Language of document : ECLI:EU:C:2018:822

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 4. Oktober 2018(1)

Rechtssache C423/17

Staat der Nederlanden

gegen

Warner-Lambert Company LLC

(Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof Den Haag [Gerichtshof Den Haag, Niederlande])

„Vorabentscheidungsersuchen – Humanarzneimittel – Richtlinie 2001/83/EG – Generika – Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels – Carve-out für noch patentgeschützte Indikationen des Referenzarzneimittels – Reichweite der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Generikums – Veröffentlichung der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels“






I.      Einleitung

1.        Die unionsrechtlichen Regelungen zum Inverkehrbringen von Arzneimitteln, insbesondere die vorliegend streitgegenständliche Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG(2) sowie die Verordnung (EG) Nr. 726/2004(3), bringen verschiedene, mitunter gegenläufige Interessen zum Ausgleich. So ist es einerseits notwendig, innovativen pharmazeutischen Unternehmen hinreichende Anreize zur Arzneimittelentwicklung zu bieten. Andererseits soll auch das Inverkehrbringen von Generika gefördert werden, da diese das Gesundheitssystem finanziell entlasten und helfen, überflüssige Versuche an Menschen und Tieren zu vermeiden(4).

2.        Dementsprechend können Generika, d. h. „Kopien“ von Referenzarzneimitteln(5), ohne Vorlage der Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche genehmigt und in den Verkehr gebracht werden. Allerdings ist dies erst nach Ablauf einer Frist von zehn Jahren möglich, während der die Studien der Referenzarzneimittel Unterlagenschutz genießen. Dies bedeutet, dass die Generikahersteller sich nicht auf die für die Genehmigung des Referenzarzneimittels vorgelegten Unterlagen stützen können, damit den Referenzarzneimittelherstellern ein zeitlich befristetes exklusives Vertriebsrecht garantiert wird(6).

3.        Nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist können der nunmehr unionsrechtlich möglichen Vermarktung von Generika jedoch immer noch unionsrechtlich nicht geregelte Patentrechte der Referenzarzneimittelhersteller entgegenstehen. In solchen Fällen möchte die Richtlinie 2001/83 abermals die verschiedenen Interessen in Einklang bringen und verhindern, dass Patentrechte, die nur manche Indikationen oder Dosierungen eines Referenzarzneimittels betreffen, sogenannte Patente für eine zweite oder weitere medizinische Indikation, den Vertrieb eines Generikums in seiner Gesamtheit vereiteln(7).

4.        Um zu ermöglichen, dass ein Generikum nur für Indikationen und Dosierungen des Referenzarzneimittels auf den Markt gebracht werden kann, die nicht mehr patentgeschützt sind, erlaubt die Richtlinie 2001/83 eine Ausnahme vom Grundsatz der Einheitlichkeit zwischen Referenzarzneimittel und Generikum: Generikahersteller können einen sogenannten Carve-out einführen, d. h., noch patentgeschützte Indikationen oder Dosierungen des Referenzarzneimittels aus der Zusammenfassung der Merkmale des Generikums streichen(8). Die Zusammenfassung der Merkmale ist Teil der Genehmigungsunterlagen und enthält u. a. Angaben zu Anwendungsgebieten und Dosierung des Arzneimittels. Sie richtet sich zunächst an Angehörige der Gesundheitsberufe, bildet aber auch die Grundlage für die Packungsbeilage(9). Ein Carve-out bedeutet also insbesondere, dass die noch patentgeschützten Indikationen oder Dosierungen des Referenzarzneimittels nicht in der Packungsbeilage des Generikums auftauchen, obwohl Letzteres – welches ja identisch mit dem Referenzarzneimittel ist(10) – aus rein medizinischer Sicht auch für die betroffenen Indikationen bzw. in den betroffenen Dosierungen verwendet und damit verschrieben werden kann.

5.        Nicht explizit geregelt ist, wie sich die Einführung eines Carve-out in der Zusammenfassung der Merkmale eines Generikums auf die Reichweite der Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Generikums auswirkt. So ist insbesondere unklar, ob diese im Fall der Einführung eines Carve-out nach bereits erfolgter Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen des betroffenen Generikums weiterhin für die Indikationen oder Dosierungen gilt, welche durch den Carve-out aus der Zusammenfassung der Merkmale gestrichen wurden, oder ob die nachträgliche Mitteilung eines Carve-out im Gegenteil zur Folge hat, dass die Genehmigung auf die verbleibenden, nicht vom Carve-out betroffenen Indikationen und Dosierungen beschränkt werden muss.

6.        Dies ist die zentrale Frage des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens. Sie stellt sich vor dem Hintergrund der Praxis des niederländischen College ter Beoordeling van Genessmiddelen (im Folgenden: CBG), der niederländischen Arzneimittelgenehmigungsbehörde, die Zusammenfassung der Merkmale von Generika in ihrer Full-label-Version, d. h. ohne Berücksichtigung des nachträglich eingeführten Carve-out, auf ihrer Website zu veröffentlichen. Diese Praxis steht im Einklang mit der vorliegend von der niederländischen Regierung vertretenen Ansicht, zumindest ein nachträglicher Carve-out habe keine Auswirkungen auf die Reichweite einer vorher erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen. Hiergegen wehrt sich die Warner-Lambert Company (im Folgenden: WLC) als Referenzmittelhersteller mit dem Argument, das CBG fördere durch seine Praxis die Verschreibung von Generika für eine noch patentgeschützte Indikation ihres Referenzarzneimittels, was die Carve-out-Regelung der Richtlinie 2001/83 ihrer praktischen Wirksamkeit beraube.

7.        Dieses Vorbringen veranschaulicht, dass es vor dem zunächst technisch anmutenden Hintergrund des Ausgangsverfahrens um die grundlegende Frage des Sinn und Zwecks der Carve-out-Regelung und damit um das Verhältnis zwischen Arzneimittelrecht und Patentrecht geht. So obliegt es dem Gerichtshof, zu klären, welche Weichenstellung des Gesetzgebers der Carve-out-Regelung zugrunde liegt: Soll diese nur Hindernisse für das Inverkehrbringen von Generika beseitigen, indem es den Generikaherstellern ermöglicht wird, Patentrechtsverletzungen zu vermeiden, das betreffende Generikum aber weiterhin für die noch patentgeschützten Indikationen und Dosierungen zugelassen bleibt? Oder wollte der Gesetzgeber einen effektiven Schutz der betreffenden Patente ermöglichen und damit gleichzeitig eine größere Belastung der nationalen Gesundheitssysteme in Kauf nehmen? Dies wäre der Fall, wenn man annimmt, dass der Carve-out die Genehmigung der betreffenden Generika beschränkt, da Letztere dann mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr für die patentgeschützten Indikationen oder Dosierungen des Referenzarzneimittels verschrieben würden.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

8.        Neben dem hier nicht relevanten rein nationalen Genehmigungsverfahren kann eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels im Rahmen des zentralisierten Verfahrens, des dezentralisierten Verfahrens(11) und des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung erlangt werden. Die Richtlinie 2001/83 enthält den Rechtsrahmen für Genehmigungen durch nationale Stellen. Die Verordnung Nr. 726/2004 regelt hingegen das zentralisierte Genehmigungsverfahren der Kommission auf europäischer Ebene. Die Verordnung (EG) Nr. 1234/2008(12) legt schließlich die Verfahrensschritte für die Prüfung von Änderungen der Genehmigung sowohl durch die Kommission als auch durch die nationalen Behörden fest.

1.      Richtlinie 2001/83

9.         Im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 darf ein Arzneimittel „in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaates nach [der] Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat […]“.

10.      Gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. i und j der Richtlinie 2001/83 sind dem Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen insbesondere folgende Angaben und Unterlagen beizufügen:

„i)      Ergebnisse von:

–        pharmazeutischen (physikalisch-chemischen, biologischen oder mikrobiologischen) Versuchen,

–        vorklinischen (toxikologischen und pharmakologischen) Versuchen,

–        klinischen Versuchen; […]

j)      [e]ine Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels nach Artikel 11 […]“.

11.      Art. 10 der Richtlinie 2001/83 ermöglicht folgende vereinfachte Antragstellung für Generika:

„(1) Abweichend von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe i) und unbeschadet des Rechts über den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums ist der Antragsteller nicht verpflichtet, die Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche vorzulegen, wenn er nachweisen kann, dass es sich bei dem Arzneimittel um ein Generikum eines Referenzarzneimittels handelt, das gemäß Artikel 6 seit mindestens acht Jahren in einem Mitgliedstaat oder in der Gemeinschaft genehmigt ist oder wurde.

