie selbst dann keinen tatsächlichen Wettbewerb auf den in Art. 1 des angefochtenen Beschlusses genannten anderen Strecken als den Strecken EWR-Japan hätte ausüben können, wenn es ihr möglich gewesen wäre, mit Transportunternehmen Vereinbarungen wie die im 890. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses in Bezug genommenen zu schließen, um diese Strecken indirekt zu bedienen.

241    Die von der Kommission im 890. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aufgestellten Behauptungen seien im Übrigen völlig neu und nicht in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten. Die Klägerin leitet daraus ab, dass die Kommission ihr im Zusammenhang mit diesen Behauptungen kein Anhörungsrecht eingeräumt und daher ihre Verteidigungsrechte verletzt hat.

242    Als Zweites macht die Klägerin geltend, die Kommission könne sich nicht auf das Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission (C‑194/14 P, EU:C:2015:717), berufen, um sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf Märkten zur Verantwortung zu ziehen, auf denen sie keine tatsächliche oder potenzielle Wettbewerberin sei.

243    Zum einen habe die Kommission das Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission (C‑194/14 P, EU:C:2015:717), im angefochtenen Beschluss nämlich nicht angeführt; dies vor dem Gericht zu tun, laufe darauf hinaus, die Grundlage, auf der sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen worden sei, rechtswidrig zu ändern.

244    Die Klägerin fügt hinzu, dass der angefochtene Beschluss mit einer widersprüchlichen Begründung behaftet sei, die es ihr unmöglich mache, zu verstehen, aus welchen Gründen sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie sich auf andere Strecken als die Strecken EWR-Japan beziehe, zur Verantwortung gezogen werde. Die Kommission habe ihr die Verantwortung für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf diesen Strecken nämlich aus zwei Gründen zugewiesen, die sich gegenseitig ausschlössen: Der eine setzte die – zumindest potenzielle – Präsenz der Klägerin auf dem betroffenen Markt voraus, während der andere ihre Abwesenheit auf ebendiesem Markt voraussetze.

245    Zum anderen sei der Anwendungsbereich des Urteils vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission (C‑194/14 P, EU:C:2015:717), auf Fälle beschränkt, in denen das betreffende Unternehmen aktiv zu einer Wettbewerbsbeschränkung beigetragen und eine zentrale Rolle bei der untersuchten Zuwiderhandlung gespielt habe. Die Klägerin habe aber weder einen aktiven Beitrag zur einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung geleistet noch eine zentrale Rolle bei dieser gespielt.

246    Als Drittes macht die Klägerin geltend, sie könne nicht zur Umsetzung einer wettbewerbswidrigen Koordinierung auf anderen Strecken als den Strecken EWR-Japan beitragen, weshalb die von ihr unterhaltenen Kontakte mit beschuldigten Transportunternehmen, die auf diesen anderen Strecken tätig seien, keine Beschränkung des Wettbewerbs innerhalb des EWR hätten bezwecken können. Sie fügt hinzu, dass sie auf den lokalen Märkten nur eine Mitläuferhaltung eingenommen habe und die Höhe der Aufschläge auf lokaler Ebene in Abhängigkeit von den Strecken festsetze, so dass die Kommission im 889. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nicht habe feststellen dürfen, dass die Aufschläge nicht spezifisch für eine Strecke seien.

247    Die Kommission tritt der Argumentation der Klägerin entgegen.

248    Einleitend ist zu beachten, dass die Klägerin der Kommission mit dem vorliegenden Klagegrund im Wesentlichen vorwirft, sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf den EWR-internen Strecken sowie den Strecken Union-Schweiz und EWR-Drittländer, die nicht zu den Strecken EWR-Japan gehören (im Folgenden: Strecken EWR-Drittländer [ohne Japan]), zur Verantwortung gezogen zu haben. Aus ähnlichen wie den oben in den Rn. 231 und 237 angeführten Gründen ist die Prüfung dieses Klagegrundes, soweit er sich auf die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz bezieht, überflüssig geworden. Das Gericht wird den Klagegrund somit nur prüfen, soweit er sich auf die Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) bezieht.

249    Nach dieser Klarstellung ist zur Beantwortung des vorliegenden Klagegrundes in einem ersten Schritt in Erinnerung zu rufen, welche Grundsätze anwendbar sind (siehe unten, Rn. 250 bis 264), in einem zweiten Schritt festzustellen, aus welchen Gründen die Kommission die Klägerin für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie die Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) betrifft, zur Verantwortung gezogen hat (siehe unten, Rn. 265 bis 277), und in einem dritten Schritt die Stichhaltigkeit dieser Gründe zu prüfen (siehe unten, Rn. 278 bis 284).

a)      Zu den anwendbaren Grundsätzen

250    Es sei darauf hingewiesen, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV, wie oben aus Rn. 100 hervorgeht, alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen verbietet, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken.

251    Danach fällt das Verhalten von Unternehmen nur dann unter das generelle Verbot von Art. 101 Abs. 1 AEUV, wenn eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, ein Beschluss einer Unternehmensvereinigung oder eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise, also eine Absprache, vorliegt und diese den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts spürbar einschränkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2012, Expedia, C‑226/11, EU:C:2012:795, Rn. 16 und 17).

252    Bei Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Unternehmen auf derselben Ebene der Produktions- oder Vertriebskette muss, wie die Klägerin bemerkt, eine solche Absprache somit zwischen Unternehmen erfolgen, die – wenn schon nicht tatsächlich, so doch zumindest potenziell – miteinander im Wettbewerb stehen.

253    Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV, wie der Gerichtshof in Rn. 34 des Urteils vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission (C‑194/14 P, EU:C:2015:717), entschieden hat, nicht nur Unternehmen betrifft, die auf dem von den Wettbewerbsbeschränkungen betroffenen Markt tätig sind. Sein Anwendungsbereich beschränkt sich auch nicht auf Unternehmen, die auf den diesem Markt vorgelagerten, nachgelagerten oder benachbarten Märkten tätig sind, oder solche, die ihre Selbständigkeit im Verhalten auf einem bestimmten Markt aufgrund einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise beschränken.

254    Der Wortlaut von Art. 101 Abs. 1 AEUV bezieht sich nämlich allgemein auf alle Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, die – sei es in horizontalen oder vertikalen Beziehungen – den Wettbewerb im Binnenmarkt verfälschen, unabhängig davon, auf welchem Markt die Parteien tätig sind, und unabhängig davon, dass nur das Geschäftsverhalten einer der Parteien durch die Bedingungen der in Rede stehenden Vereinbarungen betroffen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 35).

255    Daraus ergibt sich, dass ein Unternehmen gegen das in Art. 101 Abs. 1 AEUV vorgesehene grundsätzliche Verbot verstoßen kann, wenn sein Verhalten, so wie es mit dem anderer Unternehmen koordiniert ist, bezweckt, den Wettbewerb auf einem Markt einzuschränken, auf dem es weder ein tatsächlicher noch ein potenzieller Wettbewerber ist.

256    Diese Erwägungen gelten entsprechend für Art. 53 des EWR-Abkommens.

257    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin lässt sich aus Rn. 37 des Urteils vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission (C‑194/14 P, EU:C:2015:717), nicht ableiten, dass der Anwendungsbereich dieses Urteils auf Fälle beschränkt ist, in denen das betreffende Unternehmen bei dem in Rede stehenden Kartell eine „zentrale Rolle“ gespielt hat. In jenem Urteil hat sich der Gerichtshof nämlich davor gehütet, den zentralen Charakter der Rolle des betreffenden Unternehmens in den Rang einer Voraussetzung für die Auslösung seiner Haftung zu erheben. Er hat in den Rn. 37 bis 39 des besagten Urteils lediglich eine Tatsachenfeststellung übernommen, die das Gericht im ersten Rechtszug getroffen hatte, um auf das Argument zu antworten, wonach das Tätigwerden der Klägerin in der Rechtssache, in der das Urteil ergangen ist, in rein nebensächlichen Dienstleistungen bestehe, die nichts mit den von den Herstellern eingegangenen Verpflichtungen und den sich daraus ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen zu tun hätten.

258    Der Gerichtshof begründete dies u. a. mit der Rechtsprechung zum Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung (Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 30). Nach dieser Rechtsprechung kann sich ein Verstoß gegen das in Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens vorgesehene grundsätzliche Verbot nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben, selbst wenn ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannten Vorschriften darstellen könnten. Somit ist, wenn sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts oder des EWR-Gebiets in einen „Gesamtplan“ einfügen, die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

259    Ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die den Begriff von auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV oder Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens erfüllten und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollten, an einer solchen einheitlichen und komplexen Zuwiderhandlung beteiligt hat, kann daher für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich sein, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten. Dies ist dann der Fall, wenn das Unternehmen nachweislich durch sein eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten rechtswidrigen Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

260    Es ist somit möglich, dass sich ein Unternehmen an dem gesamten wettbewerbswidrigen Verhalten, das die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bildet, unmittelbar beteiligt hat; dann ist die Kommission berechtigt, es für dieses gesamte Verhalten und damit für die Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit zur Verantwortung zu ziehen. Es ist auch möglich, dass sich ein Unternehmen nur an einem Teil des wettbewerbswidrigen Verhaltens, das die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bildet, unmittelbar beteiligt hat, aber von dem gesamten übrigen rechtswidrigen Verhalten, das die anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen Ziele beabsichtigten oder an den Tag legten, wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen. In einem solchen Fall ist die Kommission ebenfalls berechtigt, dieses Unternehmen für das gesamte wettbewerbswidrige Verhalten, das eine solche Zuwiderhandlung bildet, und damit für diese Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit zur Verantwortung zu ziehen (Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 43).

261    Daraus ergibt sich, dass für den Nachweis der Beteiligung an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, nämlich das Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, der vorsätzliche Beitrag des betreffenden Unternehmens zu diesem Plan und die (bewiesene oder vermutete) Kenntnis des Unternehmens von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer, an dem es sich nicht unmittelbar beteiligt hat (Urteil vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission, T‑211/08, EU:T:2011:289, Rn. 35; vgl. auch Urteil vom 13. Juli 2018, Stührk Delikatessen Import/Kommission, T‑58/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:474, Rn. 118 und die dort angeführte Rechtsprechung).

262    Sogar ein untergeordneter, nebensächlicher oder passiver Beitrag eines Unternehmens zur Durchführung eines Kartells genügt, um es für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen zur Verantwortung zu ziehen, die von anderen Unternehmen in Verfolgung desselben wettbewerbswidrigen Ziels an den Tag gelegt werden oder beabsichtigt sind und von denen es tatsächlich oder vermutlich weiß (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission, T‑99/04, EU:T:2008:256, Rn. 133 und 134, sowie vom 8. September 2010, Deltafina/Kommission, T‑29/05, EU:T:2010:355, Rn. 55 und 56).

263    Das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den betreffenden Unternehmen ist hingegen weder eine Voraussetzung für die Qualifizierung wettbewerbswidriger Verhaltensweisen als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung noch für die Zurechnung der Verantwortlichkeit dafür. Die gegenteilige Auslegung nähme dem Begriff „einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung“ teilweise seinen Sinn, da sie diese Unternehmen von jeder mittelbaren Verantwortlichkeit für Handlungen von Unternehmen befreien würde, die nicht mit ihnen im Wettbewerb stehen, durch ihr Verhalten jedoch zur Erfüllung des Gesamtplans beitragen, der die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung ausmacht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Januar 2017, Duravit u. a./Kommission, C‑609/13 P, EU:C:2017:46, Rn. 124, 137 und 138).

264    Folglich war die Kommission im vorliegenden Fall berechtigt, die Klägerin für Bestandteile der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zur Verantwortung zu ziehen, deren Zweck darin bestand, den Wettbewerb auf Strecken einzuschränken, die sie nicht bedienen konnte, sofern die Klägerin nachweislich durch ihr eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen beschuldigten Transportunternehmen verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von diesen Unternehmen in Verfolgung derselben Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten rechtswidrigen Verhalten, an dem sie nicht unmittelbar beteiligt war, wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen.

b)      Zu den Gründen, aus denen die Kommission die Klägerin für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie sich auf die Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) bezieht, zur Verantwortung gezogen hat

265    In den Erwägungsgründen 862 bis 868 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission die Rechtsprechung zum Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung dargelegt. Insbesondere hat sie in den Erwägungsgründen 865 bis 868 dieses Beschlusses darauf hingewiesen, dass ein Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen für eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung als Ganzes zur Verantwortung gezogen werden könne, selbst wenn es sich nicht unmittelbar an „all [ihren] Bestandteilen“ beteiligt habe. Im 895. Erwägungsgrund des genannten Beschlusses hat die Kommission diesen Grundsatz in Beantwortung eines Arguments von British Airways und Air Canada, die vortrugen, sie seien über das Vorliegen einer „breiter angelegten Verschwörung“ nicht auf dem Laufenden gewesen, erneut bekräftigt.

266    In den Erwägungsgründen 869 bis 902 und in Art. 1 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung festgestellt, die sämtliche streitigen Kontakte – unabhängig davon, ob sie innerhalb des EWR stattgefunden hätten oder nicht – und sämtliche betroffenen Strecken – gleichviel, ob eingehend, ausgehend oder EWR-intern – umfasse. Sie ist im 879. Erwägungsgrund dieses Beschlusses u. a. zu dem Ergebnis gekommen, dass die streitigen Kontakte auf „die Verwirklichung des von den Verantwortlichen im Rahmen eines Gesamtplans verfolgten einheitlichen Ziels“ ausgerichtet seien.

267    Im 878. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission bemerkt, dass alle beschuldigten Transportunternehmen „am Austausch von Informationen über den Treibstoffaufschlag und dessen Koordinierung beteiligt gewesen [seien] und mehrere von ihnen auch in Bezug auf den Sicherheitsaufschlag und die [Verweigerung der] Zahlung von Provisionen“. Im 881. Erwägungsgrund dieses Beschlusses hat sie hinzugefügt, dass die „Mehrheit der Betroffenen“, darunter die Klägerin, an den drei Bestandteilen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei (vgl. auch 761. Erwägungsgrund). Wie sich aus den Erwägungsgründen 882 und 883 des erwähnten Beschlusses ergibt, wollte die Kommission damit feststellen, dass sich die Klägerin an jedem dieser Bestandteile und nicht nur an einigen von ihnen unmittelbar beteiligt hatte, aber von sämtlichen anderen rechtswidrigen Verhaltensweisen, die die übrigen beschuldigten Transportunternehmen in Verfolgung des einheitlichen wettbewerbswidrigen Ziels beabsichtigt oder an den Tag gelegt hatten, wusste oder sie vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen.

268    Wie jedoch aus den Antworten der Kommission auf das Vorbringen von Air Canada und British Airways in den Erwägungsgründen 894 bis 897 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, bedeutet das nicht, dass sie die Auffassung vertreten hat, die Klägerin habe sich unmittelbar an sämtlichen wettbewerbswidrigen Handlungen beteiligt, die unter diese Bestandteile fielen.

