Language of document : ECLI:EU:T:2023:52

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

8. Februar 2023(*)

„Energie – Transeuropäische Energieinfrastruktur – Verordnung (EU) Nr. 347/2013 – Delegierte Verordnung zur Änderung der Liste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse – Art. 172 Abs. 2 AEUV – Weigerung eines Mitgliedstaats, einem Vorhaben für eine Stromverbindungsleitung im Hinblick auf seine Einstufung als Vorhaben von gemeinsamem Interesse eine Genehmigung zu erteilen – Nichtaufnahme des Vorhabens in die geänderte Liste durch die Kommission – Begründungspflicht – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Gleichbehandlung – Rechtssicherheit – Vertrauensschutz – Verhältnismäßigkeit – Art. 10 des Vertrags über die Energiecharta“

In der Rechtssache T‑295/20,

Aquind Ltd mit Sitz in Wallsend (Vereinigtes Königreich),

Aquind SAS mit Sitz in Rouen (Frankreich),

Aquind Energy Sàrl mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg),

Prozessbevollmächtigte: S. Goldberg, C. Davis und J. Bille, Solicitors, sowie Rechtsanwalt E. White,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch O. Beynet und B. De Meester als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch J. Möller und S. Costanzo als Bevollmächtigte,

durch

Königreich Spanien, vertreten durch M. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,

und durch

Französische Republik, vertreten durch A.‑L. Desjonquères, A. Daniel, W. Zemamta und R. Bénard als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tomljenović, der Richterin P. Škvařilová-Pelzl und des Richters I. Nõmm (Berichterstatter),

Kanzler: I. Kurme, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragen die Klägerinnen, die Aquind Ltd, die Aquind SAS und die Aquind Energy Sàrl, die Nichtigerklärung der Delegierten Verordnung (EU) 2020/389 der Kommission vom 31. Oktober 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse (ABl. 2020, L 74, S. 1, im Folgenden: angefochtene Verordnung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerinnen sind Trägerinnen eines Vorhabens, das in einer Stromverbindungsleitung zwischen den Stromübertragungsnetzen des Vereinigten Königsreichs und Frankreichs besteht (im Folgenden: Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“).

3        Das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ wurde durch die Delegierte Verordnung (EU) 2018/540 der Kommission vom 23. November 2017 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Unionsliste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse (ABl. 2018, L 90, S. 38) in die Unionsliste der „Vorhaben von gemeinsamem Interesse“ (Projects of Common Interest, im Folgenden: PCI) aufgenommen und damit als grundlegendes Vorhaben im Rahmen der für die Vollendung des Energiebinnenmarkts erforderlichen Infrastrukturen eingestuft. Durch die Einstufung als PCI der Union hat ein Vorhabenträger die Möglichkeit, erstens ein gestrafftes, koordiniertes und beschleunigtes Genehmigungsverfahren in Anspruch zu nehmen, zweitens einen Investitionsantrag und einen Antrag auf grenzüberschreitende Kostenaufteilung bei den zuständigen nationalen Regulierungsbehörden einzureichen, so dass die tatsächlichen Investitionskosten von den Nutzern der Netze wieder eingezogen werden können, und drittens finanzielle Unterstützung bei der Fazilität „Connecting Europe“ zu beantragen.

4        Die durch die Delegierte Verordnung 2018/540 festgelegte Liste wurde durch die Liste ersetzt, die durch die angefochtene Verordnung festgelegt worden ist. In der neuen Liste, die im Anhang der angefochtenen Verordnung enthalten ist, wird das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ in der Tabelle der Vorhaben aufgeführt, die nicht mehr als PCI der Union betrachtet werden.

 Anträge der Parteien

5        Die Klägerinnen beantragen im Wesentlichen,

–        die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären, soweit sie die Verbindungsleitung Aquind von der Unionsliste der PCI entfernt;

–        hilfsweise, die angefochtene Verordnung in vollem Umfang für nichtig zu erklären;

–        der Europäischen Kommission die Kosten aufzuerlegen.

6        Die Kommission und das Königreich Spanien beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

7        Die Französische Republik beantragt, die Klage abzuweisen.

8        Die Bundesrepublik Deutschland beantragt, die Klage abzuweisen, mindestens insoweit sie Art. 10 Abs. 1 des am 17. Dezember 1994 in Lissabon unterzeichneten Vertrags über die Energiecharta (ABl. 1994, L 380, S. 24) betrifft, und die Frage der Unanwendbarkeit von Art. 26 des Vertrags über die Energiecharta im Intra-EU-Verhältnis zu klären.

 Rechtliche Würdigung

9        Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf sieben Klagegründe: erstens, Verstoß gegen die Begründungspflicht, zweitens, Verstoß gegen die verfahrens- und materiell‑rechtlichen Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2013 zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 713/2009, (EG) Nr. 714/2009 und (EG) Nr. 715/2009 (ABl. 2013, L 115, S. 39), insbesondere ihres Art. 5 Abs. 8, drittens, Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 des Vertrags über die Energiecharta, viertens, Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung nach Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), fünftens, Verletzung des Gleichbehandlungsgebots, sechstens, Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und siebtens, Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.

10      Es ist zweckmäßig, den vierten und den fünften Klagegrund, die eine Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung und des Gleichbehandlungsgebots betreffen, gemeinsam zu prüfen und den dritten Klagegrund, der einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 des Vertrags über die Energiecharta betrifft, zuletzt zu prüfen.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

11      Im Rahmen des ersten Klagegrundes machen die Klägerinnen einen Verstoß gegen die Begründungspflicht geltend. Die Entfernung des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ werde nämlich weder in der angefochtenen Verordnung noch in der dazugehörigen Begründung und auch nicht in dem der angefochtenen Verordnung beigefügten Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission erläutert.

12      Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien und die Französische Republik, weist diesen Klagegrund zurück.

13      Zunächst muss nach der Rechtsprechung die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen worden ist, angepasst sein. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 150; vgl. auch Urteil vom 15. November 2012, Rat/Bamba, C‑417/11 P, EU:C:2012:718, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 10. Juni 2020, Spliethoff’s Bevrachtingskantoor/Kommission, T‑564/15 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:252, Rn. 108). Insbesondere ist ein beschwerender Rechtsakt hinreichend begründet, wenn er in einem Zusammenhang ergangen ist, der dem Betroffenen bekannt ist und ihm gestattet, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen (Urteil vom 18. Oktober 2018, Terna/Kommission, T‑387/16, EU:T:2018:699, Rn. 53).

14      Sodann ist bei der Beurteilung des Umfangs der Begründungspflicht hinsichtlich der in Rede stehenden Beschlüsse das Interesse zu berücksichtigen, das die Klägerinnen daran haben könnten, Erläuterungen zu erhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. November 2019, Portigon/SRB, T‑365/16, EU:T:2019:824, Rn. 164). Die Begründungspflicht folgt nämlich aus dem Grundsatz der Beachtung der Verteidigungsrechte. So dient die Pflicht zur Begründung eines beschwerenden Rechtsakts dem Zweck, zum einen den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob der Rechtsakt sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der seine Anfechtung vor dem Unionsrichter zulässt, und zum anderen dem Unionsrichter die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts zu ermöglichen (Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 462).

15      Schließlich kann eine Begründung auch implizit erfolgen, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe für die getroffenen Maßnahmen zu erfahren, und dem zuständigen Gericht ausreichende Angaben an die Hand gibt, damit es seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteil vom 13. Juli 2011, General Technic-Otis u. a./Kommission, T‑141/07, T‑142/07, T‑145/07 und T‑146/07, EU:T:2011:363, Rn. 302).

16      Im Licht dieser Erwägungen ist der erste Klagegrund zu prüfen.

17      Als Erstes ist zum einen zu ermitteln, aus welchen Gründen die Kommission das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ nicht als PCI der Union in die angefochtene Verordnung aufgenommen hat, und zum anderen, wo diese Gründe genannt sind.

18      Erstens ist festzustellen, dass die Erwägungsgründe der angefochtenen Verordnung eine kurze Zusammenfassung des Inhalts der Verordnung Nr. 347/2013 enthalten, die Befugnis der Kommission erwähnen, die Unionsliste von PCI festzulegen, an die Verpflichtung erinnern, alle zwei Jahre eine neue Liste zu erstellen, und hervorheben, dass die regionalen Gruppen die für die Aufnahme in die Unionsliste der PCI vorgeschlagenen Vorhaben geprüft und bestätigt haben, dass die fraglichen Vorhaben die Kriterien von Art. 4 der Verordnung Nr. 347/2013 erfüllen.

19      Die angefochtene Verordnung enthält in ihren zwei Bezugsvermerken einen allgemeinen Verweis auf den AEU-Vertrag und die Verordnung Nr. 347/2013.

20      Im fünften Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung heißt es, dass, „[d]ie Entwürfe der regionalen Listen von PCI … von den regionalen Gruppen auf Fachsitzungen vereinbart [wurden]“ und dass, „[n]achdem die [Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER)] hinsichtlich der einheitlichen Anwendung der Bewertungskriterien und der Kosten-Nutzen-Analyse in den einzelnen Regionen Stellungnahmen abgegeben hatte, … die Entscheidungsgremien der regionalen Gruppen die regionalen Listen am 4. Oktober 2019 verabschiedet [haben]“. Ferner heißt es im fünften Erwägungsgrund: „Gemäß Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung … Nr. 347/2013 haben die Mitgliedstaaten, deren Hoheitsgebiet die Vorhaben betreffen, alle vorgeschlagenen Vorhaben vor der Verabschiedung der regionalen Listen genehmigt.“

21      Anhang VII Teil A der Verordnung Nr. 347/2013 (in der durch die angefochtene Verordnung geänderten Fassung) mit dem Titel „Bei der Erstellung der Unionsliste [der PCI] zugrunde gelegte Prinzipien“ enthält eine Nr. 3 mit der Überschrift „Vorhaben, die nicht mehr als PCI betrachtet werden …“. In Nr. 3 stellt die Kommission fest:

„Mehrere Projekte, die in den Unionslisten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1391/2013 und der Verordnung (EU) 2016/89 aufgeführt sind, werden aus einem oder mehreren der nachstehenden Gründe nicht mehr als PCI angesehen:

–        Die Infrastruktur wurde oder wird in naher Zukunft in Betrieb genommen, sodass die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 keine Anwendung finden würden;

–        das Vorhaben erfüllt den neuen Daten zufolge nicht die allgemeinen Kriterien für die Förderfähigkeit;

–        ein Träger hat das Vorhaben im Rahmen des Auswahlverfahrens für diese Unionsliste [der PCI] nicht erneut eingereicht oder

–        das Vorhaben wurde im Rahmen des Auswahlverfahrens niedriger eingestuft als andere eingereichte Vorhaben.

…“

22      Die Klägerinnen machen zu Recht geltend, dass von diesen vier Gründen nur der zweite – wonach „das Vorhaben … den neuen Daten zufolge nicht die allgemeinen Kriterien für die Förderfähigkeit [erfüllt]“ – die Nichtaufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI eventuell hätte rechtfertigen können.

