Language of document : ECLI:EU:C:2024:235

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

14. März 2024(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 258 AEUV – Richtlinie (EU) 2018/1972 – Europäischer Kodex für die elektronische Kommunikation – Unterbliebene Umsetzung und unterbliebene Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen – Art. 260 Abs. 3 AEUV – Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags und eines Zwangsgelds – Kriterien für die Festsetzung der Höhe der Sanktion“

In der Rechtssache C‑454/22

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV und Art. 260 Abs. 3 AEUV, eingelegt am 7. Juli 2022,

Europäische Kommission, vertreten durch U. Małecka, L. Malferrari, E. Manhaeve und A. Sauka als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Republik Lettland, vertreten durch J. Davidoviča und K. Pommere als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters J.‑C. Bonichot in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters S. Rodin und der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin),

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission,

–        festzustellen, dass die Republik Lettland dadurch, dass sie nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich waren, um Art. 124 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (ABl. 2018, L 321, S. 36) nachzukommen, oder ihr diese Vorschriften jedenfalls nicht mitgeteilt hat, ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie verletzt hat;

–        die Republik Lettland zu verurteilen, einen Pauschalbetrag in Höhe von 1 145,34 Euro/Tag, mindestens jedoch in Höhe von 316 000 Euro, zu zahlen;

–        die Republik Lettland, sofern der unter dem ersten Gedankenstrich beschriebene Verstoß bis zum Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache andauern sollte, zu verurteilen, an sie ab dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache bis zu dem Tag, an dem sie ihren Verpflichtungen aus der Richtlinie 2018/1972 nachgekommen ist, ein Zwangsgeld in Höhe von 1 145,34 Euro/Tag zu zahlen;

–        der Republik Lettland die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtlicher Rahmen

2        In den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie 2018/1972 heißt es:

„(2)      Die Funktionsweise der fünf Richtlinien, die Teil des geltenden Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste sind …, wird regelmäßig von der Kommission überprüft, um insbesondere festzustellen, ob diese Richtlinien angesichts der Technologie- und Marktentwicklung geändert werden müssen.

(3)      In ihrer Mitteilung vom 6. Mai 2015 mit einer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt in Europa stellte die Kommission fest, dass der Schwerpunkt ihrer Überprüfung des Rechtsrahmens für die Telekommunikation auf Maßnahmen zur Schaffung von Anreizen für Investitionen in Hochgeschwindigkeitsbreitbandnetze, für ein kohärenteres Binnenmarktkonzept für die Funkfrequenzpolitik und Funkfrequenzverwaltung, geeignete Rahmenbedingungen für einen echten Binnenmarkt durch Beseitigung der Unterschiede zwischen den nationalen Einzelregelungen, Gewährleistung eines wirksamen Verbraucherschutzes, gleiche Ausgangsbedingungen für alle Marktteilnehmer und eine einheitliche Anwendung der Bestimmungen sowie zur Bereitstellung eines wirksameren institutionellen Rechtsrahmen[s] liegen würde.“

3        Art. 1 („Gegenstand, Anwendungsbereich und Ziel“) der Richtlinie 2018/1972 bestimmt:

„(1)      Mit dieser Richtlinie wird ein harmonisierter Rahmen für die Regulierung elektronischer Kommunikationsnetze, elektronischer Kommunikationsdienste, zugehöriger Einrichtungen und zugehöriger Dienste sowie bestimmter Aspekte der Endeinrichtungen errichtet. Sie legt die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden und gegebenenfalls der anderen zuständigen Behörden sowie eine Reihe von Verfahren fest, die unionsweit die harmonisierte Anwendung des Rechtsrahmens gewährleisten.

(2)      Die Ziele dieser Richtlinie sind,

a)      die Errichtung eines Binnenmarkts für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste, der den Ausbau und die Nutzung von Netzen mit sehr hoher Kapazität bewirkt, einen nachhaltigen Wettbewerb und die Interoperabilität der elektronischen Kommunikationsdienste sowie die Zugänglichkeit und die Sicherheit von Netzen und Diensten gewährleistet und die Interessen der Endnutzer fördert; und

b)      die Bereitstellung unionsweiter hochwertiger, erschwinglicher, öffentlich zugänglicher Dienste durch wirksamen Wettbewerb und Angebotsvielfalt zu gewährleisten und die Fälle zu regeln, in denen die Bedürfnisse von Endnutzern – einschließlich Nutzern mit Behinderungen im Hinblick darauf, dass sie in gleicher Weise wie andere Zugang zu den Diensten haben – durch den Markt nicht ausreichend befriedigt werden können, sowie die notwendigen Endnutzerrechte festzulegen.

…“

4        Art. 124 („Umsetzung“) der Richtlinie 2018/1972 bestimmt in Abs. 1:

„Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 21. Dezember 2020 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

Die Mitgliedstaaten wenden diese Vorschriften ab dem 21. Dezember 2020 an.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. In diese Vorschriften fügen sie die Erklärung ein, dass Bezugnahmen in den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf die durch diese Richtlinie geänderten Richtlinien als Bezugnahmen auf diese Richtlinie gelten. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme und die Formulierung dieser Erklärung.“

 Vorverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

5        Die Republik Lettland teilte der Kommission am 29. September 2020 vorläufige Durchführungsvorschriften zur teilweisen Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 mit. Mit Schreiben vom 11. November 2020, dessen Erhalt die Kommission am 13. November 2020 bestätigte, wies sie darauf hin, dass in der Sitzung der Staatssekretäre vom 10. September 2020 der Entwurf eines Gesetzes über elektronische Medien (im Folgenden: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie) angenommen worden sei, das der Umsetzung der Richtlinie in das lettische Recht diene.

6        Die Kommission gelangte zu der Einschätzung, dass die Richtlinie 2018/1972 mit diesen Vorschriften, die sich auf den früheren rechtlichen Rahmen bezögen, nicht umgesetzt werde und dass die Republik Lettland mithin nicht gemäß Art. 124 der Richtlinie die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen habe, die erforderlich seien, um der Richtlinie nachzukommen. Sie forderte die Republik Lettland deshalb mit einem Aufforderungsschreiben vom 3. Februar 2021 auf, sich hierzu zu äußern.

7        Die lettischen Behörden antworteten am 26. März 2021. Sie berichteten über den Stand des Verfahrens der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 in das lettische Recht. Sie kündigten an, dass die Umsetzung voraussichtlich spätestens am 30. November 2021 abgeschlossen sein werde.

8        Da die Republik Lettland keine weiteren Angaben zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 machte, forderte die Kommission sie mit einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 23. September 2021 auf, dieser bis zum 23. November 2021 nachzukommen.

9        Am 5. November 2021 teilte die Republik Lettland weitere Umsetzungsmaßnahmen mit, die sich nach Auffassung der Kommission aber ebenfalls auf den früheren rechtlichen Rahmen bezogen.

10      Auf die mit Gründen versehene Stellungnahme antworteten die lettischen Behörden am 17. November 2021. Sie wiesen darauf hin, dass sich die Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 wegen der Covid-19-Pandemie noch einmal verzögert habe. Der Entwurf des Gesetzes über die Umsetzung der Richtlinie und die Ministerialverordnungen, die für den Abschluss der Umsetzung der Richtlinie erforderlich seien, würden nun voraussichtlich am 1. April bzw. 1. Juni 2022 angenommen werden.

11      Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass die Republik Lettland nicht die erforderlichen Vorschriften erlassen habe, um der Richtlinie 2018/1972 nachzukommen, und beschloss deshalb, beim Gerichtshof die vorliegende Klage zu erheben.

12      Die lettischen Behörden teilten der Kommission am 8. April 2022 weitere Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 mit. Am 12. April 2022 antworteten sie auf eine Nachfrage der Kommission zu diesen Maßnahmen. Sie teilten der Kommission insbesondere mit, dass Durchführungsverordnungen zum Zeitpunkt des Erlasses des Entwurfs des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie in Kraft treten würden. Die erste parlamentarische Lesung für diese Verordnungen sei für den 14. April 2022 vorgesehen.