269    Die Kommission hat die Klägerin daher deshalb für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, auch soweit sie die Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) betraf, zur Verantwortung gezogen, weil die Klägerin unabhängig von ihrer Eigenschaft als potenzielle Wettbewerberin auf diesen Strecken zum Gesamtplan beitragen wollte, mit dem das in den Erwägungsgründen 872 bis 876 des angefochtenen Beschlusses beschriebene gemeinsame wettbewerbswidrige Ziel verfolgt wurde, und (nachweislich oder vermutlich) von den rechtswidrigen Verhaltensweisen der übrigen beschuldigten Transportunternehmen wusste, an denen sie sich nicht unmittelbar beteiligt hat.

1)      Zur angeblich widersprüchlichen Begründung

270    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin lässt sich aus dem angefochtenen Beschluss nicht ableiten, dass die Kommission sie aufgrund ihrer Eigenschaft als potenzielle Wettbewerberin auf den Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) gleichzeitig für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie diese Strecken betraf, zur Verantwortung ziehen wollte und sich damit widersprochen hat.

271    Als Erstes lässt sich dem 890. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nicht entnehmen, dass sich die Kommission auf die etwaige Eigenschaft der Klägerin als potenzielle Wettbewerberin auf den Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) gestützt hat, um die Verantwortlichkeit der Klägerin in Bezug auf diese Strecken festzustellen. Der besagte Erwägungsgrund ist der einzige, in dem die Kommission im Wesentlichen auf das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs zwischen den beschuldigten Transportunternehmen auf den Strecken verwiesen hat, die sie weder bedienten noch unmittelbar bedienen konnten. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin geht sowohl aus dem Wortlaut des Erwägungsgrundes als auch aus seinem Ziel und dem Kontext, in den er sich einfügt, hervor, dass er nicht die Verantwortlichkeit der verschiedenen beschuldigten Transportunternehmen für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, sondern deren Vorliegen betrifft, das die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes nicht bestreitet. Er nimmt nämlich ausdrücklich auf das „Vorliegen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung“ Bezug. Die Erwägungsgründe 112 und 885 bis 887 des angefochtenen Beschlusses zeigen wiederum, dass es für die Kommission darum ging, nachzuweisen, dass die Kontakte in Drittländern und die Kontakte betreffend Strecken, die die beschuldigten Transportunternehmen weder bedienten noch unmittelbar bedienen konnten, für die Feststellung des Vorliegens der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung oder des „weltweiten Kartells“ relevant waren.

272    Als Zweites wird auch mit den Bezugnahmen im angefochtenen Beschluss auf eine „Wettbewerbsbeschränkung“ (Erwägungsgründe 1028 und 1277), den „Austausch von Informationen zwischen Wettbewerbern“ (908. Erwägungsgrund), „Absprachen zwischen Wettbewerbern, mit denen ihr Verhalten koordiniert werden soll, um die auf dem Markt bestehende Unsicherheit betreffend die Preisgestaltung zu beseitigen“ (909. Erwägungsgrund), und „Kontakte zwischen Wettbewerbern“ (920. Erwägungsgrund) nicht unterstellt, dass sich die Kommission auf die etwaige Eigenschaft der Klägerin als potenzielle Wettbewerberin auf den Strecken EWR-Drittstaaten (ohne Japan) gestützt hat, um die Klägerin für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie diese Strecken betraf, zur Verantwortung zu ziehen. Die besagten Bezugnahmen beschränken sich nämlich auf einen Verweis auf das Bestehen von Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Unternehmen, die auf einem oder mehreren Märkten miteinander im Wettbewerb stehen; andernfalls hätte die Kommission das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung nicht feststellen können (siehe oben, Rn. 252).

273    Die Klägerin kann sich somit nicht mit Erfolg auf Widersprüche in den Gründen berufen, aus denen die Kommission sie für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie sich auf die Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) bezog, zur Verantwortung gezogen hat.

2)      Zur angeblichen Neuartigkeit der Grundlage, die geltend gemacht worden ist, um die Klägerin für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie sich auf die Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) bezieht, zur Verantwortung zu ziehen

274    Die Klägerin kann der Kommission auch nicht mit Erfolg vorwerfen, die angeblich unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses im Stadium des Gerichtsverfahrens durch einen Verweis in der Klagebeantwortung auf eine Entscheidung heilen zu wollen, die sie im angefochtenen Beschluss nicht angeführt und erst recht nicht geltend gemacht habe, nämlich das Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission (C‑194/14 P, EU:C:2015:717). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ändert der Verweis auf dieses Urteil die „im [angefochtenen] Beschluss geltend gemachte Haftungsgrundlage“ nämlich keineswegs. Wie oben aus den Rn. 253 bis 263 hervorgeht, wird eine neue Grundlage, auf die sich die Kommission stützen könnte, um ein Unternehmen für einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln zur Verantwortung zu ziehen, in jenem Urteil weder anerkannt noch geschaffen. Das Urteil beschränkt sich darauf, die Bedeutung und Tragweite von Art. 101 AEUV (und entsprechend von Art. 53 des EWR-Abkommens), so wie diese Artikel seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen sind oder gewesen wären, zu erläutern und zu verdeutlichen und die Artikel auf einen konkreten Fall – hier den eines unterstützenden Unternehmens – anzuwenden.

275    Wie oben aus den Rn. 250 bis 269 hervorgeht, sind die Rechtsgrundlagen, auf die sich die Kommission im angefochtenen Beschluss gestützt hat, um die Klägerin für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf den Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) zur Verantwortung zu ziehen, Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens sowie der sich daraus ergebende Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung.

276    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin werden in der Mitteilung der Beschwerdepunkte im Übrigen dieselben Grundlagen geltend gemacht. Sowohl in dieser Mitteilung als auch im angefochtenen Beschluss hat sich die Kommission nämlich gerade auf die genannten Grundlagen gestützt. So hat sie in Rn. 3 der besagten Mitteilung zunächst darauf hingewiesen, dass die betreffenden Unternehmen „an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung … gegen Art. [101 Abs. 1 AEUV], Art. 53 [Abs. 1 des EWR-Abkommens] und Art. 8 des Abkommens [EG–Schweiz über den Luftverkehr] teilgenommen … [hätten], mit der sie ihr Verhalten bei der Festsetzung von Preisen für die weltweite Erbringung von [Fracht]-Diensten in Bezug auf verschiedene Aufschläge, die Frachttarife und die Verweigerung der Zahlung einer Provision auf die Aufschläge koordiniert [hätten]“. Sodann hat sie im 129. Erwägungsgrund derselben Mitteilung ausgeführt, dass sich die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf „Frachtdienste … in der [Union]/im EWR und in der Schweiz sowie auf Strecken in beide Richtungen zwischen den Flughäfen der [Union]/des EWR und Drittländern in der ganzen Welt erstreck[e]“. Schließlich hat sie in den Rn. 1412 bis 1432 der fraglichen Mitteilung die Rechtsprechung zum Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung dargelegt und erläutert, wie sie diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Sachverhalt anwenden wollte.

277    Da das Vorliegen eines Gesamtplans nicht bestritten wird, ist unter diesen Umständen entsprechend den Ausführungen oben in Rn. 261 festzustellen, ob die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten hat, dass die Klägerin unabhängig von ihrer Eigenschaft als tatsächliche oder potenzielle Wettbewerberin auf den Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf diesen Strecken zur Verantwortung gezogen werden konnte, da sie durch ihr eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen beschuldigten Transportunternehmen verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von diesen Unternehmen auf den besagten Strecken in Verfolgung derselben Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten rechtswidrigen Verhalten, an dem sie nicht unmittelbar beteiligt war, wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen.

c)      Zur Stichhaltigkeit der Gründe, aus denen die Kommission die Klägerin für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie die Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) betrifft, zur Verantwortung gezogen hat

278    In den Erwägungsgründen 762 bis 764 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission die „zahlreichen Kontakte“ beschrieben, die die Klägerin während des gesamten Zeitraums ihrer Beteiligung an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung mit Wettbewerbern zwecks „Koordinierung der Preise im Frachtsektor“ unterhalten hatte. Aus diesen Erwägungsgründen geht hervor, dass die Klägerin an der Abstimmung über die Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) beteiligt gewesen ist. Festzustellen ist nämlich, dass mehrere Kontakte, an denen die Klägerin teilgenommen hat, zumindest teilweise solche Strecken betrafen.

279    So sind – was den Treibstoffaufschlag angeht – neben den im angefochtenen Beschluss festgestellten Gesichtspunkten das „freundschaftliche Treffen“, das am 22. Januar 2001 in den Geschäftsräumen von Lufthansa in Deutschland stattgefunden hat (174. Erwägungsgrund), mehrere E‑Mail-Austäusche innerhalb des Air Cargo Council Switzerland (Schweizerischer Luftfrachtrat, im Folgenden: ACCS) (Erwägungsgründe 203, 204, 286, 364, 426, 502, 535, 561 und 574), Erörterungen innerhalb der WOW-Allianz (517. Erwägungsgrund) oder aber Sitzungen des Frachtenunterausschusses des BAR in Hong Kong (Erwägungsgründe 394 und 503) und in Singapur (295. Erwägungsgrund) zu erwähnen. Hinsichtlich des Sicherheitsaufschlags ist in diesem Beschluss u. a. auf die „WOW-Sitzung für Europa“ (630. Erwägungsgrund) und die Sitzung des Frachtenunterausschusses des BAR in Hong Kong vom 15. März 2004 zu verweisen, in dessen Rahmen „vereinbart [worden ist], dass die Transportunternehmen einen Sicherheitsaufschlag ab Hong Kong erheben“ (665. Erwägungsgrund). Was die Verweigerung der Zahlung von Provisionen betrifft, so wird in demselben Beschluss u. a. auf ein multilaterales Treffen, das am 12. Mai 2005 in Italien stattgefunden hat und auf dem Transportunternehmen, die „mehr als 50 % des Marktes“ ausgemacht haben sollen, darunter die Klägerin, „allesamt [ihren] Willen bestätigt [haben], keine Vergütung für den Treibstoff-/Sicherheitsaufschlag zu akzeptieren“ (695. Erwägungsgrund), oder aber auf eine E‑Mail vom 13. Juni 2005 verwiesen, mit der der Präsident des ACCS seinen Mitgliedern den „im Namen des ACCS erstellten Entwurf einer gemeinsamen Antwort [auf ein Schreiben an den schweizerischen Speditionsverband übermittelt hat], mit dem die Forderungen der [Spediteure] zurückgewiesen werden“ (693. Erwägungsgrund).

280    In Bezug auf die wettbewerbswidrigen Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan), an denen sich die Klägerin nicht unmittelbar beteiligt hat, genügt die Feststellung, dass die Klägerin die erforderliche Kenntnis dieser Tätigkeiten nicht abstreitet.

281    Die Klägerin bestreitet jedoch, dass sie bewusst zur Umsetzung einer wettbewerbswidrigen Koordinierung auf anderen Strecken als den Strecken EWR-Japan beitragen konnte.

282    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass mit der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, wie aus den Erwägungsgründen 872 bis 876 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, das einheitliche wettbewerbswidrige Ziel verfolgt wurde, den Wettbewerb zwischen den beschuldigten Transportunternehmen zumindest innerhalb der Union, des EWR und der Schweiz auf die Aufschläge zu beschränken.

283    Aus dem angefochtenen Beschluss ergibt sich, dass die Klägerin durch ihr eigenes Verhalten zur Verwirklichung dieses Ziels beitragen wollte. Die Klägerin hat nämlich nicht nur zur Fortsetzung der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung ermutigt und ihre Aufdeckung gefährdet, indem sie es unterlassen hat, sich öffentlich vom Inhalt der Kontakte betreffend die Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan), an denen sie teilgenommen hatte, zu distanzieren oder den zuständigen Verwaltungsbehörden diese Kontakte zu melden, sondern durch die Koordinierung der Aufschläge und der Verweigerung der Zahlung von Provisionen auf den Strecken EWR-Japan auch mit sichergestellt, dass die Spediteure die Zahlung von Provisionen auf den Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) nicht umgehen konnten, indem sie alternative Routen – insbesondere über Japan – wählten, und in der Folge zur Verwirklichung des in den Erwägungsgründen 872 bis 876 des angefochtenen Beschlusses ermittelten gemeinsamen wettbewerbswidrigen Ziels beigetragen (siehe oben, Rn. 159).

284    Folglich hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie die Klägerin unabhängig von deren etwaiger Eigenschaft als potenzielle Wettbewerberin auf den Strecken EWR-Drittländer (ohne Japan) für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie sich auf diese Strecken bezog, zur Verantwortung gezogen hat. Der vorliegende Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

6.      Sechster Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte sowie Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aufgrund der Anwendung unterschiedlicher Beweisanforderungen auf verschiedene Transportunternehmen

285    Die Klägerin wirft der Kommission vor, durch die Anwendung unterschiedlicher Beweisanforderungen auf verschiedene Transportunternehmen die Begründungspflicht verletzt sowie gegen das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen zu haben. Erstens habe die Kommission ihre Entscheidung, sie und nicht andere nicht beschuldigte Transportunternehmen zur Verantwortung zu ziehen, denen gegenüber sie über ähnliche Beweise verfüge, wie sie ihr gegenüber herangezogen worden seien, nicht angemessen begründet.

286    Zweitens habe die Kommission gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, als sie festgestellt habe, dass das Verhalten eines Unternehmens eine Zuwiderhandlung darstelle, gleichzeitig aber entschieden habe, dass das sehr ähnliche Verhalten eines anderen Unternehmens keine Zuwiderhandlung darstelle, womit sie zwei unterschiedliche Beweisgrade auf die beiden betreffenden Unternehmen angewandt habe.

287    Drittens habe die Kommission, so die Klägerin, dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, dass sie ihr für eine als schwerwiegend eingestufte Zuwiderhandlung eine Geldbuße auferlegt, gleichzeitig aber beschlossen habe, das ähnliche Verhalten anderer Transportunternehmen nicht zu ahnden. Der angewandte Schwerekoeffizient von 16 % sei unverhältnismäßig, da die in Rede stehende Zuwiderhandlung nach Auffassung der Kommission nicht hinreichend schwerwiegend war, um Maßnahmen gegenüber bestimmten nicht beschuldigten Transportunternehmen zu rechtfertigen.

288    Die Kommission tritt der Argumentation der Klägerin entgegen.

289    Zunächst ist zu bemerken, dass – selbst wenn unterstellt wird, dass die Kommission eine Rechtsverletzung begangen hat, als sie bestimmte nicht beschuldigte Transportunternehmen nicht zur Verantwortung gezogen hat – eine solche Rechtsverletzung, mit der das Gericht im Rahmen der vorliegenden Klage nicht befasst ist, das Gericht keinesfalls veranlassen kann, eine Diskriminierung und damit eine Rechtsverletzung gegenüber der Klägerin festzustellen, da sich aus der Rechtsprechung ergibt, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, das besagt, dass sich niemand zu seinem Vorteil auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann (Urteil vom 17. September 2015, Total Marketing Services/Kommission, C‑634/13 P, EU:C:2015:614, Rn. 55).