23      Der Begriff „allgemeine Kriterien“, der im fraglichen zweiten Grund verwendet wird, ist jedoch ziemlich vage. Es ist nicht offensichtlich, ob sich dieser Begriff auf den in Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 347/2013 verwendeten beschränkt – und somit auf die in dieser Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen, die PCI-Vorhaben erfüllen müssen – oder ob die Formulierung „allgemeine Kriterien“ neben den in der genannten Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen sämtliche Voraussetzungen erfasst, die ein Vorhaben erfüllen muss, um in die Unionsliste der PCI aufgenommen zu werden.

24      Zweitens hat die Kommission in ihren Schriftsätzen darauf hingewiesen, dass der Grund, aus dem sie das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ nicht als PCI der Union in die angefochtene Verordnung aufgenommen habe, mit der Weigerung der Französischen Republik zusammenhänge, die Aufnahme des Vorhabens in die Unionsliste der PCI zu genehmigen. Die Kommission hat erklärt, dass die Französische Republik ihre Weigerung damit begründet habe, dass ein Risiko von Überkapazitäten bestehe, da mehrere Vorhaben in der gleichen Region existierten und das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ als das unsicherste Vorhaben angesehen werde. Die Kommission räumt jedoch ein, dass die angefochtene Verordnung an keiner Stelle die Weigerung der Französischen Republik erwähnt und erst recht nicht die Gründe benennt, aus denen die Französische Republik die Genehmigung verweigerte.

25      Als Zweites ist zu prüfen, ob es den Klägerinnen möglich war, die Gründe, aus denen das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ nicht in die Unionsliste der PCI aufgenommen wurde, zu erkennen, obwohl der mit der Weigerung der Französischen Republik zusammenhängende Grund nicht ausdrücklich in der angefochtenen Verordnung genannt ist. Dies beinhaltet die Prüfung, ob – im Sinne der oben in Rn. 13 angeführten Rechtsprechung – die Nichtaufnahme des Vorhabens in einem Zusammenhang erging, der den Klägerinnen bekannt war und ihnen gestattete, die Tragweite der ihnen gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen, und ob davon ausgegangen werden kann, dass die angefochtene Verordnung eine implizite Begründung enthält.

26      Erstens kann den Klägerinnen der rechtliche Rahmen, in dem die angefochtene Verordnung erging, nicht unbekannt sein. Dieser rechtliche Rahmen ist durch Art. 172 Abs. 2 AEUV gekennzeichnet, wonach Leitlinien und PCI, die das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats betreffen, der Billigung dieses Mitgliedstaats bedürfen. Darüber hinaus ist der rechtliche Rahmen gekennzeichnet durch Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 347/2013, wonach jeder einzelne Vorschlag für ein PCI der Genehmigung durch die betroffenen Mitgliedstaaten bedarf, wenn eine Gruppe ihre regionale Liste erstellt, und Art. 3 Abs. 4 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 347/2013, wonach der Kommission vorbehaltlich der Genehmigung des Mitgliedstaats, dessen Hoheitsgebiet von einem PCI betroffen ist, die Befugnis übertragen wird, delegierte Rechtsakte zu erlassen, die die Unionsliste der PCI festlegen.

27      Was zweitens den tatsächlichen Kontext betrifft, in dem die angefochtene Verordnung erlassen wurde, ist festzustellen, dass die Verordnung am 11. März 2020 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde. Mehrere Umstände lassen jedoch den Schluss zu, dass die Klägerinnen bereits vor dieser Veröffentlichung von den Vorbehalten der Französischen Republik gegenüber dem Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ und letztlich von ihrer Weigerung, das Projekt zu genehmigen, Kenntnis erlangt hatten.

28      Zunächst hatte die Kommission den Klägerinnen mit Schreiben vom 11. Juli 2019 mitgeteilt, dass die Französische Republik in der Fachsitzung der regionalen Gruppe am 5. Juli 2019 Vorbehalte gegenüber dem Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ geäußert habe und den Klägerinnen empfohlen werde, sich mit dem betreffenden Ministerium in Verbindung zu setzen, um nähere Einzelheiten zu erfahren.

29      Sodann beantwortete der Energiekommissar in einer Sitzung des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments vom 5. Dezember 2019 eine Frage von zwei britischen Mitgliedern des Parlaments zu den Gründen für die Entfernung des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ aus der Unionsliste der PCI. Der Energiekommissar erläuterte, dass die Französische Republik erstens die Auffassung vertrete, dass die vier Projekte zur Verbindung des Vereinigten Königreichs mit Frankreich zu einer Überkapazität führen würden, zweitens der Ansicht sei, dass das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ als das unsicherste angesehen werde, und drittens aus diesem Grund beantragt habe, dass das fragliche Vorhaben nicht in die neue PCI-Liste aufgenommen werde. Ferner wies der Energiekommissar darauf hin, dass die Mitgliedstaaten das Recht hätten, die Vorhaben zu genehmigen, die ihr Hoheitsgebiet beträfen, und die Kommission dieses Recht beachten müsse.

30      In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts haben die Klägerinnen eingeräumt, dass sie von der Antwort des Energiekommissars am Tag der Sitzung, d. h. am 5. Dezember 2019, Kenntnis genommen hätten.

31      Schließlich haben die Klägerinnen in Beantwortung einer weiteren schriftlichen Frage des Gerichts erklärt, der stellvertretende Generaldirektor der Generaldirektion (GD) „Energie“ der Kommission habe ihnen als Antwort auf ihr Schreiben vom 24. Oktober 2019 mit Schreiben vom 20. Februar 2020 mitgeteilt, dass die Kommission nicht befugt sei, Vorhaben in die Unionsliste der PCI aufzunehmen, nachdem die regionalen Gruppen ihre Entscheidungen getroffen hätten, und dass die Französische Republik einen Einwand gegen das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ erhoben habe.

32      Aus alledem folgt, dass den Klägerinnen der Grund bekannt war, aus dem die Kommission das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ nicht in die Unionsliste der PCI in der angefochtenen Verordnung aufgenommen hatte, und dass dieser Grund damit zusammenhing, dass die Französische Republik das Vorhaben nicht genehmigt hatte. Darüber hinaus konnten sie zur Kenntnis nehmen, dass nach Auffassung dieses Mitgliedstaats das Risiko einer Überkapazität bestand, da mehrere Vorhaben existierten, und das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ als das unsicherste angesehen wurde.

33      Als Drittes ist das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, wonach die Begründung für die Weigerung der Französischen Republik, das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI aufzunehmen, und die Erläuterungen dieses Mitgliedstaats zum Risiko der Überkapazität und zum Umstand, dass es sich beim fraglichen Vorhaben um das unsicherste handle, unzureichend seien. Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe sich nicht auf diese Begründung beschränken dürfen, sondern sei verpflichtet gewesen, den betreffenden Mitgliedstaat aufzufordern, seine Weigerung näher zu begründen.

34      Für die Frage, ob die oben in Rn. 32 genannte Begründung ausreichte, muss zunächst festgestellt werden, wie hoch die Anforderungen an die Begründung sind, wenn über die Aufnahme oder Nichtaufnahme eines Vorhabens für eine Verbindungsleitung in die Unionsliste der PCI entschieden wird.

35      Im Zusammenhang mit der Prüfung dieser Frage ist zu untersuchen, wie die jeweiligen Befugnisse im Rahmen des Verfahrens zur Annahme der Unionslisten von PCI zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission aufgeteilt sind und welchen Umfang diese Befugnisse haben. Die Klägerinnen sind nämlich der Ansicht, dass Art. 172 Abs. 2 AEUV den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Aufnahme von PCI in die Unionsliste kein Vetorecht einräume, das nach freiem Ermessen ausgeübt werden könne, und dass die Kommission nach der Verordnung Nr. 347/2013 über ein Ermessen für die Verabschiedung der Unionsliste der PCI verfüge. Die Kommission macht geltend, sie habe das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ nicht in die Unionsliste der PCI aufnehmen können, da sie sich über die Weigerung eines Mitgliedstaats, ein Vorhaben zu genehmigen, nicht hinwegsetzen könne.

36      Insoweit geht aus der ständigen Rechtsprechung hervor, dass bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut und die mit ihr verfolgten Ziele zu berücksichtigen sind, sondern auch ihr Kontext und das gesamte Unionsrecht (vgl. Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung; Beschluss vom 24. Oktober 2019, Liaño Reig/SRB, T‑557/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:771, Rn. 59).

37      Was den Wortlaut von Art. 172 Abs. 2 AEUV betrifft, spricht eine wörtliche Lesart eindeutig für die Auffassung der Kommission. Der Wortlaut dieser Vorschrift bietet nämlich keinen Spielraum für andere Auslegungen, so dass sich keine Auslegungsschwierigkeiten ergeben.

38      Angesichts des eindeutigen Wortlauts von Art. 172 Abs. 2 AEUV ist davon auszugehen, dass diese Vorschrift dem betreffenden Mitgliedstaat in Bezug auf die Genehmigung bzw. Verweigerung der Genehmigung der Aufnahme eines Vorhabens in die Unionsliste der PCI ein Ermessen, d. h. einen weiten Entscheidungsspielraum, gewährt.

39      Dies wird durch die teleologische und systematische Auslegung von Art. 172 Abs. 2 AEUV bestätigt. Die Entscheidung des Gesetzgebers, eine Art Vetorecht für den betroffenen Mitgliedstaat einzuführen, erklärt sich nämlich damit, dass die Politik für die transeuropäischen Netze territoriale Aspekte umfasst und damit in gewisser Weise die Raumordnung betrifft, die traditionell in die Souveränität der Mitgliedstaaten fällt (Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C‑121/14, EU:C:2015:526, Nrn. 157 und 158).

40      Dies ist im Übrigen auch der Sinn der oben in Rn. 26 genannten Bestimmungen der Verordnung Nr. 347/2013. Somit war die Kommission entgegen der Auffassung der Klägerinnen nicht befugt, sich über die Verweigerung der Genehmigung hinwegzusetzen.

41      Angesichts des Ermessens des Mitgliedstaats ist zu klären, in welchem Umfang die Weigerung begründet werden muss. Insoweit muss nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. a und Anhang III Nr. 2 Abs. 10 der Verordnung Nr. 347/2013, wenn eine Gruppe ihre regionale Liste erstellt, der Mitgliedstaat, der beschließt, ein Vorhaben nicht zu genehmigen, der genannten regionalen Gruppe eine angemessene Begründung hierfür vorlegen. Gemäß diesen Bestimmungen kann das hochrangige Entscheidungsgremium der betreffenden regionalen Gruppe „auf Ersuchen eines Mitgliedstaats“ dieser regionalen Gruppe die genannten Gründe für die Verweigerung der Genehmigung prüfen. Der Gesetzgeber hat insoweit seinem Willen Ausdruck verliehen, dass in Fortschreibung von Art. 172 Abs. 2 AEUV die Frage der Verweigerung der Genehmigung eines Vorhabens mit der Folge, dass das Vorhaben nicht als PCI eingestuft werden kann, der Zuständigkeit der betroffenen Mitgliedstaaten unterliegen soll.

