Language of document : ECLI:EU:T:2022:447

URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)

13. Juli 2022(*)

„Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Markt der Arzneimittelindustrie – Art. 22 der Verordnung EG Nr. 139/2004 – Verweisungsantrag einer Wettbewerbsbehörde, die nach den nationalen Rechtsvorschriften für die Prüfung des Zusammenschlusses nicht zuständig ist – Beschluss der Kommission, den Zusammenschluss zu prüfen – Beschlüsse der Kommission, mit denen den Anträgen anderer Wettbewerbsbehörden stattgegeben wird, sich dem Verweisungsantrag anzuschließen – Zuständigkeit der Kommission – Frist für die Stellung des Verweisungsantrags – Begriff ‚Mitteilung‘ – Angemessene Frist – Vertrauensschutz – Öffentliche Äußerung der Vizepräsidentin der Kommission – Rechtssicherheit“

In der Rechtssache T‑227/21,

Illumina, Inc. mit Sitz in Wilmington, Delaware (Vereinigte Staaten), vertreten durch D. Beard, Barrister, und Rechtsanwalt P. Chappatte,

Klägerin,

unterstützt durch

Grail LLC, vormals Grail, Inc. mit Sitz in Menlo Park, Kalifornien (Vereinigte Staaten), vertreten durch D. Little, Solicitor, sowie durch die Rechtsanwälte J. Ruiz Calzado, J. M. Jiménez-Laiglesia Oñate und A. Giraud,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch N. Khan, G. Conte und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Hellenische Republik, vertreten durch K. Boskovits als Bevollmächtigten,

durch

Französische Republik, vertreten durch T. Stéhelin, P. Dodeller, J.‑L. Carré und E. Leclerc als Bevollmächtigte,

durch

Königreich der Niederlande, vertreten durch M. Bulterman und P. Huurnink als Bevollmächtigte,

und durch

EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch C. Simpson, M. Sánchez Rydelski und M.‑M. Joséphidès als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung erstens des Beschlusses C(2021) 2847 final der Kommission vom 19. April 2021, mit dem dem Antrag der französischen Autorité de la Concurrence (Wettbewerbsbehörde) stattgegeben wurde, den Zusammenschluss in Form des Erwerbs der ausschließlichen Kontrolle über die Grail, Inc. durch die Illumina, Inc. (Sache COMP/M.10188 – Illumina/Grail) zu prüfen, zweitens der Beschlüsse C(2021) 2848 final, C(2021) 2849 final, C(2021) 2851 final, C(2021) 2854 final und C(2021) 2855 final der Kommission vom 19. April 2021, mit denen den Anträgen der griechischen, der belgischen, der norwegischen, der isländischen und der niederländischen Wettbewerbsbehörde stattgegeben wurde, sich diesem Verweisungsantrag anzuschließen, und drittens des Schreibens der Kommission vom 11. März 2021, mit dem Illumina und Grail über diesen Verweisungsantrag unterrichtet wurden,

erlässt

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. De Baere sowie der Richter V. Kreuschitz (Berichterstatter), U. Öberg und R. Mastroianni sowie der Richterin G. Steinfatt,

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2021

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Art. 1 („Anwendungsbereich“) der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“) (ABl. 2004, L 24, S. 1) lautet:

„(1)      Unbeschadet des Artikels 4 Absatz 5 und des Artikels 22 gilt diese Verordnung für alle Zusammenschlüsse von [europaweiter] Bedeutung im Sinne dieses Artikels.

(2)      Ein Zusammenschluss hat [europaweite] Bedeutung, wenn folgende Umsätze erzielt werden:

a)      ein weltweiter Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen von mehr als 5 Mrd. [Euro] und

b)      ein [unionsweiter] Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen von jeweils mehr als 250 Mio. [Euro];

dies gilt nicht, wenn die beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres [unionsweiten] Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielen.

(3)      Ein Zusammenschluss, der die in Absatz 2 vorgesehenen Schwellen nicht erreicht, hat [europaweite] Bedeutung, wenn

a)      der weltweite Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen mehr als 2,5 Mrd. [Euro] beträgt,

b)      der Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen in mindestens drei Mitgliedstaaten jeweils 100 Mio. [Euro] übersteigt,

c)      in jedem von mindestens drei von Buchstabe b) erfassten Mitgliedstaaten der Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils mehr als 25 Mio. [Euro] beträgt und

d)      der [unionsweite] Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen jeweils 100 Mio. [Euro] übersteigt;

dies gilt nicht, wenn die beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres [unionsweiten] Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielen.

…“

2        Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 wird ein Zusammenschluss dadurch bewirkt, dass eine dauerhafte Veränderung der Kontrolle in der Weise stattfindet, dass

„a)      zwei oder mehr bisher voneinander unabhängige Unternehmen oder Unternehmensteile fusionieren oder dass

b)      eine oder mehrere Personen, die bereits mindestens ein Unternehmen kontrollieren, oder ein oder mehrere Unternehmen durch den Erwerb von Anteilsrechten oder Vermögenswerten, durch Vertrag oder in sonstiger Weise die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über die Gesamtheit oder über Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen erwerben“.

3        Art. 4 der Verordnung Nr. 139/2004 bestimmt:

„(1)      Zusammenschlüsse von [europaweiter] Bedeutung im Sinne dieser Verordnung sind nach Vertragsabschluss, Veröffentlichung des Übernahmeangebots oder Erwerb einer die Kontrolle begründenden Beteiligung und vor ihrem Vollzug bei der Kommission anzumelden. …

(2)      Zusammenschlüsse in Form einer Fusion im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe a) oder in Form der Begründung einer gemeinsamen Kontrolle im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe b) sind von den an der Fusion oder der Begründung der gemeinsamen Kontrolle Beteiligten gemeinsam anzumelden. In allen anderen Fällen ist die Anmeldung von der Person oder dem Unternehmen vorzunehmen, die oder das die Kontrolle über die Gesamtheit oder über Teile eines oder mehrerer Unternehmen erwirbt.

(4)      Vor der Anmeldung eines Zusammenschlusses gemäß Absatz 1 können die Personen oder Unternehmen im Sinne des Absatzes 2 der Kommission in einem begründeten Antrag mitteilen, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb in einem Markt innerhalb eines Mitgliedstaats, der alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweist, erheblich beeinträchtigen könnte und deshalb ganz oder teilweise von diesem Mitgliedstaat geprüft werden sollte.

Die Kommission leitet diesen Antrag unverzüglich an alle Mitgliedstaaten weiter. Der in dem begründeten Antrag genannte Mitgliedstaat teilt innerhalb von 15 Arbeitstagen nach Erhalt dieses Antrags mit, ob er der Verweisung des Falles zustimmt oder nicht. Trifft der betreffende Mitgliedstaat eine Entscheidung nicht innerhalb dieser Frist, so gilt dies als Zustimmung.

Soweit dieser Mitgliedstaat der Verweisung nicht widerspricht, kann die Kommission, wenn sie der Auffassung ist, dass ein gesonderter Markt besteht und der Wettbewerb in diesem Markt durch den Zusammenschluss erheblich beeinträchtigt werden könnte, den gesamten Fall oder einen Teil des Falles an die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats verweisen, damit das Wettbewerbsrecht dieses Mitgliedstaats angewandt wird.

Die Entscheidung über die Verweisung oder Nichtverweisung des Falls gemäß Unterabsatz 3 ergeht innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Eingang des begründeten Antrags bei der Kommission. Die Kommission teilt ihre Entscheidung den übrigen Mitgliedstaaten und den beteiligten Personen oder Unternehmen mit. Trifft die Kommission innerhalb dieser Frist keine Entscheidung, so gilt der Fall entsprechend dem von den beteiligten Personen oder Unternehmen gestellten Antrag als verwiesen.

Beschließt die Kommission die Verweisung des gesamten Falles oder gilt der Fall gemäß den Unterabsätzen 3 und 4 als verwiesen, erfolgt keine Anmeldung gemäß Absatz 1, und das Wettbewerbsrecht des betreffenden Mitgliedstaats findet Anwendung. Artikel 9 Absätze 6 bis 9 finden entsprechend Anwendung.

(5)      Im Fall eines Zusammenschlusses im Sinne des Artikels 3, der keine [europaweite] Bedeutung im Sinne von Artikel 1 hat und nach dem Wettbewerbsrecht mindestens dreier Mitgliedstaaten geprüft werden könnte, können die in Absatz 2 genannten Personen oder Unternehmen vor einer Anmeldung bei den zuständigen Behörden der Kommission in einem begründeten Antrag mitteilen, dass der Zusammenschluss von der Kommission geprüft werden sollte.

Die Kommission leitet diesen Antrag unverzüglich an alle Mitgliedstaaten weiter.

Jeder Mitgliedstaat, der nach seinem Wettbewerbsrecht für die Prüfung des Zusammenschlusses zuständig ist, kann innerhalb von 15 Arbeitstagen nach Erhalt dieses Antrags die beantragte Verweisung ablehnen.

Lehnt mindestens ein Mitgliedstaat gemäß Unterabsatz 3 innerhalb der Frist von 15 Arbeitstagen die beantragte Verweisung ab, so wird der Fall nicht verwiesen. Die Kommission unterrichtet unverzüglich alle Mitgliedstaaten und die beteiligten Personen oder Unternehmen von einer solchen Ablehnung.

Hat kein Mitgliedstaat gemäß Unterabsatz 3 innerhalb von 15 Arbeitstagen die beantragte Verweisung abgelehnt, so wird die [europaweite] Bedeutung des Zusammenschlusses vermutet und er ist bei der Kommission gemäß den Absätzen 1 und 2 anzumelden. In diesem Fall wendet kein Mitgliedstaat sein innerstaatliches Wettbewerbsrecht auf den Zusammenschluss an.“

4        Art. 9 der Verordnung Nr. 139/2004 lautet wie folgt:

„(1)      Die Kommission kann einen angemeldeten Zusammenschluss durch Entscheidung unter den folgenden Voraussetzungen an die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats verweisen; sie unterrichtet die beteiligten Unternehmen und die zuständigen Behörden der übrigen Mitgliedstaaten unverzüglich von dieser Entscheidung.

(2)      Ein Mitgliedstaat kann der Kommission, die die beteiligten Unternehmen entsprechend unterrichtet, von Amts wegen oder auf Aufforderung durch die Kommission binnen 15 Arbeitstagen nach Erhalt der Kopie der Anmeldung mitteilen, dass

a)      ein Zusammenschluss den Wettbewerb auf einem Markt in diesem Mitgliedstaat, der alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweist, erheblich zu beeinträchtigen droht oder

b)      ein Zusammenschluss den Wettbewerb auf einem Markt in diesem Mitgliedstaat beeinträchtigen würde, der alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweist und keinen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellt.

(3)      Ist die Kommission der Auffassung, dass unter Berücksichtigung des Marktes der betreffenden Waren oder Dienstleistungen und des räumlichen Referenzmarktes im Sinne des Absatzes 7 ein solcher gesonderter Markt und eine solche Gefahr bestehen,

a)      so behandelt sie entweder den Fall nach Maßgabe dieser Verordnung selbst oder

b)      verweist die Gesamtheit oder einen Teil des Falls an die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats, damit das Wettbewerbsrecht dieses Mitgliedstaats angewandt wird.

Ist die Kommission dagegen der Auffassung, dass ein solcher gesonderter Markt oder eine solche Gefahr nicht besteht, so stellt sie dies durch Entscheidung fest, die sie an den betreffenden Mitgliedstaat richtet, und behandelt den Fall nach Maßgabe dieser Verordnung selbst.

In Fällen, in denen ein Mitgliedstaat der Kommission gemäß Absatz 2 Buchstabe b) mitteilt, dass ein Zusammenschluss in seinem Gebiet einen gesonderten Markt beeinträchtigt, der keinen wesentlichen Teil des [Binnenmarktes] darstellt, verweist die Kommission den gesamten Fall oder den Teil des Falls, der den gesonderten Markt betrifft, an die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats, wenn sie der Auffassung ist, dass ein gesonderter Markt betroffen ist.

…“

5        Art. 22 („Verweisung an die Kommission“) der Verordnung Nr. 139/2004 lautet:

„(1)      Auf Antrag eines oder mehrerer Mitgliedstaaten kann die Kommission jeden Zusammenschluss im Sinne von Artikel 3 prüfen, der keine [europaweite] Bedeutung im Sinne von Artikel 1 hat, aber den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des beziehungsweise der antragstellenden Mitgliedstaaten erheblich zu beeinträchtigen droht.

Der Antrag muss innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem der Zusammenschluss bei dem betreffenden Mitgliedstaat angemeldet oder, falls eine Anmeldung nicht erforderlich ist, ihm anderweitig zur Kenntnis gebracht worden ist, gestellt werden.

(2)      Die Kommission unterrichtet die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und die beteiligten Unternehmen unverzüglich von einem nach Absatz 1 gestellten Antrag.

Jeder andere Mitgliedstaat kann sich dem ersten Antrag innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem er von der Kommission über diesen informiert wurde, anschließen.

Alle einzelstaatlichen Fristen, die den Zusammenschluss betreffen, werden gehemmt, bis nach dem Verfahren dieses Artikels entschieden worden ist, durch wen der Zusammenschluss geprüft wird. Die Hemmung der einzelstaatlichen Fristen endet, sobald der betreffende Mitgliedstaat der Kommission und den beteiligten Unternehmen mitteilt, dass er sich dem Antrag nicht anschließt.

(3)      Die Kommission kann spätestens zehn Arbeitstage nach Ablauf der Frist gemäß Absatz 2 beschließen, den Zusammenschluss zu prüfen, wenn dieser ihrer Ansicht nach den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des bzw. der Antrag stellenden Mitgliedstaaten erheblich zu beeinträchtigen droht. Trifft die Kommission innerhalb der genannten Frist keine Entscheidung, so gilt dies als Entscheidung, den Zusammenschluss gemäß dem Antrag zu prüfen.

Die Kommission unterrichtet alle Mitgliedstaaten und die beteiligten Unternehmen von ihrer Entscheidung. Sie kann eine Anmeldung gemäß Artikel 4 verlangen.

Das innerstaatliche Wettbewerbsrecht des bzw. der Mitgliedstaaten, die den Antrag gestellt haben, findet auf den Zusammenschluss nicht mehr Anwendung.

(4)      Wenn die Kommission einen Zusammenschluss gemäß Absatz 3 prüft, finden Artikel 2, Artikel 4 Absätze 2 und 3, die Artikel 5 und 6 sowie die Artikel 8 bis 21 Anwendung. Artikel 7 findet Anwendung, soweit der Zusammenschluss zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission den beteiligten Unternehmen mitteilt, dass ein Antrag eingegangen ist, noch nicht vollzogen worden ist.

Ist eine Anmeldung nach Artikel 4 nicht erforderlich, beginnt die Frist für die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 10 Absatz 1 an dem Arbeitstag, der auf den Arbeitstag folgt, an dem die Kommission den beteiligten Unternehmen ihre Entscheidung mitteilt, den Zusammenschluss gemäß Absatz 3 zu prüfen.

(5)      Die Kommission kann einem oder mehreren Mitgliedstaaten mitteilen, dass ein Zusammenschluss nach ihrem Dafürhalten die Kriterien des Absatzes 1 erfüllt. In diesem Fall kann die Kommission diesen Mitgliedstaat beziehungsweise diese Mitgliedstaaten auffordern, einen Antrag nach Absatz 1 zu stellen.“

 Sachverhalt

 Zu den beteiligten Unternehmen und dem fraglichen Zusammenschluss

6        Die Klägerin, die Illumina, Inc. liefert sequenzierungs- und datengestützte Lösungen für die genetische und genomische Analyse.

7        Am 20. September 2020 schloss Illumina einen Fusionsvertrag und ‑plan mit dem Ziel der Erlangung der ausschließlichen Kontrolle über die Grail LLC (vormals Grail, Inc.), die Bluttests für die Früherkennung von Krebs entwickelt und an der sie bereits mit 14,5 % des Kapitals beteiligt war (im Folgenden: betreffender Zusammenschluss).

8        Am 21. September 2020 veröffentlichten Illumina und Grail (im Folgenden: beteiligte Unternehmen) eine Pressemitteilung, in der sie diesen Zusammenschluss bekannt gaben.

 Zur fehlenden Anmeldung

9        Da der Umsatz der beteiligten Unternehmen die einschlägigen Schwellenwerte nicht überstieg, insbesondere angesichts des Umstands, dass Grail weder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union noch sonst wo in der Welt Einnahmen erwirtschaftete, hatte der betreffende Zusammenschluss keine europaweite Bedeutung im Sinne von Art. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 und wurde daher bei der Europäischen Kommission nicht nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung angemeldet.

10      Der Zusammenschluss wurde auch nicht in den Mitgliedstaaten der Union oder den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 3) angemeldet, da er nicht in den Geltungsbereich ihrer innerstaatlichen Vorschriften für die Fusionskontrolle fiel.

 Zum Antrag auf Verweisung an die Kommission

11      Am 7. Dezember 2020 ging bei der Kommission eine gegen den betreffenden Zusammenschluss gerichtete Beschwerde ein. Am 17. Dezember 2020 fand eine Videokonferenz zwischen der Kommission und dem Beschwerdeführer statt, in der der Beschwerdeführer seine Bedenken gegen diesen Zusammenschluss vortrug. Im Anschluss an diese Konferenz führte die Kommission mit dem Beschwerdeführer und, um ihre etwaige Zuständigkeit für die Prüfung des genannten Zusammenschlusses abzuklären, mit den deutschen, den österreichischen, den slowenischen und den schwedischen Wettbewerbsbehörden weitere Gespräche. Sie stand auch in Kontakt mit der Competition and Markets Authority (CMA, Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde, Vereinigtes Königreich), bei der die Beschwerde ebenfalls eingegangen war. Die Kommission gelangte zu dem vorläufigen Ergebnis, dass der betreffende Zusammenschluss Gegenstand einer Verweisung nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 sein könne, insbesondere angesichts des Umstands, dass die Bedeutung, die Grail für den Wettbewerb habe, in ihrem Umsatz keinen Ausdruck finde.

12      Am 19. Februar 2021 unterrichtete die Kommission die Mitgliedstaaten über den betreffenden Zusammenschluss. Sie stellte ihn den nationalen Wettbewerbsbehörden im Rahmen der Arbeitsgruppe zu den Zusammenschlüssen des Europäischen Wettbewerbsnetzes vor und sandte ihnen ein Schreiben gemäß Art. 22 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004 zu (im Folgenden: Aufforderungsschreiben). In diesem Schreiben erläuterte die Kommission, weshalb sie auf den ersten Blick der Auffassung sei, dass der Zusammenschluss die Voraussetzungen nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung erfülle, und sie forderte die Mitgliedstaaten auf, einen Verweisungsantrag gemäß dieser Bestimmung zu stellen. Danach führte die Kommission mit einigen nationalen Wettbewerbsbehörden weitere Gespräche, die das genannte Schreiben zum Gegensand hatten.

13      Mit E‑Mail vom 26. Februar 2021 wandte sich die Kommission an die Klägerin und schlug ihr vor, den betreffenden Zusammenschluss telefonisch zu besprechen. Im Rahmen dieser Unterredung, die am 4. März 2021 stattfand, unterrichtete sie den gesetzlichen Vertreter der beiden beteiligten Unternehmen über das Aufforderungsschreiben und über die Möglichkeit eines Verweisungsantrags nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004.

14      Am 9. März 2021 beantragte die französische Wettbewerbsbehörde (im Folgenden: ACF) bei der Kommission nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004, den betreffenden Zusammenschluss zu prüfen (im Folgenden: Verweisungsantrag).

15      Am 10. März 2021 unterrichtete die Kommission gemäß Art. 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 die Wettbewerbsbehörden der anderen Mitgliedstaaten sowie die EFTA-Überwachungsbehörde über den Verweisungsantrag. Am 11. März 2021 unterrichtete die Kommission auch die beteiligten Unternehmen über den Verweisungsantrag und wies sie darauf hin, dass der betreffende Zusammenschluss nicht vollzogen werden könne, sofern und soweit die Verpflichtung zum Aufschub nach Art. 7 der Verordnung Nr. 139/2004 in Verbindung mit deren Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 2 bestehe (im Folgenden: Informationsschreiben).

16      Mit Schreiben vom 24., 26. und 31. März 2021 beantragten die belgische, die griechische, die isländische, die niederländische und die norwegische Wettbewerbsbehörde, sich dem Verweisungsantrag gemäß Art. 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 anzuschließen (im Folgenden: Anträge auf Anschließung).

17      Am 16. und 29. März 2021 reichten die beteiligten Unternehmen bei der Kommission eine Stellungnahme ein, mit der sie dem Verweisungsantrag entgegentraten. Am 2., 7. und 12. April 2021 beantwortete die Klägerin die Auskunftsverlangen, die die Kommission am 26. März und 8. April 2021 an sie gerichtet hatte.

18      Am 31. März 2021 veröffentlichte die Kommission den Leitfaden zur Anwendung des Verweisungssystems nach Artikel 22 der [Verordnung Nr. 139/2004] auf bestimmte Kategorien von Vorhaben (ABl. 2021, C 113, S. 1, im Folgenden: Leitfaden zu Art. 22).

19      Mit Beschluss der Kommission vom 19. April 2021 gab die Kommission dem Verweisungsantrag statt (im Folgenden: angefochtener Beschluss). Mit Beschlüssen vom selben Tag, die Belgien, Griechenland, Island, die Niederlande und Norwegen betrafen, gab sie auch den Anträgen auf Anschließung statt (im Folgenden zusammen mit dem angefochtenen Beschluss: angefochtene Beschlüsse).

 Zu den angefochtenen Beschlüssen

 Zur Einhaltung der Frist von 15 Arbeitstagen

20      Die Kommission war der Auffassung, dass der Verweisungsantrag vom 9. März 2021 innerhalb der in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 bestimmten Frist von 15 Arbeitstagen eingereicht worden sei, da der betreffende Zusammenschluss der Französischen Republik mit dem Aufforderungsschreiben am 19. Februar 2021 zur Kenntnis gebracht worden sei (Rn. 20 und 29 des angefochtenen Beschlusses). Dieses Schreiben, dem eine umfassende Untersuchung, eine zielgerichtete Analyse und vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellte Informationen zugrunde gelegen hätten, habe der Französischen Republik die Möglichkeit gegeben, eine vorläufige Prüfung der Voraussetzungen nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 vorzunehmen (Rn. 26 und 28 des angefochtenen Beschlusses).

21      Außerdem hätten die Anträge auf Anschließung die in Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 bestimmte Frist gewahrt, da das Königreich Belgien, die Hellenische Republik, die Republik Island, das Königreich der Niederlande und das Königreich Norwegen die Anträge am 24., 26. und 31. März 2021 eingereicht hätten, also innerhalb der Frist von 15 Arbeitstagen ab dem Zeitpunkt, zu dem sie diese mit Schreiben vom 10. März 2021 von dem Verweisungsantrag in Kenntnis gesetzt habe (Rn. 21 und 22 der Beschlüsse bezüglich Belgien, Island, der Niederlande und Norwegen und Rn. 16 und 17 des Beschlusses bezüglich Griechenland).

 Zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und zur drohenden erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs

22      Die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, dass der betreffende Zusammenschluss zum einen den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen könne (Rn. 39 bis 45 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 33 bis 39 der Beschlüsse bezüglich Belgien, Island, der Niederlande und Norwegen und Rn. 28 bis 34 des Beschlusses bezüglich Griechenland) und zum anderen den Wettbewerb im französischen, im griechischen, im isländischen, im belgischen, im norwegischen und im niederländischen Hoheitsgebiet als Teile des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) erheblich zu beeinträchtigen drohe (Rn. 51 und 80 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 49 und 78 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 41 und 70 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 46 und 75 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 50 und 79 des Beschlusses bezüglich der Niederlande).

 Zur Eignung der Verweisung

23      Nach Ansicht der Kommission erfüllte der betreffende Zusammenschluss die Voraussetzungen für eine Verweisung nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 (Rn. 109 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 107 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 99 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 104 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 108 des Beschlusses bezüglich der Niederlande).

24      Als Erstes seien die in Rn. 45 ihrer Mitteilung über die Verweisung von Fusionssachen (ABl. 2005, C 56, S. 2, im Folgenden: Mitteilung über die Verweisung) genannten Voraussetzungen erfüllt (Rn. 85 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 83 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 75 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 80 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 84 des Beschlusses bezüglich der Niederlande). Ferner würden die NGS-gestützten Sequenzierungstests für Krebs als erhebliche Verbesserung in der Krebsbekämpfung angesehen, die eine der Prioritäten der Kommission im Gesundheitsbereich darstelle. Ein einheitliches Vorgehen bei den Forschungsanstrengungen auf Unionsebene sei daher wünschenswert (Rn. 84 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 82 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 74 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 79 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 83 des Beschlusses bezüglich der Niederlande).

25      Als Zweites wies die Kommission darauf hin, dass der Leitfaden zu Art. 22 klarstelle, wie die in der Mitteilung über die Verweisung angeführten Kriterien in dem Fall anzuwenden seien, in dem die nationalen Behörden für die Prüfung eines Zusammenschlusses nicht zuständig seien. Der betreffende Zusammenschluss falle in den Anwendungsbereich dieses Leitfadens, da er den Erwerb eines Unternehmens umfasse, dessen Bedeutung für den Wettbewerb sich nicht in dessen Umsatzzahlen widerspiegele (Rn. 86 und 87 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 84 und 85 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 76 und 77 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 81 und 82 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 85 und 86 des Beschlusses bezüglich der Niederlande).