13      Am 12., 28. und 29. April 2022 teilten die lettischen Behörden weitere Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 mit und machten ergänzende Angaben zum Stand der Umsetzung der Richtlinie. Sie wiesen insbesondere darauf hin, dass der Zeitplan des Gesetzgebungsverfahrens geändert worden sei, weil sich die Latvijas Republikas Saeima (Parlament der Republik Lettland) nun gleichzeitig auch noch mit dringenden Fragen betreffend die Covid-19-Pandemie, die erhebliche Steigerung der Energiekosten und den Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine zu befassen habe. In diesem Zusammenhang wiesen sie darauf hin, dass der Entwurf des Gesetzes über die Umsetzung der Richtlinie voraussichtlich am 1. Juni 2022 angenommen werde und die Durchführungsverordnungen gerade ausgearbeitet würden.

14      Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 (im Folgenden: Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie) wurde am 2. Juni 2022 angenommen. Es wurde vom Präsidenten der Republik Lettland aber nicht ausgefertigt, sondern dem Gesetzgeber gemäß der Lettischen Verfassung zur erneuten Beratung vorgelegt.

15      Am 7. Juli 2022 erhob die Kommission dann die vorliegende Klage.

16      Die Republik Lettland beantragt,

–        festzustellen, dass die Verspätung bei der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 im Verhältnis zu dem Schaden, der der Gesellschaft hätte entstehen können, wenn die Regierung die oben in Rn. 13 angesprochenen dringenden Fragen nicht vorrangig behandelt hätte, zu vernachlässigen ist, festzustellen, dass die Verspätung bei der Umsetzung der Richtlinie durch höhere Gewalt gerechtfertigt ist, gegen sie keine Sanktion zu verhängen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen,

–        hilfsweise, für den Fall, dass der Gerichtshof sich dafür entscheiden sollte, gegen sie eine Sanktion zu verhängen, im Hinblick auf die genannten Umstände und die Prognosen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) und den Umstand, dass die Vorschriften der Richtlinie 2018/1972 bereits vor deren vollständiger Umsetzung in das lettische Recht im Großen und Ganzen umgesetzt gewesen seien, den geringstmöglichen Betrag anzuwenden, die Höhe des Pauschalbetrags und/oder des Zwangsgelds im Verhältnis zu den Vorschriften, die bereits vor dem Beginn der Umsetzung der Richtlinie in Kraft gewesen seien und dieser entsprochen hätten, also bis auf 25 % des von der Kommission vorgeschlagenen Betrags herabzusetzen.

17      In der Klagebeantwortung vom 15. September 2022 hat die Republik Lettland insbesondere mitgeteilt, dass das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie am 29. Juli 2022 in Kraft getreten sei und dass die Durchführungsmaßnahmen der Regierung und der Verwaltung in der Zeit vom 4. bis zum 23. August 2022 angenommen worden seien, und eine Liste mit Durchführungsmaßnahmen, die gerade angenommen würden, vorgelegt. Die Kommission hat in ihrer Erwiderung vom 26. Oktober 2022 bestätigt, dass ihr diese Maßnahmen mitgeteilt worden seien.

18      In der Gegenerwiderung vom 7. Dezember 2022 hat die Republik Lettland behauptet, dass sie am 17. November 2022 die Maßnahmen mitgeteilt habe, mit denen die Richtlinie 2018/1972 vollständig umgesetzt worden sei.

19      Am 7. Dezember 2022 ist das schriftliche Verfahren in der vorliegenden Rechtssache abgeschlossen worden.

20      Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2023 hat die Kommission dem Gerichtshof mitgeteilt, dass die Republik Lettland ihr bestimmte Maßnahmen mitgeteilt habe und der Auffassung sei, dass die Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 damit abgeschlossen sei (im Folgenden: Schriftsatz vom 30. Juni 2023). Die Kommission vertritt jedoch die Auffassung, dass die Richtlinie mit diesen Maßnahmen noch nicht vollständig umgesetzt sei.

21      Wegen der Fortschritte, die die Republik Lettland bei der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 gemacht hat, hat die Kommission in ihrem Schriftsatz vom 30. Juni 2023 auch ihre Anträge zu den gegen die Republik Lettland zu verhängenden finanziellen Sanktionen angepasst.

22      Beim Pauschalbetrag hat die Kommission den Schwerekoeffizienten in Anbetracht der Zeitpunkte, zu denen die Republik Lettland die Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 mitgeteilt hat (29. Juli und 17. November 2022), herabgesetzt und beantragt, erstens für die Zeit von dem Tag, der auf den Tag, an dem die Frist zur Umsetzung der Richtlinie abgelaufen sei, gefolgt sei (22. Dezember 2020), bis zum 28. Juli 2022 einen Pauschalbetrag in Höhe von 349 650 Euro, zweitens für die Zeit vom 29. Juli 2022 bis 16. November 2022 einen Pauschalbetrag in Höhe von 39 480 Euro und drittens für die Zeit vom 17. November 2022 bis zum Ende des Verstoßes oder, falls der Verstoß nicht beendet wird, dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache einen Pauschalbetrag in Höhe von 210 Euro/Tag zu verhängen.

23      Beim Zwangsgeld schlägt die Kommission nun vor, bis zu dem Tag, an dem die Republik Lettland ihren Verpflichtungen aus Art. 124 Abs. 1 der Richtlinie 2018/1972 in vollem Umfang nachgekommen ist, ein Zwangsgeld in Höhe von 945 Euro/Tag zu verhängen.

24      Die Republik Lettland hat am 14. August 2023 zum Schriftsatz vom 30. Juni 2023 Stellung genommen. Sie macht geltend, dass die Richtlinie 2018/1972 mit den am 17. November 2022 mitgeteilten Maßnahmen, anders als die Kommission annehme, vollständig in das lettische Recht umgesetzt sei. Sie beantragt deshalb, gegen sie ab diesem Tag keinen Pauschalbetrag zu verhängen.

25      Der Gerichtshof hat den Parteien am 31. Dezember 2023 den Termin zur Verkündung des vorliegenden Urteils mitgeteilt.

26      Die Kommission hat dem Gerichtshof am 1. Februar 2024 zum einen mitgeteilt, dass die Republik Lettland ihr am 15. August 2023 bestimmte weitere Maßnahmen mitgeteilt habe, und zum anderen geltend gemacht, dass Art. 112 Abs. 1 der Richtlinie 2018/1972, anders als die Republik Lettland annehme, noch nicht richtig in das lettische Recht umgesetzt sei. Außerdem hat die Kommission darauf hingewiesen, dass sie ihre Anträge, was die Höhe der vorgeschlagenen Sanktionen angehe, in Anbetracht des sehr weit fortgeschrittenen Stadiums des Verfahrens nicht mehr neu beziffern könne. Eine solche Neubezifferung müsse technisch von ihren Dienststellen vorgenommen werden und außerdem Gegenstand einer Entscheidung des Kollegiums der Mitglieder der Kommission sein. Dies könne nicht erfolgen, ohne dass die Verkündung des Urteils des Gerichtshofs verzögert werde. Die Kommission stellt es deshalb dem Gerichtshof anheim, die Höhe der finanziellen Sanktionen, je nachdem, wie er diese weiteren Maßnahmen, die von der Republik Lettland mitgeteilt wurden, bewertet, anzupassen.

 Zur Klage

 Zu dem Verstoß gemäß Art. 258 AEUV

 Vorbringen der Parteien

27      Die Kommission weist in der Klageschrift darauf hin, dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf Art. 288 Abs. 3 AEUV verpflichtet seien, die Vorschriften zu erlassen, die erforderlich seien, um zu gewährleisten, dass die Richtlinien innerhalb der darin festgelegten Fristen in das jeweilige nationale Recht umgesetzt würden, und ihr die betreffenden Vorschriften unverzüglich mitzuteilen.

