Language of document : ECLI:EU:C:2008:36

Rechtssache C‑294/06

The Queen, auf Antrag von

Ezgi Payir u. a.

gegen

Secretary of State for the Home Department

(Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal [England & Wales] [Civil Division])

„Assoziierungsabkommen EWG–Türkei – Arbeitnehmerfreizügigkeit – Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats – Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich – Arbeitnehmer, die dem regulären Arbeitsmarkt angehören – Einreiseerlaubnis als Student oder Au-pair-Kraft – Auswirkung auf das Aufenthaltsrecht“

Leitsätze des Urteils

Völkerrechtliche Verträge – Assoziierungsabkommen EWG-Türkei – Freizügigkeit – Arbeitnehmer – Anspruch der türkischen Staatsangehörigen auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis

(Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei, Art. 6 Abs. 1)

Der Umstand, dass einem türkischen Staatsangehörigen gestattet worden ist, als Au-pair-Kraft oder als Student in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einzureisen, kann ihm nicht die Eigenschaft als „Arbeitnehmer“ nehmen und ihn nicht von der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG–Türkei ausschließen. Dieser Umstand hindert den betreffenden Staatsangehörigen daher nicht daran, sich auf diese Vorschrift zu berufen, um eine Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis zu erhalten und in den Genuss eines dementsprechenden Aufenthaltsrechts zu kommen.

Denn bei der Prüfung, ob türkische Staatsangehörige die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 erfüllen, wird der Zweck, zu dem den Betreffenden die Einreise in das Hoheitsgebiet des fraglichen Mitgliedstaats gestattet wurde, nicht berücksichtigt, da dieser Artikel die in ihm vorgesehenen Rechte der türkischen Arbeitnehmer nicht von dem Grund abhängig macht, aus dem diesen Arbeitnehmern die Einreise, eine Arbeitstätigkeit und der Aufenthalt ursprünglich gestattet wurden.

Wenn es diesen türkischen Staatsangehörigen durch ihr Verdienst gelingt, die in den drei Gedankenstrichen von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 vorgesehenen Voraussetzungen zu erfüllen, dürfen ihnen die Rechte nicht vorenthalten werden, die ihnen diese Vorschrift, abgestuft nach der Dauer ihrer Beschäftigung als Arbeitnehmer, verleiht.

Unter diesen Umständen lässt sich nicht die Ansicht vertreten, dass ein Student oder eine Au-pair-Kraft die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats umgehen könne, um schrittweise einen Anspruch auf unbeschränkten Zugang zu dessen Arbeitsmarkt zu erlangen, da die Betreffenden nur ein Recht ausüben, das im Beschluss Nr. 1/80 ausdrücklich vorgesehen ist. Etwas anderes gälte nur dann, wenn die Betreffenden einen Anspruch auf Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats durch Täuschung erlangt hätten, indem sie wahrheitswidrig die Absicht bekundeten, zu studieren oder eine Au-pair-Tätigkeit auszuüben. Wenn dagegen das Bestehen dieser Absicht dadurch bestätigt wird, dass sie tatsächlich studieren oder eine Au-pair-Tätigkeit ausüben, wenn sie rechtmäßig eine Arbeit im Aufnahmemitgliedstaat erhalten und wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 erfüllen, können die Betreffenden in vollem Umfang die Rechte geltend machen, die ihnen diese Bestimmung verleiht.

(vgl. Randnrn. 40, 45-46, 49 und Tenor)