290    Im Übrigen verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts und in Art. 20 der Charta verankert ist, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

291    Der Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung durch eine unterschiedliche Behandlung setzt somit voraus, dass die betreffenden Sachverhalte in Anbetracht aller sie kennzeichnenden Merkmale vergleichbar sind. Die Merkmale unterschiedlicher Sachverhalte und somit deren Vergleichbarkeit sind u. a. im Licht des Ziels und des Zwecks der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen (vgl. Urteil vom 20. Mai 2015, Timab Industries und CFPR/Kommission, T‑456/10, EU:T:2015:296, Rn. 202 und die dort angeführte Rechtsprechung).

292    Im vorliegenden Fall macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, als sie sie mit einer Sanktion belegt, gleichzeitig aber davon abgesehen habe, bestimmte nicht beschuldigte Transportunternehmen zur Verantwortung zu ziehen und dementsprechend mit einer Sanktion zu belegen.

293    Die Klägerin weist jedoch in keiner Weise nach, dass sich diese Transportunternehmen in einer Lage befanden, die mit der ihrigen vergleichbar war. Sie führt zwar aus, dass das Verhalten der Transportunternehmen ähnlich gewesen sei, tut aber nicht dar, dass das Indizienbündel, über das die Kommission gegenüber den in Rede stehenden Transportunternehmen verfügte, dem ähnlich war, über das sie ihr gegenüber verfügte.

294    Die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung ist somit zurückzuweisen.

295    Zur angeblichen Verletzung der Begründungspflicht und der Verteidigungsrechte ist zu sagen, dass die Kommission in einem Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird, nicht darzulegen braucht, aus welchen Gründen andere Unternehmen nicht verfolgt oder mit einer Sanktion belegt wurden. Die Pflicht zur Begründung eines Rechtsakts kann nämlich das Unionsorgan, das ihn erlässt, nicht zur Angabe der Gründe verpflichten, aus denen es nicht gleichartige Rechtsakte gegenüber Dritten erließ (Urteil vom 8. Juli 2004, JFE Engineering/Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, EU:T:2004:221, Rn. 414).

296    Die Rüge eines Begründungsmangels und einer Verletzung der Verteidigungsrechte ist somit zurückzuweisen.

297    In Bezug auf die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt die Bemerkung, dass sie auf der falschen Annahme beruht, dass die Kommission gegenüber der Klägerin und den nicht beschuldigten Transportunternehmen über ein ähnliches Indizienbündel verfügte.

298    In Anbetracht des Vorstehenden ist die dritte von der Klägerin erhobene Rüge und damit der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

7.      Siebter Klagegrund: Verstoß gegen die Leitlinien von 2006 und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

299    Der siebte Klagegrund, mit dem die Klägerin vorträgt, die Kommission habe bei der Festsetzung der Geldbuße gegen die Leitlinien von 2006 und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile. Sie beziehen sich erstens auf die Bestimmung des Werts der Verkäufe und zweitens auf die Festsetzung des Schwerekoeffizienten und des Zusatzbetrags.

a)      Erster Teil: Bestimmung des Werts der Verkäufe

300    Die Klägerin führt aus, die Kommission habe den Wert der Verkäufe anhand des Umsatzes bestimmt, der mit dem Verkauf von Frachtdiensten im Allgemeinen erzielt worden sei, und nicht anhand der spezifischen Einkünfte aus dem Treibstoff- und dem Sicherheitsaufschlag, mit denen die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zusammenhänge. Sie erhebt zwei Rügen, mit denen erstens ein Verstoß gegen Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 und zweitens ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beanstandet werden.

1)      Erste Rüge: Verstoß gegen Ziff. 13 der Leitlinien von 2006

301    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe gegen Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 verstoßen, als sie die Auffassung vertreten habe, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung mit den Tarifen zusammenhänge, und dementsprechend die Einnahmen aus den Tarifen in den Wert der Verkäufe einbezogen habe. Diese Zuwiderhandlung beziehe sich lediglich auf den Treibstoff- und den Sicherheitsaufschlag sowie auf die Verweigerung der Zahlung von Provisionen und nicht auf die Tarife, die „aufgrund unzureichender Beweise“ von ihr ausgenommen worden seien.

302    Die Urteile vom 6. Mai 2009, KME Germany u. a./Kommission (T‑127/04, EU:T:2009:142), sowie vom 19. Mai 2010, KME Germany u. a./Kommission (T‑25/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:206), seien für die Kommission nicht von Nutzen. Diese Urteile beträfen nämlich nicht die Berechnung von Geldbußen nach den Leitlinien von 2006, sondern nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3), die eine ganz andere Berechnungsmethode vorsähen. Darüber hinaus bestünden offenkundige tatsächliche Unterschiede zwischen der vorliegenden Rechtssache und den Rechtssachen, in denen die genannten Urteile ergangen seien. Diese hätten sich nämlich auf die Berücksichtigung von Produktionskosten bei der Festsetzung der Geldbuße bezogen. Tarife seien aber nicht mit Produktionskosten vergleichbar, sondern kämen einem anderen Preisbestandteil gleich, für den die Kommission keine Zuwiderhandlung festgestellt habe. Im Stadium der Erwiderung fügt die Klägerin hinzu, dass der Ausschluss der Tarife vom Wert der Verkäufe keinen „unlösbaren Streit“ verursache, um den es in der Rechtssache gehe, in der das Urteil vom 8. Dezember 2011, KME Germany u. a./Kommission (C‑272/09 P, EU:C:2011:810), ergangen sei.

303    Die Kommission tritt der Argumentation der Klägerin entgegen.

304    Es ist darauf hinzuweisen, dass der Umsatzbegriff im Sinne von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 dem Preis ohne Steuern entspricht, wie er dem Kunden für die Ware oder Dienstleistung, die Gegenstand der fraglichen Zuwiderhandlung gewesen ist, in Rechnung gestellt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Mai 2009, KME Germany u. a./Kommission, T‑127/04, EU:T:2009:142, Rn. 91, sowie vom 18. Juni 2013, ICF/Kommission, T‑406/08, EU:T:2013:322, Rn. 176 und die dort angeführte Rechtsprechung). In Anbetracht des mit dieser Ziffer verfolgten und in Ziff. 6 derselben Leitlinien wiedergegebenen Ziels, bei der Festsetzung der gegen ein Unternehmen verhängten Geldbuße von einem Betrag auszugehen, der die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das Gewicht, das dem Unternehmen dabei zukam, angemessen wiedergibt, ist der Begriff „Wert der verkauften Waren oder Dienstleistungen“ dahin zu verstehen, dass darunter die Umsätze fallen, die auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt erzielt wurden (vgl. Urteil vom 1. Februar 2018, Kühne + Nagel International u. a./Kommission, C‑261/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:56, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

305    Bei der Bestimmung des Werts der Verkäufe kann die Kommission somit auf den Gesamtpreis abstellen, den das Unternehmen seinen Kunden auf dem Markt der betreffenden Waren oder Dienstleistungen in Rechnung gestellt hat, ohne dass es erforderlich ist, die verschiedenen Elemente dieses Preises in Abhängigkeit davon zu unterscheiden oder abzuziehen, ob sie Gegenstand einer Koordinierung gewesen sind oder nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Februar 2018, Kühne + Nagel International u. a./Kommission, C‑261/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:56, Rn. 66 und 67). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist das selbst dann der Fall, wenn die Tragweite der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten Zuwiderhandlung größer gewesen wäre als in der endgültigen Entscheidung festgestellt, da dieser Umstand für die Zwecke von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 irrelevant ist.

306    Wie die Kommission im Wesentlichen bemerkt, sind der Treibstoff- und der Sicherheitsaufschlag keine gesonderten Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand einer Zuwiderhandlung gegen die Art. 101 oder 102 AEUV sein können. Im Gegenteil: Wie aus den Erwägungsgründen 17, 108 und 1187 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, sind diese Aufschläge nur zwei Elemente des Preises der fraglichen Dienste.

307    Folglich hinderte Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht daran, den Gesamtbetrag der Verkäufe im Zusammenhang mit den fraglichen Diensten zu berücksichtigen, ohne ihn in seine Bestandteile zu zerlegen.

308    Im Übrigen ist zu beachten, dass der von der Klägerin befürwortete Ansatz auf die Auffassung hinausläuft, dass Preiselemente, die nicht speziell Gegenstand einer Koordinierung zwischen den beschuldigten Transportunternehmen gewesen sind, vom Wert der Verkäufe ausgenommen werden müssen.

309    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es keinen stichhaltigen Grund dafür gibt, Ausgangsstoffe, deren Kosten sich der Kontrolle durch die Parteien der behaupteten Zuwiderhandlung entziehen, vom Wert der Verkäufe auszunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Mai 2009, KME Germany u. a./Kommission, T‑127/04, EU:T:2009:142, Rn. 91). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin gilt Gleiches für Preiselemente, die – wie die Tarife – nicht speziell Gegenstand einer Koordinierung gewesen sind, sondern einen integralen Bestandteil des Verkaufspreises für die fragliche Ware oder Dienstleistung darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, EU:T:2000:77, Rn. 5030).

310    Würde anders entschieden, hätte dies zur Folge, dass die Kommission dazu verpflichtet würde, nach Maßgabe eines Schwellenwerts, der schwer anwendbar wäre und Anlass zu endlosem und unlösbarem Streit, einschließlich des Vorwurfs der Ungleichbehandlung, gäbe, in einigen Fällen nicht auf den Bruttoumsatz abzustellen, in anderen hingegen schon (Urteil vom 8. Dezember 2011, KME Germany u. a./Kommission, C‑272/09 P, EU:C:2011:810, Rn. 53).

311    Die Klägerin tritt dem zwar entgegen, trägt aber lediglich vor, es gebe unter den Umständen des vorliegenden Falls keine Anwendungsschwierigkeiten, ohne zu erläutern, inwiefern die Verweigerung der Zahlung von Provisionen berücksichtigt werden soll, oder zu bestreiten, dass Vorwürfe der Ungleichbehandlung erhoben werden könnten.

312    Die Kommission hat somit nicht gegen Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 verstoßen, als sie im 1190. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Gesamtbetrag der Verkäufe im Zusammenhang mit den Frachtdiensten zu berücksichtigen war, ohne in seine Bestandteile zerlegt werden zu müssen.

313    Die vorliegende Rüge ist daher zurückzuweisen.

2)      Zweite Rüge: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

314    Die Klägerin macht geltend, der Ansatz der Kommission verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser Ansatz gebe die wirtschaftliche Bedeutung der fraglichen Zuwiderhandlung nicht angemessen wieder. Während des Geschäftsjahrs 2004/2005 hätten die Einnahmen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Treibstoff- und dem Sicherheitsaufschlag nämlich nur einen „geringen“ Prozentsatz ihrer Gesamteinnahmen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Frachtdiensten auf den Strecken EWR-Drittländer für das besagte Geschäftsjahr ausgemacht (in einer Größenordnung von 12 %).

315    Die Kommission tritt der Argumentation der Klägerin entgegen.

316    Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Handlungen der Organe der Union nicht die Grenzen dessen überschreiten, was für die Erreichung des verfolgten rechtmäßigen Ziels geeignet und erforderlich ist (Urteile vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, EU:C:1990:391, Rn. 13, sowie vom 12. September 2007, Prym und Prym Consumer/Kommission, T‑30/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:267, Rn. 223).

317    Im Rahmen der von der Kommission zur Ahndung von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln eingeleiteten Verfahren verlangt die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, dass die Geldbußen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen – d. h. zur Beachtung dieser Regeln – stehen dürfen und die einem Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbs auferlegte Geldbuße so zu bemessen ist, dass sie bei einer Gesamtwürdigung der Zuwiderhandlung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere und Dauer in angemessenem Verhältnis zu ihr steht (vgl. Urteil vom 29. Februar 2016, Panalpina World Transport [Holding] u. a./Kommission, T‑270/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:109, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

318    Bei der Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln hat die Kommission zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen, die sich je nach der Art und den besonderen Umständen der Zuwiderhandlung im Charakter und in der Bedeutung unterscheiden. Zu diesen Faktoren können je nach Fall die Menge und der Wert der von der Zuwiderhandlung erfassten Waren sowie die Größe und die Wirtschaftskraft des Unternehmens und damit der Einfluss gehören, den es auf den Markt ausüben konnte (Urteil vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, EU:C:2009:505, Rn. 96).

319    Nach der Rechtsprechung ist der Teil des Gesamtumsatzes, der aus dem Verkauf der Waren oder Dienstleistungen stammt, die den Gegenstand der Zuwiderhandlung bilden, am besten geeignet, die wirtschaftliche Bedeutung dieser Zuwiderhandlung wiederzugeben (Urteil vom 29. Februar 2016, Panalpina World Transport [Holding] u. a./Kommission, T‑270/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:109, Rn. 106).

320    Der Wert der Verkäufe weist auch den Vorteil auf, dass er ein objektives Kriterium darstellt, das einfach anzuwenden ist. Er macht daher das Vorgehen der Kommission für die Unternehmen besser vorhersehbar und ermöglicht es ihnen – mit dem Ziel einer allgemeinen Abschreckung –, die Höhe des Betrags einer Geldbuße einzuschätzen, der sie sich aussetzen, wenn sie beschließen, sich an einem rechtswidrigen Kartell zu beteiligen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Februar 2016, Panalpina World Transport [Holding] u. a./Kommission, T‑270/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:109, Rn. 159).

321    In Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 werden diese Grundsätze wie folgt wiedergegeben:

„Die Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit der Dauer stellt eine Formel dar, die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt. Sie vermittelt Aufschluss über die Größenordnung der Geldbuße und sollte nicht als Grundlage für eine automatische arithmetische Berechnungsmethode verstanden werden.“

322    Im 1190. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission gerade festgestellt, dass der Gesamtumsatz aus dem Verkauf von Frachtdiensten und nicht nur einzelne Bestandteile ihres Preises, die speziell Gegenstand einer Koordinierung zwischen den beschuldigten Transportunternehmen gewesen sind, nämlich die Aufschläge, zu berücksichtigen seien.

323    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin lässt sich allein mit dem Umstand, dass die Aufschläge nur einen „geringen“ Prozentsatz ihrer Gesamteinnahmen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Frachtdiensten auf den Strecken EWR-Drittländer für das Geschäftsjahr 2004/2005 ausmachten, nicht nachweisen, dass dieser Ansatz im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung unverhältnismäßig war.

324    Denn bereits der Umstand, dass ein Unternehmen Verkäufe zu Preisen tätigt, deren Bestandteile nicht allesamt festgelegt worden oder Gegenstand illegaler Informationsaustäusche gewesen sind, hat eine Wettbewerbsverzerrung zur Folge, von der der gesamte relevante Markt betroffen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. April 2015, LG Display und LG Display Taiwan/Kommission, C‑227/14 P, EU:C:2015:258, Rn. 62).

325    Zu den Auswirkungen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung auf den EWR-Markt ist zu sagen, dass bei der Bestimmung des Werts der Verkäufe keine Kriterien wie beispielsweise die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt oder der verursachte Schaden berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Februar 2016, UTi Worldwide u. a./Kommission, T‑264/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:112, Rn. 259, und vom 12. Juli 2018, Viscas/Kommission, T‑422/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:446, Rn. 193).