28      Für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß vorliege, sei die Situation maßgeblich, in der sich der betreffende Mitgliedstaat bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzten Frist befunden habe.

29      Im vorliegenden Fall habe die Republik Lettland die Vorschriften, die erforderlich gewesen seien, um die Richtlinie 2018/1972 in ihr nationales Recht umzusetzen, bei Ablauf dieser Frist, ja sogar bei Erhebung der vorliegenden Klage noch nicht erlassen, jedenfalls ihr aber nicht mitgeteilt gehabt.

30      Die Republik Lettland bestreite nicht wirklich, den ihr zur Last gelegten Verstoß begangen zu haben. Sie beschränke sich darauf, den Verstoß mit internen Umständen praktischer Art zu rechtfertigen. Solche Umstände vermöchten die Nichtumsetzung einer Richtlinie in der darin festgelegten Frist aber nicht zu rechtfertigen.

31      Die Republik Lettland bestreitet nicht wirklich, den Verstoß begangen zu haben. Sie macht vielmehr geltend, dass sie sich während des gesamten Verfahrens loyal verhalten habe, und rechtfertigt die Verspätung bei der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 mit der Komplexität der Richtlinie, bei der die Frist zur Umsetzung zu kurz gewesen sei, und der Komplexität des Verfahrens des Erlasses des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie. Außerdem beruft sie sich auf höhere Gewalt in Gestalt zum einen der Covid-19-Pandemie und deren Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation und zum anderen des Angriffs der Russischen Föderation auf die Ukraine. Was diesen letzten Punkt anbelangt, weist die Republik Lettland darauf hin, dass Lettland an Russland und Belarus angrenze. Für die nationale Sicherheit und die nationale Verteidigung habe der Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine, zumal er vom Hoheitsgebiet von Belarus aus erfolgt sei, deshalb eine stärkere Bedrohung dargestellt als bei vielen anderen Mitgliedstaaten. Die Überprüfung der Prioritäten habe sich daher erheblich auf die Arbeit der lettischen Regierung ausgewirkt. Der Notstand, der 2021 und 2022 wegen der Flüchtlinge aus Belarus, die sich nicht rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten hätten, ausgerufen worden sei, hätte sich unmittelbar auf den Zeitplan der zuständigen Behörden und auf die mit Vorrang anzugehenden Probleme ausgewirkt. Im Übrigen sei durch das geltende lettische Recht bereits eine hinreichende und vollständige Regelung des Sektors der elektronischen Kommunikation und ein Schutz der Interessen und Rechte der Endnutzer gewährleistet.

 Würdigung durch den Gerichtshof

32      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Vorliegen eines Verstoßes aufgrund der Situation zu beurteilen, in der sich der betreffende Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und können spätere Veränderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Weiter hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Mitgliedstaaten, wenn eine Richtlinie sie ausdrücklich dazu verpflichtet, zu gewährleisten, dass auf sie in den zu ihrer Umsetzung erforderlichen Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei deren amtlicher Veröffentlichung Bezug genommen wird, in jedem Fall eine positive Maßnahme zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie erlassen müssen, die eine solche Bezugnahme enthält (Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Im vorliegenden Fall ist die Frist zur Beantwortung der mit Gründen versehenen Stellungnahme am 23. November 2021 abgelaufen. Bei der Prüfung der Frage, ob die Republik Lettland den ihr zur Last gelegten Verstoß begangen hat, ist daher von den zu diesem Zeitpunkt geltenden nationalen Rechtsvorschriften auszugehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Insoweit steht fest, dass die Republik Lettland die zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 erforderlichen Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt nicht getroffen und der Kommission damit auch nicht mitgeteilt hatte.

36      Die Republik Lettland rechtfertigt den ihr zur Last gelegten Verstoß erstens mit ihrem loyalen Verhalten während des gesamten Verfahrens, zweitens mit der Komplexität der Richtlinie 2018/1972, bei der die Frist zur Umsetzung zu kurz gewesen sei, und der Komplexität des Verfahrens zum Erlass des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie, drittens mit höherer Gewalt in Gestalt der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und des Angriffs der Russischen Föderation auf die Ukraine und viertens damit, dass der Sektor der elektronischen Kommunikation durch das lettische Recht bereits hinreichend und vollständig geregelt sei.

37      Dieses Vorbringen vermag den von der Kommission gerügten Verstoß jedoch nicht zu rechtfertigen.

38      Erstens ergibt sich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum loyalen Verhalten gegenüber den Unionsorganen, wozu auch die richtige und vollständige Umsetzung der Richtlinien innerhalb der darin festgelegten Fristen zählt, unmittelbar aus Art. 4 Abs. 3 EUV. Das loyale Verhalten gegenüber den Unionsorganen vermag deshalb einen Verstoß gegen eine andere Vorschrift des Unionsrechts nicht zu rechtfertigen.

39      Zweitens ändert die angebliche Komplexität der Vorschriften der Richtlinie 2018/1972 nichts an dem zur Last gelegten Verstoß. Wie die Kommission zu Recht geltend macht, wusste der Unionsgesetzgeber bei der Festlegung der Frist zur Umsetzung der Richtlinie nämlich, wie komplex diese ist. Jedenfalls wäre es allein seine Sache gewesen, die Frist zu verlängern. Es stand den Mitgliedstaaten nicht zu, die Frist nicht einzuhalten, und der Kommission nicht, die Nichteinhaltung der Frist zu tolerieren. Die Republik Lettland hat aber nicht behauptet, dass sie die erforderlichen Schritte unternommen hätte, um eine Verlängerung der Frist zu erwirken.

40      Auch die angebliche Komplexität des Verfahrens der Annahme des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie ändert nichts an dem zur Last gelegten Verstoß. Denn nach ständiger Rechtsprechung können Übungen oder Umstände der internen Rechtsordnung eines Mitgliedstaats nicht die Nichtbeachtung der Verpflichtungen und Fristen, die sich aus den Unionsrichtlinien ergeben, und somit auch nicht die verspätete oder unvollständige Umsetzung einer Richtlinie rechtfertigen (Urteil vom 13. Januar 2021, Kommission/Slowenien [MiFID II], C‑628/18, EU:C:2021:1, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Was drittens die Auswirkungen zum einen der Covid-19-Pandemie, die Anfang 2020 ausgebrochen ist, und zum anderen des Angriffskriegs, den die Russische Föderation seit Februar 2022 gegen die Ukraine führt, angeht, ist nicht dargetan, ja nicht einmal behauptet, dass die Verspätung, mit der die Republik Lettland die Richtlinie 2018/1972 umgesetzt hat, in vollem Umfang darauf zurückzuführen wäre.

42      Viertens ist ein Mitgliedstaat nach der oben in Rn. 33 angeführten Rechtsprechung nicht bereits deshalb von seiner Verpflichtung enthoben, die Richtlinie 2018/1972 in sein Recht umzusetzen, weil das vor deren Inkrafttreten geltende Recht bereits in Einklang mit der Richtlinie stand. Dieser Umstand vermag eine Verletzung dieser Verpflichtung daher nicht zu rechtfertigen.

43      Somit ist festzustellen, dass die Republik Lettland dadurch, dass sie bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich waren, um der Richtlinie 2018/1972 nachzukommen, nicht erlassen und der Kommission damit auch nicht mitgeteilt hat, ihre Verpflichtungen aus Art. 124 Abs. 1 der Richtlinie 2018/1972 verletzt hat.

 Zu den Anträgen gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV

 Vorbringen der Parteien

44      In der Klageschrift macht die Kommission geltend, dass die Richtlinie 2018/1972 im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen worden sei und damit in den Anwendungsbereich von Art. 260 Abs. 3 AEUV falle und dass die Verletzung der Verpflichtungen aus Art. 124 der Richtlinie 2018/1972, die die Republik Lettland dadurch begangen habe, dass sie ihr die Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie nicht mitgeteilt habe, ganz klar eine Nichtmitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie im Sinne von Art. 260 Abs. 3 AEUV darstelle.

