Language of document : ECLI:EU:C:2019:567

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 4. Juli 2019(1)

Rechtssache C323/18

Tesco-Global Áruházak Zrt.

gegen

Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága

(Vorabentscheidungsersuchen des Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság [Gericht für Verwaltungs- und Arbeitssachen Budapest, Ungarn])

„Vorabentscheidungsersuchen – Niederlassungsfreiheit – Beihilfen – Mehrwertsteuersystem – An den Umsatz anknüpfende Steuer für Einzelhandelsunternehmen – Benachteiligung ausländischer Unternehmen durch progressiv wirkenden Steuertarif – Mittelbare Diskriminierung – Rechtfertigung einer progressiv wirkenden Steuer nach Maßgabe des Umsatzes“






I.      Einleitung

1.        In diesem Verfahren ist der Gerichtshof erneut(2) mit der Frage einer mittelbaren Beschränkung der Grundfreiheiten durch eine steuerrechtliche Regelung beschäftigt, deren diskriminierende Wirkung allein aus ihrem progressiven Tarif abgeleitet werden kann, der wirtschaftlich stärkere Personen stärker belastet.(3) Da wirtschaftlich stärkere Personen eher grenzüberschreitend aktiv sind, könnte darin eine mittelbare Diskriminierung gesehen werden, insbesondere wenn der Progressionsverlauf gezielt eingesetzt wird, um die wirtschaftlich stärkeren multinationalen Unternehmen zu erfassen.

2.        Neben einer Verletzung der Niederlassungsfreiheit kommt ein Verstoß gegen das Beihilfeverbot in Betracht. Eine progressive Besteuerung wirtschaftlich stärkerer Unternehmen könnte auch eine binnenmarktwidrige Beihilfe zugunsten wirtschaftlich schwächerer Unternehmen sein, die aufgrund des progressiven Steuertarifs niedriger besteuert werden.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

3.        Art. 401 der Richtlinie 2006/112/EG(4) (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) lautet:

„Unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist.“

B.      Nationales Recht

4.        Den Hintergrund des Ausgangsrechtsstreits bildet das Az egyes ágazatokat terhelő különadóról szóló 2010. évi XCIV. törvény (Gesetz Nr. XCIV von 2010 über Sondersteuern für bestimmte Branchen, im Folgenden: Sondersteuergesetz), welches für die Jahre 2010 bis 2012 eine umsatzbasierte Sondersteuer für in bestimmten Branchen tätige Unternehmen vorsah.

5.        In der Präambel des Sondersteuergesetzes heißt es:

„Im Rahmen der Wiederherstellung des Haushaltsgleichgewichts erlässt das Parlament das nachstehende Gesetz über die Einführung einer Sondersteuer zulasten der Steuerpflichtigen, deren Fähigkeit, einen Beitrag zur Bestreitung der öffentlichen Lasten zu leisten, die allgemeine Steuerpflicht übersteigt.“

6.        § 1  des Sondersteuergesetzes enthält folgende erläuternde Bestimmungen:

„Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet:

1. Ladeneinzelhandelstätigkeit: Tätigkeiten, die in der am 1. Januar 2009 geltenden Gazdasági Tevénkenységek Egységes Osztályozási Rendszerre [(einheitliche Nomenklatur der Wirtschaftstätigkeiten)] in den Abschnitt 45.1 – mit Ausnahme des Großhandels mit Kraftfahrzeugen und Anhängern –, die Abschnitte 45.32 und 45.40 – mit Ausnahme der Reparatur von und des Großhandels mit Motorrädern – sowie die Abschnitte 47.1 bis 47.9 eingereiht sind. …“

7.        § 2 des Sondersteuergesetzes lautet:

„Der Steuer unterliegen:

a) der Einzelhandel in Verkaufsräumen;

b) die Telekommunikationstätigkeit;

c) die Lieferung von Energie.“

8.        § 3  des Sondersteuergesetzes definiert die steuerpflichtigen Steuersubjekte wie folgt:

„(1) Steuerpflichtig sind die juristischen Personen, die sonstigen Organisationen im Sinne des allgemeinen Steuergesetzbuchs und die Selbstständigen, die eine der Steuer unterliegende Tätigkeit im Sinne von § 2 ausüben.

(2) Ebenfalls steuerpflichtig sind die gebietsfremden Organisationen und Privatpersonen für die der Steuer unterliegenden Tätigkeiten im Sinne von § 2, sofern sie diese Tätigkeiten auf dem Inlandsmarkt über Zweigniederlassungen betreiben.“

9.        Bemessungsgrundlage ist nach § 4 Abs. 1  des Sondersteuergesetzes

„der aus einer Tätigkeit im Sinne von § 2 stammende Nettoumsatz des Steuersubjekts im Steuerjahr“.

10.      Die Sondersteuer weist eine progressive Steuersatzstruktur auf. Gemäß § 5 Buchst. a des Sondersteuergesetzes beträgt der Steuersatz

„bei Ausübung einer Tätigkeit im Sinne von § 2 Buchst. a) für den Teil der Bemessungsgrundlage, der unterhalb von 500 Millionen Forint liegt, 0 %; für den Teil der Bemessungsgrundlage, der oberhalb von 500 Millionen Forint, aber unterhalb von 30 Milliarden Forint liegt, 0,1 %; für den Teil der Bemessungsgrundlage, der oberhalb von 30 Milliarden Forint, aber unterhalb von 100 Milliarden Forint liegt, 0,4 %; und für den Teil, der oberhalb von 100 Milliarden Forint liegt, 2,5 %.“

11.      § 7 des Gesetzes legt die Bedingungen fest, unter denen die Steuer auf sogenannte verbundene Unternehmen Anwendung findet:

„Die Steuer der als verbundenes Unternehmen im Sinne des Gesetzes [Nr. LXXXI 1996] über die Körperschaftsteuer und die Dividendensteuer eingestuften Steuerpflichtigen wird durch Zusammenrechnung der Nettoumsätze aus den Tätigkeiten im Sinne von § 2 Buchst. a und b, die von Beziehungen eines verbundenen Unternehmens unterhaltenden Steuerpflichtigen ausgeübt werden, bestimmt, und der durch Anwendung des in § 5 festgelegten Satzes auf diese Summe erhaltene Betrag ist zwischen den Steuerpflichtigen entsprechend dem Anteil ihrer Nettoumsätze aus den Tätigkeiten im Sinne von § 2 Buchst. a und b am gesamten Nettoumsatz sämtlicher verbundener Steuerpflichtiger aus den Tätigkeiten im Sinne von § 2 Buchst. a und b aufzuteilen.“

12.      Darüber hinaus enthält das Az adózás rendjéről szóló 2003. évi XCII. törvény (Gesetz Nr. XCII von 2003 über die Besteuerungsordnung, im Folgenden: Besteuerungsordnung) in § 124/B folgende Regelung:

„Die Steuerbehörde entscheidet über die Eigenüberprüfung des Steuerpflichtigen innerhalb einer Frist von fünfzehn Tagen ab deren Einreichung ohne eine Überprüfung durchzuführen, wenn der Steuerpflichtige die Eigenüberprüfung ausschließlich mit der Begründung eingereicht hat, dass die Rechtsvorschrift, auf die die Steuerpflicht gestützt sei, verfassungswidrig sei oder gegen verbindliche Rechtsakte der Europäischen Union verstoße oder dass eine Verordnung der Selbstverwaltung gegen eine andere Rechtsvorschrift verstoße, sofern das Verfassungsgericht, die Kúria [(Oberster Gerichtshof, Ungarn)] oder der Gerichtshof der Europäischen Union zum Zeitpunkt der Einreichung der Eigenüberprüfung über diese Frage noch keine Entscheidung verkündet hat oder die Eigenüberprüfung den Feststellungen der verkündeten Entscheidung nicht entspricht. Die Entscheidung über die ergänzende Erklärung kann gemäß den allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten werden.“

13.      § 128. (2) der Besteuerungsordnung regelt:

„Dürfen die Steuern oder Haushaltszuschüsse aufgrund einer Eigenüberprüfung nicht berichtigt werden, ist eine nachträgliche Steuerfestsetzung nicht statthaft.“

III. Ausgangsrechtsstreit

14.      Die Klägerin des Ausgangsrechtsstreits, die Tesco-Global Áruházak Zrt. (im Folgenden: Tesco), ist eine im Ladeneinzel- und Großhandel tätige Aktiengesellschaft ungarischen Rechts. Wie sich die Gesellschafterstruktur in den Streitjahren zusammensetzte, wurde durch das vorlegende Gericht nicht mitgeteilt. Nur aus dem Schriftsatz der Kommission ergibt sich, dass Tesco Teil der Gruppe von Tesco Plc ist, deren Sitz im Vereinigten Königreich ist. Die genauen Beteiligungsverhältnisse ergeben sich daraus allerdings auch nicht. Derzeit wird Tesco Plc zum Großteil von Anteilseignern im Streubesitz und einigen größeren Anteilseignern aus Drittstatten gehalten.

15.      Tesco hat im Rahmen ihrer Tätigkeit während der Steuerjahre, die Gegenstand der Prüfung waren, etwa 35 500 Mio. Forint (HUF) an Branchensondersteuer an den Fiskus entrichtet und ihre Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen fristgemäß erfüllt.

16.      Die Nemzeti Adó- és Vámhivatal Kiemelt Adózók Adóigazgatósága Ellenőrzési Főosztály II Ellenőrzési Osztály 5. (Prüfabteilung Nr. 5 der Hauptprüfabteilung Nr. II der Steuer- und Zolldirektion für Großsteuerzahler der nationalen Steuer- und Zollverwaltung, im Folgenden: Steuerbehörde) führte bei Tesco eine Prüfung durch. Als Ergebnis der Prüfung stellte die Steuerbehörde mit Bescheid Steuerdifferenzen zulasten von Tesco fest. Tesco legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Hinsichtlich der Sondersteuer für den Ladeneinzelhandel wurde der Bescheid bestätigt. Infolgedessen wurde Tesco zur zusätzlichen Entrichtung von Sondersteuer für den Ladeneinzelhandel in Höhe von ungefähr 1 397 Mio. HUF (zuzüglich einer Steuergeldbuße und eines Säumniszuschlags) verpflichtet.

17.      Die Klägerin stützt ihre Klage gegen den Steuerbescheid darauf, dass es für die zu ihren Lasten festgesetzte Steuerschuld keine Grundlage gebe. Insbesondere die Sondersteuer für den Ladeneinzelhandel sei nicht mit Unionsrecht vereinbar.

18.      Im Hinblick auf die Eigenheiten des ungarischen Einzelhandelsmarktes zweifelt das vorlegende Gericht an der Vereinbarkeit der Sondersteuer mit dem Unionsrecht. Nach dem vorlegenden Gericht wirkt sich die Steuer dahin aus, „dass die effektive Steuerlast ganz überwiegend in ausländischem Eigentum stehende Steuersubjekte trifft“.

19.      Dies wird durch die dem Gerichtshof vorgelegten Statistiken bestätigt. Aus den von Kommission und Ungarn vorgelegten Übersichten ergibt sich insoweit, dass im ersten Jahr der Steuer (2010) in den höchsten Steuersatz (2,5 %) nur Gesellschaften fallen, die von ausländischen Anteilseignern zu mehr als 50 % gehalten werden, während von dem zweithöchsten Steuersatz (0,4 %) insgesamt 90 % (wenn ich die von Ungarn vorgelegte Statistik richtig verstehe sogar 100 %) solchermaßen gehaltene Gesellschaften erfasst werden. Von dem dritthöchsten Steuersatz (0,1 %) sind noch 40,3 % von ausländischen Anteilseignern zu mehr als 50 % gehaltene Gesellschaften erfasst. Ob die ausländischen Anteilseigner aus den Mitgliedstaaten oder aus den Drittstaaten stammen, ergibt sich aus den Statistiken jedoch nicht.

20.      Aus diesen Statistiken ergibt sich jedoch, dass von den sieben umsatzstärksten Unternehmen dieser Branche nur drei in 2010 auch Körperschaftsteuern entrichtet haben. Auch im Jahr 2012 (dem letzten Jahr der Steuer) haben von den sieben umsatzstärksten Unternehmen dieser Branche nur drei auch Körperschaftsteuern entrichtet. Allerdings fallen im Jahr 2012 in die zweithöchste Steuerstufe (0,4 %) „nur noch“ 70 % von ausländischen Anteilseignern zu mehr als 50 % gehaltene Unternehmen. Wie sich das Verhältnis der Unternehmen in der ersten (steuerbefreiten) Stufe darstellt, kann den mitgelieferten Statistiken nicht entnommen werden.

21.      Darüber hinaus fragt sich das vorlegende Gericht, ob eine Diskriminierung darin zu sehen ist, dass ein Steuerpflichtiger, der eine Ladeneinzelhandelstätigkeit mittels mehrerer Ladengeschäfte betreibt, eine Sondersteuer nach der höchsten Stufe des progressiven Steuersatzes entrichten muss, während die (in der Regel inländischen) Steuerpflichtigen, die mit einer eigenständigen Gesellschaft je Ladengeschäft unter einem einheitlichen Firmenzeichen in einem Franchisesystem tätig sind, aufgrund ihrer niedrigeren Umsätze entweder in den steuerbefreiten Bereich oder in eine der darauf folgenden niedrigen Steuertarifstufen fallen.

22.      Das vorlegende Gericht weist darüber hinaus darauf hin, dass die Kommission gegen Ungarn im Jahr 2012 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte, das jedoch im Jahr 2013 eingestellt wurde. Die Kommission gab als Grund dafür an, dass das Sondersteuergesetz bereits außer Kraft getreten war und deshalb für das Jahr 2013 keine Anwendung mehr fand.

IV.    Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

23.      Mit Entscheidung vom 19. März 2018, eingegangen am 16. Mai 2018, hat das vorlegende Gericht beschlossen, ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV durchzuführen, und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:

1.      Ist es mit den Bestimmungen des AEUV über die Grundsätze des Diskriminierungsverbots (Art. 18 AEUV und Art. 26 AEUV), der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), der Gleichbehandlung (Art. 54 AEUV), der Gleichheit der Beteiligung am Kapital von Gesellschaften im Sinne von Art 54 AEUV (Art. 55 AEUV), der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV), des freien Kapitalverkehrs (Art. 63 und 65 AEUV) und der Gleichheit der Besteuerung von Gesellschaften (Art. 110 AEUV) vereinbar, dass ein eine Ladeneinzelhandelstätigkeit ausübender Steuerpflichtiger, der in ausländischem Eigentum steht und über eine einzige Handelsgesellschaft mehrere Ladengeschäfte betreibt, eine Sondersteuer de facto nach der höchsten Stufe eines stark progressiven Steuersatzes entrichten muss, während in inländischem Eigentum stehende Steuersubjekte, die unter einem einheitlichen Firmenzeichen in einem Franchisesystem – mit typischerweise einer eigenständigen Gesellschaft je Ladengeschäft – tätig sind, de facto entweder in den steuerbefreiten Bereich oder in eine der darauf folgenden niedrigen Steuertarifstufen fallen, so dass der Anteil der von den in ausländischem Eigentum stehenden Gesellschaften entrichteten Steuer am gesamten Steueraufkommen wesentlich größer ist als der entsprechende Anteil der in inländischem Eigentum stehenden Steuersubjekte?

2.      Ist es mit den Bestimmungen des AEUV über den Grundsatz des Verbots staatlicher Beihilfen (Art. 107 Abs. 1 AEUV) vereinbar, dass ein eine Ladeneinzelhandelstätigkeit ausübender Steuerpflichtiger, der über eine einzige Handelsgesellschaft mehrere Ladengeschäfte betreibt, eine Sondersteuer de facto nach der höchsten Stufe eines stark progressiven Steuersatzes entrichten muss, während in inländischem Eigentum stehende Steuersubjekte, die mit diesem in unmittelbarem Wettbewerb stehen und unter einem einheitlichen Firmenzeichen in einem Franchisesystem – mit typischerweise einer eigenständigen Gesellschaft je Ladengeschäft – tätig sind, de facto entweder in den steuerbefreiten Bereich oder in eine der darauf folgenden niedrigen Steuertarifstufen fallen, so dass der Anteil der von den in ausländischem Eigentum stehenden Gesellschaften entrichteten Steuer am gesamten Steueraufkommen aus der Sondersteuer wesentlich größer ist als der entsprechende Anteil der in inländischem Eigentum stehenden Steuersubjekte?