42      Im vorliegenden Fall ist dem Protokoll der Sitzung der fachlichen Entscheidungsgremien und dem Protokoll der Sitzung des hochrangigen Entscheidungsgremiums zu entnehmen, dass die Französische Republik ihre Weigerung, die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die vierte PCI-Liste zu genehmigen, begründet hatte und kein Mitgliedstaat der betreffenden regionalen Gruppe eine Prüfung der Begründung beantragt hatte.

43      Daraus folgt, dass die Kommission durch ihren Hinweis auf die Weigerung der Französischen Republik, die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI zu genehmigen, ihrer Begründungspflicht nachgekommen ist. Ebenso wenig kann ihr vorgeworfen werden, dass sie die Französische Republik nicht aufgefordert hat, die Gründe für die Weigerung näher zu erläutern. Insoweit lassen Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. a und Anhang III Nr. 2 Abs. 10 der Verordnung Nr. 347/2013 es nicht zu, dass sich die Kommission in irgendeiner Weise in die von der Französischen Republik vorgetragene Begründung einmischt. Da die Klägerinnen nicht geltend gemacht haben, dass diese Vorschriften rechtswidrig seien, können sie der Kommission nicht vorwerfen, gegen ihre Begründungspflicht verstoßen zu haben, da sie sich an die Vorschriften gehalten hat (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 26. September 2014, Raffinerie Heide/Kommission, T‑631/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:830, Rn. 41 bis 44, und Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in den Rechtssachen DK Recycling und Roheisen/Kommission, Arctic Paper Mochenwangen/Kommission, Raffinerie Heide/Kommission und Romonta/Kommission, C‑540/14 P, C‑551/14 P, C‑564/14 P und C‑565/14 P, EU:C:2016:147, Nrn. 90 und 91).

44      Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 347/2013, wonach „[i]n den Gruppen … nur die Mitgliedstaaten und die Kommission über Entscheidungsbefugnisse [verfügen] und … als Entscheidungsgremium der [betreffenden regionalen] Gruppen bezeichnet [werden]“, sowie Art. 3 Abs. 4 und Art. 16 der Verordnung Nr. 347/2013, denen zufolge die Kommission zum Erlass der angefochtenen Verordnung befugt ist, können nicht dahin ausgelegt werden, dass die Kommission für eine etwaige Rechtsverletzung verantwortlich ist, die ein Mitgliedstaat begeht, wenn er die Genehmigung eines Vorhabens verweigert, und sie insoweit für einen potenziellen Verstoß dieses Mitgliedstaats gegen die Begründungspflicht haftet. Dies wäre nämlich nicht mit den Vorschriften zur Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission vereinbar, wie sie in Art. 172 AEUV geregelt ist und in der Verordnung Nr. 347/2013 aufgegriffen wird.

45      Somit ist festzustellen, dass die Kommission die angefochtene Verordnung hinreichend begründet hat und der erste Klagegrund zurückzuweisen ist.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die verfahrens- und materiellrechtlichen Anforderungen der Verordnung Nr. 347/2013, insbesondere ihres Art. 5 Abs. 8

46      Die Klägerinnen machen im Rahmen des zweiten Klagegrundes geltend, dass verfahrens- und materiell‑rechtliche Vorschriften verletzt worden seien. Der Klagegrund besteht im Wesentlichen aus fünf Rügen.

47      Die Kommission, insoweit unterstützt durch das Königreich Spanien und die Französische Republik, weist diese Rügen und den Klagegrund insgesamt zurück.

48      Die Klägerinnen machen im Rahmen der ersten Rüge geltend, die Kommission sei als das für den Erlass der angefochtenen Verordnung zuständige Organ verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass die Unionsliste der PCI im Einklang mit allen maßgeblichen rechtlichen Anforderungen erstellt werde. Die Kommission habe gegen Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 347/2013 verstoßen, da das in Anhang III.2 der Verordnung festgelegte Verfahren aus mehreren Gründen nicht eingehalten worden sei.

49      Die Klägerinnen machen erstens geltend, die ACER habe erklärt, sie sei aufgrund zahlreicher Lücken in den ihr zur Verfügung gestellten Informationen nicht in der Lage gewesen, zur einheitlichen Anwendung der Kriterien und zur Kosten-Nutzen-Analyse in den einzelnen Regionen Stellung zu nehmen. Allerdings legen die Klägerinnen nicht dar, inwieweit sich die Erwägungen in der Stellungnahme der ACER tatsächlich auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verordnung in Bezug auf das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ auswirken.

50      Die Kommission konnte das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ nämlich nicht in die neue Unionsliste der PCI aufnehmen, da die Französische Republik die Genehmigung nicht erteilt hatte, weil sie der Auffassung war, dass ein Risiko der Überkapazität vorliege und das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ als unsicherstes Vorhaben angesehen werde. Die Frage der einheitlichen Anwendung der Kriterien und die Kosten-Nutzen-Analyse in den einzelnen Regionen hatten somit keine Auswirkungen auf die Entscheidung, das Vorhaben nicht in die Unionsliste der PCI aufzunehmen.

51      Zweitens ist das Vorbringen der Klägerinnen, das hochrangige Entscheidungsgremium der betreffenden regionalen Gruppe und die Kommission hätten gegen die Anforderungen von Anhang III Nr. 2 Abs. 13 der Verordnung Nr. 347/2013 verstoßen, weil sie die Stellungnahme der ACER zur einheitlichen Anwendung der Bewertungskriterien und zur Kosten-Nutzen-Analyse in den einzelnen Regionen nicht berücksichtigt hätten, weder klar noch substantiiert.

52      Zunächst ist dem fünften Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung allgemein zu entnehmen, dass das hochrangige Entscheidungsgremium der regionalen Gruppe bei der Verabschiedung seiner endgültigen regionalen Liste die Stellungnahme der ACER sehr wohl berücksichtigt hatte. Sodann enthält die Stellungnahme der ACER einen Abschnitt A.4.1.3, der sich konkret mit dem Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ beschäftigt und die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Regulierungsbehörden der Französischen Republik und des Vereinigten Königreichs beschreibt sowie die Gründe darlegt, aus denen die französische Regulierungsbehörde, die Commission de régulation de l’énergie (CRE), Einwände gegen die Aufnahme des Vorhabens in die endgültige regionale Liste erhob. Schließlich ist jedenfalls festzustellen, dass die Französische Republik aus Gründen, die mit dem Risiko der Überkapazität und dem Umstand, dass das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ als das unsicherste angesehen wurde, die Genehmigung des Vorhabens verweigerte, dass das hochrangige Entscheidungsgremium der betreffenden regionalen Gruppe und die Kommission an diese Weigerung gebunden waren und ihnen unter diesen Umständen nicht vorgeworfen werden kann, dass sie die Stellungnahme des ACER nicht berücksichtigt hätten.

53      Drittens werfen die Klägerinnen der Kommission vor, sie habe es unterlassen, gemäß Art. 3 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 347/2013 die überregionale Kohärenz sicherzustellen, da zahlreiche Vorhaben, die geringe Fortschritte aufgewiesen hätten oder regelmäßig verschoben worden seien, in die Unionsliste der PCI aufgenommen worden seien und daher die Behauptung, das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ sei das unsicherste, seiner Qualifikation als PCI der Union nicht entgegengestanden habe.

54      Dem kann nicht gefolgt werden. Die Klägerinnen beschränken sich darauf, den Inhalt der Stellungnahme der ACER zu dieser Frage wiederzugeben, haben jedoch nicht nachgewiesen, dass er die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verordnung in Bezug auf das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ in Frage stellen könnte.

55      Die Kommission war nämlich verpflichtet, die Weigerung der Französischen Republik, die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI zu genehmigen, zu berücksichtigen, und konnte die Begründung, der zufolge das Vorhaben das unsicherste sei, nicht in Frage stellen. Insoweit bestimmt Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 347/2013: „Wenn eine Gruppe ihre regionale Liste erstellt, bedarf jeder einzelne Vorschlag für ein Vorhaben von gemeinsamem Interesse der Genehmigung durch die Mitgliedstaaten, deren Hoheitsgebiet das Vorhaben betrifft; beschließt ein Mitgliedstaat, diese Genehmigung nicht zu erteilen, legt er der betreffenden [regionalen] Gruppe eine angemessene Begründung hierfür vor“. Gemäß Anhang III Nr. 2 Abs. 10 der genannten Verordnung muss das hochrangige Entscheidungsgremium der regionalen Gruppe die genannte Begründung prüfen, wenn ein Mitgliedstaat der Gruppe dies beantragt. Somit war die Kommission nicht befugt, die Prüfung der von der Französischen Republik angeführten Gründe zu beantragen, und sie hat insoweit keinen Fehler begangen. Im vorliegenden Fall hat kein Mitgliedstaat beantragt, dass die Französische Republik die Gründe für ihre Weigerung näher erläutert.

56      Wenn man unterstellt, dass, wie die Klägerinnen geltend machen, die Erklärung der Französischen Republik, wonach es sich bei dem Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ um das unsicherste gehandelt habe, einen Beurteilungsfehler enthält, so war die Kommission nicht befugt, diesen Fehler zu berichtigen, ebenso wenig wie das Gericht befugt ist, diese Frage zu prüfen. Die Französische Republik hat in der mündlichen Verhandlung, ohne dass die Klägerinnen dies bestritten haben, erklärt, dass ihre Weigerung, die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI zu genehmigen, vor dem Tribunal administratif de Paris (Verwaltungsgericht Paris, Frankreich) angefochten worden sei.

57      Im Rahmen der zweiten Rüge werfen die Klägerinnen der regionalen Gruppe vor, gegen Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 347/2013 verstoßen zu haben, da die Gruppe keine Geschäftsordnung erlassen hätte.

58      Gemäß Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 347/2013 erlässt jede regionale Gruppe unter Beachtung der in Anhang III festgelegten Bedingungen ihre eigene Geschäftsordnung. Den Schriftstücken, die die Klägerinnen selbst der Akte beigefügt haben, ist jedoch zu entnehmen, dass die Geschäftsordnung in Form eines Mandats mehrerer regionaler Gruppen in den Sektoren Gas und Strom erlassen wurde, darunter die Gruppe für das „Offshore-Netz der nördlichen Meere“, d. h. den Korridor, das vorrangige Gebiet und das geografische Gebiet, auf die sich das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ bezieht. Die Klägerinnen haben selbst erklärt, dass sie die Möglichkeit gehabt hätten, diese Geschäftsordnung über das Portal der PCI der Union zur Kenntnis zu nehmen und herunterzuladen.

59      Der Umstand, dass die Geschäftsordnung die Bezeichnung „Draft“ enthielt, ist insoweit irrelevant. Wie die Klägerinnen nämlich selbst in ihren Schriftsätzen einräumen, war ihnen vollkommen bewusst, dass es sich trotz der Bezeichnung „Draft“ um die endgültige Fassung der Geschäftsordnung handelte, was im Übrigen daran zu erkennen ist, dass die elektronische Datei das Wort „Final“ enthielt. Unter diesen Umständen können sie sich nicht auf die vage und nicht substantiierte Behauptung beschränken, die regionale Gruppe für das „Offshore-Netz der nördlichen Meere“ habe keine Geschäftsordnung erlassen, weshalb es dem Verfahren an Transparenz gefehlt habe und die Mindeststandards nicht eingehalten worden seien.

