Language of document : ECLI:EU:C:2015:137

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 3. März 2015(1)

Rechtssache C‑681/13

Diageo Brands BV

gegen

Simiramida-04 EOOD

(Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden [Niederlande])

„Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen –Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen – Versagungsgründe – Verstoß gegen die öffentliche Ordnung des Vollstreckungsstaats – Öffentliche Ordnung der Union – Dem Markenrecht der Union widersprechende Entscheidung eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats – Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums – Richtlinie 2004/48/EG – Prozesskosten“





I –    Einleitung

1.        In der vorliegenden Rechtssache hat der Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die hauptsächlich die Auslegung von Art. 34 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001(2) betreffen, der vorsieht, dass eine Entscheidung nicht anerkannt wird, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde. Im Einzelnen geht es um die Frage, ob die Tatsache, dass eine im Ursprungsstaat ergangene Entscheidung unionsrechtswidrig ist, rechtfertigt, diese Entscheidung im Vollstreckungsstaat aus dem Grund nicht anzuerkennen, dass sie gegen die öffentliche Ordnung dieses Staates verstößt. Diese Rechtssache gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, die zuletzt im Urteil Apostolides(3) aufgestellten Kriterien weiterzuentwickeln, die das Gericht des Vollstreckungsstaats bei der Prüfung zu berücksichtigen hat, ob eine offensichtliche Verletzung seiner öffentlichen Ordnung vorliegt, wenn sich diese Verletzung aus der Verletzung des Unionsrechts ergibt.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Verordnung Nr. 44/2001

2.        Die Erwägungsgründe 6, 16 und 17 der Verordnung Nr. 44/2001 lauten:

„(6) Um den freien Verkehr der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu gewährleisten, ist es erforderlich und angemessen, dass die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Wege eines Gemeinschaftsrechtsakts festgelegt werden, der verbindlich und unmittelbar anwendbar ist.

(16) Das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Gemeinschaft rechtfertigt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, außer im Falle der Anfechtung, von Rechts wegen, ohne ein besonderes Verfahren, anerkannt werden.

(17) Aufgrund dieses gegenseitigen Vertrauens ist es auch gerechtfertigt, dass das Verfahren, mit dem eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung für vollstreckbar erklärt wird, rasch und effizient vonstatten geht. Die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung muss daher fast automatisch nach einer einfachen formalen Prüfung der vorgelegten Schriftstücke erfolgen, ohne dass das Gericht die Möglichkeit hat, von Amts wegen eines der in dieser Verordnung vorgesehenen Vollstreckungshindernisse aufzugreifen.“

3.        Art. 33 Abs. 1, Art. 34 Nrn. 1 und 2 sowie Art. 36 gehören zu Kapitel III („Anerkennung und Vollstreckung“) der Verordnung Nr. 44/2001.

4.        Art. 33 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:

„Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.“

5.        Art. 34 Nrn. 1 und 2 dieser Verordnung bestimmt:

„Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, wenn

1.         die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Staats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde;

2.         dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte“.

6.        Art. 36 dieser Verordnung sieht vor:

„Die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.“

B –    Richtlinie 2004/48/EG

7.        Art. 1 der Richtlinie 2004/48/EG(4) zufolge betrifft diese Richtlinie „die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen“, wobei der Begriff „Rechte des geistigen Eigentums“ auch „die gewerblichen Schutzrechte“ umfasst.

8.        Gemäß Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie finden die von ihr vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe „auf jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, die im Gemeinschaftsrecht und/oder im innerstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen sind, Anwendung“.

9.        Nach Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie müssen die von den Mitgliedstaaten vorzusehenden Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen, „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist“.

10.      Dementsprechend verpflichtet Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die zuständigen Gerichte unter bestimmten Voraussetzungen „schnelle und wirksame einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der rechtserheblichen Beweismittel hinsichtlich der behaupteten Verletzung anordnen können“. Laut dieser Bestimmung können derartige Maßnahmen „die dingliche Beschlagnahme der rechtsverletzenden Ware“ umfassen. Ebenso haben nach Art. 9 („Einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen“) Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die zuständigen Gerichte die Möglichkeit haben, auf Antrag des Antragstellers „die Beschlagnahme oder Herausgabe der Waren, bei denen der Verdacht auf Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums besteht, anzuordnen“. Art. 7 Abs. 4 und Art. 9 Abs. 7 dieser Richtlinie sehen vor, dass, „[falls] in der Folge festgestellt [wird], dass keine Verletzung oder drohende Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums vorlag“, die Gerichte befugt sind, „auf Antrag des Antragsgegners anzuordnen, dass der Antragsteller dem Antragsgegner angemessenen Ersatz für durch diese Maßnahmen entstandenen Schaden zu leisten hat“.

11.      Hinsichtlich der Prozesskosten bestimmt Art. 14 der Richtlinie 2004/48:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Prozesskosten und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen werden, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen.“

III – Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

12.      Die Diageo Brands BV (im Folgenden: Diageo Brands) mit Sitz in Amsterdam (Niederlande) ist Inhaberin u. a. der Marke „Johnny Walker“. In Bulgarien vertreibt sie Whisky dieser Marke über einen lokalen Alleinimporteur.

13.      Die Simiramida-04 EOOD (im Folgenden: Simiramida) mit Sitz in Varna (Bulgarien) handelt mit alkoholischen Getränken.

14.      Am 31. Dezember 2007 kam ein an Simiramida adressierter Container mit 12 096 Flaschen Whisky der Marke „Johnny Walker“ aus Georgien im Hafen von Varna (Bulgarien) an. Da Diageo Brands der Auffassung war, dass die Einfuhr dieser Ladung Flaschen ohne ihre Zustimmung eine Verletzung ihrer Marke sei, beantragte sie die Genehmigung, die fragliche Ladung Whisky beschlagnahmen zu lassen, die ihr am 12. März 2008 vom Sofiyski gradski sad (Gericht der Stadt Sofia, Bulgarien) erteilt wurde.

15.      Auf das Rechtsmittel der Simiramida hob der Sofiyski apelativen sad (Berufungsgericht Sofia) am 9. Mai 2008 die Beschlagnahmegenehmigung vom 12. März 2008 auf.

16.      Mit Entscheidungen vom 30. Dezember 2008 und 24. März 2009 wies der Varhoven kasatsionen sad (Oberster Kassationsgerichtshof) die von Diageo Brands eingelegte Kassationsbeschwerde aus formalen Gründen ab.

17.      Die von Diageo Brands veranlasste Beschlagnahme der Ladung Whisky wurde am 9. April 2009 aufgehoben.

18.      In dem von Diageo Brands gegen Simiramida eingeleiteten Hauptsacheverfahren wegen Markenverletzung wies der Sofiyski gradski sad mit Entscheidung vom 11. Januar 2010 die Anträge von Diageo Brands ab. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass der Sofiyski gradski sad ohne Prüfung der Umstände der Rechtssache feststellte, dass aus einem auslegenden Beschluss des Varhoven kasatsionen sad vom 15. Juni 2009 hervorgehe, dass die Einfuhr nach Bulgarien von Erzeugnissen, die mit Zustimmung des Markeninhabers außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) in Verkehr gebracht worden seien, keine Verletzung von Markenrechten darstelle. Der Sofiyski gradski sad sah sich aufgrund des bulgarischen Verfahrensrechts an diesen auslegenden Beschluss gebunden.

19.      Diageo Brands legte gegen diese Entscheidung des Sofiyski gradski sad vom 11. Januar 2010 kein Rechtsmittel ein, so dass diese rechtskräftig wurde.