3.      Sind die Art. 107 AEUV und 108 Abs. 3 AEUV dahin auszulegen, dass sich ihre Geltung auch auf eine Steuermaßnahme erstreckt, die deshalb in einem organischen Zusammenhang mit einer durch das Steueraufkommen aus dieser Steuermaßnahme finanzierten – eine staatliche Beihilfe darstellenden – Steuerbefreiung steht, weil der Gesetzgeber den Betrag der veranschlagten Haushaltseinnahmen, der bereits vor Einführung der Einzelhandelssondersteuer (auf der Grundlage der Umsatzerlöse der Marktteilnehmer) festgelegt worden war, nicht durch die Einführung eines allgemeinen Steuertarifs, sondern durch die Anwendung von an den Umsatzerlösen orientierten progressiven Steuersätzen erzielt hat, so dass er als mit der Regelung bewusst angestrebtes Ziel einem Teil der Marktteilnehmer eine Steuerbefreiung gewährt hat?

4.      Ist eine Praxis der Rechtsanwender eines Mitgliedstaats mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit der Verfahren und den Grundsätzen der Effektivität und des Vorrangs des Unionsrechts vereinbar, nach der es im Verlauf einer von Amts wegen eingeleiteten Steuerprüfung oder eines auf diese folgenden gerichtlichen Verfahrens – trotz des Effektivitätsgrundsatzes und der Pflicht zur Nichtanwendung der unionsrechtswidrigen Vorschrift – nicht möglich ist, einen Anspruch auf Erstattung der Steuer, die auf der Grundlage einer unionsrechtswidrigen nationalen Steuervorschrift erklärt wurde, geltend zu machen, weil die Steuerbehörde oder das Gericht einen Verstoß gegen das Unionsrecht nur in einem besonderen Antragsverfahren prüft, das nur vor dem Amtsverfahren eingeleitet werden kann, während bei einer unter Verstoß gegen das nationale Recht erklärten Steuer kein Hindernis besteht, den Erstattungsanspruch im steuerbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren geltend zu machen?

24.      Zu diesen Fragen haben im Verfahren vor dem Gerichtshof Tesco, Ungarn, die Republik Polen und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen und sich an der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2019 beteiligt.

V.      Rechtliche Würdigung

25.      Hauptgegenstand des Vorabentscheidungsersuchens ist die Vereinbarkeit des ungarischen Sondersteuergesetzes mit dem Unionsrecht.

26.      Das vorlegende Gericht wirft insoweit mehrere Fragen auf: zum einen, ob eine Steuer der beschriebenen Art u. a. gegen die in den Art. 49 und 54 AEUV verbürgte Niederlassungsfreiheit (hierzu B.) verstößt; zum anderen, ob diese Steuer mit dem Beihilfenverbot der Art. 107 und 108 AEUV (hierzu C.) vereinbar ist. Da das vorlegende Gericht in dem Vorabentscheidungsersuchen ausdrücklich betont, dass zur Entscheidung des Rechtsstreits eine Auslegung von Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie erforderlich sei, wird zuvor darauf kurz eingegangen (dazu A), auch wenn sich keine der Fragen mehr auf diese Bestimmung bezieht.

27.      Darüber hinaus wirft das vorlegende Gericht noch die Frage auf, ob ein besonderer Ausschluss der nachträglichen Änderung bereits ergangener Steuerbescheide mit den Grundsätzen der Äquivalenz und Effektivität vereinbar ist, worauf ich zum Abschluss eingehen werde (dazu D).

A.      Verstoß gegen Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie

28.      Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie stellt klar, dass die Mitgliedstaaten nicht gehindert sind, neue Steuern einzuführen, wenn diese nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben. Der Charakter einer Umsatzsteuer ist hier aber zu verneinen, wie ich bereits in meinen Schlussanträgen zur Sondersteuer für Telekommunikationsdienstleistungen ausgeführt habe.(5)

29.      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben sich vier wesentliche Merkmale einer Mehrwertsteuer, die maßgeblich sind, damit eine Steuer den Charakter einer Umsatzsteuer aufweist: (1) Allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte; (2) Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält; (3) Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe, einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze; (4) Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, so dass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird.(6)

30.      Jedenfalls die erste, zweite und vierte Voraussetzung sind hier nicht erfüllt. Zum einen erfasst die ungarische Sondersteuer nicht jeden Umsatz, sondern nur die Umsätze von Einzelhandelsunternehmen. Damit ist sie keine (allgemeine) Umsatzsteuer im Sinne des ersten Kriteriums, sondern wäre allenfalls eine besondere Verbrauchsteuer. Zum anderen wird nicht jeder einzelne Umsatz proportional nach Maßgabe seines Preises besteuert (zweites Kriterium), sondern ausweislich der Art. 1 und 2 des Sondersteuergesetzes der Gesamtumsatz (netto) aus den Ladeneinzelhandelstätigkeiten.

31.      Schlussendlich ist sie auch nicht auf eine Überwälzung auf den Verbraucher angelegt (viertes Kriterium). Letzteres kann nicht allein aufgrund dessen bejaht werden, dass eine Steuer kalkulatorisch Eingang in den Preis der Waren oder Dienstleistungen gefunden hat. Dies ist mehr oder weniger bei jeder Steuerbelastung eines Unternehmens der Fall. Vielmehr muss, wenn der Verbraucher – wie bei der hier zu beurteilenden ungarischen Sondersteuer für Einzelhandelsunternehmen – nicht der Steuerschuldner ist, die Steuer darauf angelegt sein, konkret auf den Verbraucher übergewälzt zu werden.

32.      Dies würde voraussetzen, dass im Moment der Ausführung des Umsatzes (d. h. im Moment der Verbraucherversorgung) die Höhe der Steuer – wie dies bei der Mehrwertsteuer der Fall ist – feststünde. Da diese aber erst am Ende des Jahres berechnet werden kann und abhängig von der Höhe der Jahresumsätze ist, kennt das leistende Einzelhandelsunternehmen eine gegebenenfalls überzuwälzende Steuerbelastung im Moment der Leistungsausführung noch gar nicht, jedenfalls nicht genau der Höhe nach.(7) Insofern liegt auch keine auf Überwälzung angelegte Steuer vor.

33.      Vielmehr ergibt sich aus der Konzeption der ungarischen Sondersteuer für Einzelhandelsunternehmen, dass diese direkt besteuert werden sollen, worauf Ungarn zu Recht hinweist. Ausweislich der Präambel soll eine besondere finanzielle Leistungsfähigkeit dieser Unternehmen und nicht die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kunden der Einzelhandelsunternehmen besteuert werden.

34.      Damit ähnelt die Sondersteuer für Einzelhandelsunternehmen ihrem Charakter nach einer besonderen direkten Ertragsteuer. Anders als bei „normalen“ direkten Ertragsteuern wird jedoch nicht der erzielte Gewinn – als Unterschiedsbetrag zwischen zwei Betriebsvermögen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes –, sondern der erzielte Umsatz innerhalb eines bestimmten Zeitraumes als Bemessungsgrundlage herangezogen. Dies ändert aber nichts an dem Charakter einer direkten Ertragsteuer.

35.      Somit hat sie nicht den Charakter einer Umsatzsteuer, die den Verbraucher besteuern möchte. Folglich hindert Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie Ungarn nicht, diese Steuer neben der Mehrwertsteuer einzuführen.

B.      Erste Vorlagefrage: Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit

36.      Die erste Frage geht im Kern dahin, ob die hier allein einschlägige Niederlassungsfreiheit nach den Art. 49 und 54 AEUV der ungarischen Sondersteuer für Einzelhandelsunternehmen entgegensteht.

37.      Dabei ist zunächst festzustellen, dass zwar der Bereich der direkten Steuern – welchem die vorliegende Sondersteuer zuzurechnen ist (dazu oben, Nrn. 33 ff.) – als solcher nicht in die Zuständigkeit der Union fällt, die Mitgliedstaaten die ihnen verbliebenen Befugnisse jedoch unter Wahrung des Unionsrechts ausüben müssen, wozu insbesondere die Grundfreiheiten zählen.(8)

38.      Mit der Niederlassungsfreiheit, die Art. 49 AEUV den Unionsbürgern gewährt, ist gemäß Art. 54 AEUV für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben.(9)

39.      Dabei findet die Niederlassungsfreiheit auf den vorliegenden Fall nur Anwendung, wenn es sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt (dazu 1.). Liegt ein solcher vor, so ist danach zu fragen, ob die Sondersteuer eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt (dazu 2.) und ob diese gegebenenfalls durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist (dazu 3.).

1.      Grenzüberschreitender Sachverhalt

40.      Bei der Prüfung, ob es sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt, ist zunächst festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Sitz einer Gesellschaft, ebenso wie die Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen, dazu dient, ihre Zugehörigkeit zur Rechtsordnung eines Staates zu bestimmen.(10) Da Tesco ihren Sitz in Ungarn hat, ist sie folglich als ungarische Gesellschaft zu betrachten, so dass es sich insofern nicht um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt.

41.      Allerdings ist die Muttergesellschaft von Tesco eine Gesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich. Soweit diese ausländische Gesellschaft ihre Tätigkeit durch eine Tochtergesellschaft – nämlich die Klägerin des Ausgangsverfahrens – auf dem ungarischen Markt ausübt, ist die Niederlassungsfreiheit der Muttergesellschaft betroffen.

42.      Denn in diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass sich eine Gesellschaft zu steuerlichen Zwecken auf eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit einer anderen, mit ihr verbundenen Gesellschaft berufen kann, sofern sich eine solche Beschränkung auf ihre Besteuerung auswirkt.(11) Die Klägerin des Ausgangsverfahrens kann sich daher auf eine etwaige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ihrer Muttergesellschaft berufen.

2.      Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

43.      Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit sind nach ständiger Rechtsprechung alle Maßnahmen, die die Ausübung dieser Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen.(12) Grundsätzlich erfasst dies Diskriminierungen, aber auch diskriminierungsfreie Beschränkungen. Allerdings ist bei Steuern und Abgaben zu berücksichtigen, dass diese per se eine Belastung darstellen und dadurch die Attraktivität einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat senken. Eine Prüfung am Maßstab der diskriminierungsfreien Beschränkungen würde folglich sämtliche nationalen Steuertatbestände dem Unionsrecht unterwerfen und damit die Souveränität der Mitgliedstaaten in Steuerangelegenheiten wesentlich in Frage stellen.(13)

44.      Der Gerichtshof hat daher schon mehrfach entschieden, dass mitgliedstaatliche Regelungen zu Bedingungen und Höhe der Besteuerung von der Steuerautonomie gedeckt sind, soweit die Behandlung des grenzüberschreitenden Sachverhalts gegenüber dem inländischen Sachverhalt nicht diskriminierend ist.(14)

45.      Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit setzt daher zunächst voraus, dass überhaupt zwei oder mehrere Vergleichsgruppen unterschiedlich behandelt werden (dazu a). Ist dies der Fall, so stellt sich als Nächstes die Frage, ob diese Ungleichbehandlung von grenzüberschreitenden gegenüber rein inländischen Sachverhalten Erstere benachteiligt, wobei insofern eine offene wie eine verdeckte Diskriminierung in Betracht kommt (dazu b).

46.      Vorab ist im vorliegenden Fall schließlich klarzustellen, dass eine relevante Ungleichbehandlung – anders als in der Rechtssache Hervis Sport(15) – nicht bereits auf die sogenannte Zusammenrechnungsregel in § 7 des Sondersteuergesetzes gestützt werden kann, sondern allein auf den progressiv ausgestalteten Steuertarif.

47.      Kennzeichnend für den Sachverhalt in jener Rechtssache war das Zusammenspiel einer progressiven umsatzbasierten Ertragsteuer für den Einzelhandel mit einer sogenannten Zusammenrechnungsregel für Unternehmensgruppen. Letztere hatte konkret zum Inhalt, dass für die Einordnung in die Progressionsstufen nicht der Umsatz der Einzelunternehmen maßgeblich war, sondern der konsolidierte Umsatz der gesamten Unternehmensgruppe. Hintergrund dieser Regelung ist die steuerrechtlich eher untypische Anwendung einer progressiv wirkenden Steuer auch auf juristische Personen. Eine solche Zusammenrechnungsregelung ist im Grundsatz notwendig, um zu verhindern, dass die progressive Wirkung durch eine Aufspaltung in mehrere juristische Personen unterlaufen werden kann.

48.      Allerdings äußerte der Gerichtshof an der Zusammenrechnungsregel unionsrechtliche Bedenken.(16) Selbst wenn jedoch die Zusammenrechnungsregel im vorliegenden Fall gegen Unionsrecht verstoßen sollte, so wäre dies vorliegend nicht entscheidungserheblich und würde auch die Frage des vorlegenden Gerichts nicht beantworten. Da die Zusammenrechnungsregel auf Tesco keine Anwendung findet, hätte dies auf den Ausgangsrechtsstreit keinerlei Auswirkungen.

49.      Der Gerichtshof muss sich daher vorliegend mit der Frage auseinandersetzen, ob die Ausgestaltung der Sondersteuer als solche – unabhängig von der Zusammenrechnungsregelung – diskriminierende Wirkung hat. Diese Frage ist im Urteil Hervis Sport nicht beantwortet worden, und zwar auch nicht dahingehend, wie Ungarn meint, dass der progressive Charakter als solcher nicht für eine Diskriminierung ausreichen könne. Der Gerichtshof hat sich dort lediglich mit der Kombination aus progressivem Steuersatz und Zusammenrechnungsregel beschäftigt, ohne auszuschließen – wie Tesco und die Kommission zu Recht betonen –, dass auch der progressive Satz alleine eine Diskriminierung begründen könnte.(17)

a)      Unterschiedliche Behandlung

50.      Daher ist zunächst danach zu fragen, ob das Sondersteuergesetz überhaupt verschiedene Unternehmen ungleich behandelt. Dagegen scheint zu sprechen, dass es nicht etwa für verschiedene Unternehmen unterschiedliche Steuersätze festlegt. Vielmehr werden nur bestimmte Umsatzstufen definiert, in die grundsätzlich alle Unternehmen fallen können. Die jeweiligen Steuersätze, welche an diese Umsatzstufen anknüpfen, gelten für jedes Unternehmen einheitlich. Die ungarische Regierung stellt sich vor diesem Hintergrund auf den Standpunkt, es liege keinerlei Ungleichbehandlung vor.

51.      Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Ungleichbehandlung liege bereits darin, dass umsatzstärkere Unternehmen in absoluten Zahlen mehr Sondersteuer zahlen müssen als umsatzschwächere. Hierin allein liegt noch keine Ungleichbehandlung, sondern diese Besteuerung entspricht dem allgemein anerkannten Prinzip einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Solange wie Bemessungsgrundlage und Steuerschuld im selben Verhältnis zueinanderstehen, wie dies etwa bei einem proportionalen Steuersatz („flat tax“) der Fall ist, kann bereits eine Ungleichbehandlung abgelehnt werden.

52.      Bei einem progressiven Steuersatz stehen Bemessungsgrundlage und Steuerschuld allerdings nicht bei allen Steuerpflichtigen im selben Verhältnis. Dies wird im vorliegenden Fall besonders deutlich, wenn man die durchschnittlichen Steuersätze vergleicht, denen die Steuerpflichtigen hinsichtlich ihres Gesamtumsatzes – und nicht nur hinsichtlich der einzelnen Stufen – unterworfen sind. Dieser durchschnittliche Steuersatz steigt mit Erreichen der Umsatzstufen an, so dass umsatzstärkere Unternehmen insgesamt auch einem höheren durchschnittlichen Steuersatz unterliegen als umsatzschwächere. Damit zahlen sie nicht nur absolut, sondern auch relativ betrachtet eine höhere Steuer. Darin liegt eine Ungleichbehandlung der entsprechenden Unternehmen.(18)

b)      Benachteiligung des grenzüberschreitenden Sachverhalts

53.      Somit stellt sich die Frage, ob diese unterschiedliche Behandlung ausländische gegenüber inländischen Unternehmen benachteiligt.

54.      Eine offene oder unmittelbare Diskriminierung ausländischer Unternehmen liegt nicht vor. Denn die Erhebungsmodalitäten der Sondersteuer differenzieren nicht nach dem Sitz bzw. der „Herkunft“ eines Unternehmens.

55.      Die Grundfreiheiten untersagen allerdings nicht nur offensichtliche Diskriminierungen, sondern auch alle versteckten oder mittelbaren Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien zu dem gleichen Ergebnis führen.(19) Entscheidend für den diskriminierenden Charakter im Sinne der Art. 49 und 54 AEUV ist daher die Frage, ob die unterschiedliche Behandlung der Einzelhandelsunternehmen im Hinblick auf das Kriterium des Jahresnettoumsatzes einer Ungleichbehandlung nach der Herkunft bzw. dem Sitz der Unternehmen gleichkommt.

56.      In diesem Zusammenhang muss zum einen geklärt werden, welche Anforderungen an die Korrelation zwischen dem gewählten Unterscheidungskriterium – hier dem Umsatz – und dem Sitz der Unternehmen zu stellen sind (dazu Nrn. 57 ff.). Zum anderen ist zu untersuchen, ob eine mittelbare Diskriminierung jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn das Unterscheidungskriterium bewusst mit diskriminierender Zielsetzung gewählt wurde (dazu Nrn. 79 ff.).