45      In Ziff. 23 ihrer Mitteilung 2011/C 12/01 „Anwendung von Artikel 260 Absatz 3 AEUV“ (ABl. 2011, C 12, S. 1) (im Folgenden: Mitteilung von 2011) habe sie darauf hingewiesen, dass die Sanktionen, die sie gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV vorschlagen werde, nach derselben Methode berechnet würden wie der in den Abschnitten 14 bis 18 ihrer Mitteilung SEK(2005) 1658 „Anwendung von Artikel [260 AEUV]“ (im Folgenden: Mitteilung von 2005) dargestellten, die bei der Anrufung des Gerichtshofs gemäß Art. 260 Abs. 2 AEUV angewandt werde.

46      Danach müssten bei der Festlegung der Höhe der Sanktion erstens die Schwere des Verstoßes, zweitens dessen Dauer und drittens die erforderliche Abschreckungswirkung, um einen erneuten Verstoß zu verhindern, zugrunde gelegt werden.

47      Was als Erstes die Schwere der Zuwiderhandlung angehe, so ziehe sie bei der Festsetzung des Schwerekoeffizienten gemäß Abschnitt 16 der Mitteilung von 2005 und gemäß der Mitteilung von 2011 zwei Gesichtspunkte heran, nämlich zum einen die Bedeutung der Vorschriften des Unionsrechts, gegen die der Mitgliedstaat verstoßen habe, und zum anderen die Folgen dieses Verstoßes sowohl für das Gemeinwohl als auch für die Interessen Einzelner.

48      Hierzu sei zum einen festzustellen, dass die Richtlinie 2018/1972 der Hauptrechtsakt im Bereich der elektronischen Kommunikation sei. Mit dem europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (im Folgenden: EKEK) würden die unionsrechtlichen Vorschriften über die elektronische Kommunikation modernisiert, indem die Wahlmöglichkeiten und die Rechte der Verbraucher gestärkt würden, anspruchsvollere Normen für die elektronische Kommunikation garantiert würden, Investitionen in Netze mit sehr hoher Kapazität gefördert würden und der drahtlose Zugang zu Netzen mit sehr hoher Kapazität in der gesamten Union gefördert werde. Außerdem würden mit dem EKEK Regeln für die Organisation des Sektors der elektronischen Kommunikation, u. a. für dessen institutionelle Struktur und Verwaltung, aufgestellt. Durch die Bestimmungen des EKEK werde die Rolle der nationalen Regulierungsbehörden gestärkt, indem Aufgaben festgelegt würden, die diese in der gesamten Union mindestens haben müssten, und indem durch die Aufstellung von Kriterien für die Ernennung der Mitglieder und die Verpflichtungen im Bereich der Mitteilung von Informationen die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden gestärkt werde. Im Übrigen werde durch den EKEK auch eine effiziente und effektive Verwaltung der Funkfrequenzen sichergestellt. Durch die entsprechenden Bestimmungen würden die Praktiken der Mitgliedstaaten hinsichtlich der wesentlichen Aspekte der Genehmigungen im Zusammenhang mit Funkfrequenzen besser aufeinander abgestimmt und der Wettbewerb zwischen Infrastrukturen und die Entwicklung von Netzen mit sehr hoher Kapazität in der gesamten Union gefördert. Schließlich würden durch den EKEK verschiedene Aspekte der Erbringung von Diensten der elektronischen Kommunikation geregelt, u. a. die Universaldienstverpflichtung, die Nummerierungsressourcen und die Endnutzerrechte. Die Verschärfung dieser Regeln diene dazu, die Sicherheit und den Verbraucherschutz zu verbessern, insbesondere was den Zugang zu Diensten der elektronischen Kommunikation zu erschwinglichen Preisen angehe.

49      Zum anderen schade die Nichtumsetzung der Richtlinie 2018/1972 in das lettische Recht erstens der Regulierungspraxis in der gesamten Union, was die Verwaltung des Systems der elektronischen Kommunikation, die Genehmigungen im Zusammenhang mit den Funkfrequenzen und die Regeln über den Zugang zum Markt angehe. Den Unternehmen kämen weder einheitlichere und vorhersehbarere Verfahren für die Erteilung oder Verlängerung der Rechte zur Nutzung bestehender Funkfrequenzen noch die Vorhersehbarkeit des Regelungsrahmens aufgrund der Mindestdauer von 20 Jahren der Rechte zur Nutzung der Funkfrequenzen zugute. Solche Mängel wirkten sich unmittelbar auf die Verfügbarkeit und die Entwicklung von Netzen mit sehr hoher Kapazität in der Union aus. Zweitens würden den Verbrauchern eine ganze Reihe handfester Vorteile vorenthalten, die ihnen durch die Richtlinie gewährt würden, z. B. Lösungen über den Zugang zu erschwinglichen Kommunikationsdiensten, das Erfordernis, dass ihnen Informationen über ihre Verträge erteilt werden müssten, die Verpflichtung, transparente Entgelte anzuwenden, die Vereinfachung des Wechsels des Netzanbieters, um erschwinglichere Endkundenpreise zu fördern, und die Verpflichtung der Anbieter, Endnutzern mit Behinderungen einen gleichwertigen Zugang zu den Kommunikationsdiensten anzubieten.

50      Dass die Republik Lettland ihr Rechtsakte des abgeleiteten Rechts mitgeteilt habe, die ihrer Auffassung nach für die Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 erforderlich seien, sei als mildernder Umstand anzusehen.

51      Im vorliegenden Fall sei daher ein Schwerekoeffizient von 9 angemessen und verhältnismäßig. Dieser sei wegen der oben in Rn. 20 angesprochenen Maßnahmen, die die Republik Lettland mitgeteilt habe, stufenweise herabzusetzen, und zwar für die Zeit vom 29. Juli bis zum 16. November 2022 auf 4 und für die Zeit nach dem 17. November 2022 auf 3.

52      Als Zweites macht die Kommission zur Dauer des Verstoßes geltend, dass dieser von dem Tag, der auf den Tag, an dem die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 abgelaufen sei, gefolgt sei (22. Dezember 2020), bis zu dem Tag, an dem der Verstoß geendet habe, gedauert habe. Da die Republik Lettland Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie teilweise mitgeteilt habe, sei die Dauer des Verstoßes bei dem Teil der Zuwiderhandlung, der vom 22. Dezember 2020 bis zum 28. Juli 2022 gedauert habe, 555 Tage und bei dem Teil der Zuwiderhandlung, der vom 29. Juli bis zum 16. November 2022 gedauert habe, 141 Tage. Bei dem Teil der Zuwiderhandlung, der die Maßnahmen betreffe, die ihr noch mitgeteilt werden müssten, dauere der Verstoß noch an.

53      Was als Drittes die Zahlungsfähigkeit der Republik Lettland angeht, so hat die Kommission gemäß ihrer Mitteilung 2019/C 70/01 „Änderung der Berechnungsmethode für Pauschalbeträge und Tagessät[z]e für das Zwangsgeld, die von der Kommission im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgeschlagen werden“ (ABl. 2019, C 70, S. 1) den Faktor „n“ angewandt. Dieser Faktor berücksichtige zwei Elemente, nämlich das BIP und das institutionelle Gewicht des betreffenden Mitgliedstaats, wie es in der Anzahl der Sitze, die diesem im Europäischen Parlament zugewiesen seien, zum Ausdruck komme.

54      Obwohl der Gerichtshof in seinem Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Griechenland (Rückforderung von staatlichen Beihilfen – Ferronickel) (C‑51/20, EU:C:2022:36), bereits sowohl dieses zweite Element als auch den in der genannten Mitteilung vorgesehenen Anpassungsfaktor von 4,5 für nicht maßgeblich erachtet hat, hat sich die Kommission dafür entschieden, im vorliegenden Fall bis zum Erlass einer neuen Mitteilung, die dieser jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs Rechnung trage, die in der genannten Mitteilung vorgesehenen Kriterien anzuwenden.