326    Erst im gesonderten und späteren Stadium der Bestimmung des Schwerekoeffizienten, das Gegenstand des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes ist, kann die Kommission ein derartiges Kriterium gegebenenfalls berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Februar 2016, Panalpina World Transport [Holding] u. a./Kommission, T‑270/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:109, Rn. 94).

327    Folglich ist der Ansatz, dem im 1190. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses gefolgt wird und der darin besteht, den Gesamtumsatz aus dem Verkauf von Frachtdiensten zu berücksichtigen, geeignet, zur Verwirklichung des ersten in Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 genannten Ziels beizutragen, das darin besteht, die wirtschaftliche Bedeutung der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung angemessen wiederzugeben. Im Übrigen weist die Klägerin nicht nach, dass dieser Ansatz nicht geeignet war, zur Verwirklichung des zweiten Ziels der besagten Ziffer beizutragen, das darin besteht, das jeweilige Gewicht des einzelnen beschuldigten Transportunternehmens angemessen wiederzugeben.

328    Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, die Kommission habe sie in einer Weise mit einer Sanktion belegt, als wenn sich das streitige Kartell auch auf die Tarife bezogen hätte. Nach der in den Leitlinien von 2006 vorgesehenen allgemeinen Methode wird die Art der Zuwiderhandlung nämlich in einer späteren Phase der Berechnung der Geldbuße bei der Bestimmung des Schwerekoeffizienten berücksichtigt, der nach Ziff. 20 dieser Leitlinien in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände beurteilt wird (Urteil vom 29. Februar 2016, Schenker/Kommission, T‑265/12, EU:T:2016:111, Rn. 296 und 297).

329    Die Kommission hat somit nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, als sie im 1190. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Gesamtbetrag der Verkäufe im Zusammenhang mit den Frachtdiensten zu berücksichtigen war, ohne in seine Bestandteile zerlegt werden zu müssen.

330    Die vorliegende Rüge ist daher zurückzuweisen, ebenso wie der vorliegende Teil insgesamt.

b)      Zweiter Teil: Festsetzung des Schwerekoeffizienten und des Zusatzbetrags

331    Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, als sie den Schwerekoeffizienten auf 16 % festgesetzt und einen Zusatzbetrag von 16 % auf sie angewandt habe, obwohl die Tragweite der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung weniger groß sei, als sie ihr in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgeworfen werde. Sie fügt hinzu, dass sich im angefochtenen Beschluss keinerlei Hinweis darauf finden lasse, wie sich diese – verglichen mit der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zugrunde gelegten Tragweite – erhebliche Einschränkung der Tragweite der Zuwiderhandlung auf die Berechnung der Geldbuße ausgewirkt habe.

332    In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin klargestellt, dass der vorliegende Teil dahin auszulegen sei, dass mit ihm nicht nur ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sondern auch ein Begründungsmangel geltend gemacht werde.

333    Die Kommission tritt der Argumentation der Klägerin entgegen.

334    Nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ist bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße u. a. die Schwere der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

335    Die Ziff. 19 bis 23 der Leitlinien von 2006 sehen Folgendes vor:

„19.      Zur Bestimmung des Grundbetrags wird ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert.

20.      Die Schwere der Zuwiderhandlung wird in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände beurteilt.

21.      Grundsätzlich kann ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden.

22.      Bei der Bestimmung der genauen Höhe innerhalb dieser Bandbreite berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligte[r] Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis.

23.      Horizontale, üblicherweise geheime Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung der Märkte oder Einschränkung der Erzeugung gehören ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen und müssen unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten streng geahndet werden. Für solche Zuwiderhandlungen ist daher grundsätzlich ein Betrag am oberen Ende dieser Bandbreite anzusetzen.“

336    Nach der Rechtsprechung stellt eine horizontale Vereinbarung, in der sich die betreffenden Unternehmen nicht auf den Gesamtpreis, sondern auf ein Element dieses Preises verständigen, eine horizontale Vereinbarung zur Festsetzung von Preisen im Sinne von Ziff. 23 der Leitlinien von 2006 dar und gehört daher zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsbeschränkungen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Februar 2016, UTi Worldwide u. a./Kommission, T‑264/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:112, Rn. 277 und 278).

337    Folglich verdient eine solche Vereinbarung, worauf die Kommission im 1208. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hingewiesen hat, grundsätzlich einen am oberen Ende der in Ziff. 21 der Leitlinien von 2006 genannten Bandbreite von 0 % bis 30 % angesiedelten Schwerekoeffizienten.

338    Nach der Rechtsprechung ist ein Schwerekoeffizient, der erheblich unter der Obergrenze dieser Bandbreite liegt, für ein Unternehmen, das an einer solchen Vereinbarung beteiligt ist, sehr vorteilhaft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 125) und sogar nur in Anbetracht der Art der Zuwiderhandlung zu rechtfertigen (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Philips und Philips France/Kommission, C‑98/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:774, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

339    Im 1199. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission gerade die Ansicht vertreten, dass die „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, auf die sich der … [angefochtene] Beschluss bezieht, … die Festsetzung verschiedener Preiselemente [beträfen]“.

340    In den Erwägungsgründen 1199, 1200 und 1208 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission das streitige Verhalten somit zu Recht als horizontale Vereinbarung oder Absprache zur Festsetzung von Preisen eingestuft, obwohl dieses Verhalten nicht „den vollen Preis für die fraglichen Dienste erfasst“ haben soll.

341    Die Kommission durfte im 1208. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses daher den Schluss ziehen, dass die streitigen Vereinbarungen und Verhaltensweisen zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsbeschränkungen gehörten und somit einen Schwerekoeffizienten „am oberen Ende der Bandbreite“ verdienten.

342    Der erheblich unter der Obergrenze der in Ziff. 21 der Leitlinien von 2006 genannten Bandbreite liegende Schwerekoeffizient von 16 %, den die Kommission im 1212. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zugrunde gelegt hat, könnte mithin nur in Anbetracht der Art der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gerechtfertigt sein.

343    Zu beachten ist jedoch, dass sich die Kommission, wie aus den Erwägungsgründen 1209 bis 1212 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, bei der Festsetzung des Schwerekoeffizienten auf 16 % nicht allein auf die Art der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gestützt hat. So hat sie in diesem Beschluss auf die gemeinsamen Marktanteile der beschuldigten Transportunternehmen weltweit sowie auf den EWR-internen Strecken und den Strecken EWR-Drittländer (1209. Erwägungsgrund), die geografische Reichweite des streitigen Kartells (1210. Erwägungsgrund) sowie die Umsetzung der streitigen Vereinbarungen und Verhaltensweisen (1211. Erwägungsgrund) verwiesen.

344    Allerdings bestreitet die Klägerin nicht, dass die bei der Festsetzung des Schwerekoeffizienten zugrunde gelegten Faktoren begründet sind.

345    Unter diesen Umständen kann die Klägerin nicht geltend machen, ein Schwerekoeffizient von 16 % sei rechtswidrig.

346    Bezüglich des Zusatzbetrags ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 unabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung einen Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes zum Grundbetrag hinzufügt, um die Unternehmen schon von der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten oder Mengeneinschränkungen abzuschrecken. In dieser Ziffer heißt es, dass die Kommission bei der Entscheidung, welcher Anteil am Umsatz zugrunde zu legen ist, mehrere Umstände, u. a. die in Ziff. 22 derselben Leitlinien genannten, berücksichtigt. Dabei handelt es sich um die Umstände, die die Kommission bei der Festsetzung des Schwerekoeffizienten berücksichtigt, nämlich u. a. die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligter Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis.

347    Der Unionsrichter hat daraus abgeleitet, dass, selbst wenn die Kommission keine spezielle Begründung in Bezug auf den im Rahmen des Zusatzbetrags verwendeten Anteil am Umsatz darlegt, der bloße Verweis auf die Analyse der für die Beurteilung der Schwere herangezogenen Umstände insoweit genügt (Urteil vom 15. Juli 2015, SLM und Ori Martin/Kommission, T‑389/10 und T‑419/10, EU:T:2015:513, Rn. 264).

348    Im 1219. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission die Ansicht vertreten, dass der „für den Zusatzbetrag anzuwendende Prozentsatz“ in Anbetracht der „besonderen Umstände des vorliegenden Falls“ und der zur Ermittlung des Schwerekoeffizienten herangezogenen Kriterien „16 % betragen [sollte]“.

349    Das Vorbringen der Klägerin zum Zusatzbetrag überschneidet sich jedoch mit ihrem Vorbringen zum Schwerekoeffizienten, das vom Gericht bereits zurückgewiesen worden ist. Dieses Vorbringen kann somit keinen Erfolg haben.

350    Das Argument, mit dem eine unzureichend begründete Diskrepanz zwischen dem angefochtenen Beschluss und der Mitteilung der Beschwerdepunkte in Bezug auf die Bestimmung des Schwerekoeffizienten und des Zusatzbetrags geltend gemacht wird, ist sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht unbegründet.

351    In rechtlicher Hinsicht genügt die Bemerkung, dass die Kommission nicht verpflichtet ist, eventuelle Unterschiede der abschließenden Beurteilung in der endgültigen Entscheidung gegenüber ihrer vorläufigen Beurteilung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu erläutern (vgl. Urteil vom 27. Februar 2014, InnoLux/Kommission, T‑91/11, EU:T:2014:92, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

352    In tatsächlicher Hinsicht ist festzuhalten, dass die Kommission in den Rn. 1567 bis 1581 der Mitteilung der Beschwerdepunkte darauf hingewiesen hat, dass sie beabsichtige, gegen die betreffenden Transportunternehmen Geldbußen zu verhängen, und die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte definiert hat, die sie dabei berücksichtigen zu müssen glaubte. Da es anderer Gesichtspunkte nach ständiger Rechtsprechung nicht bedurfte (vgl. Urteil vom 19. Mai 2010, Wieland-Werke u. a./Kommission, T‑11/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:201, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung), hat die Kommission in diesen Randnummern hingegen nicht angegeben, auf welchem Teil des Werts der Verkäufe sie den Schwerekoeffizienten und den Zusatzbetrag festsetzen wollte.

353    Folglich weisen die Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtene Beschluss keine Unstimmigkeiten beim Prozentsatz auf, auf den der Schwerekoeffizient und der Zusatzbetrag festgesetzt worden sind.

354    Der vorliegende Teil und damit der siebte Klagegrund insgesamt sind daher zurückzuweisen.

8.      Achter Klagegrund: Verstoß gegen die Leitlinien von 2006 und den Grundsatz des Vertrauensschutzes im Zusammenhang mit der Einbeziehung des Umsatzes aus Verkäufen eingehender Frachtdienste an Kunden mit Sitz außerhalb des EWR in den Wert der Verkäufe

355    Die Klägerin wirft der Kommission vor, durch die Einbeziehung der Einnahmen aus Verkäufen eingehender Frachtdienste an Kunden mit Sitz außerhalb des EWR in den Wert der Verkäufe gegen die Leitlinien von 2006 und den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen zu haben.

356    Nach Auffassung der Klägerin können nur im EWR-Gebiet getätigte Verkäufe in den Wert der Verkäufe einbezogen werden. Außerhalb des EWR getätigte Verkäufe könnten gemäß Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 nur in dem Ausnahmefall berücksichtigt werden, dass „der innerhalb des EWR erzielte Umsatz das Gewicht der einzelnen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung möglicherweise nicht angemessen wieder[gibt]“. Diese außergewöhnlichen Umstände seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt gewesen, und jedenfalls behaupte die Kommission nicht, dass sie es seien.

357    Die Klägerin fügt hinzu, dass der Ansatz der Kommission von der in der Verordnung Nr. 139/2004 verankerten allgemeinen Regel abweiche, wonach der Umsatz dem Ort zuzuordnen sei, an dem sich der Kunde befinde. In Bezug auf die Anwendung dieses Grundsatzes auf den Warentransport macht sie geltend, gemäß der Konsolidierten Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen verhalte es sich „[a]nders … bei der Beförderung von Waren, da der Kunde, an den diese Dienstleistung erbracht wird, nicht reist und die Beförderungsleistung für ihn an seinem Standort erbracht wird“, so dass der „Ort des Kunden … das relevante Kriterium für die Zuordnung des Umsatzes [ist]“.

358    Die Klägerin beruft sich auch auf die Entscheidung der Kommission vom 28. Januar 2009 in der Sache COMP/39.406 – Meeresschläuche, aus der hervorgehe, dass die Methode, der bei der geografischen Zuordnung des Umsatzes nach den Leitlinien von 2006 gefolgt worden sei, im Einklang mit dem in der Konsolidierten Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen definierten Ansatz stehe.

359    Die Klägerin hebt darüber hinaus hervor, dass der Wettbewerb bei eingehenden Frachtdiensten im Drittland stattfinde, um Kunden anzuziehen, die sich in diesem Land befänden und dort Dienstleistungen einkauften. Etwaige Auswirkungen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung auf den Wettbewerb im Bereich eingehender Frachtdienste wären somit in Drittländern zu spüren gewesen.

360    Die Kommission tritt der Argumentation der Klägerin entgegen.

361    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 die Einbeziehung des Umsatzes des betreffenden Unternehmens aus Waren oder Dienstleistungen in den Wert der Verkäufe von der Voraussetzung abhängig macht, dass die fraglichen Verkäufe „im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR [getätigt worden sind und] mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen“.

362    So ist in Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 weder von innerhalb des EWR „ausgehandelten Verkäufen“ noch von dort „in Rechnung gestellten Verkäufen“ die Rede, vielmehr wird lediglich auf „Verkäufe“ im EWR Bezug genommen. Folglich hindert diese Ziffer die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin weder daran, bei Kunden mit Sitz außerhalb des EWR getätigte Verkäufe heranzuziehen, noch schreibt sie vor, Verkäufe zu berücksichtigen, die im EWR ausgehandelt oder in Rechnung gestellt worden sind. Andernfalls bräuchte ein Unternehmen, das sich an einer Zuwiderhandlung beteiligt, seine Verkäufe nur mit den außerhalb des EWR niedergelassenen Tochtergesellschaften seiner Kunden auszuhandeln oder sie ihnen in Rechnung zu stellen, um zu erreichen, dass diese Verkäufe bei der Berechnung des Betrags einer etwaigen Geldbuße unberücksichtigt bleiben, wodurch der Betrag viel niedriger ausfiele (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2017, Samsung SDI und Samsung SDI [Malaysia]/Kommission, C‑615/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:190, Rn. 55).

363    Entgegen dem weiteren Vorbringen der Klägerin ist die Kommission bei der Anwendung von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 auch nicht verpflichtet, Kriterien, die im Bereich der Fusionskontrolle möglicherweise als relevant erachtet worden sind, insbesondere die in der oben in Rn. 357 genannten Mitteilung ermittelten Kriterien, heranzuziehen. Ziel dieser Mitteilung ist es nämlich, Orientierungshilfen für Zuständigkeitsfragen zu geben, die sich im Kontext der Kontrolle von Zusammenschlüssen stellen. Folglich bindet sie die Kommission nicht hinsichtlich der bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen in Kartellsachen anzuwendenden Methode, mit der eigene Zwecke verfolgt werden (Urteil vom 29. Februar 2016, Kühne + Nagel International u. a./Kommission, T‑254/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:113, Rn. 252; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 9. September 2015, Samsung SDI u. a./Kommission, T‑84/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:611, Rn. 206).