1)      Maßgebliche Korrelation

57.      Die bisherige Rechtsprechung bietet sowohl im Hinblick auf das Ausmaß als auch den Charakter der genannten Korrelation kein einheitliches Bild. Hinsichtlich des quantitativen Ausmaßes hat der Gerichtshof bislang sowohl auf eine Übereinstimmung in den meisten Fällen(20) als auch auf ein bloßes Übergewicht der Betroffenheit Gebietsfremder(21) abgestellt; teilweise spricht er sogar nur von einer bloßen Gefahr der Benachteiligung.(22) In qualitativer Hinsicht ist unsicher, ob die Korrelation typischerweise(23) bestehen bzw. aus dem Wesen des Unterscheidungskriteriums folgen muss, wie dies mehrere Urteile indizieren,(24) oder auch auf eher zufälligen tatsächlichen Verhältnissen beruhen kann.(25) Zudem ist nicht geklärt, ob quantitative und qualitative Korrelation kumulativ vorliegen müssen oder gegebenenfalls auch alternativ ausreichend sind.

58.      Wie ich bereits an anderer Stelle ausgeführt habe, sind für die Annahme einer versteckten Diskriminierung strenge Maßstäbe anzulegen. Denn die versteckte Diskriminierung soll nicht die Erweiterung eines Diskriminierungstatbestands bewirken, sondern lediglich auch solche Fälle erfassen, die rein formal betrachtet keine Diskriminierung darstellen, aber materiell wie eine solche wirken.(26)

i)      Quantitatives Kriterium

59.      Keinesfalls kann daher in quantitativer Hinsicht ein bloßes Übergewicht – im Sinne einer Betroffenheit von mehr als 50 % der Unternehmen – ausreichen; vielmehr müsste die Korrelation zwischen dem angewandten Unterscheidungsmerkmal und dem Sitz eines Unternehmens in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle festzustellen sein.(27)

60.      Allerdings kann dieses quantitative Element in der Rechtsanwendung erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Das Ergebnis der Prüfung hängt nämlich davon ab, welche Vergleichsgrößen man jeweils wählt. So hat der Gerichtshof in der Rechtssache Hervis Sport danach gefragt, ob die meisten verbundenen Gesellschaften auf der höchsten Tarifstufe der Sondersteuer mit ausländischen Muttergesellschaften verbunden waren.(28)

61.      Das Herausgreifen einzig der höchsten Tarifstufe ist als allgemeines Kriterium jedoch kaum zu begründen. Es erschließt sich nicht, warum nur diese eine Stufe für die Feststellung des diskriminierenden Charakters maßgeblich sein soll. Eine Prüfung allein anhand der höchsten Tarifstufe wird zudem umso fragwürdiger, je mehr Progressionsstufen eine Steuer vorsieht. Dieser Ansatz versagt sogar in Gänze, wenn es eine lineare Progressionskurve gibt, die gar keine Stufen aufweist, wie dies bei der Einkommensbesteuerung häufig der Fall ist.

62.      Auch das Abstellen der Kommission darauf, dass der Großteil des Gesamtaufkommens der Sondersteuer von ausländischen Unternehmen getragen wird,(29) überzeugt nicht. Dabei handelt es sich zum einen nicht um einen verlässlichen Indikator für eine Korrelation, sondern nur um einen zufälligen. Zum einen wäre dies im konkreten Fall – worauf Ungarn hinweist – wohl auch bei einer proportionalen Steuer der Fall, die auch von der Kommission zu Recht für unbedenklich gehalten wird. Dieses Merkmal ist nämlich immer erfüllt, wenn der Markt mehrheitlich von ausländischen Unternehmen dominiert wird.

63.      Zum anderen wären etwa solche Fälle nicht erfasst, in denen einzelne ausländische Unternehmen ganz erheblichen Steuersätzen unterworfen sind, während aber viele kleinere inländische Unternehmen mit niedrigen Steuersätzen dennoch so viel zum Gesamtaufkommen der Sondersteuer beitragen, dass die Korrelation zu verneinen wäre. Den diskriminierenden Charakter vom letztgenannten Beitrag kleinerer inländischer Unternehmen abhängig zu machen, würde also zu zufälligen Ergebnissen führen und ist daher nicht sinnvoll.

64.      Gleiches gilt für die Betrachtung des durchschnittlichen Steuersatzes. Da die Ungleichbehandlung bei progressiven Steuern nur in der Anwendung unterschiedlicher durchschnittlicher Steuersätze besteht, könnte allenfalls danach gefragt werden, ob in der weit überwiegenden Zahl der Fälle alle ausländischen Unternehmen im Hinblick auf diesen Satz im Vergleich zu inländischen Unternehmen benachteiligt werden. Das wäre nur dann der Fall, wenn in der weit überwiegenden Zahl der Fälle dieser durchschnittliche Steuersatz denjenigen weit übersteigt, dem inländische Unternehmen im Mittel unterworfen sind. Ob dies hier der Fall war, ergibt sich in eindeutiger Weise weder aus dem Vorabentscheidungsersuchen noch aus dem von den Beteiligten vorgelegten Zahlenmaterial.

65.      Aber auch hier würde der diskriminierende Charakter letztendlich vom durchschnittlichen Steuersatz der kleineren inländischen Unternehmen abhängig sein. Auch dies würde zu zufälligen Ergebnissen führen und ist daher nicht sinnvoll. Mitgliedstaaten, die gezielt um ausländische Investoren werben, könnten plötzlich keine progressive Ertragsteuer erheben, wenn und weil die neuen Investoren – wie auch bezweckt – aufgrund ihres wirtschaftlichen Erfolgs den Großteil des Steueraufkommens (entweder absolut oder über ihre höheren durchschnittlichen Steuersätze) tragen würden. Dies wäre ein absurdes Ergebnis, welches zeigt, dass eine quantitative Betrachtung nicht zielführend ist.

66.      Eine rein quantitative Prüfung hat – neben den bereits aufgezeigten Berechnungsschwierigkeiten (dazu oben, Nrn. 59 ff.) – zudem den Nachteil, dass sie erhebliche Rechtsunsicherheit verursacht, sofern man sich nicht auf einen konkreten Grenzwert festlegt.(30) Aber auch ein konkreter Grenzwert würde Folgeprobleme nach sich ziehen, etwa schwer zu entscheidende Streitigkeiten zwischen sich widersprechenden Statistiken sowie auftretende Schwankungen der Zahlen über die Zeit. So hat sich im vorliegenden Fall die Anzahl der erfassten „inländischen“ Unternehmen in der zweithöchsten Tarifstufe in zwei Jahren verdreifacht (von 10 % auf 30 %).

67.      Auch die z. B. gerade in Frankreich beschlossene „Digitalsteuer“ erfasst nach Presseberichten derzeit insgesamt ca. 26 Unternehmen, von denen nur vier in Frankreich ansässig sind. Würde eine Änderung der Zahlen im nächsten Jahr zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen, hinge das Vorliegen einer Beschränkung der Grundfreiheiten (unterstellt, die anderen 22 Unternehmen können sich auf die Grundfreiheiten berufen) immer von diesen erst später verfügbaren Statistiken ab.

68.      Hinzu kommt, dass das Abstellen auf die Anteilseigner bei Gesellschaften im Streubesitz (Aktiengesellschaft mit tausenden von Aktionären) zur Bestimmung eines quantitativen Kriteriums erhebliche Probleme bereitet. Wie darüber hinaus eine Gesellschaft mit zwei Gesellschaftern zu beurteilen ist, bei der ein Gesellschafter im Ausland, der andere im Inland ansässig ist, wäre auch unklar. Wenn schon – wie von der Kommission und dem vorlegenden Gericht – auf die Anteilseigner abgestellt wird, müsste dann bei größeren Konzernstrukturen nicht allein auf die Konzernspitze (d. h. auf die Konzernmuttergesellschaft) und deren Anteilseigner abgestellt werden, um zu bestimmen, ob tatsächlich ein EU-ausländisches, ein aus einem Drittstaat stammendes oder ein inländisches Unternehmen betroffen ist?

69.      Im vorliegenden Fall ist die Gesellschafterstruktur der Muttergesellschaft bzw. der eigentlichen Konzernmuttergesellschaft dem Gerichtshof gar nicht genau bekannt. Dieser Fall zeigt daher gut die Unergiebigkeit eines quantitativen Ansatzes, der noch dazu darauf basiert, wie die Gesellschafterstruktur einer Gesellschaft aufgebaut ist.

ii)    Qualitatives Kriterium

70.      Wichtiger als dieses rein quantitative Element erscheint mir daher das vom Gerichtshof inzwischen auch häufiger verwendete qualitative Kriterium zu sein, wonach das Unterscheidungsmerkmal seinem Wesen nach bzw. typischerweise ausländische Gesellschaften betreffen muss.(31) Ein bloß zufälliger Zusammenhang, mag er quantitativ auch noch so deutlich ausfallen, kann demnach im Grundsatz nicht ausreichen, um eine mittelbare Diskriminierung zu begründen.

71.      Das Kriterium einer wesensmäßigen Korrelation bedarf jedoch näherer Konkretisierung. Der Gerichtshof hat eine wesensmäßige Korrelation etwa dort angenommen, wo Apotheker, die ihre Tätigkeit bereits im Inland ausgeübt hatten, einen Vorzug bei der Erteilung von Niederlassungserlaubnissen erhielten.(32) Dem liegt die zutreffende Erwägung zugrunde, dass eine Korrelation zwischen Sitz und Tätigkeitsort eines Unternehmens einer gewissen inneren Logik oder Typizität folgt und nicht lediglich auf der zufälligen Beschaffenheit eines bestimmten Marktes oder Wirtschaftszweigs beruht.

72.      Gleiches gilt – wie unlängst Generalanwalt Wahl(33) ausgeführt hat – für die Eigentümer von in einem Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugen, die zum größten Teil die dortige Staatsangehörigkeit besitzen, weil die Zulassung der Fahrzeuge an den Wohnsitz der Fahrzeughalter anknüpft. Auch die Wahl eines Anknüpfungspunktes, den nur im Ausland hergestellte Fahrzeuge erfüllen können, weil im Inland keine solchen Fahrzeuge hergestellt werden, ist ein solcher Fall.(34)

73.      Eine wesensmäßige Korrelation ist ferner auch beim Merkmal der Erzielung „steuerpflichtiger Einkünfte“ anzunehmen. Hintergrund ist, dass das Unternehmenssteuerrecht durch den Dualismus von im Inland erwirtschafteten und dort steuerpflichtigen Einkünften einerseits und im Ausland erwirtschafteten und im Inland daher nicht steuerpflichtigen Einkünften andererseits geprägt ist. Wird daher ein Vorteil an die gleichzeitige Erzielung steuerpflichtiger Einkünfte geknüpft, so korreliert dieser seinem Wesen nach mit einem Vorteil für inländische Unternehmen.(35)

74.      Es kommt somit auf einen dem Unterscheidungsmerkmal immanenten Zusammenhang an, der schon bei abstrakter Betrachtung die Wahrscheinlichkeit einer Korrelation in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle eindeutig vermuten lässt.

75.      Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist die entscheidende Frage, ob die Höhe des Umsatzes eines Unternehmens ihrem Wesen nach mit dem (ausländischen) Sitz eines Unternehmens bzw. seiner kontrollierenden Anteilseigner korreliert. Bereits in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Hervis Sport habe ich dazu ausgeführt, dass zwar in der Regel umsatzstarke Unternehmen eher geneigt sein werden, über die nationalen Grenzen hinaus im Binnenmarkt zu operieren und dadurch möglicherweise eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass derartige Unternehmen auch in anderen Mitgliedstaaten aktiv sind.(36)

76.      Das reicht aber für sich genommen noch nicht aus. Umsatzstarke Unternehmen können ebenso gut von Gebietsansässigen betrieben werden.(37) Dies gilt insbesondere, wenn wie hier – vgl. Art. 3 Abs. 2 des Sondersteuergesetzes – auf den im Inland erzielten Umsatz und nicht auf den weltweiten Umsatz abgestellt wird. Es ist kein Grund erkennbar, warum generell davon auszugehen sein sollte, dass in Ungarn tätige ausländische Unternehmen einen höheren Umsatz mit Verkäufen im Einzelhandel in Ungarn erzielen werden als inländische Unternehmen.

77.      Mit anderen Worten handelt es sich bei dem Kriterium des Umsatzes nicht um ein dem Wesen nach grenzüberschreitendes, sondern um ein neutrales Unterscheidungsmerkmal. Der Umsatz ist als Bemessungsgrundlage für die Berechnung einer direkten Steuer genauso neutral wie z. B. der Gewinn (oder das Vermögen). Die Grundfreiheiten begünstigen weder das eine noch das andere. Insofern liegt eine historisch bedingte „Zufälligkeit“ des ungarischen Einzelhandelsmarktes vor, die von dem ungarischen Gesetzgeber möglicherweise bewusst ausgenutzt wurde (zu dieser Problematik siehe unten, Nrn. 79 ff.).

78.      Dies wird auch durch die dem Gerichtshof vorliegenden Statistiken bestätigt. So zeigt eine der Statistiken aus dem Verfahren Vodafone (C‑75/18), dass sich in Ungarn unter den zehn stärksten Körperschaftsteuerzahlern in 2010 nur drei Unternehmen befinden, die nicht von ausländischen Anteilseignern gehalten werden. Offenbar ist die gesamte ungarische Wirtschaft durch einen hohen Anteil erfolgreicher (d. h. großer, umsatz- und ertragsstarker) Unternehmen geprägt, die von ausländischen Anteilseignern gehalten werden. Nach Angaben von Ungarn bestehen wichtige Teile der ungarischen Wirtschaft wie z. B. die verarbeitende Industrie hauptsächlich aus ausländischen Gesellschaften, die 85 % bis 97 % aller Umsätze erzielen.(38) Dieser offenbar historisch bedingte Umstand führt aber nicht dazu, dass jede Steuer, die die besonders am Markt erfolgreichen Unternehmen stärker belastet, auch mittelbar diskriminiert.

2)      Auswirkungen einer bewussten und gezielten Benachteiligung

79.      Allerdings trägt die Kommission darüber hinaus vor, der ungarische Gesetzgeber habe die diskriminierende Wirkung der Sondersteuer bewusst und gezielt herbeigeführt. Dazu beruft sie sich auf Äußerungen in der betreffenden Parlamentsdebatte sowie auf Auszüge aus Regierungsdokumenten.

80.      Insofern stellt sich die Frage, ob eine Beschränkung einer Grundfreiheit auch dann anzunehmen ist, wenn ein – seinem Wesen nach nicht benachteiligendes – Unterscheidungskriterium subjektiv bewusst gewählt wurde, um eine hohe quantitative Benachteiligung von Unternehmen mit in der Regel ausländischen Anteilseignern zu erzielen. Dafür muss eine solche Absicht rechtlich relevant (dazu i) und entsprechend nachgewiesen worden sein (dazu ii).

i)      Relevanz der politischen Absicht für die Beurteilung einer mittelbaren Diskriminierung

81.      Ich sehe gewisse Risiken einer subjektiven Betrachtung einer eigentlich objektiv(39) zu bestimmenden mittelbaren Diskriminierung. Insbesondere die mit der Feststellung eines subjektiven Diskriminierungswillens eines Mitgliedstaats verbundenen Unsicherheiten werfen Bedenken(40) und Folgeprobleme (z. B. die der Nachweisbarkeit) auf.

82.      Dennoch ist diese Frage im Hinblick auf den Sinn und Zweck des qualitativen Kriteriums im Rahmen einer mittelbaren Diskriminierung (dazu oben, Nr. 55 und Nrn. 70 ff.) und auf das unionsrechtlich anerkannte Verbot des Rechtsmissbrauchs (bzw. des Verbots widersprüchlichen Verhaltens) im Grundsatz – aber nur unter sehr engen Voraussetzungen – zu bejahen.

83.      Der Zweck  des qualitativen Kriteriums besteht nämlich darin, rein zufällige quantitative Korrelationen aus dem Bereich der mittelbaren Diskriminierung auszunehmen. In gewisser Weise schützt dieses Kriterium die Steuerhoheit des Mitgliedstaats vor Restriktionen durch das Unionsrecht, die sich bei einer rein quantitativen Betrachtung lediglich aus einem zufälligen Übergewicht ausländischer Steuerpflichtiger in einem bestimmten Bereich ergeben könnten. Wird die Korrelation allerdings bewusst und ausschließlich in dieser Form gewählt, um gezielt ausländische Steuerpflichtige zu benachteiligen, so fehlt es gerade an dieser Zufälligkeit und damit auch an der Schutzwürdigkeit des Mitgliedstaats.