Ein Generikum, das gemäß dieser Bestimmung genehmigt wurde, wird erst nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der Erstgenehmigung für das Referenzarzneimittel in Verkehr gebracht. […]“

12.      Zu den erforderlichen Angaben in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels bestimmt Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83:

„Für Genehmigungen nach Artikel 10 müssen die Teile der Zusammenfassung der Merkmale des Referenzarzneimittels, die sich auf die Indikationen oder Dosierungen beziehen, die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens eines Generikums noch unter das Patentrecht fielen, nicht enthalten sein.“(13)

13.      Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens sieht Art. 21 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/83 folgende Pflichten der Behörde vor:

„(2) Die zuständige Behörde trifft alle zweckdienlichen Maßnahmen, damit die in der Zusammenfassung enthaltenen Angaben den bei der Genehmigung oder später ermittelten Angaben entsprechen.

(3) Die zuständigen nationalen Behörden stellen der Öffentlichkeit zu jedem von ihnen genehmigten Arzneimittel unverzüglich die Genehmigung für das Inverkehrbringen zusammen mit der Packungsbeilage, der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels und allen Bedingungen gemäß den Artikeln 21a, 22 und 22a sowie den Fristen für ihre Einhaltung zur Verfügung.“

14.      Für den Fall von Änderungen der Angaben des Antragstellers enthält Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 folgende Regelung:

„(2) Der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen teilt der zuständigen Behörde unverzüglich alle neuen Informationen mit, die die Änderung der Angaben und Unterlagen gemäß Artikel 8 Absatz 3, den Artikeln 10, 10a, 10b und 11 oder Artikel 32 Absatz 5 oder Anhang I nach sich ziehen könnten. […]“

15.      Eine Versagung der Genehmigung für das Inverkehrbringen ist nach Art. 26 der Richtlinie 2001/83 nur möglich, wenn

„(1) […] sich nach Prüfung der in Artikel 8 und den Artikeln 10, 10a, 10b und 10c aufgeführten Angaben und Unterlagen ergibt, dass

a)      das Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht als günstig betrachtet wird oder

b)       seine therapeutische Wirksamkeit vom Antragsteller unzureichend begründet ist oder

c)       das Arzneimittel nicht die angegebene Zusammensetzung nach Art und Menge aufweist.

(2)       Die Genehmigung wird auch dann versagt, wenn Angaben oder Unterlagen zur Stützung des Antrags nicht Artikel 8 und den Artikeln 10, 10a, 10b und 10c entsprechen. […]“

16.      Zum Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und zum dezentralisierten Genehmigungsverfahren bestimmt Art. 28 der Richtlinie 2001/83 Folgendes:

„(1) Im Hinblick auf die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in mehr als einem Mitgliedstaat reicht der Antragsteller einen auf einem identischen Dossier beruhenden Antrag in diesen Mitgliedstaaten ein. Das Dossier enthält die in den Artikeln 8, 10, 10a, 10b, 10c und 11 genannten Informationen und Unterlagen. Die vorgelegten Unterlagen umfassen eine Liste der Mitgliedstaaten, auf die sich der Antrag bezieht.

Der Antragsteller ersucht einen Mitgliedstaat, als ‚Referenzmitgliedstaat‘ zu fungieren und einen Beurteilungsbericht über das Arzneimittel gemäß den Absätzen 2 und 3 zu erstellen.

(2) Liegt für das Arzneimittel zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits eine Genehmigung für das Inverkehrbringen vor, so erkennen die betroffenen Mitgliedstaaten die von dem Referenzmitgliedstaat erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen an. […]“

17.      Art. 35 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 ermöglicht einen Antrag auf Änderung der Genehmigung:

„(1) Ein Antrag des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen auf Änderung einer Genehmigung […] ist allen Mitgliedstaaten zu übermitteln, die das betreffende Arzneimittel bereits zugelassen haben.“

18.      Art. 116 der Richtlinie 2001/83 regelt die Änderungsbefugnisse der zuständigen Behörden und sieht insbesondere vor, dass „[d]ie Genehmigung für das Inverkehrbringen […] ausgesetzt, zurückgenommen oder geändert werden [kann], wenn sich herausstellt, dass die den Antrag stützenden Angaben gemäß den Artikeln 8, 10, 10a, 10b, 10c oder 11 unrichtig sind oder nicht gemäß Artikel 23 geändert wurden […].“

2.      Verordnung Nr. 726/2004

19.      Für das zentralisierte Genehmigungsverfahren sieht Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 vor, dass

„[e]in Generikum eines von der Gemeinschaft genehmigten Referenzarzneimittels […] von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unter folgenden Bedingungen gemäß der Richtlinie 2001/83/EG […] genehmigt werden [kann]:

a)      Der Antrag auf Genehmigung wird gemäß Artikel 10 der Richtlinie 2001/83/EG […] eingereicht,

b)      die Zusammenfassung der Produktmerkmale entspricht in allen einschlägigen Punkten der des von der Gemeinschaft genehmigten Arzneimittels, außer bei jenen Teilen der Zusammenfassung der Produktmerkmale, die sich auf Indikationen oder Dosierungen beziehen, die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Generikums noch unter das Patentrecht fielen […]“.

20.      Zu multiplen Genehmigungen regelt Art. 82 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 Folgendes:

„(1) Ein Antragsteller kann nur eine einzige Genehmigung für ein bestimmtes Arzneimittel erhalten.

Die Kommission gestattet jedoch demselben Antragsteller, der Agentur mehr als einen Antrag für dieses Arzneimittel vorzulegen, wenn dies durch objektive, die öffentliche Gesundheit betreffende Gründe im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Arzneimitteln für Angehörige von Gesundheitsberufen und/oder Patienten oder aus Gründen der gemeinsamen Vermarktung gerechtfertigt ist.“

3.      Verordnung Nr. 1234/2008

21.      Die Verordnung Nr. 1234/2008, die insbesondere auf der Grundlage der ursprünglichen Fassung von Art. 35 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 erlassen wurde(14), enthält in ihrem Art. 9 Vorgaben zum Mitteilungsverfahren für geringfügige Änderungen des Typs IB. Letztere dienen gemäß Art. 2 Nr. 5 der Verordnung Nr. 1234/2008 als Auffangtatbestand für Änderungen, die nicht unter die sonstigen Kategorien fallen. Die Streichung einer therapeutischen Indikation wird in den Leitlinien der Kommission zur Verordnung Nr. 1234/2008 als „geringfügige Änderung des Typs IB“ eingeordnet(15).

22.      Art. 9 der Verordnung Nr. 1234/2008 liest sich wie folgt:

„(1) Der Inhaber reicht bei allen maßgeblichen Behörden gleichzeitig eine Mitteilung ein […]

(2) Hat die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats dem Inhaber nicht innerhalb von 30 Tagen nach Bestätigung des Erhalts einer gültigen Mitteilung einen negativen Bescheid übermittelt, kann davon ausgegangen werden, dass die Mitteilung von allen maßgeblichen Behörden angenommen worden ist.

Wird die Mitteilung von der zuständigen Behörde des Referenzmitgliedstaats akzeptiert, werden die Maßnahmen nach Artikel 11 ergriffen.

(3) Ist die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats der Ansicht, dass die Mitteilung nicht akzeptiert werden kann, teilt sie dem Inhaber und den übrigen maßgeblichen Behörden diesen Bescheid unter Angabe der Gründe für den negativen Bescheid mit. […]“

23.      Das Hinzufügen einer therapeutischen Indikation wird in den Leitlinien der Kommission zur Verordnung Nr. 1234/2008 als „größere Änderung des Typs II“ eingeordnet(16). Für solche größeren Änderungen des Typs II sieht Art. 10 der Verordnung Nr. 1234/2008 ein Verfahren der „Vorabgenehmigung“ vor:

„(1) Der Inhaber reicht bei allen maßgeblichen Behörden gleichzeitig einen Antrag ein […]

(2) Innerhalb von 60 Tagen nach Bestätigung des Empfangs eines gültigen Antrags erstellt die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats einen Beurteilungsbericht und eine Entscheidung über den Antrag, die den übrigen maßgeblichen Behörden übermittelt werden. […]

(5) Wurde die in Absatz 2 genannte Entscheidung von allen maßgeblichen Behörden gemäß Absatz 4 anerkannt, werden die Maßnahmen nach Artikel 11 ergriffen. […]“

24.      Artikel 11 der Verordnung Nr. 1234/2008 sieht zum Abschluss insbesondere der Verfahren nach den Art. 9 und 10 Folgendes vor:

„(1) Wird auf diesen Artikel verwiesen, ergreift die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats folgende Maßnahmen:

a)      Sie unterrichtet den Inhaber und die übrigen maßgeblichen Behörden davon, ob die Änderung akzeptiert oder abgelehnt wird.

b)      Wird die Änderung abgelehnt, unterrichtet sie den Inhaber und die übrigen maßgeblichen Behörden über die Gründe für die Ablehnung.

c)      Sie unterrichtet den Inhaber und die übrigen maßgeblichen Behörden davon, ob die Änderung erfordert, dass die Entscheidung über die Erteilung der Zulassung geändert wird.