55      Nach ihrer Mitteilung 2022/C 74/02 „Aktualisierung der Daten für die Berechnung der Pauschalbeträge und Zwangsgelder, die die Kommission dem Gerichtshof der Europäischen Union bei Vertragsverletzungsverfahren vorschlägt“ (ABl. 2022, C 74, S. 2) (im Folgenden: Mitteilung von 2022) betrage der Faktor „n“ für die Republik Lettland 0,14. In ihrem Schriftsatz vom 30. Juni 2023 hat die Kommission jedoch den Faktor „n“ 0,07 angewandt, der jetzt für die Republik Lettland in Anhang I der Mitteilung 2023/C 2/01 der Kommission „Finanzielle Sanktionen in Vertragsverletzungsverfahren“ (ABl. 2023, C 2, S. 1, im Folgenden: Mitteilung von 2023) vorgesehen ist.

56      Sie beantrage gemäß ihrer Mitteilung 2017/C 18/02 „EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung“ (ABl. 2017, C 18, S. 10), gegen die Republik Lettland zum einen für die Zeit von der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache bis zu dem Tag, an dem die Republik Lettland dem Urteil in vollem Umfang nachgekommen sei, ein Zwangsgeld und zum anderen für die Zeit von dem Tag, der auf den Tag gefolgt sei, an dem die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 abgelaufen sei, bis zu dem Tag, an dem die Republik Lettland ihren Verpflichtungen aus der Richtlinie in vollem Umfang nachgekommen sei, oder dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache einen Pauschalbetrag zu verhängen.

57      Was das Zwangsgeld angeht, weist die Kommission darauf hin, dass die Höhe des Zwangsgelds nach Abschnitt 18 der Mitteilung von 2005 sowohl angemessen sein als auch eine abschreckende Wirkung entfalten müsse. Entsprechend werde die Höhe des Zwangsgelds berechnet, indem der einheitliche Grundbetrag mit dem Schwere- und dem Dauerkoeffizienten und dann mit dem Faktor „n“ des betreffenden Mitgliedstaats multipliziert werde. Insoweit hatte sich die Kommission in ihrer Klageschrift auf die Mitteilung von 2022 bezogen. In ihrem Schriftsatz vom 30. Juni 2023 bezieht sie sich nun auf die Mitteilung von 2023. Nach Nr. 1 des Anhangs I dieser Mitteilung betrage der „Grundbetrag für das Zwangsgeld“ 3 000 Euro/Tag. Die Kommission schlägt als Schwerekoeffizienten 3 und als Dauerkoeffizienten 1,5 vor. Sie wendet bei der Republik Lettland einen Faktor „n“ von 0,07 an (siehe oben, Rn. 55). Dementsprechend schlägt sie für die Zeit von dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache bis zu dem Tag, an dem die Republik Lettland ihren Verpflichtungen aus Art. 124 Abs. 1 der Richtlinie 2018/1972 in vollem Umfang nachgekommen ist, ein Zwangsgeld in Höhe von 945 Euro/Tag vor.

58      Zum Pauschalbetrag führt die Kommission aus, dass dieser nach Abschnitt 20 der Mitteilung von 2005 einen festen Mindestbetrag nicht unterschreiten dürfe. Der feste Mindestbetrag trage dem Grundsatz Rechnung, dass jede fortdauernde Nichtdurchführung des Unionsrechts unabhängig von erschwerenden Umständen gleich welcher Art in einer Rechtsgemeinschaft schon an sich einen Verstoß gegen das Legalitätsprinzip darstelle, der mit einer echten Sanktion geahndet werden müsse. Nach der Mitteilung von 2022 betrage der Mindestpauschalbetrag für die Republik Lettland 316 000 Euro.

59      Nach der Methode gemäß den Mitteilungen von 2005 und von 2011 schlägt die Kommission dem Gerichtshof für den Fall, dass der errechnete Pauschalbetrag den Mindestpauschalbetrag übersteigt, vor, den Pauschalbetrag zu bestimmen, indem für die Zeit von dem Tag, der auf den Tag gefolgt sei, an dem die in der betreffenden Richtlinie festgelegte Umsetzungsfrist abgelaufen sei, bis zu dem Tag, an dem der Verstoß abgestellt sei, oder, wenn der Verstoß nicht abgestellt werde, dem Tag der Verkündung des gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV ergangenen Urteils, ein Tagessatz mit der Anzahl der Tage, an denen der Verstoß nicht abgestellt sei, multipliziert werde. Der Tagessatz des Pauschalbetrags werde berechnet, indem der einheitliche Grundbetrag für die Berechnung des Tagessatzes des Pauschalbetrags mit dem Schwerekoeffizienten und dem Faktor „n“ multipliziert werde. Nach Nr. 2 des Anhangs I der Mitteilung von 2023 sei der einheitliche Grundbetrag 1 000 Euro. Im vorliegenden Fall betrage der Schwerekoeffizient für die ersten 555 Tage des Verstoßes (22. Dezember 2020 bis 28. Juli 2022) 9, für die 141 folgenden Tage (29. Juli bis 16. November 2022) 4 und für die Zeit ab dem 17. November 2022 3. Der Faktor „n“ sei 0,07. Es ergebe sich somit ein Pauschalbetrag in Höhe von 349 650 Euro für die Zeit vom 22. Dezember 2020 bis zum 28. Juli 2022, in Höhe von 39 480 Euro für die Zeit vom 29. Juli bis zum 16. November 2022 und in Höhe von 210 Euro/Tag für die Zeit vom 17. November 2022 bis zu dem Tag, an dem die Republik Lettland ihren Verpflichtungen aus der Richtlinie 2018/1972 in vollem Umfang nachgekommen sei oder das Urteil in der vorliegenden Rechtssache verkündet werde.

60      Zur Schwere des Verstoßes macht die Republik Lettland geltend, dass schon der bereits vorhandene rechtliche Rahmen ausreichend und vollständig gewesen sei. Die Verspätung bei der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 habe unmittelbar keine Verluste verursacht und auch den Sektor der elektronischen Kommunikation nicht beeinträchtigt.

61      Die Republik Lettland weist insbesondere darauf hin, dass sie nicht versucht habe, die Richtlinie 2018/1972 nicht umzusetzen, und dass sie die Kommission regelmäßig über den Stand des Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung der Richtlinie informiert habe. Im Übrigen werde durch die Richtlinie im Wesentlichen der bereits vorhandene rechtliche Rahmen verbessert, ohne dass grundlegende Änderungen vorgenommen würden.

62      Zur Dauer des Verstoßes macht die Republik Lettland geltend, dass diese, da ihre Verspätung bei der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 keine negativen Auswirkungen gehabt habe, überhaupt nicht relevant sei.

63      Werde gegen sie eine Sanktion verhängt, so hätte dies keine abschreckende Wirkung. Vielmehr würde in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, dass formale Fragen, für die der Staat mit Sanktionen belegt werden könne, Vorrang hätten vor Fragen, die ihrem Wesen nach von großer nationaler und gesellschaftlicher Bedeutung seien, wie etwa die Eindämmung der Covid-19-Pandemie, der Zustrom von Flüchtlingen aus Belarus vor dem Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine, die höheren Energiekosten und die Lösung von durch den Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine bedingten dringenden Problemen. Im Übrigen seien die Prognosen für das Wachstum des BIP wegen des Angriffs der Russischen Föderation auf die Ukraine für die Jahre 2022 und 2023 erheblich gesenkt worden, nämlich auf 1,8 % bzw. 3,2 %.

64      In der Erwiderung macht die Kommission geltend, dass der von der Republik Lettland bestrittene Verstoß das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen könne und es sich bei ihm deshalb, auch wenn er keine negativen Auswirkungen habe, um einen schweren Verstoß handele. Auch wenn die Richtlinie 2018/1972 eine ganze Reihe bereits vorhandener Vorschriften übernehme, modernisiere sie jedenfalls auch den rechtlichen Rahmen, insbesondere, indem neue Vorschriften betreffend den Ausbau der 5G-Netze, den Ausbau von neuen Festnetzen mit sehr hoher Kapazität und neue Lösungen, um die Verbraucher besser zu schützen, eingeführt würden.