84.      Dieser Ansatz lässt sich auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs stützen,(41) der unionsweit nicht nur für Steuerpflichtige gilt (vgl. mittlerweile auf Unionsebene Art. 6 der Richtlinie 2016/1164(42)). Ebenso wie Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona(43) bin ich der Ansicht, dass auch die Mitgliedstaaten im Ergebnis diesem allgemeinem Rechtsgrundsatz über Art. 4 Abs. 3 EUV unterfallen.

85.      So hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass das Unionsrecht auf der grundlegenden Prämisse beruht, dass jeder Mitgliedstaat mit allen anderen Mitgliedstaaten eine Reihe gemeinsamer Werte teilt – und anerkennt, dass sie sie mit ihm teilen –, auf die sich, wie es in Art. 2 EUV heißt, die Union gründet. In eben diesem Zusammenhang obliegt es den Mitgliedstaaten nach dem in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV niedergelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet insbesondere für die Anwendung und Wahrung des Unionsrechts zu sorgen und zu diesem Zweck alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen zu ergreifen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Unionsorgane ergeben.(44)

86.      Insbesondere verlangt Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 3 EUV, dass die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden können. Wenn aber national bestehende Befugnisse bewusst und ausschließlich in einer Form ausgeübt werden (hier die Einführung einer weiteren Ertragsteuer), um allein ausländische Unternehmen zu benachteiligen und damit in ihren vom Unionsrecht gewährten Grundfreiheiten zu beschränken (mithin um Unionsrecht zu unterlaufen), dann verstößt dies gegen den Gedanken des Art. 4 Abs. 3 EUV und kann unter bestimmten Umständen durchaus als rechtsmissbräuchlich betrachtet werden. Unter diesen Umständen kann dann darin auch eine mittelbare Diskriminierung gesehen werden.

87.      Aus den oben dargelegten Bedenken ergibt sich allerdings auch, dass es sich hierbei um eine sehr begrenzte Ausnahme handeln muss, die unter Berücksichtigung der Autonomie der Mitgliedstaaten restriktiv zu handhaben ist und eines konkreten Nachweises bedarf. Eine mittelbare Beschränkung der Grundfreiheit aufgrund rechtsmissbräuchlichen Verhaltens eines Mitgliedstaats darf keinesfalls leichtfertig aufgrund bloßer Spekulationen, unzureichend belegter Statistiken, lediglich einzelner Äußerungen von Politikern(45) oder anderer Mutmaßungen angenommen werden.

88.      Vielmehr müssen eindeutige Anhaltspunkte vorliegen, dass die Benachteiligung ausländischer Gesellschaften die primäre Zielsetzung der Maßnahme darstellte, die als solche von dem Mitgliedstaat (und nicht nur einzelnen beteiligten Personen) wahrgenommen und mitgetragen wurde, und es darf – wie in anderen Fällen des Missbrauchs – auch kein anderer sachlicher Grund für die gewählte Regelung erkennbar sein.

ii)    Nachweis einer relevanten Diskriminierungsabsicht

89.      Daran bestehen hier erhebliche Zweifel. Die Kommission stützt das Vorliegen einer Diskriminierungsabsicht einerseits auf ihre Beobachtung, wonach die Linie, welche die oberste Umsatzstufe (über 100 Mrd. HUF) von der mittleren (zwischen 30 Mrd. und 100 Mrd. HUF) trennt, fast genau die Trennlinie zwischen inländischen und ausländischen Gesellschaften darstelle.

90.      Aus dem mitgelieferten Zahlenmaterial ergibt sich das jedoch nicht, auch wenn sich in den beiden höchsten Tarifstufen in der Tat mehrheitlich ausländisch gehaltene Unternehmen befinden. Denn auch in der dritten Stufe finden sich zahlreiche Unternehmen, die von EU-Ausländern gehalten werden. Zumindest ab 2012 lassen sich darüber hinaus auch in der zweiten Tarifstufe zu 30 % von Inländern gehaltene Unternehmen finden. Von einer klaren Trennlinie kann damit wohl nicht gesprochen werden. Dazu ist der Anteil der ausländisch gehaltenen Unternehmen, die auch von einem niedrigeren Steuersatz „profitieren“, zu hoch. Im Übrigen ist der Anteil der ausländisch gehaltenen Unternehmen, die auch von der Steuerfreiheit profitieren, nicht bekannt.

91.      Wenn die ungarische Wirtschaft im Bereich des Einzelhandels – wie es das vorlegende Gericht nahelegt – tatsächlich von einem Organisationsmodell vieler kleinerer Einzelhändler unter einer Marke (Franchisemodell) geprägt ist, dann ist der obige Befund auch die logische Folge. Viele Steuerpflichtige haben in Summe vielleicht denselben Umsatz, aber jeder Einzelne nur einen kleinen Umsatz, der dann auch einem niedrigeren Steuersatz unterfällt. Im Ergebnis konkurriert Tesco mit seinem zentralisierten Organisationsmodell aber auch nicht mit der Gesamtheit der anderen steuerpflichtigen ungarischen Einzelhändler, sondern nur mit jedem einzelnen (selbständigen) steuerpflichtigen Einzelhändler.

92.      Führt nun aber eine Zentralisierung des übrigen europäischen Einzelhandels (viele Läden in der Hand eines einzelnen Steuerpflichtigen) dazu, dass eine progressive Ertragsbesteuerung des Einzelhandels in Ungarn missbräuchlich ist, sobald sich eine europäische Einzelhandelskette mit ihrem Organisationsmodell in Ungarn etabliert hat?

93.      Das muss bezweifelt werden. Insbesondere war Tesco nicht gehindert, seine Organisationsstruktur an die veränderten steuerrechtlichen Umstände anzupassen und seine Filialen ebenfalls in einem Franchisemodell zu betreiben. Auch eine Organisation mittels mehrerer beherrschter juristischer Personen wäre möglich. Sofern die Zusammenrechnungsregelung keine Anwendung findet, würde dies auch den durchschnittlichen Steuersatz reduzieren. Die Besteuerung hängt also von der gewählten Rechtsform ab. Die Grundfreiheiten verlangen aber keine rechtsformneutrale Besteuerung,(46) sondern nur eine den grenzüberschreitenden Fall nicht diskriminierende Besteuerung. Insofern kann die stärkere Besteuerung einer bestimmten zentralisierten Organisationsform auch nicht per se als missbräuchlich betrachtet werden.

94.      Andererseits ähnelt die Wortwahl in der Parlamentsdebatte, die über die Einführung einer sogenannten Krisensteuer (Ungarn versuchte damit, die Haushaltsdefizitkriterien der Union wieder einzuhalten) abgehalten wurde, sehr der aktuellen BEPS(47)-Debatte. Auch in der ungarischen Parlamentsdebatte ging es im Großen und Ganzen nämlich um das Problem, dass große multinationale Konzerne es schaffen, ihre Gewinne in Ungarn zu minimieren, so dass die Steuerlast im Wesentlichen von den kleinen und mittleren Unternehmen getragen wird, was mit dem Sondersteuergesetz partiell verhindert werden soll. Insofern richtet sich diese besondere Steuergesetzgebung weniger gegen ausländische Unternehmern als vielmehr gegen international grenzüberschreitend agierende (multinationale) Unternehmen.

95.      Darin zeigt sich auch der sachliche Grund für die streitgegenständliche Steuergesetzgebung. Wie eine dem Gerichtshof in der Rechtssache Vodafone übermittelte Statistik zeigt, hat im Jahr 2010 von den zehn umsatzstärksten Unternehmen in Ungarn nur die Hälfte eine Körperschaftsteuer entrichtet. Dabei handelt es sich um sowohl von Inländern als auch von EU-Ausländern gehaltene Unternehmen. Von den sieben umsatzstärksten Unternehmen der Einzelhandelsbranche (alle von EU-Ausländern gehaltene Unternehmen) hat sogar weniger als die Hälfte eine Körperschaftsteuer entrichtet. Dies kann mit realen Verlusten zusammenhängen. Allerdings hat die Kommission mehrfach in der mündlichen Verhandlung betont, dass der durchschnittliche Gewinn der Einzelhandelsbranche in Ungarn bei 2,68 % des Umsatzes lag. Daraus müsste dann eigentlich eine korrespondierende Körperschaftsteuerpflicht folgen. Insofern kann es auch nicht ausgeschlossen werden, dass dieser durchschnittliche Gewinn von 2,68 % des Umsatzes in Niedrigsteuerländer verlagert worden ist. Eine Anknüpfung der Besteuerung an den Umsatz kann durchaus darauf abzielen, diesem Umstand abzuhelfen.

96.      Dies entspricht im Übrigen auch dem Ansatz der Kommission bei der geplanten unionsweiten Digitalsteuer.(48) Auch die Kommission versucht, multinationale Unternehmen (hier vornehmlich aus bestimmten Drittstaaten) an den Kosten des Allgemeinwesens stärker zu beteiligen, wenn diese in der Union Gewinne generieren, ohne dort der Ertragsteuer zu unterliegen. Wenn schon die Kommission eine umsatzbasierte progressive Steuer für bestimmte Unternehmen als geboten ansieht, um Steuergerechtigkeit zwischen größeren weltweit agierenden und kleineren (nur) europaweit agierenden Unternehmen herbeizuführen, dann kann eine vergleichbare nationale Steuer, die größere Unternehmen stärker an den Gemeinlasten beteiligen möchte als kleinere, im Grundsatz kaum rechtsmissbräuchlich sein.

97.      Insbesondere beruft sich die Kommission lediglich auf Äußerungen von Parlamentariern in der Parlamentsdebatte und auf Auszüge aus Regierungsdokumenten. Auch dies scheint mir für den Vorwurf eines Rechtsmissbrauchs gegenüber einem Mitgliedstaat nicht auszureichen. Wenn Äußerungen in einer Parlamentsdebatte ausreichen würden, dann hätte es die Opposition (oder gar ein einzelner Abgeordneter) in der Hand, durch eine entsprechende Äußerung jede Entscheidung des Gesetzgebers zu torpedieren.

98.      Da normalerweise die Regierung an die Entscheidung des Parlaments gebunden ist und nicht umgekehrt, habe ich auch Bedenken, auf einzelne Regierungsdokumente abzustellen. Wichtiger ist die amtliche (rechtliche) Gesetzesbegründung und nicht die bloß politische Begründung des Gesetzesinhalts gegenüber den Wählern.(49) Aus Ersterer ergibt sich jedoch nicht, dass Ziel dieser Steuer die primäre Besteuerung von EU-Ausländern war.

99.      Darüber hinaus erfasst die Grenze von 500 Mio. HUF für die erste Besteuerungsstufe nicht ausschließlich inländische Unternehmen. Jedes neue, auf dem ungarischen Einzelhandelsmarkt tätige in- wie ausländische Unternehmen profitiert auch von dem Freibetrag. Insofern begünstigt die gewählte Struktur des Steuertarifs insbesondere sogenannte Start-ups gegenüber größeren Unternehmen, die sich schon fest auf dem Markt etabliert haben.(50) Sie begünstigt – wie auch Polen in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat – ebenfalls kleinere und mittlere Unternehmen gegenüber den großen Konzernen und damit eine dezentralere Marktstruktur. Ob die Grenzen von 30 und 100 Mrd. HUF Umsatz die „besten“ Grenzen sind oder ob nicht ein anderer Betrag – in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission eine Grenze von 10 bis 50 Mio. HUF „vorgeschlagen“ – „besser“ gewesen wäre, ist eine Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, die jenseits des Missbrauchs weder der Gerichtshof noch die Kommission überprüfen können.

100. Demgegenüber hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung vermehrt betont, dass eine umsatzbasierte Ertragsteuer keinen Sinn ergäbe („makes no sense“). Diese Aussage, die auf der These basiert, dass nur eine gewinnbasierte Ertragsbesteuerung dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entspricht, halte ich für nicht zutreffend.

101. Wie ich bereits in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Hervis Sport ausgeführt habe, kann die Höhe des Umsatzes durchaus einen typisierenden Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit darstellen. Dafür spricht zum einen, dass ohne hohe Umsätze hohe Gewinne gar nicht möglich sind, und zum anderen, dass in der Regel der Ertrag eines zusätzlichen Umsatzes (Grenzertrag) aufgrund sinkender Fixkosten pro Produkteinheit steigt.(51) Es erscheint daher nicht unvertretbar, den Umsatz als Ausdruck der Größe oder der Marktposition und potenzieller Gewinne eines Unternehmens auch als Ausdruck seiner finanziellen Leistungsfähigkeit zu werten und entsprechend zu besteuern.

102. Daher ist die offensichtlich vom ungarischen Gesetzgeber angestellte pauschale Vermutung, dass größere (d. h. umsatzstärkere) Unternehmen grundsätzlich auch finanziell leistungsfähiger sind als kleinere (vgl. dazu auch die Präambel des Sondersteuergesetzes), jedenfalls nicht sachfremd.(52) Auch der (private) Bankensektor differenziert bei der Kreditvergabe nach der Größe des Umsatzes des Kreditnehmers. Selbst die geplante EU-Digitalsteuer geht wohl von dieser Vermutung aus, wenn erst Unternehmen ab einer gewissen Umsatzgrenze besteuert werden sollen (unabhängig davon, ob sie wirklich Gewinne erwirtschaften). Daher ist der Umsatz vielleicht kein idealer, jedoch auch kein sachfremder Indikator für eine finanzielle Leistungsfähigkeit.

103. Hinzu kommt, dass das Abstellen auf den Umsatz weniger Spielraum für Gestaltungsmodelle multinational tätiger Unternehmen lässt, was einer der Hauptpunkte der sogenannten BEPS-Debatte des letzten Jahrzehnts ist und was auch ein tragender Punkt in der ungarischen Parlamentsdebatte war. Auch die Kommission begründet im 23. Erwägungsgrund(53) ihren Vorschlag zur geplanten EU-Digitalsteuer ausdrücklich damit, dass „größere Unternehmen über Möglichkeiten aggressiver Steuerplanung“ verfügen.

c)      Zwischenergebnis

104. Eine mittelbare Beschränkung der Grundfreiheiten durch die Einführung der umsatzbasierten, progressiv wirkenden Ertragsteuer für Einzelhandelsunternehmen liegt nicht vor. Zum einen weist das von dem ungarischen Gesetzgeber gewählte Anknüpfungsmerkmal des Umsatzes seinem Wesen nach keine Benachteiligung des grenzüberschreitenden Sachverhaltes auf. Zum anderen kann mangels hinreichender Nachweise und angesichts eines sachlichen Grundes für die Ausgestaltung der Steuer dem Mitgliedstaat Ungarn insoweit kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden.

3.      Hilfsweise: Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung

105. Für den Fall, dass der Gerichtshof dennoch von einer mittelbaren Diskriminierung ausgehen sollte, ist hilfsweise zu prüfen, ob der daraus resultierende unterschiedliche Durchschnittsteuersatz gerechtfertigt ist. Eine Beschränkung von Grundfreiheiten kann aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein, sofern sie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu erreichen, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Zieles notwendig ist.(54)

a)      Zwingende Gründe des Allgemeinwohls

106. Wie sich aus der Präambel des Sondersteuergesetzes ergibt, dient die Sondersteuer der Wiederherstellung des Haushaltsgleichgewichts zulasten der Steuerpflichtigen, deren Fähigkeit, einen Beitrag zur Bestreitung der öffentlichen Lasten zu leisten, die allgemeine Steuerpflicht übersteigt. Zwar hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Wiederherstellung des Haushaltsgleichgewichts durch Erhöhung der Steuereinnahmen(55) keine Diskriminierung rechtfertigt. Hier soll die besondere Wirkungsweise der Steuer aber nicht mit bloßen fiskalischen Interessen gerechtfertigt werden, sondern mit einer Anknüpfung an die unterschiedliche Wirtschaftskraft der Steuerunterworfenen, also unter Berücksichtigung einer gerechten Lastenverteilung in der Gesellschaft.