20.      Im Ausgangsrechtsstreit beantragt Simiramida vor den niederländischen Gerichten die Zahlung von mehr als 10 Mio. Euro als Ersatz des Schadens, den sie aufgrund der von Diageo Brands beantragten Beschlagnahme erlitten habe. Simiramida stützt ihre Klage auf die Entscheidung des Sofiyski gradski sad vom 11. Januar 2010, soweit diese die Rechtswidrigkeit dieser Beschlagnahme festgestellt habe. Diageo Brands hält dem entgegen, dass diese Entscheidung in den Niederlanden nicht anerkannt werden könne, da sie der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 offensichtlich widerspreche. Der Vorlageentscheidung zufolge hat der Sofiyski gradski sad in seiner Entscheidung vom 11. Januar 2010 das Unionsrecht offensichtlich falsch angewandt, indem er sich auf einen auslegenden Beschluss gestützt hat, der seinerseits fehlerhaft gewesen sei und vom Varhoven kasatsionen sad unter Verstoß gegen seine Verpflichtung, die Frage nach Art. 267 AEUV dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen, erlassen worden sei.

21.      Mit Urteil vom 2. März 2011 folgte die Rechtbank Amsterdam dem Vorbringen von Diageo Brands und wies die Klage von Simiramida ab.

22.      Auf die Berufung von Simiramida änderte der Gerechtshof te Amsterdam (Berufungsgericht Amsterdam) mit Entscheidung vom 5. Juni 2012 die Entscheidung der Rechtbank Amsterdam ab und entschied, dass die Entscheidung vom 11. Januar 2010 des Sofiyski gradski sad in den Niederlanden anzuerkennen sei. Er hat jedoch die Entscheidung über den Schadensersatzanspruch ausgesetzt.

23.      Der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande), bei dem Diageo Brands ein Rechtsmittel eingelegt hatte, stellte fest, dass sich „[d]ie Parteien [im Kassationsverfahren] einig [sind], dass der auslegende Beschluss des [Varhoven kasatsionen sad] vom 15. Juni 2009 gegen das Unionsrecht verstößt“, und dass „Diageo Brands einen weiteren auslegenden Beschluss des [Varhoven kasatsionen sad] vom 26. April 2012 vorgelegt [hat], in dem der auslegende Beschluss vom 15. Juni 2009 ausdrücklich bestätigt wurde“.

24.      Der Hoge Raad der Nederlanden hat vor diesem Hintergrund mit Entscheidung vom 20. Dezember 2013, die am 23. Dezember 2013 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.       Ist Art. 34 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass dieser Ablehnungsgrund auch den Fall erfasst, dass die Entscheidung des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats dem Unionsrecht offensichtlich widerspricht und dies von diesem Gericht erkannt wurde?

2.       a)     Ist Art. 34 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass einer erfolgreichen Berufung auf diesen Ablehnungsgrund der Umstand im Weg steht, dass die Partei, die sich auf diesen Ablehnungsgrund beruft, es unterlassen hat, im Ursprungsmitgliedstaat der Entscheidung die dort verfügbaren Rechtsbehelfe einzulegen?

      b)     Falls Frage 2 a) zu bejahen ist: Ändert sich dies, wenn das Einlegen der Rechtsbehelfe in dem Ursprungsmitgliedstaat der Entscheidung zwecklos war, weil angenommen werden muss, dass dies nicht zu einer anderen Entscheidung geführt hätte?

3.     Ist Art. 14 der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen, dass diese Bestimmung auch die Kosten der Parteien erfasst, die ihnen in einem Rechtsstreit in einem Mitgliedstaat wegen einer Schadensersatzforderung entstehen, wenn die Forderung und die Verteidigung dagegen die geltend gemachte Haftung der beklagten Partei wegen der Beschlagnahme und der Ankündigungen betreffen, die diese zur Durchsetzung ihres Markenrechts in einem anderen Mitgliedstaat vorgenommen hat, und sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Anerkennung einer Entscheidung des Gerichts des letztgenannten Mitgliedstaats im erstgenannten Mitgliedstaat stellt?

25.      Außer den Parteien des Ausgangsverfahrens haben die deutsche und die lettische Regierung sowie die Europäische Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht.

26.      In der Sitzung vom 9. Dezember 2014 haben die Parteien des Ausgangsverfahrens und die Kommission mündlich verhandelt.

IV – Würdigung

27.      Ich werde vorab die Prämissen prüfen, auf die das vorlegende Gericht seine Entscheidung stützt, bevor ich die entscheidenden Aspekte der Vorlagefragen untersuche.

A –    Vorbemerkungen

28.      Zunächst ist es Sache des nationalen Gerichts, die dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegenden Tatsachen festzustellen und daraus die Folgerungen für seine Entscheidung zu ziehen(5).

29.      Im Rahmen der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Unionsgerichten und den nationalen Gerichten ist es nämlich grundsätzlich Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob in der bei ihm anhängigen Rechtssache die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung einer Norm des Unionsrechts erfüllt sind. Der Gerichtshof kann jedoch in seiner Entscheidung auf ein Vorabentscheidungsersuchen gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen, um dem nationalen Gericht eine Richtschnur für seine Auslegung zu geben(6).

30.      Unter diesen Umständen hat der Gerichtshof die vom vorlegenden Gericht gestellten Vorabentscheidungsfragen nach der Auslegung des Unionsrechts zu beantworten, dem vorlegenden Gericht aber die Aufgabe zu belassen, die konkreten Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu überprüfen(7).

31.      Insoweit ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die Fragen auf mehrere Prämissen gestützt sind, nämlich dass die Entscheidung des Sofiyski gradski sad vom 11. Januar 2010 und der auslegende Beschluss des Varhoven kasatsionen sad vom 15. Juni 2009, auf den sich die Entscheidung des Sofiyski gradski sad gründet, unionsrechtswidrig seien(8). Außerdem weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der zweite auslegende Beschluss des Varhoven kasatsionen sad vom 26. April 2012, in dem der erste auslegende Beschluss ausdrücklich bestätigt worden sei, ebenso dem Unionsrecht widerspreche.

32.      Nach den in der Sitzung bestätigten schriftlichen Erklärungen der Kommission hat diese im Rahmen des von ihr im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Rechtsprechung des Varhoven kasatsionen sad mit Art. 5 der Richtlinie 2008/95/EG(9) eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens jedoch die beiden auslegenden Beschlüsse dieses Gerichts geprüft. Nach Abschluss dieser Untersuchung kam sie zu dem Ergebnis, dass sowohl der auslegende Beschluss vom 15. Juni 2009 als auch der ausführlichere Beschluss vom 26. April 2012 mit dem Unionsrecht vereinbar seien. Diese Prüfung erlaubte ihr, das Vertragsverletzungsverfahren zu beenden. Daher ist laut der Kommission die in der Vorlageentscheidung vertretene Auffassung, der auslegende Beschluss des Varhoven kasatsionen sad vom 15. Juni 2009 sei unionsrechtswidrig, unzutreffend. Ich kann daher nicht ausschließen, dass der Sofiyski gradski sad diesen Beschluss letztlich falsch angewandt hat.