364    Bezüglich der Auslegung des Begriffs „Verkäufe innerhalb des EWR“, die die Klägerin u. a. aus der Entscheidung der Kommission in der Sache COMP/39.406 – Meeresschläuche herleiten will, ist darauf hinzuwiesen, dass die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet, da dieser allein in der Verordnung Nr. 1/2003 sowie den Leitlinien von 2006 geregelt ist (vgl. Urteil vom 9. September 2011, Alliance One International/Kommission, T‑25/06, EU:T:2011:442, Rn. 242 und die dort angeführte Rechtsprechung), und dass jedenfalls nicht dargetan wird, dass die tatsächlichen Gegebenheiten, die dieser Sache zugrunde liegen, wie die Märkte, die Erzeugnisse, die Länder, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen waren wie im vorliegenden Fall (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 262 und die dort angeführte Rechtsprechung).

365    Der vorerwähnte Begriff ist im Licht des Ziels von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 auszulegen. Dieses Ziel besteht, wie oben aus den Rn. 304 und 319 bis 321 hervorgeht, darin, bei der Berechnung von Geldbußen einen Betrag als Ausgangspunkt festzulegen, der u. a. die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung auf dem betreffenden Markt wiedergibt, da der Umsatz, der mit den Waren oder Dienstleistungen erzielt wird, auf die sich die Zuwiderhandlung bezieht, ein objektives Kriterium ist, das zutreffend angibt, wie schädlich sie sich auf den normalen Wettbewerb auswirkt (vgl. Urteil vom 28. Juni 2016, Portugal Telecom/Kommission, T‑208/13, EU:T:2016:368, Rn. 236 und die dort angeführte Rechtsprechung).

366    Bei der Feststellung, ob Verkäufe im Sinne von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 „innerhalb des EWR [getätigt]“ worden sind, hat die Kommission daher ein Kriterium heranzuziehen, das die Realität im Markt widerspiegelt, das also am besten geeignet ist, die Folgen des Kartells für den Wettbewerb im EWR zu ermitteln.

367    In den Erwägungsgründen 1186 und 1197 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission darauf hingewiesen, dass sie bei der Berechnung des Werts der Verkäufe den Umsatz aus dem Verkauf von Frachtdiensten auf den EWR-internen Strecken, den Strecken Union-Drittländer, den Strecken Union-Schweiz und den Strecken EWR (ohne Union)-Drittländer berücksichtigt habe. Wie aus dem 1194. Erwägungsgrund dieses Beschlusses hervorgeht, umfassten die Verkäufe im Zusammenhang mit den Strecken Union-Drittländer und EWR (ohne Union)-Drittländer sowohl Verkäufe von Frachtdiensten auf ausgehenden Strecken als auch Verkäufe eingehender Frachtdienste.

368    Im selben Erwägungsgrund hat die Kommission die Einbeziehung des Umsatzes aus dem Verkauf dieser Dienste in den Wert der Verkäufe mit der Notwendigkeit gerechtfertigt, deren „Besonderheiten“ Rechnung zu tragen. So hat sie insbesondere festgestellt, dass sich die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung auf die besagten Dienste beziehe und die „wettbewerbswidrigen Absprachen geeignet [seien], sich negativ auf den Binnenmarkt für [sie] auszuwirken“.

369    Wie sich oben aus den Rn. 77 bis 165 ergibt, war entgegen dem Vorbringen der Klägerin jedoch vorhersehbar, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – auch soweit sie sich auf die eingehenden Strecken bezog – erhebliche und sofortige Wirkungen im Binnenmarkt oder innerhalb des EWR haben würde und daher geeignet war, dem normalen Wettbewerb innerhalb des EWR-Gebiets zu schaden. In den Erwägungsgründen 1194 und 1241 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission gleichwohl anerkannt, dass sich ein Teil des „Schadens“ im Zusammenhang mit dem streitigen Verhalten auf den Strecken EWR-Drittländer möglicherweise außerhalb des EWR verwirklicht habe. Sie hat darüber hinaus hervorgehoben, dass ein Teil der Dienste außerhalb des EWR erbracht worden sei. Dementsprechend hat sie sich auf Ziff. 37 der Leitlinien von 2006 gestützt und den beschuldigten Transportunternehmen für die Strecken EWR-Drittländer eine Ermäßigung des Grundbetrags der Geldbuße um 50 % gewährt, deren Richtigkeit die Klägerin nicht bestreitet.

370    Würde davon ausgegangen, dass die Kommission nicht 50 % des auf diesen Strecken erzielten Umsatzes in den Wert der Verkäufe einbeziehen durfte, liefe das daher darauf hinaus, ihr zu verbieten, bei der Berechnung des Betrags der Geldbuße die Verkäufe zu berücksichtigen, die von der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung erfasst wurden und geeignet waren, dem Wettbewerb im EWR zu schaden.

371    Folglich konnte die Kommission 50 % des auf den Strecken EWR-Drittländer erzielten Umsatzes als objektives Kriterium berücksichtigen, das zutreffend angibt, wie schädlich sich die Beteiligung der Klägerin am streitigen Kartell auf den normalen Wettbewerb auswirkt, vorausgesetzt, dass dieser Umsatz auf Verkäufe zurückzuführen war, die einen Zusammenhang mit dem EWR aufwiesen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, InnoLux/Kommission, T‑91/11, EU:T:2014:92, Rn. 47).

372    Im vorliegenden Fall besteht ein solcher Zusammenhang in Bezug auf die eingehenden Strecken, da die eingehenden Frachtdienste, wie aus den Erwägungsgründen 1194 und 1241 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht und die Kommission in ihren Schriftsätzen vorträgt, teilweise innerhalb des EWR erbracht werden. Wie oben in Rn. 111 ausgeführt worden ist, sollen diese Dienste nämlich gerade die Beförderung von Waren aus Drittländern in den EWR ermöglichen. Wie die Kommission zu Recht bemerkt, erfolgt ein Teil ihrer „physischen“ Erbringung per Definition im EWR, wo ein Teil des Transports dieser Waren stattfindet und das Frachtflugzeug landet.

373    Unter diesen Umständen durfte die Kommission davon ausgehen, dass die Verkäufe eingehender Frachtdienste im Sinne von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 innerhalb des EWR getätigt worden waren. Daher ist Ziff. 18 dieser Leitlinien, die im angefochtenen Beschluss nicht angewandt worden ist und deren Nichtanwendbarkeit im vorliegenden Fall die Klägerin anerkennt, irrelevant.

374    Somit ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen und der Schluss zu ziehen, dass die Kommission die Verkäufe eingehender Frachtdienste zu Recht in den Wert der Verkäufe einbezogen hat, ohne dabei gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu verstoßen.

9.      Neunter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die allgemeine Ermäßigung um 15 %

375    Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, als sie die Ermäßigung um 15 % auf eine übermäßig niedrige Höhe festgesetzt habe.

376    Als Erstes führt die Klägerin aus, die Kommission habe das japanische Regulierungssystem nicht hinreichend berücksichtigt. Die LVA, die für die Strecken zwischen Japan einerseits und Frankreich, Deutschland, Italien und den Niederlanden andererseits gelten würden, enthielten allesamt Vorschriften, die von den benannten Transportunternehmen verlangten, dass sie untereinander Preisvereinbarungen schlössen. Zudem zwinge das japanische Recht in- und ausländische Gesellschaften unter Strafandrohung dazu, beim japanischen Büro für Zivilluftfahrt (Japanese Civil Aviation Bureau [JCAB]) eine Genehmigung für die Festlegung der Tarife oder Aufschläge einzuholen, die sie im Bereich der Frachtdienste auf Flügen von oder nach Japan anwendeten. Die so genehmigten Flüge genössen grundsätzlich Immunität nach dem japanischen Wettbewerbsrecht. Die Klägerin macht geltend, dieses Regulierungssystem habe sie stark ermutigt, sich mit anderen Transportunternehmen abzustimmen, so dass die Kommission ihr deswegen eine Ermäßigung des Betrags der Geldbuße von mehr als 15 % hätte gewähren müssen.

377    Als Zweites beruft sich die Klägerin auf zwei Beschlüsse, in denen die Kommission den betreffenden Unternehmen Ermäßigungen von 30 % oder 40 % des Betrags der gegen sie verhängten Geldbuße gewährt hat, weil das geltende Regulierungssystem sie zur Annahme wettbewerbswidriger Vereinbarungen ermutigt hatte.

378    Die Kommission tritt der Argumentation der Klägerin entgegen.

379    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Ziff. 27 der Leitlinien von 2006 bei der Bestimmung der Höhe der Geldbuße Umstände berücksichtigen kann, die zu einer Erhöhung oder Ermäßigung des Grundbetrags führen. Dabei würdigt sie in einer Gesamtperspektive sämtliche einschlägigen Umstände.

380    Nach Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 kann der Grundbetrag der Geldbuße verringert werden, wenn die Kommission mildernde Umstände feststellt. In dieser Ziffer werden beispielhaft und nicht erschöpfend fünf Arten berücksichtigungsfähiger mildernder Umstände aufgeführt, darunter die Genehmigung oder Ermutigung des fraglichen wettbewerbswidrigen Verhaltens durch die Behörden oder geltende Vorschriften.

381    Die Kommission hat im 1263. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass kein Regulierungssystem die beschuldigten Transportunternehmen verpflichtet habe, sich untereinander über ihre Tarife abzustimmen. In den Erwägungsgründen 1264 und 1265 dieses Beschlusses hat sie jedoch die Ansicht vertreten, dass bestimmte Regulierungssysteme, darunter das von Japan, die beschuldigten Transportunternehmen möglicherweise dazu bewogen hätten, ein wettbewerbswidriges Verhalten an den Tag zu legen, und ihnen gemäß Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 dementsprechend die allgemeine Ermäßigung um 15 % gewährt.

382    In ihren Schriftsätzen trägt die Klägerin lediglich vor, die LVA und die in Japan geltenden Rechtsvorschriften hätten sie möglicherweise dazu ermutigt, sich mit anderen Transportunternehmen abzustimmen. Dagegen beruft sie sich auf keinen rechtlichen oder tatsächlichen Umstand, den die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht berücksichtigt haben soll und mit dem sich die Rüge untermauern ließe, wonach die allgemeine Ermäßigung um 15 % unzureichend sei. Somit ist davon auszugehen, dass die Klägerin den Nachweis der Unzulänglichkeit dieser Ermäßigung und damit eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schuldig geblieben ist.

383    Selbst wenn unterstellt wird, dass die Klägerin mit ihrem Vorbringen, wonach die von Japan geschlossenen LVA eine Preisabsprache zwischen den benannten Transportunternehmen „verlangen“, die im 1263. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthaltene Analyse der Kommission in Frage stellen will, wonach diese LVA lediglich zur Annahme wettbewerbswidriger Verhaltensweisen ermutigt oder diese erleichtert hätten, muss ihre Argumentation zurückgewiesen werden. Als Erstes ist zu beachten, dass die LVA entweder zum streitigen Verhalten auf den Strecken EWR-Japan ermutigt – in diesem Fall lässt sich eine Ermäßigung des Betrags der Geldbuße gemäß Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 rechtfertigen – oder ein solches Verhalten verlangt haben – in diesem Fall hätte weder eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt noch eine Sanktion für dieses Verhalten verhängt werden dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 1997, Kommission und Frankreich/Ladbroke Racing, C‑359/95 P und C‑379/95 P, EU:C:1997:531, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

384    Soweit die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Teils im Wesentlichen vorträgt, die von Japan geschlossenen LVA verlangten eine Koordinierung, ist ihre Argumentation als ins Leere gehend zurückzuweisen, da sie – ihre Begründetheit unterstellt – zwar die Feststellung einer Zuwiderhandlung, nicht aber die Anwendung von Ziff. 29 der Leitlinien von 2006, um die es im Rahmen des vorliegenden Teils geht, fehlerhaft machen würde.

385    In Beantwortung der vom Gericht in der mündlichen Verhandlung gestellten Fragen hat die Klägerin im Übrigen nicht klargestellt, ob sie sich auf Zwang oder eine einfache Ermutigung berufe. So hat sie ausgeführt, dass die einschlägigen Rechtsvorschriften „eine Koordinierung verlang[t]en“, es „Ermutigungen gegeben [habe]“ und schließlich ein „System [bestehe], mit dem die Menschen ermutigt werden sollten, diese oder jene Vorschrift zu beachten“.

386    Als Zweites ist jedenfalls zu bemerken, dass die Argumentation der Klägerin auf eine fehlerhafte Analyse der fraglichen LVA zurückzuführen ist. Die einschlägige Klausel dieser LVA sieht vor, dass „soweit möglich“ eine Vereinbarung auf der Ebene der IATA erzielt werden soll, womit das Bestehen einer Verpflichtung nicht nachgewiesen wird. Dieselbe Klausel sieht vor, dass, falls eine Vereinbarung nicht möglich ist, die „für jede Strecke“ anzuwendenden Tarife im gegenseitigen Einvernehmen „zwischen den betreffenden benannten Gesellschaften“ festgelegt werden müssen. Dagegen kann die besagte Klausel nicht dahin ausgelegt werden, dass sie multilaterale Erörterungen über die auf verschiedene Strecken anwendbaren Tarife verlangt.

387    Zu den Verweisen auf frühere Entscheidungen der Kommission genügt der Hinweis, dass allein aus der Tatsache, dass die Kommission in früheren Entscheidungen bei einem bestimmten Verhalten die Geldbuße in bestimmtem Umfang herabgesetzt hat, nicht abgeleitet werden kann, dass sie verpflichtet ist, bei der Beurteilung eines ähnlichen Verhaltens im Rahmen eines späteren Verwaltungsverfahrens dieselbe Herabsetzung vorzunehmen (vgl. Urteil vom 6. Mai 2009, KME Germany u. a./Kommission, T‑127/04, EU:T:2009:142, Rn. 140 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Klägerin kann sich folglich nicht auf die in diesen anderen Rechtssachen gewährte Herabsetzung von Geldbußen berufen.

388    Soweit die Klägerin das Gericht ersucht, sich zur Angemessenheit der allgemeinen Ermäßigung um 15 % zu äußern, genügt die Bemerkung, dass die Frage der Angemessenheit unter die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung fällt und somit in diesem Rahmen beurteilt werden soll (siehe unten, Rn. 448).

389    Aus dem Vorstehenden geht hervor, dass der neunte Klagegrund unbegründet ist und folglich zurückgewiesen werden muss.