26      Ferner sei der betreffende Zusammenschluss in anderen Mitgliedstaaten weder vollzogen noch angemeldet worden (Rn. 88 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 86 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 78 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 83 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 87 des Beschlusses bezüglich der Niederlande).

27      Als Drittes prüfte die Kommission das Vorbringen der beteiligten Unternehmen in Bezug auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Union und die Verteidigungsrechte (Rn. 89 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 87 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 79 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 84 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 88 des Beschlusses bezüglich der Niederlande).

28      Was erstens ihre Zuständigkeit betrifft, war die Kommission der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 die Verweisung eines Fusionskontrollverfahrens, „für das sie nicht zuständig seien“, an sie beantragen könnten, sofern die in dieser Vorschrift genannten rechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Wie dies im Leitfaden zu Art. 22 festgehalten werde, ergebe sich diese Schlussfolgerung aus einer wörtlichen Auslegung dieser Bestimmung und werde durch ihre Entstehungsgeschichte, ihre Zielsetzung, ihre allgemeine Systematik und durch eine systematische Auslegung der Verordnung Nr. 139/2004 sowie durch die Praxis der Kommission bestätigt.

29      Insbesondere verlange Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004, der abschließend die rechtlichen Voraussetzungen für die Verweisungsanträge aufführe, nicht, dass „der Mitgliedstaat, der einen solchen Antrag stellt, für die Prüfung des betreffenden Zusammenschlusses zuständig ist“, sondern erkenne sowohl ausdrücklich als auch implizit an, dass dieser Antrag von einem Mitgliedstaat gestellt werden könne, in dem die Anmeldung des betreffenden Zusammenschlusses nicht erforderlich sei. Seit dem Erlass der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 1989, L 395, S. 1) sei es das Ziel, der Kommission die Kontrolle von Zusammenschlüssen zu ermöglichen, die eine wettbewerbswidrige Schädigung im Binnenmarkt hervorrufen könnten und bei denen eine Prüfung durch die Behörden der Mitgliedstaaten nicht möglich sei. Eine enge Auslegung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 könne dazu führen, dass die Kontrolle derartiger Zusammenschlüsse und ihrer grenzüberschreitenden Auswirkungen verhindert würde. Ein Mitgliedstaat, der über kein Fusionskontrollsystem verfüge, habe bereits aufgrund der Verordnung Nr. 4064/89 eine Verweisung an die Kommission beantragen können, wie dies mit dem Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission (T‑22/97, EU:T:1999:327), bestätigt worden sei. Die Kommission habe akzeptiert, dass sich Mitgliedstaaten ohne Fusionskontrollsystem dem Verweisungsantrag eines anderen Mitgliedstaats anschlössen. Hätte der Unionsgesetzgeber den Anwendungsbereich von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 durch Ausschluss dieser Mitgliedstaaten einschränken wollen, hätte er dasselbe Zuständigkeitskriterium wie in Art. 4 Abs. 5 der Verordnung verwenden können (Rn. 90 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 88 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 80 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 85 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 89 des Beschlusses bezüglich der Niederlande).

30      Was zweitens das Subsidiaritätsprinzip gemäß dem achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004 betrifft, wies die Kommission auf die Entscheidung des Unionsgesetzgebers hin, dass ein Fusionskontrollverfahren nach Maßgabe von Art. 22 dieser Verordnung an sie verwiesen werden könne. Das Subsidiaritätsprinzip finde nur auf Sachverhalte Anwendung, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fielen, wenn es darum gehe, festzustellen, ob die geplante Maßnahme von den Mitgliedstaaten nicht in ausreichendem Maße vollzogen werden könne. Mangels Zuständigkeit aber habe die Prüfung des betreffenden Zusammenschlusses nicht von den Mitgliedstaaten vorgenommen werden können (Rn. 92 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 90 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 82 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 87 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 91 des Beschlusses bezüglich der Niederlande).

31      Was drittens den Schutz des berechtigten Vertrauens der beteiligten Unternehmen anbelangt, stellte die Kommission fest, dass die Mitgliedstaaten stets berechtigt gewesen seien, nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 Fusionskontrollverfahren, die in diesen Staaten nicht hätten angemeldet werden müssen, an die Kommission zu verweisen. Ihre frühere Praxis, diese nicht zuständigen Mitgliedstaaten von der Einreichung eines Verweisungsantrags abzuhalten, bedeute nicht, dass sie eine Anwendung dieser Bestimmung auf alle künftigen Verfahren ausgeschlossen habe. In ihrem Weißbuch vom 9. Juli 2014 „Eine wirksamere EU-Fusionskontrolle“ (COM[2014] 449 final) (im Folgenden: Weißbuch von 2014) sei dieses Recht vielmehr ausdrücklich bestätigt worden. Sie habe keine klare, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherung gegeben, durch die bestimmte Verweisungsanträge für die Zukunft ausgeschlossen gewesen wären. Auch die Vizepräsidentin der Kommission habe in ihrer Rede vom 11. September 2020 keine derartigen Zusicherungen abgegeben, sondern darauf hingewiesen, dass es sachdienlich sei, die frühere Praxis zu ändern, und dass sich dies nicht von einem Tag auf den anderen bewerkstelligen lasse (Rn. 94 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 92 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 84 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 89 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 93 des Beschlusses bezüglich der Niederlande).

32      Was viertens die Rechtssicherheit betrifft, ging die Kommission davon aus, dass die seit Ankündigung des betreffenden Zusammenschlusses verstrichene Zeit und die etwaigen negativen Auswirkungen auf die beteiligten Unternehmen durch die möglicherweise erheblichen Auswirkungen dieses Zusammenschlusses auf den Wettbewerb aufgewogen würden, die eine Prüfung erforderlich machten (Rn. 100 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 98 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 90 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 95 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 99 des Beschlusses bezüglich der Niederlande).

33      Auf den ersten Blick seien die möglichen Auswirkungen des betreffenden Zusammenschlusses auf den Wettbewerb im Binnenmarkt und auf die europäischen Verbraucher nämlich erheblich. Die Kommission habe von diesem Zusammenschluss im Dezember 2020 über die Beschwerde Kenntnis erlangt. Sie habe unverzüglich die Umstände des Falles geprüft und, nachdem sie davon unterrichtet worden sei, dass dieser Zusammenschluss die einschlägigen Schwellenwerte in keinem der Mitgliedstaaten überschreite, an diese das Aufforderungsschreiben versandt. Da im Übrigen der betreffende Zusammenschluss wegen eines laufenden Verfahrens vor den amerikanischen Gerichten nicht habe vollzogen werden können, seien die Auswirkungen des Zeitablaufs auf die beteiligten Unternehmen begrenzt gewesen (Rn. 97 bis 99 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 95 bis 97 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 87 bis 89 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 92 bis 94 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 96 bis 98 des Beschlusses bezüglich der Niederlande).

34      Was fünftens den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz betrifft, war die Kommission der Ansicht, dass die von den beteiligten Unternehmen vorgeschlagene enge Auslegung dem Wortlaut von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 sowie der Zielsetzung und der allgemeinen Systematik dieser Vorschrift widerspreche. Ihre Beurteilung habe im Einklang mit diesem Grundsatz gestanden, da sie insbesondere berücksichtigt habe, ob der betreffende Zusammenschluss bereits vollzogen sei, ob er in einem oder mehreren Mitgliedstaaten, die nicht seine Verweisung beantragt hätten, angemeldet worden sei und ob sein Zweck ein „erhebliches Wettbewerbspotenzial“ beinhalte, das nicht in seinem Umsatz zum Ausdruck komme. Von den zahlreichen Zusammenschlüssen ohne europaweite Bedeutung im Sinne von Art. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 erfülle nur eine geringe Anzahl zum einen die Voraussetzungen nach Art. 22 der Verordnung und könne zum anderen als für eine Verweisung nach dem Leitfaden zu Art. 22 geeignet angesehen werden. Derartige Verfahren könnten daher als außergewöhnlich gelten (Rn. 102 und 103 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 100 und 101 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 92 und 93 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 97 und 98 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 101 und 102 des Beschlusses bezüglich der Niederlande).

35      Sechstens wies die Kommission das Vorbringen der beteiligten Unternehmen als unbegründet zurück, wonach gegen ihr Recht auf Anhörung und die Grundsätze der Billigkeit und der guten Verwaltung verstoßen worden sei. Sie habe am 26. Februar 2021 die Klägerin von dem Versand ihres Aufforderungsschreibens unterrichtet, also vor dem Eingang des Verweisungsantrags. Ihre Vorgehensweise stehe daher im Einklang mit Nr. 27 des Leitfadens zu Art. 22, wonach, wenn ein Verweisungsantrag in Betracht gezogen werde, die Kommission die beteiligten Unternehmen so früh wie möglich darüber informiere. Der Zweck dieser Nummer des Leitfadens sei es im Übrigen, auf eine etwaig bestehende Pflicht zum Aufschub des Zusammenschlusses hinzuweisen. Die Kommission habe zudem die beteiligten Unternehmen rechtzeitig über den Verweisungsantrag unterrichtet, der ihnen nach dessen Eingang umgehend übermittelt worden sei (Rn. 104 bis 108 des angefochtenen Beschlusses, Rn. 102 bis 106 des Beschlusses bezüglich Belgien, Rn. 94 bis 98 des Beschlusses bezüglich Griechenland, Rn. 99 bis 103 der Beschlüsse bezüglich Island und Norwegen und Rn. 103 bis 107 des Beschlusses bezüglich der Niederlande).

 Verfahren und Anträge der Beteiligten

36      Mit Klageschrift, die am 28. April 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

37      Mit gesondertem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß den Art. 151 und 152 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, über die vorliegende Klage im beschleunigten Verfahren zu entscheiden. Mit Beschluss vom 3. Juni 2021 hat das Gericht diesem Antrag stattgegeben.

38      Mit am 7. Juni 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Grail, Inc. beantragt, als Streithelferin in dem vorliegenden Verfahren zur Unterstützung der Klägerin zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 2. Juli 2021 hat der Präsident der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts diese Streithilfe zugelassen. Mit prozessleitender Maßnahme vom selben Tag ist der Grail, Inc. gemäß Art. 154 Abs. 3 der Verfahrensordnung in Verbindung mit deren Art. 145 Abs. 1 und Art. 89 Abs. 3 Buchst. b die Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes gestattet worden.

39      Auf Vorschlag der Dritten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen.

40      Mit am 22. Juni sowie am 6., 21. und 29. Juli 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsätzen haben das Königreich der Niederlande, die Französische Republik, die Hellenische Republik und die EFTA-Überwachungsbehörde beantragt, in dem vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Kommission zugelassen zu werden. Mit Entscheidungen vom 12. und 22. Juli sowie vom 6. und 25. August 2021 hat der Präsident der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts diese Streithilfen zugelassen. Mit prozessleitenden Maßnahmen vom 16. und 23. Juli sowie vom 13. und 25. August 2021 sind dem Königreich der Niederlande, der Französischen Republik, der Hellenischen Republik und der EFTA-Überwachungsbehörde gemäß Art. 154 Abs. 3 der Verfahrensordnung in Verbindung mit deren Art. 145 Abs. 1 und Art. 89 Abs. 3 Buchst. b die Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes gestattet worden.

41      Mit am 13. August 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat Computer Communication Industry Association beantragt, als Streithelferin in dem vorliegenden Verfahren zur Unterstützung der Klägerin zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 6. Oktober 2021 hat der Präsident der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts diesen Antrag auf Zulassung zur Streithilfe zurückgewiesen.

42      Mit am 18. August 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin dem Gericht mitgeteilt, dass sie am selben Tag sämtliche Gesellschaftsanteile der Grail, Inc. erworben, zugleich aber eine Vereinbarung über die Trennung der Aktivposten geschaffen habe.

43      Mit am 5. Oktober 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin einen Antrag auf prozessleitende Maßnahmen gestellt. Die Kommission hat ihre Stellungnahme zu diesem Antrag am 19. Oktober 2021 eingereicht. Am 29. Oktober 2021 hat die Klägerin ihre Stellungnahme zu dieser Stellungnahme der Kommission abgegeben.

44      Die Streithelferinnen haben jeweils ihren Schriftsatz innerhalb der gesetzten Fristen eingereicht.

45      Am 7. Oktober 2021 hat die Kommission beantragt, Grail die Stellung als Streithelferin zu entziehen. Die Klägerin, die Hellenische Republik und Grail haben ihre Stellungnahmen zu diesem Antrag am 3. und 4. November 2021 eingereicht.

46      Da zwei Mitglieder der Kammer aus dem Amt ausgeschieden sind und ein neuer Kammerpräsident gewählt worden ist, hat der Präsident der Dritten Kammer mit Beschluss vom 19. Oktober 2021 gemäß Art. 17 Abs. 2 der Verfahrensordnung in Verbindung mit deren Art. 27 Abs. 5 zwei andere Richter zur Ergänzung des Spruchkörpers bestimmt.

47      Am 11. November 2021 hat das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen.

48      Am selben Tag hat das Gericht im Rahmen prozessleitender Maßnahmen im Sinne von Art. 89 Abs. 3 Buchst. a und b der Verfahrensordnung die Kommission zur Beantwortung einiger schriftlicher Fragen zu bestimmten Aspekten des Rechtsstreits aufgefordert. Die Kommission hat diese Fragen innerhalb der gesetzten Frist beantwortet.

49      Mit am 6. Dezember 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin einen Antrag auf prozessleitende Maßnahmen gestellt. Die Kommission, die EFTA-Überwachungsbehörde, Grail, die Französische Republik und das Königreich der Niederlande haben ihre Stellungnahmen zu diesem Antrag am 9. und 10. Dezember 2021 eingereicht.

50      In der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2021 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

51      Die Klägerin, unterstützt durch Grail, beantragt,

–        die angefochtenen Beschlüsse sowie das Informationsschreiben für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

52      Die Kommission, unterstützt durch die EFTA-Überwachungsbehörde, die Hellenische Republik, die Französische Republik und das Königreich der Niederlande, beantragt.

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise, die Klage als teilweise offensichtlich unzulässig und teilweise unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

 Zum Antrag auf Aufhebung des Streithelferinnenstatus von Grail

53      Die Kommission, unterstützt durch die Hellenische Republik, macht im Wesentlichen geltend, dass infolge des Schreibens der Klägerin vom 18. August 2021, mit dem diese dem Gericht mitgeteilt habe, dass sie am selben Tag sämtliche Gesellschaftsanteile der Grail, Inc. erworben habe (siehe oben, Rn. 42), die Grail, Inc. zur Grail LLC geworden sei, d. h. zu einem neuen, vollständig von der Klägerin kontrollierten Unternehmen, so dass Grail die ihr mit Beschluss vom 2. Juli 2021 zuerkannte Streithelferinneneigenschaft (siehe oben, Rn. 38) verloren habe. Sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus rechtlicher Sicht habe daher die Streithilfe ihren Gegenstand verloren, und die Interessen der Grail LLC fielen fortan mit denen der Klägerin zusammen, von der sie im Rahmen des vorliegenden Verfahrens umfassend wahrgenommen würden. Da die Grail LLC innerhalb der Frist nach Art. 143 Abs. 1 der Verfahrensordnung keinen neuen Streithilfeantrag gestellt habe, müsse der Streithelferinnenstatus von Grail förmlich aufgehoben werden.

54      Die Klägerin und Grail widersprechen dem Vorbringen der Kommission, da die Grail LLC die Rechtsnachfolgerin der Grail, Inc. sei, deren Interesse an dem Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits fortbestehe. Nach dem eigenen Vorbringen der Kommission sei die Grail LLC ein eigenständiges, unabhängiges und autonomes Unternehmen der Klägerin, das gesonderte Geschäftstätigkeiten und eine eigene Strategie verfolge.

55      Zum einen genügt der Hinweis, dass die Grail LLC nach dem Gesellschaftsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika eine juristische Person ist, die die Rechtsnachfolgerin der Grail, Inc. ist. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. März 2012, Marine Harvest Norway und Alsaker Fjordbruk/Rat, T‑113/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:135, Rn. 24 bis 33) trat die Grail LLC daher am 18. August 2021 als Gesamtrechtsnachfolgerin an die Stelle der Grail, Inc.

56      Insoweit ist bereits entschieden worden, dass die von einer juristischen Person erhobene Nichtigkeitsklage von deren Gesamtrechtsnachfolger fortgeführt werden kann, besonders in Fällen, in denen diese juristische Person erlischt und ihre gesamten Rechte und Pflichten auf einen neuen Träger übertragen werden, da der genannte Rechtsnachfolger notwendigerweise vollumfänglich an die Stelle der Vorgängerin tritt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. März 2012, Marine Harvest Norway und Alsaker Fjordbruk/Rat, T‑113/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:135, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Zum anderen wird die Grail LLC zwar von der Klägerin vollständig kontrolliert, doch stellt sie eine eigenständige juristische Person dar, die prozessfähig ist und gemäß Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Verbindung mit deren Art. 53 Abs. 1 ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits glaubhaft machen kann. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin eine Vereinbarung über die Trennung der Aktivposten schuf (siehe oben, Rn. 42) und die Kommission mit ihrer Entscheidung C(2021) 7675 final vom 29. Oktober 2021 (Sache COMP/M.10493 – Illumina/Grail) einstweilige Maßnahmen gemäß Art. 8 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 139/2004 anordnete, wonach die Crail LLC ein eigenständiges, unabhängiges und autonomes Unternehmen der Klägerin bleiben müsse, das unter unabhängiger Leitung gesonderte Geschäftstätigkeiten und eine eigene Strategie verfolge.

58      Hieraus folgt, dass die Grail LLC als Gesamtrechtsnachfolgerin im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits als Streithelferin an die Stelle der Grail, Inc. getreten ist, für die der Tenor des Beschlusses des Präsidenten der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts vom 2. Juli 2021 (siehe oben, Rn. 38) Geltung hat. Insoweit ist klarzustellen, dass die Grail LLC als die andere an dem betreffenden Zusammenschluss beteiligte Person ihr Interesse am Ausgang des Rechtsstreits in gleicher Weise behält wie das Interesse, das ihre Rechtsvorgängerin Grail, Inc glaubhaft gemacht hat (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 21. März 2012, Marine Harvest Norway und Alsaker Fjordbruk/Rat, T‑113/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:135, Rn. 30).

59      Der Antrag der Kommission auf Aufhebung des Streithelferinnenstatus von Grail ist somit zurückzuweisen.

 Zulässigkeit

60      Ohne insoweit förmlich eine Unzulässigkeitseinrede nach Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung zu erheben, macht die Kommission, unterstützt durch die Hellenische Republik und die Französische Republik, geltend, dass die vorliegende Klage unzulässig sei. Erstens sei der Verweisungsantrag keine Handlung der Kommission, zweitens sei das Informationsschreiben durch den angefochtenen Beschluss ersetzt worden, und drittens seien die angefochtenen Beschlüsse vorbereitende Handlungen, deren Rechtswidrigkeit im Rahmen einer Klage gegen die endgültige Entscheidung über den betreffenden Zusammenschluss geltend gemacht werden könne.

61      Die Klägerin, unterstützt durch Grail, hält die vorliegende Klage für zulässig.

62      Was als Erstes den Verweisungsantrag betrifft, ergibt sich aus der gekürzten Fassung der Klageschrift, insbesondere daraus, dass in deren Rn. 214 der auf diesen Verweisungsantrag gerichtete Klageantrag weggelassen worden ist, dass der Verweisungsantrag im Rahmen des vorliegenden beschleunigten Verfahrens nicht Gegenstand der Klage ist. Die Ausführungen der Kommission zu diesem Antrag gehen daher ins Leere und sind zurückzuweisen.

63      Was als Zweites die angefochtenen Beschlüsse betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung anfechtbare Handlungen im Sinne von Art. 263 AEUV unabhängig von ihrer Form alle von den Organen erlassenen Bestimmungen sind, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen (Urteile vom 13. Februar 2014, Ungarn/Kommission, C‑31/13 P, EU:C:2014:70, Rn. 54, vom 25. Oktober 2017, Rumänien/Kommission, C‑599/15 P, EU:C:2017:801, Rn. 47, und vom 22. April 2021, thyssenkrupp Electrical Steel und thyssenkrupp Electrical Steel Ugo/Kommission, C‑572/18 P, EU:C:2021:317, Rn. 46).

64      Für die Feststellung, ob eine angefochtene Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, ist auf ihren materiellen Gehalt abzustellen. Diese Wirkungen sind anhand objektiver Kriterien zu beurteilen, wie z. B. des Inhalts der Handlung, wobei gegebenenfalls der Zusammenhang ihres Erlasses und die Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Februar 2014, Ungarn/Kommission, C‑31/13 P, EU:C:2014:70, Rn. 55, vom 25. Oktober 2017, Rumänien/Kommission, C‑599/15 P, EU:C:2017:801, Rn. 48, und vom 22. April 2021, thyssenkrupp Electrical Steel und thyssenkrupp Electrical Steel Ugo/Kommission, C‑572/18 P, EU:C:2021:317, Rn. 48).

65      Bei einer Nichtigkeitsklage, die von natürlichen oder juristischen Personen erhoben wird, ist es erforderlich, dass die verbindlichen Rechtswirkungen der angefochtenen Handlung die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 37, sowie vom 25. Februar 2021, VodafoneZiggo Group/Kommission, C‑689/19 P, EU:C:2021:142, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66      Danach stellen Maßnahmen, die beim Abschluss eines Verwaltungsverfahrens den Standpunkt eines Organs endgültig festlegen und verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen, die geeignet sind, die Interessen des Klägers zu beeinträchtigen, grundsätzlich anfechtbare Handlungen dar, nicht jedoch Zwischenmaßnahmen, die der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung dienen und keine solchen verbindlichen Rechtswirkungen erzeugen. Zwischenmaßnahmen, die eine vorläufige Meinung des Organs zum Ausdruck bringen und der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung dienen, sind daher grundsätzlich keine Handlungen, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können (vgl. Urteil vom 6. Mai 2021, ABLV Bank u. a./EZB, C‑551/19 P und C‑552/19 P, EU:C:2021:369, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Im vorliegenden Fall wurden die angefochtenen Beschlüsse nach Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 erlassen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Prüfung eines Zusammenschlusses durch die Kommission nach diesem Artikel in der Form eines Beschlusses erfolgt. Nach Art. 288 Abs. 4 Satz 1 AEUV aber sind „Beschlüsse … in allen ihren Teilen verbindlich“. Der Unionsgesetzgeber wollte daher diesen Beschlüssen zwingenden Charakter geben (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 44).

68      Ferner ist festzustellen, dass die angefochtenen Beschlüsse den betreffenden Zusammenschluss in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 139/2004 einbeziehen, auch wenn er keine europaweite Bedeutung im Sinne von Art. 1 der Verordnung hat, so dass die Verordnung nicht ohne Weiteres anwendbar ist. Insbesondere haben die angefochtenen Beschlüsse zur Folge, dass der Zusammenschluss nach Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 deren Art. 2, Art. 4 Abs. 2 und 3 sowie deren Art. 5, 6 und 8 bis 21 unterliegt, die die Kriterien für die Beurteilung dieses Zusammenschlusses, die Entscheidungsbefugnisse der Kommission sowie das Verfahren und die etwaigen Sanktionen festlegen. Auch ist die in Art. 7 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehene Verpflichtung zum Aufschub nach Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung auf den betreffenden Zusammenschluss anwendbar und steht seinem Vollzug entgegen, solange er nicht für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt worden ist.

69      Dagegen würde, wie die Klägerin vorträgt, der Zusammenschluss ohne die angefochtenen Beschlüsse nicht im Rahmen der Verordnung Nr. 139/2004 von der Kommission geprüft werden und wäre auch nicht den Verpflichtungen und Sanktionen nach dieser Verordnung einschließlich der Verpflichtung zum Aufschub unterworfen, sondern könnte in der Union unmittelbar vollzogen werden.

70      In Anbetracht dessen, dass jede Entscheidung, die die für die Prüfung eines Zusammenschlusses geltende Rechtslage ändert, die Rechtsstellung der an dem Zusammenschluss Beteiligten berühren kann, erzeugen die angefochtenen Beschlüsse verbindliche Rechtswirkungen gegenüber der Klägerin, die ihre Interessen durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung beeinträchtigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. September 2003, Cableuropa u. a./Kommission, T‑346/02 und T‑347/02, EU:T:2003:256, Rn. 61 und 64).

71      Indem die angefochtenen Beschlüsse das Verweisungsverfahren beendet haben, das durch den Verweisungsantrag nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 eingeleitet worden war und nach Art. 22 Abs. 2 die Einreichung der Anträge auf Anschließung ermöglicht hat, haben sie den Standpunkt der Kommission zu der Verweisung des betreffenden Zusammenschlusses endgültig festgelegt. Mit den Beschlüssen hat die Kommission nämlich unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der beteiligten Unternehmen diesen Anträgen stattgegeben und sich somit für die Prüfung des betreffenden Zusammenschlusses entschieden. Gemäß dem in Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehenen Verfahren liegt der Ort, an dem die Prüfung des Zusammenschlusses stattfindet, damit fest, wodurch die Zuständigkeit für diese Prüfung auf die Kommission übergegangen ist (vgl. oben, Rn. 68 bis 70). Dass diese Beschlüsse endgültig und unabänderlich sind, wird zum einen durch die Frist von zehn Arbeitstagen nach Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 bestätigt, innerhalb deren die Kommission eine Entscheidung über die Verweisung zu treffen hatte, und zum anderen dadurch, dass nach dieser Bestimmung das Ausbleiben einer Stellungnahme als Entscheidung für die Durchführung der Prüfung gegolten hätte.