107. Die unterschiedliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen kann jedoch eine unterschiedliche Behandlung der Steuerpflichtigen rechtfertigen.(56) Dementsprechend ist im Steuerrecht anerkannt, dass grundsätzlich ein legitimes Interesse des Staates daran besteht, progressive Steuersätze anzuwenden. Dass Personen mit einer gesteigerten finanziellen Leistungsfähigkeit überproportional an den Kosten der Allgemeinheit beteiligt werden können, ist auch innerhalb der Mitgliedstaaten – jedenfalls bei Steuern, die sich nach dem Gewinn bemessen – weit verbreitet.(57) In vielen Mitgliedstaaten ist das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sogar ein verfassungsrechtliches Prinzip, welches teils ausdrücklich in den Verfassungen verankert ist,(58) teils höchstrichterlich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz abgeleitet wird.(59)

108. Hintergrund ist im Sozialstaat das Ziel, die sozial Schwächeren zu entlasten und insofern die zum Teil recht ungleich verteilten Geldmittel mit Hilfe des Steuerrechts etwas umzuverteilen. Da gemäß Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV die Union nicht nur einen Binnenmarkt errichtet, sondern auch die soziale Gerechtigkeit fördert, können diese sozialstaatlichen Gründe unionsrechtlich einen progressiven Steuertarif rechtfertigen. Dies gilt jedenfalls für eine Steuer, die nicht nur Unternehmen, sondern auch natürliche Personen erfasst, wie dies nach Art. 3 Abs. 1 und 2 des Sondersteuergesetzes der Fall ist. Selbst die Europäische Union greift für die Besteuerung der Einkünfte ihrer Beamten und Angestellten auf einen progressiven Tarif zurück.(60)

109. Auch der Gerichtshof hat das Prinzip der Besteuerung entsprechend der Leistungsfähigkeit – jedenfalls im Rahmen des Rechtfertigungsgrundes der Kohärenz des Steuersystems – anerkannt.(61) Die Höhe des Umsatzes ist ein zumindest nachvollziehbarer Indikator für eine finanzielle Leistungsfähigkeit (siehe oben, Rn. 100 ff.). Folglich kann der Rechtfertigungsgrund einer Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip eine Beschränkung der Grundfreiheiten rechtfertigen.

b)      Verhältnismäßigkeit der Beschränkung

110. Die Beschränkung der Grundfreiheit muss weiterhin geeignet sein, die Erreichung des Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.(62)

1)      Geeignetheit

111. Eine nationale Regelung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann geeignet, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.(63)

112. Dabei berücksichtigt der Gerichtshof den Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten beim Erlass allgemeiner Gesetze.(64) Insbesondere werden von einem Gesetzgeber politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen verlangt. Ebenso muss er komplexe Prüfungen durchführen.(65) In Ermangelung einer unionsrechtlichen Harmonisierung verfügt der nationale Gesetzgeber auf dem Gebiet des Steuerrechts daher über ein gewisses Ermessen. Folglich genügt es dem oben erwähnten Kohärenzgebot, wenn die Sondersteuer zur Erreichung des Ziels nicht offensichtlich ungeeignet ist.(66)

113. Soweit die Sondersteuer hier die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der steuerpflichtigen Unternehmen in den Blick nimmt, beruht sie (vgl. Nr. 102) auf der Annahme, dass Unternehmen mit einem höheren Umsatz finanziell leistungsfähiger sind als solche mit einem niedrigeren Umsatz.

114. Dagegen wendet die Kommission ein, dass der Umsatz lediglich die Größe und die Marktposition eines Unternehmens, nicht aber ihre finanzielle Leistungsfähigkeit indiziere. Eine Steigerung des Umsatzes gehe nicht automatisch mit einem Anstieg des Gewinns einher. Es bestehe daher kein direkter Zusammenhang zwischen dem Umsatz und der finanziellen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Diese Argumentation der Kommission verwundert, denn die geplante umsatzabhängige Digitalsteuer auf Unionsebene wird im Ergebnis gegenteilig begründet.(67)

115. Insbesondere ist ein direkter Zusammenhang zwischen dem Steuergegenstand (hier der Umsatz) und dem Ziel der Steuer (hier die Besteuerung der Leistungsfähigkeit), wie ihn die Kommission verlangt, nicht erforderlich, um die Geeignetheit der Maßnahme zu begründen. Derart strenge Anforderungen würden dem Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten zuwiderlaufen. Die Ungeeignetheit der Maßnahme ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn kein nachvollziehbarer Zusammenhang erkennbar ist. Im vorliegenden Fall ist aber ein indirekter Zusammenhang zwischen dem erzielten Jahresumsatz und einer finanziellen Leistungsfähigkeit durchaus (dazu oben, Nrn. 101 ff.) erkennbar.

116. Anders als die Kommission in der mündlichen Verhandlung vertreten hat, ist für die Ungleichbehandlung daher nicht ausschlaggebend, ob der progressive Tarif bei einer gewinnbasierten oder umsatzbasierten Steuer angewendet wird. Im Übrigen ist auch der Gewinn eines Unternehmens nur eine Rechengröße, die eine fiktive (zu besteuernde) Leistungsfähigkeit zeigt und nicht immer mit der realen Leistungsfähigkeit übereinstimmt. Deutlich wird dies bei hohen Sonderabschreibungen, die den Gewinn nur fiktiv, aber nicht real mindern (sogenannte stille Reserven), oder bei sogenannten Sanierungsgewinnen (der Verzicht auf eine Forderung durch einen Gläubiger eines insolventen Unternehmens führt buchhalterisch bei diesem zu einem Gewinn in der Bilanz).

117. Die in beiden Fällen auftretende Problematik einer Besteuerung trotz realer Verluste (oder wegen fiktiver Gewinne) ist eine Frage des nationalen Rechts. Dieses kann dem über einen Erlass oder eine Stundung einer solchen Steuer Rechnung tragen, wenn tatsächlich reale Verluste (d. h. nicht nur Buchverluste) oder nur Buchgewinne (d. h. keine realen Gewinne) vorliegen.

118. Hinzu kommt, dass der Umsatz in gewisser Hinsicht sogar besser geeignet sein kann, die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Unternehmens abzubilden als der Gewinn. Anders als der Gewinn ist der Umsatz nämlich in viel geringerem Maße einer Reduzierung durch Minderung der steuerrechtlichen Bemessungsgrundlage oder dem Verschieben von Gewinnen z. B. mittels Verrechnungspreisen zugänglich. Das Anknüpfen an den Umsatz kann daher auch ein wirksames Mittel darstellen, aggressiver Steuerplanung entgegenzuwirken, was die Kommission bei der von ihr vorgeschlagenen umsatzbasierten Digitalsteuer zu Recht selbst betont.(68)

119. Die ungarische Sondersteuer ist daher nicht offensichtlich ungeeignet, dem genannten Ziel der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu dienen.

2)      Erforderlichkeit

120. Eine gewinnbasierte Ertragsteuer ist auch kein milderes, gleichgeeignetes Mittel, sondern ein aliud zu einer umsatzbasierten Ertragsteuer. Die Art der Besteuerungstechnik des Ertrages (umsatzbasiert oder gewinnbasiert) sagt – wie unter Nr. 116 dargelegt – nichts darüber aus, ob im Falle eines echten Verlustes auch Steuern zu zahlen sind.

121. Mit der Autonomie der Mitgliedstaaten im Bereich des Steuerrechts wäre es ebenfalls nur schwer vereinbar, wenn das Unionsrecht im Bereich der nicht harmonisierten Steuern die konkrete Besteuerungstechnik vorschreiben würde. Ein Vorrang von gewinnbasierten Steuern vor umsatzbasierten Steuern ergibt sich aus dem Unionsrecht jedenfalls nicht.

122. Darüber hinaus ist eine gewinnbasierte Ertragsteuer zur Erreichung einer effizienten und einer weniger gestaltungsanfälligen Besteuerung auch nicht gleich geeignet. Die Anknüpfung an den Umsatz als Bemessungsgrundlage hat nämlich den erwähnten Vorteil, dass dieser leichter zu ermitteln ist und Umgehungsstrategien erschwert.

3)      Angemessenheit

123. Die hilfsweise unterstellte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit steht auch in einem angemessenen Verhältnis zu ihren legitimen Zielen der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, der Einhaltung der Stabilitätskriterien und der Missbrauchsbekämpfung. Alle genannten Ziele sind in der Union anerkannt und genießen zum Teil höchsten Rang.

124. Insbesondere macht die Sondersteuer eine wirtschaftlich einträgliche Tätigkeit im ungarischen Einzelhandel offenbar nicht unmöglich. Sie scheint keine erdrosselnde Wirkung zu haben, wie die vergangenen Jahre gezeigt haben. Die Kommission selbst hat mehrfach vorgetragen, dass der durchschnittliche Gewinn der Einzelhandelsbranche in Ungarn höher als der Spitzensteuersatz der Sondersteuer von 2,5 % und damit erst recht höher als der Durchschnittsteuersatz (bei Tesco lag dieser zwischen 2 % und 2,2 %(69)) war.

125. Die daraus resultierende Ertragsbesteuerung (bei 2 % Steuersatz und einer Gewinnspanne von 2,68 % entspräche dies einem Steuersatz von 75 %, bei 2,2 % Steuersatz und gleicher Gewinnspanne einem Steuersatz von 82 % auf den Gewinn) ist zwar erheblich. Sie hängt aber zum einen von der Gewinnspanne bei Tesco ab, die dem Gerichtshof nicht bekannt ist und die von Tesco im gewissen Maße beeinflusst werden kann. Zum anderen mindert die Sondersteuer auch den Gewinn, so dass damit eine Reduktion der gewinnbasierten Ertragsteuer einhergeht, sofern Ertragsteuern gezahlt werden. Hinzu kommt, dass die Sondersteuer von Anfang an als sogenannte Krisensteuer nur für drei Jahre erhoben wurde und daher lediglich vorübergehenden Charakter hatte.

126. Eine unterstellte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch eine umsatzbasierte progressive Ertragsteuer zulasten von umsatzstarken Einzelhandelsunternehmen wäre also jedenfalls gerechtfertigt.

4.      Ergebnis zur ersten Vorlagefrage

127. Die Art. 49 und 54 AEUV stehen der ungarischen Sondersteuer für Einzelhandelsunternehmen nicht entgegen.

C.      Zweite und dritte Vorlagefrage: Verstoß gegen das Beihilfeverbot

128. Die zweite und die dritte Frage beziehen sich auf den Beihilfecharakter der progressiv ausgestalteten ungarischen Sondersteuer für den Einzelhandel. Dieser wird von dem vorlegenden Gericht zum einen darin gesehen, dass ein Steuerpflichtiger, der mehrere Ladengeschäfte betreibt „eine Sondersteuer de facto nach der höchsten Stufe eines stark progressiven Steuersatzes entrichten muss“, während ein Steuerpflichtiger mit nur einem Ladengeschäft, der aber im Rahmen eines Franchisekonzeptes mit Erstgenannten konkurriert, „de facto entweder in den steuerbefreiten Bereich oder eine der darauffolgenden niedrigen Steuertarifstufen“ fällt.

129. Zum anderen knüpft das vorlegende Gericht den Beihilfecharakter an eine mögliche Verwendung des Aufkommens der Sondersteuer zugunsten der von ihr nicht betroffenen kleineren Unternehmen.

1.      Zur Zulässigkeit der zweiten und dritten Vorlagefrage

130. Zu klären ist zunächst, ob das Vorabentscheidungsersuchen im Hinblick auf die zweite und dritte Frage zulässig ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann sich der Schuldner einer Abgabe nicht darauf berufen, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen.(70)

131. Sofern die Abgabe allerdings zu bestimmten Zwecken und damit insbesondere zur Begünstigung anderer Unternehmer eingesetzt wird, ist zu prüfen, ob das Aufkommen aus der Abgabe in einer beihilferechtlich unbedenklichen Art und Weise verwendet wird.(71) In einem solchen Fall kann sich der betroffene Abgabenschuldner auch gegen seine eigene Belastung – die notwendigerweise mit der Begünstigung Dritter einhergeht – wenden. Dies setzt aber einen zwingenden Verwendungszusammenhang zwischen der Abgabe und der Beihilfe voraus. Das Aufkommen der Abgabe muss notwendigerweise für die Finanzierung der Beihilfe verwendet werden und den Umfang der Beihilfe und folglich die Beurteilung ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt unmittelbar beeinflussen.(72)

132. Hier führt die Verwendung der eingenommenen Geldmittel jedoch nicht kraft Gesetzes zu einer Begünstigung spezieller Unternehmen. Vielmehr erfolgt die Belastung des Klägers im Ausgangsverfahren durch eine allgemeine Steuer, die in den allgemeinen Staatshaushalt fließt und damit nicht einen Dritten konkret begünstigt. Damit wendet sich der Kläger im vorliegenden Fall lediglich gegen einen an ihn adressierten Steuerbescheid und hält diesen für rechtswidrig, weil andere Steuerpflichtige nicht im gleichen Maße besteuert werden.

133. Auch die vom Gericht festgestellte Tatsache, dass vor dem Erlass der Steuer das benötigte Steueraufkommen feststand und der Grundfreibetrag daher einen Einfluss auf den Steuersatz in den anderen Steuerstufen hatte, ändert daran nichts. Das Aufkommen der Steuer wird damit nicht zugunsten anderer Konkurrenten, sondern weiterhin zugunsten der Allgemeinheit und zur Tragung der allgemeinen Staatskosten verwendet.

134. Damit kann sich Tesco vor den nationalen Gerichten nicht auf die Rechtswidrigkeit der Steuerbefreiung berufen, die anderen Unternehmen gewährt wird, um sich der Entrichtung dieser Steuer zu entziehen.

135. Selbst in dem von Tesco angeführten Urteil Air Liquide Industries Belgium(73) hat der Gerichtshof zutreffend betont, dass der „Schuldner einer Abgabe sich nicht darauf berufen“ könne, „dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen.“(74)

136. Denn die „logische Folge“ einer binnenmarktwidrigen Beihilfe ist ihre Rückforderung.(75) Eine Nichtbesteuerung von Tesco würde aber keine Rückforderung darstellen, sondern die „Beihilfe“ auf eine weitere Person (hier Tesco) ausweiten und damit die Wettbewerbsverzerrung nicht beseitigen, sondern verstärken. Dies ist auch der wesentliche Unterschied zu den Fällen, in denen zwar auch „nur“ ein Steuerbescheid vor dem nationalen Gericht angefochten wird, aber das vorlegende Gericht anfragt, ob es eine begünstigende nationale Vorschrift anwenden kann.(76) In jenen Fällen beruft sich der Steuerpflichtige auf eine ihn begünstigende nationale Vorschrift, die möglicherweise eine Beihilfe darstellt.

137. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass eine Rückforderung im Wege einer nachträglichen Besteuerung der kleineren Unternehmen nicht möglich sei, so dass nur der Wegfall der Steuer in Betracht käme. Ist eine Rückforderung der Beihilfe ausnahmsweise nicht möglich, dann kann sie ausweislich von Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999(77) auch nicht zurückgefordert werden. Wie der Gerichtshof entschieden hat, gehört der Grundsatz, dass niemand zu etwas Unmöglichem verpflichtet ist, zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts.(78) Selbst in einem solchen Fall sehen aber weder die Art. 107 und 108 AEUV noch die Regelungen der genannten Verordnung für die Vergangenheit eine Erweiterung der Beihilfe auf weitere Personen vor.

138. Auch aus den jüngeren Entscheidungen des Gerichtshofs in der Rechtssache ANGED(79) zu einer spanischen (flächenbasierten) Einzelhandelsteuer kann die Zulässigkeit der Vorlagefrage – anders als die Kommission andeutet – nicht abgeleitet werden. In diesem Verfahren vor dem nationalen Gericht ging es um die Überprüfung des Gesetzes selbst (mit Erga-omnes-Wirkung) und nicht nur um die Überprüfung des einzelnen Steuerbescheides. Insofern waren dort weitere Ausführungen zu Art. 107 AEUV zumindest nützlich für das vorlegende Gericht.

139.  Tesco bleibt es unbenommen, eine abstrakte Überprüfung des Gesetzes vor einem nationalen Gericht zu erreichen. Die Fragen des vorlegenden Gerichts beschränken sich vorliegend aber auf den Steuerbescheid von Tesco und damit auf die Steuerlast eines Einzelnen.

140. Damit besteht weder ein Grund noch ein Bedürfnis, von der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs abzuweichen, wonach sich der Schuldner einer Abgabe nicht darauf berufen kann, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen.(80) Das Vorabentscheidungsersuchen ist hinsichtlich seiner zweiten und dritten Frage also bereits unzulässig.

2.       Hilfsweise: rechtliche Würdigung

141. Sollte der Gerichtshof dennoch die Zulässigkeit der zweiten und dritten Frage bejahen, müsste er prüfen, ob in der ermäßigten Besteuerung (umsatzbezogen) mittlerer bzw. in der Steuerbefreiung (umsatzbezogen) kleinerer Unternehmer eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV zu sehen ist.

142. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt die Qualifizierung als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV, dass es sich erstens um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handelt. Zweitens muss sie geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.(81)

a)      Zum Begriff des Vorteils

143. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gelten Maßnahmen gleich welcher Art, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen oder die als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte, als staatliche Beihilfen.(82)

144. Auch eine steuerliche Vergünstigung, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten finanziell besser stellt als die übrigen Steuerpflichtigen, kann unter Art. 107 Abs. 1 AEUV fallen.(83) Als Beihilfen gelten dabei insbesondere Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen.(84)

145. Fraglich ist auch hier, ob ein selektiver Vorteil vorliegt. Hinsichtlich der Steuerbefreiung und der ermäßigten Besteuerung fehlt es bereits an einem Vorteil. Alle Unternehmen – kleine wie große – werden mit einem Umsatz bis 500 Mio. HUF nicht, von 500 Mio. bis 30 Mrd. HUF stark ermäßigt und von 30 Mard. bis 100 Mrd. HUF ermäßigt besteuert. Dies gilt auch für Tesco.