10.    Zehnter Klagegrund: Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie im Wesentlichen Verletzung der Begründungspflicht aufgrund der Weigerung der Kommission, den Betrag der Geldbuße wegen der geringfügigen Beteiligung der Klägerin an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung herabzusetzen

390    Die Klägerin führt aus, die Kommission habe den Grundbetrag ihrer Geldbuße zu Unrecht nicht um 10 % herabgesetzt, während sie Air Canada, Latam, SAS und Qantas aufgrund der geringfügigen Beteiligung dieser Transportunternehmen an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung eine solche Ermäßigung gewährt habe. Sie vertritt die Ansicht, sie befinde sich in der gleichen Lage wie die genannten Transportunternehmen, so dass die Weigerung der Kommission, ihr eine Ermäßigung zu gewähren, diskriminierend sei.

391    So macht die Klägerin geltend, sie sei nur am Rand der im angefochtenen Beschluss beschriebenen Zuwiderhandlung tätig und unterhalte nur wenige Kontakte auf einer begrenzten Zahl von Strecken, und zwar auf passive Weise. Die Rolle von SAS und Qantas innerhalb des streitigen Kartells sei der ihrigen sehr ähnlich gewesen.

392    Die Klägerin trägt ferner vor, ihre Beteiligung an der Verweigerung der Zahlung von Provisionen sei sicherlich nicht enger als die von SAS oder Qantas, wie ihrer Ansicht nach eine Kette von E‑Mails von Qantas zeige, die sich auf die Zahlung einer Provision auf die Aufschläge beziehe.

393    Die von der Kommission vorgenommene Unterscheidung zwischen ihr und diesen beiden Transportunternehmen sei objektiv nicht gerechtfertigt und jedenfalls nicht hinreichend begründet. Außerdem habe die Kommission ihre Situation nicht speziell anhand von Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 geprüft.

394    Die Kommission tritt der Argumentation der Klägerin entgegen.

395    Insoweit ist daran zu erinnern, dass in Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 unter den Arten mildernder Umstände, die berücksichtigt werden können, um den Grundbetrag der Geldbuße herabzusetzen, die sehr geringfügige Beteiligung des betreffenden Unternehmens an der Zuwiderhandlung aufgeführt ist.

396    Zunächst ist – was die Kritik der Klägerin angeht, die sich auf die Tatsache bezieht, dass das in Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 erwähnte Kriterium der sehr geringfügigen Beteiligung ihr gegenüber nicht angewandt worden ist – darauf hinzuweisen, dass dieses Kriterium anspruchsvoller ist als das Kriterium im Zusammenhang mit der Mitläuferrolle oder der ausschließlich passiven Mitwirkung des verurteilten Unternehmens: Es spiegelt die anlässlich der Ersetzung der oben in Rn. 302 genannten Leitlinien von 1998 durch die Leitlinien von 2006 getroffene Entscheidung der Kommission wider, das passive Verhalten der Teilnehmer einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln nicht mehr „zu fördern“ (Urteil vom 12. Juli 2018, Sumitomo Electric Industries und J-Power Systems/Kommission, T‑450/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:455, Rn. 114).

397    Die Anwendung des Kriteriums der sehr geringfügigen Beteiligung setzt voraus, dass eine Reihe von Bedingungen erfüllt sind, wobei sich einige von ihnen die Beurteilungsfaktoren mit dem Kriterium der ausschließlich passiven Mitwirkung teilen: Dies ist insbesondere der Fall bei der Häufigkeit der Teilnahme an Zusammenkünften im Vergleich zu anderen Kartellmitgliedern oder bei der Art und Weise, in der die anderen Kartellteilnehmer die Rolle des fraglichen Unternehmens im Kartell wahrgenommen haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Dezember 2014, Eni/Kommission, T‑558/08, EU:T:2014:1080, Rn. 190 und 191, sowie vom 12. Juli 2018, Sumitomo Electric Industries und J-Power Systems/Kommission, T‑450/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:455, Rn. 117 bis 119).

398    Im 1257. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass die Klägerin weder eine passive oder untergeordnete Rolle bei der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gespielt habe noch ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung sehr geringfügig gewesen sei. In diesem Beschluss hat sie sich insoweit zum einen auf die Häufigkeit und die Art der Kontakte, die von der Klägerin während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung mit den anderen Transportunternehmen unterhalten worden waren (1253. Erwägungsgrund), und zum anderen darauf gestützt, dass die Klägerin nichts vorgebracht hatte, was zum Nachweis ihrer fehlenden wettbewerbswidrigen Absicht hätte beitragen können (1254. Erwägungsgrund). Sie hat dementsprechend ausgeschlossen, der Klägerin deswegen eine Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße zu gewähren.

399    Folglich ist nicht nachgewiesen, dass die Kommission einen Fehler begangen hat, als sie sich geweigert hat, der Klägerin den Vorteil eines mildernden Umstands im Zusammenhang mit ihrer sehr geringfügigen Beteiligung an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zuzuerkennen.

400    Wenn unterstellt wird, dass die Klägerin auch auf die anderen in Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 erwähnten Beispiele für mildernde Umstände verweist, bezieht sie sich jedoch nicht speziell auf eines dieser Beispiele und führt erst recht keinen Umstand an, der es rechtfertigen könnte, ihr deswegen eine Herabsetzung der Geldbuße zu gewähren. Mangels konkreter Anhaltspunkte zu ihrer Stützung hat das Gericht diese Behauptungen zurückzuweisen.

401    Sodann sei – was die angeblich diskriminierende Behandlung betrifft, die der Klägerin im Verhältnis zu den Transportunternehmen zuteil geworden sein soll, die in den Genuss der Ermäßigung des Grundbetrags der Geldbuße um 10 % gekommen sind – darauf hingewiesen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 1258 und 1259 des angefochtenen Beschlusses die Auffassung vertreten hat, Latam, Air Canada und SAS seien nur geringfügig an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt gewesen, da sie am Rand des streitigen Kartells tätig seien, nur wenige Kontakte mit anderen Transportunternehmen unterhielten und sich nicht an allen Bestandteilen der Zuwiderhandlung beteiligt hätten. Sie hat den Grundbetrag ihrer Geldbuße dementsprechend um 10 % herabgesetzt. Im Beschluss vom 9. November 2010 hatte sie auf der gleichen Grundlage und aus den gleichen Gründen auch Qantas eine solche Ermäßigung gewährt. Dagegen konnte ihrer Ansicht nicht festgestellt werden, dass sich auch die Klägerin nur geringfügig an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt hatte, weshalb sie dieser deswegen keine Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße gewährt hat.

402    Wie das Gericht oben in Rn. 399 entschieden hat, war nicht nachgewiesen, dass die Klägerin eine passive Rolle bei der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gespielt oder sich nur sehr geringfügig an dieser beteiligt hatte. Wenn unterstellt wird, dass die Klägerin nachweist, dass sie sich in einer Situation befand, die mit der Situation der Transportunternehmen vergleichbar war, für die der Grundbetrag der Geldbuße um 10 % herabgesetzt worden ist, würde das daher im Wesentlichen bedeuten, dass sich die Klägerin auf Rechtsverletzungen bei der Festsetzung der Höhe der gegen diese anderen Transportunternehmen verhängten Geldbuße beruft, wozu sie nicht berechtigt ist (siehe oben, Rn. 289).

403    Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes ist jedenfalls festzustellen, dass die Situation der Klägerin für die Zwecke des mildernden Umstands im Zusammenhang mit der geringfügigen Beteiligung an der Zuwiderhandlung nicht mit der Situation der anderen oben in Rn. 401 genannten Transportunternehmen vergleichbar war.

404    Zu bemerken ist nämlich, dass sich die Klägerin – anders als diese Transportunternehmen – unmittelbar an den drei Bestandteilen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt hat (Erwägungsgründe 881 bis 883 des angefochtenen Beschlusses), was sie nicht bestreitet. Was die Frage betrifft, inwiefern ein Unternehmen zur Schwere des streitigen Kartells beigetragen hat, so stellt die Tatsache, dass dieses Unternehmen im Hinblick auf seine unmittelbare Beteiligung am streitigen Verhalten für bestimmte Bestandteile einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen wird, einen relevanten Umstand dar, der seine Situation von der Situation der Unternehmen unterscheiden könnte, die lediglich aufgrund ihrer – vermuteten oder bewiesenen – Kenntnis dieses Verhaltens zur Verantwortung gezogen werden.

405    Außerdem zeugt der Akteninhalt entgegen dem, was die Klägerin speziell in Bezug auf SAS und Qantas vorbringt, davon, dass sich Erstere in einem Ausmaß an der Verweigerung der Zahlung von Provisionen beteiligt hat, das mit dem Ausmaß der Beteiligung der Letzteren nicht vergleichbar ist. Wie aus dem angefochtenen Beschluss hervorgeht, hat die Klägerin nämlich an mehreren multilateralen Erörterungen über diesen Bestandteil der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung in der Schweiz – im Rahmen des ACCS – (Erwägungsgründe 692 und 693) und in Italien – im Rahmen des Italian Board of Airline Representatives (Italienischer Verband der Vertreter der Fluggesellschaften [IBAR]) – (694. Erwägungsgrund) sowie in den Geschäftsräumen von Lufthansa in Italien (695. Erwägungsgrund) und in Mailand (696. Erwägungsgrund) teilgenommen. Diese Situation steht zunächst im Kontrast zur Situation von Qantas, in Bezug auf die gegebenenfalls nur ein bilateraler Austausch mit British Airways die Feststellung ihrer Beteiligung an diesem Bestandteil der Zuwiderhandlung stützen würde (685. Erwägungsgrund). Sie steht sodann im Kontrast zur Situation von SAS. Auf die Tatsache, dass SAS Mitglied des ACCS ist, kommt es entgegen dem Vorbringen der Klägerin insoweit nicht an, da nicht behauptet wird, dass sie an den fraglichen Austäuschen, auf die sich die Erwägungsgründe 692 und 693 dieses Beschlusses beziehen, beteiligt gewesen ist. Die Klägerin führt darüber hinaus zwei multilaterale Kontakte an, auf die sich die Erwägungsgründe 503 bzw. 686 des besagten Beschlusses beziehen und an denen sowohl SAS als auch die Klägerin teilgenommen hatten. Sie trägt jedoch zum einen zu Unrecht vor, die Kommission habe sich auf Ersteren gestützt, um ihre Beteiligung an der Verweigerung der Zahlung von Provisionen nachzuweisen, da dieses Beweismittel nur im Zusammenhang mit dem Teil betreffend den Treibstoffaufschlag herangezogen worden ist. Zum anderen war SAS zwar an dem im 686. Erwägungsgrund desselben Beschlusses genannten Austausch beteiligt; dieser Kontakt muss aber im Licht der anderen Kontakte betrachtet werden, an denen die Klägerin beteiligt war und auf die soeben hingewiesen worden ist. Die letztgenannten Kontakte sind nämlich nach wie vor zahlreicher und vielfältiger als die Kontakte, an denen SAS beteiligt war, und zwar auch dann, wenn die von der Klägerin angeführten – in der Akte enthaltenen, im fraglichen Beschluss aber nicht erwähnten – Kontakte berücksichtigt werden, in deren Rahmen SAS den Antrag eines Spediteurs auf Erhalt einer Provision auf die Aufschläge mit mehreren im Wettbewerb stehenden Transportunternehmen erörtert haben soll.

406    Im Übrigen hat die Kommission auch im Hinblick auf die wenigen Kontakte mit anderen Transportunternehmen die Auffassung vertreten, dass sich SAS geringfügiger an der Zuwiderhandlung beteiligt habe, wie oben aus Rn. 401 hervorgeht. Die Klägerin bringt nichts vor, mit dem sich die Feststellung entkräften ließe, dass sie an einer höheren Zahl von Kontakten mit einer größeren Zahl von Transportunternehmen beteiligt gewesen sei.

407    Da sich die Situation der Klägerin von der Situation der Transportunternehmen unterscheidet, denen aufgrund ihrer geringfügigen Beteiligung an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung eine Ermäßigung gewährt worden ist, darf sie sich folglich nicht über eine diskriminierende Behandlung beklagen. Dementsprechend ist auch die Rüge der Klägerin zurückzuweisen, mit der geltend gemacht wird, die objektive Rechtfertigung der vorgenommenen Unterscheidung sei nicht hinreichend begründet worden, da sie auf der falschen Annahme beruht, dass ihre Situation mit der Situation der anderen in Rede stehenden Transportunternehmen vergleichbar war.

408    Schließlich will die Klägerin mit ihrer Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Wesentlichen geltend machen, der Betrag der Geldbuße sei in Anbetracht ihrer angeblich geringfügigen Beteiligung unverhältnismäßig.

409    Erstens ist die Klägerin, wie sich aus dem angefochtenen Beschluss zunächst ergibt, im vorliegenden Fall unmittelbar an den drei Bestandteilen der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt gewesen (siehe oben, Rn. 404 und 405). Die vorstehende Feststellung wird durch ihre Behauptung, dass mit ihrer Beteiligung am Bestandteil dieser Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit der Verweigerung der Zahlung von Provisionen ausschließlich auf die aufeinander abgestimmten Anstrengungen der Spediteure habe reagiert werden sollen und sie keine Tarifkoordinierung zum Ziel gehabt habe, nicht entkräftet. Festzustellen ist nämlich, dass diese Behauptung auf zwei irrigen Annahmen beruht, wobei die eine rechtlicher und die andere tatsächlicher Natur ist.

410    In tatsächlicher Hinsicht geht aus den Erwägungsgründen 675 bis 702 des angefochtenen Beschlusses – einschließlich der speziell gegen die Klägerin geltend gemachten Erwägungsgründe – zwar hervor, dass die Frage der Zahlung von Provisionen Gegenstand unterschiedlicher rechtlicher Auslegungen durch die Transportunternehmen und die Spediteure war. Die beschuldigten Transportunternehmen haben jedoch nicht lediglich einen gemeinsamen Standpunkt dazu festgelegt, um ihn vor den zuständigen Gerichten in koordinierter Weise zu verteidigen oder sich bei den Behörden und anderen Berufsverbänden gemeinsam dafür stark zu machen. Sie haben sich im Gegenteil untereinander abgestimmt und sich – auf einer multilateralen Ebene – darüber verständigt, keine Verhandlungen mit den Spediteuren über die Zahlung von Provisionen zu führen und ihnen keine Nachlässe auf die Aufschläge zu gewähren. So hat die Kommission im 695. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf eine E‑Mail vom 19. Mai 2005 verwiesen, in der ein regionaler Manager von Swiss in Italien darauf hinweist, dass „alle [Teilnehmer einer am 12. Mai 2005 abgehaltenen Sitzung ihren] Willen bestätigt [hätten], keine Vergütung für den Treibstoff-/Sicherheitsaufschlag zu akzeptieren“. Im 696. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ist von einer internen E‑Mail vom 14. Juli 2005 die Rede, in der CPA darauf hinweist, dass „alle [Teilnehmer einer am Vortag abgehaltenen Sitzung, darunter die Klägerin] ihre feste Absicht bekräftigt haben, keine Verhandlungen über [die Zahlung von Provisionen] zu akzeptieren“. Desgleichen hat sich die Kommission im 700. Erwägungsgrund desselben Beschlusses auf eine interne E‑Mail berufen, in der eine Mitarbeiterin von Cargolux ihre Zentralverwaltung über die Abhaltung einer Sitzung „mit allen am Flughafen von [Barcelona] tätigen [Transportunternehmen]“ informierte und darauf hinwies, dass „wir nach allgemeiner Meinung keine Provisionen auf die Aufschläge zahlen sollten“.

