Language of document : ECLI:EU:C:2003:408

Conclusions

SCHLUSSANTRÄGE DER FRAU GENERALANWALT
CHRISTINE STIX-HACKL
vom 10. Juli 2003(1)



Rechtssache C-100/02



Gerolsteiner Brunnen GmbH & Co.

gegen

Putsch GmbH


(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [Deutschland])


„Richtlinie 89/104/EWG – Beschränkung der Wirkungen der Marke in Bezug auf geografische Herkunftsangaben – Markenmäßige Benutzung einer geografischen Herkunftsangabe – Einhaltung der ,anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel'“






I – Einleitende Bemerkungen

1.       Eine Marke gewährt ihrem Inhaber nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 89/104/EWG (2) (im Folgenden: Markenrichtlinie) ein ausschließliches Recht, welches ihm u. a. gestattet, Dritten die Benutzung eines Zeichens zu verbieten, das mit der Gefahr einer Verwechslung einhergeht. Allerdings geht dieses ausschließliche Recht nicht so weit, dass es einer Beschreibung u. a. der geografischen Herkunft des betreffenden Produktes entgegenstünde (3) .

2.       Fraglich ist, ob und unter welchen Voraussetzungen die Benutzung einer geografischen Herkunftsangabe möglich ist, wenn sie über die Beschreibung der Produktmerkmale hinaus zwecks Differenzierung des Produktes gegenüber Produkten anderer Unternehmen ─ und somit markenmäßig (4) ─ erfolgt.

3.       Das vorlegende Gericht möchte in diesem Zusammenhang wissen, ob die markenmäßige Benutzung einer geografischen Herkunftsangabe in den Anwendungsbereich des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie fällt und, bejahendenfalls, wie diese Benutzung im Rahmen dieser Vorschrift zu erfolgen hat.

II – Sachverhalt und Vorlagebeschluss

4.       Die Klägerin im Ausgangsverfahren, die Gerolsteiner Brunnen GmbH & Co. (im Folgenden: Klägerin), stellt Mineralwasser und Mineralbrunnen-Erfrischungsgetränke her und vertreibt diese in Deutschland.

5.       Sie ist Inhaberin der Wortmarke „GERRI“, eingetragen mit der Priorität vom 21. Dezember 1985 u. a. für Mineralwasser, Tafelwasser, alkoholfreie Getränke und Limonaden, sowie von verschiedenen Wort-/Bildmarken, die den Wortbestandteil „GERRI“ enthalten und die für Mineralwasser, alkoholfreie Getränke, Fruchtsaftgetränke und Limonaden eingetragen sind.

6.       Die Beklagte im Ausgangsverfahren, die Putsch GmbH (im Folgenden: Beklagte), vertreibt seit Mitte der neunziger Jahre in Deutschland Erfrischungsgetränke mit Etiketten, die die Worte „KERRY Spring“ enthalten. Das für die Herstellung dieser Erfrischungsgetränke verwendete Wasser stammt aus der Quelle des Ortes Ballyferriter, welcher in der irischen Grafschaft Kerry gelegen ist.

7.       Die Klägerin erhob gegen die Beklagte bei den deutschen Gerichten Klage wegen Verletzung ihrer Markenrechte. Sie nahm die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung sowie Feststellung der Schadenersatzverpflichtung in Anspruch. Die Klägerin brachte hiezu im Wesentlichen vor, sie vertreibe unter der Marke „GERRI“ Erfrischungsgetränke in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Aufgrund des Marktanteils der derart gekennzeichneten Brunnenlimonade sei nunmehr von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Marke „GERRI“ auszugehen.

8.       Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte ein, eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Bezeichnungen bestehe nicht, da sie „KERRY“ nicht allein stehend, sondern nur in einer Wort-/Bilddarstellung benutze und das Wort in den angegriffenen Kennzeichen keine prägende Bedeutung besitze. Sie benutze die Bezeichnung „KERRY Spring“ ausschließlich zur Beschreibung des Ursprungsorts des Mineralwassers.

9.       Den Klageanträgen wurde in erster Instanz im Wesentlichen entsprochen. Hingegen wurde die Klage im Berufungsverfahren abgewiesen. Daraufhin legte die Klägerin beim Bundesgerichtshof Revision ein.