33.      Was den Beschluss des Sofiyski gradski sad vom 11. Januar 2010 betrifft, ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass sich die Parteien im Wesentlichen darüber einig scheinen, dass dieser Beschluss Art. 5 der Richtlinie 89/104(10) widerspreche. Dieser Artikel erlaubt nämlich dem Inhaber der Marke, Dritten u. a. zu verbieten, Waren unter dieser Marke einzuführen, sie anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen(11). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist dieser Artikel dahin auszulegen, dass der Inhaber einer Marke dem ohne seine Zustimmung erfolgenden ersten Inverkehrbringen von Originalwaren dieser Marke im Europäischen Wirtschaftsraum widersprechen kann(12).

34.      Im Licht dieser Vorbemerkungen werden unter Berücksichtigung des Zusammenhangs zwischen einigen der Vorlagefragen die erste und die zweite Frage zur Auslegung von Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 gemeinsam und zuerst geprüft. Sodann wird auf die Frage zur Auslegung von Art. 14 dieser Verordnung eingegangen.

B –    Zur ersten und zur zweiten Frage

35.      Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof im Wesentlichen, ob die Tatsache, dass eine im Ursprungsstaat ergangene Entscheidung unionsrechtswidrig ist, rechtfertigt, diese Entscheidung im Vollstreckungsstaat aus dem Grund nicht anzuerkennen, dass sie gegen die öffentliche Ordnung dieses Staates verstoße. Dieses Gericht möchte auch wissen, ob das Vollstreckungsgericht die Tatsache berücksichtigen kann oder muss, dass die Person, die sich der Anerkennung der Entscheidung im Vollstreckungsstaat widersetzt, es unterlassen hat, im Ursprungsmitgliedstaat der Entscheidung die ihm dort gegebenen Rechtsbehelfe einzulegen.

36.      Für die Beantwortung dieser Fragen ist zunächst zu prüfen, nach welchen Kriterien das Gericht des Vollstreckungsstaats zu beurteilen hat, ob eine offensichtliche Verletzung seiner öffentlichen Ordnung vorliegt. Es geht im Wesentlichen darum, die für diese Beurteilung erforderlichen Anhaltspunkte im Rahmen der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Berufung auf den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ im Sinne der Verordnung Nr. 44/2001 zu bestimmen.

1.      Vorbemerkung zum Begriff „öffentliche Ordnung“

37.      In der vorliegenden Rechtssache ist der Gerichtshof mit einer Frage zur Auslegung des Begriffs „öffentliche Ordnung“ (ordre public) im Sinne von Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, d. h. zum Zeitpunkt der Anerkennung der Entscheidung durch den Vollstreckungsstaat, befasst.

38.      Was den Begriff „öffentliche Ordnung“ anbelangt, können die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zwar aufgrund des in Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 vorgesehenen Vorbehalts grundsätzlich selbst festlegen, welche Anforderungen sich nach ihren innerstaatlichen Anschauungen aus ihrer öffentlichen Ordnung ergeben, doch gehört die Abgrenzung dieses Begriffs zur Auslegung dieser Verordnung. Auch wenn es demnach nicht Sache des Gerichtshofs ist, den Inhalt des Begriffs „öffentliche Ordnung“ eines Mitgliedstaats zu definieren, hat er doch über die Grenzen zu wachen, innerhalb deren sich das Gericht eines Mitgliedstaats auf diesen Begriff stützen darf, um der Entscheidung eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats die Anerkennung zu versagen(13).

39.      Im Ausgangsverfahren führt das vorlegende Gericht einen Verstoß gegen eine Vorschrift des materiellen Unionsrechts, nämlich Art. 5 der Richtlinie 89/104, durch das Gericht des Ursprungsstaats an. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Verstoß gegen die öffentliche Ordnung einen Verstoß gegen das Unionsrecht betrifft. Daraus folgt, dass der in Rede stehende Verstoß nicht die nationale öffentliche Ordnung zum Zeitpunkt der Anerkennung, sondern die öffentliche Ordnung der Union betrifft, die selbst Teil der nationalen öffentlichen Ordnung ist(14). Daher rechtfertigen bestimmte grundlegende Bestimmungen, die für die Erfüllung der Aufgaben der Union und insbesondere für das Funktionieren des Binnenmarktes unerlässlich sind(15), u. a. die Versagung der Anerkennung eines Schiedsspruchs. Selbst wenn es nämlich Sache jedes Mitgliedstaats ist, selbst festzulegen, welche Anforderungen sich aus seiner öffentlichen Ordnung ergeben, so gibt es doch innerhalb der nationalen öffentlichen Ordnung einen Kern von Werten, Grundsätzen und grundlegenden Vorschriften der Union mit demselben Regelungsgehalt, den jeder Mitgliedstaat berücksichtigen muss.

2.      Der Begriff „öffentliche Ordnung“ im Sinne von Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 im Rahmen der Rechtsprechung

40.      Nach ihrem sechsten Erwägungsgrund ist die Verordnung Nr. 44/2001 Teil der Schaffung eines europäischen Rechtsraums, in dem der freie Verkehr der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu gewährleisten ist, der eines der grundlegenden Ziele dieser Verordnung ist. Aus den Erwägungsgründen 16 und 17 der Verordnung Nr. 44/2001 geht hervor, dass die Anerkennungs- und Vollstreckungsregelung dieser Verordnung auf das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Union gestützt ist. Ein solches Vertrauen erfordert, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidungen nicht nur von Rechts wegen in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt werden, sondern auch, dass das Verfahren, mit dem diese Entscheidungen in dem anderen Mitgliedstaat für vollstreckbar erklärt werden, rasch und effizient vonstatten geht. Ein solches Verfahren darf nach dem 17. Erwägungsgrund der Verordnung nur eine einfache formale Prüfung der Schriftstücke umfassen, die für die Erteilung der Vollstreckbarerklärung in dem Staat, in dem der entsprechende Antrag gestellt wird, erforderlich sind(16).

41.      Da das Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der Fassung der aufeinanderfolgenden Übereinkommen über den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen)(17) im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten durch die Verordnung Nr. 44/2001(18) ersetzt wurde, gilt die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung des Übereinkommens für die entsprechenden Bestimmungen dieser Verordnung weiterhin(19). Dies ist bei Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 der Fall, der Art. 27 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens ersetzte(20). Nach diesem Artikel wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde. Die Anfechtungsgründe, die geltend gemacht werden können, werden ausdrücklich in den Art. 34 und 35 dieser Verordnung aufgeführt. Die Aufzählung dieser Gründe, die eng auszulegen sind, ist abschließend(21). Insbesondere ist Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 eng auszulegen, da er ein Hindernis für die Verwirklichung eines der grundlegenden Ziele dieser Verordnung bildet(22). Die Ordre‑public‑Klausel in dieser Bestimmung kann daher nur in Ausnahmefällen eine Rolle spielen(23).

42.      Wie sich nämlich aus Nr. 38 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, ist die öffentliche Ordnung zwar ein nationaler Begriff, den der Gerichtshof jedoch strikt kontrolliert und einschränkend auslegt(24). Dieses Erfordernis der engen Auslegung wurde bereits im Bericht von Herrn P. Jenard(25) über das Brüsseler Übereinkommen genannt, und ist auch den nationalen Rechtsordnungen bekannt(26). Das Adverb „offensichtlich“, das bei der Umwandlung des Übereinkommens in die Verordnung eingefügt wurde, konkretisiert nämlich in dieser die Vorstellung eines offensichtlichen Widerspruchs der Anerkennung der Urteile mit der öffentlichen Ordnung(27). Diese Änderung sollte, wie sich aus der Begründung zu Art. 41 des Vorschlags für eine Verordnung des Rates ergibt, deutlich machen, „dass die öffentliche Ordnung des Staates (ordre public) nur in Ausnahmefällen geltend gemacht werden kann“, „[u]m den Verkehr der Urteile innerhalb des Binnenmarkts zu verbessern“(28).