65      Die Sanktionen gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV dienten hauptsächlich dazu, zu gewährleisten, dass die Rechtsakte der Union in den darin festgelegten Fristen umgesetzt würden, und zu verhindern, dass solche Verstöße wieder begangen würden. Die Umsetzung einer Richtlinie innerhalb der darin festgelegten Fristen sei nicht bloß eine Formsache, sondern eine grundlegende Verpflichtung, die den Mitgliedstaaten auferlegt werde, damit die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleistet sei.

66      Die Republik Lettland hält in der Gegenerwiderung an ihrer Auffassung fest. Sie ergänzt, dass die Richtlinie 2018/1972 mit dem Erlass der Maßnahmen, die sie der Kommission am 17. November 2022 mitgeteilt habe, nun vollständig umgesetzt sei.

67      In ihrem Schriftsatz vom 30. Juni 2023 vertritt die Kommission hingegen die Auffassung, dass mit diesen Maßnahmen bestimmte Vorschriften der Richtlinie 2018/1972 überhaupt nicht, andere unvollständig umgesetzt würden.

68      Die Republik Lettland hält in ihrer Stellungnahme zu diesem Schriftsatz an ihrer Auffassung fest, dass die Richtlinie 2018/1972 mit den genannten Maßnahmen vollständig in das lettische Recht umgesetzt sei.

 Würdigung durch den Gerichtshof

69      Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 43), steht fest, dass die Republik Lettland der Kommission bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist nicht die Maßnahmen zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 im Sinne von Art. 260 Abs. 3 AEUV mitgeteilt hatte. Der festgestellte Verstoß fällt deshalb in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung.

70      Die Kommission beantragt die Verhängung eines Pauschalbetrags und eines Zwangsgelds.

71      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hängt die Frage, ob die eine oder die andere dieser beiden Maßnahmen angewandt wird, von ihrer Eignung zur Erfüllung des verfolgten Zweckes nach Maßgabe der Umstände des konkreten Falles ab. Während die Verhängung eines Zwangsgelds besonders geeignet erscheint, um einen Mitgliedstaat dazu anzuhalten, einen Verstoß, der ohne eine solche Maßnahme die Tendenz hätte, fortzubestehen, innerhalb kürzester Zeit zu beenden, beruht die Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags eher auf der Beurteilung der Folgen einer Nichterfüllung der Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats für die privaten und öffentlichen Interessen, insbesondere wenn der Verstoß lange Zeit fortbestanden hat (Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

–       Zum Antrag auf Verhängung eines Zwangsgelds

72      Zu der Frage, ob es im vorliegenden Fall angezeigt ist, ein Zwangsgeld zu verhängen, ist festzustellen, dass die Verhängung eines Zwangsgelds nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs grundsätzlich nur gerechtfertigt ist, soweit der Verstoß, der mit ihm geahndet werden soll, bis zur Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof, also bis zum Abschluss des Verfahrens, andauert (Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 55 und 57 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Um zu bestimmen, ob im vorliegenden Fall die Verhängung eines Zwangsgelds in Betracht kommt, ist mithin zu prüfen, ob der oben in Rn. 43 festgestellte Verstoß bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens (7. Dezember 2022) angedauert hat.

74      Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass mit der in Art. 260 Abs. 3 AEUV genannten „Verpflichtung, Maßnahmen zur Umsetzung mitzuteilen“, gemeint ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, hinreichend klare und genaue Informationen über die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitzuteilen. Um den Erfordernissen der Rechtssicherheit zu genügen und zu gewährleisten, dass alle Bestimmungen der Richtlinie im gesamten Hoheitsgebiet umgesetzt werden, müssen die Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV) für jede Bestimmung der Richtlinie angeben, mit welchen nationalen Vorschriften sie ihre verschiedenen Verpflichtungen aus der Richtlinie erfüllt zu haben glauben. Sobald diese Mitteilung, gegebenenfalls unter Beifügung einer Konkordanztabelle, erfolgt ist, obliegt es der Kommission, im Hinblick auf einen Antrag, gegen den betreffenden Mitgliedstaat die in Art. 260 Abs. 3 AEUV vorgesehene finanzielle Sanktion zu verhängen, nachzuweisen, dass bestimmte Umsetzungsmaßnahmen offensichtlich unterblieben sind oder sich nicht auf das gesamte Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats erstrecken; es ist nicht Sache des Gerichtshofs, im Rahmen des in Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens zu prüfen, ob die der Kommission mitgeteilten nationalen Maßnahmen eine ordnungsgemäße Umsetzung der Bestimmungen der fraglichen Richtlinie gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 51 und 59 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Insoweit geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervor, dass die Republik Lettland der Kommission am 17. November 2022 bestimmte Maßnahmen mitgeteilt hat. In der Gegenerwiderung hat die Republik Lettland ausdrücklich behauptet, dass die Richtlinie 2018/1972 mit diesen Maßnahmen ihrer Auffassung nach nun vollständig in das lettische Recht umgesetzt sei.

76      Die Kommission hingegen hat in ihrem Schriftsatz vom 30. Juni 2023 lediglich behauptet, dass die Republik Lettland bis dahin noch keine Maßnahmen zur Umsetzung von Art. 1 Abs. 4, Art. 35 Abs. 7 und 9, Art. 48 Abs. 2, Art. 49 Abs. 3, Art. 69 Abs. 4, Art. 96 Abs. 4, Art. 100 und Art. 112 der Richtlinie 2018/1972 mitgeteilt habe. Außerdem seien Art. 43 Abs. 2, Art. 61 Abs. 4, Art. 62 Abs. 2, Art. 76 Abs. 2, Art. 80 Abs. 3 Satz 2 und Art. 102 Abs. 2 der Richtlinie nicht vollständig in das lettische Recht umgesetzt worden.

77      Die Kommission hat mithin nicht dargetan, dass die Maßnahmen, die die Republik Lettland ihr am 17. November 2022 mitgeteilt hat, die Richtlinie 2018/1972 offensichtlich nicht in das lettische Recht umsetzten oder sich nicht auf das gesamte Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats erstreckten.

78      Im Übrigen hat die Republik Lettland in ihrer Stellungnahme zu dem Schriftsatz vom 30. Juni 2023 nicht nur bekräftigt, dass die Richtlinie 2018/1972 mit diesen Maßnahmen ihrer Auffassung nach nun vollständig umgesetzt sei, sondern auch erläutert, warum bei den oben in Rn. 76 genannten Vorschriften der Richtlinie davon auszugehen sei, dass sie vollständig in das lettische Recht umgesetzt seien.

79      Die Kommission beschränkt sich in ihrem Schreiben vom 1. Februar 2024 (siehe oben, Rn. 26) darauf, dem Gerichtshof mitzuteilen, wie sie die Maßnahmen, die ihr am 15. August 2023 mitgeteilt worden seien, beurteilt, und darauf hinzuweisen, dass es zwischen ihr und der Republik Lettland hinsichtlich der Umsetzung von Art. 112 Abs. 1 der Richtlinie 2018/1972 Meinungsverschiedenheiten gebe.

80      Nach der oben in Rn. 74 dargestellten Rechtsprechung ist es aber nicht Sache des Gerichtshofs, im Rahmen des in Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens darüber zu befinden, ob solche Maßnahmen eine ordnungsgemäße Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie gewährleisten.

81      Ist die Kommission der Auffassung, dass von einem Mitgliedstaat mitgeteilte Umsetzungsmaßnahmen keine ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie gewährleisten, kann eine finanzielle Sanktion gegen diesen Mitgliedstaat nur am Ende eines Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Art. 260 Abs. 2 AEUV verhängt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien [Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze], C‑543/17, EU:C:2019:573, Rn. 55 bis 57).