72      Die angefochtenen Beschlüsse schließen daher das Verweisungsverfahren nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 ab, das ein besonderes Verfahren darstellt und sich von demjenigen unterscheidet, welches der Kommission die Entscheidung über die Genehmigung oder das Verbot eines Zusammenschlusses ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 11, und vom 22. April 2021, thyssenkrupp Electrical Steel und thyssenkrupp Electrical Steel Ugo/Kommission, C‑572/18 P, EU:C:2021:317, Rn. 49).

73      Entgegen dem Vorbringen der Kommission und der Hellenischen Republik sind die angefochtenen Beschlüsse nicht mit einer Entscheidung über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 139/2004 vergleichbar. Da das Verfahren zur Kontrolle der Zusammenschlüsse aus zwei Phasen besteht, stellt eine auf der Grundlage dieser Bestimmung ergangene Entscheidung weder den endgültigen Abschluss des Prüfverfahrens dar noch greift sie der endgültigen Entscheidung nach Art. 8 der Verordnung vor. Eine Entscheidung nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung ist daher eine Vorbereitungsmaßnahme, die allein den Zweck hat, eine Untersuchung zur Ermittlung von Kriterien einzuleiten, die es der Kommission ermöglichen sollen, sich am Ende dieses Verfahrens in einer abschließenden Entscheidung zur Vereinbarkeit eines Vorhabens mit dem Binnenmarkt zu äußern (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 31. Januar 2006, Schneider Electric/Kommission, T‑48/03, EU:T:2006:34, Rn. 79, und vom 27. November 2017, HeidelbergCement/Kommission, T‑902/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:846, Rn. 18, 21 und 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die angefochtenen Beschlüsse erfolgen demgegenüber nicht im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit des betreffenden Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt, sondern haben den Zweck, abschließend über die Verweisung dieses Zusammenschlusses zu entscheiden, indem sie das in Art. 22 der Verordnung vorgesehene besondere Verfahren zum Abschluss bringen (vgl. oben, Rn. 71 und 72). Die Kommission hat in diesen Beschlüssen begründet, weshalb sie der Auffassung war, dass die in diesem Artikel vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt gewesen seien, und den Verweisungsanträgen und den Anträgen auf Anschließung stattgegeben, was zur Folge hat, dass der betreffende Zusammenschluss der Verordnung Nr. 139/2004 unterliegt (vgl. oben, Rn. 68). Diese Beschlüsse stellen daher keine Zwischenmaßnahmen dar, die die Entscheidung in der Sache vorbereiten, sondern legen den endgültigen Standpunkt der Kommission zum Verweisungsantrag fest.

74      Im Übrigen zwingt die vorliegende Klage den Unionsrichter weder zur Entscheidung über vorläufige Feststellungen der Kommission noch über Fragen, zu denen die Kommission sich noch nicht hat äußern können; sie könnte daher nicht der Erörterung der sachlichen Probleme vorgreifen und die verschiedenen Phasen des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens durcheinanderbringen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 20, vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 51, sowie vom 15. März 2017, Stichting Woonpunt u. a./Kommission, C‑415/15 P, EU:C:2017:216, Rn. 45). Insbesondere kann diese Klage das Gericht nicht veranlassen, über die Frage der Vereinbarkeit des betreffenden Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt zu befinden, die Gegenstand des Prüfverfahrens nach Art. 6 der Verordnung Nr. 139/2004 sein wird, sondern nur über die Rechtmäßigkeit der Annahme des Verweisungsantrags und der Befassung der Kommission nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 sowie der aus ihr folgenden Änderung der geltenden Rechtslage (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 52).

75      Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die angefochtenen Beschlüsse Zwischenmaßnahmen sind, die der Entscheidung vorausgehen, mit der das nach Art. 6 der Verordnung Nr. 139/2004 eingeleitete Prüfverfahren beendet wird, ist auf jeden Fall darauf hinzuweisen, dass eine Zwischenmaßnahme, die eigenständige Rechtswirkungen erzeugt, Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein kann, soweit der mit diesem Rechtsakt verbundene Rechtsverstoß im Rahmen einer Klage gegen die endgültige Entscheidung, deren Vorbereitung sie dient, nicht beseitigt werden kann (Urteil vom 3. Juni 2021, Ungarn/Parlament, C‑650/18, EU:C:2021:426, Rn. 46). Da aber die angefochtenen Beschlüsse die Anwendung der Verordnung Nr. 139/2004 auf den betreffenden Zusammenschluss nach sich ziehen und insbesondere die Anwendung von Art. 7 der Verordnung Nr. 139/2004 in Verbindung mit deren Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 2 zu einer aufschiebenden Wirkung führt (siehe oben, Rn. 68), könnte entgegen den Ausführungen der Kommission eine Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss, der das gemäß Art. 6 der Verordnung Nr. 139/2004 eingeleitete Prüfverfahren beendet, nicht die Folgen der Verzögerung beseitigen, die durch die Beachtung dieser Verpflichtung zum Aufschub entstanden sind. Die angefochtenen Beschlüsse müssen daher mit der Nichtigkeitsklage angefochten werden können.

76      Somit stellen die angefochtenen Beschlüsse anfechtbare Handlungen im Sinne von Art. 263 AEUV dar.

77      Dieses Ergebnis kann auch nicht mit den Argumenten in Frage gestellt werden, die die Kommission dem Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission (T‑22/97, EU:T:1999:327), entnimmt. Erstens nämlich hat sich das Gericht in diesem Urteil nicht zu der Frage geäußert, ob ein dem Verweisungsantrag eines Mitgliedstaats stattgebender Beschluss eine anfechtbare Handlung darstellt. Zweitens war es auch nicht erforderlich, zwingende Rechtswirkungen eines solchen Beschlusses zu berücksichtigen, da das genannte Urteil, wie die Kommission selbst einräumt, eine Klage betraf, die gegen einen Beschluss in der Sache erging, d. h. gegen die Erklärung der Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 4064/89, durch die der Vollzug des betreffenden Zusammenschlusses auf Dauer untersagt wurde. Drittens erfolgte in der Rechtssache, in der das Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission (T‑22/97, EU:T:1999:327), ergangen ist, die Berufung auf den Verstoß gegen Art. 22 dieser Verordnung zu dem Zweck, geltend zu machen, dass die Kommission für die Einleitung eines Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 4064/89 nicht zuständig sei, und es ging um die Frage, ob die Kommission rechtlich hinreichend geklärt hatte, ob der Verweisungsantrag von einem Mitgliedstaat stammte. Das Urteil betraf somit eine spezifische Frage, die mit der Frage, die sich vorliegend stellt, nicht vergleichbar ist.

78      Die vorliegende Klage ist somit zulässig, soweit sie sich gegen die angefochtenen Beschlüsse richtet.

79      Als Drittes ist in Bezug auf das Informationsschreiben darauf hinzuweisen, dass mit ihm die beteiligten Unternehmen gemäß Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 über den Verweisungsantrag unterrichtet wurden. Zwar löst diese Unterrichtung nach Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 1 dieser Verordnung die Verpflichtung zum Aufschub nach Art. 7 der Verordnung aus. Doch legt dieses Schreiben – wie die Kommission zutreffend geltend macht – insoweit nicht ihren endgültigen Standpunkt zur Prüfung des betreffenden Zusammenschlusses fest und unterwirft diesen nicht endgültig der genannten Verpflichtung, sondern nur vorübergehend, um die praktische Wirksamkeit einer etwaigen Verweisungsentscheidung zu sichern. Auf dieses Schreiben folgte nämlich der Erlass der angefochtenen Beschlüsse, mit denen die Kommission sich mit der Verweisung einverstanden erklärte und den betreffenden Zusammenschluss einschließlich der Verpflichtung zum Aufschub endgültig in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 139/2004 überführte (vgl. oben, Rn. 68 und 72). Das Informationsschreiben stellt daher nur eine Zwischenstufe innerhalb des Verweisungsverfahrens dar, das mit der endgültigen Stellungnahme der Kommission zum Verweisungsantrag nach Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 1 dieser Verordnung endet.

80      Bei dem Informationsschreiben handelt es sich mithin um eine Zwischen- und Vorbereitungsmaßnahme für die angefochtenen Beschlüsse im Sinne der oben in Rn. 66 angeführten Rechtsprechung. Die mit diesem Schreiben behafteten etwaigen Rechtsverstöße können nach der Rechtsprechung mit einer Klage gegen diese Beschlüsse, die ihrerseits anfechtbare Handlungen sind, geltend gemacht werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 12, und vom 22. April 2021, thyssenkrupp Electrical Steel und thyssenkrupp Electrical Steel Ugo/Kommission, C‑572/18 P, EU:C:2021:317, Rn. 50).

81      Die vorliegende Klage ist dementsprechend unzulässig, soweit sie gegen das Informationsschreiben gerichtet ist.

82      Nach alledem ist die vorliegende Klage für zulässig zu erklären, soweit sie sich auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse bezieht, und für unzulässig, soweit sie gegen das Informationsschreiben gerichtet ist.

 Begründetheit

 Zusammenfassung der Nichtigkeitsgründe

83      Im Rahmen des vorliegenden beschleunigten Verfahrens macht die Klägerin zur Stützung ihrer Klage drei Klagegründe geltend.

84      Mit dem ersten Klagegrund macht die Klägerin geltend, die Kommission sei unzuständig für eine aufgrund von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 erfolgende Einleitung der Untersuchung eines Zusammenschlusses, der nicht die Voraussetzungen erfülle, anhand deren der Mitgliedstaat, der die Verweisung an die Kommission beantragt habe, den Zusammenschluss nach seinen innerstaatlichen Vorschriften für die Fusionskontrolle prüfen könne. Mit dem zweiten Klagegrund vertritt die Klägerin die Auffassung, dass die Verweisung des betreffenden Zusammenschlusses verspätet beantragt worden sei, und, hilfsweise, dass die Verzögerung, mit der die Kommission das Aufforderungsschreiben versandt habe, gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Recht auf eine gute Verwaltung verstoßen habe. Mit dem dritten Klagegrund wirft die Klägerin der Kommission vor, sie habe gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoßen, da das Kommissionsmitglied, in dessen Zuständigkeitsbereich der Wettbewerb falle, erklärte habe, dass sich die Politik der Kommission bis zum Erlass der Leitlinien für Art. 22 nicht ändern werde.

 Erster Klagegrund: Unzuständigkeit der Kommission

85      Die Klägerin, unterstützt durch Grail, macht geltend, die Kommission habe die Verordnung Nr. 139/2004 falsch ausgelegt, indem sie in den angefochtenen Beschlüssen davon ausgegangen sei, sie könne einem Verweisungsantrag nach Art. 22 der Verordnung in einem Fall stattgeben, in dem die antragstellenden Mitgliedstaaten nach ihren innerstaatlichen Vorschriften für die Fusionskontrolle nicht ermächtigt seien, den Zusammenschluss, auf den sich der Antrag beziehe, zu untersuchen. Die Klägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, dass in diesem Fall der verbleibende Zweck von Art. 22 dieser Verordnung nur darin bestehe, dass ein Mitgliedstaat, der über kein derartiges Kontrollsystem verfüge, einen Verweisungsantrag stellen und dadurch verhindern könne, dass ein sein Hoheitsgebiet berührender Zusammenschluss ungeprüft bleibe. Habe dagegen ein Mitgliedstaat seine eigenen Fusionskontrollvorschriften erlassen und damit festgelegt, unter welchen Umständen er Zusammenschlüsse ohne europaweite Bedeutung kontrolliere, so habe er seine Zuständigkeit angewandt, aufgrund der er die Zusammenschlüsse kontrollieren könne, und seien seine Interessen hinreichend geschützt. Für einen solchen Mitgliedstaat beschränkten sich die Verweisungsanträge auf die Fälle, die unter seine Kontrollvorschriften fielen, deren Anwendungsbereich der nationale Gesetzgeber festgelegt habe. Eine darüber hinaus gehende Befugnis, die Prüfung eines Zusammenschlusses an die Kommission zu verweisen, sei nicht erforderlich. Außerdem halten die Klägerin und Grail den Standpunkt der Kommission für nicht mit dem auf Umsatzschwellenwerten gestützten Ziel der „einzigen Anlaufstelle“ und auch nicht mit dem Ziel vereinbar, dass die zuständigen nationalen Behörden ihre Prüfungsbefugnis auf die Kommission übertragen können, wenn diese für die Prüfung eines Zusammenschlusses bessere Voraussetzungen biete. Sie beanstanden die Auslegung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 durch die Kommission und werfen ihr vor, dessen Kontext nicht berücksichtigt zu haben. Der von der Kommission vertretene Standpunkt verstoße auch gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit und erfordere eine Gesetzesänderung. Art. 22 dieser Verordnung sei eine Ausnahmeregelung und sei daher eng auszulegen.

86      Die Kommission, unterstützt durch die Hellenische Republik, die Französische Republik, das Königreich der Niederlande und die EFTA-Überwachungsbehörde, erwidert im Wesentlichen, die Klägerin verkenne den Vorrang der wörtlichen Auslegung und lasse den klaren und deutlichen Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 erster Satzteil der Verordnung Nr. 139/2004 außer Acht. Da es sich um eine Rechtsvorschrift handele, die die Voraussetzungen aufführe, unter denen die Kommission zuständig sei, sei eine Gesetzesänderung nicht erforderlich. Dieser Artikel unterscheide nicht danach, ob der Mitgliedstaat über eine innerstaatliche Regelung für die Fusionskontrolle verfüge oder nicht, und die Auslegung der Klägerin sei mit dem Grundsatz der einheitlichen Anwendung des Unions- und des EWR-Rechts nicht in Einklang zu bringen. Mit dem Antrag auf Verweisung eines Zusammenschlusses an die Kommission übe der Mitgliedstaat eine Befugnis aus, die im Unionsrecht eine selbständige Grundlage habe. Die Kommission und die Hellenische Republik sind der Ansicht, dass eine enge Auslegung nicht die Frage beantworten könne, ob eine Befugnis vorliege, und nicht zur Aufnahme weiterer Erfordernisse in eine Bestimmung führe, falls diese dort nicht vorgesehen seien. Das Prinzip der einzigen Anlaufstelle sei nicht das Ziel, sondern ein wichtiger Bestandteil der Verordnung Nr. 139/2004. Die Hellenische Republik, die Französische Republik und die EFTA-Überwachungsbehörde tragen ferner vor, dass die Verweisungsmechanismen als wirksame Korrekturmechanismen funktionierten, damit eine wirksame Kontrolle aller Zusammenschlüsse unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur der Union erfolgen könne.

87      Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes hat das Gericht Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 auszulegen, auf dessen Grundlage die ACF ihren Verweisungsantrag gestellt hat. Genauer gesagt hat das Gericht die Frage zu prüfen, ob die Kommission nach dieser Vorschrift befugt ist, einen Zusammenschluss zu prüfen, wenn dieser Zusammenschluss Gegenstand des Verweisungsantrags eines Mitgliedstaats ist, der über eine innerstaatliche Regelung für die Fusionskontrolle verfügt, der Zusammenschluss aber nicht in den Geltungsbereich dieser nationalen Regelung fällt.

88      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts nicht nur deren Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang, in den sie sich einfügt, und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden. Die Entstehungsgeschichte einer Bestimmung des Unionsrechts kann ebenfalls relevante Anhaltspunkte für ihre Auslegung liefern (vgl. Urteil vom 25. Juni 2020, A u. a. [Windkraftanlagen in Aalter und in Nevele], C‑24/19, EU:C:2020:503, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist daher eine wörtliche, systematische, teleologische und historische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 vorzunehmen.

–       Zur wörtlichen Auslegung

89      Soweit Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 bestimmt, dass „[a]uf Antrag eines oder mehrerer Mitgliedstaaten … die Kommission jeden Zusammenschluss im Sinne von Artikel 3 prüfen [kann], der keine [europaweite] Bedeutung im Sinne von Artikel 1 hat, aber den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des beziehungsweise der antragstellenden Mitgliedstaaten erheblich zu beeinträchtigen droht“, nennt er vier kumulative Voraussetzungen für die Verweisung eines Zusammenschlusses an die Kommission. Erstens muss der Verweisungsantrag von einem oder mehreren Mitgliedstaaten stammen, zweitens muss der Vorgang, auf den sich dieser Antrag bezieht, der Definition des Zusammenschlusses in Art. 3 der Verordnung entsprechen, ohne die in Art. 1 der Verordnung festgesetzten Schwellenwerte für eine europaweite Bedeutung zu erreichen, drittens muss dieser Zusammenschluss den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen, und viertens muss der Zusammenschluss drohen, den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des bzw. der antragstellenden Mitgliedstaaten erheblich zu beeinträchtigen.

90      Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist es für die Verweisung eines Zusammenschlusses durch einen Mitgliedstaat an die Kommission somit weder erforderlich, dass dieser Zusammenschluss in den Geltungsbereich der innerstaatlichen Regelung für die Fusionskontrolle dieses Mitgliedstaats fällt, noch, dass der Mitgliedstaat über solche Vorschriften verfügt.

91      Vielmehr zeigt der Ausdruck „jede[r] Zusammenschluss“, wie er im ersten Satzteil von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 verwendet wird, dass, wie die Kommission vorträgt, unabhängig von der Existenz oder dem Geltungsbereich einer innerstaatlichen Regelung für die Fusionskontrolle ein Zusammenschluss Gegenstand einer Verweisung sein kann, sofern die oben in Rn. 89 aufgeführten kumulativen Voraussetzungen erfüllt sind.

92      Dagegen ist die von der Klägerin und Grail befürwortete Voraussetzung, nämlich dass der den Gegenstand eines Verweisungsantrags bildende Zusammenschluss in den Geltungsbereich der Fusionskontrollvorschriften des Mitgliedstaats fallen muss, der den Verweisungsantrag gestellt hat, dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 nicht zu entnehmen.

93      Da ferner nach diesem Wortlaut die Mitgliedstaaten nicht danach unterschieden werden, ob sie entsprechende nationale Rechtsvorschriften erlassen haben, darf auch ein Mitgliedstaat, der nicht über eine solche Regelung verfügt, wie etwa das Großherzogtum Luxemburg, nach dieser Bestimmung die Verweisung eines Zusammenschlusses an die Kommission beantragen, was die Klägerin auch einräumt.

94      Ohne dass sie eine abschließende Schlussfolgerung zuließe, ergibt die wörtliche Auslegung von Art 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 mithin, dass ein Mitgliedstaat das Recht hat, jeden Zusammenschluss, der die in dieser Bestimmung aufgeführten kumulativen Voraussetzungen erfüllt, an die Kommission zu verweisen, und zwar unabhängig von der Existenz oder dem Geltungsbereich einer innerstaatlichen Regelung für die Fusionskontrolle.

95      Im Anschluss hält das Gericht eine historische Auslegung für angebracht, da eine solche zu dem Willen des Unionsgesetzgebers, den dieser mit dem Erlass von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 verfolgte, Hinweise geben kann, dem im Rahmen der teleologischen und systematischen Auslegung dieser Vorschrift Rechnung zu tragen ist.

–       Zur historischen Auslegung

96      Als Erstes sah die erste Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, nämlich die Verordnung Nr. 4064/89, in ihrem Art. 22 einen Mechanismus vor, nach dem ein Fusionskontrollverfahren an die Kommission verwiesen werden konnte. Art. 22 Abs. 3 dieser Verordnung lautete:

„Stellt die Kommission auf Antrag eines Mitgliedstaats fest, dass ein Zusammenschluss im Sinne von Artikel 3, der jedoch keine gemeinschaftsweite Bedeutung im Sinne des Artikels 1 hat, eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt, durch welche wirksamer Wettbewerb im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats erheblich behindert wird, so kann die Kommission – sofern dieser Zusammenschluss den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt – die in Artikel 8 Absatz 2 Unterabsatz 2 sowie in Artikel 8 Absätze 3 und 4 vorgesehenen Entscheidungen erlassen.“

97      Dieser Verweisungsmechanismus war insbesondere für die Mitgliedstaaten geschaffen worden, die noch nicht über eine Fusionskontrollregelung verfügten (vgl. Rn. 97 des Grünbuchs der Kommission vom 31. Januar 1996 über die Revision der Fusionskontrollverordnung, KOM[96] 19 endg., Rn. 84 des Grünbuchs der Kommission vom 11. Dezember 2001 über die Revision der Verordnung Nr. 4064/89 des Rates, KOM[2001] 745 endgültig [im Folgenden: Grünbuch von 2001] und Rn. 21 des Vorschlags der Kommission für eine Verordnung des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen [„EG-Fusionskontrollverordnung“] [ABl. 2003, C 20, S. 4, im Folgenden: Vorschlag von 2003]). Konkret zeigt sich, dass dieser Verweisungsmechanismus dem Wunsch des Königreichs der Niederlande – das damals über keine derartige Regelung verfügte – entsprach, Zusammenschlüsse mit nachteiligen Auswirkungen auf sein Hoheitsgebiet von der Kommission prüfen zu lassen, sofern diese Zusammenschlüsse auch den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen, weshalb dieser Mechanismus als „niederländische Klausel“ bezeichnet wurde (vgl. Rn. 133 des Arbeitspapiers der Kommissionsdienststellen Begleitunterlage zur Mitteilung der Kommission an den Rat – Bericht über das Funktionieren der Verordnung Nr. 139/2004 vom 30. Juni 2009, SEC[2009] 808 endg./2])

98      Dass der Verweisungsmechanismus nach Art. 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 4064/89 in erster Linie den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen sollte, die über keine eigene Fusionskontrollregelung verfügten, schloss jedoch nicht aus, dass auch andere Mitgliedstaaten Zugang zu diesem Mechanismus hatten. Dies wird bestätigt durch die Verwendung des Ausdrucks „insbesondere“ in Rn. 97 des Grünbuchs der Kommission vom 31. Januar 1996 über die Revision der Fusionskontrollverordnung (siehe oben, Rn. 97), wonach diese Bestimmung „generell als ein nützliches Instrument insbesondere für diejenigen Mitgliedstaaten angesehen [wird], die noch nicht über ein Fusionskontrollsystem verfügen“. In dieser Verordnung gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass der Unionsgesetzgeber die Absicht hatte, diesen Mechanismus den erstgenannten Mitgliedstaaten vorzubehalten oder sie insoweit zu privilegieren, vor allem in einer Situation, wie sie sich im vorliegenden Fall darstellt. Der Begriff „Mitgliedstaat“, wie er in Art. 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 4064/89 verwendet wird, schließt vielmehr alle Mitgliedstaaten ein, ohne insoweit danach zu unterscheiden, ob sie über eine solche Kontrollregelung verfügen oder nicht. Der 29. Erwägungsgrund dieser Verordnung spricht daher der Kommission die Befugnis zu, „auf Antrag eines beteiligten Mitgliedstaats in den Fällen tätig zu werden, in denen wirksamer Wettbewerb im Gebiet dieses Mitgliedstaats erheblich behindert würde“.

99      Angesichts der sukzessiven Einführung nationaler Fusionskontrollregelungen in den Mitgliedstaaten und in Anbetracht der Tatsache, dass schon im Zeitpunkt der Annahme des Grünbuchs von 2001 nur das Großherzogtum Luxemburg nicht über eine solche Regelung verfügte, stellte die Kommission in Rn. 85 des Grünbuchs von 2001 fest, dass „[i]n der Praxis … auf Artikel 22 Absatz 3 in seiner ursprünglichen Bedeutung nur noch äußerst selten zurückgegriffen wird“. Die Abnahme seiner praktischen Bedeutung für die große Mehrheit der Mitgliedstaaten aufgrund des Umstands, dass diese über solche nationalen Kontrollregelungen verfügten, bedeutete jedoch, entgegen der offenbar von der Klägerin vertretenen Auffassung, nicht zwangsläufig, dass für sie die Berufung auf Art. 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 4064/89 nunmehr ausgeschlossen war.

100    Als Zweites wurden die in Art. 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 4064/89 vorgesehenen Ziele des Verweisungsmechanismus im Lauf der Zeit nach und nach erweitert.

101    Als die Anzahl nationaler Fusionskontrollregelungen innerhalb der Union zunahm, wurde dieser Verweisungsmechanismus nämlich auch als Mittel angesehen, die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union bei Zusammenschlüssen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen zu stärken sowie dem Grundsatz der „einzigen Anlaufstelle“ Geltung zu verschaffen und die parallele Prüfung desselben Zusammenschlusses durch Wettbewerbsbehörden mehrerer Mitgliedstaaten zu vermeiden. Diese Ziele spiegeln sich, wie in Rn. 86 des Grünbuchs von 2001 dargestellt, in den Änderungen durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 zur Änderung der Verordnung Nr. 4064/89 (ABl. 1997, L 180, S. 1) wider, mit er die Möglichkeit eingeführt wurde, dass mehrere Mitgliedstaaten gemeinsame Verweisungsanträge stellen (vgl. 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1310/97).

102    Der Verweisungsmechanismus nach Art. 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 4064/89 sollte daher den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, bei der Kommission die Prüfung eines Zusammenschlusses mit grenzüberschreitenden Auswirkungen in Fällen zu beantragen, in denen die Schwellenwerte nach Art. 1 der Verordnung, die grundsätzlich deren Geltungsbereich abgrenzen, nicht erreicht wurden. Art. 1 der Verordnung Nr. 4064/89 übernahm diese Rolle insofern, als er bestimmte, dass die Verordnung für alle Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung gilt und „Artikel 22 … unberührt [bleibt]“.