43.      Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass die Art. 36 und 45 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 mit dem Verbot, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung in der Sache selbst nachzuprüfen, dem Gericht des Vollstreckungsstaats verbieten, die Anerkennung oder Vollstreckung nur deshalb zu versagen, weil die vom Gericht des Ursprungsstaats angewandten Rechtsvorschriften von denen abweichen, die das Gericht des Vollstreckungsstaats im Fall seiner eigenen Befassung mit dem Rechtsstreit angewandt hätte. In der Regel darf das Gericht des Vollstreckungsstaats nicht nachprüfen, ob das Gericht des Ursprungsstaats den Fall rechtlich und tatsächlich fehlerfrei gewürdigt hat(29).

44.      Nach alledem kommt eine Anwendung der Ordre-public-Klausel von Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 daher nur dann in Betracht, wenn die Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats stünde. Damit das Verbot, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung in der Sache nachzuprüfen, gewahrt bleibt, muss es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln(30). Denn es ist Sache des nationalen Gerichts, den Schutz der durch die nationale Rechtsordnung und der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte in gleicher Weise wirksam zu gewährleisten(31).

3.      Rechtliche Würdigung

a)      Zum Verstoß gegen eine wesentliche Rechtsnorm, ein als grundlegend anerkanntes Recht oder einen fundamentalen Grundsatz des Unionsrechts

45.      Wie aus Nr. 33 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, nimmt das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren nur auf einen Verstoß des Gerichts des Ursprungsstaats gegen Art. 5 der Richtlinie 89/104 Bezug.

46.      Insoweit machen die deutsche Regierung und die Kommission geltend, es sei schwer vorstellbar, dass der Verstoß gegen Art. 5 der Richtlinie 89/104, den der Sofiyski gradski sad in seiner Entscheidung vom 11. Januar 2010 begangen haben soll, als ein Verstoß gegen einen fundamentalen Grundsatz des Unionsrechts angesehen werden könne.

47.      Ich teile diese Ansicht.

48.      Zunächst weise ich darauf hin, dass die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 konkret zu beurteilen ist, d. h. anhand der Schwere der Wirkungen, die die Anerkennung der fraglichen Entscheidung erzeugt. Daher ist auch das Verhältnis zwischen dem Ausgangsverfahren und der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats zu berücksichtigen(32).

49.      Im vorliegenden Fall ist zwar, wie ich in meinen Vorbemerkungen dargelegt habe, die in der Vorlageentscheidung vertretene Auffassung, der auslegende Beschluss des Varhoven kasatsionen sad vom 15. Juni 2009 sei unionsrechtswidrig, unzutreffend, jedoch kann im Hinblick auf die diesbezüglichen Ausführungen der Kommission nicht ausgeschlossen werden, dass der Sofiyski gradski sad diese Entscheidung falsch angewandt hat.

50.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darf jedoch das Gericht des Vollstreckungsstaats die Anerkennung einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat nicht allein deshalb ablehnen, weil es der Ansicht ist, dass in dieser Entscheidung das nationale Recht oder das Unionsrecht falsch angewandt worden sei, da sonst die Zielsetzung der Verordnung Nr. 44/2001 in Frage gestellt würde(33).

51.      Da die öffentliche Ordnung des Staates nur in Ausnahmefällen geltend gemacht werden kann, bin ich der Ansicht, dass grundsätzlich ein möglicher Rechtsfehler, wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, weder als solcher als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung angesehen werden noch eine Versagung der Anerkennung der Entscheidung des Sofiyski gradski sad rechtfertigen kann(34). Zum einen erfüllt nämlich die Versagung ihrer Anerkennung nicht die Kriterien nach der in Nr. 44 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs. Ein Grund für die Versagung liegt vor, wenn die Wirkungen der Anerkennung der Entscheidung der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaats widersprechen(35), was sowohl das nationale Recht also auch das Unionsrecht betrifft, und diese Wirkungen müssen einen bestimmten Schweregrad erreichen, d. h. es muss sich um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln(36). Zum anderen verstößt die Anerkennung der Entscheidung des Sofiyski gradski sad nicht gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz und steht deshalb nicht in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats. Entschiede man anders, liefe man, wie die Kommission ausgeführt hat, Gefahr, die durch Art. 36 und Art. 45 der Verordnung Nr. 44/2001 verbotene Befugnis, die Entscheidung nachzuprüfen, wieder einzuführen. Eine solche Entscheidung führte nach Ansicht der Kommission auch dazu, zum einen das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Union, auf das sich die Anerkennungs- und Vollstreckungsregelung der Verordnung Nr. 44/2001 stütze, in Frage zu stellen und zum anderen die Wirksamkeit und Schnelligkeit der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen zu behindern.

52.      Zwar kann dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass wegen eines solchen Fehlers die Anerkennung einer Entscheidung offensichtlich wesentliche Rechtsnormen oder grundlegende Prinzipien – auch des Unionsrechts – verletzt. Außerdem ist darauf zu bestehen, dass ein Verstoß gegen diese der öffentlichen Ordnung der Union zuzurechnenden Rechtsnormen oder Grundsätze(37) vorliegen muss. Jedoch bin ich wie die Kommission nicht einmal überzeugt, dass im Ausgangsverfahren die falsche Anwendung oder Auslegung einer Bestimmung in einer Mindestharmonisierungsrichtlinie, die die Annäherung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Markenwesens zum Gegenstand hatte, wobei sie den Mitgliedstaaten großen Freiraum bei ihrer Umsetzung ließ(38), als Verstoß gegen wesentliche Rechtsnormen oder grundlegende Prinzipien angesehen werden könnte(39).

53.      Die Antwort des Gerichtshofs im Urteil Eco Swiss(40) zur Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs ändert diese Beurteilung nicht. In diesem Urteil hat der Gerichtshof nämlich entschieden, dass Art. 101 AEUV eine grundlegende Bestimmung ist, die für die Erfüllung der Aufgaben der Union und insbesondere für das Funktionieren des Binnenmarkts unerlässlich ist(41). Er kam daher zu dem Ergebnis, dass diese Unionsvorschrift eine Vorschrift ist, die der öffentlichen Ordnung im Sinne des am 10. Juni 1958 in New York unterzeichneten Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche(42) zuzurechnen sei, was bei Art. 5 der Richtlinie 89/104 im Sinne von Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht der Fall sein kann.