(2) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, ändert jede maßgebliche Behörde, falls erforderlich, ihre Entscheidung über die Erteilung der Zulassung innerhalb der […] festgelegten Frist gemäß der akzeptierten Änderung.“

B.      Nationales Recht

25.      Gemäß Art. 40 des Geneesmiddelenwet (niederländisches Arzneimittelgesetz) ist es verboten, ein Arzneimittel ohne Genehmigung für das Inverkehrbringen auf den Markt zu bringen.

26.      Im Einklang mit Art. 42 des Arzneimittelgesetzes wird die Genehmigung für das Inverkehrbringen vom CBG nur auf Antrag einer natürlichen oder juristischen Person erteilt.

III. Sachverhalt und Ausgangsverfahren

27.      WLC ist Teil des Pfizer-Konzerns, der das Arzneimittel Lyrica mit dem Wirkstoff Pregabalin weltweit für die Indikationen Epilepsie, generalisierte Angststörung und neuropathische Schmerzen vermarktet. Am 6. Juli 2004 erteilte die Kommission im zentralisierten Verfahren eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Lyrica.

28.      WLC ist Inhaberin des Europäischen Patents EP 0 934 061 B3 für den Wirkstoff Isobutyl-GABA und dessen Derivate für die Indikation neuropathische Schmerzen, welches ihr am 28. Mai 2003 erteilt und nachträglich auf den Wirkstoff Pregabalin beschränkt wurde.

29.      Dieses Patent ist am 17. Juli 2017 abgelaufen. Es war für die Entdeckung einer sogenannten zweiten medizinischen Indikation erteilt worden, die die ursprünglichen Indikationen ergänzte. Ein früheres Patent für die ursprünglichen Indikationen Epilepsie und generalisierte Angststörung ist bereits seit Längerem abgelaufen.

30.      Nachdem die Unterlagenschutzfrist für das Medikament Lyrica gemäß Art. 10 der Richtlinie 2001/83 im Jahr 2015 abgelaufen war, beantragten mehrere Generikahersteller, darunter Aurobindo, im Rahmen des dezentralisierten Verfahrens beim CBG eine Genehmigung für ein generisches Arzneimittel mit dem Wirkstoff Pregabalin. Referenzmitgliedstaat für das dezentralisierte Verfahren war Portugal. Der ursprüngliche Antrag von Aurobindo im dezentralisierten Genehmigungsverfahren enthielt bezüglich der Indikation neuropathische Schmerzen keinen Carve-out, sondern eine Full-label-Version der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, welche auch die noch patentgeschützte Indikation umfasste. In den Niederlanden bestand zu diesem Zeitpunkt jedoch noch Patentrechtsschutz aus dem oben genannten Patent EP 0 934 061 B3 für die Indikation neuropathische Schmerzen.

31.      Nach Erteilung der Genehmigung, aber noch vor der Markteinführung ihres generischen Pregabalin-Arzneimittels, teilte Aurobindo dem CBG mit, dass sie nachträglich einen Carve-out einführen, d. h. im konkreten Fall die noch patentgeschützte Indikation der neuropathischen Schmerzen von der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels streichen würde. Aurobindo ersuchte das CBG, die Zusammenfassung entsprechend dem nachträglichen Carve-out zu veröffentlichen. Das CBG kam dem jedoch nicht nach, sondern veröffentlichte die Full-label-Version der Zusammenfassung.

32.      Daraufhin beantragte WLC bei der Rechtbank Den Haag (erstinstanzliches Gericht Den Haag, Niederlande) im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, den niederländischen Staat zu verpflichten, dem CBG aufzugeben, die veröffentlichte Full-label-Version der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels durch die Carve-out-Version zu ersetzen. WLC machte geltend, die Praxis des CBG würde der Verschreibung von Generika für die noch patentgeschützte Indikation und damit Patentrechtsverletzungen Vorschub leisten. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter gab den Anträgen von WLC teilweise statt. In der Berufungsinstanz vor dem Gerechtshof Den Haag (Gerichtshof Den Haag, Niederlande) begehrt der niederländische Staat nun die Aufhebung des Urteils der Rechtbank Den Haag (erstinstanzliches Gericht Den Haag).

IV.    Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

33.      Mit Beschluss vom 4. Juli 2017, eingegangen am 14. Juli 2017, hat der Gerechtshof Den Haag (Gerichtshof Den Haag) dem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist Art. 11 der Richtlinie 2001/83/EG oder eine andere Bestimmung des Unionsrechts dahin auszulegen, dass eine Mitteilung, mit der eine Person, die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums im Sinne von Art. 10 der Richtlinie 2001/83 beantragt oder innehat, die Behörde wissen lässt, dass sie die Teile der Zusammenfassung der Merkmale des Referenzarzneimittels, die sich auf die Indikationen oder Dosierungen beziehen, die unter das Patentrecht eines Dritten fallen, in der Zusammenfassung der Merkmale und der Packungsbeilage des Generikums nicht angibt, als Antrag auf Beschränkung der Genehmigung für das Inverkehrbringen anzusehen ist, der dazu führen muss, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht oder nicht mehr für die patentgeschützten Indikationen oder Dosierungen gilt?

2.      Sofern die erste Frage verneint wird, hindern dann die Art. 11 und 21 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 oder andere Bestimmungen des Unionsrechts die zuständige Behörde daran, bei einer gemäß Art. 6 in Verbindung mit Art. 10 der Richtlinie 2001/83 erteilten Genehmigung die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels und die Packungsbeilage einschließlich der Teile, die sich auf die Indikationen oder Dosierungen beziehen, die unter das Patentrecht eines Dritten fallen, zu veröffentlichen, wenn die Person, die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt oder innehat, die Behörde hat wissen lassen, dass sie die Teile der Zusammenfassung der Merkmale des Referenzarzneimittels, die sich auf die Indikationen oder Dosierungen beziehen, die unter das Patentrecht eines Dritten fallen, in der Zusammenfassung der Merkmale und der Packungsbeilage nicht angibt?

3.      Spielt es bei der Beantwortung der zweiten Frage eine Rolle, dass die zuständige Behörde vom Genehmigungsinhaber verlangt, in die Packungsbeilage, die er der Arzneimittelverpackung beifügen muss, einen Hinweis auf die Website dieser Behörde aufzunehmen, auf der die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels einschließlich der Teile, die sich auf die Indikationen oder Dosierungen beziehen, die unter das Patentrecht eines Dritten fallen, veröffentlicht ist, während diese Teile in Anwendung von Art. 11 der Richtlinie 2001/83 nicht in der Packungsbeilage enthalten sind?

34.      Im Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof haben WLC, die niederländische Regierung und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen und Fragen des Gerichtshofs beantwortet. Dieselben Beteiligten haben an der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2018 teilgenommen.

V.      Inhaltliche Würdigung der Vorlagefragen

35.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Auswirkungen ein Carve-out auf die Reichweite der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels hat (dazu unter A). Die zweite und die dritte Frage beziehen sich auf die Veröffentlichung der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels durch die Genehmigungsbehörde (dazu unter B).

A.      Auswirkungen eines Carve-out für die Reichweite der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels (erste Vorlagefrage)

36.      Die Parteien des vorliegenden Verfahrens sind sich uneinig darüber, wie sich die Einführung eines Carve-out gemäß Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83, also die Streichung einer noch patentgeschützten Indikation oder Dosierung des Referenzarzneimittels aus der Zusammenfassung der Merkmale des Generikums, auf die Reichweite der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines solchen Generikums auswirkt.

37.      Der niederländischen Regierung zufolge hängen die Auswirkungen eines Carve-out für die Reichweite der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels von dem Moment und der Art und Weise der Einführung des Carve-out ab: Streicht ein Generikahersteller eine noch patentgeschützte Indikation oder Dosierung des Referenzarzneimittels schon in der Zusammenfassung der Merkmale des Generikums, die er seinem Genehmigungsantrag beifügt, und führt er diese Indikation oder Dosierung auch nicht in der für diesen Antrag zu erstellenden Liste der Indikationen und Dosierungen auf, ist die betreffende patentgeschützte Indikation oder Dosierung nicht Teil seines Antrags auf Genehmigung und dementsprechend wird hierfür auch keine Genehmigung erteilt.