103    Entgegen der Auffassung, die die Klägerin unter Bezugnahme auf das Ziel der Verordnung Nr. 1310/97 offenbar vertritt, mehrfache Anmeldungen zu vermeiden, und dasjenige, die Prüfung eines Zusammenschlusses durch die Behörde zu ermöglichen, die am besten hierzu in der Lage ist, und wie es in der dem Vorschlag von 2003 beigefügten Pressemitteilung angegeben ist, schließen sich die verschiedenen mit dem Verweisungsmechanismus verfolgten Ziele nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen einander. Rn. 86 des Grünbuchs von 2001 zufolge war es nämlich der Wille des Gesetzgebers, sowohl die Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln bei Zusammenschlüssen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen zu stärken als auch dem Grundsatz der „einzigen Anlaufstelle“ Geltung zu verschaffen und das Problem der Mehrfachanmeldungen zu lösen (vgl. auch oben, Rn. 101). Hierfür spricht auch, dass die Ziele im Lauf der Zeit nach und nach erweitert wurden, ohne dass die anfänglichen Ziele dieses Mechanismus aufgegeben worden wären (vgl. oben, Rn. 97 bis 99 und 101).

104    Die Weiterentwicklung der Ziele des Verweisungsmechanismus nach Art. 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 4064/89 kann daher nicht so verstanden werden, dass mit ihr der Geltungsbereich der Verordnung eingeschränkt wird; sie rückt vielmehr das Ziel in den Vordergrund, Zusammenschlüsse mit grenzüberschreitenden Auswirkungen zu prüfen.

105    Als Drittes wird diese Auslegung durch den weiteren Verlauf bestätigt, den der Vorschlag von 2003 im Rahmen der Neufassung der Verordnung Nr. 4064/89 und des Erlasses der Verordnung Nr. 139/2004 nahm.

106    Erstens nämlich unterschied die 2003 vorgeschlagene Fassung von Art. 22 zwischen einerseits in Abs. 1 einem Verweisungsantrag, der von einem oder mehreren Mitgliedstaaten unter vergleichbaren Voraussetzungen wie denen im jetzigen Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 gestellt wird, und andererseits in Abs. 3 den Verweisungsanträgen von mindestens drei „Mitgliedstaaten, die nach ihrem innerstaatlichen Wettbewerbsrecht für die Prüfung des Zusammenschlusses zuständig sind“, eine Konstellation, bei der eine europaweite Bedeutung unterstellt wurde, die die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission rechtfertigte.

107    Beim Erlass der Verordnung Nr. 139/2004 wurde indes dieser Abs. 3 nicht in Art. 22 übernommen, sondern wurde in einer geänderten Fassung in Art. 4 Abs. 5 der Verordnung eingefügt, der sich mithin auf die Zusammenschlüsse bezieht, die nach dem Wettbewerbsrecht mindestens dreier Mitgliedstaaten geprüft werden könnten. Dagegen wurde der verbleibende Teil von Art. 22 des Vorschlags von 2003, insbesondere sein Abs. 1, ohne größere Änderungen übernommen. Anders als nach dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004 nahm der Unionsgesetzgeber in deren Art. 22 nicht auf die Zuständigkeit des Mitgliedstaats gemäß seinen nationalen Rechtsvorschriften Bezug. Dies weist darauf hin, dass er das Recht dieses Mitgliedstaats, die Verweisung „jedes Zusammenschlusses“ an die Kommission zu beantragen, nicht beschneiden wollte.

108    Zweitens griff die Kommission in ihrem Vorschlag von 2003 nicht die Idee eines „verbindlichen 3+-Systems“ auf, wonach Zusammenschlüssen, die in mindestens drei Mitgliedstaaten anmeldepflichtig sind, automatisch eine europaweite Bedeutung verliehen wird, wie es im Grünbuch 2001 vorgeschlagen worden war (vgl. insbesondere Rn. 60 und 62 dieses Grünbuchs). Sie war der Auffassung, dass bei einem solchen System festgestellt werden müsse, ob der Zusammenschluss in mindestens drei Mitgliedstaaten die Schwellenwerte für die Anmeldung erreicht habe, und dass es die Rechtssicherheit beeinträchtigen würde, wenn ihre Zuständigkeit auf voneinander abweichende Kriterien oder innerstaatliche Begriffe zur Auslegung der innerstaatlichen Anmeldeschwellenwerte gestützt werde, insbesondere angesichts der Gefahr unterschiedlicher Auslegungen des nationalen Rechts durch sie selbst, die Mitgliedstaaten und die beteiligten Unternehmen (Rn. 13 bis 15 des Vorschlags von 2003),

109    Die Kommission gab daher einem verstärkten Rückgriff auf die Verweisungsmechanismen den Vorzug, insbesondere dem in Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehenen Mechanismus (vgl. Rn. 18 des Vorschlags von 2003), der daher, anders als das „verbindliche 3+-System“, offenbar keine Auslegung der nationalen Schwellenwerte für die Anmeldung erforderte. Dies bestätigt die Auffassung, dass eine Verweisung für einen Zusammenschluss erfolgen kann, der nicht in den Geltungsbereich der Fusionskontrollregelung des die Verweisung beantragenden Mitgliedstaats fällt. Die von der Klägerin vertretene Auffassung würde dagegen eine vorherige Auslegung der Reichweite der nationalen Rechtsvorschriften des beantragenden Mitgliedstaats durch die Kommission erfordern und könnte unterschiedlichen Auslegungen durch die Kommission und die Mitgliedstaaten Raum geben, eine Problematik, die in Rn. 59 und Fn. 11 des Grünbuchs von 2001 beschrieben wird. Diese Auslegung würde somit die Anwendung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 von Voraussetzungen abhängig machen, die im Rahmen des Rechtsetzungsverfahrens ausdrücklich zurückgewiesen wurden.

110    Das Gericht hat ferner im Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission (T‑22/97, EU:T:1999:327, Rn. 84), entschieden, dass es nicht Aufgabe der Kommission war, darüber zu entscheiden, ob eine nationale Wettbewerbsbehörde für die Stellung eines Verweisungsantrags nach Artikel 22 der Verordnung Nr. 4064/89 zuständig ist. Sie hatte vielmehr nur zu prüfen, ob dieser Antrag auf den ersten Blick der Antrag eines Mitgliedstaats war.

111    Drittens wies die Kommission in Rn. 21 des Vorschlags von 2003 darauf hin, dass „Artikel 22 [ursprünglich] unter anderem die Aufgabe [hatte], den Mitgliedstaaten, in denen es keine Fusionskontrollvorschriften gab, die Möglichkeit zu geben, Zusammenschlüsse, die sich auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirken, an [sie] zu verweisen“. Nach dem Hinweis, dass dies nur noch für das Großherzogtum Luxemburg gelte, stellte sie fest, dass „die Möglichkeit für einen einzelnen Mitgliedstaat, einen Fall an die Kommission zu verweisen, nicht völlig ausgeschlossen werden [sollte]“. Dies belegt zwar, dass Art. 22 der Verordnung Nr. 4064/89 ursprünglich in erster Linie den Mitgliedstaaten dienen sollte, die nicht über eine eigene Fusionskontrollregelung verfügen. Der Hinweis auf die ursprünglich „unter anderem“ bestehende Aufgabe bestätigt jedoch die oben in den Rn. 98 und 99 getroffene Feststellung, wonach sich die Anwendbarkeit dieses Artikels nicht auf diesen Fall beschränkt, sondern sich auf alle Mitgliedstaaten einschließlich derjenigen erstreckt, die über eine solche Regelung verfügen.

112    Viertens wies die Kommission in Rn. 22 des Vorschlags von 2003 darauf hin, dass das von ihr vorgeschlagene vereinfachte Verweisungssystem vor allem den Zweck verfolgte, dass die Verweisung nach Art. 22 in der Zeit vor der eigentlichen Anmeldung möglich war, da „der größte Nachteil darin [besteht], dass die … Verweisungsvorschriften erst dann herangezogen werden können, wenn ein Zusammenschluss … angemeldet worden ist“. Diese Feststellung beschreibt nur die Situation, die vor dem Erlass der Verordnung Nr. 139/2004 bestand und, wie ebenfalls in dieser Rn. 22 beschrieben, durch „einen erheblichen Zeitverlust und aufwändigere Verfahren“ sowie durch „unnötige Kosten und Belastungen“ für die „beteiligten Unternehmen“ gekennzeichnet war, weil diese Beteiligten keine Möglichkeit hatten, die Verweisung des Zusammenschlusses in einem frühen Stadium zu beantragen, indem sie die Kommission ohne Umweg über die nationalen Behörden unmittelbar informieren. Diese Situation betrifft somit ausschließlich die auf nationaler Ebene meldefähigen Zusammenschlüsse. Der Erlass von Art. 4 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 139/2004 hat dieses Problem dadurch beseitigt, dass die an einem Zusammenschlussvorhaben Beteiligten dessen Verweisung vor der Anmeldung beantragen können. Art. 22 dieser Verordnung hat demgegenüber inhaltlich keine wesentliche Änderung erfahren (vgl. oben, Rn. 107). Es ist daran zu erinnern, dass der Unionsgesetzgeber unterschiedliche Anwendungsvoraussetzungen für die Verweisung eines Zusammenschlusses an die Kommission durch einen Mitgliedstaat definiert hat. Aufgrund dieses Artikels kann nämlich, wie aus Rn. 21 des Vorschlags von 2003 hervorgeht, auch ein Mitgliedstaat, der über keine nationalen Vorschriften für die Fusionskontrolle verfügt, einen Verweisungsantrag stellen (siehe oben, Rn. 111), was zwangsläufig eine vorherige Anmeldung in diesem Staat ausschließt.

113    Fünftens erläutert Rn. 24 des Vorschlags von 2003, dass „die Mitgliedstaaten bei einer frühzeitigen Anwendung des Artikels 22 Zusammenschlüsse, die zwar unterhalb der Umsatzschwellen des Artikels 1 Absätze 2 und 3 liegen, aber bei denen mit erheblichen grenzüberschreitenden Auswirkungen zu rechnen ist, an die Kommission verweisen [könnten]“. In dieser Randnummer wird somit das Ziel bekräftigt, dass die Kommission grenzüberschreitende Zusammenschlüsse prüfen kann, die die Schwellenwerte der Fusionskontrollregelungen der Union nicht erreichen (vgl. oben, Rn. 102 und 104).

114    Sechstens sieht Art. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 genauso wie Art. 1 der Verordnung Nr. 4064/89 vor, dass die Verordnung für alle Zusammenschlüsse von europaweiter Bedeutung „[u]nbeschadet … des Artikels 22“ gilt. Der Umstand, dass diese Formulierung im Laufe der Zeit praktisch unverändert geblieben ist und nur durch eine Bezugnahme auf Art. 4 Abs. 5 der Verordnung ergänzt wurde (vgl. oben, Rn. 121), zeigt, dass Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 der Kommission die Möglichkeit geben soll, grenzüberschreitende Zusammenschlüsse zu prüfen, die die Schwellenwerte der Verordnung nicht erreichen (vgl. oben, Rn.102).

115    Was als Viertes den späteren Standpunkt der Kommission zu dem Verweisungsmechanismus nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 angeht, wie er in der Mitteilung über die Verweisung, im Bericht vom 18. Juni 2009 über das Funktionieren der Verordnung Nr. 139/2004 des Rates (KOM[2009] 281 endgültig), im Weißbuch von 2014, in der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen über die Zusammenfassung der Evaluierung von Verfahrens- und Zuständigkeitsaspekten der …Fusionskontrolle [der Union] vom 26. März 2021 (SWD[2021] 67 final) und in den Leitlinien zu Art. 22 dargestellt wird, ist darauf hinzuweisen, dass diese Dokumente nach dem Erlass dieser Verordnung veröffentlicht wurden und somit vom Unionsgesetzgeber seinerzeit nicht berücksichtigt werden konnten. Sie sind daher für die historische Auslegung der Verordnung und somit für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht relevant.

116    Nach alledem bestätigt die historische Auslegung, dass Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 es einem Mitgliedstaat erlaubt, unabhängig von der Tragweite seiner innerstaatlichen Vorschriften für die Fusionskontrolle Zusammenschlüsse an die Kommission zu verweisen, die die Schwellenwerte von Art. 1 dieser Verordnung nicht erreichen, bei denen jedoch mit erheblichen grenzüberschreitenden Auswirkungen zu rechnen ist.

117    Dieses Ergebnis kann nicht mit den Erwägungsgründen in Frage gestellt werden, die die Klägerin als Beleg dafür vorbringt, dass die Übertragung der Befugnisse im Rahmen einer Verweisung nicht erfolgen solle, wenn ein Mitgliedstaat nach seiner eigenen Fusionskontrollregelung für die Prüfung des betreffenden Zusammenschlusses nicht zuständig sei. Wie nämlich die Kommission vorträgt, betrifft der 27. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 4064/89, wonach die Mitgliedstaaten auf Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung ihr innerstaatliches Wettbewerbsrecht nicht anwenden dürfen, nur Art. 21 dieser Verordnung, der die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten regelt. Die Bezugnahme im zehnten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1310/97 auf den Schutz der Interessen der Mitgliedstaaten unterstreicht das Ziel, es einem Mitgliedstaat zu ermöglichen, die Zusammenschlüsse mit nachteiligen Auswirkungen auf seinem Gebiet durch die Kommission prüfen zu lassen. Eine gleichartige Bezugnahme findet sich im elften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004, der zusammen mit den weiteren einschlägigen Erwägungsgründen der Verordnung im Rahmen der teleologischen Auslegung geprüft werden wird (vgl. unten, Rn. 140 bis 148).

–       Zur systematischen Auslegung

118    Was als Erstes die Rechtsgrundlage der Verordnung Nr. 139/2004 betrifft, so ergibt sich aus deren erstem Bezugsvermerk, dass sie auf die Art. 83 und 308 EG (jetzt die Art. 103 und 352 AEUV) gestützt ist.

119    Insoweit ist festzustellen, dass, wie im siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004 erläutert wird, die Art. 81 und 82 EG (jetzt die Art. 101 und 102 AEUV) zwar auf bestimmte Zusammenschlüsse anwendbar sind, „jedoch nicht [ausreichen], um alle Zusammenschlüsse zu erfassen, die sich als unvereinbar mit dem vom [EG‑]Vertrag geforderten System des unverfälschten Wettbewerbs erweisen könnten“. Die Verordnung war daher nicht nur auf Art. 83 EG, sondern auch auf Art. 308 EG zu stützen, wonach sich die Union für die Verwirklichung ihrer Ziele zusätzliche Befugnisse geben kann.

120    Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt der Umstand, dass die Verordnung Nr. 139/2004 auch auf Art. 308 EG gestützt wurde, indes die Auslegung von Art. 22 dieser Verordnung nicht in Frage, sondern zeigt einfach, dass der Unionsgesetzgeber auf eine hinreichend breite Rechtsgrundlage für die Fusionskontrollregelung der Union zurückgreifen wollte, was im Einklang steht mit dem Protokoll (Nr. 27) über den Binnenmarkt und den Wettbewerb (ABl. 2016, C 202, S. 308), wonach der Binnenmarkt ein System umfasst, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt, und für diese Zwecke die Union erforderlichenfalls nach den Bestimmungen der Verträge, einschließlich von Art. 352 AEUV, tätig wird.

121    Als Zweites verweist Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004, der den Geltungsbereich dieser Verordnung bestimmt, ausdrücklich auf deren Art. 22. Konkret heißt es dort, dass „[u]nbeschadet [ihres] Artikels 4 Absatz 5 und [ihres] Artikels 22 … diese Verordnung für alle Zusammenschlüsse von [europaweiter] Bedeutung im Sinne dieses Artikels [gilt]“. Ein Zusammenschluss hat europaweite Bedeutung, wenn die in Art. 1 Abs. 2 und 3 dieser Verordnung genannten Umsatzschwellen überschritten werden.

122    Art. 4 Abs. 5 und Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 erlauben die Verweisung eines Zusammenschlusses an die Kommission, der „keine europaweite Bedeutung im Sinne von Artikel 1 [dieser Verordnung] hat“. Diese Bestimmungen stützen sich somit nicht auf Umsatzschwellen, sondern auf andere dort genannte Voraussetzungen (vgl. unten, Rn. 126).

123    Demnach hängen der Geltungsbereich der Verordnung Nr. 139/2004 und folglich die Zuständigkeit der Kommission für die Prüfung von Zusammenschlüssen in erster Linie ab von der Überschreitung der Umsatzschwellen, die die europaweite Bedeutung bestimmen, und, hilfsweise, von den in Art. 4 Abs. 5 und Art. 22 der Verordnung vorgesehenen Verweisungsmechanismen, die diese Schwellenwerte ergänzen, indem sie es zulassen, dass bestimmte Zusammenschlüsse ohne europaweite Bedeutung von der Kommission geprüft werden.

124    Angesichts seiner ausdrücklichen Erwähnung in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 gehört deren Art. 22 daher zu den Bestimmungen dieser Verordnung, die die Zuständigkeit der Kommission im Bereich der Fusionskontrolle festlegen.

125    Als Drittes ist Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004, nach dem ein Zusammenschluss ohne europaweite Bedeutung auf Antrag der Beteiligten und vor dessen Anmeldung von einem Mitgliedstaat an die Kommission verwiesen werden kann, nicht geeignet, die von der Klägerin und von Grail vertretene Auslegung von Art. 22 dieser Verordnung zu stützen.

126    Die jeweiligen Anwendungsvoraussetzungen dieser beiden Bestimmungen unterscheiden sich nämlich grundlegend, da Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004 ausdrücklich vorsieht, dass der Zusammenschluss, der verwiesen wird, „nach dem Wettbewerbsrecht mindestens dreier Mitgliedstaaten geprüft werden könnte“, während Art. 22 dieser Verordnung auf „jeden Zusammenschluss“ Anwendung findet, „der … den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des beziehungsweise der antragstellenden Mitgliedstaaten erheblich zu beeinträchtigen droht“. Die Erwähnung des innerstaatlichen Wettbewerbsrechts in Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004 findet sich in deren Art. 22 nicht wieder. Dieser Unterschied beruht zum einen auf der Entscheidung des Unionsgesetzgebers, die Möglichkeit eines Mitgliedstaats, die Verweisung der Prüfung eines Zusammenschlusses nach Art. 22 der Verordnung an die Kommission zu beantragen, nicht einzuschränken (vgl. oben, Rn. 107), und zum anderen auf dem unterschiedlichen Zweck dieser Bestimmungen. Während Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004, wie die Klägerin selbst einräumt, darauf abstellt, den Beteiligten eines Zusammenschlusses die Möglichkeit zu geben, die Verweisung des Zusammenschlusses an die Kommission in einem frühen Stadium zu beantragen, um Mehrfachanmeldungen bei verschiedenen zuständigen nationalen Behörden zu vermeiden (vgl. 16. Erwägungsgrund der Verordnung sowie oben, Rn. 112), verfolgt Art. 22 der Verordnung auch das oben in den Rn. 102, 113 und 114 angeführte Ziel, die Prüfung der grenzüberschreitenden Zusammenschlüsse zu ermöglichen.

127    Als Viertes ist Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 auch nicht den Verweisungsmechanismen gemäß Art. 4 Abs. 4 und Art. 9 dieser Verordnung angeglichen, die die Verweisung eines Zusammenschlusses von europaweiter Bedeutung an die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats regeln.

128    Zwar kann nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 3 und Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 ein solcher Zusammenschluss auf Antrag der Beteiligten oder auf Initiative der Kommission „an die zuständigen Behörden“ eines Mitgliedstaats verwiesen werden, doch nimmt Art. 22 Abs. 1 nicht auf diese Behörden Bezug, sondern auf „den Antrag eines oder mehrerer Mitgliedstaaten“, einen Zusammenschluss an die Kommission zu verweisen. Im Unterschied zu Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 und Art. 9 Abs. 1 enthält Art. 22 Abs. 1 darüber hinaus nicht die Klarstellung „[v]or der Anmeldung“ und setzt auch nicht einen „angemeldete[n] Zusammenschluss“ voraus, sondern ist weiter gefasst, da er auf „jeden Zusammenschluss“ Anwendung findet.

129    Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 kann daher nicht im Licht der Verweisungsmechanismen nach Art. 4 Abs. 4 und Art. 9 der Verordnung ausgelegt werden. Dies hat seinen Grund vor allem darin, dass er weder ausdrücklich verlangt, dass die nationale Wettbewerbsbehörde für die Prüfung des Zusammenschlusses, der Gegenstand der Verweisung ist, zuständig ist, noch, dass der Zusammenschluss angemeldet ist.

130    Als Fünftes ist in Bezug auf das Zusammenspiel zwischen Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 und den anderen Bestimmungen dieses Artikels erstens festzustellen, dass nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung ein Verweisungsantrag „innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem der Zusammenschluss bei dem betreffenden Mitgliedstaat angemeldet oder, falls eine Anmeldung nicht erforderlich ist, ihm anderweitig zur Kenntnis gebracht worden ist, gestellt werden [muss]“. Diese Bestimmung regelt somit zum einen die Fälle, in denen die Zusammenschlüsse bei der zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörde angemeldet werden und damit in den Anwendungsbereich der Fusionskontrollregelung dieses Mitgliedstaats fallen, und zum anderen, wie die Kommission und die Französische Republik geltend machen, die Fälle, in denen die Zusammenschlüsse nicht angemeldet, sondern dem betreffenden Mitgliedstaat lediglich zur Kenntnis gebracht werden, entweder weil diese nicht in den Anwendungsbereich dieser Regelung fallen oder weil es an einer solchen Regelung fehlt. Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 kann daher nicht entnommen werden, dass dieser Artikel auf die Mitgliedstaaten, die über eine eigene Fusionskontrollregelung verfügen, nur dann anwendbar ist, wenn die betreffenden Zusammenschlüsse unter diese Regelung fallen.

131    Zweitens können sich die Klägerin und Grail nicht darauf berufen, dass Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 bestimmt, dass „[d]ie Kommission … die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und die beteiligten Unternehmen unverzüglich von einem nach Absatz 1 [dieses Artikels] gestellten [Verweisungsantrag unterrichtet]“, da die Bezugnahme auf die „zuständigen Behörden“ nur sicherstellen soll, dass die Kommission die allgemein für Fusionskontrollverfahren zuständigen nationalen Behörden von einem Verweisungsantrag in Kenntnis setzt. Diese Information ermöglicht es diesen Behörden, ihren Standpunkt hinsichtlich einer etwaigen Stellung eines Antrags auf Anschließung nach Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung einzunehmen, und stellt daher eine Voraussetzung dafür dar, dass das Recht auf Anschließung tatsächlich wahrgenommen werden kann. Dagegen besagt die Bezugnahme auf diese Behörden nichts über den genauen Umfang ihrer Prüfungszuständigkeit nach den geltenden nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf den Zusammenschluss, auf den sich der Verweisungsantrag bezieht, die die Kommission nicht zu prüfen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission, T‑22/97, EU:T:1999:327, Rn. 84).

132    Drittens bestimmt Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004, dass „[j]eder andere Mitgliedstaat … sich dem ersten Antrag … anschließen [kann]“, was mit seinem Abs. 1 in Einklang steht und bestätigt, dass jeder Mitgliedstaat unabhängig von der Reichweite seiner nationalen Fusionskontrollregelung nach diesem Artikel einen Antrag auf Verweisung oder auf Anschließung stellen kann.

133    Viertens bedeutet der Umstand, dass gemäß Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 „[a]lle einzelstaatlichen Fristen, die den Zusammenschluss betreffen, … gehemmt werden“, entgegen den Ausführungen von Grail lediglich, dass, falls eine solche Frist läuft, sie gehemmt wird. Dies ist erforderlich, um zu verhindern, dass die Bearbeitung eines Verweisungsantrags durch die Kommission die nationalen Fusionskontrollregelungen stört, deren Zeitplan für die Prüfung oft sehr knapp bemessen ist. Diese Vorschrift hat dagegen keine Bedeutung, wenn der betreffende Zusammenschluss nicht in den Anwendungsbereich einer solchen nationalen Regelung fällt, falls es eine solche gibt.

134    Soweit fünftens Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 bestimmt, dass „[d]as innerstaatliche Wettbewerbsrecht des bzw. der Mitgliedstaaten, die den [Verweisungsantrag] gestellt haben, … auf den Zusammenschluss nicht mehr Anwendung [findet]“, soll er entgegen der Auffassung der Klägerin sicherstellen, dass sich die Wettbewerbsbehörden dieser Mitgliedstaaten zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr in der Sache zu diesem Zusammenschluss äußern und dabei den Entscheidungen der Kommission widersprechen. Diese Gefahr könnte insbesondere bestehen, wenn diese Behörden das endgültige Ergebnis der Kommission nicht teilen. Um jeden Widerspruch zu vermeiden, beschränkt sich diese Bestimmung nicht auf die Vorschriften für die Fusionskontrolle, sondern ist weiter gefasst und bezieht sich auf das nationale Wettbewerbsrecht als Ganzes. Dagegen ergibt sich aus Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 3 dieser Verordnung, dass die Mitgliedstaaten, die keinen Verweisungsantrag gestellt haben, weiterhin ihr nationales Wettbewerbsrecht auf den betreffenden Zusammenschluss anwenden können. In Anbetracht ihrer Formulierung und ihrer Ziele kann hieraus somit nicht geschlossen werden, dass diese Bestimmung verlangt, dass der Zusammenschluss, der verwiesen wird, unter eine nationale Kontrollregelung fällt.

135    Sechstens finden nach Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 die Bestimmungen in Art. 2, Art. 4 Abs. 2 und 3 sowie in den Art. 5, 6 und 8 bis 21 der Verordnung Anwendung, wenn die Kommission einen Zusammenschluss prüft, der von einem Mitgliedstaat an sie verwiesen wurde.