411    Aus dem angefochtenen Beschluss geht ferner hervor, dass mehrere Transportunternehmen – auf einer bilateralen Ebene – Informationen ausgetauscht haben, um sich wechselseitig ihrer Standhaftigkeit in der Frage der Verweigerung der Zahlung von Provisionen, die sie im Vorfeld vereinbart hatten, zu versichern. Zur Veranschaulichung: Der 688. Erwägungsgrund dieses Beschlusses beschreibt ein Telefongespräch vom 9. Februar 2006, in dessen Verlauf Lufthansa AF gefragt hat, ob ihr Standpunkt zur Verweigerung der Zahlung von Provisionen unverändert bleibe.

412    In rechtlicher Hinsicht ist – soweit die Klägerin vorträgt, die Verweigerung der Zahlung von Provisionen stelle eine legitime Antwort auf das angeblich rechtswidrige Verhalten der Spediteure dar – darauf hinzuweisen, dass sich ein Unternehmen nicht auf das Verhalten anderer Unternehmen – und sei es widerrechtlich oder unlauter – berufen kann, um eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, EU:T:2004:220, Rn. 333, und vom 12. Juli 2018, LS Cable & System/Kommission, T‑439/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:451, Rn. 53).

413    Es obliegt nämlich den Behörden und nicht privaten Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sicherzustellen (Urteil vom 7. Februar 2013, Slovenská sporiteľňa, C‑68/12, EU:C:2013:71, Rn. 20). Die Unternehmen dürfen nicht zur Selbstjustiz greifen, indem sie an die Stelle dieser Behörden treten, um etwaige Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union zu ahnden, und mit aus eigener Initiative ergriffenen Maßnahmen den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts behindern. Dies gilt umso mehr, wenn es Rechtsbehelfe gibt, mittels derer sie ihre Rechte bei den Behörden geltend machen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 1991, Hilti/Kommission, T‑30/89, EU:T:1991:70, Rn. 117 und 118).

414    Im vorliegenden Fall weist die Klägerin nicht nach und behauptet nicht einmal, dass es an solchen Rechtsbehelfen gefehlt habe.

415    Zweitens können, wie die Kommission zu Recht bemerkt, weder die Zahl der im angefochtenen Beschluss festgestellten wettbewerbswidrigen Kontakte, an denen die Klägerin teilgenommen hat und die sich auf knapp 75 belaufen, noch die Zahl anderer Transportunternehmen, die an diesen Kontakten beteiligt waren, d. h. neun beschuldigte Transportunternehmen insgesamt, als in ihrer Anzahl und Intensität begrenzt eingestuft werden.

416    Drittens bestand die Teilnahme der Klägerin am streitigen Kartell entgegen deren Vorbringen nicht im Wesentlichen darin, die von den anderen Transportunternehmen herausgegebenen Ankündigungen passiv entgegenzunehmen. Es genügt nämlich die Bemerkung, dass im angefochtenen Beschluss von zahlreichen bilateralen und multilateralen Zusammenkünften und Erörterungen die Rede ist, die über die bloße Entgegennahme von Tarifankündigungen per E‑Mail hinausgehen (vgl. Erwägungsgründe 762 bis 764).

417    Folglich ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

418    Nach alledem ist dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes stattzugeben. Dementsprechend ist Art. 1 Abs. 1 Buchst. h und Abs. 4 Buchst. h des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären.

419    Dagegen kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Rechtsverletzung geeignet ist, die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses insgesamt nach sich zu ziehen. Obwohl die Kommission gegen die Verjährungsvorschriften verstoßen hat, als sie die Klägerin für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung in Bezug auf die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz mit einer Sanktion belegt hat, ist nämlich festzustellen, dass die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission ihre Beteiligung an dieser Zuwiderhandlung fälschlicherweise festgestellt hatte.

420    Im Übrigen ist der Nichtigkeitsantrag zurückzuweisen.

B.      Antrag auf Änderung des Betrags der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

421    Zur Stützung ihres Antrags auf Herabsetzung des Betrags der gegen sie verhängten Geldbuße macht die Klägerin einen einzigen Klagegrund geltend. Dieser Klagegrund betrifft die Unangemessenheit des Betrags der Geldbuße und gliedert sich in elf Argumente.

422    Die ersten vier Argumente, auf die die Klägerin den vorliegenden Antrag stützt, beziehen sich im Wesentlichen auf die Berechnung des Werts der Verkäufe.

–        Mit ihrem ersten Argument macht die Klägerin geltend, wegen Verjährung könne sie für Verhaltensweisen im Zusammenhang mit den EWR-internen Strecken und den Strecken Union-Schweiz nicht mit einer Sanktion belegt werden;

–        mit ihrem zweiten Argument trägt die Klägerin vor, dass, falls das Gericht dem fünften oder dem achten Klagegrund stattgebe und den angefochtenen Beschluss, soweit er sich auf eingehende Frachtdienste beziehe, für nichtig erkläre, die Einnahmen, die sie mit diesen Diensten erzielt habe, von der Berechnung der Geldbuße auszunehmen seien bzw. der Betrag der Geldbuße nach vom Gericht für zweckmäßig erachteten Modalitäten entsprechend herabzusetzen sei;

–        mit ihrem dritten Argument wirft die Klägerin der Kommission vor, durch die Einbeziehung von Einnahmen aus eingehenden Frachtdiensten in den Wert der Verkäufe gegen die Leitlinien von 2006 und den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen zu haben;

–        mit ihrem vierten Argument führt die Klägerin aus, dass, da die Kommission die Tarife von der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung ausgenommen habe, entweder die von ihr damit erzielten Einnahmen aus dem Wert der Verkäufe herauszurechnen seien oder der Betrag der Geldbuße herabzusetzen und auf eine vom Gericht für angemessen erachtete Höhe festzusetzen sei.

423    Das fünfte und das sechste von der Klägerin zur Stützung des vorliegenden Antrags geltend gemachte Argument betreffen im Wesentlichen den Schwerekoeffizienten und den Zusatzbetrag:

–        Mit ihrem fünften Argument trägt die Klägerin in Beantwortung der prozessleitenden Maßnahmen des Gerichts vor, wegen des Ausschlusses der Strecken EWR (ohne Union)-Schweiz vom räumlichen Umfang der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung sei eine Herabsetzung des Schwerekoeffizienten gerechtfertigt;

–        mit ihrem sechsten Argument macht die Klägerin geltend, die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung habe keine spürbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb gehabt, weshalb ihr eine erhebliche Herabsetzung des Betrags der Geldbuße zu gewähren sei.

424    Die Argumente 7 bis 11, die die Klägerin zur Stützung des vorliegenden Antrags anführt, beziehen sich im Wesentlichen auf die beim Grundbetrag vorzunehmenden Anpassungen:

–        Mit ihrem siebten Argument trägt die Klägerin vor, die Kommission habe das japanische Regulierungssystem bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße nicht hinreichend berücksichtigt, so dass die allgemeine Ermäßigung um 15 % dementsprechend deutlich höher ausfallen und auf einer vom Gericht für angemessen erachteten höheren Stufe festgesetzt werden müsse;

–        mit ihrem achten Argument führt die Klägerin aus, dass, falls das Gericht den angefochtenen Beschluss für nichtig erkläre, soweit er sich auf die Verweigerung der Zahlung von Provisionen beziehe, die nur eine Reaktion auf die Abstimmung unter den Spediteuren darstelle, der Betrag der Geldbuße entsprechend herabzusetzen und auf eine vom Gericht für angemessen erachtete Höhe festzusetzen sei;

–        mit ihrem neunten Argument wirft die Klägerin der Kommission vor, ihre Verteidigungsrechte verletzt sowie gegen das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen zu haben, als sie zu ihrem Nachteil unterschiedliche Beweisanforderungen auf verschiedene Transportunternehmen angewandt habe;

–        mit ihrem zehnten Argument macht die Klägerin geltend, die Kommission habe gegen das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, als sie ihr bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße eine andere Behandlung als Air Canada, Latam, SAS und Qantas habe zuteilwerden lassen, obwohl ihre Beteiligung an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung insbesondere der von SAS und Qantas objektiv ähnlich gewesen sei;

–        mit ihrem elften Argument führt die Klägerin aus, die Kommission habe in ihrer früheren Praxis anerkannt, dass Zuwiderhandlungen, die sich nur auf einen Teil der Preisgestaltung bezögen, weniger schwerwiegend seien, weshalb die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, die nur die Aufschläge und nicht den Gesamtpreis der Frachtdienste betreffe, eine erhebliche Herabsetzung des Betrags der Geldbuße wegen mildernder Umstände rechtfertige.

425    Die Kommission beantragt, den Antrag der Klägerin zurückzuweisen und ihr den Vorteil der allgemeinen Ermäßigung um 50 % und der Ermäßigung um 15 % für den Fall zu entziehen, dass das Gericht entscheidet, dass der Umsatz aus dem Verkauf eingehender Frachtdienste nicht in den Wert der Verkäufe einbezogen werden durfte.

426    Im Wettbewerbsrecht der Union wird die Rechtmäßigkeitskontrolle ergänzt durch die dem Unionsrichter durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 gemäß Art. 261 AEUV eingeräumte Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Diese Befugnis ermächtigt den Unionsrichter über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

427    Dies setzt nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 für jedes sanktionierte Unternehmen die Berücksichtigung der Schwere und der Dauer der betreffenden Zuwiderhandlung unter Wahrung der Grundsätze u. a. der Begründungspflicht, der Verhältnismäßigkeit, der individuellen Sanktionsfestsetzung und der Gleichbehandlung voraus, ohne dass der Unionsrichter durch die von der Kommission in ihren Leitlinien definierten Richtlinien gebunden wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 90). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Ausübung der in Art. 261 AEUV und in Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht einer Prüfung von Amts wegen entspricht und dass das Verfahren vor den Gerichten der Union ein streitiges Verfahren ist. Mit Ausnahme der Gründe zwingenden Rechts, die der Richter von Amts wegen zu berücksichtigen hat, ist es daher Sache des Klägers, gegen die streitige Entscheidung Klagegründe vorzubringen und für diese Beweise beizubringen (Urteil vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 64).

428    Somit hat der Kläger die beanstandeten Punkte der angefochtenen Entscheidung zu bezeichnen, insoweit Rügen zu formulieren und Beweise oder zumindest ernsthafte Indizien für deren Begründetheit beizubringen (Urteil vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 65).

429    Um den Erfordernissen einer unbeschränkten gerichtlichen Nachprüfung im Sinne von Art. 47 der Charta hinsichtlich der Geldbuße zu genügen, hat der Unionsrichter bei der Ausübung der Befugnisse nach den Art. 261 und 263 AEUV wiederum jegliche Rechts- oder Sachrüge zu prüfen, mit der dargetan werden soll, dass die Höhe der Geldbuße der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung nicht angemessen ist (vgl. Urteil vom 18. Dezember 2014, Kommission/Parker Hannifin Manufacturing und Parker-Hannifin, C‑434/13 P, EU:C:2014:2456, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 26. Januar 2017, Villeroy & Boch Austria/Kommission, C‑626/13 P, EU:C:2017:54, Rn. 82).

430    Schließlich hat der Unionsrichter bei der Festsetzung der Höhe von Geldbußen selbst die Umstände des Einzelfalls und die Art der fraglichen Zuwiderhandlung zu beurteilen (Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 89) und alle tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, EU:C:2009:505, Rn. 86), gegebenenfalls einschließlich zusätzlicher Informationen, die nicht in der die Geldbuße verhängenden Entscheidung der Kommission erwähnt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, C‑286/98 P, EU:C:2000:630, Rn. 57, und vom 12. Juli 2011, Fuji Electric/Kommission, T‑132/07, EU:T:2011:344, Rn. 209).

431    Im vorliegenden Fall hat das Gericht bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Hinblick auf die von den Parteien zur Stützung des vorliegenden Antrags vorgebrachte Argumentation die Höhe der Geldbuße festzusetzen, die es u. a. in Anbetracht der Feststellungen, die im Rahmen der Prüfung der zur Stützung des Nichtigkeitsantrags vorgebrachten Klagegründe und des von Amts wegen zu prüfenden Klagegrundes getroffen worden sind, sowie unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter tatsächlicher Umstände für die geeignetste hält.

432    Das Gericht hält es nicht für angebracht, bei der Festsetzung der Höhe der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbuße von der Berechnungsmethode abzuweichen, der die Kommission im angefochtenen Beschluss gefolgt und deren Rechtswidrigkeit nicht zuvor festgestellt worden ist, wie oben aus der Prüfung des siebten bis zehnten Klagegrundes hervorgeht. Auch wenn es Sache des Richters ist, im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung selbst die Umstände des Einzelfalls und die Art der fraglichen Zuwiderhandlung zu beurteilen, um die Höhe der Geldbuße festzusetzen, darf die Ausübung einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung bei der Festsetzung der Höhe der verhängten Geldbußen nämlich nicht zu einer Ungleichbehandlung der Unternehmen führen, die an einer gegen Art. 101 AEUV, Art. 53 des EWR-Abkommens und Art. 8 des Abkommens EG–Schweiz über den Luftverkehr verstoßenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren. Folglich können die den Leitlinien zu entnehmenden Orientierungen im Allgemeinen den Unionsgerichten bei der Ausübung dieser Befugnis eine Richtschnur geben, da diese Leitlinien von der Kommission zur Berechnung der Höhe der Geldbußen angewandt wurden, die gegen die anderen mit einer Sanktion belegten Unternehmen in der Entscheidung verhängt wurden, über die die Unionsgerichte zu erkennen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

433    Unter diesen Umständen ist zunächst zu beachten, dass sich der Gesamtwert der von der Klägerin im Jahr 2005 getätigten Verkäufe auf 259 640 939 Euro belief. Dieser Wert schließt keine auf den Strecken EWR (ohne Union)-Schweiz erzielten Einnahmen ein, in Bezug auf die das Gericht oben in den Rn. 166 bis 190 entschieden hat, dass sie nicht von der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung erfasst wurden. Aus den Antworten der Klägerin auf die prozessleitenden Maßnahmen des Gerichts geht nämlich hervor, dass sie auf diesen Strecken während des Jahres 2005 keinen Umsatz erzielt hat.

434    Was das erste zur Stützung des vorliegenden Antrags geltend gemachte Argument angeht, das sich auf die Verjährung bezieht, so ist festzuhalten, dass es auf den zweiten Teil des ersten Klagegrundes verweist. Das Gericht hat diesem Klagegrund oben in den Rn. 193 bis 224 stattgegeben und dementsprechend Art. 1 Abs. 1 Buchst. h und Abs. 4 Buchst. h des angefochtenen Beschlusses für nichtig erklärt. Diese Absätze beziehen sich auf die EWR-internen Strecken bzw. die Strecken Union-Schweiz. Die Klägerin hat auf diesen Strecken im relevanten Zeitraum aber keinen Umsatz erzielt. Das vorliegende Argument ist somit zurückzuweisen.