54.      Die fehlende Relevanz dieses Urteils für den Ausgangsrechtsstreit ergibt sich auch aus einer Reihe anderer Unterschiede. Erstens erlaubt Art. 34 Nr. 1 nicht, einen Schiedsspruch nicht anzuerkennen, sondern eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene gerichtliche Entscheidung. Für die Entscheidungen der nationalen Gerichte spricht jedoch eine Vermutung der Rechtmäßigkeit. Diese Vermutung der Rechtmäßigkeit rechtfertigt, dass das vom Gerichtshof angewandte Kriterium der öffentlichen Ordnung für gerichtliche Entscheidungen weniger streng ist als für Schiedssprüche. Zweitens unterliegen die Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten dem vom Unionsrecht geschaffenen System des gerichtlichen Rechtsschutzes und insbesondere dem Vorabentscheidungsverfahren, was bei Schiedssprüchen nicht der Fall ist(43). Insoweit hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass ein vertragliches Schiedsgericht nicht als „Gericht eines Mitgliedstaats“ im Sinne von Art. 267 AEUV anzusehen ist, da die Schiedsrichter im Unterschied zu den staatlichen Gerichten dem Gerichtshof keine Fragen zur Auslegung des Unionsrechts zur Vorabentscheidung vorlegen können(44). Das gegenseitige Vertrauen, das die Mitgliedstaaten gegenüber ihren gerichtlichen Entscheidungen haben, und das vom Unionsrecht geschaffene System des gerichtlichen Rechtsschutzes erklären nämlich weitgehend, dass die Rechtssache Eco Swiss und die Rechtssache Renault unterschiedlich entschieden wurden(45). Außerdem verpflichtet das Unionsrecht die Mitgliedstaaten zum Ersatz sämtlicher Schäden, die einem Einzelnen durch ihnen zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen, und zwar auch dann, wenn der fragliche Verstoß in einer Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts besteht(46). Zur Staatshaftung tritt auch die Möglichkeit einer Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV hinzu.

b)      Zum Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit

55.      Diageo Brands macht einen Verstoß sowohl des Sofiyski gradski sad als auch des Varhoven kasatsionen sad gegen die Verpflichtung geltend, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof zu richten.

56.      Erstens weise ich zur Vorlagepflicht des Sofiyski gradski sad darauf hin, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass das System, das mit Art. 267 AEUV geschaffen wurde, um die einheitliche Auslegung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten einführt(47).

57.      Die Vorlage zur Vorabentscheidung beruht insoweit auf einem Dialog der Gerichte, dessen Aufnahme ausschließlich von der Beurteilung der Erheblichkeit und der Notwendigkeit der Vorlage durch das nationale Gericht abhängt(48). Daher ist ein nationales Gericht, soweit gegen seine Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben ist, grundsätzlich verpflichtet, den Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV anzurufen, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage nach der Auslegung des Vertrags über die Arbeitsweise der Union stellt(49).

58.      Im Ausgangsverfahren kann man dem Gericht des Ursprungsstaats eine offensichtliche Verletzung einer Vorlagepflicht schwerlich vorwerfen. Der Sofiyski gradski sad ist nämlich ein erstinstanzliches Gericht, gegen dessen Entscheidung eine Berufung und sogar ein Rechtsmittel vor dem bulgarischen letztinstanzlichen Gericht hätte eingelegt werden können. Folglich war er nach Art. 267 Abs. 2 AEUV nicht verpflichtet, eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen(50).

59.      Was zweitens den auslegenden Beschluss des Varhoven kasatsionen sad vom 15. Juni 2009 anbelangt, der als Grundlage für die Entscheidung des Sofiyski gradski sad vom 11. Januar 2010 diente, beschränke ich mich auf die Feststellung, dass der Ausgangsrechtsstreit nur die Anerkennung der Entscheidung des Sofiyski gradski sad vom 11. Januar 2010 betrifft.

c)      Zur Nichtausschöpfung von Rechtsbehelfen

60.      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Diageo Brands es in dem sie betreffenden Verfahren unterlassen hat, die ihr nach dem nationalen Recht gegebenen Rechtsbehelfe einzulegen. Insoweit macht Diageo Brands geltend, diese Untätigkeit sei darauf zurückzuführen, dass es zwecklos gewesen sei, die vor den bulgarischen Gerichten gegebenen Rechtsbehelfe einzulegen, da dies nicht zu einer anderen Entscheidung dieser Gerichte geführt hätte.

61.      Dieses Argument überzeugt mich nicht.

62.      In Nr. 50 der vorliegenden Schlussanträge wurde darauf hingewiesen, dass ein bloßer Fehler in Bezug auf das nationale Recht oder das Unionsrecht eine auf Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 gestützte Versagung der Anerkennung nicht rechtfertigen kann(51). Der Gerichtshof hat festgestellt, dass in solchen Fällen das in jedem Mitgliedstaat eingerichtete Rechtsbehelfssystem, ergänzt durch das in Art. 267 AEUV vorgesehene Vorabentscheidungsverfahren, den Rechtsbürgern eine ausreichende Garantie bietet(52).

63.      Zwar verlangt Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 hinsichtlich der auf nationaler Ebene eingerichteten Rechtsbehelfe nicht die Ausschöpfung der Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat. Die Kommission macht jedoch geltend, die Verordnung Nr. 44/2001 beruhe auf dem Grundgedanken, dass die im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens erlassenen Rechtsakte, einschließlich der Berichtigung von Fehlern in der Sache, im Ursprungsmitgliedstaat zu konzentrieren seien(53).

64.      Ich teile diesen Ansatz natürlich. Dass der Ordre-public-Vorbehalt nur in Ausnahmefällen geltend gemacht werden kann, beruht auch auf der Annahme, dass die Beklagten alle nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats gegebenen Rechtsbehelfe nutzen, damit Rechtsfehler berichtigt werden. Zwar verlangt Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht die Ausschöpfung der Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Rechtsbürger in der Regel – und selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass keine besonderen Umstände vorliegen, die das Einlegen der Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat zu sehr erschweren oder unmöglich machen – in diesem Mitgliedstaat von allen gegebenen Rechtsbehelfen Gebrauch zu machen haben, um im Vorfeld einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zu verhindern. Dies ist umso wichtiger, wenn sich der angebliche Verstoß gegen die öffentliche Ordnung aus einem Verstoß gegen das Unionsrecht ergibt. So besteht eine unbestrittene Verpflichtung jedes Gerichts eines Mitgliedstaats, die öffentliche Ordnung (ordre public) der Union zu beachten(54).

65.      Insoweit scheinen mir Sinn und Zweck der Verordnung Nr. 44/2001 dafür zu sprechen, dass das Gericht des Vollstreckungsstaats, wenn die Person, die sich der Anerkennung der Entscheidung aus dem Ursprungsmitgliedstaat widersetzt, die ihr nach nationalem Recht gegebenen Rechtsbehelfe nicht genutzt hat, dies zu berücksichtigen hat(55). Folglich hat es das Gericht des Vollstreckungsstaats sicherlich zu berücksichtigen, dass in der Rechtsordnung des Ursprungsstaats Mechanismen zur Wiedergutmachung von Verstößen gegen das Unionsrecht durch ein nationales Gericht bestehen, um zu beurteilen, ob eine etwaige offensichtliche Verletzung seiner öffentlichen Ordnung vorliegt, die die Versagung der Anerkennung einer Entscheidung im Rahmen der Verordnung Nr. 44/2001 rechtfertigt(56). Diese Berücksichtigung hat jedoch im Einzelnen nach Maßgabe der konkreten Fallumstände zu erfolgen(57). Wie in Nr. 39 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, ergibt sich, anders als hinsichtlich der nationalen öffentlichen Ordnung, die Verpflichtung aller Mitgliedstaaten zur Berücksichtigung eines Verstoßes, wenn der in Rede stehende Verstoß die öffentliche Ordnung der Union betrifft, aus ihrer Pflicht, die ordnungsgemäße Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen(58).

66.      Im Ausgangsverfahren hätte die Ausschöpfung der vom bulgarischen Recht eröffneten Rechtsbehelfe es Diageo Brands möglicherweise erlaubt, vor dem bulgarischen letztinstanzlichen Gericht die Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens geltend zu machen.