82      Demnach hat die Republik Lettland den oben in Rn. 43 festgestellten Verstoß dadurch, dass sie der Kommission am 17. November 2022 die Maßnahmen mitgeteilt hat, mittels deren sie ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2018/1972 vollständig erfüllt zu haben glaubte, beendet.

83      Der Antrag der Kommission auf Verurteilung der Republik Lettland zur Zahlung eines Zwangsgelds ist daher zurückzuweisen.

–       Zum Antrag auf Verhängung eines Pauschalbetrags

84      Zu der Frage, ob es im vorliegenden Fall angezeigt ist, einen Pauschalbetrag zu verhängen, ist festzustellen, dass es Sache des Gerichtshofs ist, in jeder Rechtssache anhand der Umstände des Einzelfalls, mit dem er befasst ist, sowie nach Maßgabe des ihm erforderlich erscheinenden Grades an Überzeugungs- und Abschreckungswirkung die angemessenen finanziellen Sanktionen zu bestimmen, um insbesondere die Wiederholung ähnlicher Verstöße gegen das Unionsrecht zu verhindern (Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85      Zwar hat die Republik Lettland während des gesamten Vorverfahrens mit den Dienststellen der Kommission kooperiert und diese laufend darüber unterrichtet, aus welchen Gründen sie an der Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 in das lettische Recht gehindert war. Dennoch ist im vorliegenden Fall in Anbetracht aller rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte des festgestellten Verstoßes – nämlich der Nichtmitteilung der zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Maßnahmen bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist und sogar noch zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage – der Erlass einer abschreckenden Maßnahme wie die Verhängung eines Pauschalbetrags zur wirksamen Verhinderung einer zukünftigen Wiederholung entsprechender Verstöße gegen das Unionsrecht geboten (vgl. entsprechend Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem oben in den Rn. 60 bis 63 dargestellten Vorbringen der Republik Lettland.

87      Was erstens die Behauptung angeht, dass schon der bereits vorhandene rechtliche Rahmen ausreichend gewesen sei, ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nach der oben in Rn. 33 dargestellten Rechtsprechung, wenn eine Richtlinie sie ausdrücklich dazu verpflichtet, zu gewährleisten, dass auf sie in den zu ihrer Umsetzung erforderlichen Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei deren amtlicher Veröffentlichung Bezug genommen wird, in jedem Fall eine positive Maßnahme zur Umsetzung der betreffenden Richtlinie erlassen müssen.

88      Zweitens mag der Umstand, dass der oben in Rn. 43 festgestellte Verstoß keine negativen Auswirkungen gehabt hat – einmal unterstellt, dem sei so –, bei der Bestimmung der Höhe des Pauschalbetrags für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes relevant sein. Für die Frage, ob es überhaupt angezeigt ist, eine solche Sanktion zu verhängen, ist er nicht relevant.

89      Drittens ist die Mitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie, wie die Kommission zu Recht geltend macht, keine reine Formsache. Die Pflicht, nationale Maßnahmen zu erlassen, um die vollständige Umsetzung einer Richtlinie sicherzustellen, und die Pflicht, diese Maßnahmen der Kommission mitzuteilen, sind wesentliche Pflichten der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts (Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Deshalb ist es angezeigt, gegen die Republik Lettland einen Pauschalbetrag zu verhängen.

91      In Bezug auf die Berechnung des Pauschalbetrags ist Folgendes festzustellen: Es ist Sache des Gerichtshofs, in Ausübung seines entsprechenden Ermessens innerhalb des Rahmens der Vorschläge der Kommission den Pauschalbetrag, zu dessen Zahlung ein Mitgliedstaat gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV verurteilt werden kann, so festzusetzen, dass er zum einen den Umständen angepasst ist und zum anderen in angemessenem Verhältnis zu dem begangenen Verstoß steht. Zu den insoweit relevanten Faktoren zählen u. a. Aspekte wie die Schwere des festgestellten Verstoßes, der Zeitraum, in dem dieser fortbestanden hat, und die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats (Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Was als Erstes die Schwere des Verstoßes angeht, ist festzustellen, dass nach der oben in Rn. 89 dargestellten Rechtsprechung die Pflicht, nationale Maßnahmen zu erlassen, um die vollständige Umsetzung einer Richtlinie sicherzustellen, und die Pflicht, diese Maßnahmen der Kommission mitzuteilen, wesentliche Pflichten der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts sind und dass der Verletzung dieser Pflichten daher eine gewisse Schwere beizumessen ist.

93      Im vorliegenden Fall war die Republik Lettland ihren sich aus der Richtlinie 2018/1972 ergebenden Verpflichtungen zur Umsetzung bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist (23. November 2021) nicht nachgekommen (siehe oben, Rn. 43), so dass die volle Wirksamkeit des Unionsrechts nicht gewährleistet war.

94      Außerdem ist die Richtlinie 2018/1972, wie die Kommission hervorgehoben hat, der Hauptrechtsakt im Bereich der elektronischen Kommunikation.

95      Insbesondere bestimmt Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2018/1972: „Mit dieser Richtlinie wird ein harmonisierter Rahmen für die Regulierung elektronischer Kommunikationsnetze, elektronischer Kommunikationsdienste, zugehöriger Einrichtungen und zugehöriger Dienste sowie bestimmter Aspekte der Endeinrichtungen errichtet. Sie legt die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden und gegebenenfalls der anderen zuständigen Behörden sowie eine Reihe von Verfahren fest, die unionsweit die harmonisierte Anwendung des Rechtsrahmens gewährleisten.“

96      Nach ihrem Art. 1 Abs. 2 ist es Ziel der Richtlinie 2018/1972, zum einen einen Binnenmarkt für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste zu errichten, der den Ausbau und die Nutzung von Netzen mit sehr hoher Kapazität bewirkt, einen nachhaltigen Wettbewerb und die Interoperabilität der elektronischen Kommunikationsdienste sowie die Zugänglichkeit und die Sicherheit von Netzen und Diensten gewährleistet und die Interessen der Endnutzer fördert, und zum anderen die Bereitstellung unionsweiter hochwertiger, erschwinglicher, öffentlich zugänglicher Dienste durch wirksamen Wettbewerb und Angebotsvielfalt zu gewährleisten und die Fälle zu regeln, in denen die Bedürfnisse von Endnutzern – einschließlich Nutzern mit Behinderungen im Hinblick darauf, dass sie in gleicher Weise wie andere Zugang zu den Diensten haben – durch den Markt nicht ausreichend befriedigt werden können, sowie die notwendigen Endnutzerrechte festzulegen.

97      Schließlich geht aus den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie 2018/1972 hervor, dass der Rechtsrahmen, der vor dem Erlass der Richtlinie galt, durch diese geändert wird, um der Technologie- und Marktentwicklung Rechnung zu tragen.

98      Wie die Republik Lettland geltend macht, ist der Bereich, um den es hier geht, zwar bereits durch andere Unionsrechtsakte geregelt, die durch die Richtlinie 2018/1972 geändert oder ersetzt werden.

99      Die Richtlinie 2018/1972 beschränkt sich aber nicht auf deren Kodifizierung. Die Kommission hat – ohne dass ihr die Republik Lettland insoweit widersprochen hätte – zu Recht darauf hingewiesen, dass durch den EKEK insbesondere die Wahlmöglichkeiten und die Rechte der Verbraucher gestärkt werden, indem anspruchsvollere Normen für die elektronische Kommunikation garantiert werden, und die Rolle der nationalen Regulierungsbehörden, indem Aufgaben festgelegt werden, die diese mindestens haben müssen, und indem durch die Aufstellung von Kriterien für die Ernennung der Mitglieder und die Verpflichtungen im Bereich der Mitteilung von Informationen die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden gestärkt wird. Außerdem werden durch den EKEK verschiedene Aspekte der Erbringung von Diensten der elektronischen Kommunikation geregelt, u. a. die Universaldienstverpflichtung, die Nummerierungsressourcen und die Endnutzerrechte. Die Verschärfung der Regeln für die Organisation des Sektors der elektronischen Kommunikation durch den EKEK dient dazu, die Sicherheit und den Verbraucherschutz zu verbessern, insbesondere was den Zugang zu Diensten der elektronischen Kommunikation zu erschwinglichen Preisen angeht.