435    Zum zweiten und zum dritten Argument, die sich auf die Einbeziehung des Umsatzes aus dem Verkauf eingehender Frachtdienste in den Wert der Verkäufe beziehen, ist zu sagen, dass sie auf den fünften und den achten zur Stützung des Nichtigkeitsantrags geltend gemachten Klagegrund verweisen. Das Gericht hat diese Klagegründe oben in den Rn. 77 bis 165 bzw. in den Rn. 355 bis 374 geprüft und zurückgewiesen, und nichts in der zu ihrer Stützung vorgebrachten Argumentation lässt die Annahme zu, dass die Einbeziehung des Umsatzes aus dem Verkauf eingehender Frachtdienste in den Wert der Verkäufe geeignet war, zur Heranziehung eines unangemessenen Verkaufswerts zu führen. Im Gegenteil: Würde der Umsatz aus dem Verkauf eingehender Frachtdienste vom Wert der Verkäufe ausgenommen, stünde dies der Verhängung einer Geldbuße gegen die Klägerin entgegen, die zutreffend angibt, wie schädlich sich ihre Beteiligung am streitigen Kartell auf den normalen Wettbewerb auswirkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2016, Portugal Telecom/Kommission, T‑208/13, EU:T:2016:368, Rn. 236).

436    Was das vierte zur Stützung des vorliegenden Antrags vorgebrachte Argument betrifft, das sich im Wesentlichen auf die Einbeziehung des vollen Preises der Frachtdienste in den Wert der Verkäufe bezieht, so ist zu bemerken, dass es auf den ersten Teil des siebten zur Stützung des Nichtigkeitsantrags geltend gemachten Klagegrundes verweist. Das Gericht hat diesen Teil oben in den Rn. 300 bis 330 geprüft und zurückgewiesen, und nichts in der von der Klägerin zu seiner Stützung vorgebrachten Argumentation lässt die Annahme zu, dass die Einbeziehung des vollen Preises der Frachtdienste in den Wert der Verkäufe geeignet war, zur Heranziehung eines unangemessenen Verkaufswerts zu führen. Im Gegenteil: Würden Elemente des Preises für die Frachtdienste, die keine Aufschläge sind, vom Wert der Verkäufe ausgenommen, liefe das darauf hinaus, die wirtschaftliche Bedeutung der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung künstlich zu minimieren.

437    Sodann ist festzuhalten, dass die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung aus den in den Erwägungsgründen 1198 bis 1212 des angefochtenen Beschlusses angeführten Gründen einen Schwerekoeffizienten von 16 % verdient.

438    Das fünfte und das sechste Argument beweisen nicht das Gegenteil. Das fünfte Argument setzt nämlich voraus, dass das Gericht dem von Amts wegen zu prüfenden Klagegrund stattgegeben hat. Da dieser zurückgewiesen worden ist, ist auch das fünfte Argument zurückzuweisen.

439    Was das Vorbringen angeht, wonach die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung keine spürbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb gehabt habe, auf das sich das sechste Argument bezieht, so genügt der Hinweis, dass der Betrag einer Geldbuße nicht allein deshalb als unangemessen angesehen werden kann, weil er nicht den wirtschaftlichen Schaden wiedergibt, der durch den behaupteten Verstoß verursacht wurde oder hätte verursacht werden können (Urteil vom 29. Februar 2016, Schenker/Kommission, T‑265/12, EU:T:2016:111, Rn. 287). Dieses Argument rechtfertigt somit keine Herabsetzung des Schwerekoeffizienten.

440    Zu dem im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes geltend gemachten Argument, wonach die Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 1 Buchst. h und Abs. 4 Buchst. h des angefochtenen Beschlusses eine Herabsetzung des Schwerekoeffizienten rechtfertige, ist zu sagen, dass es nicht die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung als solche, sondern den Grad der Beteiligung der Klägerin an dieser betrifft. Nach der Rechtsprechung ist diese Nichtigerklärung somit eher im Rahmen der mildernden Umstände als im Stadium der Festsetzung des Schwerekoeffizienten zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Januar 2017, Roca/Kommission, C‑638/13 P, EU:C:2017:53, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

441    Was den Zusatzbetrag betrifft, so ist das Gericht aus den gleichen wie den in den Rn. 1198 bis 1212 des angefochtenen Beschlusses angeführten Gründen und in Anbetracht der oben in den Rn. 346 bis 349 angestellten Erwägungen der Ansicht, dass ein Zusatzbetrag von 16 % angemessen ist.

442    Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Beteiligung der Klägerin an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung in Bezug auf die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz nicht rechtmäßig nachgewiesen werden kann, weshalb die in den Erwägungsgründen 1214 und 1216 des angefochtenen Beschlusses herangezogenen Multiplikationsfaktoren bei der Berechnung der Geldbuße nicht berücksichtigt werden dürfen.

443    Allerdings ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der für die EWR-internen Strecken bzw. die Strecken Union-Schweiz zugrunde gelegte Verkaufswert mangels eines von der Klägerin auf diesen Strecken erzielten Umsatzes und unter Berücksichtigung der von der Kommission im angefochtenen Beschluss verwendeten Methode, die darin besteht, jeder betroffenen Streckenkategorie einen spezifischen Verkaufswert zuzuweisen, der ausgehend vom Umsatz des Unternehmens auf der jeweiligen Streckenkategorie berechnet wird (siehe oben, Rn. 53), bei der Klägerin gleich null ist. Daher ist die Bemessungsgrundlage für den Multiplikationsfaktor im Zusammenhang mit der Dauer der Beteiligung der Klägerin an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung in Bezug auf die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz auf null festgesetzt worden. Folglich kann der Umstand, dass das Gericht, obwohl es nicht von dieser Methode abgewichen ist, gleichwohl davon abgesehen hat, die in den Erwägungsgründen 1214 und 1216 des angefochtenen Beschlusses herangezogenen Multiplikationsfaktoren zu berücksichtigen, nicht zu einer Herabsetzung des Betrags der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße führen. Mit anderen Worten ist die Klägerin bereits im Wesentlichen durch die Methode, die die Kommission verwendet hat, um den Betrag der gegen sie zu verhängenden Geldbuße zu berechnen, der Verhängung einer Geldbuße wegen ihrer Verantwortlichkeit für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie sich auf die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz bezieht, entgangen.

444    Die Multiplikationsfaktoren für die Strecken Union-Drittländer und EWR (ohne Union)-Drittländer, die nicht beanstandet werden, müssen bei 1 9/12 bzw. 8/12 verbleiben.

445    Somit ist der Grundbetrag der Geldbuße auf 111 331 780 Euro festzusetzen.

446    Was die allgemeine Ermäßigung um 50 % betrifft, so kann dem Antrag der Kommission, der Klägerin den Vorteil dieser Ermäßigung zu entziehen, nicht stattgegeben werden. Wie aus der Klagebeantwortung hervorgeht, setzt dieser Antrag voraus, dass das Gericht entscheidet, dass der Umsatz aus dem Verkauf eingehender Frachtdienste nicht in den Wert der Verkäufe einbezogen werden durfte. Das Gericht hat es oben in Rn. 436 jedoch abgelehnt, eine solche Entscheidung zu fällen.

447    Nach Anwendung der allgemeinen Ermäßigung um 50 %, die nur insoweit für den Grundbetrag gilt, als er sich auf die Strecken EWR (ohne Union)-Drittländer und Union-Drittländer bezieht (vgl. 1241. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), was die Klägerin im Rahmen des Nichtigkeitsantrags nicht angefochten hat, wobei diese Ermäßigung nicht unangemessen ist, muss der Grundbetrag der Geldbuße nach Rundung daher auf 55 000 000 Euro festgesetzt werden. Das Gericht hält es insoweit für angemessen, den Grundbetrag auf die ersten beiden Ziffern abzurunden – außer in Fällen, in denen die Ermäßigung mehr als 2 % des Betrags vor Rundung ausmacht (dann wird der Betrag auf die ersten drei Ziffern gerundet). Diese Methode ist objektiv, lässt allen beschuldigten Transportunternehmen, die gegen den angefochtenen Beschluss geklagt haben, eine Herabsetzung zugutekommen und vermeidet eine Ungleichbehandlung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, InnoLux/Kommission, T‑91/11, EU:T:2014:92, Rn. 166).

448    Was schließlich die Anpassungen des Grundbetrags der Geldbuße angeht, so ist daran zu erinnern, dass die Klägerin in den Genuss der allgemeinen Ermäßigung um 15 % gekommen ist, deren ausreichenden Charakter sie im Rahmen des neunten zur Untermauerung des Nichtigkeitsantrags geltend gemachten Klagegrundes und im Rahmen des siebten Arguments bestreitet. Aus ähnlichen wie den oben in den Rn. 382 bis 386 angeführten Gründen kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission das japanische Regulierungssystem nicht hinreichend berücksichtigt hat. Umgekehrt kann dem Antrag der Kommission auf Entzug des Vorteils dieser Ermäßigung aus ähnlichen wie den oben in Rn. 446 dargelegten Gründen nicht stattgegeben werden.

449    Darüber hinaus ist die Kommission im 1257. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin weder eine passive oder untergeordnete Rolle bei der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gespielt habe noch ihre Beteiligung an dieser sehr geringfügig gewesen sei, und hat es dementsprechend abgelehnt, ihr deswegen eine Herabsetzung des Betrags der Geldbuße zu gewähren. Es ist jedoch daran zu erinnern, dass die Kommission die Klägerin zu Unrecht für die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, soweit sie sich auf die EWR-internen Strecken und die Strecken Union-Schweiz bezog, zur Verantwortung gezogen hat (siehe oben, Rn. 221 bis 223). Folglich konnte die Klägerin für diese Zuwiderhandlung nur insoweit zur Verantwortung gezogen werden, als sie sich auf die Strecken Union-Drittländer und die Strecken EWR (ohne Union)-Drittländer bezog.

450    Die Beteiligung der Klägerin an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung war daher erheblich geringer als die der meisten anderen beschuldigten Transportunternehmen. Nach Ansicht des Gerichts ist die Geringfügigkeit dieser Beteiligung geeignet, eine Herabsetzung des Betrags der Geldbuße zu rechtfertigen, die stärker ist als sie Air Canada, Lan Cargo und SAS im 1258. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erhalten haben, weil sie „am Rand des [streitigen] Kartells tätig waren, nur wenige Kontakte mit anderen Transportunternehmen unterhielten und sich nicht an allen Bestandteilen der [einheitlichen und fortgesetzten] Zuwiderhandlung beteiligt haben“.

451    Unter diesen Umständen ist der Klägerin wegen ihrer geringfügigen Beteiligung an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung nach Auffassung des Gerichts eine Herabsetzung des Betrags der Geldbuße um 15 % zu gewähren, wobei das Ausmaß dieser Herabsetzung den oben in Rn. 443 in Erinnerung gerufenen Besonderheiten des vorliegenden Falls Rechnung trägt.

452    Dagegen ist das Gericht nicht der Ansicht, dass es aufgrund des achten Arguments gerechtfertigt ist, der Klägerin eine zusätzliche Herabsetzung des Betrags der Geldbuße zu gewähren. Dieses Argument setzt voraus, dass das Gericht dem zehnten Klagegrund, soweit er sich auf die Beteiligung der Klägerin am Bestandteil der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit der Verweigerung der Zahlung von Provisionen bezieht, stattgegeben hat. Wie oben aus den Rn. 331 bis 354 hervorgeht, hat das Gericht diesen Klagegrund aber in vollem Umfang zurückgewiesen.

453    Desgleichen ist zu beachten, dass das neunte und das zehnte Argument das Vorliegen einer Ungleichbehandlung zwischen der Klägerin und anderen beschuldigten Transportunternehmen voraussetzen. Wie im Rahmen der Prüfung des Nichtigkeitsantrags festgestellt worden ist, wird das Vorliegen einer solchen Diskriminierung aber nicht nachgewiesen.

454    Zum elften zur Stützung des vorliegenden Antrags geltend gemachten Argument einer Diskrepanz zur Entscheidungspraxis der Kommission genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof ein entsprechendes Argument im Urteil vom 23. April 2015, LG Display und LG Display Taiwan/Kommission (C‑227/14 P, EU:C:2015:258, Rn. 67), zurückgewiesen hat, weil die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet.

455    Es sei ferner daran erinnert, dass die Klägerin im Rahmen der Kronzeugenregelung eine Ermäßigung um 25 % erhalten hat, deren Angemessenheit sie nicht bestreitet.

456    Nach alledem ist der Betrag der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbuße wie folgt zu berechnen: Der Grundbetrag wird bestimmt, indem auf den Wert der von der Klägerin im Jahr 2005 auf den Strecken Union-Drittländer und EWR (ohne Union)-Drittländer getätigten Verkäufe unter Berücksichtigung der Schwere der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zunächst ein Prozentsatz von 16 %, dann wegen der Dauer der Zuwiderhandlung Multiplikationsfaktoren von 1 9/12 bzw. 8/12 und schließlich ein Zusatzbetrag von 16 % angewandt werden, was zu einem Zwischenbetrag von 111 331 780 Euro führt. Nach Anwendung der allgemeinen Ermäßigung um 50 % ist dieser Betrag gerundet auf 55 000 000 Euro festzusetzen. Nach Anwendung der allgemeinen Ermäßigung um 15 % und einer zusätzlichen Ermäßigung um 15 % wegen der geringfügigen Beteiligung der Klägerin an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung ist der Betrag sodann auf 38 500 000 Euro festzusetzen. Schließlich ist er im Rahmen der Kronzeugenregelung um 25 % zu kürzen, was zu einer endgültigen Geldbuße in Höhe von 28 875 000 Euro führt.

IV.    Kosten

457    Nach Art. 134 Abs. 3 der Verfahrensordnung trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, jede Partei ihre eigenen Kosten. Das Gericht kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint.

458    Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit einem erheblichen Teil ihrer Anträge obsiegt. Bei angemessener Würdigung der Umstände des Falles hat die Klägerin daher ein Drittel ihrer eigenen Kosten zu tragen, während die Kommission ihre eigenen Kosten und zwei Drittel der Kosten der Klägerin zu tragen hat.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 1 Abs. 1 Buchst. h und Abs. 4 Buchst. h des Beschlusses C(2017) 1742 final der Kommission vom 17. März 2017 in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV, Artikel 53 des EWR-Abkommens und Artikel 8 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr (Sache AT.39258 – Luftfracht) wird für nichtig erklärt.

2.      Die in Art. 3 Buchst. h dieses Beschlusses gegen die Japan Airlines Co. Ltd verhängte Geldbuße wird auf 28 875 000 Euro festgesetzt.

3.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.      Japan Airlines trägt ein Drittel ihrer eigenen Kosten.

5.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie zwei Drittel der Kosten von Japan Airlines.

Kanninen

Schwarcz

Iliopoulos

Spielmann

 

      Reine

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. März 2022.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis



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*      Verfahrenssprache: Englisch.