38.      Stellt ein Generikahersteller dagegen einen Full-label-Antrag auf Genehmigung, der sämtliche Indikationen und Dosierungen des Referenzarzneimittels umfasst, und führt er erst nachträglich einen Carve-out ein, indem er der zuständigen Behörde eine neue Version der Zusammenfassung der Merkmale des Generikums übermittelt, in der die noch patentgeschützte Indikation oder Dosierung gestrichen wurde, führt dies nach Ansicht der niederländischen Regierung nicht zur Beschränkung der zunächst vollumfänglich erteilten Genehmigung.

39.      In diesem Zusammenhang nimmt die niederländische Regierung eine Unterscheidung zwischen dem ursprünglich eingereichten Entwurf der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels und der später erstellten gedruckten Version dieser Zusammenfassung vor, die dem Medikament beigefügt wird. Hiermit ist wohl die gemäß Art. 59 der Richtlinie 2001/83 zu erstellende Packungsbeilage gemeint, d. h. der dem Arzneimittel beigefügte Beipackzettel für den Verbraucher. Ein nach Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen allein in der gedruckten Version der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels vorgenommener Carve-out bliebe demnach ohne Auswirkungen auf die Reichweite der Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels.

40.      Die Kommission und WLC sind dagegen der Ansicht, dass nicht nur ein ursprünglicher, sondern auch ein nachträglich eingeführter Carve-out eine Beschränkung der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels auf die nicht von diesem Carve-out betroffenen Indikationen und Dosierungen zur Folge haben muss. Insbesondere die Kommission beruft sich diesbezüglich auf ein grundlegendes Prinzip des Medikamentenrechts, wonach die auf den Markt gebrachte Version eines Arzneimittels mit der genehmigten, in der Zusammenfassung der Merkmale beschriebenen Version dieses Arzneimittels identisch sein muss. So dürfe ein Genehmigungsinhaber keinesfalls nachträglich etwas an seinem Arzneimittel verändern, ohne die Genehmigungsbehörde davon in Kenntnis zu setzen. Vor diesem Hintergrund stelle ein nachträglich eingeführter Carve-out einen Antrag auf Beschränkung der bereits erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums auf die nicht vom Carve-out betroffenen Indikationen und Dosierungen dar.

41.      Diese Argumentation überzeugt: Die vermarktete Version eines Arzneimittels muss mit der genehmigten Version übereinstimmen. Dies ist nicht nur unerlässlich, um Rechtssicherheit und Transparenz zu gewährleisten, sondern entspricht auch dem Sinn und Zweck der Carve-out-Regelung in Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83. Damit muss nicht nur die anfängliche (2), sondern auch die nachträgliche Einführung eines Carve-out zur Beschränkung der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels führen (3). Bevor dies erörtert wird ist es sinnvoll, kurz auf die Stellung des Carve-out im Genehmigungssystem der Richtlinie 2001/83 einzugehen (1).

1.      Der Carve-out im Genehmigungssystem der Richtlinie 2001/83

42.      Wie bereits erwähnt, erlaubt die Carve-out-Regelung in Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83, wonach noch patentgeschützte Indikationen oder Dosierungen des Referenzarzneimittels nicht in der Zusammenfassung der Merkmale eines Generikums enthalten sein müssen, eine Ausnahme vom Prinzip der Einheitlichkeit zwischen Referenzarzneimittel und Generikum. Dies ist notwendig, damit Generika nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist von Referenzarzneimitteln auf den Markt gebracht werden können, auch wenn einzelne Indikationen oder Dosierungen der Referenzarzneimittel noch patentgeschützt sind(17).

43.      Aus dem Wortlaut von Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83 ergibt sich nicht eindeutig, ob ein Carve-out nur im Moment der Einreichung des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums eingeführt werden kann oder auch nachträglich, d. h. nach Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen, aber noch vor der tatsächlichen Markteinführung(18).

44.      Gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. j der Richtlinie 2001/83 ist dem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eine Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels nach Art. 11 beizufügen. Hieraus ergibt sich, dass ein Carve-out gemäß Art. 11 Satz 2 jedenfalls im Stadium des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums eingeführt werden kann. Dies sagt jedoch noch nichts darüber aus, ob es auch möglich ist, erst nach Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen einen Carve-out einzuführen.

45.      Wie die Kommission in ihrer Antwort auf die Fragen des Gerichtshofs ausführt, kann die Einführung eines Carve-out nach Erteilung der Genehmigung insbesondere notwendig werden, wenn der Genehmigungsinhaber erst nachträglich Kenntnis davon erlangt, dass eine Indikation oder Dosierung des Referenzarzneimittels in dem betroffenen Mitgliedstaat noch patentgeschützt ist. Auch wäre vorstellbar, dass ein nationales Gericht auf Klage des Patentinhabers einen Genehmigungsinhaber dazu verpflichtet, einen Carve-out einzuführen.

46.      Darüber hinaus sind sich die Parteien uneinig darüber, welche Bedeutung die nachträgliche Einführung eines Carve-out im Rahmen des dezentralisierten Genehmigungsverfahrens und des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung hat.

47.      Das in Art. 28 Abs. 1, 3, 4 und 5 der Richtlinie 2001/83 geregelte dezentralisierte Genehmigungsverfahren findet Anwendung, wenn noch keine Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels vorliegt und eine solche für mehrere Mitgliedstaaten gleichzeitig begehrt wird. Hierbei wählt der Antragsteller einen Referenzmitgliedstaat aus, dessen Prüfung von den anderen betroffenen Mitgliedstaaten gebilligt wird, bevor dann jeder betroffene Mitgliedstaat eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt. Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung gemäß Art. 28 Abs. 1, 2, 4 und 5 der Richtlinie 2001/83 kommt dagegen zur Anwendung, wenn bereits eine Genehmigung in einem Mitgliedstaat vorliegt, die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden soll, bevor diese dann jeweils eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilen.

48.      Der Kommission sowie den Empfehlungen der in Art. 27 der Richtlinie 2001/83 in Bezug genommenen Koordinierungsgruppe(19) zufolge wird im dezentralisierten Genehmigungsverfahren und im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung typischerweise – wenn auch nicht zwingend – zunächst eine umfassende Genehmigung für sämtliche Indikationen und Dosierungen eines Generikums beantragt, die dann gegebenenfalls noch vor der Erteilung der Genehmigungen durch die verschiedenen betroffenen Mitgliedstaaten durch entsprechende Carve-outs an die Patentrechtslage in diesen Mitgliedstaaten angepasst wird.

49.      Die niederländische Regierung steht dagegen auf dem Standpunkt, im dezentralisierten Verfahren und im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung müsse in jedem Fall zunächst in allen betroffenen Mitgliedstaaten eine identische Genehmigung erteilt werden. Damit könnten eventuelle Carve-outs in den Mitgliedstaaten, in denen dies notwendig ist, erst nach Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen eingeführt werden.

50.      In jedem Fall scheint es angesichts der von der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Verfahren zur Anerkennung von in anderen Mitgliedstaaten erteilten Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln sowie der unterschiedlichen Patentrechtssituationen in den verschiedenen Mitgliedstaaten wahrscheinlich, dass es regelmäßig zu Situationen kommt, in denen ein Carve-out erst nach Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eingeführt wird.

51.      Dies scheint auch im Ausgangsverfahren der Fall gewesen zu sein. So spielt der vorliegende Fall auf der Ebene des dezentralisierten Genehmigungsverfahrens, wobei die Niederlande ein betroffener Mitgliedstaat sind und Portugal als Referenzmitgliedstaat im Sinne von Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 fungierte. Nach Angaben des vorlegenden Gerichts und der niederländischen Regierung wurde der Carve-out in den Niederlanden erst nach der Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen des betroffenen Generikums eingeführt.

52.      Das vorlegende Gericht bezieht sich jedenfalls sowohl in seiner ersten Vorlagefrage als auch in seinen Ausführungen ausdrücklich sowohl auf die Situation, in der ein Carve-out schon im Antragsverfahren eingeführt wird („anfänglicher Carve-out“), als auch auf die Situation, in der ein Carve-out erst nach Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen eingeführt wird („nachträglicher Carve-out“). Daher sollen nachstehend beide Situationen behandelt werden.