136    Was die Verpflichtung zum Aufschub nach Art. 7 der Verordnung Nr. 139/2004 betrifft, so findet diese Verpflichtung nach Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung „Anwendung, soweit der Zusammenschluss zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission den beteiligten Unternehmen mitteilt, dass ein Antrag eingegangen ist, noch nicht vollzogen worden ist“. Diese Bestimmung trägt somit der Tatsache Rechnung, dass vor der Einreichung des Verweisungsantrags ein Zusammenschluss ohne europaweite Bedeutung nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 139/2004 fällt und dementsprechend die Verpflichtung zum Aufschub seinem Vollzug nicht entgegensteht. Damit jedoch dieser Zusammenschluss in der Union vollzogen werden kann, ist darüber hinaus erforderlich, dass sein Aufschub nicht von einer nationalen Fusionskontrollregelung eines Mitgliedstaats verlangt wird. Hieraus folgt, dass Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 sowohl die Fälle, in denen der Zusammenschluss, auf den sich der Verweisungsantrag bezieht, wie im vorliegenden Fall unter keine nationale Regelung fällt, als auch diejenigen Fälle erfasst, in denen eine solche Regelung Anwendung findet, aber nicht seinen Aufschub vorsieht.

137    Siebtens kann nach Art. 22 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004 „[d]ie Kommission … einem oder mehreren Mitgliedstaaten mitteilen, dass ein Zusammenschluss nach ihrem Dafürhalten die Kriterien des Absatzes 1 [dieses Artikels] erfüllt“. Da die Formulierung sich nur auf diese Kriterien bezieht, verlangt sie nicht, dass dieser Zusammenschluss unter eine nationale Fusionskontrollregelung fällt.

138    Was achtens die sonstigen Bestimmungen von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 betrifft, ist festzustellen, dass sie keinen Hinweis enthalten, durch den der Inhalt ihres Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 genauer bestimmt werden könnte.

139    Somit ergibt sich aus der systematischen Auslegung, dass ein Antrag auf Verweisung nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 unabhängig von der Reichweite einer nationalen Fusionskontrollregelung gestellt werden kann.

–       Zur teleologischen Auslegung

140    Als Erstes folgt aus den Erwägungsgründen 5, 6, 8, 24 und 25 der Verordnung Nr. 139/2004, dass das Ziel dieser Verordnung darin besteht, eine wirksame Kontrolle sämtlicher Zusammenschlüsse mit erheblichen Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur in der Union zu ermöglichen. Nach dem Grundsatz der „einzigen Anlaufstelle“ werden diese Zusammenschlüsse ausschließlich auf Ebene der Union geprüft.

141    Wie oben im Rahmen der systematischen Auslegung festgestellt (siehe oben, Rn. 123), stellt die Verordnung Nr. 139/2004 ausweislich ihrer Erwägungsgründe 9 bis 11 darauf ab, die Prüfungszuständigkeit der Kommission in erster Linie davon abhängig zu machen, dass die Umsatzschwellen, die die europaweite Bedeutung bestimmen, überschritten werden, ergänzt jedoch zugleich diese Schwellwerte durch Vorschriften über die Verweisung der Zusammenschlüsse, die als „wirksames Korrektiv“ wirken sollen.

142    Unter diesem Gesichtspunkt sind die Verweisungsmechanismen eine Maßnahme zur Beseitigung der inhärenten Kontrollmängel einer hauptsächlich auf Umsatzschwellen gestützten Regelung, die wegen ihrer Strenge nicht alle Zusammenschlüsse, die einer Prüfung auf europäischer Ebene bedürfen, erfassen kann (vgl. auch oben, Rn. 102, 113 und 114). Diese Mechanismen schaffen daher, wie der Ausdruck „Korrektiv“ im elften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004 zeigt, eine subsidiäre Zuständigkeit der Kommission, die ihr die nötige Flexibilität verleiht, um das Ziel dieser Verordnung zu erreichen, eine Kontrolle der Zusammenschlüsse zu ermöglichen, die geeignet sind, einen wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt erheblich zu beeinträchtigen.

143    Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 stellt dieses Ziel sicher, indem er die Flexibilität schafft, die erforderlich ist für eine auf Unionsebene erfolgende Prüfung der Zusammenschlüsse, die einen wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt erheblich beeinträchtigen können und die andernfalls mangels Überschreitens der Umsatzschwellen einer Kontrolle anhand der Fusionskontrollregelungen sowohl der Union als auch der Mitgliedstaaten entgehen würden.

144    Soweit, wie im vorliegenden Fall, in dem die Umsatzschwellen auf europäischer und nationaler Ebene nicht überschritten werden, ausschließlich die Kommission – auf Antrag eines oder mehrerer Mitgliedstaaten – für die Prüfung dieses Zusammenschlusses zuständig wird, steht Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 zudem im Einklang mit den in den Erwägungsgründen 11, 12 und 14 der Verordnung genannten Zielen des Schutzes der Interessen der Mitgliedstaaten, der Subsidiarität, der Rechtssicherheit, der Vermeidung mehrfacher Anmeldung, des Grundsatzes der „einzigen Anlaufstelle“ und der Anrufung der am besten geeigneten Behörde.

145    Als Zweites weisen die Erwägungsgründe 15 und 16 der Verordnung Nr. 139/2004 im Wesentlichen auf die sachlichen Anwendungsvoraussetzungen hin, die erfüllt sein müssen, damit zum einen die Kommission befugt ist, einen Zusammenschluss nach Art. 4 Abs. 4 oder Art. 9 dieser Verordnung an einen Mitgliedstaat zu verweisen, und damit zum anderen umgekehrt ein Zusammenschluss von einem Mitgliedstaat nach Art. 4 Abs. 5 oder Art. 22 der Verordnung an die Kommission verwiesen werden kann. Sie unterstreichen somit die oben in den Rn. 125 bis 129 dargestellten Unterschiede zwischen Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 auf der einen und deren Art. 4 Abs. 4 und 5 oder Art. 9 auf der anderen Seite.

146    Während im Einzelnen der 16. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004, der die in deren Art. 4 Abs. 5 geregelte Verweisung eines Zusammenschlusses an die Kommission vor dessen Anmeldung betrifft, ausdrücklich verlangt, dass dieser Zusammenschluss „nach dem innerstaatlichen Wettbewerbsrecht mindestens dreier Mitgliedstaaten geprüft werden könnte“, enthält der 15. Erwägungsgrund der Verordnung, der alle anderen Formen der Verweisung eines Zusammenschlusses an die Kommission einschließlich des in Art. 22 der Verordnung genannten betrifft, kein solches Erfordernis. Der letztgenannte Erwägungsgrund enthält den Hinweis, dass ein „Mitgliedstaat … einen Zusammenschluss ohne [europaweite] Bedeutung an die Kommission verweisen können [sollte], wenn er den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb in seinem Hoheitsgebiet erheblich zu beeinträchtigen droht“. Ferner heißt es dort, dass „[d]ie Kommission … befugt sein [sollte], einen Zusammenschluss für einen antragstellenden Mitgliedstaat oder mehrere antragstellende Mitgliedstaaten zu prüfen und zu behandeln“.

147    Die Erwägungsgründe 15 und 16 der Verordnung Nr. 139/2004 bestätigen somit die oben in den Rn. 126 und 129 getroffene Feststellung, dass sich die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 22 dieser Verordnung von denen der anderen Verweisungsmechanismen grundlegend unterscheiden.

148    Nach alledem bestätigt die teleologische Auslegung, dass ein Verweisungsantrag nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 unabhängig von der Reichweite einer nationalen Fusionskontrollregelung gestellt werden kann.

149    Dieses Ergebnis kann nicht mit dem Verweis darauf in Frage gestellt werden, dass „[w]eitere Mitgliedstaaten, die für die Prüfung des Zusammenschlusses ebenfalls zuständig sind, … die Möglichkeit haben [sollten], dem Antrag beizutreten“, wie es im 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004 heißt und worauf sich die Klägerin und Grail zur Stützung ihres Standpunkts berufen.

150    Diese Bezugnahme weist nämlich nur darauf hin, dass sich weitere Mitgliedstaaten einem Verweisungsantrag aufgrund des neu eingefügten Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 anschließen können, durch den die mit der Verordnung Nr. 1310/97 eingeführte Möglichkeit ergänzt wird, gemeinsame Verweisungsanträge zu stellen, um eine parallele Prüfung desselben Zusammenschlusses durch mehrere Mitgliedstaaten zu vermeiden (siehe oben, R. 101). In diesem Zusammenhang beschreibt diese Bezugnahme in Anbetracht der Tatsache, dass auch die Verordnung Nr. 139/2004 eine solche parallele Prüfung verhindern soll (vgl. Erwägungsgründe 12 und 14 der Verordnung), den Fall, dass der betreffende Zusammenschluss in den Anwendungsbereich mehrerer nationaler Fusionskontrollregelungen fällt. Diese Auffassung wird durch den verbleibenden Teil des 15. Erwägungsgrundes der Verordnung bestätigt, der sich auf die Aussetzung der nationalen Fristen bezieht, was, wie die Kommission geltend macht, die Anwendbarkeit der Vorschriften einer solchen nationalen Regelung voraussetzt. Der EFTA-Überwachungsbehörde folgend ist daher festzustellen, dass dieser Erwägungsgrund dahin zu verstehen ist, dass er eines der vom Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 erfassten Szenarien beschreibt, und zwar dasjenige, das dazu geführt hat, dass die Möglichkeit aufgenommen wurde, sich einem Verweisungsantrag anzuschließen.

151    Wäre dagegen der 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004 entgegen dem eindeutigen Wortlaut von deren Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 so zu verstehen (siehe oben, Rn. 132), dass der Mitgliedstaat nach seinen eigenen Rechtsvorschriften zuständig sein muss, könnte ein Mitgliedstaat, der, wie das Großherzogtum Luxemburg, über keine Fusionskontrollregelung verfügt, sich niemals einem Verweisungsantrag anschließen; wenn gar, wie es offenbar die Klägerin befürwortet, diese Auslegung auf Art. 22 Abs. 1 der Verordnung ausgedehnt würde, könnte dieser Mitgliedstaat niemals einen Verweisungsantrag stellen. Ein solches Ergebnis aber, das der Entstehungsgeschichte dieses Artikels widerspricht (siehe oben, Rn. 97), wird nicht einmal von der Klägerin und von Grail behauptet.

–       Zum weiteren Vorbringen der Klägerin und von Grail

152    Das weitere Vorbringen der Klägerin und von Grail kann die vorangegangenen Erwägungen nicht in Frage stellen.

153    Was als Erstes die Äußerung der Klägerin betrifft, ein Mitgliedstaat, der die Voraussetzungen festgelegt habe, unter denen er Zusammenschlüsse ohne europaweite Bedeutung prüfe, habe „seine Zuständigkeit wahrgenommen“, so dass ihm die Möglichkeit, Zusammenschlüsse an die Kommission zu verweisen, nicht mehr offenstehe, ist darauf hinzuweisen, dass, wie es im letzten Satz des achten Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 139/2004 heißt und wie aus deren Art. 21 hervorgeht, alle Zusammenschlüsse, die nicht von dieser Verordnung erfasst werden, grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Dementsprechend verbleibt nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung gemäß Art. 4 Abs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 5 EUV ein Zusammenschluss, der mangels Überschreitens der Umsatzschwellen nach Art. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 nicht in deren Geltungsbereich fällt, automatisch in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Diese sind daher aus der Sicht des Unionsrechts stets für einen Verweisungsantrag nach Art. 22 dieser Verordnung zuständig.

154    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das nationale Recht nur auf die Zusammenschlüsse Anwendung finden kann, die grundsätzlich der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten unterliegen. Fällt ein solcher Zusammenschluss insbesondere mangels Überschreitens der erforderlichen Umsatzschwellen nicht in den Anwendungsbereich der nationalen Fusionskontrollregelung, sind die nationalen Wettbewerbsbehörden zwar nicht für dessen Prüfung zuständig. Dieses Ergebnis bedeutet insoweit jedoch nicht, dass der Mitgliedstaat seine allgemeine, ihm automatisch zukommende Zuständigkeit für alle Zusammenschlüsse ohne europaweite Bedeutung verloren oder auf sie verzichtet hätte, sondern nur, dass nach seinem eigenen Recht seinen Behörden die Zuständigkeit fehlt, auf nationaler Ebene in Bezug auf diesen Zusammenschluss tätig zu werden. Dieser letztgenannte Aspekt betrifft die Wahrnehmung oder die Verteilung der internen Zuständigkeiten, so dass die Zuständigkeit des Mitgliedstaats für die Stellung eines Verweisungsantrags nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 nicht hiervon abhängen kann.

155    Da dieser Artikel ausdrücklich auf die „Mitgliedstaaten“ Bezug nimmt, verleiht er diesen unmittelbar das Recht, unter den dort genannten Voraussetzungen die Verweisung eines Zusammenschlusses an die Kommission zu beantragen. Die Auffassung der Klägerin, wonach ein Mitgliedstaat ein ihm durch das Unionsrecht eingeräumtes Recht dadurch verlieren könne, dass er seine nationalen Rechtsvorschriften ausführe, ist nicht nur schwer mit den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 5 EUV zu vereinbaren (siehe oben, Rn. 153), sondern findet auch in der Rechtsprechung der Unionsgerichte keine Grundlage. Sie steht auch einer einheitlichen Anwendung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 entgegen, da sie die Mitgliedstaaten, die eine Fusionskontrollregelung geschaffen haben, gegenüber den Mitgliedstaaten benachteiligt, die über keine solche Regelung verfügen, da die Letzteren die Verweisung jedes Zusammenschlusses beantragen dürften, während die Ersteren einen solchen Antrag nur für Zusammenschlüsse stellen könnten, die in den Anwendungsbereich dieser Regelung fallen.

156    Dass die nationalen Rechtsvorschriften ohne Relevanz für die Anwendung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 sind, wird durch das Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission (T‑22/97, EU:T:1999:327), bestätigt. In Rn. 84 dieses Urteils hat das Gericht festgestellt, dass die Kommission, wenn sie mit einem Verweisungsantrag nach Art. 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 4064/89 befasst ist, lediglich zu prüfen hat, ob dieser Antrag auf den ersten Blick der Antrag eines Mitgliedstaats ist, nicht aber darüber zu entscheiden hat, ob die nationale Behörde, die diesen Antrag im Namen des Mitgliedstaats gestellt hat, nach dem anwendbaren nationalen Recht zuständig ist.

157    Was als Zweites den angeblichen Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 1 und 3 EUV niedergelegten und mit dem Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (ABl. 2016, C 202, S. 206) umgesetzten Grundsatz der Subsidiarität betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach diesem Grundsatz die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig wird, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.

158    Der Subsidiaritätsgrundsatz besteht somit zum einen aus einem negativen Kriterium, dass nämlich die in Aussicht genommenen Ziele von den Mitgliedstaaten nicht hinreichend verwirklicht werden können, und zum anderen aus einem positiven Kriterium, dass nämlich diese Ziele wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind. Mit diesen beiden Komponenten des Subsidiaritätsprinzips wird letztlich aus zwei verschiedenen Blickwinkeln ein und dieselbe Frage erörtert, und zwar die, ob zur Verwirklichung der in Aussicht genommenen Ziele auf Unionsebene oder auf mitgliedstaatlicher Ebene gehandelt werden soll (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Pillbox 38, C‑477/14, EU:C:2015:854, Rn. 165).

159    Die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips wird von den Unionsgerichten überwacht (Urteil vom 4. Mai 2016, Polen/Parlament und Rat, C‑358/14, EU:C:2016:323, Rn. 113).

160    Im vorliegenden Fall findet das Subsidiaritätsprinzip Anwendung, da sich die mit der Verordnung Nr. 139/2004 eingeführte Fusionskontrollregelung teilweise auf Art. 308 EG (jetzt Art. 352 AEUV) stützt (siehe oben, Rn. 118) und daher nicht in den Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit der Union fällt.

161    Da die Klägerin nicht geltend macht, die Verordnung Nr. 139/2004 sei rechtswidrig, stellt sie auch nicht in Frage, dass die Verordnung, wie ihren Erwägungsgründen 6 und 8 zu entnehmen ist, dem Subsidiaritätsprinzip gerecht wird. Die Kontrolle dieses Prinzips durch das Gericht beschränkt sich daher auf die Auslegung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004, wie sie in den angefochtenen Beschlüssen zugrunde gelegt wurde, wonach ein Verweisungsantrag nach dieser Bestimmung unabhängig von der Reichweite einer nationalen Fusionskontrollregelung gestellt werden kann.

162    Insoweit ist zum einen festzustellen, dass die Zusammenschlüsse, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen, auf Unionsebene besser überwacht werden können. Insbesondere verfügt die Kommission aufgrund der Verordnung Nr. 139/2004 für die Prüfung, ob ein Zusammenschluss mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, über Beurteilungskriterien und Befugnisse, die weiter gehen als die einer nationalen Wettbewerbsbehörde, deren Befugnisse auf das Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats beschränkt sind.

163    Zum anderen bietet die Auslegung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004, wie sie in den angefochtenen Beschlüssen zugrunde gelegt wurde, einem Mitgliedstaat die Möglichkeit, einen Zusammenschluss, der, wie im vorliegenden Fall, weder in den Anwendungsbereich seiner nationalen Fusionskontrollregelung fällt noch eine europaweite Bedeutung im Sinne von Art. 1 dieser Verordnung hat, von der Kommission prüfen zu lassen, wenn dieser Zusammenschluss droht, den Wettbewerb in seinem Hoheitsgebiet erheblich zu beeinträchtigen, und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt. Diese Auslegung stellt somit sicher, dass ein Zusammenschluss, der trotz seiner erheblichen nachteiligen Wirkungen einer Prüfung weder durch die nationalen Behörden noch durch die Kommission unterliegt, von der Letzteren geprüft werden kann. Es handelt sich mithin um eine Maßnahme, die von den Mitgliedstaaten nicht verwirklicht werden kann. Vielmehr ist bei dieser Sachlage ein Tätigwerden auf Unionsebene unerlässlich.

164    Wie die Kommission und die Französische Republik vortragen, wird ferner die Wahrung der Interessen der Mitgliedstaaten auch dadurch sichergestellt, dass die Kommission im Rahmen von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 einen Zusammenschluss nur auf Verweisungsantrag eines Mitgliedstaats prüfen kann. Diese Interessen werden erst recht durch den begrenzten geografischen Bereich der Prüfung des Zusammenschlusses nach Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 3 der Verordnung geschützt. Nach dieser Bestimmung kann nämlich nur der Mitgliedstaat, der von sich aus einen solchen Antrag gestellt hat, sein nationales Wettbewerbsrecht auf den betreffenden Zusammenschluss nicht mehr anwenden (vgl. oben, Rn. 134).

165    Die Auslegung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004, wie sie in den angefochtenen Beschlüssen zugrunde gelegt wurde, wonach ein Verweisungsantrag aufgrund dieser Bestimmung unabhängig von der Reichweite einer nationalen Fusionskontrollregelung gestellt werden kann, wahrt daher das Subsidiaritätsprinzip. Wie im elften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004 dargelegt, stellt sie insbesondere sicher, dass dieser Artikel ein wirksames Korrektiv im Licht dieses Prinzips bildet, indem er die Interessen der Mitgliedstaaten schützt. Zudem gewährleistet diese Auslegung gemäß dem 14. Erwägungsgrund der Verordnung, dass ein Fall unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips von der dafür am besten geeigneten Behörde behandelt wird (vgl. auch oben, Rn. 144).

166    Dieses Ergebnis kann durch das Vorbringen der Klägerin, das Subsidiaritätsprinzip schränke die Anwendung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 für die Mitgliedstaaten ein, die ihre eigene nationale Fusionskontrollregelung geschaffen hätten, nicht in Frage gestellt werden, da dieses Prinzip, wie Art. 5 Abs. 1 EUV zeigt, die Ausübung der Zuständigkeiten der Union regelt, nicht aber die der Mitgliedstaaten. Auch das Urteil vom 4. Mai 2016, Philip Morris Brands u. a. (C‑547/14, EU:C:2016:325, Rn. 216 bis 218), auf das sich die Klägerin beruft, ist nicht einschlägig, da es nur auf die Ausübung der Kontrolle des Subsidiaritätsprinzips durch die nationalen Parlamente und durch den Unionsrichter hinweist.

167    Was als Drittes den mutmaßlichen Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 1 und 4 EUV niedergelegten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz betrifft, so sieht dieser Grundsatz vor, dass Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen dürfen.

168    Nach diesem Grundsatz dürfen die Handlungen der Unionsorgane insbesondere nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist, wobei zu beachten ist, dass dann, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Januar 2017, Spanien/Rat, C‑128/15, EU:C:2017:3, Rn. 71, vom 9. Dezember 2020, Groupe Canal +/Kommission, C‑132/19 P, EU:C:2020:1007, Rn. 104, und vom 20. Juni 2018, České dráhy/Kommission, T‑325/16, EU:T:2018:368, Rn. 113).

169    Da die Klägerin im vorliegenden Fall nicht geltend macht, die Verordnung Nr. 139/2004 sei unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtswidrig, beschränkt sich die Kontrolle dieses Grundsatzes durch das Gericht auf die Auslegung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004, wie sie in den angefochtenen Beschlüssen zugrunde gelegt wurde, wonach ein Verweisungsantrag aufgrund dieser Bestimmung unabhängig von der Reichweite einer nationalen Fusionskontrollregelung gestellt werden kann.

170    In Bezug auf die angeblich große Zahl von Zusammenschlüssen, die ohne europaweite Bedeutung seien und keinem nationalen Kontrollsystem unterlägen, die von dieser Auslegung berührt würden, genügt der Hinweis, dass es sich um ein nicht substantiiertes Vorbringen handelt, mit dem nicht dargetan wird, dass die Auslegung in Anbetracht des Ziels, die Zusammenschlüsse zu prüfen, die einen wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt erheblich behindern können, unverhältnismäßig ist. Auch die Behauptung, diese Auslegung werde für die Unternehmen insofern ein schwerfälliges Verfahren mit sich bringen, als sie von ihnen eine „informelle“ Anmeldung verlange, kann nicht durchgreifen, da eine solche Anmeldung weder in Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehen noch nach dieser Auslegung erforderlich ist.

171    Im Übrigen erlaubt die in den angefochtenen Beschlüssen zugrunde gelegte Auslegung, wonach ein Verweisungsantrag nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 unabhängig von der Reichweite einer nationalen Fusionskontrollregelung gestellt werden kann, der Kommission die Prüfung eines Zusammenschlusses aufgrund dieses Artikels nur in einigen spezifischen Fällen und unter genau festgelegten Voraussetzungen, nämlich dann, wenn die vier in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung vorgesehenen kumulativen Voraussetzungen (vgl. oben, Rn. 89) erfüllt sind. In Anbetracht dieser klaren und eindeutigen Anwendungsvoraussetzungen, die den Handlungsspielraum der Kommission spürbar einschränken, ist diese Auslegung zur Erreichung des Ziels, die Zusammenschlüsse zu prüfen, die einen wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt erheblich behindern können, nicht ungeeignet.

172    Die in den angefochtenen Beschlüssen zugrunde gelegte Auslegung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 genügt somit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und geht, wie der Unionsgesetzgeber im sechsten Erwägungsgrund der Verordnung ausgeführt hat, nicht über das zur Erreichung des Ziels der Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs im Binnenmarkt erforderliche Maß hinaus.

173    Was als Viertes den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit betrifft, so gebietet dieser Grundsatz, der zu den allgemeinen Grundsätzen der Unionsrechts gehört, zum einen, dass Rechtsvorschriften klar und bestimmt sind, und zum anderen, dass ihre Anwendung für den Einzelnen voraussehbar ist. Insbesondere verlangt dieser Grundsatz, dass eine Regelung es den Betroffenen ermöglicht, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen, und dass sie ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen können (vgl. Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 127 und 128 und die dort angeführte Rechtsprechung).

174    Im vorliegenden Fall würde die von der Klägerin und von Grail vertretene Auslegung, die die Anwendung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 an die Erfordernisse einer nationalen Fusionskontrollregelung knüpft, zugleich aber eine Art Ausnahme für diejenigen Mitgliedstaaten vorsieht, die über keine solche Regelung verfügen, zu Unsicherheit bei den Zusammenschlüssen führen, die in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen.

175    Insbesondere würde diese Auslegung zum einen zu einer Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Kriterien und Begriffen führen, die den Anwendungsbereich der in den Mitgliedstaaten geltenden Fusionskontrollregelungen festlegen. Die Anwendung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 hinge somit von Umständen ab, die die Kommission wegen ihrer Unvorhersehbarkeit in ihrem Vorschlag von 2003 zurückgewiesen hatte (siehe oben, Rn. 108). Diese genannte Auslegung verstieße zudem gegen die Rechtsprechung, wonach es nicht Aufgabe der Kommission ist, darüber zu entscheiden, ob die nationalen Wettbewerbsbehörden für die Verweisungsanträge zuständig sind (Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission, T‑22/97, EU:T:1999:327, Rn. 84). Zum anderen wäre diese Auslegung nicht geeignet, die Voraussehbarkeit zu erhöhen, da ein Mitgliedstaat, der über keine Fusionskontrollregelung verfügt, weiterhin aufgrund dieses Artikels die Verweisung eines Fusionskontrollverfahrens an die Kommission beantragen könnte. Die Klägerin und Grail erläutern insbesondere nicht, weshalb der Grundsatz der Rechtssicherheit besser gewährleistet wäre, wenn im vorliegenden Fall das Großherzogtum Luxemburg, das über keine derartige Regelung verfügt, anstelle der Französischen Republik den Verweisungsantrag gestellt hätte, der Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist.