10.     Zur Begründung seines Vorabentscheidungsersuchens führt das vorlegende Gericht aus, dass es eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr bejahe, da eine klangliche Zeichenähnlichkeit bei gleichzeitiger hoher Warenähnlichkeit vorliege.

11.     Für die Entscheidung des Rechtsstreits komme es daher auf die Anwendung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie an. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung sei nicht schon deshalb generell zu verneinen, weil die Benutzung der geografischen Herkunftsangabe durch die Beklagte auch markenmäßig erfolgt.

12.     Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie, der jede Benutzung im geschäftlichen Verkehr betrifft. In systematischer Hinsicht vertritt der Bundesgerichtshof die Auffassung, dass die Bestimmung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie als Schutzschranke gegenüber den Verbietungsrechten nach Artikel 5 der Markenrichtlinie anzusehen sei.

13.     Aufgrund des Urteils in der Rechtssache Windsurfing Chiemsee (5) hält der Bundesgerichtshof es jedoch für nicht sicher, ob Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie auf die markenmäßige Benutzung einer geografischen Herkunftsangabe anzuwenden sei.

14.     Es sei in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung, dass der Gerichtshof im Rahmen des notwendigen Ausgleichs zwischen den Verbietungsrechten des Artikels 5 der Markenrichtlinie und der Funktion des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie, einer Monopolisierung freihaltebedürftiger Angaben entgegenzuwirken, den Begriff der markenmäßigen Benutzung im Hinblick auf Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a der Markenrichtlinie weit ausgelegt habe (6) .

15.     Schließlich sei nach Ansicht des Bundesgerichtshofs der Umstand einer markenmäßigen Benutzung des Zeichens bei der nach Artikel 6 Absatz 1 letzter Halbsatz der Markenrichtlinie vorgesehenen Prüfung, ob die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht, zu berücksichtigen.

16.     Da der Erfolg der Revision von der Auslegung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie abhänge, hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 7. Februar 2002 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

a)
Ist Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie auch anwendbar, wenn ein Dritter die dort aufgeführten Angaben markenmäßig benutzt?

b)
Bejahendenfalls: Ist die markenmäßige Benutzung ein Umstand, der im Rahmen der nach Artikel 6 Absatz 1 letzter Halbsatz der Markenrichtlinie gebotenen Abwägung beim Merkmal der „anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel“ mit zu berücksichtigen ist?

III – Rechtlicher Rahmen

A – Gemeinschaftsrecht

17.     Artikel 5 der Markenrichtlinie lautet auszugsweise:

„Rechte aus der Marke

(1) Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

a) ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;

...

(3) Sind die Voraussetzungen des [Absatzes 1] erfüllt, so kann insbesondere verboten werden:

a) das Zeichen auf Waren oder deren Aufmachung anzubringen;

b) unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

c) Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;

d) das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen.“

18.     Artikel 6 Absatz 1 der Markenrichtlinie lautet:

„Die Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten,

...

b) Angaben über die Art, die Beschaffenheit, die Menge, die Bestimmung, den Wert, die geografische Herkunft oder die Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder über andere Merkmale der Ware oder Dienstleistungen,

...

im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht.“

B – Nationales Recht

19.     Artikel 6 der Markenrichtlinie wurde durch § 23 des Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen vom 25. Oktober 1994 (7) (im Folgenden: MarkenG) in das deutsche Recht umgesetzt.

20.     § 23 MarkenG bestimmt auszugsweise:

„Benutzung von Namen und beschreibenden Angaben; Ersatzteilgeschäft

Der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung hat nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr

...

2. ein mit der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen, wie insbesondere ihrer Art, ihrer Beschaffenheit, ihrer Bestimmung, ihren Wert, ihre geografische Herkunft oder die Zeit ihrer Herstellung oder ihrer Erbringung, zu benutzen,

...

sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt.“

IV – Rechtliche Würdigung

A – Zur ersten Vorlagefrage

1.     Wesentliche Vorbringen der Beteiligten

21.     Übereinstimmend mit dem Vorlagebeschluss haben sowohl die Beklagte als auch die Kommission in ihren schriftlichen Stellungnahmen im Wesentlichen die Ansicht vertreten, dass die markenmäßige Benutzung des strittigen Zeichens „KERRY Spring“ keinen Grund darstelle, der die Anwendung von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie generell ausschließe und stellen insoweit ein erhöhtes Bedürfnis nach einer freien Verwendbarkeit von Angaben über die Herkunft von Quellen- bzw. Mineralwasser an den Beginn ihrer rechtlichen Betrachtungen.