2.      Anfänglicher Carve-out

53.      Wie alle Parteien des vorliegenden Verfahrens übereinstimmend feststellen, ergibt sich aus den Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 relativ eindeutig, dass ein Carve-out, der bereits im Stadium des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels eingeführt wird, die Reichweite dieses Antrags und damit auch diejenige der zu erteilenden Genehmigung beschränkt.

54.      So ist nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels eine Genehmigung erforderlich, die gemäß Art. 8 Abs. 1 nur auf Antrag erteilt wird.

55.      Aus Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie, welcher die dem Antrag beizufügenden Angaben und Unterlagen auflistet, ergibt sich ferner, dass der Antragsteller die Reichweite seines Antrags durch sein vorgetragenes Begehren sowie die eingereichten Unterlagen bestimmt, zu denen nach Art. 8 Abs. 3 Buchst. j die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels gehört. Bleibt eine Indikation oder Dosierung in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, die dem Antrag beigefügt ist, aufgrund eines Carve-out gemäß Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83 unerwähnt, wird sie somit nicht Gegenstand des Antrags. Dies steht im Einklang damit, dass der Antrag gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. e und f der Richtlinie die Heilanzeigen und Dosierungen des beantragten Arzneimittels auflisten muss. Wie die niederländische Regierung zutreffend anmerkt, wird im Fall eines Carve-out in der dem Antrag auf Genehmigung beigefügten Zusammenfassung der Merkmale eines Arzneimittels eine noch patentgeschützte Indikation oder Dosierung konsequenterweise auch nicht in der gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. e und f der Richtlinie 2001/83 erstellten Liste aufgeführt sein.

56.      Durch die Einführung eines Carve-out verringert der Generikahersteller damit auf eigenen Wunsch die Anzahl der Indikationen oder Dosierungen, für die sein Arzneimittel zugelassen werden soll. Es besteht keine Pflicht, einen Carve-out einzuführen, sondern es handelt sich um eine Option, welche die Richtlinie dem Generikahersteller zur Vermeidung von Patentrechtsverletzungen eröffnet. Es obliegt dem Generikahersteller selbst, einzuschätzen, ob ohne Streichung der noch patentgeschützten Indikationen oder Dosierungen eine Patentrechtsverletzung riskiert wird. Denn es ist Sache des Generikaherstellers, eigenverantwortlich festzulegen, für welche Indikationen und Dosierungen er sein Generikum in den Verkehr bringen möchte.

57.      Die Prüfung des Antrags durch die Genehmigungsbehörde erstreckt sich demgegenüber gemäß Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 26 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 nur auf den Ablauf der Unterlagenschutzfrist, nicht aber auf eventuell entgegenstehende Patentrechte. Da Art. 26 die Ablehnungsgründe abschließend aufzählt und keinen Hinweis auf patentrechtliche Erwägungen enthält, kann die Behörde einen Antrag nicht zurückweisen, weil er einen Carve-out enthält; umgekehrt kann die Behörde vom Antragsteller auch nicht verlangen, einen Carve-out einzuführen, da sie keine entgegenstehenden Patentrechte prüft. Damit ist die Behörde an den Umfang des gestellten Antrags gebunden und hat weder Anlass noch Befugnis, eine Genehmigung zu erteilen, welche auch die Indikationen oder Dosierungen umfassen würde, die vom Antragsteller durch den Carve-out ausgeschlossen wurden.

58.      Die vorstehende Auslegung wird auch durch die Praxis der Kommission im zentralisierten Genehmigungsverfahren bestätigt: Hier zeigt sich nämlich anhand der Besonderheit von multiplen Genehmigungen, dass der Umfang der Genehmigung dem Umfang der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels entspricht. So wird zwar grundsätzlich gemäß Art. 82 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 nur eine einzige Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in allen Mitgliedstaaten erteilt. Ausnahmsweise erteilt die Kommission unter Anwendung dieser Bestimmung jedoch multiple Genehmigungen, da der Patentschutz von bestimmten Indikationen und Dosierungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten einen unterschiedlichen Umfang haben kann(20). Würde ein Carve-out in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels die Reichweite der Genehmigung nicht beschränken, bedürfte es keiner multiplen Genehmigungen, sondern es könnten nur multiple Zusammenfassungen der Merkmale der Arzneimittel veröffentlicht werden. Dass die Reichweite der Genehmigung der eingereichten Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels entspricht, wird in der Rechtsprechung zum zentralisierten Genehmigungsverfahren im Übrigen als gegeben vorausgesetzt(21). Da das zentralisierte und dezentralisierte Verfahren nicht isoliert voneinander betrachtet werden dürfen(22), sind die Beobachtungen zum zentralisierten Verfahren auch für das dezentralisierte Verfahren relevant.

3.      Nachträglicher Carve-out

59.      Wie schon erwähnt(23), ist der Wortlaut von Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83 unklar in Bezug auf die Frage, ob ein Carve-out auch nach Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels eingeführt werden kann. Wie ebenfalls schon dargelegt(24), erweist sich der nachträgliche Carve-out im komplexen Arzneimittelgenehmigungssystem der Richtlinie 2001/83 jedoch in jedem Fall als unerlässlich. Denn obgleich der Patentschutz in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich ist, sieht die Richtlinie dennoch die parallele Beantragung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in allen oder mehreren Mitgliedstaaten bzw. die Beantragung der Anerkennung einer in einem Mitgliedstaat erteilten Genehmigung in anderen Mitgliedstaaten vor.

60.      Vor diesem Hintergrund erscheint es folgerichtig, Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass die Einführung eines Carve-out auch nach Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels möglich ist. Um die Parallelität von genehmigter und auf den Markt gebrachter Version eines Arzneimittels zu gewährleisten (a), muss ein solcher nachträglicher Carve-out als Antrag auf Beschränkung der Genehmigung für das Inverkehrbringen verstanden werden (b).

a)      Notwendigkeit der Übereinstimmung von genehmigter und auf den Markt gebrachter Version eines Arzneimittels

61.      Die Ansicht der niederländischen Regierung, wonach ein nachträglicher Carve-out keine Auswirkungen auf die Reichweite der bereits erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels hat, vermag nicht zu überzeugen: Dies würde nämlich zu einem Auseinanderfallen von genehmigter und auf den Markt gebrachter Version eines Arzneimittels führen.

62.      Wie die Kommission zutreffend vorträgt, ist es aber ein grundlegendes Prinzip des Arzneimittelrechts, dass die genehmigte und die auf den Markt gebrachte Version eines Arzneimittels identisch sein müssen. Daher darf der Genehmigungsinhaber keinesfalls selbständig und ohne Einverständnis der zuständigen Behörde die Zusammenfassung der Merkmale und die Packungsbeilage eines Arzneimittels ändern. Die Zusammenfassung der Merkmale ist nämlich integraler Bestandteil der Genehmigung eines Arzneimittels und definiert die Merkmale von dessen genehmigter Version(25). Die Notwendigkeit der Übereinstimmung von genehmigter Zusammenfassung der Merkmale und auf den Markt gebrachter Version eines Arzneimittels inklusive Packungsbeilage ergibt sich im Übrigen aus zahlreichen Bestimmungen der Richtlinie 2001/83(26).

63.      Wäre es einem Genehmigungsinhaber erlaubt, ein Arzneimittel mit einer im Vergleich zur genehmigten Version geänderten Zusammenfassung der Merkmale auf den Markt zu bringen, würde dies die Wirksamkeit des Genehmigungsverfahrens, die Rechtssicherheit sowie die Transparenz für Angehörige der Gesundheitsberufe und Patienten in Frage stellen.

64.      Darüber hinaus ist der Zeitpunkt der Einführung eines Carve-out – vor oder nach Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen – kein Aspekt, welcher es rechtfertigen würde, dass sich nur ein anfänglicher Carve-out auf die Reichweite der Genehmigung auswirkt. Unabhängig vom Moment der Einführung eines Carve-out muss ein Auseinanderfallen von Reichweite der Genehmigung und Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels vermieden werden.

65.      Damit muss ein nachträglich eingeführter Carve-out zur Beschränkung der erteilten Genehmigung durch die zuständige Behörde führen. Denn da das Inverkehrbringen eines Arzneimittels eine behördliche Genehmigung voraussetzt, ändert ein nachträglicher Carve-out eine bereits erteilte Genehmigung nicht automatisch, sondern bedarf einer behördlichen Änderungshandlung. Die von der Richtlinie 2001/83 sowie der Verordnung Nr. 1234/2008 vorgesehenen, sogleich zu erörternden Änderungsverfahren(27) sprechen in diesem Zusammenhang auch dafür, dass ein nachträglicher Carve-out zur Änderung der bereits erteilten Genehmigung führen muss.