100    Wie die Kommission zu Recht geltend macht, schadet die Nichtumsetzung der Richtlinie 2018/1972 durch die Republik Lettland, was die Verwaltung des Systems der elektronischen Kommunikation, die Genehmigungen im Zusammenhang mit den Funkfrequenzen und die Regeln über den Zugang zum Markt angeht, erstens der Regulierungspraxis in der gesamten Union. Dies führt dazu, dass den Unternehmen weder einheitlichere und vorhersehbarere Verfahren für die Erteilung oder Verlängerung der Rechte zur Nutzung bestehender Funkfrequenzen noch die durch die Mindestdauer von 20 Jahren der Rechte zur Nutzung bestehender Funkfrequenzen bedingte Vorhersehbarkeit der Regelung zugutekommen. Solche Mängel wirken sich unmittelbar auf die Verfügbarkeit und die Entwicklung von Netzen mit sehr hoher Kapazität in der Union aus. Zweitens wird den Verbrauchern eine ganze Reihe handfester Vorteile nicht zuteil, die ihnen durch die Richtlinie gewährt werden, z. B. Lösungen über den Zugang zu erschwinglichen Kommunikationsdiensten, das Erfordernis, dass ihnen klare Informationen über ihre Verträge erteilt werden müssen, die Verpflichtung zur Anwendung transparenter Entgelte, die Vereinfachung des Wechsels des Netzanbieters, um erschwinglichere Endkundenpreise zu fördern, und die Verpflichtung der Anbieter, Endnutzern mit Behinderungen einen gleichwertigen Zugang zu den Kommunikationsdiensten anzubieten.

101    Bei der Festsetzung der Höhe des Zwangsgelds ist bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes allerdings zu berücksichtigen, dass die Republik Lettland der Kommission im Verfahren die Maßnahmen zur Umsetzung einer erheblichen Zahl von Bestimmungen der Richtlinie 2018/1972 und am 17. November 2022 die Maßnahmen mitgeteilt hat, mittels deren sie ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie vollständig erfüllt zu haben glaubte.

102    Was als Zweites die Dauer des Verstoßes anbelangt, so ist bei deren Bestimmung grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Gerichtshof den Sachverhalt prüft, und diese Sachverhaltswürdigung ist als zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens erfolgt anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

103    Was zum einen den Beginn des Zeitraums angeht, der bei der Festsetzung des gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV zu verhängenden Pauschalbetrags zugrunde zu legen ist, hat der Gerichtshof entschieden, dass bei der Bestimmung der Dauer der betreffenden Vertragsverletzung – anders als bei dem Zwangsgeld in Form eines Tagessatzes – nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, sondern auf den Zeitpunkt des Ablaufs der in der betreffenden Richtlinie festgelegten Umsetzungsfrist abzustellen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 79, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 90).

104    Im vorliegenden Fall wird nicht ernsthaft bestritten, dass die Republik Lettland die für die vollständige Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bei Ablauf der in Art. 124 der Richtlinie festgelegten Umsetzungsfrist (21. Dezember 2020) nicht erlassen und der Kommission damit auch nicht mitgeteilt hatte.

105    Zum anderen hat die Republik Lettland den oben in Rn. 43 festgestellten Verstoß am 17. November 2022 beendet (siehe oben, Rn. 82).

106    Demnach hat der Verstoß vom 22. Dezember 2020 bis zum 16. November 2022 gedauert, also 694 Tage lang. Dies ist ein sehr langer Zeitraum.

107    Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Dauer des Verstoßes zum Teil möglicherweise auf die außergewöhnlichen Umstände der Covid-19-Pandemie und dann des Angriffskriegs der Russischen Föderation gegen die Ukraine zurückzuführen ist. Die Republik Lettland macht nämlich, ohne dass ihr widersprochen würde, geltend, dass das für die Umsetzung der Richtlinie 2018/1972 erforderliche Gesetzgebungsverfahren durch die Umstände der Covid-19-Pandemie, die unvorhersehbar gewesen seien und auf die sie keinen Einfluss gehabt habe, verzögert und somit der Zeitraum, in dem ihr Verstoß fortbestanden habe, verlängert worden sei.

108    Was als Drittes die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats angeht, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dessen BIP zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 85, und vom 16. Juli 2020, Kommission/Irland [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑550/18, EU:C:2020:564, Rn. 97).

109    In der Klageschrift schlägt die Kommission vor, neben dem BIP der Republik Lettland auch deren institutionelles Gewicht in der Union zu berücksichtigen, wie es in der Anzahl der Sitze zum Ausdruck komme, über die die Republik Lettland im Europäischen Parlament verfüge. Sie schlägt ferner vor, einen Anpassungsfaktor von 4,5 anzuwenden, um die Verhältnismäßigkeit und die abschreckende Wirkung der von ihr vorgeschlagenen Sanktionen sicherzustellen.

110    Jedoch hat der Gerichtshof jüngst eindeutig klargestellt, dass die Berücksichtigung des institutionellen Gewichts des betreffenden Mitgliedstaats nicht unerlässlich erscheint, um eine hinreichende Abschreckung zu gewährleisten und den Mitgliedstaat zu einer Änderung seines gegenwärtigen oder zukünftigen Verhaltens zu veranlassen, und dass die Kommission nicht dargetan hat, anhand welcher objektiven Kriterien sie den Wert des Anpassungsfaktors von 4,5 festgesetzt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Griechenland [Rückforderung von staatlichen Beihilfen – Ferronickel], C‑51/20, EU:C:2022:36, Rn. 115 und 117).

111    Somit ist es im Hinblick auf das Ermessen, das dem Gerichtshof durch Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeräumt wird, wonach der Gerichtshof bei dem von ihm verhängten Pauschalbetrag den von der Kommission genannten Betrag nicht übersteigen darf, um wirksam zu verhindern, dass in Zukunft erneut mit dem Verstoß gegen Art. 124 der Richtlinie 2018/1972 vergleichbare Verstöße begangen werden, die die volle Wirksamkeit des Unionsrecht beeinträchtigen, angezeigt, einen Pauschalbetrag in Höhe von 300 000 Euro zu verhängen.

112    Die Republik Lettland ist deshalb zu verurteilen, an die Kommission einen Pauschalbetrag in Höhe von 300 000 Euro zu zahlen.

 Kosten

113    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

114    Im vorliegenden Fall ist die Zurückweisung des Antrags der Kommission auf Verurteilung der Republik Lettland zur Zahlung eines Zwangsgelds auf das Verhalten dieses Mitgliedstaats zurückzuführen, der die Maßnahmen, mittels deren er seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 2018/1972 vollständig erfüllt zu haben glaubte, erst nach der Erhebung der vorliegenden Klage getroffen und der Kommission mitgeteilt hatte.

115    Deshalb ist – zumal sich nicht genau sagen lässt, welche Kosten auf den oben in Rn. 43 festgestellten Verstoß und welche Kosten auf die Zurückweisung des Antrags der Kommission auf Verurteilung der Republik Lettland zur Zahlung eines Zwangsgelds entfallen – zu entscheiden, dass die Republik Lettland neben ihren eigenen Kosten die der Kommission trägt, wie diese beantragt hat.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Republik Lettland hat dadurch, dass sie bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich waren, um der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation nachzukommen, nicht erlassen und der Europäischen Kommission damit auch nicht mitgeteilt hat, ihre Verpflichtungen aus Art. 124 Abs. 1 der Richtlinie verletzt.

2.      Die Republik Lettland wird verurteilt, an die Europäische Kommission einen Pauschalbetrag in Höhe von 300 000 Euro zu zahlen.

3.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.      Die Republik Lettland trägt neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Kommission.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Lettisch.