22.     Nach Auffassung der Beklagten stehe bereits der Zweck des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie einer markenmäßigen Benutzung der dort zitierten Angaben nicht zwingend entgegen. Zur Begründung verweist sie auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes (8) , wonach diese Bestimmung der Verwirklichung der freien Verwendbarkeit beschreibender Angaben diene und damit letztlich der Waren- und Dienstleistungsfreiheit im Gemeinsamen Markt.

23.     Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie sei vielmehr als Schutzschranke gegenüber den Verbotsrechten nach Artikel 5 der Markenrichtlinie und als notwendige Ergänzung zu der durch die Harmonisierung bewirkten Öffnung des Markenregisters konzipiert.

24.     Gegenteiliges sei auch dem Wortlaut des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie nicht zu entnehmen.

25.     Da die markenmäßige Benutzung eines Zeichens die Voraussetzung für das Vorliegen eines Verletzungstatbestands nach Artikel 5 der Markenrichtlinie darstelle, spreche schließlich auch die systematische Einordnung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie für dessen Anwendbarkeit, weil andernfalls dieser Bestimmung jeglicher Anwendungsbereich entzogen wäre.

26.     Die Kommission teilt im Wesentlichen die Ansichten der Beklagten und weist zudem auf die Vorarbeiten zur Markenrichtlinie hin. Ihrer Auffassung nach würde es dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers zuwiderlaufen, wenn die Bestimmung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie keine Anwendung fände, falls das strittige Zeichen markenmäßig benutzt werde.

27.     Die Klägerin, die griechische Regierung und das Vereinigte Königreich hingegen sind der Ansicht, dass Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie bei einer markenmäßigen Benutzung des strittigen Zeichens nicht zur Anwendung komme. Ihrer Ansicht nach sei dem Schutzzweck der Marke gegenüber dem Schutz des freien und unverfälschten Wettbewerbs der Vorrang einzuräumen.

28.     Nach Auffassung der Klägerin spreche bereits der Umstand, dass Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie sich nur auf die Art ─ aber nicht auf den Zweck ─ der Angabe beziehe, für ein Verständnis, das lediglich die rein beschreibende Benutzung erfasst. Diese Auffassung werde zusätzlich durch die systematische Einordnung des Artikels 6 im Verhältnis zu den Artikeln 7 und 9 der Markenrichtlinie ─ und ihrem abweichenden Wortlaut ─ untermauert.

29.     In systematischer Hinsicht erklärt die Klägerin, dass die Bestimmung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie nicht als Schranke des Verbotsrechts nach Artikel 5 der Markenrichtlinie angesehen werden könne, sondern ein eigenständiges, vom Verbotsrecht des Artikels 5 der Markenrichtlinie gänzlich unabhängiges, Benutzungsrecht gewähre.

30.     Die Auffassung der Beklagten sei auch vor dem Hintergrund des Urteils in den verbunden Rechtssachen Windsurfing Chiemsee (9) unhaltbar. In diesem Urteil habe der Gerichtshof nämlich die Auffassung vertreten, dass ein Dritter eine Marke, die ganz oder zum Teil aus einer geografischen Bezeichnung bestehe, nur beschreibend, nicht aber als Marke verwenden dürfe.

31.     Das Vereinigte Königreich und die griechische Regierung teilen im Wesentlichen die Ansichten der Klägerin.

32.     Das Vereinigte Königreich weist im Falle einer Anwendbarkeit des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie bei markenmäßiger Benutzung des strittigen Zeichens zudem auf die Widersprüchlichkeit der Vorschriften betreffend die Eintragung von Marken einerseits und betreffend die Markenverstöße andererseits hin. Dem Inhaber einer Marke würde so zwar das Recht zustehen, die Eintragung, nicht jedoch die Benutzung des Zeichens zu verhindern.