66.      Die Mitteilung eines nachträglichen Carve-out ist somit als Antrag auf Beschränkung der bereits erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels zu verstehen. In diesem Zusammenhang ist es irrelevant, ob der Genehmigungsinhaber mit dem Carve-out nur Patentrechtsverletzungen vermeiden oder bewusst eine Beschränkung der Genehmigung für das Inverkehrbringen erwirken möchte. Denn die Streichung einer Indikation oder Dosierung in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels beschränkt objektiv gesehen die Reichweite dieser Zusammenfassung. Da diese den Umfang der Genehmigung für das Inverkehrbringen bedingt, muss der Carve-out daher auch zu deren Beschränkung führen.

67.      Im Einklang mit dieser Auslegung müssen sowohl die Inhaber von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Generika als auch die mitgliedstaatlichen Gesundheitsbehörden in Kauf nehmen, dass Generika nach Einführung eines Carve-out und damit einhergehender Beschränkung der Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht oder jedenfalls nicht mehr so häufig für die nunmehr nicht mehr von der Genehmigung umfassten, noch patentgeschützten Indikationen oder Dosierungen des Referenzarzneimittels verschrieben werden.

68.      Diese Konsequenz entspricht jedoch dem Sinn und Zweck der Carve-out-Regelung in Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83: Denn diese Bestimmung wurde nicht nur eingeführt, um den raschen Markteintritt von Generika zu fördern(28), sondern auch, um innovative Hersteller dazu anzuregen, Forschung zu neuen Indikationen und Dosierungen bekannter Wirkstoffe zu betreiben(29). Hierfür muss der Schutz von Patenten gewährleistet sein, die für eine zweite oder weitere medizinische Indikation eines bekannten Wirkstoffs erteilt werden. Damit dieses Ziel erreicht wird, muss der Carve-out für noch patentgeschützte Indikationen und Dosierungen des Referenzarzneimittels auch zur Verringerung des Umfangs der Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Generikums führen.

69.      Die Carve-out-Regelung in Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83 steht somit auch im Einklang damit, dass das Arzneimittelrecht der Union zwar das Patentrecht der Mitgliedstaaten unangetastet lässt(30), bestehenden Patentrechten aber Rechnung trägt.

70.      In verschiedenen betroffenen Mitgliedstaaten eingeführte Carve-outs bewirken damit, dass die Genehmigung für ein und dasselbe Arzneimittel in den betroffenen Mitgliedstaaten unterschiedlich weit reicht. Dies lässt sich allerdings mangels eines einheitlichen unionsweiten Patentschutzes nicht vermeiden. Denn dieselbe Indikation oder Dosierung kann in verschiedenen Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Umfang und für unterschiedliche Zeiträume geschützt sein. Gerade vor diesem Hintergrund stellt sich die in Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83 sowie in Art. 3 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 726/2004 vorgesehene Carve-out-Regelung als unverzichtbares Instrument dar: Erst sie macht es nämlich möglich, nach dem unionsrechtlich einheitlich geregelten Ablauf der Unterlagenschutzfrist eines Referenzarzneimittels ein Generikum in einem einzigen Verfahren in allen oder mehreren Mitgliedstaaten genehmigen zu lassen und dabei gleichzeitig dem potenziell unterschiedlichen Patentschutz in diesen Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen.

b)      Möglichkeiten der nachträglichen Beschränkung der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels

71.      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Mitteilung eines nachträglichen Carve-out als Antrag auf Beschränkung der bereits erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels zu verstehen ist. In diesem Zusammenhang sehen die Richtlinie 2001/83 sowie die Verordnung Nr. 1234/2008 verschiedene Bestimmungen vor, die eine Behörde zur Änderung der bereits erteilten Genehmigung berechtigen.

1)      Antrag auf Änderung der Genehmigung

72.      Erstens ist ein expliziter Antrag des Genehmigungsinhabers auf Änderung der Genehmigung gemäß Art. 35 der Richtlinie 2001/83 denkbar. Ein solcher liegt im Ausgangsverfahren allerdings nicht vor, wie die Regierung der Niederlande in der mündlichen Verhandlung bestätigte.

2)      Änderung der Genehmigung nach Mitteilung des Carve-out

73.      Zweitens kann ein Genehmigungsinhaber seiner von der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Pflicht nachkommen, der zuständigen Behörde Änderungen in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels mitzuteilen. Daraufhin ist die Behörde nach der Verordnung Nr. 1234/2008 zur Änderung einer bereits erteilten Genehmigung ermächtigt. Eine solche Situation könnte vorliegend eingetreten sein, als Aurobindo dem CBG den nachträglichen Carve-out mitteilte.

74.      So verpflichtet Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 den Genehmigungsinhaber insbesondere, der zuständigen Behörde alle neuen Informationen mitzuteilen, die Änderungen der Angaben nach Art. 11 nach sich ziehen können. Die Einführung eines Carve-out gemäß Art. 11 Satz 2 stellt sich damit als eine neue Information dar, die der Mitteilungspflicht unterliegt.

75.      Dies wird durch den Hintergrund von Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 bestätigt. Diese Bestimmung wurde nämlich eingeführt, um die Verantwortlichkeiten der Genehmigungsinhaber zu präzisieren und diese dazu anzuhalten, genehmigungsrelevante Änderungen den Behörden zu melden, sowie um zu gewährleisten, dass die Produktinformationen auf dem aktuellen Stand gehalten werden(31).

76.      Gemäß Art. 9 Abs. 1 der von Art. 23b der Richtlinie 2001/83 in Bezug genommenen Verordnung Nr. 1234/2008 ist der Genehmigungsinhaber darüber hinaus verpflichtet, den zuständigen Behörden jedes betroffenen Mitgliedstaats(32) sowie des Referenzmitgliedstaats(33) „geringfügige Änderungen des Typs IB“, wozu die Streichung einer Indikation gehört(34), mitzuteilen. Die Mitteilung eines Carve-out unterfällt der Kategorie „Streichung einer Indikation“, da der Generikahersteller hiermit eine Indikation in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels streicht(35).

77.      Lehnt die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats die vom Genehmigungsinhaber vorgenommene Änderung nicht explizit ab, gilt diese gemäß Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1234/2008 als genehmigt. Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2008 ermächtigt die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats demgegenüber dazu, die mitgeteilte Änderung abzulehnen. Vorliegend stellt sich die Weigerung des CBG, die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels in der Carve-out-Version zu veröffentlichen, jedoch wohl nicht als eine solche Ablehnung dar. Denn zum einen sind vorliegend nicht die Niederlande der Referenzmitgliedstaat, sondern Portugal. Zum anderen besteht keine patentrechtliche Prüfungskompetenz der Arzneimittelgenehmigungsbehörde, auf die die Ablehnung der Streichung einer Indikation durch den Carve-out gestützt werden könnte(36). Ob die Mitteilung des Carve-out aus anderen Gründen nicht akzeptiert wurde, ist vom vorlegenden Gericht zu prüfen.

78.      Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1234/2008 ermächtigt die maßgebliche Behörde schließlich nach Abschluss des Mitteilungsverfahrens zur Änderung der Genehmigung, falls die mitgeteilte Änderung dies erfordert. Im Einklang mit der hier vertretenen Ansicht ist dies bei der Streichung einer Indikation durch einen Carve-out in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels der Fall, um die notwendige Übereinstimmung des Umfangs der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels und der Genehmigung für das Inverkehrbringen sicherzustellen(37). Dies gilt auch dann, wenn der Genehmigungsinhaber nicht explizit die Änderung seiner Genehmigung beantragt(38).

79.      Entgegen dem Vorbringen der Niederlande steht der Auslegung, wonach die Mitteilung eines Carve-out die Änderung der Genehmigung erforderlich macht, nicht entgegen, dass der Generikahersteller aufgrund dessen erneut die Ergänzung seiner Genehmigung um die durch den Carve-out gestrichene Indikation oder Dosierung beantragen muss, nachdem der Patentrechtsschutz hierfür ausgelaufen ist.

80.      Das Hinzufügen einer Indikation kann gemäß den Leitlinien der Kommission zur Verordnung Nr. 1234/2008 zwar eine größere Änderung des Typs II darstellen, welche im Rahmen des in Art. 10 dieser Verordnung vorgesehenen Verfahrens genehmigt (und nicht nur nach Art. 9 mitgeteilt) werden muss(39). Auch ein solches Änderungsverfahren verzögert das Inverkehrbringen des Generikums für eine nicht mehr patentgeschützte Indikation jedoch nicht unnötig, denn die Hinzufügung einer neuen Indikation kann gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1234/2008 bereits 60 Tage, bevor der Patentrechtsschutz ausläuft, beantragt werden. Dadurch wird eine Vermarktung des Generikums unmittelbar im Anschluss an das Auslaufen des Patentrechtsschutzes ermöglicht.