176    Nach der in den angefochtenen Beschlüssen zugrunde gelegten Auslegung, wonach ein Verweisungsantrag gemäß Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 unabhängig von der Reichweite einer nationalen Fusionskontrollregelung gestellt werden kann, wird demgegenüber die Anwendung dieses Artikels allein von den vier in diesem Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 niedergelegten kumulativen Voraussetzungen abhängig gemacht, wie sie oben in Rn. 89 dargestellt worden sind. Diese Voraussetzungen stellen sicher, dass, wie die Kommission ausführt, diese Bestimmung in der Union einheitlich angewandt wird.

177    Zwar hängt die Anwendung des in Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004 niedergelegten Verweisungsmechanismus vom nationalen Wettbewerbsrecht der Mitgliedstaaten ab (siehe oben, Rn. 126). Dies erklärt sich jedoch mit der Zielsetzung, eine parallele Prüfung desselben Zusammenschlusses durch mehrere nationale Wettbewerbsbehörden zu verhindern (siehe ebenfalls oben, Rn. 126); diese Zielsetzung rechtfertigt, wie die Klägerin selbst einräumt, eine „Bezugnahme auf die zuständigen Stellen, bei denen andernfalls die Anmeldungen zu erfolgen hätten“. Da jedoch Art. 22 dieser Verordnung auch weitere Ziele verfolgt, insbesondere dasjenige, als „Korrektiv“ eine wirksame Kontrolle aller Zusammenschlüsse zu ermöglichen, die geeignet sind, einen wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt erheblich zu beeinträchtigen, und die andernfalls mangels Überschreitens der Umsatzschwellen den Fusionskontrollregelungen sowohl der Union als auch der Mitgliedstaaten entgehen würden (vgl. oben, insbesondere Rn. 102, 113, 114 und 142), sind klare und eindeutige Anwendungsvoraussetzungen erforderlich, die sich im Unionsrecht gründen.

178    Folglich gewährleistet nur die in den angefochtenen Beschlüssen herangezogene Auslegung die erforderliche Rechtssicherheit und einheitliche Anwendung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 in der Union.

179    Diese Beurteilung wird durch das weitere Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

180    Soweit sich die Klägerin zum einen auf die Feststellung des Gerichtshofs im Urteil vom 18. Dezember 2007, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission (C‑202/06 P, EU:C:2007:814, Rn. 38) bezüglich des Erfordernisses bezieht, dass sich die für die Prüfung eines bestimmten Zusammenschlusses zuständige Behörde auf vorhersehbare Weise bestimmen lässt, ist festzustellen, dass die in den angefochtenen Beschlüssen herangezogene Auslegung die klare Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und der Union, die auf den in Art. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 festgelegten Schwellenwerten beruht, nicht verändert. Insbesondere sind mangels Überschreitens dieser Schwellenwerte ausschließlich die Behörden der Mitgliedstaaten für die Prüfung des betreffenden Zusammenschlusses oder für die Stellung eines Verweisungsantrags nach Art. 22 dieser Verordnung zuständig (vgl. oben, Rn. 153). Die an einem solchen Zusammenschluss Beteiligten sind daher weder verpflichtet, diesen Zusammenschluss bei der Kommission anzumelden, noch, zu prüfen, ob die in Art. 22 Abs. 1 der Verordnung angeführten Voraussetzungen vorliegen. Sie laufen auch nicht Gefahr, Sanktionen ausgesetzt zu sein, wenn kein aktives „[Zurkenntnisbringen]“ im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung erfolgt ist. Die zuständige Behörde lässt sich somit in vorhersehbarer Weise bestimmen.

181    Was zum anderen das Argument betrifft, dass die Kommission die Möglichkeit habe, gemäß Rn. 21 der Leitlinien zu Art. 22 einen Zusammenschluss lange Zeit nach dessen Durchführung zu prüfen, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 ein Verweisungsantrag gemäß diesem Artikel „innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem der Zusammenschluss bei dem betreffenden Mitgliedstaat angemeldet oder, falls eine Anmeldung nicht erforderlich ist, ihm anderweitig zur Kenntnis gebracht worden ist, gestellt werden“ muss. Wie sich oben aus Rn. 130 ergibt, gelten diese Fristen auch, wenn die Schwellenwerte einer nationalen Fusionskontrollregelung zu dem Zeitpunkt, zu dem der Zusammenschluss dem Mitgliedstaat zur Kenntnis gebracht wird, nicht erreicht werden. Da der Verweisungsantrag nach Art. 22 der Verordnung genau bestimmten Fristen unterliegt, ist die Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit gewährleistet. Dasselbe gilt für das Gebot des zügigen Verfahrens, das im Rahmen der Fusionskontrolle gilt und auf das sich die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil vom 14. Juli 2006, Endesa/Kommission (T‑417/05, EU:T:2006:219, Rn. 209), beruft, sowie für den Schutz der Wirksamkeit von Rechtsgeschäften, der im letzten Satz des 34. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 139/2004 angeführt wird und auf den sich die Klägerin in ihren Ausführungen ebenfalls stützt.

182    Was als Fünftes den Ausnahmecharakter der Verweisungen nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 betrifft, auf den sich die Klägerin beruft, so ist dieser durch die in den angefochtenen Beschlüssen herangezogene Auslegung insoweit gewahrt, als die Prüfungsbefugnis der Kommission weiterhin in erster Linie davon abhängt, dass die in Art. 1 der Verordnung festgelegten Umsatzschwellen überschritten werden und dass der Verweisungsmechanismus nach Art. 22 der Verordnung nur eine subsidiäre Befugnis darstellt, aufgrund deren in einigen spezifischen Fällen und unter genau bestimmten Voraussetzungen (vgl. insbesondere die vier oben in Rn. 89 dargestellten kumulativen Anwendungsvoraussetzungen) ein Zusammenschluss, der trotz seiner grenzüberschreitenden Auswirkungen diese Schwellen nicht erreicht, auf Antrag eines oder mehrerer Mitgliedstaaten auch von der Kommission geprüft werden kann, wodurch der Aufgabe von Art. 22 als „Korrektiv“ Rechnung getragen wird. Dasselbe gilt für die entsprechende Anwendung des Urteils vom 3. April 2003, Royal Philips Electronics/Kommission (T‑119/02, EU:T:2003:101, Rn. 354), auf das sich die Klägerin beruft, wonach die Voraussetzungen für die Verweisung nach Art. 9 der Verordnung Nr. 139/2004 eng auszulegen sind. Angesichts der oben in Rn. 89 dargestellten vier kumulativen Voraussetzungen bleiben, wie die Französische Republik ausführt, im Übrigen die Vorhaben, die in den Anwendungsbereich von Art. 22 dieser Verordnung fallen können, zahlenmäßig beschränkt.

183    Aufgrund aller dieser Erwägungen, insbesondere unter Berücksichtigung der wörtlichen, der historischen, der systematischen und der teleologischen Auslegung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten unter den dort aufgeführten Voraussetzungen einen Verweisungsantrag nach dieser Bestimmung unabhängig von der Reichweite der nationalen Fusionskontrollregelung stellen können.

184    Folglich hat die Kommission mit den angefochtenen Beschlüssen dem Verweisungsantrag und den Anträgen auf Anschließung gemäß Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 zu Recht stattgegeben. Entgegen der Auffassung der Klägerin und von Grail war daher weder eine Gesetzesänderung noch eine Überprüfung der europaweiten Schwellenwerte für die Anwendung dieser Vorschrift im vorliegenden Fall erforderlich.

185    Der erste Klagegrund ist dementsprechend zurückzuweisen.

 Zweiter Klagegrund: verspäteter Verweisungsantrag und, hilfsweise, Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der „guten Verwaltung“

–       Zum ersten Teil: Verspätung des Verweisungsantrags

186    Die Klägerin, unterstützt durch Grail, ist der Auffassung, der Verweisungsantrag sei nach Ablauf der in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 bestimmten Frist gestellt worden. Die Kommission habe einen Rechtsfehler mit der Feststellung begangen, dass für die Annahme, dass der Zusammenschluss im Sinne dieser Vorschrift zur Kenntnis gebracht worden sei, der Mitgliedstaat nicht nur von der Existenz des Zusammenschlusses in Kenntnis gesetzt worden sein müsse, sondern ihm auch die Informationen übermittelt worden sein müssten, die eine vorläufige Wettbewerbsanalyse des Vorhabens ermöglichten. Die Auslegung der Kommission habe zur Folge, dass ein Zusammenschluss de facto in allen Mitgliedstaaten angemeldet werden müsse, selbst wenn für ihn keine Anmeldepflicht bestehe. Die Klägerin und Grail weisen darauf hin, dass der betreffende Zusammenschluss Gegenstand der Pressemitteilung vom 21. September 2020, der vorläufigen Prüfung der CMA im November und Dezember 2020 und des „zweiten Antrags“ der Federal Trade Commission (amerikanische Bundesbehörde für Wettbewerb, im Folgenden: FTC) vom 9. November 2020 gewesen sei. Auf einer Konferenz vom 23. März 2021 habe zudem ein Beamter der ACF erklärt, die ACF überwache den Markt im Bemühen, Zusammenschlüsse ausfindig zu machen, die für die Anwendung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 in Frage kämen. Angesichts dieser Umstände vertritt die Klägerin die Auffassung, dass die ACF wahrscheinlich schon vor Erhalt des Aufforderungsschreibens Kenntnis von dem genannten Zusammenschluss gehabt habe. Da sich dieses Schreiben, der Verweisungsantrag und das Aufforderungsschreiben auf Informationen stützten, die der Öffentlichkeit seit dem 21. September 2020 bekannt gewesen seien, hätte die ACF oder jede andere Behörde eines Mitgliedstaats zu diesem Zeitpunkt und jedenfalls vor dem 19. Februar 2021 eine vorläufige Wettbewerbsanalyse des betreffenden Zusammenschlusses vornehmen können. Grail fügt hinzu, die Kommission habe eingeräumt, vor der Versendung des Aufforderungsschreibens mit den nationalen Behörden Gespräche geführt zu haben, um zu prüfen, ob eine von ihnen für seine Beurteilung zuständig sei.

187    Die Kommission und die Französische Republik erwidern im Wesentlichen, dass „zur Kenntnis gebracht“ im Sinne von Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 beinhalte, dass dem Mitgliedstaat spezifische Informationen vorgelegt werden, anhand deren ihm eine vorläufige Prüfung der Voraussetzungen der genannten Vorschrift möglich sei. Die öffentliche Ankündigung des betreffenden Zusammenschlusses in der angeführten Pressemitteilung allein könne die in dieser Bestimmung geregelte Frist nicht in Gang setzen und sei jedenfalls unzureichend, um diese vorläufige Prüfung zu ermöglichen. Würde es sich anders verhalten, wäre die Wirksamkeit der Vorschriften über die Verweisung der Zusammenschlüsse beeinträchtigt. Den beteiligten Unternehmen hätte es bewusst sein müssen, dass der Zusammenschluss Wettbewerbsprobleme aufwerfen könne, und sie hätten, um Aufschluss über eine etwaige Verweisung zu erlangen, den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und der Kommission die Informationen zur Kenntnis bringen können, die sie der FTC und dem Department of Justice (Justizministerium, Vereinigte Staaten) vorzulegen hatten. Nach Ansicht der Kommission befand sich die CMA in einer anderen Lage als die ACF, da sie zum einen vom Beschwerdeführer kontaktiert worden und zum anderen über die Tätigkeiten der Klägerin bereits gut informiert gewesen sei. Außerdem sei ihre Prüfung auch nicht innerhalb einer Frist von 15 Arbeitstagen ab Bekanntmachung des betreffenden Zusammenschlusses am 21. September 2020 erfolgt.

188    Im Rahmen des ersten Teils des zweiten Klagegrundes hat das Gericht Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004, insbesondere die Wendung „[dem Mitgliedstaat] anderweitig zur Kenntnis gebracht worden ist“ auszulegen, wobei mit diesem „[Zurkenntnisbringen]“ nach dieser Bestimmung die Frist von 15 Arbeitstagen für die Stellung eines Verweisungsantrags zu laufen beginnt, falls eine Anmeldung des Zusammenschlusses nicht erforderlich ist.

189    Hierzu ist nach der oben in Rn. 88 angeführten Rechtsprechung eine wörtliche, systematische, teleologische und historische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 vorzunehmen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Bestimmungen des Unionsrechts mehrsprachig abgefasst sind und alle Sprachfassungen verbindlich sind, was einen Vergleich dieser Fassungen erforderlich machen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Januar 2021, Hessischer Rundfunk, C‑422/19 und C‑423/19, EU:C:2021:63, Rn. 65, und vom 14. Juli 2016, Lettland/Kommission, T‑661/14, EU:T:2016:412, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

190    Was als Erstes die wörtliche Auslegung betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 „[d]er [Verweisungsantrag] innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem der Zusammenschluss bei dem betreffenden Mitgliedstaat angemeldet oder, falls eine Anmeldung nicht erforderlich ist, ihm anderweitig zur Kenntnis gebracht worden ist, gestellt werden [muss]“.

191    Art. 22 Abs. 1 Unterabs, 2 der Verordnung Nr. 139/2004 macht somit den Beginn der Frist von 15 Arbeitstagen von zwei alternativen Voraussetzungen abhängig, nämlich von dem Datum der Anmeldung, die Gegenstand des Verweisungsantrags ist, oder, falls eine solche Anmeldung nicht erforderlich ist, davon, dass dem betreffenden Mitgliedstaat dieser Zusammenschluss „zur Kenntnis gebracht“ worden ist.

192    Bezüglich der zweiten alternativen Voraussetzung ist festzustellen, dass die Wendung „zur Kenntnis gebracht“ weder einen Hinweis darauf gibt, ob die Kenntnis das Ergebnis einer aktiven Informationsübermittlung zu sein hat oder aus einem passiven Wissen von dem Zusammenschluss folgen muss, noch einen Hinweis auf den Inhalt der Informationen, in deren Besitz der Mitgliedstaat sein muss, damit ein Zusammenschluss als „zur Kenntnis gebracht“ angesehen wird. Zu dem ersten dieser Aspekte ist festzustellen, dass die verschiedenen Sprachfassungen nicht übereinstimmen. Während sich insbesondere aus den Wendungen, die in der deutschen, der englischen, der kroatischen, der spanischen, der französischen, der ungarischen, der italienischen, der niederländischen und der portugiesischen Fassung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 benutzt werden, ergibt, dass „zur Kenntnis gebracht“ Ergebnis einer „Handlung“, nämlich einer „Übermittlung“, sein muss, legt die bulgarische Fassung dieser Bestimmung nahe, dass irgendeine Kenntnis des betreffenden Zusammenschlusses genügt.

193    Aus dieser Abweichung zwischen den verschiedenen Sprachfassungen folgt, dass Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung, zu der er gehört, ausgelegt werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. April 2016, Borealis Polyolefine u. a., C‑191/14, C‑192/14, C‑295/14, C‑389/14 und C‑391/14 bis C‑393/14, EU:C:2016:311, Rn. 90, sowie vom 26. Januar 2021, Hessischer Rundfunk, C‑422/19 und C‑423/19, EU:C:2021:63, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

194    In Bezug auf den zweiten oben in Rn. 192 angeführten Aspekt müssen angesichts des Schweigens aller Sprachfassungen zur Tragweite und zum Inhalt der Wendung dem betreffenden Mitgliedstaat „zur Kenntnis gebracht“ diese Gesichtspunkte anhand anderer Auslegungsmethoden bestimmt werden.

195    Als Zweites lässt sich der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 auch anhand der historischen Auslegung nicht klären.

196    Erstens nämlich entspricht der Begriff „Unterrichtung“, wie er in Art. 22 Abs. 4 der ursprünglichen Fassung der Verordnung Nr. 4064/89 verwendet wurde, dem Ausdruck „zur Kenntnis gebracht“ in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004. Zweitens ist der Ausdruck „den betreffenden Mitgliedstaaten zur Kenntnis gebracht“, wie er mit der Verordnung Nr. 1310/97 in Art. 22 Abs. 4 der Verordnung Nr. 4064/89 eingefügt wurde, wie in den Rn. 91, 92 und 98 des Grünbuchs von 2001 beschrieben genauso ungenau und mehrdeutig wie der Ausdruck „ihm … zur Kenntnis gebracht“. Drittens wurde trotz der im Vorschlag 2003 geäußerten Absicht, die Verfahrensvorschriften für Verweisungen nach Art. 22 der Verordnung Nr. 4064/89 zu präzisieren (vgl. Nr. 27 des Vorschlags), mit der Verordnung Nr. 139/2004 eine solche Präzisierung nicht herbeigeführt.

197    Was ferner zum einen die Mitteilung über die Verweisung und den Leitfaden zu Art. 22, in denen die Übermittlung ausreichender Informationen verlangt wird, um vorläufig prüfen zu können, ob die Voraussetzungen für einen Verweisungsantrag vorliegen (vgl. Fn. 43 dieser Mitteilung und Rn. 18 des Leitfadens), und zum anderen das Weißbuch von 2014 betrifft, in dem lediglich verlangt wird, dass der Zusammenschluss „zur Kenntnis gebracht“ wird (vgl. Rn. 69 dieses Weißbuchs), so ist festzustellen, dass diese Dokumente für eine historische Auslegung ohne Bedeutung sind, da sie nach dem Erlass der Verordnung Nr. 139/2004 erstellt wurden (siehe oben, Rn. 115).

198    Was als Drittes die systematische Auslegung betrifft, so weist erstens der Umstand, dass die Anmeldung und das „[Zurkenntnisbringen]“ des Zusammenschlusses Alternativen darstellen, die nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 dieselben Rechtswirkungen erzeugen, nämlich den Beginn des Laufs der Frist von 15 Arbeitstagen (siehe oben, Rn. 191), als solcher darauf hin, dass ihr Inhalt vergleichbar sein muss.

199    Zweitens ist, wie die Französische Republik ausführt, Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004, soweit dort im ersten Satzteil auf den „Antrag [auf Verweisung]“ Bezug genommen wird, im Licht von Unterabs. 1 dieser Bestimmung zu sehen, in dem die Voraussetzungen für einen Verweisungsantrag niedergelegt sind (siehe oben, Rn. 89). Aus dem Zusammenhang dieser beiden Unterabsätze ist zu schließen, dass das „[Zurkenntnisbringen]“ eines Zusammenschlusses, wie die Kommission ausführt, dem beteiligten Mitgliedstaat die Möglichkeit geben soll, diese Voraussetzungen vorläufig zu prüfen und die Zweckmäßigkeit der Stellung eines Verweisungsantrags zu beurteilen. Andernfalls könnte dieser Mitgliedstaat gezwungen sein, vorsorglich und allein zwecks Einhaltung der Frist von 15 Arbeitstagen einen Verweisungsantrag für Zusammenschlüsse zu stellen, auch wenn er nicht sicher wäre, dass die genannten Voraussetzungen vorliegen.

200    Drittens sehen die sonstigen Verweisungsmechanismen in Art. 4 Abs. 4 und 5 sowie Art. 9 der Verordnung Nr. 139/2004 ebenso wie deren Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 vor, dass den betreffenden Mitgliedstaaten eine Frist von 15 Arbeitstagen für eine Stellungnahme zur Verweisung zur Verfügung steht. Der Beginn dieser Frist hängt davon ab, dass entweder eine Kopie der Anmeldung oder ein begründeter Antrag übermittelt wird, die bzw. der nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 7. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, L 133, S. 1) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1269/2013 der Kommission vom 5. Dezember 2013 (ABl. 2013, L 336, S. 1) geänderten Fassung ein Mindestmaß an entsprechenden Informationen enthalten muss, anhand deren dieser Mitgliedstaat prüfen kann, ob die Voraussetzungen für eine Verweisung vorliegen. Auch wenn sich die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 von denen der anderen Verweisungsmechanismen unterscheiden (vgl. oben, Rn. 125 bis 129), ist es im Rahmen einer harmonisierten Auslegung dieser Verordnung schlüssig, davon auszugehen, dass der Ausdruck „zur Kenntnis gebracht“, wie er in deren Art 22 Abs.1 Unterabs. 2 verwendet wird, die aktive Übermittlung von Informationen beinhaltet, anhand deren eine Beurteilung dieser Anwendungsvoraussetzungen möglich ist.

201    Viertens sieht auch Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004, der die Anträge auf Anschließung regelt, eine Frist von 15 Arbeitstagen für die Stellung solcher Anträge vor. Die Frist beginnt nach dieser Bestimmung zu laufen, „nachdem [die zuständige Behörde des Mitgliedstaats] von der Kommission über [den ersten Antrag] informiert wurde“. Der Fristbeginn hängt somit auch hier von der aktiven Übermittlung sachdienlicher Information ab.

202    Fünftens beruhen auch die sonstigen Vorschriften der Fusionskontrollregelung der Union auf dem Grundsatz einer aktiven Übermittlung sachdienlicher Informationen. So sind die Zusammenschlüsse mit europaweiter Bedeutung im Sinne von Art. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 gemäß deren Art. 4 vor ihrem Vollzug bei der Kommission anzumelden, und nach Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung „beginnt [die Frist für die Prüfung] mit dem Arbeitstag, der auf den Tag des Eingangs der Anmeldung folgt, oder, wenn die bei der Anmeldung zu erteilenden Auskünfte unvollständig sind, mit dem Arbeitstag, der auf den Tag des Eingangs der vollständigen Auskünfte folgt“.

203    Indem aber die Klägerin für den Beginn der Frist nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 den Zeitpunkt heranzieht, in dem der Zusammenschluss bekannt gemacht wurde, insbesondere durch Pressemitteilungen und Berichterstattung in den Medien, bezieht sie sich auf ein Kriterium, das der Fusionskontrollregelung der Union im Allgemeinen und ihren Verweisungsmechanismen im Besonderen fremd ist, nach denen weder die Kommission noch die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten aktiv Informationen über Zusammenschlüsse einholen müssen, die gemäß der genannten Regelung geprüft werden können.

204    Daher ist in Anbetracht des oben in den Rn. 198 bis 203 dargestellten Zusammenhangs festzustellen, dass ein „[Zurkenntnisbringen]“ im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 hinsichtlich seiner Form in einer aktiven Übermittlung sachdienlicher Informationen an den betreffenden Mitgliedstaat bestehen muss und hinsichtlich seines Inhalts die Informationen enthalten muss, anhand deren dem Mitgliedstaat eine vorläufige Beurteilung der in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Verordnung normierten Voraussetzungen möglich ist.

205    Als Viertes wird diese Beurteilung auch durch eine teleologische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 bestätigt.

206    Den Erwägungsgründen 11 und 14 der Verordnung Nr. 139/2004 ist nämlich zu entnehmen, dass Verweisungen von Zusammenschlüssen in einer effizienten Weise erfolgen sollen. Dies schließt, wie die Kommission und die Französische Republik ausführen, eine Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Verordnung aus, nach der die Mitgliedstaaten verpflichtet wären, zum einen öffentliche Bekanntmachungen von Zusammenschlüssen ständig zu überwachen, um festzustellen, welche von ihnen für eine Verweisung nach diesem Artikel in Frage kommen, und zum anderen, um die Frist von 15 Arbeitstagen zu wahren, vorsorglich einen Antrag auf Verweisung von den Zusammenschlüssen zu stellen, bei denen nicht sicher ist, ob die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Artikels vorliegen.

207    Nur bei dieser Auslegung ist im Interesse der Rechtssicherheit gewährleistet, dass der Fristbeginn eindeutig festgelegt ist und für alle Zusammenschlüsse, die in den Anwendungsbereich von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 fallen können, gleich ist, falls die Anmeldung nicht erforderlich ist. Die Kenntnisnahme aufgrund aktiver Übermittlung ausreichender Informationen verhindert nämlich, dass der Fristbeginn von unvorhersehbaren und ungewissen Umständen abhängt, wie z. B. vom Umfang der Medienberichterstattung oder der Detailgenauigkeit der Pressemitteilungen. Sie stellt auch – im selben Interesse – sicher, dass der betreffende Mitgliedstaat von diesem Zeitpunkt an nur 15 Arbeitstage für die Stellung eines Verweisungsantrags zur Verfügung stehen.

208    Als Fünftes ist nur die oben in Rn. 204 herangezogene Auslegung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbar, der, wie sich aus der oben in Rn. 173 angeführten Rechtsprechung ergibt, zum einen gebietet, dass Rechtsvorschriften klar und bestimmt sind, und zum anderen, dass ihre Anwendung für den Einzelnen voraussehbar ist. Insbesondere verlangt dieser Grundsatz, dass eine Regelung es den Betroffenen ermöglicht, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen, und dass sie ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen können.

209    Diese Auslegung macht nämlich die Anwendung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 für den Einzelnen insofern vorhersehbar, als sie den Beginn der Frist von 15 Arbeitstagen von einer aktiven Übermittlung sachdienlicher Informationen abhängig macht, anhand deren der betreffende Mitgliedstaat vorläufig beurteilen kann, ob die Voraussetzungen von Unterabs. 1 dieses Artikels erfüllt sind. Sie stellt damit sicher, dass der Beginn dieser Frist und die an einem Zusammenschluss Beteiligten eindeutig bestimmt sind (vgl. auch oben, Rn. 207). Insbesondere können die Letzteren durch die Übermittlung der genannten Informationen sicher sein, dass die besagte Frist zu laufen begonnen hat und dass die Stellung eines Verweisungsantrags nach deren Ablauf nicht mehr möglich ist.