67.      Jedenfalls darf nicht außer Acht gelassen werden, dass für den Fall, dass zum einen Diageo Brands die vor den bulgarischen Gerichten gegebenen Rechtsbehelfe ausgeschöpft hätte, und zum anderen die höheren Gerichte gegen das Unionsrecht verstoßen hätten, Diageo Brands die Möglichkeit gehabt hätte, die Haftung des bulgarischen Staates geltend zu machen. Nach Ansicht der Kommission kann zwar das vom Unionsrecht geschaffene System des gerichtlichen Rechtsschutzes nicht sicherstellen, dass kein Fehler geschieht, jedoch gibt es den Parteien die Möglichkeit, im Fall der fehlerhaften Anwendung des Unionsrechts eine Entschädigung zu erhalten. Insoweit hat der Gerichtshof, wie auch in Nr. 54 der vorliegenden Schlussanträge erwähnt, entschieden, dass der Grundsatz, dem zufolge die Mitgliedstaaten zum Ersatz von Schäden verpflichtet sind, die einem Einzelnen durch ihnen zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen, auch dann anwendbar ist, wenn der fragliche Verstoß in einer Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts besteht(59).

4.      Zwischenergebnis

68.      Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass die Tatsache, dass eine im Ursprungsstaat ergangene Entscheidung unionsrechtswidrig ist, nicht rechtfertigt, diese Entscheidung im Vollstreckungsstaat aus dem Grund nicht anzuerkennen, dass sie gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) dieses Staates verstößt. Ein bloßer Fehler in Bezug auf das nationale Recht oder das Unionsrecht, wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, kann nämlich, soweit er keine offensichtliche Verletzung einer wesentlichen Rechtsnorm der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats darstellt, eine auf Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 gestützte Versagung der Anerkennung nicht rechtfertigen.

69.      Wenn das Gericht des Vollstreckungsstaats das mögliche Vorliegen eines offensichtlichen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung, die sich aus der Verletzung grundlegender Vorschriften des Unionsrechts ergibt, prüft, muss es die Tatsache berücksichtigen, dass die Person, die sich der Anerkennung der Entscheidung im Vollstreckungsstaat widersetzt, es unterlassen hat, im Ursprungsmitgliedstaat der Entscheidung die dort gegebenen Rechtsbehelfe einzulegen.

C –    Zur dritten Frage

70.      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Prozesskosten im Zusammenhang mit dem in einem Mitgliedstaat eingeleiteten Ausgangsverfahren, das eine Klage auf Ersatz des durch eine Beschlagnahme verursachten Schadens betrifft und in dem die Frage nach der Anerkennung einer Entscheidung aufgeworfen wurde, die in einem anderen Mitgliedstaat im Rahmen eines Rechtsstreits über die Durchsetzung eines Rechts des geistigen Eigentums ergangen ist, unter Art. 14 der Richtlinie 2004/48 fallen.

71.      Nach ihrem Art. 1 betrifft die Richtlinie 2004/48 die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen. Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht außerdem vor, dass diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe gemäß Art. 3 der Richtlinie auf jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, die u. a. im innerstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen sind, Anwendung finden. Das allgemeine Ziel der Richtlinie 2004/48 ist es, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten einander anzunähern, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten(60).

72.      Außerdem zielt die Richtlinie 2004/48 nicht darauf ab, alle Aspekte im Zusammenhang mit Rechten des geistigen Eigentums zu regeln, sondern nur diejenigen, die zum einen eng mit der Durchsetzung dieser Rechte verbunden sind und zum anderen Verletzungen dieser Rechte betreffen, indem sie das Vorhandensein wirksamer Rechtsbehelfe vorschreiben, die dazu bestimmt sind, jede Verletzung eines bestehenden Rechts des geistigen Eigentums zu verhüten, abzustellen oder zu beheben(61).

73.      Insoweit wären die Schadensersatzklagen eng mit den Verfahren zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums verbunden. Zum einen sieht Art. 7 der Richtlinie 2004/48 Maßnahmen vor, die die Beschlagnahme von Waren, bei denen der Verdacht auf Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums besteht, erlauben(62). Zum anderen sieht Art. 9 Abs. 7 dieser Richtlinie Maßnahmen vor, aufgrund derer eine Klage auf Ersatz des Schadens aus einer ungerechtfertigten Beschlagnahme erhoben werden kann. Nach Ansicht der Kommission stellen diese Maßnahmen eine Garantie dar, die der Gesetzgeber als Ausgleich zu den von ihm vorgesehenen schnellen und wirksamen einstweiligen Maßnahmen für erforderlich hielt(63).

74.      Art. 14 der Richtlinie 2004/48 soll nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs seinerseits das Schutzniveau für geistiges Eigentum erhöhen, indem er verhindern soll, dass ein Geschädigter von der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zur Sicherung seiner Rechte abgehalten wird(64).

75.      Ich bin wie die Kommission der Auffassung, dass aufgrund der weiten und allgemeinen Formulierung von Art. 14 der Richtlinie 2004/48, der sich auf die „obsiegende Partei“ und die „unterlegene Partei“ bezieht, ohne zu erläutern, um welche von dieser Richtlinie vorgesehene Verfahrensart es sich handelt, davon ausgegangen werden kann, dass diese Bestimmung im Fall einer unterlegenen Partei, die nicht Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums ist, jedoch der Verletzung eines solchen Rechts verdächtigt wird, anwendbar ist.

76.      Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass die Prozesskosten im Zusammenhang mit dem in den Niederlanden eingeleiteten Ausgangsverfahren, das eine Klage auf Ersatz des durch eine Beschlagnahme verursachten Schadens betrifft und in dem die Frage der Anerkennung einer Entscheidung aufgeworfen wurde, die in einem Mitgliedstaat im Rahmen eines Rechtsstreits über die Durchsetzung eines Rechts des geistigen Eigentums ergangen ist, unter Art. 14 der Richtlinie 2004/48 fallen.

V –    Ergebnis

77.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Hoge Raad der Nederlanden wie folgt zu antworten:

1.         Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass die Tatsache, dass eine im Ursprungsstaat ergangene Entscheidung unionsrechtswidrig ist, nicht rechtfertigt, diese Entscheidung im Vollstreckungsstaat aus dem Grund nicht anzuerkennen, dass sie gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) dieses Staates verstößt. Ein bloßer Fehler in Bezug auf das nationale Recht oder das Unionsrecht, wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, kann nämlich, soweit er keine offensichtliche Verletzung einer wesentlichen Rechtsnorm der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats darstellt, eine auf Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 gestützte Versagung der Anerkennung nicht rechtfertigen. Wenn das Gericht des Vollstreckungsstaats das mögliche Vorliegen eines offensichtlichen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung, die sich aus der Verletzung grundlegender Vorschriften des Unionsrechts ergibt, prüft, muss es die Tatsache berücksichtigen, dass die Person, die sich der Anerkennung der Entscheidung im Vollstreckungsstaat widersetzt, es unterlassen hat, im Ursprungsmitgliedstaat der Entscheidung die dort gegebenen Rechtsbehelfe einzulegen.

2.         Die Prozesskosten im Zusammenhang mit dem in einem Mitgliedstaat eingeleiteten Ausgangsverfahren, das eine Klage auf Ersatz des durch eine Beschlagnahme verursachten Schadens betrifft, in dem die Frage der Anerkennung einer Entscheidung aufgeworfen wurde, die in einem anderen Mitgliedstaat im Rahmen eines Rechtsstreits über die Durchsetzung eines Rechts des geistigen Eigentums ergangen ist, fallen unter Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Verordnung des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).


3 – C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 60.


4 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157, S. 45).


5 – Vgl. u. a. Urteile WWF u. a. (C‑435/97, EU:C:1999:418, Rn. 32) sowie Danosa (C‑232/09, EU:C:2010:674, Rn. 33).