60      Mit der dritten Rüge wird geltend gemacht, die Verzögerungen bei der Inbetriebnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ seien kein Grund, das Vorhaben nicht in die Unionsliste der PCI aufzunehmen. Die Klägerinnen tragen vor, die regionale Gruppe habe diese Frage bereits untersucht, kein Problem im Zusammenhang mit den Verzögerungen festgestellt und sie insoweit auch nicht aufgefordert, ihren Standpunkt zu begründen.

61      Diese Rüge ist nicht stichhaltig. Die Verzögerungen bei der Inbetriebnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ wurden von der Französischen Republik nämlich nicht als Gründe angeführt, um im hochrangigen Entscheidungsgremium der regionalen Gruppe für das „Offshore-Netz der nördlichen Meere“ die Genehmigung des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ zu verweigern.

62      Zwar geht aus der Stellungnahme der ACER vom 25. September 2019 hervor, dass die CRE die Verzögerung bei der Durchführung des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ erwähnte und es sich dabei um einen der Gründe handelte, aus denen sich die CRE gegen die Aufnahme des Vorhabens in die Unionsliste der PCI aussprach. Wie die Kommission jedoch zu Recht geltend macht, kann der Standpunkt einer nationalen Regulierungsbehörde nicht als Standpunkt eines Mitgliedstaats innerhalb des hochrangigen Entscheidungsgremiums der betreffenden regionalen Gruppe gedeutet werden. Zudem lässt sich keinem Dokument entnehmen, dass sich die Französische Republik die von der nationalen Regulierungsbehörde angeführte Begründung zu eigen gemacht hat.

63      Aus diesem Grund ist auch das Vorbringen der Klägerinnen irrelevant, wonach es in der Sitzung der regionalen Gruppe für das „Offshore-Netz der nördlichen Meere“ vom 28. Mai 2019 keine Bemerkungen zur Verzögerung bei der Durchführung des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ gegeben habe und die Klägerinnen nicht aufgefordert worden seien, die Verzögerung zu begründen.

64      Die vierte Rüge, die sich auf Inkonsistenzen und Ungenauigkeiten in der Artelys-Studie zur Kosten-Nutzen-Analyse stützt, ist ebenso wie die dritte Rüge nicht stichhaltig.

65      Der Grund, aus dem die Kommission das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ nicht in die angefochtene Verordnung aufnahm, beruht nämlich auf den Einwänden der Französischen Republik gegenüber diesem Vorhaben, und diese Einwände stützen sich auf Gründe, die nicht mit der Artelys-Studie zusammenhängen. Insoweit ist Abschnitt A.4.1.3 der Stellungnahme der ACER vom 25. September 2019 zu entnehmen, dass es die CRE und nicht die Französische Republik war, die sich u. a. auf diese Studie stützte, um ihre Einwände gegenüber dem Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ zu begründen.

66      Mit der fünften Rüge beanstanden die Klägerinnen, dass das Vorhaben Aquind nur in dem in Art. 5 Abs. 8 der Verordnung Nr. 347/2013 vorgesehenen Fall aus der Unionsliste der PCI entfernt werden könne. Gemäß Art. 3 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 347/2013 sei der Mitgliedstaat, der einen einzelnen Vorschlag für ein PCI ablehne, verpflichtet, für die Ablehnung eine „Begründung“ vorzulegen, so dass die Entscheidung des Mitgliedstaats nicht rein willkürlich erfolgen könne. Die Französische Republik habe ihre Verweigerung der Genehmigung des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ jedoch nicht begründet, und die Kommission sei offenbar der Ansicht gewesen, dass es möglich sei, das Vorhaben aus anderen Gründen als dem in Art. 5 Abs. 8 der Verordnung Nr. 347/2013 genannten Grund zu entfernen, nämlich aus dem Grund, dass das Vorhaben nicht mehr von dem Mitgliedstaat unterstützt werde, in dessen Hoheitsgebiet es betrieben werden solle.

67      Erstens regelt die Verordnung Nr. 347/2013 in ihrem Art. 5 Abs. 8 nur die Fälle, in denen ein Vorhaben bereits in die Unionsliste der PCI aufgenommen wurde, d. h. wenn die Aufnahme des Vorhabens in diese Liste auf fehlerhaften Informationen beruhte, die ein ausschlaggebender Faktor für diese Aufnahme waren, oder das Vorhaben nicht mit dem Unionsrecht in Einklang steht. Diese Vorschrift betrifft daher nicht die Aufnahme von Vorhaben in die alle zwei Jahre neu zu erstellende Liste.

68      Das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ wurde nämlich nicht von der Unionsliste der PCI „entfernt“, sondern am Ende des Verfahrens für die Erstellung der neuen Liste nicht in diese aufgenommen. Somit ist Art. 5 Abs. 8 der Verordnung Nr. 347/2013 im vorliegenden Fall nicht maßgeblich.

69      Dieses Ergebnis wird durch den 24. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 347/2013 bestätigt. In ihm wird unmissverständlich darauf hingewiesen, dass alle zwei Jahre eine „neue“ Unionsliste der PCI festgelegt wird, dass die bestehenden PCI, die in die nächste Unionsliste aufgenommen werden sollen, dem gleichen Auswahlverfahren für die Erstellung der Unionslisten unterliegen wie vorgeschlagene Vorhaben und dass PCI, die nicht mehr die in dieser Verordnung vorgesehenen einschlägigen Kriterien und Anforderungen erfüllen, in der nächsten Unionsliste nicht mehr aufgeführt werden sollten. Somit haben Vorhaben, die bereits in die vorhergehende Unionsliste der PCI aufgenommen wurden, gegenüber neuen Vorhaben keinen Vorteil. Die Verordnung Nr. 347/2013 beschränkt sich in ihrem 24. Erwägungsgrund auf eine pragmatische Überlegung, indem sie zu beachten gibt, dass, um den Verwaltungsaufwand für die älteren Vorhaben nach Möglichkeit auf ein Mindestmaß zu beschränken, die bereits früher übermittelten Informationen soweit wie möglich ausgewertet und die Jahresberichte der Träger der älteren Vorhaben herangezogen werden sollen.

70      Zweitens können sich die Klägerinnen nicht auf Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 347/2013 berufen, um geltend zu machen, dass die Ausübung eines Vetorechts des Mitgliedstaats im Hinblick auf die Aufnahme eines Vorhabens in die Unionsliste von PCI auf die erste Aufnahme des Vorhabens in die Liste beschränkt sei.

71      Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 347/2013 bestimmt nämlich: „Wenn eine Gruppe ihre regionale Liste erstellt, bedarf jeder einzelne Vorschlag für ein [PCI] der Genehmigung durch die Mitgliedstaaten, deren Hoheitsgebiet das Vorhaben betrifft; beschließt ein Mitgliedstaat, diese Genehmigung nicht zu erteilen, legt er der betreffenden [regionalen] Gruppe eine angemessene Begründung hierfür vor“. Gemäß Anhang III Nr. 2 Abs. 10 der genannten Verordnung muss das hochrangige Entscheidungsgremium der betreffenden regionalen Gruppe die genannte Begründung prüfen, wenn ein Mitgliedstaat der Gruppe dies beantragt.

72      Diese Bestimmungen der Verordnung Nr. 347/2013 unterscheiden nicht danach, ob ein Vorhaben erstmals Gegenstand eines Antrags auf Aufnahme in die Liste ist oder ob es bereits in die vorhergehende Liste aufgenommen wurde. Folglich gelten sie für jede Erstellung einer neuen Liste und für jedes Vorhaben, gegen das ein Mitgliedstaat Einwände erhebt.

73      Der Umstand, dass ein Mitgliedstaat die Gründe für die Verweigerung der Genehmigung eines Vorhabens vorlegen muss und das hochrangige Entscheidungsgremium der betreffenden regionalen Gruppe auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats der Gruppe diese Gründe prüfen muss, bedeutet jedoch nicht, dass das Vetorecht des Mitgliedstaats nur auf der Grundlage eines in der Verordnung Nr. 347/2013 vorgesehenen Kriteriums ausgeübt werden kann. Zum einen stellt Art. 172 Abs. 2 AEUV es nämlich in das Ermessen des Mitgliedstaats, die Erteilung der Genehmigung für die Aufnahme eines Vorhabens in die Unionsliste der PCI zu verweigern. Zum anderen ist weder Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 347/2013 noch den anderen Bestimmungen dieser Verordnung zu entnehmen, dass die „Begründung“, auf deren Grundlage der Mitgliedstaat die Erteilung der Genehmigung verweigern kann, auf Fälle beschränkt ist, in denen festgestellt wird, dass das Vorhaben nicht mit der Verordnung Nr. 347/2013 im Speziellen oder dem Unionsrecht im Allgemeinen in Einklang steht.

74      Zudem liegt entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 347/2013 vor, da die Kommission zu Recht festgestellt hat, dass die Französische Republik im vorliegenden Fall die Begründung für ihre Weigerung, die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI zu genehmigen, vorgelegt hatte. Den Protokollen der Sitzung der fachlichen Entscheidungsgremien und der Sitzung des hochrangigen Entscheidungsgremiums der betreffenden regionalen Gruppe ist nämlich zu entnehmen, dass die Französische Republik der Auffassung war, dass die vier Verbindungsprojekte zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich zu einer Überkapazität führen würden und das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ das unsicherste dieser Projekte sei.

75      Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum vierten und zum fünften Klagegrund: Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung und Verletzung des Gleichbehandlungsgebots

76      Der vierte und der fünfte Klagegrund stützen sich auf eine Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung und eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots. Die Klägerinnen machen geltend, dass die Kommission für die Änderung der Unionsliste der PCI zuständig sei und somit berechtigt und verpflichtet sei, die Einhaltung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung sowie der anderen allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts zu gewährleisten. Sie beanstanden, dass sie in den Sitzungen des fachlichen Entscheidungsgremiums und des hochrangigen Entscheidungsgremiums keine Gelegenheit gehabt hätten, sich zu äußern. Als Mitglied aller „Entscheidungsgremien“ müsse die Kommission die Unionsliste der PCI aufgrund einer Übertragung von Legislativbefugnissen verabschieden und sei daher in der Lage, die von den Gremien vorgeschlagenen regionalen Listen zu ändern.

77      Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien und die Französische Republik, weist den vierten und den fünften Klagegrund zurück.

78      Als Erstes ist festzustellen, dass das Recht auf eine gute Verwaltung zu den Garantien gehört, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, und in Art. 41 der Charta verankert ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2017, Alfamicro/Kommission, T‑831/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:804, Rn. 165 und die dort angeführte Rechtsprechung). Art. 41 Abs. 1 der Charta bestimmt: „Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden.“ Gemäß Art. 41 Abs. 2 der Charta umfasst das Recht auf eine gute Verwaltung u. a. das Recht jeder Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird.

79      Die Kommission ist außerdem verpflichtet, den Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. der Nichtdiskriminierung zu wahren, dem zufolge gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 15. April 2010, Gualtieri/Kommission, C‑485/08 P, EU:C:2010:188, Rn. 70). Die Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung muss jedoch mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden (Urteil vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T‑346/11 und T‑347/11, EU:T:2013:23, Rn. 109).