210    Der Standpunkt der Klägerin dagegen lässt eine solche Voraussehbarkeit oder eine solche Klarheit nicht zu. Zum einen nämlich macht die Klägerin den Beginn der Frist von 15 Arbeitstagen offenbar von Informationen abhängig, die allein die Existenz des Zusammenschlusses betreffen. Nur aufgrund der Kenntnis, dass der Zusammenschluss existiert, kann ein Mitgliedstaat jedoch keine vorläufige Beurteilung der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 vornehmen. Dies hätte zur Folge, dass der betreffende Mitgliedstaat, wenn es ihm nicht gelingt, ausreichend Informationen für die Beurteilung zu beschaffen, einen Verweisungsantrag allein deswegen stellen müsste, um die Frist zu wahren, ohne allerdings zu wissen, ob die besagten Voraussetzungen vorliegen (vgl. auch oben, Rn. 199 und 206). Zum anderen nimmt die Klägerin auf den Zeitpunkt Bezug, zu dem sie von dem Zusammenschluss Kenntnis hätte erlangen können, was, wie die Kommission und die Französische Republik vortragen, in Wirklichkeit bedeuten würde, dass die Mitgliedstaaten, um einen möglicherweise in den Anwendungsbereich von Art. 22 der Verordnung fallenden Zusammenschluss nicht zu übersehen, gehalten wären, die Presse und die öffentlichen Anzeigen in der ganzen Welt ständig und sorgfältig zu beobachten (vgl. auch oben, Rn. 206). In diesem Zusammenhang stünden sie Pressemitteilungen und einer Medienberichterstattung gegenüber, deren Umfang, Zugänglichkeit, Sprache, Detailgenauigkeit oder sonstige Merkmale erheblich variieren können (vgl. auch oben, Rn. 207). Die von der Klägerin vertretene Auslegung ist somit zu wenig eindeutig, als dass die Einzelnen ihre Rechte und Pflichten klar erkennen könnten. Zudem würde diese Auslegung angesichts des mit ihr verbundenen beträchtlichen Verwaltungsaufwands und ihrer unzureichenden Effizienz dem Verweisungsmechanismus gemäß Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 seine praktische Wirksamkeit nehmen.

211    Aufgrund aller dieser Erwägungen und insbesondere angesichts des Zusammenhangs und des Zwecks der Verordnung Nr. 139/2004 sowie des Grundsatzes der Rechtssicherheit ist die Wendung „[dem betreffenden Mitgliedstaat] zur Kenntnis gebracht“ in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Verordnung dahin auszulegen, dass sie eine aktive Übermittlung von sachdienlichen Informationen an den Mitgliedstaat verlangt, anhand deren er vorläufig beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für einen Verweisungsantrag nach dieser Bestimmung vorliegen. Dementsprechend beginnt nach dieser Auslegung die in dieser Bestimmung vorgesehene Frist von 15 Arbeitstagen, wenn die Anmeldung des Zusammenschlusses nicht erforderlich ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Informationen übermittelt wurden.

212    Im vorliegenden Fall steht fest, dass die beteiligten Unternehmen nie aktiv irgendwelche Informationen über den betreffenden Zusammenschluss der ACF oder den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten übermittelten, die die Anträge auf Anschließung stellten. Die Klägerin und Grail haben nicht dargetan, dass diese Behörden vor dem Eingang des Aufforderungsschreibens aus anderen Quellen oder über andere Wege sachdienliche Informationen erhielten, anhand deren sie die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 vorläufig beurteilen konnten. Sie äußerten nur die Vermutung, dass die ACF vor diesem Zeitpunkt von dem betreffenden Zusammenschluss „wahrscheinlich Kenntnis erlangt hatte“. Aus Rn. 25 des angefochtenen Beschlusses geht jedoch hervor, dass die ACF der Kommission in ihrer E‑Mail vom 29. März 2021 bestätigte, dass dies nicht zutreffe. Die Französische Republik hat in ihrer Stellungnahme vom 6. Dezember 2021 zu dem Antrag der Klägerin auf prozessleitende Maßnahmen ebenfalls ausgeführt, dass die ACF von diesem Zusammenschluss erst am 19. Februar 2021 Kenntnis erlangt habe, als die Kommission das Aufforderungsschreiben versandt habe und besagten Zusammenschluss im Rahmen der Arbeitsgruppe zu den Zusammenschlüssen des Europäischen Wettbewerbsnetzes den nationalen Wettbewerbsbehörden vorgestellt habe (vgl. oben, Rn. 12). Was die Behörden der anderen Mitgliedstaaten betrifft, so ergibt sich aus der Antwort der Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichts, dass sie vor diesem Zeitpunkt Gespräche nur mit den deutschen, den österreichischen, den slowenischen und den schwedischen Wettbewerbsbehörden geführt habe, um festzustellen, ob diese für die Prüfung des betreffenden Zusammenschlusses zuständig seien (vgl. auch oben, Rn. 11). Diese Gespräche sind jedoch für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich, da die genannten Behörden weder einen Verweisungsantrag noch einen Antrag auf Anschließung nach Art. 22 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 139/2004 gestellt haben.

213    Da schließlich kein Nachweis vorliegt für die aktive Übermittlung sachdienlicher Informationen durch die beteiligten Unternehmen oder durch sonstige Quellen bzw. auf sonstigen Wegen an die ACF oder die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten, die die Anträge auf Anschließung stellten, ist die Frage unerheblich, ob sich das Aufforderungsschreiben, der Verweisungsantrag und das Informationsschreiben auf Informationen stützten, die der Öffentlichkeit am 21. September 2020 bekannt waren. Das Gleiche gilt für die Tatsache, dass die CMA den betreffenden Zusammenschluss im November und Dezember 2020 prüfte.

214    Wie die Französische Republik ausführt und wie sich aus Rn. 20 des angefochtenen Beschlusses ergibt, ist es daher im vorliegenden Fall das Aufforderungsschreiben, anhand dessen diese Wettbewerbsbehörden die Anwendungsvoraussetzungen für Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 vorläufig beurteilen konnten und mit dem somit der Zusammenschluss im Sinne von deren Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 „zur Kenntnis gebracht“ worden ist. Da dieses Schreiben vom 19. Februar 2021 datiert und der Verweisungsantrag am 9. März 2021 gestellt wurde (vgl. oben, Rn. 12 und 14), wurde die in dieser Bestimmung vorgesehene Frist von 15 Arbeitstagen eingehalten und kann dieses Schreiben nicht als verspätet angesehen werden.

215    Somit ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes unbegründet und ist zurückzuweisen.

–       Zum zweiten Teil: Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der „guten Verwaltung“

216    Im Rahmen des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass, selbst wenn davon auszugehen wäre, dass der betreffende Zusammenschluss durch das Aufforderungsschreiben an die französischen Behörden bzw. an die Behörden, die die Anschließung an den Verweisungsantrag beantragt hätten, „zur Kenntnis gebracht“ worden sei, die Verzögerungen der Kommission bei der Versendung des Aufforderungsschreibens gegen das grundlegende Prinzip der Rechtssicherheit und gegen die Pflicht zum Tätigwerden innerhalb angemessener Frist gemäß dem Grundsatz der „guten Verwaltung“ verstießen.

217    Zu dem Zeitpunkt, zu dem das Informationsschreiben versandt worden sei, habe die Kommission von dem betreffenden Zusammenschluss schon seit Monaten Kenntnis aufgrund von Informationen gehabt, die sie aus allgemein zugänglichen Quellen, von der FTC und von dritter Seite erhalten habe. Die Kommission und die FTC würden sich gegenseitig über die Zusammenschlüsse unterrichten, insbesondere bevor die FTC, wie im vorliegenden Fall am 9. November 2020, einen „zweiten Antrag“ stelle. Aus dem angefochtenen Beschluss sei zu ersehen, dass die Kommission nach Einlegung der Beschwerde Kenntnis von diesem Zusammenschluss und von den möglichen Wettbewerbsproblemen gehabt habe, die sie im Dezember 2020 zur Sprache gebracht habe, und dass sie mit einer anderen nicht benannten Wettbewerbsbehörde Gespräche geführt habe, von der die Klägerin jedoch annehme, dass es sich um die CMA gehandelt habe, die diesen Zusammenschluss im November und Dezember 2020 einer vorläufigen Beurteilung unterzogen habe.

218    Die Klägerin und Grail machen unter Berufung auf das Urteil vom 5. Oktober 2004, Eagle u. a./Kommission (T‑144/02, EU:T:2004:290, Rn. 57 und 58), geltend, dass die Kommission eine angemessene Frist einzuhalten habe. Da der Unionsgesetzgeber für die Kontrolle der Zusammenschlüsse, vor allem im Rahmen von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004, kurze Fristen vorgesehen habe, stelle es einen Verstoß gegen eine gute Verwaltung und das grundlegende Prinzip der Rechtssicherheit dar, dass die Kommission mehrere Monate gewartet habe, bevor sie das Aufforderungsschreiben versandt habe, wodurch die beteiligten Unternehmen daran gehindert gewesen seien, so schnell wie möglich zu erfahren, welche Wettbewerbsbehörden für die Entscheidung über den betreffenden Zusammenschluss zuständig gewesen seien. Insoweit sei die Kommission im Hinblick auf die Frist von 15 Arbeitstagen verpflichtet, mit der gebotenen Zügigkeit vorzugehen und ihre Befugnisse mit der größten Sorgfalt und Umsicht auszuüben. Grail führt im Wesentlichen aus, das Urteil vom 5. Oktober 2004, Eagle u. a./Kommission (T‑144/02, EU:T:2004:290, Rn. 57 und 58), erfasse Sachverhalte, für die in den Rechtsvorschriften eine Frist nicht ausdrücklich vorgeschrieben werde, so dass eine angemessene Frist für den Versand eines Aufforderungsschreibens im Sinne von Art. 22 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004 unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung zu bestimmen sei. Mit unangemessener Verzögerung habe die Kommission Maßnahmen getroffen und die beteiligten Unternehmen über ihre Absicht unterrichtet, bei dem betreffenden Zusammenschluss eine geänderte Vorgehensweise in Bezug auf Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 zu wählen, womit sie gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen habe. Der Kommission stehe für den Versand eines derartigen Schreibens nicht mehr Zeit zur Verfügung als den Mitgliedstaaten für die Feststellung, ob die in Art. 22 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmten Voraussetzungen vorlägen, was auch geboten sei durch das Ziel, über die Verweisungen so schnell wie möglich zu entscheiden. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerin und Grail auf eine mündliche Frage des Gerichts ausgeführt, die Kommission habe damit auch ihre Verteidigungsrechte verletzt, insbesondere dadurch, dass sie keine Gelegenheit gehabt hätten, rechtzeitig Stellung zu nehmen und sie dadurch erhebliche Fehler im Sachverhalt nicht hätten richtigstellen können, was in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll genommen worden sei.

219    Die Klägerin und Grail sind der Auffassung, dass die Kommission die für ein Aufforderungsschreiben erforderlichen Tatsachen seit September 2020 gekannt habe oder ausreichend hätte kennen können. Die einschlägigen Informationen seien seit der Ankündigung des betreffenden Zusammenschlusses allgemein zugänglich gewesen, was dadurch bestätigt werde, dass die im Aufforderungsschreiben angeführten Beweise spätestens aus diesem Monat gestammt hätten und die Kommission in ihrer Klagebeantwortung einen Bericht vom 21. September 2020 anführe. Selbst nach Eingang der Beschwerde habe die Kommission fast zwei Monate gewartet, bevor sie das Aufforderungsschreiben abgesandt habe. Grail beanstandet, die von der Kommission in dieser Zeit durchgeführte Untersuchung sei nicht sorgfältig durchgeführt worden, da sie sich auf die Prüfung der allgemein zugänglichen Informationen und der Behauptungen des Beschwerdeführers beschränkt habe, ohne sich jedoch an die beteiligten Unternehmen zu wenden. Das Vorbringen der Kommission, mit dem sie begründet habe, weshalb bis zum Versand des Aufforderungsschreibens so viel Zeit vergangen sei, nämlich dass sie die möglichen Folgen des betreffenden Zusammenschlusses „eingehend“ geprüft habe, stehe im Widerspruch zu ihrer Aussage, dass das Aufforderungsschreiben nur eine vorläufige Schlussfolgerung enthalte.

220    Die Kommission, unterstützt durch die Hellenische Republik, tritt den Argumenten der Klägerin entgegen. Insbesondere sei sie weder von der FTC über deren Untersuchung vor dem Eingang der Beschwerde vom 7. Dezember 2020, noch von der CMA über deren Prüfung des betreffenden Zusammenschlusses informiert worden. Jedenfalls sei sie innerhalb einer angemessenen Frist nach Eingang dieser Beschwerde tätig geworden. Die Frist von 15 Arbeitstagen gelte nur, nachdem der Zusammenschluss dem betreffenden Mitgliedstaat zur Kenntnis gebracht worden sei, während ein Aufforderungsschreiben im Sinne von Art. 22 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004 auch dann versandt werden könne, wenn eine solche Mitteilung nicht erfolgt sei. Die Klägerin stelle die in den Rn. 5 bis 7 des angefochtenen Beschlusses dargelegte Entwicklung des Sachverhalts nicht in Frage, aus der sich ergebe, dass die Kommission, nachdem sich der Beschwerdeführer an sie gewandt habe, mit Sorgfalt und ohne ungerechtfertigtes Zögern tätig geworden sei, vor allem um dessen Behauptungen zu prüfen und die möglichen Folgen des betreffenden Zusammenschlusses eingehend zu untersuchen. Sie sei ferner in einen Dialog mit den nationalen Behörden eingetreten, um festzustellen, ob eine von ihnen für die Beurteilung dieses Zusammenschlusses zuständig sei, so dass die Dauer ihrer Untersuchung angemessen gewesen sei im Vergleich zu der Untersuchung der CMA, die die möglichen Auswirkungen des betreffenden Zusammenschlusses im Vereinigten Königreich zum Gegenstand gehabt habe. Die Kommission tritt auch den Ausführungen der Klägerin entgegen, die den Grundsatz der Rechtssicherheit betreffen. Die Klägerin erläutere insbesondere nicht, inwiefern sich die angebliche Verzögerung auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses oder die Rechtslage der beteiligten Unternehmen ausgewirkt haben solle. In der mündlichen Verhandlung hat sie darauf hingewiesen, dass die Klägerin und Grail nicht vorgetragen hätten, dass ihre Verteidigungsrechte durch die angebliche Unangemessenheit der Frist und ihr mutmaßlich zögerliches Tätigwerden verletzt worden seien, wie es von der Rechtsprechung verlangt werde, und dass sie nicht begründet hätten, weshalb eine solche Verletzung stattgefunden habe.

221    Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 setzt der Kommission keine ausdrückliche Frist, um gemäß dessen Abs. 5 den Mitgliedstaaten mitzuteilen, dass ein Zusammenschluss die Kriterien einer Verweisung erfüllt.

222    In Art. 22 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004 heißt es nämlich nur, dass „[d]ie Kommission … einem oder mehreren Mitgliedstaaten mitteilen [kann], dass ein Zusammenschluss nach ihrem Dafürhalten die Kriterien des Absatzes 1 erfüllt“, und dass „[i]n diesem Fall … die Kommission [diese] auffordern [kann], einen Antrag nach Absatz 1 zu stellen“.

223    Die Einhaltung einer angemessenen Frist bei der Abwicklung der Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik stellt allerdings einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der als Bestandteil des Rechts auf eine gute Verwaltung durch Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union übernommen wurde, dessen Wahrung der Unionsrichter sicherzustellen hat. Der Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer kann jedoch die Nichtigerklärung eines Beschlusses nur dann rechtfertigen, wenn durch den Verstoß auch die Verteidigungsrechte des beteiligten Unternehmens verletzt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Februar 2009, Omya/Kommission, T‑145/06, EU:T:2009:27, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 17. Dezember 2015, SNCF/Kommission, T‑242/12, EU:T:2015:1003, Rn. 392 und 393 und die dort angeführte Rechtsprechung). Auch im Hinblick auf das grundlegende Erfordernis der Rechtssicherheit, das es der Kommission verbietet, mangels einer im anwendbaren Rechtsakt festgelegten Frist unbegrenzt lange zu warten, ehe sie von ihren Befugnissen Gebrauch macht, hat der Unionsrichter zu prüfen, ob der Ablauf des Verwaltungsverfahrens ein übermäßig verzögertes Handeln der Kommission erkennen lässt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. September 2002, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, C‑74/00 P und C‑75/00 P, EU:C:2002:524, Rn. 140 und 141, sowie vom 22. April 2016, Italien und Eurallumina/Kommission, T‑60/06 RENV II und T‑62/06 RENV II, EU:T:2016:233, Rn. 180 und 182 und die dort angeführte Rechtsprechung).

224    Die Angemessenheit der Frist, die das Organ benötigt, um die in Rede stehende Handlung vorzunehmen, ist mangels Festlegung der Verfahrensdauer durch eine Bestimmung des Unionsrechts anhand aller Umstände jeder einzelnen Rechtssache, etwa der Komplexität des Rechtsstreits, und anhand dessen, was in dem Rechtsstreit für den Betroffenen auf dem Spiel steht, zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C‑403/04 P und C‑405/04 P, EU:C:2007:52, Rn. 116, vom 28. Februar 2013, Réexamen Arango Jaramillo u. a./EIB, C‑334/12 RX–II, EU:C:2013:134, Rn. 28 und 29, sowie vom 13. Juni 2013, HGA u. a./Kommission, C‑630/11 P bis C‑633/11 P, EU:C:2013:387, Rn. 82).

225    Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen kann die Kommission, wenn ihr, wie im vorliegenden Fall, durch eine Beschwerde Informationen zur Kenntnis gebracht werden, anhand deren sie beurteilen kann, ob ein Zusammenschluss die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 erfüllt, es nicht unbegrenzt hinausschieben, die Mitgliedstaaten von ihren Absichten nach Abs. 5 dieser Bestimmung zu benachrichtigen. In einem solchen Fall hat sie vielmehr, gegebenenfalls nach Durchführung der erforderlichen vorläufigen Prüfungen und Analysen, innerhalb angemessener Frist zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die Voraussetzungen eines Verweisungsantrags vorliegen und ob der betreffende Mitgliedstaat bzw. die betreffenden Mitgliedstaaten davon in Kenntnis zu setzen sind.

226    Gemäß der oben in Rn. 224 angeführten Rechtsprechung sind bei der Anwendung von Art. 22 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004 nach dem Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer die dieser Verordnung zugrunde liegenden zentralen Ziele der Wirksamkeit und der Zügigkeit (vgl. oben, Rn. 206 und 207) sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass, wie die Klägerin zutreffend hervorhebt, der Unionsgesetzgeber die Zuständigkeit klar auf die nationalen und die Unionsbehörden verteilen und eine Kontrolle der Unternehmenszusammenschlüsse innerhalb von Fristen sicherstellen wollte, die sowohl mit den Erfordernissen einer guten Verwaltung als auch mit denen des Geschäftslebens vereinbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2007, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, C‑202/06 P, EU:C:2007:814, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung) und folglich mit dem, was in dem Verfahren zur Kontrolle der Zusammenschlüsse für die beteiligten Unternehmen auf dem Spiel steht. Auch muss sich die zur Prüfung eines bestimmten Zusammenschlusses zuständige Behörde, um größtmögliche Rechtssicherheit sowie eine ordnungsgemäße und effiziente Verwaltungstätigkeit innerhalb kurzer Fristen zu gewährleisten, so früh wie möglich feststellen lassen (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, C‑202/06 P, EU:C:2007:255, Nr. 44).

227    In Anbetracht der oben in den Rn. 223 bis 226 dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze hält es das Gericht für angebracht, zunächst zu prüfen, ob die Kommission bei der Anwendung von Art. 22 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004 im vorliegenden Fall den sich aus dem Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer ergebenden Anforderungen genügt hat, und sodann, ob die etwaige Nichteinhaltung dieses Grundsatzes zu einer Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin geführt hat.

228    Was als Erstes die Wahrung des Grundsatzes der angemessenen Verfahrensdauer betrifft, so ergibt sich aus den ergänzenden Angaben der Kommission in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts, dass sie Kenntnis von der Existenz des betreffenden Zusammenschlusses am 7. Dezember 2020 nach Eingang einer Beschwerde erlangte (siehe oben, Rn. 11). Von diesem Zeitpunkt an sind bis zur Versendung des Aufforderungsschreibens am 19. Februar 2021 somit 47 Arbeitstage vergangen (siehe oben, Rn. 12).

229    Wie sich insbesondere aus den Rn. 5 und 6 des angefochtenen Beschlusses und der Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts ergibt, hielt die Kommission während dieses Zeitraums am 17. Dezember 2020 mit dem Beschwerdeführer eine Videokonferenz zu dem betreffenden Zusammenschluss ab, führte mit ihm weitere Gespräche, unternahm Marktuntersuchungen und stand in Kontakt mit den eventuell zuständigen Wettbewerbsbehörden von vier Mitgliedstaaten sowie mit der CMA, die ebenfalls mit der Beschwerde befasst war (vgl. oben, Rn. 11).

230    Was die Angaben zu dem betreffenden Zusammenschluss betrifft, ist dem Aufforderungsschreiben zu entnehmen, dass sich die Kommission vor allem auf Pressemitteilungen, Berichte, Prospekte und Präsentationen stützte, die im Internet allgemein zugänglich waren und spätestens am 21. September 2020 veröffentlicht wurden (vgl. Fn. 1 und 5 bis 9 dieses Schreibens), dem Zeitpunkt, zu dem der Zusammenschluss öffentlich bekannt gegeben wurde (siehe oben, Rn. 8). In diesem Schreiben wird auch angegeben, dass dieser Zusammenschluss von der FTC geprüft worden sei, deren „zweiter Antrag“ ausweislich der Angaben zur schriftlichen Frage des Gerichts der Kommission im Rahmen der Videokonferenz vom 17. Dezember 2020 zur Kenntnis gebracht wurde, und es wird dort Bezug genommen auf das von der Klägerin ausgefüllte Formular „S-4“ der Securities and Exchange Commission (amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde) vom 24. November 2020 (vgl. Fn. 11 dieses Schreibens).

231    Was insbesondere die Beurteilung der Kriterien im Hinblick auf die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und der drohenden erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs in deren jeweiligem Hoheitsgebiet betrifft, zog die Kommission mit Ausnahme einer Sitzungsniederschrift, deren Herkunft unklar ist (vgl. Fn. 28 des Aufforderungsschreibens), gleichartige Informationen heran (vgl. Fn. 12 bis 15, 24, 26 und 27 des Aufforderungsschreibens), von denen die jüngsten den Erwerb eines Konkurrenten von Grail im Januar 2021 betreffen (vgl. Fn. 15 des Aufforderungsschreibens). Erwähnt werden auch die Wettbewerbsprobleme, die die FTC und die CMA hinsichtlich des betreffenden Zusammenschlusses auf ihren Websites darstellten (vgl. Fn. 17 des Aufforderungsschreibens), sowie der Bericht der CMA vom 24. Oktober 2019 über die vorläufigen Ergebnisse zu einem anderen Übernahmeprojekt der Klägerin, das ebenfalls im Internet abrufbar ist (vgl. Fn. 18, 22, 25 und 29 des Aufforderungsschreibens). Die Kommission hatte aber, wie sie in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts bestätigte, vor dem 7. Dezember 2020 keine Kenntnis von der Untersuchung der CMA.

232    Hieraus folgt, dass die Kommission Angaben heranzog, die, als die Beschwerde einging, überwiegend öffentlich zugänglich waren. Wie sich aus dem Inhalt des Aufforderungsschreibens ergibt, war sie somit in der Lage, nach Überprüfung bestimmter Aspekte gemeinsam mit dem Beschwerdeführer, insbesondere in der Videokonferenz vom 17. Dezember 2020, relativ zügig die erforderlichen bilateralen Kontakte mit den vier Wettbewerbsbehörden herzustellen, die für die Prüfung des betreffenden Zusammenschlusses potenziell zuständig waren, und die wesentlichen Merkmale dieses Zusammenschlusses zu ermitteln, um vorläufig beurteilen zu können, ob dieser Zusammenschluss die Voraussetzungen für eine Anwendung von Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 erfüllen konnte und ob die Mitgliedstaaten nach Abs. 5 dieser Bestimmung hiervon in Kenntnis zu setzen waren.

233    In diesem Zusammenhang ist angesichts der von der Fusionskontrollregelung der Union verfolgten grundlegenden Ziele der Wirksamkeit und der Zügigkeit (vgl. oben, Rn. 226) und der gegebenen Umstände nicht davon auszugehen, dass eine Frist von 47 Arbeitstagen, gerechnet vom Eingang der Beschwerde bis zur Versendung des Aufforderungsschreibens, gerechtfertigt ist.

234    Erstens geht aus Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 in Verbindung mit deren Art. 6 Abs. 1 hervor, dass die Frist für die Prüfungsphase vor einem Zusammenschluss, während deren die Kommission zu entscheiden hat, ob der Zusammenschluss Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gibt, 25 Arbeitstage beträgt. Angesichts der Tatsache, dass die Kommission während dieser Frist gegebenenfalls eine vollständige Sachprüfung des Zusammenschlusses durchzuführen hat, kann vernünftigerweise erwartet werden, dass eine der Versendung des Aufforderungsschreibens vorausgehende Prüfung nach Art. 22 Abs. 5 der Verordnung Nr. 139/2004, die nur eine vorläufige Prüfung der in Abs. 1 dieses Artikels genannten Kriterien umfasst, diese Frist von 25 Arbeitstagen nicht überschreitet.