146. Allenfalls der sich aufgrund der Progression ergebende unterschiedliche Durchschnittsteuersatz könnte einen selektiven Vorteil darstellen, der den umsatzschwächeren Steuerpflichtigen begünstigt.

b)      Selektivität des Vorteils im Steuerrecht

1)      Prüfungsmaßstab für die Selektivität eines allgemeinen Steuergesetzes

147. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs wird als Ausgangspunkt beständig wiederholt, dass eine Steuerregelung dann nicht selektiv ist, wenn sie unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer anwendbar ist.(85) Auch aufgrund des Umstands, dass eine Steuerregelung nur denjenigen Unternehmen einen Vorteil gewährt, die ihre Voraussetzungen erfüllen – hier das Nichterreichen gewisser Umsatzgrenzen –, kann die Selektivität der Regelung noch nicht festgestellt werden.(86) Dennoch sind auch allgemeine Steuergesetze an dem Beihilfeverbot des Art. 107 AEUV zu messen.(87)

148. Entscheidend ist dabei, ob die Voraussetzungen für den steuerrechtlichen Vorteil nach den Maßstäben des nationalen Steuersystems diskriminierungsfrei gewählt worden sind.(88) Dazu ist in einem ersten Schritt die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder „normale“ Steuerregelung zu ermitteln. Anhand dieser allgemeinen oder „normalen“ Steuerregelung ist dann in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob der mit der fraglichen Steuermaßnahme gewährte Vorteil eine ungerechtfertigte Ausnahme und somit selektiv ist.(89)

149. Letzteres setzt voraus, dass eine Ungleichbehandlung von Unternehmen in vergleichbarer Lage vorliegt, die nicht gerechtfertigt werden kann.(90) Im Ergebnis ist diese Selektivitätsprüfung eine Diskriminierungsprüfung.(91)

150. Eine Maßnahme, die eine Ausnahme von der Anwendung des allgemeinen Steuersystems darstellt, kann dabei gerechtfertigt sein, wenn der betreffende Mitgliedstaat nachweisen kann, dass sie unmittelbar auf den Grund- oder Leitprinzipien seines Steuersystems beruht.(92) Allgemeine Differenzierungen im Rahmen eines kohärenten Steuersystems können daher schwerlich einen selektiven Vorteil darstellen.

151. Verschiedene Generalanwälte(93) haben Bedenken, insbesondere hinsichtlich der Bestimmung des richtigen Referenzrahmens und einer allgemeinen Gleichheitsprüfung aller nationalen Steuergesetze bei gleichzeitiger Steuerautonomie der Mitgliedstaaten, aufgeworfen. Diesen kann durch einen abgemilderten Prüfungsmaßstab bezüglich der Kohärenz eines allgemeinen Steuergesetzes Rechnung getragen werden. Danach stellen allgemeine Differenzierungen bei der Schaffung des Referenzsystems nur dann selektive Maßnahmen dar, wenn sie im Hinblick auf das Ziel des Gesetzes auf keiner rationalen Grundlage beruhen. Dieser abgesenkte Prüfungsmaßstab gilt insbesondere, wenn es sich wie hier um neu eingeführte Steuergesetze handelt.

152. Daher kommt ein selektiver Vorteil nur in Betracht, wenn zum einen diese Maßnahme (hier der progressive Steuersatz) Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit der Steuerregelung dieses Mitgliedstaats verfolgte Ziel in einer offensichtlich  vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.(94)

153. Selbst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann zum anderen die Begünstigung nach ständiger Rechtsprechung durch das Wesen oder die allgemeinen Zwecke des Systems, zu dem sie gehört, gerechtfertigt sein. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn eine Steuerregelung unmittelbar auf Grund- oder Leitprinzipien des nationalen Steuersystems beruht,(95) die lediglich nachvollziehbar sein müssen. Darüber hinaus können auch nachvollziehbare außersteuerrechtliche Gründe eine Differenzierung rechtfertigen, wie dies in der Rechtssache ANGED z. B. für umwelt- und raumplanerische Gründe im Zusammenhang mit einer Einzelhandelsflächenabgabe bejaht wurde.(96)

154. Bei genauer Betrachtung liegt dieser Gedanke auch der grundlegenden Entscheidung in der Rechtssache Gibraltar(97) zugrunde, auf die sich Tesco(98) und die Kommission(99) in ihrer schriftlichen Argumentation im Wesentlichen stützen. Auch dort wurde der Referenzrahmen durch ein neues Gesetz erst geschaffen und hatte faktisch zur Folge, dass Offshore-Unternehmen nicht besteuert wurden, obwohl das neu eingeführte Ertragsteuerrecht alle Unternehmen gleichmäßig (wohl auch nach Maßgabe ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit) besteuern sollte. Dort wählte der Gesetzgeber Kriterien wie die Lohnsumme und die Nutzung von Geschäftsräumen, um eine gewinnorientierte Ertragsbesteuerung durchzuführen. Der Gerichtshof hat insoweit – und bedingt durch die Tatsache, dass das Vereinigte Königreich im Beihilfeverfahren keinerlei Rechtfertigungsgründe angeführt hatte – die Feststellung der Inkohärenz durch die Kommission akzeptiert.(100) Denn weder die Lohnsumme noch die Nutzung von Geschäftsräumen sind nachvollziehbare Faktoren für eine allgemeine, gleichmäßige Ertragsbesteuerung, welche das ausgesprochene Ziel des nationalen Gesetzes war.

155. Inkohärenz kann letztlich einen Missbrauch des Steuerrechts indizieren. Aus diesem Blickwinkel hat in diesem Fall nicht der Steuerpflichtige missbräuchliche Gestaltungen gewählt, um sich der Steuer zu entziehen. Vielmehr hat der Mitgliedstaat – objektiv betrachtet – sein Steuerrecht „missbraucht“, um die Subventionierungen einzelner Unternehmen am Beihilferecht vorbei durchzuführen.

2)      Anwendung auf den vorliegenden Fall

156. Unter Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes ist die neu eingeführte, progressive, umsatzbasierte besondere Ertragsteuer für Einzelhandelsunternehmen zu beurteilen. Damit stellt sich die Frage, ob es inkohärent ist, von einem Einzelhandelsunternehmen mit hohem Umsatz mehr Steuern (sowohl absolut als auch relativ) zu erheben als von einem Einzelhandelsunternehmen mit geringem Umsatz. Ebenso stellt sich die Frage, ob es inkohärent ist, dass ein Steuerpflichtiger mit nur einem Ladengeschäft (im Rahmen eines Franchisekonzeptes) einem niedrigeren durchschnittlichen Steuersatz unterfällt als ein Steuerpflichtiger mit Hunderten von Ladengeschäften.

157. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob eine im Rahmen des mitgliedstaatlichen Steuersystems nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von Unternehmen in vergleichbarer Lage vorliegt.

i)      Ungleichbehandlung von Unternehmen in vergleichbarer Lage

158. Das ist bei einer Steuer wie der vorliegenden leicht zu verneinen. Größere und kleinere Einzelhandelsunternehmen unterscheiden sich gerade durch ihren Umsatz und die daraus abgeleitete finanzielle Leistungsfähigkeit. Sie befinden sich aus Sicht des Mitgliedstaats – die hier nicht offensichtlich fehlerhaft ist – nicht in einer rechtlich und tatsächlich vergleichbaren Situation.(101)

159. Gleiches gilt für die Möglichkeiten größerer Unternehmen, durch steuerrechtliche Gestaltungen eine gewinnbasierte Ertragsbesteuerung zu minimieren. Dass diese Möglichkeit mit der Größe eines Unternehmens ansteigt, ist ebenfalls nicht offensichtlich abwegig.

ii)    Hilfsweise: Rechtfertigung der Ungleichbehandlung

160. Falls der Gerichtshof gleichwohl eine vergleichbare Lage eines Einzelhandelsunternehmens mit z. B. 500 000 Euro/HUF Nettoumsatz im Jahr und eines Einzelhandelsunternehmens mit z. B. 100 Mrd. Euro/HUF Nettoumsatz im Jahr bejahen sollte, ist zu prüfen, ob die mit dem unterschiedlichen Durchschnittssatz einer progressiven Steuer einhergehende Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein kann.

161. Entscheidend ist – wie der Gerichtshof in der Entscheidung World Duty Free betont hat(102) – allein die Prüfung der jeweiligen Ungleichbehandlung im Hinblick auf das mit dem Gesetz verfolgte Ziel, insbesondere wenn es – so wie hier – keine Abweichung von einem Referenzrahmen gibt, sondern das Gesetz selbst den Referenzrahmen darstellt.

162. Dabei kommen nicht nur die ausdrücklich im nationalen Gesetz genannten Ziele, sondern auch die dem nationalem Gesetz im Wege einer Auslegung zu entnehmenden Ziele in Betracht.(103) Andernfalls würde man allein auf die Gesetzgebungstechnik abstellen. Der Gerichtshof hat aber in seiner Rechtsprechung immer betont, dass im Beihilferecht staatliche Maßnahmen nach ihren Wirkungen und unabhängig von den verwendeten Regelungstechniken zu beurteilen sind.(104)

163. Zu klären ist damit, ob der progressive Tarifverlauf der ungarischen Sondersteuer seinen Grund nicht im konkreten Steuergesetz selbst findet, sondern außerhalb davon liegende, sachfremde Zwecke verfolgt.(105)

164. Wie oben (Nrn. 106 ff.) ausgeführt, ist das ausdrücklich in der Präambel genannte Ziel des Gesetzes jedoch die Besteuerung der finanziellen Leistungsfähigkeit, die im vorliegenden Fall aus der Höhe des Umsatzes abgeleitet wird. Darüber hinaus wird – dies ist einem progressiven Steuertarif per se zu eigen, mithin systemimmanent – auch eine gewisse „Umverteilungsfunktion“ verfolgt, wenn wirtschaftlich stärkere Akteure finanziell stärker als wirtschaftlich schwächere Akteure belastet werden. Auch die Kommission erkennt die „Umverteilungslogik“ bei der Einkommensteuerprogression in ihrer Bekanntmachung vom 19. Juli 2016 zum „Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Abs. 1 AEUV“ (im Folgenden: Bekanntmachung) als rechtfertigenden Grund an.(106)

165. Darüber hinaus ergibt sich aus dem – dem Gerichtshof mitgeteilten – Gesetzgebungsprozess, dass auch eine Vermeidung der Nichtbesteuerung umsatzstarker Unternehmen bezweckt wird, die nicht oder nur wenig zum Körperschaftsteueraufkommen in Ungarn beitragen.

166. Anders als die Kommission offenbar meint, und wie auch das Gericht kürzlich geurteilt hat,(107) ist eine proportionale Ertragsbesteuerung nach Maßgabe des Gewinns nicht die einzig richtige („normale“) Besteuerungsform, sondern nur eine Technik, um rechnerisch eine zu besteuernde Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in einer gleichmäßigen Art und Weise zu ermitteln und zu besteuern (vgl. dazu Nr. 116).

167. Es mag sein – worauf die Kommission in der mündlichen Verhandlung verstärkt hingewiesen hat –, dass eine Gewinnberechnung über einen Betriebsvermögensvergleich präziser ist als eine Anknüpfung an den Nettoumsatz. Die wiederholte Aussage der Kommission, eine solche Steuer „makes no sense“, halte ich allerdings zum einen für unzutreffend (vgl. bereits oben, Nrn. 100 ff.). Zum anderen fragt das Beihilferecht nicht nach einem sinnvollen oder dem präziseren Steuersystem, sondern nach einer wettbewerbsverzerrenden Wirkung zwischen zwei Konkurrenten.

168. Wenn bei identischem Umsatz die gleiche Steuer zu zahlen ist, fehlt es an einer Wettbewerbsverzerrung. Wenn bei höherem Umsatz auch eine höhere Steuer zu zahlen ist, liegt die gleiche „Ungleichbehandlung“ vor, wie wenn bei höherem Gewinn eine höhere Steuer zu zahlen ist. Dies gilt bei einem proportionalen Steuersatz (hier wird absolut eine höhere Steuer gezahlt) und folgt bei einem progressiven Steuersatz (hier wird sowohl absolut als auch relativ eine höhere Steuer gezahlt) aus den oben (Nr. 164 und Nrn. 106 ff.) genannten steuersystematischen Gründen.

169. Die Größe des Umsatzes indiziert (jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft) eine gewisse finanzielle Leistungsfähigkeit (dazu bereits oben, Nrn. 113 ff.). Insofern kann der Umsatz – wie die Kommission selbst mit dem Entwurf für eine Digitalsteuer zeigt(108) – auch als (etwas gröberer) Indikator für eine größere Wirtschaftskraft, mithin eine größere finanzielle Leistungsfähigkeit, betrachtet werden.

170. Auch unter Verwaltungsverfahrensgesichtspunkten ist es nicht zu beanstanden, wenn die Anzahl der erfassten und dann auch zu kontrollierenden Einzelhandelseinrichtungen mittels eines Grenzwerts reduziert wird. So werden z. B. im unionsrechtlichen Mehrwertsteuerrecht die sogenannten Kleinunternehmer (d. h. Unternehmer, deren Umsatz einen gewissen „Freibetrag“ nicht überschreitet) auch nicht besteuert (vgl. Art. 282 ff. der Mehrwertsteuerrichtlinie).

171. Für die verfolgten Gesetzesziele ist es darüber hinaus verständlich, auf den Umsatz statt auf den Gewinn abzustellen, da der Umsatz leichter feststellbar (einfache und effektive Verwaltung(109)) und weniger umgehungsanfällig als z. B. der Gewinn (dazu bereits oben, Nr. 118) ist. Auch die Vermeidung von Missbrauch im Steuerrecht kann einen Rechtfertigungsgrund im Beihilferecht darstellen, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat.(110)

172. Meines Erachtens rechtfertigt auch der Gedanke des Sozialstaatsprinzips – zu dem sich die Europäische Union in Art. 3 Abs. 3 EUV bekennt – einen progressiven Steuersatz, der die finanziell leistungsfähigeren auch relativ gesehen stärker belastet als die finanziell weniger leistungsfähigen Steuerpflichtigen. Dies gilt jedenfalls für eine Steuer, die auch natürliche Personen erfasst (vgl. Art. 3 Abs. 1 und 2 des Sondersteuergesetzes).

3.      Ergebnis

173. Im Ergebnis stellt die mit einem progressiven Steuertarif zwangsläufig verbundene niedrigere durchschnittliche Besteuerung (hier umsatzschwächerer Unternehmen) keinen selektiven Vorteil dieser Unternehmen dar.

D.      Beschränkung der Änderung von Steuerbescheiden bei unionsrechtswidrigen Steuern

174. Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine auf § 124/B der Besteuerungsordnung gestützte Praxis unionsrechtswidrig ist, wonach eine Erstattung unionsrechtswidriger Steuern im Vergleich zur Erstattung von lediglich nach nationalem Recht rechtswidrigen Steuern erschwert sei. Ich halte diese Frage aus zwei Gründen für unzulässig.

175. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs besteht zwar eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof kann die Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts jedoch ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.(111)

176. Die das Verfahrensrecht betreffenden verwaltungsrechtlichen Vorschriften fallen unter die verfahrensrechtliche und institutionelle Autonomie der Mitgliedstaaten, die jedoch durch die Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz beschränkt ist.(112)

177. Die Bestandskraft einer Verwaltungsentscheidung, die nach Ablauf angemessener Klagefristen oder Erschöpfung des Rechtswegs eingetreten ist, trägt zur Rechtssicherheit bei. Daher verlangt das Unionsrecht nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen.(113) Gestützt auf den Grundsatz der Rechtssicherheit können die Mitgliedstaaten verlangen, dass ein Antrag auf Überprüfung und Korrektur einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung, die gegen das Unionsrecht in seiner späteren Auslegung durch den Gerichtshof verstößt, bei der zuständigen Verwaltungsbehörde innerhalb einer angemessenen Frist gestellt wird.(114) Insofern kommt hier – sofern es um die nachträgliche Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheides geht – allenfalls ein Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz in Betracht. Dies setzt aber eine nachteilige Behandlung des unionsrechtlichen Sachverhaltes voraus.

178. Insofern fehlen hier zum einen dem Gerichtshof die notwendigen Informationen, woraus sich eine solche Ungleichbehandlung tatsächlich ergibt. § 124/B differenziert seinem Wortlaut nach nicht, ob die rechtliche Grundlage (das zugrundeliegende Gesetz) für den Steuerbescheid unionsrechtswidrig oder verfassungswidrig ist. Wieso daher durch eben dieses Gesetz und eine darauf gestützte Praxis des ungarischen Höchstgerichts nur eine Erstattung unionsrechtswidriger Steuern, nicht jedoch die Erstattung verfassungswidriger Steuern erschwert wird, ist insofern nicht nachvollziehbar. Die Angaben zur möglicherweise anderslautenden Praxis des ungarischen Höchstgerichtes sind in dem Vorabentscheidungsersuchen nicht hinreichend deutlich dargestellt. Die Äußerungen der Beteiligten dazu widersprechen sich, und es bleibt unklar, ob und wie sich diese Praxis auf das Hauptsacheverfahren auswirkt. Auch auf Nachfragen des Gerichtshofs in der mündlichen Verhandlung konnte dies nicht aufgeklärt werden.