80      Als Zweites ist im Rahmen der Prüfung des vierten und des fünften Klagegrundes zu ermitteln, welche Funktionen die Verordnung Nr. 347/2013 den jeweiligen Beteiligten des Verfahrens zur Aufnahme von vorgeschlagenen Vorhaben in die Unionsliste der PCI zuschreibt und wie dieses Verfahren abläuft.

81      Erstens sieht Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 347/2013 vor, dass die betreffende regionale Gruppe die regionale Liste der vorgeschlagenen PCI erstellt. Die fragliche Gruppe setzt sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten, der nationalen Regulierungsbehörden, der Übertragungsnetzbetreiber sowie der Kommission, der ACER und des Europäischen Netzes der Übertragungsnetzbetreiber (Strom) zusammen (vgl. Anhang III Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 347/2013).

82      Träger von Vorhaben, die möglicherweise als PCI in Betracht kommen und für die sie den Status als PCI anstreben, legen der Gruppe einen Antrag auf Auswahl als PCI vor (vgl. Anhang III Nr. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 347/2013). Bei vorgeschlagenen Vorhaben wie dem Vorhaben einer Stromverbindungsleitung prüfen die nationalen Regulierungsbehörden und, falls erforderlich, die ACER die einheitliche Anwendung der Kriterien und der Methoden für die Kosten-Nutzen-Analysen, bewerten die grenzübergreifende Bedeutung der Vorhaben und legen ihre Bewertungen der Gruppe vor (vgl. Anhang III Nr. 2 Abs. 7 der Verordnung Nr. 347/2013).

83      Die Regelung sieht im Wesentlichen vor, dass die betreffende regionale Gruppe bei der Erstellung der regionalen Unionsliste der vorgeschlagenen PCI berücksichtigen muss, dass jeder einzelne Vorschlag für ein PCI der Genehmigung der Mitgliedstaaten bedarf, deren Hoheitsgebiet das Vorhaben betrifft. Beschließt ein Mitgliedstaat, diese Genehmigung nicht zu erteilen, muss er der betreffenden Gruppe eine angemessene Begründung hierfür vorlegen (vgl. Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 347/2013). Insoweit ist vorgesehen, dass auf Ersuchen eines Mitgliedstaats das hochrangige Entscheidungsgremium der Gruppe die von dem Mitgliedstaat vorgebrachten stichhaltigen Gründe prüfen muss, aus denen er ein PCI, das sein Hoheitsgebiet betrifft, nicht genehmigt (vgl. Anhang III Nr. 2 Abs. 10 der Verordnung Nr. 347/2013).

84      Der von der Gruppe erstellte Entwurf für regionale Listen der vorgeschlagenen Vorhaben wird der ACER übermittelt. Diese bewertet den Listenentwurf und gibt eine Stellungnahme dazu ab, die insbesondere die einheitliche Anwendung der Kriterien und die Kosten-Nutzen-Analyse in den einzelnen Regionen betrifft (vgl. Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. a und Anhang III Nr. 2 Abs. 12 der Verordnung Nr. 347/2013).

85      Nach der Stellungnahme der ACER „verabschiedet“ das hochrangige Entscheidungsgremium der betreffenden regionalen Gruppe die endgültige regionale Unionsliste der vorgeschlagenen PCI, wobei es sich auf den Vorschlag der Gruppe stützt sowie der Stellungnahme der ACER und der Bewertung durch die zuständigen nationalen Regulierungsstellen Rechnung trägt. Das Entscheidungsgremium übermittelt die endgültige regionale Liste der Kommission.

86      Aufgrund einer Befugnisübertragung ist die Kommission ermächtigt, delegierte Rechtsakte zu erlassen, die die Unionsliste der PCI festlegen. Im 23. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 347/2013 heißt es jedoch, dass die Befugnis zur Festlegung und Überprüfung der Unionsliste der Kommission gemäß Art. 290 AEUV mit der Maßgabe übertragen wird, dass „das Recht der Mitgliedstaaten gewahrt wird, [PCI der Union], die ihr Hoheitsgebiet betreffen, zu genehmigen“. Insoweit erinnert Art. 3 Abs. 4 Unterabs. 1 der Verordnung daran, dass die Befugnis, in Bezug auf die Erstellung einer Unionsliste der PCI einen Rechtsakt zu erlassen, „[v]orbehaltlich des Artikels 172 Absatz 2 AEUV“ ausgeübt wird. Nach Art. 172 Abs. 2 AEUV bedürfen PCI der Union, die das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats betreffen, der Billigung dieses Mitgliedstaats.

87      Zweitens können aus der Beschreibung der verschiedenen Phasen des in der Verordnung Nr. 347/2013 vorgesehenen Verfahrens die nachstehenden Schlussfolgerungen gezogen werden.

88      Zunächst können weder das fachliche Entscheidungsgremium der betreffenden regionalen Gruppe (das die regionale Unionsliste der vorgeschlagenen PCI erstellt) noch das hochrangige Entscheidungsgremium dieser regionalen Gruppe (das die regionale Unionsliste der vorgeschlagenen PCI verabschiedet) noch die Kommission (die den delegierten Rechtsakt erlässt, der die Unionsliste der PCI endgültig festlegt) in diese Listen einen einzelnen Vorschlag für ein Vorhaben aufnehmen, das nicht von dem Mitgliedstaat genehmigt wurde, in dessen Hoheitsgebiet das Vorhaben durchgeführt werden soll.

89      Sodann ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen bei der endgültigen Erstellung der Unionsliste der PCI über kein Ermessen verfügt.

90      Die der Kommission gemäß Art. 3 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 16 der Verordnung Nr. 347/2013 übertragenen Befugnisse, die Unionsliste der PCI endgültig zu verabschieden, müssen nämlich innerhalb der Grenzen der Bestimmungen des AEU-Vertrags und der Verordnung Nr. 347/2013 ausgeübt werden. Wie jedoch bereits oben in Rn. 86 dargelegt, wird die Befugnis der Kommission, delegierte Rechtsakte zu erlassen, „[v]orbehaltlich des Artikels 172 Absatz 2 AEUV“ ausgeübt. Somit ist die Kommission nicht befugt, der fraglichen Liste ein Vorhaben hinzuzufügen, für das ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet das Vorhaben durchgeführt werden sollte, die Genehmigung verweigert hat.

91      Ebenso ergibt sich sowohl aus Art. 3 Abs. 4 Unterabs. 2 als auch aus Art. 3 Abs. 5 der Verordnung Nr. 347/2013, dass die der Kommission obliegende Aufgabe, sicherzustellen, dass die Unionsliste der PCI alle zwei Jahre erstellt wird, und diese Liste zu verabschieden, „auf der Grundlage der regionalen Listen“ der vorgeschlagenen PCI der Union erfüllt wird.

92      Im Rahmen dieser Aufgabe werden die Befugnisse der Kommission im Einzelnen folgendermaßen definiert: „stellt die Kommission sicher, dass nur solche Vorhaben [in die Unionsliste von PCI] aufgenommen werden, die die Kriterien gemäß Artikel 4 [der Verordnung Nr. 347/2013] erfüllen“ (Art. 3 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 347/2013), „stellt die Kommission die überregionale Kohärenz sicher und berücksichtigt dabei die Stellungnahme der [ACER]“ (Art. 3 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 347/2013) und „ist die Kommission bestrebt, dass die Gesamtzahl an Vorhaben … auf der Unionsliste [der PCI] überschaubar bleibt und bewältigt werden kann“ (Art. 3 Abs. 5 Buchst. d der Verordnung Nr. 347/2013).

93      Die drei oben genannten Befugnisse, die der Kommission übertragen werden, können logischerweise jedoch nur in Bezug auf Vorhaben ausgeübt werden, die sich auf den regionalen Unionslisten der vorgeschlagenen PCI befinden. Die Kommission kann nämlich die Einhaltung der für PCI geltenden Kriterien, die in Art. 4 der Verordnung Nr. 347/2013 genannt sind, nur für die Vorhaben beurteilen, die sich auf den Listen befinden. Die Prüfung der Einhaltung der Kriterien kann sich nicht auf ein Vorhaben beziehen, das noch nicht einmal von den Entscheidungsgremien der betreffenden regionalen Gruppe im Hinblick auf diese Kriterien geprüft wurde, da der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet das Vorhaben durchgeführt werden sollte, die Genehmigung zuvor verweigert hat. Die Kommission kann daher naturgemäß die Einhaltung der Kriterien nicht in Bezug auf ein Vorhaben prüfen, für das eine solche Prüfung nie vorgenommen wurde.

94      Eine ähnliche Schlussfolgerung kann im Hinblick auf die Befugnis der Kommission, die überregionale Kohärenz sicherzustellen und dabei die Stellungnahme der ACER zu berücksichtigen, gezogen werden. Die Kommission kann diese Befugnis logischerweise nur in Bezug auf Vorhaben ausüben, die die Entscheidungsgremien der regionalen Gruppen in ihre Listen aufgenommen haben. Somit kann sich die Befugnis nicht auf ein Vorhaben beziehen, das nicht in die Listen aufgenommen wurde, weil ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet das Vorhaben durchgeführt werden sollte, die Genehmigung verweigert hat.

95      Was die Befugnis betrifft, zu überprüfen, ob die Gesamtzahl an Vorhaben überschaubar bleibt und bewältigt werden kann, bestimmt Anhang III Nr. 2 Abs. 14 der Verordnung Nr. 347/2013, dass die Kommission prüfen kann, ob bestimmte Vorhaben nicht in die Unionsliste der PCI aufgenommen werden, wenn sie der Auffassung ist, dass die Gesamtzahl der vorgeschlagenen PCI nicht mehr zu bewältigen ist. Dagegen wird der Kommission in keiner Bestimmung der Verordnung Nr. 347/2013 die Befugnis übertragen, Vorhaben hinzuzufügen, die von den Entscheidungsgremien der regionalen Gruppen nicht ausgewählt wurden oder von dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet das Vorhaben durchgeführt werden sollte, nicht genehmigt wurden.

96      Was die von einem Mitgliedstaat angeführte Begründung für seine Verweigerung der Genehmigung betrifft, hat der Unionsgesetzgeber ausschließlich den Mitgliedstaaten, die der betreffenden regionalen Gruppe angehören, die Möglichkeit vorbehalten, eine Überprüfung der Begründung zu beantragen, so dass alle anderen Mitglieder der regionalen Gruppe, d. h. die nationalen Regulierungsbehörden, die Übertragungsnetzbetreiber sowie die Vertreter der Kommission, der ACER und des Europäischen Netzes der Übertragungsnetzbetreiber (Strom), von dieser Möglichkeit ausgeschlossen sind. Insoweit wollte der Gesetzgeber, dass in Fortschreibung von Art. 172 Abs. 2 AEUV die Frage der Verweigerung der Genehmigung eines Vorhabens Angelegenheit der Mitgliedstaaten bleibt.

97      Drittens ist auf tatsächlicher Ebene festzustellen, dass die Französische Republik die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI abgelehnt hat und der betreffenden Gruppe die Begründung für diese Ablehnung vorgelegt hat (siehe oben, Rn. 74).