3)      Änderung der Genehmigung nach Feststellung des Vorliegens eines Carve-out durch die zuständige Behörde

81.      Schließlich ist nach den Ausführungen von WLC in der mündlichen Verhandlung drittens eine Situation denkbar, in der ein Generikahersteller einen Carve-out einführt, indem er einfach die Packungsbeilage seines Arzneimittels ändert, eine Mitteilung nach Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 aber unterbleibt. In diesem Fall ist die Behörde gemäß Art. 116 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 zur Änderung der Genehmigung berechtigt. Dieser Fall scheint im Ausgangsverfahren allerdings nicht vorzuliegen, da das CBG ja über die Einführung des Carve-out informiert wurde.

4.      Zwischenergebnis

82.      Im Einklang mit den vorstehenden Ausführungen sind die Art. 10 und 11 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass eine Mitteilung, mit der eine Person, die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums im Sinne von Art. 10 beantragt oder innehat, die Behörde wissen lässt, dass sie gemäß Art. 11 Satz 2 die Teile der Zusammenfassung der Merkmale des Referenzarzneimittels, die sich auf Indikationen oder Dosierungen beziehen, die unter das Patentrecht eines Dritten fallen, in der Zusammenfassung der Merkmale und der Packungsbeilage des Generikums nicht angibt, als Antrag auf Beschränkung der Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Generikums auf die verbleibenden Indikationen oder Dosierungen anzusehen ist.

B.      Veröffentlichung der Zusammenfassung der Merkmale von Arzneimitteln und Carve-out (zweite und dritte Vorlagefrage)

83.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die zuständige Behörde eine Full-label-Version der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels veröffentlichen darf, obwohl ein Carve-out mitgeteilt wurde. Die dritte Frage zielt darauf ab, herauszufinden, ob es hierfür eine Rolle spielt, dass die Behörde den Genehmigungsinhaber verpflichtet, in der Packungsbeilage des Arzneimittels, welche die vom Carve-out betroffene Indikation nicht enthält, auf die Website der Behörde zu verweisen, auf der sich die Full-label-Version der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels befindet.

84.      Aus der vorgeschlagenen Antwort auf die erste Vorlagefrage ergibt sich schon die Antwort auf die zweite und die dritte Vorlagefrage. Denn gemäß Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 stellt die zuständige Behörde der Öffentlichkeit zu jedem von ihr genehmigten Arzneimittel die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels zur Verfügung. Wenn ein Carve-out die Reichweite der Genehmigung beschränkt und Genehmigung und Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels damit die gleiche Reichweite haben, besteht daher kein Anlass, eine über die Reichweite der Genehmigung hinausgehende Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels zu veröffentlichen.

85.      Die Ansicht der niederländischen Regierung, wonach auch im Fall eines nachträglichen Carve-out zur Patienteninformation eine Veröffentlichung der Full-label-Version der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels erforderlich sei, spiegelt das Verwirrungsrisiko wider, das bestünde, wenn die nachträgliche Mitteilung eines Carve-out ohne Auswirkung auf die erteilte Genehmigung bliebe und Umfang der Genehmigung und der Packungsbeilage damit auseinanderfielen. Wenn die Genehmigung dagegen entsprechend des Carve-out geändert wird und Umfang der Genehmigung und der Packungsbeilage nicht auseinanderfallen, tritt das Problem der unzureichenden Patienteninformation gar nicht erst auf. Im Einklang mit den Empfehlungen der in Art. 27 der Richtlinie 2001/83 in Bezug genommenen Koordinierungsgruppe können die Mitgliedstaaten im Übrigen von Generikaherstellern verlangen, im Fall eines Carve-out einen Hinweis in die Packungsbeilage aufzunehmen, der erklärt, dass der Wirkstoff des betreffenden Arzneimittels auch für andere Krankheiten zugelassen ist, die nicht in der Packungsbeilage aufgeführt sind, und Patienten sich bei Fragen an ihren Arzt oder Apotheker wenden können(40).

86.      Demnach sind Art. 11 und Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass sie die zuständige Behörde daran hindern, die Zusammenfassung der Merkmale und die Packungsbeilage eines Arzneimittels einschließlich der Teile, die sich auf die Indikationen oder Dosierungen beziehen, die unter das Patentrecht fallen, zu veröffentlichen, wenn die Person, die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels beantragt oder innehat, die Behörde hat wissen lassen, dass sie im Einklang mit Art. 11 Satz 2 der Richtlinie solche Indikationen oder Dosierungen in der Zusammenfassung der Merkmale und der Packungsbeilage nicht angibt.

VI.    Ergebnis

87.      Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, das Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof Den Haag (Gerichtshof Den Haag, Niederlande) wie folgt zu beantworten:

1.      Die Art. 10 und 11 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, in ihrer durch die Richtlinie 2012/26/EU geänderten Fassung, sind dahin auszulegen, dass eine Mitteilung, mit der eine Person, die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums im Sinne von Art. 10 beantragt oder innehat, die Behörde wissen lässt, dass sie gemäß Art. 11 Satz 2 die Teile der Zusammenfassung der Merkmale des Referenzarzneimittels, die sich auf Indikationen oder Dosierungen beziehen, die unter das Patentrecht eines Dritten fallen, in der Zusammenfassung der Merkmale und der Packungsbeilage des Generikums nicht angibt, als Antrag auf Beschränkung der Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Generikums auf die verbleibenden Indikationen oder Dosierungen anzusehen ist.

2.      Art. 11 und Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 sind dahin auszulegen, dass sie die zuständige Behörde daran hindern, die Zusammenfassung der Merkmale und die Packungsbeilage eines Arzneimittels einschließlich der Teile, die sich auf die Indikationen oder Dosierungen beziehen, die unter das Patentrecht fallen, zu veröffentlichen, wenn die Person, die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels beantragt oder innehat, die Behörde hat wissen lassen, dass sie im Einklang mit Art. 11 Satz 2 der Richtlinie solche Indikationen oder Dosierungen in der Zusammenfassung der Merkmale und der Packungsbeilage nicht angibt.


1      Originalsprache: Deutsch.


2      Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67), in ihrer durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 (ABl. 2012, L 299, S. 1) geänderten Fassung.


3      Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. 2004, L 136, S. 1), in ihrer durch die Verordnung (EU) Nr. 1027/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 (ABl. 2012, L 316, S. 38) geänderten Fassung.


4      Vgl. den zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83 sowie Urteil des Gerichts vom 15. September 2015, Novartis Europharm/Kommission (T‑472/12, EU:T:2015:637, Rn. 62).


5      Siehe die Definition in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83.


6      Vgl. Art. 10 der Richtlinie 2001/83 sowie Urteile vom 23. Oktober 2014, Olainfarm (C‑104/13, EU:C:2014:2316, Rn. 37), und vom 14. März 2018, Astellas Pharma (C‑557/16, EU:C:2018:181, Rn. 34). Siehe auch Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Synthon (C‑452/06, EU:C:2008:393, Nr. 82).


7      Vgl. zu den Hintergründen des Patentschutzes für eine weitere Indikation Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 19. Februar 2010, G 2/08, ECLI:EP:BA:2010:G000208.20100219, insbesondere Rn. 7.1. Die Gewährung von Patentschutz für eine weitere Indikation verlängert nicht den Unterlagenschutz, sofern nicht ein Fall von Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie 2001/83 vorliegt.


8      Vgl. Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83 sowie Art. 3 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 726/2004 für das zentralisierte Genehmigungsverfahren.


9      Vgl. insbesondere Art. 8 Abs. 3 Buchst. j, Art. 11, Art. 21 und Art. 59 der Richtlinie 2001/83 sowie Rn. 115 des Urteils des Gerichts vom 11. Juni 2015, Laboratoires CTRS/Kommission (T‑452/14, EU:T:2015:373).


10      Vgl. abermals die Definition in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83.


11      Vgl. hierzu Urteil vom 14. März 2018, Astellas Pharma (C‑557/16, EU:C:2018:181, Rn. 23).


12      Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 der Kommission vom 24. November 2008 über die Prüfung von Änderungen der Zulassungen von Human- und Tierarzneimitteln (ABl. 2008, L 334, S. 7), in ihrer durch die Verordnung (EU) Nr. 712/2012 der Kommission vom 3. August 2012 (ABl. 2012, L 209, S. 4) geänderten Fassung.