179. Zum anderen scheint sich der Regelungsgehalt von § 124/B in Verbindung mit § 128. (2) der Besteuerungsordnung auf die Änderung einer bereits bestandskräftig festgesetzten Steuer zu beziehen. Auch in der schriftlichen Stellungnahme hat Tesco nur ausgeführt, dass mit diesen Vorschriften eine Selbstberichtigung (d. h. eine Korrektur der vorgenommenen Selbstveranlagung) erschwert wird. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um eine Selbstberichtigung, sondern im Ausgangsverfahren handelt es sich um eine Anfechtungsklage gegen einen nachträglich erlassenen Steuerbescheid, mithin um eine insoweit noch nicht bestandskräftig festgesetzte Steuer. Ein Ausschluss der Anfechtung und der Änderung eines angefochtenen Steuerbescheides erfolgt aber nicht durch die genannten Regelungen des ungarischen Rechts.

180. Wohl auch deshalb erwähnt das vorlegende Gericht lediglich, dass Tesco „beim Gericht in einem streitigen Verfahren“ beantragt habe, die Steuerschuld auf Null festzusetzen. Dass dies im anhängigen Verfahren im Rahmen der Anfechtung des Steuerbescheides erfolgte und dort relevant ist, wird daraus nicht deutlich und wurde von Tesco in der mündlichen Verhandlung auch nicht behauptet. Im Gegenteil: Ungarn hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfragen des Gerichtshofs ausdrücklich bestätigt, dass das vorlegende Gericht im vorliegenden Verfahren nicht an einer Aufhebung des angegriffenen Steuerbescheids gehindert sei, wenn der Gerichtshof die Unionsrechtswidrigkeit des Sondersteuergesetzes feststelle. Damit ist die vierte Frage nicht erheblich für die Entscheidung über die Anfechtung des Steuerbescheides durch Tesco, mithin hypothetischer Natur.

VI.    Entscheidungsvorschlag

181. Aus diesen Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Gericht für Verwaltungs- und Arbeitssachen Budapest, Ungarn) wie folgt zu beantworten:

1.      Die aus einem progressiven Tarif folgende unterschiedliche Besteuerung stellt keine mittelbare Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 in Verbindung mit Art. 54 AEUV dar. Dies gilt auch dann, wenn bei einer umsatzbasierten Ertragsbesteuerung Unternehmen mit höherem Umsatz stärker besteuert werden und diese faktisch überwiegend von ausländischen Anteilseignern gehalten werden, außer dem Mitgliedstaat kann insoweit ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nachgewiesen werden. Daran fehlt es hier.

2.      Die aus einem progressiven Tarif folgende unterschiedliche Besteuerung stellt weder einen selektiven Vorteil zugunsten umsatzschwächerer Unternehmen (mithin keine Beihilfe) dar, noch kann sich ein umsatzstärkeres Unternehmen darauf berufen, um sich seiner eigenen Steuerpflicht zu entziehen.


1      Originalsprache: Deutsch.


2      Gegenstand des noch anhängigen Verfahrens Vodafone (C‑75/18) ist eine besondere Steuer für Telekommunikationsdienstleistungen. Siehe darüber hinaus die Urteile vom 26. April 2018, ANGED (C‑233/16, EU:C:2018:280), vom 26. April 2018, ANGED (C‑234/16 und C‑235/16, EU:C:2018:281), vom 26. April 2018, ANGED (C‑236/16 und C‑237/16, EU:C:2018:291), und vom 5. Februar 2014, Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2014:47).


3      Auch ein proportionaler Steuersatz in Kombination mit einem Grundfreibetrag führt zu einer progressiven Wirkung der Steuer. Der durchschnittliche Steuersatz bei einer proportionalen Steuer von 10 % und einem Grundfreibetrag von 10 000 beträgt beispielsweise bei einem Einkommen von 10 000 genau 0 %, bei einem Einkommen von 20 000 genau 5 % und bei einem Einkommen von 100 000 genau 9 %.


4      Richtlinie des Rates vom 28.November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).


5      Siehe dazu meine Schlussanträge in der Rechtssache Vodafone Magyarország (C‑75/18, EU:C:2019:492, Nrn 25 ff.).


6      Urteile vom 3. Oktober 2006, Banca popolare di Cremona (C‑475/03, EU:C:2006:629, Rn. 28), vom 8. Juni 1999, Pelzl u. a. (C‑338/97, C‑344/97 und C‑390/97, EU:C:1999:285, Rn. 21), und vom 7. Mai 1992, Bozzi (C‑347/90, EU:C:1992:200, Rn. 12).


7      Zu diesem Erfordernis vgl. nur Urteile vom 7. August 2018, Viking Motors u. a. (C‑475/17, EU:C:2018:636, Rn. 46 und 47) – schädlich, wenn eine Abwälzung ungewiss ist –, und vom 3. Oktober 2006, Banca popolare di Cremona (C‑475/03, EU:C:2006:629, Rn. 33).


8      Urteile vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 40), vom 11. August 1995, Wielockx (C‑80/94, EU:C:1995:271, Rn. 16), und vom 14. Februar 1995, Schumacker (C‑279/93, EU:C:1995:31, Rn. 21).


9      Urteile vom 4. Juli 2018, NN (C‑28/17, EU:C:2018:526, Rn. 17), vom 1. April 2014, Felixstowe Dock and Railway Company u. a. (C‑80/12, EU:C:2014:200, Rn. 17), und vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 41).


10      Urteile vom 2. Oktober 2008, Heinrich Bauer Verlag (C‑360/06, EU:C:2008:531, Rn. 25), und vom 14. Dezember 2000, AMID (C‑141/99, EU:C:2000:696, Rn. 20); siehe auch meine Schlussanträge in der Rechtssache ANGED (C‑233/16, EU:C:2017:852, Nr. 40).


11      Urteile vom 1. April 2014, Felixstowe Dock and Railway Company u. a. (C‑80/12, EU:C:2014:200, Rn. 23), und vom 6. September 2012, Philips Electronics (C‑18/11, EU:C:2012:532, Rn. 39); in diesem Sinne auch schon Urteil vom 12. April 1994, Halliburton Services (C‑1/93, EU:C:1994:127, Rn. 18 ff.).


12      Urteile vom 21. Mai 2015, Verder LabTec (C‑657/13, EU:C:2015:331, Rn. 34), vom 16. April 2015, Kommission/Deutschland (C‑591/13, EU:C:2015:230, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 29. November 2011, National Grid Indus (C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 36).


13      Siehe dazu meine Schlussanträge in den Rechtssachen X (C‑498/10, EU:C:2011:870, Nr. 28), Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nrn. 82 ff.), X (C‑686/13, EU:C:2015:31, Nr. 40), C (C‑122/15, EU:C:2016:65, Nr. 66) und ANGED (C‑233/16, EU:C:2017:852, Nr. 28).


14      Vgl. Urteil vom 14. April 2016, Sparkasse Allgäu (C‑522/14, EU:C:2016:253, Rn. 29), Beschluss vom 4. Juni 2009, KBC‑bank (C‑439/07 und C‑499/07, EU:C:2009:339, Rn. 80), und Urteil vom 6. Dezember 2007, Columbus Container Services (C‑298/05, EU:C:2007:754, Rn. 51 und 53).


15      Urteil vom 5. Februar 2014, Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2014:47).


16      Urteil vom 5. Februar 2014, Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2014:47, Rn. 39 ff.).


17      Urteil vom 5. Februar 2014, Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2014:47, Rn. 34).


18      In diesem Sinne auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nr. 49).


19      Urteil vom 26. April 2018, ANGED (C‑233/16, EU:C:2018:280, Rn. 30), vom 5. Februar 2014, Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2014:47, Rn. 30), vom 8. Juli 1999, Baxter u. a. (C‑254/97, EU:C:1999:368, Rn. 13), und vom 14. Februar 1995, Schumacker (C‑279/93, EU:C:1995:31, Rn. 26).


20      Vgl. Urteile vom 26. April 2018, ANGED (C‑233/16, EU:C:2018:280, Rn. 31), vom 5. Februar 2014, Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2014:47, Rn. 39), vom 22. März 2007, Talotta (C‑383/05, EU:C:2007:181, Rn. 32), vom 8. Juli 1999, Baxter u. a. (C‑254/97, EU:C:1999:368, Rn. 13), vom 13. Juli 1993, Commerzbank (C‑330/91, EU:C:1993:303, Rn. 15), und vom 7. Juli 1988, Stanton und L'Étoile 1905 (143/87, EU:C:1988:378, Rn. 9); vgl. auch Urteile vom 26. Oktober 2010, Schmelz (C‑97/09, EU:C:2010:632, Rn. 48 zur Dienstleistungsfreiheit), und vom 3. März 1988, Bergandi (252/86, EU:C:1988:112, Rn. 28 zu Art. 95 EWG).


21      Urteil vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez (C‑570/07 und C‑571/07, EU:C:2010:300; Rn. 119).


22      Urteil vom 22. März 2007, Talotta (C‑383/05, EU:C:2007:181, Rn. 32); ähnlich auch Urteil vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez (C‑570/07 und C‑571/07, EU:C:2010:300, Rn. 119).


23      Vgl. Urteil vom 8. Juli 1999, Baxter u. a. (C‑254/97, EU:C:1999:368, Rn. 13).


24      Vgl. Urteil vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez (C‑570/07 und C‑571/07, EU:C:2010:300, Rn. 119 zur Niederlassungsfreiheit), zur Arbeitnehmerfreizügigkeit vgl. auch Urteile vom 2. März 2017, Eschenbrenner (C‑496/15, EU:C:2017:152, Rn. 36), vom 5. Dezember 2013, Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs (C‑514/12, EU:C:2013:799, Rn. 26), vom 28. Juni 2012, Erny (C‑172/11, EU:C:2012:399, Rn. 41), und vom 10. September 2009, Kommission/Deutschland (C‑269/07, EU:C:2009:527).


25      So die Urteile vom 9. Mai 1985, Humblot (112/84, EU:C:1985:185, Rn. 14), und vom 5. Dezember 1989, Kommission/Italien (C‑3/88, EU:C:1989:606, Rn. 9 zur Niederlassungsfreiheit).


26      Siehe meine Schlussanträge in der Rechtssache Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nr. 40), in der Rechtssache ANGED (C‑233/16, EU:C:2017:852, Nr. 38) und in der Rechtssache Memira Holding (C‑607/17, EU:C:2019:8, Nr. 36).


27      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nr. 41).


28      Urteil vom 5. Februar 2014, Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2014:47, Rn. 45).


29      So in Rn. 40 ihrer schriftlichen Stellungnahme.


30      In dem Urteil vom 26. April 2018, ANGED (C‑233/16, EU:C:2018:280, Rn. 38), ist der Gerichtshof offenbar davon ausgegangen, dass 61,5 % bzw. 52 % nicht ausreichend sind, um eine mittelbare Diskriminierung anzunehmen, ohne aber darauf einzugehen, welcher Grenzwert hätte erreicht werden müssen.


31      Vgl. Urteil vom 2. März 2017, Eschenbrenner (C‑496/15, EU:C:2017:152, Rn. 36 zur Arbeitnehmerfreizügigkeit), vom 5. Dezember 2013, Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebs (C‑514/12, EU:C:2013:799, Rn. 26), vom 28. Juni 2012, Erny (C‑172/11, EU:C:2012:399, Rn. 41), vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez (C‑570/07 und C‑571/07, EU:C:2010:300, Rn. 119 zur Niederlassungsfreiheit), vom 10. September 2009, Kommission/Deutschland (C‑269/07, EU:C:2009:527), und vom 8. Juli 1999, Baxter u. a. (C‑254/97, EU:C:1999:368, Rn. 13).


      Vgl. ferner meine Schlussanträge in der Rechtssache ANGED (C‑233/16, EU:C: 2017:852, Nr. 38) und in der Rechtssache Memira Holding (C‑607/17, EU:C:2019:8, Nr. 36); anders noch meine Schlussanträge in der Rechtssache Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nrn. 42 ff.).


32      Urteil vom 1. Juni 2010, Blanco Pérez und Chao Gómez (C‑570/07 und C‑571/07, EU:C:2010:300, Rn. 122).


33      Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Österreich/Deutschland (C‑591/17, EU:C:2019:99, Nr. 47).


34      Urteil vom 9. Mai 1985, Humblot (112/84, EU:C:1985:185, Rn. 14 und 16).


35      Vgl. dazu meine Schlussanträge in der Rechtssache Memira Holding (C‑607/17, EU:C:2019:8, Nr. 38).


36      Siehe meine Schlussanträge in der Rechtssache Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nr. 51).


37      So schon meine Schlussanträge in der Rechtssache Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nr. 51).


38      Vgl. insoweit Rn. 53 der schriftlichen Stellungnahme.


39      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Österreich/Deutschland (C‑591/17, EU:C:2019:99, Nrn. 71 und 72), die unter Berufung auf das Urteil vom 16. September 2004, Kommission/Spanien (C‑227/01, EU:C:2004:528, Rn. 56 ff.), zu Recht betonen, dass im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens eine objektive Beurteilung erfolgt. Nichts anderes kann aber insofern für ein Vorabentscheidungsersuchen gelten, da es in beiden Fällen um eine Beurteilung der Diskriminierung geht.


40      Siehe nur die völlig zu Recht aufgeworfenen Bedenken in den Schlussanträgen des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Österreich/Deutschland (C‑591/17, EU:C:2019:99, Nrn. 70 ff.).


41      Vgl. etwa Urteil vom 5. Juli 2007, Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:408, Rn. 38).


42      Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12. Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts (ABl. 2016, L 193, S. 1).


43      Schlussanträge des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona in der Rechtssache Wightman u. a. (C‑621/18, EU:C:2018:978, Nrn. 153 und 170).


44      Urteil vom 6. März 2018, Achmea (C‑284/16, EU:C:2018:158, Rn. 34), Gutachten 2/13 (Beitritt der Union zur EMRK) vom 18. Dezember 2014 (EU:C:2014:2454, Rn. 168 und 173), Gutachten 1/09 (Abkommen über die Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems) vom 8. März 2011 (EU:C:2011:123, Rn. 68).


45      Äußerungen von Politikern insbesondere im Wahlkampf reichen dafür nicht aus, wie dies die Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Österreich/Deutschland (C‑591/17, EU:C:2019:99, Nrn. 70 und 71) zu Recht betonen. Nichts anderes kann für eine öffentliche Parlamentsdebatte gelten, auf die sich u. a. die Kommission im vorliegenden Fall beruft.


46      Siehe dazu meine Schlussanträge in der Rechtssache X (C‑68/15, EU:C:2016:886, Nr. 24). Im Ergebnis ebenso Urteile vom 25. Februar 2010, X Holding (C‑337/08, EU:C:2010:89, Rn. 37 ff.), und Urteil vom 6. Dezember 2007, Columbus Container Services (C‑298/05, EU:C:2007:754, Rn. 53).


47      Darunter wird vereinfacht ausgedrückt die Steuergestaltung sogenannter multinationaler Konzerne verstanden, die innerhalb der bisherigen Steuersysteme über Möglichkeiten verfügen, ihre Bemessungsgrundlagen in Hochsteuerländern zu minimieren und die Gewinne in Niedrigsteuerländer (Base Erosion and Profit Shifting = BEPS) zu verlagern.


48      Siehe nur 23. Erwägungsgrund des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zum gemeinsamen System einer Digitalsteuer auf Erträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen vom 21. März 2018, COM(2018) 148 final, und die Begründung auf S. 2 des Vorschlags, wonach die geltenden Körperschaftsteuervorschriften für die digitale Wirtschaft nicht geeignet seien.


49      Zutreffend weist auch Generalanwalt Wahl in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Österreich/Deutschland (C‑591/17, EU:C:2019:99, Nr. 70) darauf hin: „In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass einige deutsche Politiker in einer Wahlkampagne offen erklärten, dass sie beabsichtigten, für ausländische Reisende auf deutschen Autobahnen eine Abgabe einzuführen. Diese Aussagen sind wohl – in Abwandlung eines bekannten Zitats – Ausdruck eines Gespensts, das seit einigen Jahren in Europa umgeht: das Gespenst des Populismus und des Souveränismus“.