98      Dem Sachverhalt ist außerdem zu entnehmen, dass kein anderer Mitgliedstaat der regionalen Gruppe beantragt hat, dass die von der Französischen Republik vorgelegte Begründung überprüft wird. Die Klägerinnen berufen sich insoweit zu Unrecht auf eine E‑Mail des zuständigen Gremiums des Vereinigten Königreichs an die Kommission vom 20. November 2019 zur Stützung ihres Vorbringens, dass dieser ehemalige Mitgliedstaat Einwände gegen die Entfernung des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ erhoben habe und die Gruppe somit verpflichtet habe, die Begründung zu überprüfen. In der E‑Mail wird nämlich beantragt, dass bestimmte Änderungen am Protokoll zur Sitzung des hochrangigen Entscheidungsgremiums vom 4. Oktober 2019 vorgenommen werden, es wird jedoch nicht – auch nicht implizit – beantragt, dass die von der Französischen Republik in Bezug auf ihre Weigerung, die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI zu genehmigen, vorgetragenen Gründe von der betreffenden regionalen Gruppe geprüft werden. Die E‑Mail enthält nur eine Stellungnahme des Vereinigten Königreichs, in der es seine Auffassung zu den vier Vorhaben für Verbindungsleitungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich darlegt.

99      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Kommission ihre Befugnisse nur hinsichtlich der vom hochrangigen Entscheidungsgremium der betreffenden regionalen Gruppe verabschiedeten Vorhabenliste ausüben konnte, sie keine Prüfung der Begründung der Französischen Republik für die Verweigerung der Genehmigung des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ beantragen und sie dieses Vorhaben auch nicht in die Unionsliste der PCI aufnehmen konnte.

100    In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, mit dem sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich nämlich, dass die Kommission, ohne dass sie über ein Ermessen verfügte, verpflichtet war, das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ nicht in die Unionsliste der PCI aufzunehmen, und sie die in der Verordnung Nr. 347/2013 enthaltenen Vorschriften eingehalten hat.

101    Die Klägerinnen haben zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, dass die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung Nr. 347/2013, insbesondere Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. a und Anhang III Nr. 2 Abs. 10, rechtswidrig seien. Folglich können sie sich auf keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör berufen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 26. September 2014, Raffinerie Heide/Kommission, T‑631/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:830, Rn. 41 bis 44, und Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in den Rechtssachen DK Recycling und Roheisen/Kommission, Arctic Paper Mochenwangen/Kommission, Raffinerie Heide/Kommission und Romonta/Kommission, C‑540/14 P, C‑551/14 P, C‑564/14 P und C‑565/14 P, EU:C:2016:147, Nrn. 90 und 91).

102    Überdies hätten die Klägerinnen, damit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zur Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung führen kann, nachweisen müssen, dass es ihnen bei Fehlen dieser Regelwidrigkeit möglich gewesen wäre, sich auf Umstände zu berufen, die den Standpunkt der Kommission hätten in Frage stellen können, und somit, in welcher Weise auch immer, die Beurteilungen der Kommission im Zusammenhang mit der Nichtaufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI zu beeinflussen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, Knauf Gips/Kommission, C‑407/08 P, EU:C:2010:389, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aufgrund der Weigerung der Französischen Republik, die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI zu genehmigen, war jedoch kein Umstand geeignet, den Standpunkt der Kommission in irgendeiner Weise zu beeinflussen.

103    Unter diesen Umständen kann der Kommission keine Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung vorgeworfen werden.

104    Ebenso wenig kann der Kommission eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots vorgeworfen werden. Im Sinne der oben in Rn. 79 angeführten Rechtsprechung konnte sie das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ im Vergleich zu konkurrierenden Vorhaben nicht ungleich behandeln, da sich das Vorhaben nicht auf der von der betreffenden regionalen Gruppe erstellten Liste der vorgeschlagenen PCI befand, auf deren Grundlage die Kommission ihre delegierten Befugnisse ausübte, und sich folglich nicht in einer Situation befand, die mit der Situation der konkurrierenden Vorhaben auf der Liste vergleichbar war.

105    Konkret können die Klägerinnen zum einen nicht geltend machen, die Kommission habe gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen, da die Vorhaben für Verbindungsleitungen zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich (darunter das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“) auf die gleichen Bedürfnisse der gleichen Kunden zugeschnitten gewesen seien und die Ergebnisse der Artelys-Studie – auf deren Grundlage die Kommission die Genehmigung des Vorhabens abgelehnt habe – sich nicht speziell auf das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“, sondern auf die drei anderen konkurrierenden Vorhaben bezogen hätten.

106    Die Kommission konnte nämlich die Weigerung der Französischen Republik, die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI zu genehmigen, lediglich zur Kenntnis nehmen. Überdies hat die Prüfung des ersten Klagegrundes, der sich auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht stützt, ergeben, dass die Schlussfolgerungen der Artelys-Studie nicht der Grund dafür sind, dass das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ von der betreffenden regionalen Gruppe nicht in die Vorschlagsliste aufgenommen wurde und die Kommission das Vorhaben nicht in die Unionsliste der PCI aufnahm.

107    Zum anderen können sich die Klägerinnen zur Stützung ihres fünften Klagegrundes, der sich auf einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot bezieht, nicht darauf berufen, dass das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ in der nach der Bewertungsmethode erstellten Rangfolge der vorgeschlagenen PCI besser bewertet worden sei als zwei konkurrierende Vorhaben und trotzdem nicht in die Unionsliste der PCI aufgenommen worden sei.

108    Denn abgesehen davon, dass sich das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ nicht in der regionalen Liste befand, die die betreffende Gruppe verabschiedet hatte, und die Kommission es daher nicht berücksichtigen konnte, ist die Rangfolge, auf die sich die Klägerinnen berufen, jedenfalls nicht relevant. In der Verordnung Nr. 347/2013 ist unmissverständlich in Art. 4 Abs. 4 und in Anhang III Nr. 2 Abs. 14 geregelt, dass die Rangfolge der Vorhaben nur für den internen Gebrauch der Gruppe bestimmt ist, weder die regionale Liste noch die Unionsliste der PCI eine Rangfolge enthalten und die Rangfolge anschließend nicht für andere Zwecke verwendet werden darf, es sei denn, die Kommission übt ihre oben in Rn. 95 genannte Befugnis aus und überprüft, ob die Gesamtzahl an Vorhaben überschaubar bleibt und bewältigt werden kann.

109    In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, das sich auf das Urteil vom 11. März 2020, Baltic Cable (C‑454/18, EU:C:2020:189), stützt. Die Klägerinnen machen geltend, der Gerichtshof habe in jenem Urteil entschieden, dass die den nationalen Regulierungsbehörden übertragenen Befugnisse in einer Weise auszulegen und anzuwenden seien, die die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts wahre, selbst wenn die Verordnung der betreffenden Behörde nicht ausdrücklich die Befugnis übertrage, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um jedwede Diskriminierung zu vermeiden. Dementsprechend seien die der Kommission übertragenen Befugnisse zur Verabschiedung der Unionslisten der PCI in einer Weise auszulegen und anzuwenden, die die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts wahre, d. h. im vorliegenden Fall das Gleichbehandlungsgebot, selbst wenn die Verordnung Nr. 347/2013 der Kommission nicht ausdrücklich die Befugnis übertrage, die insoweit notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

110    Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Zum einen beruht das Vorbringen der Klägerinnen auf der falschen Annahme, dass die Situation der im Urteil vom 11. März 2020, Baltic Cable (C‑454/18, EU:C:2020:189), betroffenen Regulierungsbehörden die gleiche sei wie die der Kommission in der vorliegenden Rechtssache. Zwischen den beiden Situationen besteht jedoch ein grundsätzlicher Unterschied, der darauf beruht, dass die nationale Regulierungsbehörde nach Art. 16 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 (ABl. 2009, L 211, S. 15) befugt war, eine Entscheidung über die Verwendung der Einnahmen des betreffenden Übertragungsnetzbetreibers zu treffen. Im vorliegenden Fall war die Kommission nicht befugt, das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI aufzunehmen, da die Französische Republik gemäß Art. 172 Abs. 2 AEUV und Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 347/2013 von ihrem Recht Gebrauch gemacht hatte, das Vorhaben nicht zu genehmigen.

111    Zum anderen hätte die Kommission, wenn sie im Namen des Gleichbehandlungsgebots die Initiative ergriffen und das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI aufgenommen hätte, das Unionsrecht und speziell den AEU-Vertrag missachtet.

112    Nach alledem sind der vierte und der fünfte Klagegrund, die sich auf eine Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung und eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots stützen, zurückzuweisen.

 Zum sechsten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

113    Mit dem sechsten Klagegrund, der auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gestützt ist, machen die Klägerinnen zunächst geltend, die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit, das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ von der Unionsliste der PCI zu entfernen, hätten strenger und unter gebührender Berücksichtigung der Art des Vorhabens und der Konsequenzen seiner Entfernung bewertet werden müssen. Sodann beanstanden sie, dass es nicht möglich sei, die Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Verordnung zu beurteilen, da es an Informationen zu den Gründen für die Entfernung des Vorhabens von der Liste fehle. Sie werfen der Kommission außerdem vor, in ihrem Verständnis der Verfahrensgarantien und ihrer Art, die fundamentalen Grundsätze zu wahren, bei der Auslegung der Verordnung Nr. 347/2013 nicht weit genug zu gehen, um die Ziele der Verordnung zu erreichen. Schließlich machen sie geltend, die Verordnung Nr. 347/2013 verfolge das Ziel, die Durchführung von PCI zu erleichtern, und die von der Kommission vorgenommene Auslegung der Verordnung sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar, da ein Zeitraum von zwei Jahren nicht ausreiche, um ein Vorhaben von dem in Art. 12 der Verordnung vorgesehenen Verfahren zur Investition und zur grenzüberschreitenden Kostenaufteilung profitieren zu lassen.

114    Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien und die Französische Republik, weist diesen Klagegrund zurück.

115    Nach ständiger Rechtsprechung gehört der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts. Nach diesem Grundsatz dürfen die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenze dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Maßnahme zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (Urteile vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, EU:C:1990:391, Rn. 13; vom 5. Mai 1998, Vereinigtes Königreich/Kommission, C‑180/96, EU:C:1998:192, Rn. 96, und vom 23. September 2020, BASF/Kommission, T‑472/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:432, Rn. 108).

116    Darüber hinaus ist die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme mit der Beachtung des Ermessensspielraums, der den Unionsorganen bei ihrem Erlass eventuell eingeräumt wird, in Einklang zu bringen (Urteile vom 12. Dezember 2006, Deutschland/Parlament und Rat, C‑380/03, EU:C:2006:772, Rn. 145, und vom 16. Mai 2017, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, T‑122/15, EU:T:2017:337, Rn. 68).

117    Im Licht dieser Rechtsprechung ist der sechste Klagegrund zu prüfen.

118    Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Kommission bei der Nichtaufnahme des fraglichen Vorhabens infolge der Weigerung der Französischen Republik, die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI aufzunehmen, über kein Ermessen verfügte und die Weigerung somit lediglich zur Kenntnis nehmen konnte.