235    Zweitens ist zu berücksichtigen, dass, wie oben in den Rn. 212 bis 214 ausgeführt, mit dem Aufforderungsschreiben nur ein Zusammenschluss im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 „zur Kenntnis gebracht“ wird, wodurch bei fehlender Anmeldung oder fehlender früherer Bekanntgabe die Frist von 15 Arbeitstagen für die Stellung eines Verweisungsantrags durch den betreffenden Mitgliedstaat bzw. die betreffenden Mitgliedstaaten zu laufen beginnt. Wird ein solcher Verweisungsantrag gestellt, kann sich jeder andere Mitgliedstaat diesem Antrag innerhalb von 15 Arbeitstagen anschließen (Art. 22 Abs. 2 der Verordnung). Erst nach Ablauf dieser Frist kann die Kommission spätestens innerhalb von zehn Arbeitstagen beschließen, den Zusammenschluss zu prüfen (Art. 22 Abs. 3 der Verordnung). Die Versendung eines Aufforderungsschreibens nach Art. 22 Abs. 5 der Verordnung löst daher den Beginn mehrerer anderer relativ kurzer Fristen aus, die der Entscheidung der Kommission, in die Prüfung des betreffenden Zusammenschlusses einzutreten, vorausgehen. Im vorliegenden Fall ist zwischen dem Eingang der Beschwerde am 7. Dezember 2020 und dem Erlass der angefochtenen Beschlüsse am 19. April 2021 eine Frist von 90 Arbeitstagen verstrichen.

236    Drittens ist darauf hinzuweisen, dass ein Zusammenschluss ohne europaweite Bedeutung im Sinne von Art. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 nach deren Art. 4 Abs. 1 bei der Kommission nicht angemeldet werden muss. Die an einem solchen Zusammenschlussvorhaben Beteiligten würden jedoch einen erheblichen Nachteil gegenüber den an einem anmeldepflichtigen Zusammenschlussvorhaben Beteiligten erleiden, wenn der Zeitraum zwischen einerseits der – gegebenenfalls durch eine Beschwerde erfolgenden – Unterrichtung der Kommission über den Zusammenschluss und andererseits dem Beschluss der Kommission, einem Verweisungsantrag stattzugeben, genauso lang wäre wie im vorliegenden Fall die Phase der eingehenden Prüfung nach Art. 8 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 139/2004, die komplexe wirtschaftliche Bewertungen in Bezug auf die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt erfordert und für die nach Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung grundsätzlich eine Frist von 90 Arbeitstagen vorgesehen ist.

237    Viertens kann die Kommission im vorliegenden Fall das Verstreichen eines Zeitraums von 47 Arbeitstagen zwischen dem Eingang der Beschwerde und der Versendung des Aufforderungsschreibens nicht mit den Ferien am Ende des Jahres 2020 rechtfertigen, da die Tage vom 24. Dezember 2020 bis zum 1. Januar 2021 dienstfreie Tage gemäß Art. 1 ihres Beschlusses vom 28. Januar 2019 über die dienstfreien Tage für die Organe der Europäischen Union im Jahr 2020 (ABl. 2019, C 38, S. 4) und Art. 1 ihres Beschlusses vom 2. März 2020 über die dienstfreien Tage im Jahr 2021 (ABl. 2020, C 69, S. 8) waren. Zudem war die Kommission nach Eingang der Beschwerde in der Lage, sich viel schneller und parallel an die vier potenziell zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörden, d. h. die deutschen, die österreichischen, die slowenischen und die schwedischen Behörden, zu wenden, um zu erfahren, ob die Zuständigkeitsschwellen nach den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften erreicht werden konnten, was sie, wie sich aus ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts ergibt, erst im Januar und Februar 2021 tat.

238    Angesichts der Kürze der in der Verordnung Nr. 139/2004 – insbesondere in deren Art. 22 – vorgesehenen Fristen, reicht allein der Umstand, dass die Kommission eine kontinuierliche Tätigkeit bei der Untersuchung des Falles während des relevanten Zeitraums vom 7. Dezember 2020 bis zum 19. Februar 2021 unter Beweis stellte, wie aus der Aufstellung hervorgeht, die ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts beigefügt war, nicht aus, um davon auszugehen, dass dieser Zeitraum einer angemessenen Frist entsprach.

239    Die Frist, innerhalb deren die Versendung des Aufforderungsschreibens erfolgte, war demzufolge unangemessen.

240    Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass der Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer die Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der ein Verwaltungsverfahren in Wettbewerbssachen abgeschlossen wird, nur dann rechtfertigen kann, wenn durch ihn auch die Verteidigungsrechte des beteiligten Unternehmens verletzt worden sind. Steht dagegen nicht fest, dass die übermäßige Dauer die Fähigkeit der beteiligten Unternehmen, sich wirksam zu verteidigen, beeinträchtigte, hat der Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer keine Auswirkung auf die Gültigkeit dieses Verwaltungsverfahrens (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, EU:C:2006:592, Rn. 42 und 43, vom 8. Mai 2014, Bolloré/Kommission, C‑414/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:301, Rn. 84 und 85, sowie vom 9. Juni 2016, PROAS/Kommission, C‑616/13 P, EU:C:2016:415, Rn. 74), sondern muss im Wege der Schadensersatzklage vor dem Gericht geahndet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2014, Bolloré/Kommission, C‑414/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:301, Rn. 106 und 109).

241    Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die Überschreitung der angemessenen Verfahrensdauer habe zu einer Verletzung ihrer Verteidigungsrechte geführt, da insbesondere die Kommission zu den beteiligten Unternehmen Verbindung hätte aufnehmen und sie in der Zeit vor der Versendung des Aufforderungsschreibens hätte anhören müssen, um ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Richtigstellung bestimmter erheblicher Fehler im Sachverhalt zu geben, was in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll genommen worden sei.

242    Diese vagen Ausführungen können jedoch nicht zum Nachweis einer Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin reichen. Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung insoweit zu Recht vorgetragen, dass zum einen das Aufforderungsschreiben nur ein vorbereitender Akt im Rahmen des Verfahrens darstelle, das zum Erlass eines Beschlusses nach Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 führe, und dass zum anderen die beteiligten Unternehmen in der Lage gewesen seien, vor dem Erlass des Beschlusses ihre Stellungnahmen sachgerecht zur Geltung zu bringen.

243    Zum einen nämlich sollen Zwischenmaßnahmen wie das Aufforderungsschreiben, die lediglich der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung dienen, keine zwingenden Rechtswirkungen zulasten des Klägers erzeugen und ihn dadurch einzeln beschweren, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit gegenüber der endgültigen Entscheidung, deren Vorbereitung sie dienen, geltend gemacht werden kann, weshalb nach ständiger Rechtsprechung derartige Maßnahmen nicht mit einer Klage angefochten werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 50 bis 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

244    Auch konnte die Klägerin die angeblichen zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses führenden „erheblichen Fehler im Sachverhalt“, die sich bereits auf das Aufforderungsschreiben ausgewirkt und somit entscheidenden Einfluss auf den Inhalt des Verweisungsantrags der ACF genommen hätten, nicht hinreichend konkretisieren. Soweit sie geltend macht, in diesem Schreiben werde in Rn. 26 wie auch im angefochtenen Beschluss irrtümlicherweise ausgeführt, dass Grail „tatsächliche“ Wettbewerber auf dem Markt habe, genügt der Hinweis, dass weder besagtes Schreiben noch der Verweisungsantrag auf eine solche Beurteilung gestützt wurden. Der Verweisungsantrag begründet im Gegenteil die erhebliche Gefahr einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs u. a. damit, dass zum einen „[i]m Sektor der Krebs-Früherkennungstests … G[rail] auf mehrere Marktteilnehmer treffen [wird], die ihre Produkte bereits jetzt … oder demnächst in Verkehr bringen“, und dass zum anderen „das neue Unternehmen … über die Fähigkeit verfügen [wird], zu Lasten der möglichen Konkurrenten von G[rail] im Sektor der Krebs-Früherkennungstests den Zugang zu seinen NGS zu erweitern oder einzuschränken“, und daher mit dem Umstand, dass ein potenzieller Wettbewerb zwischen Grail und diesen Marktteilnehmern bestehen werde, falls der betreffende Zusammenschluss vollzogen werde.

245    Da es zum anderen nicht das Aufforderungsschreiben, sondern die angefochtenen Beschlüsse sind, die die beteiligten Unternehmen beschweren, stand ihnen das Recht auf Anhörung zu, das zu den Verteidigungsrechten gehört und jeder Person die Möglichkeit garantiert, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt in dem Verwaltungsverfahren, das zum Erlass dieser Beschlüsse führt, vorzutragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 2021, Vialto Consulting/Kommission, C‑650/19 P, EU:C:2021:879, Rn. 121), nicht aber in dem Stadium, das der Versendung des genannten Schreibens als Zwischenmaßnahme vorausgeht. Die Klägerin und Grail bestreiten indes nicht, dass sie vor dem Erlass der angefochtenen Beschlüsse Stellung nehmen konnten, sondern rügen lediglich, dass ihnen diese Gelegenheit nicht früher gegeben worden sei. Es steht fest, dass die beteiligten Unternehmen von der Versendung des Aufforderungsschreibens am 4. März 2021 in Kenntnis gesetzt wurden (siehe oben, Rn. 13), d. h. sechs Arbeitstage vor Ablauf der Frist gemäß Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004, innerhalb deren die Mitgliedstaaten einen Verweisungsantrag stellen müssen. Die Kommission unterrichtete sie auch mit dem Informationsschreiben vom 11. März 2021 über den Verweisungsantrag (siehe oben, Rn. 15), und sie gaben am 16. und 29. März 2021 ihre Stellungnahmen ab (siehe oben, Rn. 17). Die beteiligten Unternehmen waren daher lange Zeit vor dem Erlass der angefochtenen Beschlüsse am 19. April 2021 informiert und hatten mehrfach Gelegenheit, ihren Standpunkt während des Verwaltungsverfahrens vorzutragen, das zum Erlass dieser Beschlüsse führte.

246    Somit ist das Vorbringen, dass die Verteidigungsrechte der Klägerin verletzt worden seien, zurückzuweisen.

247    Folglich ist der zweite Teil des zweiten Klagegrundes für unbegründet zu erklären und damit der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

248    Ebenfalls zurückzuweisen sind die Anträge vom 6. Oktober und 6. Dezember 2021, mit denen die Klägerin beim Gericht den Erlass prozessleitender Maßnahmen beantragt hat, mit denen sie Auskünfte begehrte zum einen über die Beziehungen zwischen der Kommission und der ACF sowie über die Kenntnis der Kommission von dem betreffenden Zusammenschluss (erster Antrag) und zum anderen über den Zeitpunkt, zu dem die Kommission gegenüber der Französischen Republik erstmals diesen Zusammenschluss erwähnt hatte, sowie über die Unterlagen, die sie den Mitgliedstaaten unter Bezugnahme auf diesen Zusammenschluss zur Verfügung gestellt hatte (zweiter Antrag).

249    Wie sich nämlich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, hat das Gericht anhand der von den Beteiligten während des Verfahrens eingereichten Schriftsätze und Dokumente, insbesondere unter Berücksichtigung der Antworten der Kommission auf die schriftliche Frage des Gerichts vom 11. November 2021 und der Erklärungen der Französischen Republik vom 6. Dezember 2021 zum einen seine Kontrolle hinsichtlich der angeblichen Verspätung des Verweisungsantrags ausüben können, die im Rahmen des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes geltend gemacht worden ist (vgl. oben, Rn. 212 bis 214), und zum anderen feststellen können, dass die Zeit bis zur Versendung des Aufforderungsschreibens unangemessen lang war (vgl. oben, Rn. 228 bis 239), was im Rahmen des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes geltend gemacht worden ist.

250    Zudem ist darauf hinzuweisen, dass allein das Gericht darüber zu befinden hat, ob die ihm in einer Rechtssache vorliegenden Informationen möglicherweise der Ergänzung bedürfen (vgl. Urteile vom 26. Januar 2017, Mamoli Robinetteria/Kommission, C‑619/13 P, EU:C:2017:50, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 12. November 2020, Fleig/EAD, C‑446/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:918, Rn. 53).

 Dritter Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit

251    Die Klägerin, unterstützt durch Grail, macht geltend, dass die angefochtenen Beschlüsse gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verstießen. Sie trägt im Wesentlichen vor, die Kommission habe zu der Zeit, als sich die beteiligten Unternehmen auf den betreffenden Zusammenschluss geeinigt hätten, eine Politik verfolgt, nach der sie Verweisungsanträgen für Zusammenschlüsse, die nicht in den Anwendungsbereich einer nationalen Fusionskontrollregelung fielen, nicht stattgegeben habe. Ausweislich der Rede der Vizepräsidentin der Kommission vom 11. September 2020 sei dieser Politik bis zu deren Änderung durch die Veröffentlichung neuer Leitfäden Mitte des Jahres 2021 gefolgt worden. Nach Auffassung von Grail zeigt sich hieran, dass der Kommission bewusst gewesen sei, welche Bedeutung die geänderte Vorgehensweise, die den Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Internationalen Wettbewerbsnetzes (RIC) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) widerspreche, gehabt habe. Die Klägerin und Grail heben die Eindeutigkeit und Unbedingtheit dieser Rede hervor, vor allem im Hinblick auf das Verfahren und den Zeitplan zur Umsetzung der neuen Verweisungspolitik. Die Klägerin macht auch geltend, dass die Verabschiedung des Leitfadens zu Art. 22 nach der Versendung des Aufforderungsschreibens und ohne öffentliche Anhörung erfolgt sei.

252    Die Kommission, unterstützt durch die Hellenische Republik, hält die Ausführungen der Klägerin zu dem Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit für unsubstantiiert. In Bezug auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes habe die Klägerin nicht dargetan, dass die Kommission klare, unbedingte und übereinstimmende Zusicherungen gegeben habe, sondern habe sich nur vage auf eine angebliche Entscheidungspraxis bezogen. Insbesondere habe die Kommission in ihrem Weißbuch von 2014 ausdrücklich bestätigt, dass die Mitgliedstaaten die Verweisung eines Zusammenschlusses beantragen könnten, der nicht unter ihre innerstaatliche Regelung für die Fusionskontrolle falle. Diese Möglichkeit sei durch kein amtliches Dokument ausgeschlossen worden, und die Kommission habe die Verweisung solcher Zusammenschlüsse bereits zugelassen. Die Rede der Vizepräsidentin der Kommission vom 11. September 2020 sei eine allgemeine politische Erklärung zu deren künftigen Praxis gewesen, in der bekräftigt worden sei, dass die Kommission die Behandlung solcher Zusammenschlüsse nicht grundsätzlich ausgeschlossen habe. Die Französische Republik weist darauf hin, dass die Wirtschaftsteilnehmer kein berechtigtes Vertrauen auf die Beibehaltung eines Zustands hegen dürften, der geändert werden könne, und dass die Kommission die Verweisung des betreffenden Zusammenschlusses erst nach der Veröffentlichung des Leitfadens zu Art. 22 zugelassen habe. Die Kommission ergänzt, dass nichts die Klägerin daran gehindert habe, mit ihr oder den nationalen Wettbewerbsbehörden Kontakt aufzunehmen. Außerdem habe die Klägerin nicht dargetan, dass sie sich bei ihren Handlungen auf angebliche Zusicherungen der Kommission gestützt habe.

253    Zunächst ist festzustellen, dass, auch wenn sich die Klägerin im Rahmen des dritten Klagegrundes sowohl auf den Grundsatz der Rechtssicherheit als auch auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes beruft, ihre Argumentation sich in Wirklichkeit, wie die Kommission ausführt, ausschließlich auf den zweiten Grundsatz bezieht.

254    Nach ständiger Rechtsprechung setzt das Recht, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berufen, voraus, dass die zuständigen Unionsbehörden dem Betroffenen klare, unbedingte und übereinstimmende, aus befugten und zuverlässigen Quellen stammende Zusicherungen erteilt haben (vgl. Urteil vom 8. September 2020, Kommission und Rat/Carreras Sequeros u. a., C‑119/19 P und C‑126/19 P, EU:C:2020:676, Rn. 144 und die dort angeführte Rechtsprechung). Auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes kann sich nämlich jeder berufen, bei dem ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle der Union durch klare Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat. Klare, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung solche Zusicherungen dar (vgl. Urteil vom 13. Juni 2013, HGA u. a./Kommission, C‑630/11 P bis C‑633/11 P, EU:C:2013:387, Rn. 132 und die dort angeführte Rechtsprechung), sofern sie den geltenden Vorschriften entsprechen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Probelte/Kommission, T‑67/18, EU:T:2019:873, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

255    Um im vorliegenden Fall die angebliche Politik darzutun, nach der die Kommission Verweisungsanträge gemäß Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 für Zusammenschlüsse, die nicht in den Anwendungsbereich einer nationalen Fusionskontrollregelung fallen, nicht zugelassen habe, stützt sich die Klägerin auf Rn. 5 des Aufforderungsschreibens, auf Rn. 94 des angefochtenen Beschlusses, auf Rn. 7 der Mitteilung über die Verweisung und auf die Rede der Vizepräsidentin der Kommission vom 11. September 2020. Grail nimmt auch auf die Schlussfolgerungen und Empfehlungen des RIC und der OECD Bezug.

256    Was als Erstes die genannten Schlussfolgerungen und Empfehlungen betrifft, genügt die Feststellung, dass diese nicht von der Verwaltung der Union stammen und somit nicht die oben in Rn. 254 aufgeführten Voraussetzungen der Rechtsprechung erfüllen.

257    Als Zweites ist zu den von der Klägerin herangezogenen Dokumenten darauf hinzuweisen, dass die Kommission in dem Aufforderungsschreiben zu dem vorläufigen Ergebnis kam, dass der betreffende Zusammenschluss Gegenstand einer Verweisung nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 sein könne (vgl. oben, Rn. 12), und diese Auffassung bekräftigte, indem sie dem Verweisungsantrag der ACF mit dem angefochtenen Beschluss stattgab (vgl. oben, Rn. 19 und 21 bis 35). Angesichts dieses Standpunkts, den die Kommission speziell in Bezug auf den betreffenden Zusammenschluss vertreten hat, kann sich die Klägerin zum Nachweis dessen, dass ihr klare Zusicherungen über das Fortbestehen einer angeblich gegenteiligen Politik erteilt worden seien, nicht auf diese Dokumente berufen. Da im Übrigen zum einen Rn. 5 des Aufforderungsschreibens und Rn. 94 des angefochtenen Beschlusses eine einfache Beschreibung des früheren Zustands enthalten und zum anderen diese Dokumente noch nicht existierten, als der Fusionsvertrag und ‑plan geschlossen wurden, d. h. am 20. September 2020 (vgl. oben, Rn. 7), konnten die beteiligten Unternehmen keine berechtigten Erwartungen auf diese Dokumente gründen.

258    Was Rn. 7 der Mitteilung über die Verweisung betrifft, so heißt es dort, dass „der Kommission und den Mitgliedstaaten … ein beträchtlicher Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung [bleibt], ob sie Zusammenschlüsse, die in ihre ‚ursprüngliche Zuständigkeit‘ fallen, verweisen oder ob sie bereit sind, Zusammenschlüsse, die nicht in diese Zuständigkeit fallen, gemäß … Art. 22 [der Verordnung Nr. 139/2004] zu prüfen“.

259    Somit verweist diese Randnummer lediglich zum einen auf den weiten Beurteilungsspielraum, über den die Kommission im Rahmen der Wettbewerbspolitik verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2018, Furukawa Electric/Kommission, T‑444/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:454, Rn. 222 und die dort angeführte Rechtsprechung), und zum anderen auf die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission, wie sie oben in Rn. 153 dargestellt worden ist. Dagegen belegt keiner dieser Anhaltspunkte die Existenz der angeblichen Politik der Kommission, auf die sich die Klägerin stützt. Diese Feststellung wird durch die Rn. 42 bis 45 der Mitteilung über die Verweisung bestätigt, die, worauf die Französische Republik hinweist, in Verbindung mit Rn. 7 dieser Mitteilung zu sehen sind und die gerade die relevanten Kriterien für eine Verweisung nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 darstellen, ohne eine solche mutmaßliche Praxis zu erwähnen.

260    Als Drittes ist zur Rede der Vizepräsidentin der Kommission festzustellen, dass diese Rede „[die] Zukunft der Fusionskontrolle der [Union]“ zum Thema hatte und im Rahmen der 24. Jahreskonferenz zum Wettbewerb des Internationalen Rechtsanwaltsverbands am 11. September 2020 gehalten wurde. Es steht fest, dass diese Rede die allgemeine Fusionspolitik der Kommission betraf und nicht den betreffenden Zusammenschluss berücksichtigte, dessen Fusionsvertrag und ‑plan zu einem späteren Zeitpunkt geschlossen wurden, nämlich am 20. September 2020 (vgl. oben, Rn. 7). Diese Rede konnte somit keine klaren, unbedingten und übereinstimmenden Zusicherungen in Bezug auf die Behandlung dieses Zusammenschlusses enthalten.

261    In Bezug auf diese allgemeine Politik hatte die Vizepräsidentin der Kommission zwar in ihre Rede vom 11. September 2020 ausgeführt, dass es in der Vergangenheit „Praxis der Kommission [war], die nationalen Behörden von einer Verweisung der Zusammenschlüsse, für deren Prüfung sie nicht selbst zuständig waren, abzuhalten“. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Verweisung dieser Zusammenschlüsse grundsätzlich ausgeschlossen war, sondern, wie das Verb „abzuhalten“ zeigt, dass die Kommission die Mitgliedstaaten nur davon überzeugen wollte, in einem solchen Fall einen Verweisungsantrag nicht zu stellen. Wie die Kommission ausführt, wies die Vizepräsidentin der Kommission sogar darauf hin, dass „die Praxis [die Kommission] niemals daran hindern [sollte], sich mit Verfahren zu befassen, die den Wettbewerb im Binnenmarkt schwerwiegend beeinträchtigen können“.

262    Selbst wenn man annehmen wollte, dass sich die beteiligten Unternehmen auf diese Praxis berufen könnten, durfte die Kommission daher gleichwohl davon ausgehen, dass der betreffende Zusammenschluss den Wettbewerb im Binnenmarkt erheblich beeinträchtigen könnte, und aus diesem Grund das Aufforderungsschreiben versenden und dem Verweisungsantrag stattgeben und die Prüfung des Zusammenschlusses übernehmen. Daher ist die in der Rede der Vizepräsidentin der Kommission enthaltene Ankündigung einer zukünftig „geänderten Vorgehensweise“ und eines ungefähren Zeitplans für deren Umsetzung ohne Belang, und die Ausführungen der Klägerin und von Grail zu der Folgenlosigkeit dieser Ankündigung sind als ins Leere gehend zurückzuweisen. Dasselbe gilt für das darauf gestützte Vorbringen, dass der Leitfaden zu Art. 22 nach der Versendung des Aufforderungsschreibens verabschiedet worden sei.

263    Die Klägerin, die nicht geltend macht, sie habe von der Kommission irgendwelche klaren, unbedingten und übereinstimmenden Zusicherungen in Bezug auf die Behandlung des betreffenden Zusammenschlusses erhalten, hat auch nicht dargetan, dass derartige Zusicherungen in Bezug auf Zusammenschlüsse abgegeben wurden, die allgemein nicht in den Anwendungsbereich einer nationalen Fusionskontrollregelung fallen. Wie die Kommission und die Französische Republik vortragen, geht aus dem Weißbuch von 2014 vielmehr hervor, dass dieser Artikel auf derartige Zusammenschlüsse Anwendung findet (vgl. Fn. 45 des Weißbuchs von 2014).

264    Diese Beurteilung wird dadurch bestätigt, dass die Kommission, wie sie zutreffend unter Hinweis auf ihre Beschlüsse vom 6. Februar 2018 (Sache M.8788 – Apple/Shazam), vom 15. März 2018 (Sache M.8832 – Knauf/Armstrong), vom 26. September 2019 (Sache M.9547 – Johnson & Johnson/Tachosil) und vom 2. April 2020 (Sache M.9744 – Mastercard/Nets) ausführt, mehreren Anträgen auf Anschließung nach Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 von Mitgliedstaaten stattgab, deren Behörden nach ihrer nationalen Fusionskontrollregelung für die Prüfung der von diesen Anträgen erfassten Zusammenschlüsse nicht zuständig waren.

265    Nach der oben in Rn. 254 angeführten Rechtsprechung kann sich die Klägerin jedenfalls nicht auf Dokumente oder Erklärungen stützen, die, wenn sie, wie von ihr gefordert, ausgelegt würden, eine Beschränkung des Rechts der Mitgliedstaaten vorsehen würden, eine Verweisung nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 gemäß den dort genannten Voraussetzungen zu beantragen (vgl. oben, Rn. 155). Da zudem aus der Prüfung des ersten Klagegrundes hervorgeht, dass den angefochtenen Beschlüssen eine korrekte Auslegung der Tragweite dieses Artikels zugrunde liegt, kann sich die Klägerin nicht auf die Neuorientierung der Entscheidungspraxis der Kommission berufen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 8. Juli 2008, AC‑Treuhand/Kommission, T‑99/04, EU:T:2008:256, Rn. 163).

266    Nach allem ist somit der dritte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

267    Da keiner der von der Klägerin angeführten Klagegründe durchgreift, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

268    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

269    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Abs. 2 dieses Artikels sieht vor, dass die Vertragsstaaten des EWR-Abkommens, die nicht Mitgliedstaaten sind, und die EFTA-Überwachungsbehörde ebenfalls ihre eigenen Kosten tragen, wenn sie dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind. Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in dessen Abs. 1 und 2 genannten seine eigenen Kosten trägt.

270    Die Hellenische Republik, die Französische Republik, das Königreich der Niederlande, die EFTA-Überwachungsbehörde und Grail haben daher ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Illumina, Inc. trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Die Hellenische Republik, die Französische Republik, das Königreich der Niederlande, die EFTA-Überwachungsbehörde und die Grail LLC tragen ihre eigenen Kosten.

De Baere

Kreuschitz

Öberg

Mastroianni

 

      Steinfatt

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Juli 2022.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Englisch.