50      Interessanterweise rechtfertigt die Kommission den gestuften Tarif der geplanten Digitalsteuer gerade damit, dass „der Schwellenwert kleine Unternehmen und Start-ups“ ausschließt, „für die der durch die neue Steuer entstehende Befolgungsaufwand unverhältnismäßig wäre“ – 23. Erwägungsgrund des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates zum gemeinsamen System einer Digitalsteuer auf Erträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen vom 21. März 2018, COM(2018) 148 final.


51      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nr. 61). In diesem Sinne auch meine Schlussanträge in der Rechtssache ANGED (C‑233/16, EU:C: 2017:852, Nr. 57).


52      Ebenso in diesen Sinne Urteil vom 16. Mai 2019, Polen/Kommission (T‑836/16 und T‑624/17, EU:T:2019:338, Rn. 75 ff.).


53      Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zum gemeinsamen System einer Digitalsteuer auf Erträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen vom 21. März 2018, COM(2018) 148 final.


54      Urteile vom 5. Februar 2014, Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2014:47, Rn. 42), vom 24. März 2011, Kommission/Spanien (C‑400/08, EU:C:2011:172, Rn. 73), und vom 5. Oktober 2004, CaixaBank France (C‑442/02, EU:C:2004:586, Rn. 17).


55      Urteil vom 5. Februar 2014, Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2014:47, Rn. 44).


56      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2013:531, Nr. 60) sowie meine Schlussanträge in der Rechtssache ANGED (C‑233/16, EU:C: 2017:852, Nr. 44).


57      Siehe zum Leistungsfähigkeitsprinzip auf Unionsebene auch Kokott, J., Das Steuerrecht der Europäischen Union, München 2018, § 3, Rn. 54 ff.


58      Vgl. beispielhaft nur Art. 4 Abs. 5 der Verfassung Griechenlands, Art. 53 Abs. 1 der Verfassung Italiens, Art. 31 Abs. 1 der Verfassung Spaniens, Art. 24 Abs. 1 der Verfassung Zyperns und insbesondere auch Art. O und Art. XXX des Grundgesetzes von Ungarn.


59      So z. B. in Deutschland statt Vieler: BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2014 (1 BvR 1656/09, ECLI:DE:BVerfG:2014:rs20140115.1bvr165609, Rn. 55 ff.).


60      Vgl. Art. 4 der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 260/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der Steuer zugunsten der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1968, L 56, S. 8) mit einem progressiven Steuersatz von 8 % bis 45 %.


61      Urteil vom 12. Juni 2018, Bevola und Jens W. Trock (C‑650/16, EU:C:2018:424, Rn. 49 und 50).


62      Urteile vom 17. Juli 2014, Nordea Bank (C‑48/13, EU:C:2014:2087, Rn. 25), vom 29. November 2011, National Grid Indus (C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 42), vom 15. Mai 2008, Lidl Belgium (C‑414/06, EU:C:2008:278, Rn. 27), vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 47), vom 13. Dezember 2005, SEVIC Systems (C‑411/03, EU:C:2005:762, Rn. 23), und vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer (C‑446/03, EU:C:2005:763, Rn. 35).


63      Urteile vom 11. Juni 2015, Berlington Hungary u. a. (C‑98/14, EU:C:2015:386, Rn. 64), vom 12. Juli 2012, HIT und HIT LARIX (C‑176/11, EU:C:2012:454, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 17. November 2009, Presidente del Consiglio dei Ministri (C‑169/08, EU:C:2009:709, Rn. 42).


64      Vgl. Urteile vom 6. November 2003, Gambelli u. a. (C‑243/01, EU:C:2003:597, Rn. 63), vom 21. September 1999, Läärä u. a. (C‑124/97, EU:C:1999:435, Rn. 14 und 15), und vom 24. März 1994, Schindler (C‑275/92, EU:C:1994:119, Rn. 61) – alles zum Glückspielwesen, sowie vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 48 ff. zum Lebensmittelrecht).


65      Zum vergleichbaren Prüfungsmaßstab bei der Beurteilung des Handelns von Unionsorganen und der Mitgliedstaaten vgl. auch Urteil vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 47).


66      Siehe insoweit bereits meine Schlussanträge in der Rechtssache ANGED (C‑233/16, EU:C:2017:852, Nr. 48) und den Gerichtshof mit den Urteilen vom 4. Mai 2016, Polen/Parlament und Rat (C‑358/14, EU:C:2016:323, Rn. 79), und vom 10. Dezember 2002, British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 123 und die dort zitierte Rechtsprechung), zum Entscheidungsspielraum des Unionsgesetzgebers, die auf den nationalen Gesetzgeber übertragbar ist – vgl. zum vergleichbaren Prüfungsmaßstab bei der Beurteilung des Handelns von Unionsorganen und der Mitgliedstaaten auch Urteil vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 47).


67      In der von der Kommission vorgeschlagenen umsatzbasierten Digitalsteuer heißt es im 23. Erwägungsgrund, dass der umsatzbasierte Schwellenwert die Anwendung der Digitalsteuer auf Unternehmen einer bestimmten Größe beschränken soll. Dabei handele es sich um diejenigen Unternehmen, die sich im hohen Maße auf die Ausnutzung einer starken Marktposition stützen. Außerdem schließe der Schwellenwert kleine Unternehmen und Start-ups aus, für die der durch die neue Steuer entstehende Befolgungsaufwand unverhältnismäßig wäre. In der Begründung dazu (S. 12) führt die Kommission explizit aus, dass diese (umsatzstarken) Unternehmen aufgrund ihrer starken Marktposition in der Lage sind, relativ mehr Nutzen aus ihren Geschäftsmodellen zu ziehen als die kleineren Unternehmen. Aufgrund dieser „wirtschaftlichen Kapazität“ werden diese Unternehmen als besonders „steuerwürdig“ angesehen und zum Steuerpflichtigen erklärt.


68      23. Erwägungsgrund für den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zum gemeinsamen System einer Digitalsteuer auf Erträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen vom 21. März 2018, COM(2018) 148 final.


69      So zumindest Tesco selbst in Rn. 62 der schriftlichen Stellungnahme.


70      Urteile vom 6. Oktober 2015, Finanzamt Linz (C‑66/14, EU:C:2015:661, Rn. 21), vom 15. Juni 2006, Air Liquide Industries Belgium (C‑393/04 und C‑41/05, EU:C:2006:403, Rn. 43 ff.), vom 27. Oktober 2005, Distribution Casino France u. a. (C‑266/04 bis C‑270/04, C‑276/04 und C‑321/04 bis C‑325/04, EU:C:2005:657, Rn. 42 ff.), und vom 20. September 2001, Banks (C‑390/98, EU:C:2001:456, Rn. 80 und die dort zitierte Rechtsprechung).


71      Zur Relevanz dieser Frage siehe nur Urteil vom 27. Oktober 2005, Distribution Casino France u. a. (C‑266/04 bis C‑270/04, C‑276/04 und C‑321/04 bis C‑325/04, EU:C:2005:657, Rn. 40, 41 und 45 ff.).


72      In diesem Sinne: Urteil vom 20. September 2018, Carrefour Hypermarchés u. a. (C‑510/16, EU:C:2018:751, Rn. 19), vom 10. November 2016, DTS Distribuidora de Televisión Digital/Kommission (C‑449/14 P, EU:C:2016:848, Rn. 68), und vom 22. Dezember 2008, Régie Networks (C‑333/07, EU:C:2008:764, Rn. 99).


73      Urteil vom 15. Juni 2006 (C‑393/04 und C‑41/05, EU:C:2006:403, Rn. 25 und 26).


74      Urteil vom 15. Juni 2006, Air Liquide Industries Belgium (C‑393/04 und C‑41/05, EU:C:2006:403, Rn. 43).


75      Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 77), vom 21. Dezember 2016, Kommission/Aer Lingus und Ryanair Designated Activity (C‑164/15 P und C‑165/15 P, EU:C:2016:990, Rn. 116), vom 1. Oktober 2015, Electrabel und Dunamenti Erőmű/Kommission (C‑357/14 P, EU:C:2015:642, Rn. 111), und vom 15. Dezember 2005, UniCredito Italiano (C‑148/04, EU:C:2005:774, Rn. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung).


76      Dies war z. B. die Konstellation im Urteil vom 19. Dezember 2018, A-Brauerei (C‑374/17, EU:C:2018:1024).


77      Verordnung des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1).


78      Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci (C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 79); vgl. in diesem Sinne, wenn auch in anderem Zusammenhang, bereits Urteil vom 3. März 2016, Daimler (C‑179/15, EU:C:2016:134, Rn. 42).


79      Urteile vom 26. April 2018, ANGED (C‑233/16, EU:C:2018:280), vom 26. April 2018, ANGED (C‑234/16 und C‑235/16, EU:C:2018:281), und vom 26. April 2018, ANGED (C‑236/16 und C‑237/16, EU:C:2018:291).


80      Urteile vom 6. Oktober 2015, Finanzamt Linz (C‑66/14, EU:C:2015:661, Rn. 21), vom 15. Juni 2006, Air Liquide Industries Belgium (C‑393/04 und C‑41/05, EU:C:2006:403, Rn. 43 ff.), vom 27. Oktober 2005, Distribution Casino France u. a. (C‑266/04 bis C‑270/04, C‑276/04 und C‑321/04 bis C‑325/04, EU:C:2005:657, Rn. 42 ff.), und vom 20. September 2001, Banks (C‑390/98, EU:C:2001:456, Rn. 80 und die dort zitierte Rechtsprechung).


81      Urteile vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania (C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 38), vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 53), und vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck (C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 40).


82      Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania (C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 65), und vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia (C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 21).


83      Vgl. u. a. Urteile vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia (C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 23), vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 72), und vom 15. März 1994, Banco Exterior de España (C‑387/92, EU:C:1994:100, Rn. 14).


84      Urteile vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania (C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 66), vom 14. Januar 2015, Eventech (C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 33), vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission (C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 101), und vom 15. März 1994, Banco Exterior de España (C‑387/92, EU:C:1994:100, Rn. 13).


85      Vgl. nur Urteile vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 53 ff.), vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia (C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 23), vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, EU:C:2012:184, Rn. 39), vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 73), und vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598, Rn. 35).


86      Vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile vom 19. Dezember 2018, A-Brauerei (C‑374/17, EU:C:2018:1024, Rn. 24), vom 28. Juni 2018, Andres (Insolvenz Heitkamp BauHolding)/Kommission (C‑203/16 P, EU:C:2018:505, Rn. 94), vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 59), und vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, EU:C:2012:184, Rn. 42).


87      Vgl. u. a. Urteile vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia (C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 23), vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 72), und vom 15. März 1994, Banco Exterior de España (C‑387/92, EU:C:1994:100, Rn. 14).


88      Vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 54), und vom 14. Januar 2015, Eventech (C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 53); ausdrücklich auch außerhalb des Steuerrechts siehe Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck (C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 53 und 55).


89      Vgl. insoweit statt vieler: Urteil vom 19. Dezember 2018, A-Brauerei (C‑374/17, EU:C:2018:1024, Rn. 36).


90      Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 58), vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, EU:C:2012:184, Rn. 40), vom 8. September 2011, Paint Graphos (C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 64 und 65), und vom 29. April 2004, Niederlande/Kommission (C‑159/01, EU:C:2004:246, Rn. 42 und 43).


91      Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Belgien/Kommission (C‑270/15 P, EU:C:2016:289, Nr. 29).


92      Urteile vom 18. Juli 2013, P (C‑6/12, EU:C:2013:525, Rn. 22), und vom 8. September 2011, Paint Graphos (C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).


93      Siehe Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache A‑Brauerei (C‑374/17, EU:C:2018:741), Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Andres/Kommission (C‑203/16 P, EU:C:2017:1017) und meine Schlussanträge in der Rechtssache ANGED (C‑233/16, EU:C:2017:852), in den verbundenen Rechtssachen ANGED (C‑234/16 und C‑235/16, EU:C:2017:853) und in den verbundenen Rechtssachen ANGED (C‑236/16 und C‑237/16, EU:C:2017:854).


94      Vgl. Urteile vom 21. Dezember 2016, Kommission/Aer Lingus und Ryanair Designated Activity (C‑164/15 P und C‑165/15 P, EU:C:2016:990, Rn. 51), vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 54), vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck (C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 49 und 58), vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia (C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 35), vom 18. Juli 2013, P (C‑6/12, EU:C:2013:525, Rn. 19), vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, EU:C:2012:184, Rn. 42), und vom 8. September 2011, Paint Graphos (C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 49).


95      Vgl. Urteile vom 18. Juli 2013, P (C‑6/12, EU:C:2013:525, Rn. 22), und vom 8. September 2011, Paint Graphos (C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 65 und 69); vgl. in diesem Sinne u. a. auch Urteile vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia (C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 42 und 43), vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 145), vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598, Rn. 42), und vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission (173/73, EU:C:1974:71, Rn. 33).


96      Urteile vom 26. April 2018, ANGED (C‑236/16 und C‑237/16, EU:C:2018:291, Rn. 40 ff.), vom 26. April 2018, ANGED (C‑234/16 und C‑235/16, EU:C:2018:281, Rn. 45 ff.), und vom 26. April 2018, ANGED (C‑233/16, EU:C:2018:280, Rn. 52 ff.).


97      Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732).


98      Vgl. Rn. 135 der schriftlichen Stellungnahme von Tesco.


99      Vgl. Rn. 79 ff. der schriftlichen Stellungnahme der Kommission.


100      Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 149).


101      In diesem Sinne wohl auch Urteil vom 16. Mai 2019, Polen/Kommission (T‑836/16 und T‑624/17, EU:T:2019:338, Rn. 102).


102      Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 54, 67 und 74).


103      So auch Urteil vom 19. Dezember 2018, A-Brauerei (C‑374/17, EU:C:2018:1024, Rn. 45); anders noch Urteil vom 26. April 2018, ANGED (C‑233/16, EU:C:2018:280, Rn. 52, 59 und 61) – obwohl der Abgabe auch ein Gedanke der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zugrunde lag, hat der Gerichtshof nur die in der Präambel ausdrücklich genannten außersteuerrechtlichen Gründe „Umweltschutz“ und „Raumordnung“ geprüft.


104      Urteile vom 28. Juni 2018, Andres (Insolvenz Heitkamp BauHolding)/Kommission (C‑203/16 P, EU:C:2018:505, Rn. 91), vom 26. April 2018, ANGED (C‑233/16, EU:C:2018:280, Rn. 47), vom 26. April 2018, ANGED (C‑234/16 und C‑235/16, EU:C:2018:281, Rn. 40), vom 26. April 2018, ANGED (C‑236/16 und C‑237/16, EU:C:2018:291, Rn. 35), und vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission (C‑487/06 P, EU:C:2008:757, Rn. 89).


105      So ausdrücklich Urteil vom 8. September 2011, Paint Graphos (C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 70).


106      Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – ABl. 2016, C 262, S. 1 (31), Rn. 139.


107      Urteil vom 16. Mai 2019, Polen/Kommission (T‑836/16 und T‑624/17, EU:T:2019:338, Rn. 65 ff.).


108      Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zum gemeinsamen System einer Digitalsteuer auf Erträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen vom 21. März 2018, COM(2018) 148 final.


109      Auch von der Kommission selbst wird die Handhabbarkeit für die Verwaltung als Rechtfertigungsgrund angesehen – vgl. ABl. 2016, C 262, S. 1 (31), Rn. 139.


110      Urteil vom 19. Dezember 2018, A-Brauerei (C‑374/17, EU:C:2018:1024, Rn. 51); ähnlich bereits Urteil vom 29. April 2004, GIL Insurance u. a. (C‑308/01, EU:C:2004:252, Rn. 73 ff.).


111      Urteile vom 17. September 2014, Cruz & Companhia (C‑341/13, EU:C:2014:2230, Rn. 32), vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C‑390/12, EU:C:2014:281, Rn. 26), vom 22. Juni 2010, Melki und Abdeli (C‑188/10 und C‑189/10, EU:C:2010:363, Rn. 27), und vom 22. Januar 2002, Canal Satélite Digital (C‑390/99, EU:C:2002:34, Rn. 19).


112      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Januar 2019, Dzivev u. a. (C‑310/16, EU:C:2019:30, Rn. 30), und vom 2. Mai 2018, Scialdone (C‑574/15, EU:C:2018:295, Rn. 29).


113      So ausdrücklich Urteil vom 13. Januar 2004, Kühne & Heitz (C‑453/00, EU:C:2004:17, Rn. 24).


114      Urteil vom 12. Februar 2008, Kempter (C‑2/06, EU:C:2008:78, Rn. 59), unter Zitierung von: Urteile vom 24. September 2002, Grundig Italiana (C‑255/00, EU:C:2002:525, Rn. 34), vom 17. Juli 1997, Haahr Petroleum (C‑90/94, EU:C:1997:368, Rn. 48), und vom 16. Dezember 1976, Rewe-Zentralfinanz und Rewe-Zentral (33/76, EU:C:1976:188, Rn. 5).