119    Sodann ist darauf hinzuweisen, dass es im 43. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 347/2013 heißt: „Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Entwicklung und die Interoperabilität transeuropäischer Energienetze und die Anbindung an solche Netze, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und daher besser auf Unionsebene zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des [EUV] niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.“

120    Die Verordnung Nr. 347/2013 sieht nicht vor, dass die Träger von Vorhaben von den regionalen Gruppen Erklärungen erhalten und vor der Verabschiedung der regionalen Listen durch diese Gruppen und anschließend vor der Verabschiedung der delegierten Rechtsakte, mit denen die Kommission die Unionsliste der PCI endgültig festlegt, Stellungnahmen abgeben können. Die Klägerinnen haben nicht geltend gemacht, dass die das Verfahren zur Verabschiedung der PCI-Unionsliste betreffenden Bestimmungen der genannten Verordnung rechtswidrig seien. Folglich können sie sich nicht auf diese Umstände stützen, wenn sie vortragen, es sei ihnen nicht möglich gewesen, zu beurteilen, ob die Entfernung des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ aus der Unionsliste der PCI verhältnismäßig war. Insoweit können sie der Kommission auch nicht vorwerfen, ihnen nicht vorab eine Erklärung gegeben zu haben oder die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen des Verfahrens zur Erstellung der Liste nicht sichergestellt zu haben. Zum einen hat die Kommission nämlich die Bestimmungen der Verordnung Nr. 347/2013 eingehalten, als sie die angefochtene Verordnung verabschiedete. Zum anderen ist die Möglichkeit, die von einem Mitgliedstaat angegebene Begründung für die Verweigerung der Genehmigung eines Vorhabens in Zweifel zu ziehen, ausschließlich den Vertretern der anderen Mitgliedstaaten der betreffenden regionalen Gruppe vorbehalten, so dass sich die Kommission insoweit nicht einmischen durfte.

121    Ferner werfen die Klägerinnen der Kommission zu Unrecht vor, die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit, das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ von der Unionsliste der PCI zu entfernen, nicht strenger bewertet zu haben und die Art des Vorhabens nicht berücksichtigt zu haben. Bei der Prüfung der vorhergehenden Klagegründe, insbesondere bei der oben in den Rn. 87 bis 96 vorgenommenen Analyse, ist nämlich festgestellt worden, dass sich die Kommission nicht über die Weigerung der Französischen Republik hinwegsetzen konnte und das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“, das sich nicht auf der von der betreffenden regionalen Gruppe verabschiedeten regionalen Liste befand, nicht in die Unionsliste der PCI aufnehmen konnte. Angesichts der oben in Rn. 116 angeführten Rechtsprechung ist zu berücksichtigen, dass die Kommission in Bezug auf die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI über kein Ermessen verfügte. Unter diesen Umständen kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, sie habe dadurch, dass sie das Vorhaben nicht in die Unionsliste der PCI aufgenommen habe, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

122    Schließlich machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, die von der Kommission in der angefochtenen Verordnung vorgenommene Auslegung der Verordnung Nr. 347/2013 sei nicht mit dem Ziel der Verordnung – der vereinfachten Durchführung von Vorhaben – vereinbar, da ein Zeitraum von zwei Jahren offensichtlich nicht ausreiche, um ein Vorhaben von dem in Art. 12 der Verordnung vorgesehenen Verfahren zur Investition und zur grenzüberschreitenden Kostenaufteilung profitieren zu lassen. Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Wie die Kommission nämlich zu Recht geltend macht, hängt die Entwicklung von Infrastrukturvorhaben nicht davon ab, ob es sich dabei um PCI der Union handelt.

123    Nach alledem ist der sechste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum siebten Klagegrund: Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

124    Im Rahmen des siebten Klagegrundes, der sich auf eine Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes stützt, machen die Klägerinnen zunächst geltend, Art. 172 AEUV und die Verordnung Nr. 347/2013 könnten nicht dahin ausgelegt werden, dass der Status als PCI der Union zeitlich begrenzt sei. Ihrer Meinung nach habe es niemand für „wahrscheinlich“ halten können, dass der Status des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ als PCI der Union auf diskriminierende Weise aufgehoben werde. Sodann tragen die Klägerinnen vor, die willkürliche Entfernung des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ aus der Unionsliste der PCI nach zwei Jahren habe ihre berechtigten Erwartungen enttäuscht. Das Ziel der Verordnung Nr. 347/2013, Investitionen in vorrangige Vorhaben zu fördern, die erstmalige Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ als PCI der Union, die erheblichen unternommenen Anstrengungen und die von den Klägerinnen getätigten bedeutenden Investitionen hätten ihnen eine gewisse Stabilität des Status dieses Vorhabens zugesichert. Außerdem sei die Weigerung der ACER im Jahr 2018, eine Ausnahme nach Art. 17 der Verordnung Nr. 714/2009 zu gewähren, damit begründet worden, dass sich das Vorhaben „Verbindungsleitung“ Aquind auf der Unionsliste der PCI befunden habe und ihm aus diesem Grund die Vorteile nach Art. 12 der Verordnung Nr. 347/2013 zugutekämen. Mit dieser Entscheidung habe die Union ihnen zugesichert, dass das Vorhaben „Verbindungsleitung“ Aquind nicht willkürlich von der Liste entfernt werde. Die Französische Republik habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass die Klägerinnen keine berechtigten Erwartungen hätten hegen können, weil die vier Vorhaben für Verbindungsleitungen zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich miteinander konkurriert hätten. Die Entfernung des Vorhabens „Verbindungsleitung“ Aquind von der Unionsliste der PCI habe nämlich den Wettbewerbsdruck zwischen den verbliebenen Vorhaben unmittelbar reduziert und ihnen einen Vorteil verschafft, wodurch das Gegenteil von „dem Markt überlassen, welches PCI durchgeführt wird“ erreicht worden sei.

125    Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien und die Französische Republik, weist diesen Klagegrund zurück.

126    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz der Rechtssicherheit, von dem sich der Grundsatz des Vertrauensschutzes ableitet, gebietet, dass Rechtsvorschriften klar und bestimmt sind und dass ihre Anwendung für den Einzelnen voraussehbar ist (Urteile vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C‑17/03, EU:C:2005:362, Rn. 80, und vom 10. September 2009, Plantanol, C‑201/08, EU:C:2009:539, Rn. 46).

127    Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung zählt der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu den tragenden Grundsätzen der Union. Auf diesen Grundsatz kann sich jeder berufen, bei dem ein Unionsorgan begründete Erwartungen geweckt hat. Präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung Zusicherungen dar, die solche Erwartungen wecken können. Dagegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem die Verwaltung keine präzisen Zusicherungen gegeben hat. Ferner gilt für den Fall, dass ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage ist, den Erlass einer Maßnahme der Union, die seine Interessen berühren kann, vorherzusehen, dass er sich, wenn sie erlassen wird, nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen kann (Urteile vom 14. März 2013, Agrargenossenschaft Neuzelle, C‑545/11, EU:C:2013:169, Rn. 23 bis 26, und vom 26. September 2014, B&S Europe/Kommission, T‑222/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:837, Rn. 47).

128    Der Rechtsprechung ist ebenfalls zu entnehmen, dass die Möglichkeit, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berufen, jedem Wirtschaftsteilnehmer offensteht, bei dem eine nationale Behörde begründete Erwartungen geweckt hat. Zudem sind die Wirtschaftsteilnehmer nicht berechtigt, auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation zu vertrauen, die die nationalen Behörden im Rahmen ihres Ermessens ändern können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. September 2009, Plantanol, C‑201/08, EU:C:2009:539, Rn. 53, und vom 11. Juli 2019, Agrenergy und Fusignano Due, C‑180/18, C‑286/18 und C‑287/18, EU:C:2019:605, Rn. 31).

129    Im Licht dieser Rechtsprechung ist zu entscheiden, ob der Kommission im Zusammenhang mit der Verabschiedung der von der betreffenden regionalen Gruppe erstellten Vorschlagsliste und der Unionsliste der PCI vorgeworfen werden kann, den Grundsatz der Rechtssicherheit und das berechtigte Vertrauen der Klägerinnen darauf, dass der Status des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ als PCI der Union beibehalten würde, verletzt zu haben.

130    Erstens ist daran zu erinnern, dass die Kommission bei der Nichtaufnahme des fraglichen Vorhabens infolge der Weigerung der Französischen Republik, die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI aufzunehmen, über kein Ermessen verfügte und die Weigerung somit lediglich zur Kenntnis nehmen konnte.

131    Zweitens ist, wie u. a. oben in den Rn. 69 bis 71 dargelegt, den anzuwendenden Rechtsvorschriften zu entnehmen, dass alle zwei Jahre eine neue Unionsliste der PCI festgelegt wird, dass alle Vorhaben – einschließlich derjenigen, die in die geltende Unionsliste der PCI aufgenommen wurden – dem gleichen Auswahlverfahren unterliegen, dass Vorhaben, die bereits in die vorhergehende Unionsliste der PCI aufgenommen wurden, gegenüber neuen Vorhaben keinen Vorteil haben und dass PCI der Union, die das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats betreffen, der Billigung dieses Mitgliedstaats bedürfen.

132    Der eindeutige Inhalt der Verordnung Nr. 347/2013 steht der Annahme entgegen, dass das Ziel der Verordnung – die im Wesentlichen auf die Förderung von Investitionen in vorrangige Vorhaben gerichtet ist – und die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI eine den Klägerinnen erteilte Zusicherung darstellten, das Vorhaben von Amts wegen in die neue Unionsliste der PCI aufzunehmen.

133    Drittens machen die Klägerinnen geltend, dass die Entscheidung des Beschwerdeausschusses der ACER vom 17. Oktober 2018, mit der ihr Antrag auf Gewährung einer Ausnahme nach Art. 17 der Verordnung Nr. 714/2009 für das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ abgelehnt worden sei, eine Zusicherung der Union dargestellt habe, dass das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ nicht willkürlich oder so lange, wie es die Aufnahmevoraussetzungen erfülle, von der Unionsliste entfernt werde.

134    Insoweit kann nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 714/2009 die Ausnahme vom regulierten System gewährt werden, wenn „das mit der Investition verbundene Risiko … so hoch [ist], dass die Investition ohne die Gewährung einer Ausnahme nicht getätigt würde“. Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die Weigerung der ACER, die Ausnahme zu gewähren, darauf zurückzuführen sei, dass sich das Vorhaben „Verbindungsleitung“ Aquind auf der Unionsliste der PCI befunden habe und ihm aus diesem Grund die Vorteile nach Art. 12 der Verordnung Nr. 347/2013 zugutegekommen seien.

135    Zwar ist es zutreffend, dass sich die ACER bei der Ablehnung des Antrags auf Gewährung der Ausnahme nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 714/2009 auf den Status des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ als PCI der Union (und auf die grenzüberschreitende Kostenaufteilung, von der das fragliche Vorhaben aufgrund dieses Status eventuell profitieren könne) bezog, doch war diese Bezugnahme keineswegs eine Zusicherung, die bei den Klägerinnen die Erwartung wecken konnte, dass das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ von Amts wegen in die neue Unionsliste der PCI aufgenommen würde. Der Ansatz der ACER ist vielmehr so zu verstehen, dass, falls das fragliche Vorhaben nicht mehr in die Unionsliste der PCI aufgenommen werde, dies die Möglichkeit eröffne, erneut eine Ausnahme nach der genannten Vorschrift zu beantragen.