6 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Haim (C‑424/97, EU:C:2000:357, Rn. 58); Vatsouras und Koupatantze (C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344, Rn. 23) sowie Danosa (EU:C:2010:674, Rn. 34).


7 – Urteil Danosa (EU:C:2010:674, Rn. 36).


8 – Nach den mündlichen Ausführungen von Simiramida in der Verhandlung ist ein auslegender Beschluss des Varhoven kasatsionen sad für alle untergeordneten Gerichte verbindlich.


9 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25), die die Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1, berichtigt im ABl. 1989, L 207, S. 44) aufgehoben und ersetzt hat.


10 – In ihren mündlichen Ausführungen hat Simiramida dieser Feststellung in der Vorlageentscheidung widersprochen. Nach ihren schriftlichen und mündlichen Erklärungen ist sie jedoch der Auffassung, dass der Sofiyski gradski sad Art. 5 der Richtlinie 89/104 falsch angewandt habe.


11 – Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung die Voraussetzungen für die Erschöpfung dieses Rechts näher bestimmt. Vgl. u. a. Beschluss Honda Giken Kogyo Kabushiki Kaisha (C‑535/13, EU:C:2014:2123).


12 – Vgl. u. a. Urteil Class International (C‑405/03, EU:C:2005:616, Rn. 58) sowie Beschluss Canon (C‑449/09, EU:C:2010:651, Rn. 19 und 26).


13 – Urteile Krombach (C‑7/98, EU:C:2000:164, Rn. 22 und 23), Renault (C‑38/98, EU:C:2000:225, Rn. 27 und 28), Apostolides (EU:C:2009:271, Rn. 56 und 57) und flyLAL-Lithuanian Airlines (C‑302/13, EU:C:2014:2319, Rn. 47). Generalanwalt Alber hat dies in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Renault sehr klar ausgedrückt: „Sinn und Zweck dieser Auslegung durch den Gerichtshof ist es, eine unterschiedliche Auslegung des Übereinkommens zu verhindern“ (Schlussanträge in der Rechtssache Renault, EU:C:1999:325, Nr. 58).


14 – Vgl. Fallon, M., „Les conflits de lois et de juridictions dans un espace économique intégré – l’expérience de la Communauté européenne“, Recueil des cours, 1995, S. 255: „Comme tout système juridique le droit [de l’Union] produit un corps de règles d’ordre public auquel il n’est pas permis de déroger en raison de leur caractère fondamental. De telles normes sont qualifiées d’essentielles en fonction de leur importance tantôt pour le fonctionnement du marché, tantôt pour la personne dont elles cherchent à assurer la protection.“ (Wie jedes Rechtssystem schafft das Recht [der Union] einen Apparat von Regeln der öffentlichen Ordnung, von denen wegen ihres grundlegenden Charakters nicht abgewichen werden darf. Solche Vorschriften werden wegen ihrer Bedeutung für das Funktionieren des Marktes oder für den Einzelnen, dessen Schutz sie sicherstellen sollen, als wesentlich eingestuft.)


15 – Vgl. Urteil Eco Swiss (C‑126/97, EU:C:1999:269, Rn. 36).


16 – Urteile Prism Investments (C‑139/10, EU:C:2011:653, Rn. 27 und 28) sowie flyLAL-Lithuanian Airlines (EU:C:2014:2319, Rn. 45).


17 – ABl. 1972 L 299, S. 32.


18 – Vgl. Art. 68 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001.


19 – Urteile Draka NK Cables u. a. (C‑167/08, EU:C:2009:263, Rn. 20), SCT Industri (C‑111/08, EU:C:2009:419, Rn. 22), German Graphics Graphische Maschinen (C‑292/08, EU:C:2009:544, Rn. 27), Realchemie Nederland (C‑406/09, EU:C:2011:668, Rn. 38), Sapir u. a. (C‑645/11, EU:C:2013:228, Rn. 31) sowie Sunico u. a. (C‑49/12, EU:C:2013:545, Rn. 32).


20 – Im Rahmen von Art. 27 Abs. 1 des Übereinkommens, nach dem eine Entscheidung nicht anerkannt wurde, wenn die Anerkennung „der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, widersprechen würde“, erließ der Gerichtshof die Urteile Krombach (EU:C:2000:164), Renault (EU:C:2000:225) und Gambazzi (C‑394/07, EU:C:2009:219).


21 – Urteile Apostolides (EU:C:2009:271, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung), Prism Investments (EU:C:2011:653, Rn. 33) und flyLAL-Lithuanian Airlines (EU:C:2014:2319, Rn. 46).


22 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Solo Kleinmotoren (C‑414/92, EU:C:1994:221, Rn. 20), Krombach (EU:C:2000:164, Rn. 21), Renault (EU:C:2000:225, Rn. 26), Apostolides (EU:C:2009:271, Rn. 55) und Prism Investments (EU:C:2011:653, Rn. 33).


23 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Hoffmann (145/86, EU:C:1988:61, Rn. 21), Krombach (EU:C:2000:164, Rn. 21), Renault (EU:C:2000:225, Rn. 26) und Apostolides (EU:C:2009:271, Rn. 55).


24 – Vgl. auch Gaudemet-Tallon, H., „De la définition de l’ordre public faisant obstacle à l’exequatur, Cour de justice des Communautés européennes – 11 mai 2000, Régie nationale des usines Renault SA c. Mexicar SpA et Orazio Formento“, Revue critique de droit international privé, 2000, S. 497.


25 – Bericht zu dem Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1979, C 59, S. 44). Vgl. Erläuterung zu Art. 27 Abs. 1 des Übereinkommens: „Die Anerkennung kann versagt werden, wenn sie dem ordre public des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, widerspricht. Nach Ansicht des Ausschusses kann diese Klausel nur in Ausnahmefällen eine Rolle spielen“.


26 – Zur „abgeschwächten Wirkung“ vgl. Gaudemet-Tallon, H., Compétence et exécution des jugements en Europe. Règlement n° 44/2001.Conventions de Bruxelles et de Lugano, 4. Ausg., L.G.D.J., 2010, S. 412, und Francq, S., „Article 34“, Brussels I Regulation, Ulrich Magnus und Peter Mankowski (Hrsg.), S. 554 bis 600, S. 566.


27 – Was schon von Anfang an vom Brüsseler Übereinkommen umfasst war. Vgl. in diesem Sinne, Francq, S., a. a. O., S. 566.


28 – Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (KOM/99/0348 endg.). Im Rahmen der Überarbeitung der Verordnung Nr. 44/2001 schlug die Kommission vor, das Verfahren der Vollstreckbarerklärung und die Ordre-public-Klausel als Grund für die Versagung der Vollstreckung einer Entscheidung zu streichen. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht angenommen. Die Vollstreckungsregelung wurde zwar erleichtert, die Ordre‑public‑Klausel blieb aber unverändert. Vgl. dazu den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (KOM/2010/0748 endg.) sowie Art. 45 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 351, S. 1).


29 – Vgl. Urteile Krombach (EU:C:2000:164, Rn. 36), Renault (EU:C:2000:225, Rn. 29), Apostolides (EU:C:2009:271, Rn. 58) und flyLAL-Lithuanian Airlines (EU:C:2014:2319, Rn. 48).