13      Die deutsche Version dieser Bestimmung ist offensichtlich fehlerhaft übersetzt und wurde daher hier korrigiert. Vgl. die ursprüngliche Version (das nachstehend durch kursive Schriftzeichen hervorgehobene Wort „und“ wurde in der oben im Text wiedergegebenen Fassung gestrichen): „Für Genehmigungen nach Artikel 10 müssen die Teile der Zusammenfassung der Merkmale des Referenzarzneimittels, die sich auf die Indikationen oder Dosierungen beziehen und die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens eines Generikums noch unter das Patentrecht fielen, nicht enthalten sein“. Siehe auch die anderen Sprachfassungen, insbesondere die englische, die französische, die niederländische und die bulgarische Fassung. Vgl. ferner die deutsche Fassung von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 726/2004.


14      Nunmehr verweist nur noch Art. 23b der Richtlinie 2001/83 auf den Erlass einer Durchführungsverordnung.


15      Anhang C.I.6 b) der ausführlichen Leitlinien zu den verschiedenen Kategorien von Änderungen, zur Handhabung der in den Kapiteln II, IIa, III und IV der Verordnung (EG) Nr. 1234/2008 der Kommission vom 24. November 2008 über die Prüfung von Änderungen der Zulassungen von Human- und Tierarzneimitteln festgelegten Verfahren und zu den gemäß diesen Verfahren einzureichenden Unterlagen (ABl. 2013, C 223, S. 1).


16      Anhang C.I.6 a) der Leitlinien der Kommission zur Verordnung Nr. 1234/2008 (oben, Fn. 15).


17      Vgl. Nrn. 3 und 4 der vorliegenden Schlussanträge.


18      Die Zeitformen dieser Bestimmung sind, wie die Kommission zutreffend ausführt, unklar. Nach dem wörtlichen Verständnis würde (zumindest in der deutschen, der französischen, der englischen und der bulgarischen Fassung) die tatsächliche Markteinführung der Erteilung der Genehmigung vorausgehen („müssen die Teile der Zusammenfassung der Merkmale des Referenzarzneimittels, die sich auf die Indikationen oder Dosierungen beziehen, die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens eines Generikums noch unter das Patentrecht fielen, nicht enthalten sein“ [Hervorhebung nur hier]). Dies widerspräche jedoch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83, der die Existenz einer Genehmigung für die Markteinführung voraussetzt.


19      Vgl. Fragen 4 und 5 der Empfehlungen der Co‑ordination Group for Mutual Recognition and Decentralised Procedures (CMDh) zu patentgeschützten Indikationen       (http://www.hma.eu/fileadmin/dateien/Human_Medicines/CMD_h_/Questions_Answers/CMDh-279-2012-Rev0-2012_10.pdf).


20      Vgl. die Mitteilung der Kommission zur Handhabung von mehreren Genehmigungsanträgen für ein bestimmtes Arzneimittel (Handling of Duplicate Marketing Authorisation Applications), Ref. Ares(2011)1044649 vom 3. Oktober 2011, S. 8, verfügbar unter        https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/files/latest_news/2011_09_duplicates_note_upd_01.pdf.


21      Vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juni 2015, Laboratoires CTRS/Kommission (T‑452/14, EU:T:2015:373, Rn. 68).


22      Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in den Rechtssachen Kommission/Litauen (C‑350/08, EU:C:2010:214, Nrn. 90 ff.) und Novartis Pharma (C‑535/11, EU:C:2013:53, Nr. 47); vgl. auch Urteil des Gerichts vom 15. September 2015, Novartis Europharm/Kommission (T‑472/12, EU:T:2015:637, Rn. 73 ff.).


23      Vgl. Nr. 43 der vorliegenden Schlussanträge.


24      Vgl. Nrn. 44 ff. der vorliegenden Schlussanträge.


25      Vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juni 2015, Laboratoires CTRS/Kommission (T‑452/14, EU:T:2015:373, Rn. 115).


26      Vgl. insbesondere Art. 21 Abs. 2, Art. 59 Abs. 1, Art. 61 Abs. 2, Art. 62, Art. 87 Abs. 2, Art. 91 Abs. 1 sowie Art. 92 der Richtlinie 2001/83.


27      Vgl. Nrn. 71 ff. der vorliegenden Schlussanträge.


28      Vgl. hierzu insbesondere den 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83 (ABl. 2004, L 136, S. 34), auf welche die aktuelle Fassung von Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83 zurückgeht.


29      Durch das Legislativpaket von 2004 (Richtlinie 2004/27 und Verordnung Nr. 726/2004) wurde daher nicht nur die Carve-out-Regelung in Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83 eingeführt, sondern auch Art. 10 der Richtlinie 2001/83 geändert und Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004 geschaffen, um ein zusätzliches Schutzjahr vorzusehen, wenn der Inhaber der Genehmigung innerhalb der ursprünglichen Unterlagenschutzfrist die Genehmigung eines oder mehrerer neuer Anwendungsgebiete erwirkt, die als von bedeutendem klinischem Nutzen im Vergleich zu den bestehenden Therapien betrachtet werden. Vgl. zu Innovations- und Generikaförderung auch den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung, Überwachung und Pharmakovigilanz von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln, KOM(2001) 404 endgültig.


30      Vgl. insbesondere Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 sowie Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004.


31      Vgl. den 12. Erwägungsgrund der Richtlinie 2010/84/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2010 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Pharmakovigilanz (ABl. 2010, L 348, S. 74).


32      Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1234/2008 bezieht sich auf „alle maßgeblichen Behörden“. Maßgebliche Behörde ist gemäß Art. 2 Nr. 7 Buchst. a der Verordnung Nr. 1234/2008 die zuständige Behörde jedes betroffenen Mitgliedstaats. Betroffener Mitgliedstaat ist nach Art. 2 Nr. 6 der Verordnung Nr. 1234/2008 jeder Mitgliedstaat, dessen zuständige Behörde eine Zulassung für das fragliche Arzneimittel erteilt hat.


33      Laut Angaben von WLC in der mündlichen Verhandlung hat Aurobindo die portugiesischen Behörden dementsprechend vorliegend über die Einführung eines Carve-out für die Niederlande informiert.


34      Vgl. Anhang C.I.6 b) der Leitlinien der Kommission zur Verordnung Nr. 1234/2008 (Nr. 21 und Fn. 15 der vorliegenden Schlussanträge).


35      Gemäß Anhang C.I.7 a) und b) der Leitlinien der Kommission unterfällt die Streichung einer „Darreichungsform“ oder „Stärke“ ebenfalls der Kategorie „geringfügige Änderungen des Typs IB“. Dies scheint der „Dosierung“ in Art. 11 Satz 2 der Richtlinie 2001/83 zu entsprechen. Die Terminologie der verschiedenen Sprachfassungen der Richtlinie und der Leitlinien ist hier etwas uneinheitlich: So verwendet z. B. die deutsche Fassung der Richtlinie den Begriff „Dosierung“ und die deutsche Fassung der Leitlinien die Begriffe „Darreichungsform“ und „Stärke“; die englische Fassung der Richtlinie verwendet den Begriff „dosage forms“ und die englische Fassung der Leitlinien die Begriffe „pharmaceutical form“ und „strength“; die französische Fassung der Richtlinie verwendet den Begriff „formes de dosage“ und die französische Form der Leitlinien die Begriffe „forme pharmaceutique“ und „dosage“.


36      Siehe Nr. 57 der vorliegenden Schlussanträge.


37      Siehe Nrn. 61 ff. der vorliegenden Schlussanträge.


38      Siehe Nr. 66 der vorliegenden Schlussanträge.


39      Vgl. Anhang C.I.6 a) der Leitlinien der Kommission zur Verordnung Nr. 1234/2008 (Nr. 23 und Fn. 16 der vorliegenden Schlussanträge); wenn keine Vorlage weiterer Daten verlangt wird, könnte es sich bei der Hinzufügung einer Indikation für ein Generikum nach Anhang C.I.2 der Leitlinien aber wohl auch um eine geringfügige Änderung des Typs IB handeln, für welche das einfache Mitteilungsverfahren nach Art. 9 der Verordnung Nr. 1234/2008 ausreichen würde. Vgl. auch Frage 6 der Information der CMDh zu patentgeschützten Indikationen        http://www.hma.eu/fileadmin/dateien/Human_Medicines/CMD_h_/Questions_Answers/CMDh-279-2012-Rev0-2012_10.pdf.


40      Vgl. Frage 3 des Fragen- und Antwortenteils der CMDh zu patentgeschützten Indikationen http://www.hma.eu/fileadmin/dateien/Human_Medicines/CMD_h_/Questions_Answers/CMDh-279-2012-Rev0-2012_10.pdf.