136    Wie die Kommission insoweit zu Recht hervorhebt, konnten die Klägerinnen keinen Anspruch darauf erheben, dass ihr Rechtsstatus aufgrund der erstmaligen Aufnahme ihres Vorhabens in die Unionsliste der PCI „eingefroren“ wird, obwohl es nach dem rechtlichen Rahmen möglich war, Änderungen vorzunehmen. Es war ihnen auch bekannt, dass die Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 714/2009 und die Entscheidung über die Verabschiedung der Unionsliste der PCI von unterschiedlichen Gremien getroffen wurden, die voneinander unabhängig waren.

137    Viertens können die Klägerinnen keinesfalls geltend machen, durch die Unterzeichnung des Vertrags über die Energiecharta seien für sie präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen entstanden, dass das erstmalig in die Unionsliste der PCI aufgenommene Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ von Amts wegen in die neue Unionsliste aufgenommen werde. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen in keiner Weise substantiiert ist, kann die Unterzeichnung eines solchen Vertrags für sich genommen nämlich keine Zusicherung gegenüber den Trägern eines bestimmten Verbindungsprojekts in Bezug auf den Status ihres Vorhabens als PCI der Union darstellen. Dies gilt umso mehr, als das Bestehen dieses Vertrags es nicht zuließ, zu verkennen, dass die Französische Republik das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ erst gemäß Art. 172 Abs. 2 AEUV billigen musste, damit es in die neue regionale Liste der regionalen Gruppe aufgenommen werden konnte. Die Klägerinnen wussten jedoch, dass im vorliegenden Fall keine Billigung erteilt wurde.

138    Fünftens steht fest, dass das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ im Rahmen der Verabschiedung der neuen regionalen Liste vorgeschlagener Vorhaben und der neuen Unionsliste der PCI im Wettbewerb mit anderen Vorhaben für Verbindungsleitungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich stand. Die Klägerinnen waren sich insoweit vollkommen im Klaren darüber, dass ein einziges oder mehrere dieser Vorhaben ausreichen konnten, um die Ziele der Verordnung Nr. 347/2013 zu erfüllen, und sowohl das Vereinigte Königreich als auch die Französische Republik nach Art. 172 Abs. 2 AEUV und Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 347/2013 in Bezug auf die Billigung oder Ablehnung des einen oder anderen Vorhabens über ein weites Ermessen verfügten.

139    Sie können sich nicht auf das Ranking des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ berufen (welches besser war als das der anderen Vorhaben), um geltend zu machen, dass sie in ihrem berechtigten Vertrauen getäuscht worden seien. Wie oben in Rn. 108 festgestellt, enthielten weder die regionale Liste noch die Unionsliste der PCI eine Rangfolge und durfte die nach der Bewertungsmethode erstellte Rangfolge der vorgeschlagenen PCI von der Kommission nur im Rahmen der Ausübung ihrer Befugnis, zu überprüfen, ob die Gesamtzahl an Vorhaben überschaubar bleibt und bewältigt werden kann, verwendet werden.

140    Nach alledem ist der siebte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 des Vertrags über die Energiecharta

141    Im Rahmen des dritten Klagegrundes machen die Klägerinnen einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 des Vertrags über die Energiecharta geltend. Erstens habe diese Vorschrift unmittelbare Wirkung, da zum einen der Vertrag über die Energiecharta – als Ganzes betrachtet – aufgrund seines Wesens und Aufbaus geeignet sei, durchsetzbare Rechte zu verleihen, und zum anderen die Charta selbst hinreichend klar und präzise sei und nicht Gegenstand näherer Durchführungsmaßnahmen sein müsse. Zweitens regle diese Vorschrift, wie jede Vertragspartei die Investoren der jeweils anderen Vertragsparteien behandeln müsse, seien die Union und jeder ihrer Mitgliedstaaten Vertragsparteien des Vertrags über die Energiecharta und seien die Investoren eines Mitgliedstaats die Investoren einer anderen Vertragspartei als der Union, so dass sie berechtigt seien, der Union diese Vorschrift entgegenzuhalten. Drittens seien die im Vertrag über die Energiecharta enthaltenen Schutzbestimmungen jedenfalls für die Auslegung der Verordnung Nr. 347/2013 und die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts relevant, die allen Investoren der Mitgliedstaaten zugutekommen müssten.

142    Die Kommission, unterstützt durch die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Spanien und die Französische Republik, weist diesen Klagegrund zurück.

143    Vorab ist festzustellen, dass der Vertrag über die Energiecharta ein mehrseitiger Vertrag ist, dessen Vertragsparteien sich aus der Mehrzahl der Mitgliedstaaten und der Union selbst zusammensetzen.

144    Art. 10 des Vertrags über die Energiecharta trägt die Überschrift „Förderung, Schutz und Behandlung von Investitionen“ und bestimmt in Abs. 1:

„Jede Vertragspartei fördert und schafft im Einklang mit diesem Vertrag dauerhafte, gerechte, günstige und transparente Bedingungen für Investoren anderer Vertragsparteien, in ihrem Gebiet Investitionen vorzunehmen. Diese Bedingungen umfassen die Verpflichtung, den Investitionen von Investoren anderer Vertragsparteien stets eine faire und gerechte Behandlung zu gewähren. Diese Investitionen genießen auch gleichbleibenden Schutz und entsprechende Sicherheit, und keine Vertragspartei darf deren Verwaltung, Wartung, Verwendung, Nutzung oder Veräußerung in irgendeiner Weise durch unangemessene oder diskriminierende Maßnahmen behindern. …“

145    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 10 Abs. 1 des Vertrags über die Energiecharta im Wesentlichen allgemeine Rechtsgrundsätze des Unionsrechts aufzählt, und zwar die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung, der Gleichbehandlung, der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Die Prüfung des vierten bis siebten Klagegrundes hat jedoch ergeben, dass der Kommission nicht vorgeworfen werden kann, sie habe dadurch, dass sie in der angefochtenen Verordnung das Vorhaben „Verbindungsleitung Aquind“ nicht als PCI der Union aufgeführt habe, gegen diese Grundsätze verstoßen. Folglich kann ihr auch kein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 des Vertrags über die Energiecharta vorgeworfen werden.

146    Sodann können die Klägerinnen nicht geltend machen, die Verpflichtung, transparente und gerechte Bedingungen sicherzustellen, sei aufgrund der mit dem ersten und dem zweiten Klagegrund geltend gemachten Verletzung der Begründungspflicht sowie der verfahrens- und materiell‑rechtlichen Anforderungen nicht gewahrt worden, da diese beiden Klagegründe zurückgewiesen worden sind. Somit ist, da es sich auf die Begründung dieser Klagegründe stützt, das Vorbringen zurückzuweisen, mit dem ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 des Vertrags über die Energiecharta geltend gemacht wird.

147    Schließlich ist festzustellen, dass die Gründungsverträge, die die Verfassungsurkunde der Union darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. April 1986, Les Verts/Parlament, 294/83, EU:C:1986:166, Rn. 23), im Unterschied zu gewöhnlichen völkerrechtlichen Verträgen eine neue, mit eigenen Organen ausgestattete Rechtsordnung geschaffen haben, zu deren Gunsten die ihr angehörenden Staaten in Bereichen von immer größerem Umfang ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt haben und deren Rechtssubjekte nicht nur diese Staaten, sondern auch ihre Bürger sind (vgl. Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 157 und die dort angeführte Rechtsprechung).

148    Nach ständiger Rechtsprechung wird die Autonomie des Unionsrechts gegenüber sowohl dem Recht der Mitgliedstaaten als auch dem Völkerrecht durch die wesentlichen Merkmale der Union und ihres Rechts gerechtfertigt, die die Verfassungsstruktur der Union sowie das Wesen dieses Rechts selbst betreffen. Das Unionsrecht ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass es einer autonomen Quelle, den Verträgen, entspringt und Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten hat, sowie durch die unmittelbare Wirkung einer ganzen Reihe für ihre Staatsangehörigen und für sie selbst geltender Bestimmungen. Solche Merkmale haben zu einem strukturierten Netz von miteinander verflochtenen Grundsätzen, Regeln und Rechtsbeziehungen geführt, das die Union selbst und ihre Mitgliedstaaten wechselseitig sowie die Mitgliedstaaten untereinander bindet (vgl. in diesem Sinne Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 165 bis 167 und 201; vgl. auch Urteil vom 6. März 2018, Achmea, C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

149    Was die Regeln betrifft, die die Union selbst und ihre Mitgliedstaaten wechselseitig binden, gewährt Art. 172 Abs. 2 AEUV dem betreffenden Mitgliedstaat in Bezug auf die Genehmigung bzw. Verweigerung der Genehmigung der Aufnahme eines Vorhabens in die Unionsliste der PCI ein Ermessen, wie aus der Prüfung der vorstehenden Klagegründe hervorgeht (siehe insbesondere Rn. 38 bis 40, 45, 56, 110 und 111).

150    Somit hat der AEU-Vertrag die Zuständigkeit der Union im Bereich der PCI der Union klar eingegrenzt, da die Kommission daran gehindert wird, ein Vorhaben in die Liste der PCI aufzunehmen, das nicht von dem Mitgliedstaat gebilligt wurde, in dessen Hoheitsgebiet das Vorhaben durchgeführt werden soll.

151    Die Klägerinnen können die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission im Bereich der PCI der Union nicht in Frage stellen. Sie werfen der Kommission im Wesentlichen vor, sich nicht über die Weigerung der Französischen Republik, die Aufnahme des Vorhabens „Verbindungsleitung Aquind“ in die Unionsliste der PCI zu genehmigen, hinweggesetzt zu haben und dadurch gegen Art. 10 des Vertrags über die Energiecharta verstoßen zu haben.

152    Angesichts der Autonomie des Unionsrechts und des Bestehens eines strukturierten Netzes von miteinander verflochtenen Grundsätzen, Regeln und Rechtsbeziehungen, das die Union selbst und ihre Mitgliedstaaten wechselseitig bindet, zum einen und des Bestehens eines vom Unionsrecht anerkannten Ermessens des betreffenden Mitgliedstaats zum anderen kann nicht angenommen werden, dass Art. 10 Abs. 1 des Vertrags über die Energiecharta die Kommission verpflichtet, die in Art. 172 Abs. 2 AEUV vorgesehene Zuständigkeitsverteilung außer Acht zu lassen und gegen diese Vorschrift zu verstoßen.

153    Somit hat die Kommission Art. 172 Abs. 2 AEUV eingehalten. Folglich kann ihr kein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 des Vertrags über die Energiecharta vorgeworfen werden.

154    Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

155    Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

156    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

157    Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

158    Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Spanien und die Französische Republik ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Aquind Ltd, die Aquind SAS und die Aquind Energy Sàrl tragen die Kosten.

3.      Die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Spanien und die Französische Republik tragen ihre eigenen Kosten.

Tomljenović

Škvařilová-Pelzl

Nõmm

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Februar 2023.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Englisch.