2.     Rechtliche Würdigung

33.     Soferne man im Ausgangsverfahren mit dem vorlegenden Gericht von einer Verwechslungsgefahr mit den eingetragenen Marken ausgeht, ist der Benutzer der streitigen Zeichen als unterlassungspflichtig gegenüber dem Markeninhaber entsprechend Artikel 5 der Markenrichtlinie anzusehen.

34.     Diese Bestimmung definiert die Rechte aus der Marke, während Artikel 6 der Markenrichtlinie Vorschriften über die Beschränkung der Wirkungen der Marke enthält. Nach der letztgenannten Bestimmung kann der Markeninhaber einem Dritten insbesondere nicht die Benutzung von Angaben über die geografische Herkunft verbieten. Fraglich ist, ob diese Regel auch dann gilt, wenn die Benutzung nicht oder nicht nur der Beschreibung der Ware oder Dienstleistung dient, sondern auch der Differenzierung gegenüber Waren oder Dienstleistungen von Konkurrenten.

3.     Zum Wortlaut und zur Entstehungsgeschichte des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie

35.     Vorauszuschicken ist, dass Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie nach seinem Wortlaut nicht zwischen den möglichen Benutzungsarten eines Zeichens unterscheidet. Diese Bestimmung bezieht sich ihrem Wortlaut nach auf „Angaben“ über die geografische Herkunft, ohne auf deren allfällig rein beschreibenden Charakter abzustellen.

36.     In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Richtlinie den Tatbestand einer „markenmäßigen Benutzung“ eines Zeichens nicht kennt. Die Anwendbarkeit des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b von der Gebrauchsart eines Zeichens ─ namentlich unter Abgrenzung einer beschreibenden von einer markenmäßigen Benutzung ─ abhängig zu machen, läuft darauf hinaus, diese Anwendbarkeit von einem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal abhängig zu machen.

37.     Im Hinblick auf den Wortlaut der fraglichen Bestimmung vermag es auch nicht zu überzeugen, die generelle Unanwendbarkeit des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie bei markenmäßiger Benutzung eines Zeichens aus der Verwendung des Begriffes „Angaben“ herzuleiten. Es dürfte kaum zu bestreiten sein, dass auch eingetragene Marken Angaben über die geografische Herkunft einer Ware oder Dienstleistung enthalten können, sodass der Begriff „Angaben“ keinen Schluss auf die Benutzungsart zulässt.

38.     Hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber eine Unterscheidung zwischen den Benutzungsarten eines Zeichens machen wollen, so wäre es nur folgerichtig gewesen, ein entsprechendes Tatbestandsmerkmal im Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie vorzusehen. Gerade dies ist aber nicht erfolgt, sodass bereits der Wortlaut der fraglichen Bestimmung kaum Raum für eine entsprechende Differenzierung lassen dürfte.

39.     Dem Wortlaut des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b ist lediglich zu entnehmen, dass ein Zeichen nur dann in seinen Anwendungsbereich fällt, wenn es eine Angabe über eines der dort genannten Merkmale, wie zum Beispiel die geografische Herkunft, enthält.

40.     Auch die Entstehungsgeschichte des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie spricht für die Anwendung dieser Bestimmung ohne Rücksicht auf die Benutzungsart des in Rede stehenden Zeichens. Zwar sah der Erste Richtlinienvorschlag (10) vor, dass die Bestimmung über die Beschränkung des ausschließlichen Benutzungsrechtes des Markeninhabers nur dann anwendbar sein sollte, wenn die beschreibende Angabe nicht markenmäßig verwendet wird, doch wurde ─ offenbar zur Erhöhung der Textklarheit ─ im geänderten Richtlinienvorschlag diese Bestimmung tatsächlich durch die Formulierung „sofern die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht“ ersetzt (11) . Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat mithin bewusst auf eine Unterscheidung je nach Benutzungsart verzichtet.

41.     Schließlich ist anzumerken, dass der Verweis der Klägerin und der griechischen Regierung auf das griechische, italienische und spanische Markenrecht zwar deutlich macht, dass in diesen Mitgliedstaaten die Benutzung des Zeichens nicht markenmäßig, sondern nur in beschreibender Funktion erfolgen darf, um den fraglichen Tatbestand des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie zu erfüllen. Die Art und Weise, wie die Markenrichtlinie in das interne Recht der Mitgliedstaaten transformiert worden ist, lässt jedoch keinen zwingenden Schluss darüber zu, wie die Markenrichtlinie gemeinschaftsrechtlich auszulegen ist.