30 – Urteile Renault (EU:C:2000:225, Rn. 30), Gambazzi (EU:C:2009:219, Rn. 27), Apostolides (EU:C:2009:271, Rn. 59) und flyLAL-Lithuanian Airlines (EU:C:2014:2319, Rn. 49). Es kann sich dabei sowohl um verfahrensrechtlichen als auch um materiell-rechtlichen ordre public handeln; der Mechanismus muss aber die Ausnahme bleiben. Vgl. in diesem Sinne Gaudemet-Tallon, H., a. a. O., S. 424.


31 – Urteil Renault (EU:C:2000:225, Rn. 32).


32 – Vgl. Francq, S., a. a. O., S. 566, und Moitinho de Almeida, J. C., „Refus de la reconnaissance ou de l’exécution des jugements étrangers: l’ordre public“, in: L’Europe des droits fondamentaux, herausgegeben von Luc Weitzel, A. Pedone, 2013, S. 153 bis 164, S. 155.


33 – Urteile Renault (EU:C:2000:225, Rn. 33) und Apostolides (EU:C:2009:271, Rn. 60).


34 – Nach Generalanwalt Alber können Fehlurteile auch im Anerkennungsstaat erlassen werden und Rechtskraft erlangen. Das heißt, sie müssten auch in diesem Staat trotz ihrer Fehler beachtet werden. Die Anerkennung entsprechender ausländischer Urteile kann somit allein nicht gegen die öffentliche Ordnung des Anerkennungsstaats verstoßen. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Alber in der Rechtssache Renault (EU:C:1999:325, Nr. 66).


35 – Jenard-Bericht, S. 44.


36 – Urteile Renault (EU:C:2000:225, Rn. 30) und Apostolides (EU:C:2009:271, Rn. 59). Insoweit wird in der Lehre vertreten, dass, wenn der Richter des Urteilsstaats irrtümlich aufgrund einer unionsrechtswidrigen nationalen Rechtsvorschrift entschieden habe, er dadurch gegen eine wesentliche Bestimmung des Unionsrechts verstoße, die jeweils mehr oder weniger bedeutend sein könne, er aber insbesondere gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts, nämlich den Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts gegenüber dem nationalen Recht, verstoße. Vgl. Gaudemet-Tallon, H., „De la définition …“, a. a. O., S. 497.


37 – Vgl. entsprechend Schlussanträge des Generalanwalts Alber in der Rechtssache Renault (EU:C:1999:325, Nr. 67).


38 – Vgl. Erwägungsgründe 3 bis 5 der Richtlinie 89/104.


39 – Außerdem verstößt nach der herrschenden Lehre in den von der Verordnung Nr. 44/2001 erfassten Bereichen eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung selten gegen die öffentliche Ordnung eines anderen Mitgliedstaats der Union. Hinsichtlich dieser „Zivil- und Handelssachen“ unterliegen die in den verschiedenen Mitgliedstaaten herrschenden Grundvorstellungen den gleichen Leitlinien und sind im Hinblick auf die öffentliche Ordnung nicht heikel, wie es insbesondere das Familienrecht sein könnte. Vgl. hierzu Gaudemet-Tallon, H., a. a. O., S. 414.


40 – EU:C:1999:269.


41 – Rn. 36.


42United Nations Treaty Series, Bd. 330, S. 3. Vgl. Urteil Eco Swiss (EU:C:1999:269, Rn. 39).


43 – Vgl. Francq, S., a. a. O., S. 570.


44 – EU:C:1999:269, Rn. 34 und 40.


45 – Vgl. in diesem Sinne, Francq, S., a. a. O., S. 571.


46 – Urteil Köbler (C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 50).


47 – Urteile Cartesio (C‑210/06, EU:C:2008:723, Rn. 90), Kelly (C‑104/10, EU:C:2011:506, Rn. 62) sowie Consiglio nazionale dei geologi und Autorità garante della concorrenza e del mercato (C‑136/12, EU:C:2013:489, Rn. 28).


48 – Urteile Cartesio (EU:C:2008:723, Rn. 91) und Kelly (EU:C:2011:506, Rn. 63).


49 – Vgl. Urteile Parfums Christian Dior (C‑337/95, EU:C:1997:517, Rn. 26) sowie Consiglio nazionale dei geologi und Autorità garante della concorrenza e del mercato (EU:C:2013:489, Rn. 25).


50 – Ich weise auch darauf hin, dass aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht hervorgeht, ob die Frage der Auslegung von Art. 5 der Richtlinie 89/104 vor dem Varhoven kasatsionen sad aufgeworfen wurde.


51 – Urteile Renault (EU:C:2000:225, Rn. 33) und Apostolides (EU:C:2009:271, Rn. 60).


52 – Urteil Renault (EU:C:2000:225, Rn. 33).


53 – Vgl. dazu insbesondere Art. 46 der Verordnung Nr. 44/2001.


54 – Vgl. Fallon, M., a. a. O., S. 255.


55 – Francq, S., a. a. O., S. 567 bis 568.


56 – Ebd., S. 573. Vgl. auch Hess, B., Pfeiffer, T., und Schlosser, P., The Brussels I. Regulation (EC) No 44/2001, Beck München, 2008, S. 145: „[t]he control of the foreign judgment should at least be retained when the Member State of origin does not provide for an efficient remedy“ („[d]ie Kontrolle des ausländischen Urteils sollte zumindest beibehalten werden, wenn der Ursprungsmitgliedstaat nicht für einen wirksamen Rechtsbehelf sorgt“).


57 – Insbesondere je nachdem, ob die betreffende Person über die erforderlichen Mittel für die Beschreitung des Rechtswegs oder eine geeignete Prozesskostenhilfe verfügte oder nicht.


58 – Der Begriff des gegenseitigen Vertrauens in der Union bedeutet im Bereich der Gerichtsbarkeit, dass das Gericht des Ursprungsstaats die Kontrolle über den Ablauf und den Abschluss des Verfahrens behält. Die möglichen (formellen und materiellen) Unregelmäßigkeiten muss der Betroffene ebenso vor einem Gericht dieses Staates geltend machen. Der Betroffene kann nicht auf die Möglichkeit vertrauen, diese Unregelmäßigkeiten vor einem Gericht des Vollstreckungsstaats geltend zu machen, da die Vorschriften auf dem Gebiet des gerichtlichen Rechtsschutzes in den beiden Staaten vergleichbar sind. Vgl. Grzegorczyk, P., „Automatyczna wykonalność orzeczeń sądowych w sprawach cywilnych w Unii Europejskiej − geneza, stan obecny i perspektywy“, in: Europejskie prawo procesowe cywilne i kolizyjne, P. Grzegorczyk, K. Weitz (Hrsg.), Warschau, 2012, S. 37. Überdies ist, wenn es sich um Verstöße gegen die öffentliche Ordnung der Union handelt, die sich aus der Verletzung des Unionsrechts ergeben, das Schutzniveau in allen Mitgliedstaaten der Union als identisch anzusehen.


59 – Urteil Köbler (EU:C:2003:513, Rn. 50).


60 – Vgl. Erwägungsgründe 10 und 11 der Richtlinie 2004/48.


61 – Urteil Bericap Záródástechnikai (C‑180/11, EU:C:2012:717, Rn. 75).


62 – Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2004/48 bestimmt, dass, „[falls] in der Folge festgestellt [wird], dass keine Verletzung oder drohende Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums vorlag, … die Gerichte befugt [sind], auf Antrag des Antragsgegners anzuordnen, dass der Antragsteller dem Antragsgegner angemessenen Ersatz für durch diese Maßnahmen entstandenen Schaden zu leisten hat“.


63 – Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48.


64 – Urteil Realchemie Nederland (EU:C:2011:668, Rn. 48).