4.     Zur systematischen Einordnung

42.     Für eine Auslegung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie als eine Bestimmung, die auch die markenmäßige Benutzung eines Zeichens umfasst, sprechen auch systematische Gründe.

5.     Zum Verhältnis zwischen Artikel 5 und Artikel 6 der Markenrichtlinie

43.     Während Artikel 5 die Ausschließlichkeitsrechte des Markeninhabers festlegt, enthält Artikel 6 Schranken dieser Rechte (12) . Wenn aber insbesondere Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie eine Schranke der Ausschließlichkeitsrechte nach Artikel 5 enthält, setzt sein Regelungsgehalt denklogisch voraus, dass die fragliche Benutzung auch von Artikel 5 erfasst wird. Sowohl die Kommission als auch die Beklagte heben zu Recht hervor, dass ein Rückgriff auf Artikel 6 gegenstandslos wäre, wenn die fragliche Benutzung ohnehin nicht unter Artikel 5 fiele.

44.     Der Gerichtshof hatte in jüngster Zeit wiederholt die Gelegenheit, sich zum Schutzumfang des Artikels 5 der Markenrichtlinie zu äußern. Er hat ihn dahin gehend ausgelegt, dass eine Berufung auf das darin geschützte Ausschließlichkeitsrecht eine Handlung voraussetzt, welche die durch diese Bestimmung geschützten Interessen berührt (13) . Im Urteil Arsenal (14) hat der Gerichtshof diese Ansicht bekräftigt und festgestellt, dass „[d]er Inhaber … die Benutzung eines mit der Marke identischen Zeichens für Waren, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, nicht verbieten [kann], wenn diese Benutzung im Hinblick auf die Funktionen der Marke seine Interessen als Markeninhaber nicht beeinträchtigen kann“ (15) , wobei der Gerichtshof unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung (16) die Hauptfunktion der Marke dahin gehend definierte, „… dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden“ (17) (so genannte Herkunftsgarantie).

45.     Ohne dass es hier einer Definition der markenmäßigen Benutzung eines Zeichens bedarf (18) , wird aus dieser Rechtsprechung klar, dass die Zulässigkeit der Benutzung eines Zeichens zu anderen Zwecken, als um die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden, aufgrund des Umstands, dass bereits eine solche Benutzung nicht in den Schutzbereich des Artikels 5 fällt, nicht aus Artikel 6 der Markenrichtlinie folgen kann.

46.     Insgesamt schließe ich daraus, dass es für die Anwendbarkeit des Artikels 6 nicht darauf ankommen kann, ob ein Zeichen markenmäßig benutzt wird oder nicht.

6.     Zu den Vorschriften über die Markeneintragung

47.     Im Zusammenhang mit der vom Vereinigten Königreich eingewendeten Widersprüchlichkeit zwischen den Vorschriften betreffend die Markeneintragung einerseits, und denjenigen betreffend die Beschränkung der Wirkungen der Marke andererseits, ist festzuhalten, dass Angaben über die geografische Herkunft unter bestimmten Voraussetzungen sehr wohl als Marke geschützt werden können.

48.     So sieht Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c der Markenrichtlinie zwar vor, dass solche Marken von der Eintragung grundsätzlich ausgeschlossen sind, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft dienen können. Von diesem Verbotstatbestand gibt es jedoch zwei Ausnahmen. So entfällt das Eintragungsverbot, wenn die Marke vor der Anmeldung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, oder wenn ein Verband besteht, der die Herkunftsangabe als Kollektivmarke eingetragen hat. Sind diese Ausnahmen vom Verbot der Eintragung einer geografischen Herkunftsangabe nicht gegeben, so gibt es darüber hinaus die Möglichkeit eine Wort-/Bildmarke zu beantragen. Damit wird die Botschaft der geografischen Herkunft auf dem Etikett oder in der Werbung transportiert, auch wenn die Herkunftsangabe selbst nicht dem Schutz der Marke unterliegt. Vor diesem Hintergrund erscheint es entgegen der Ansicht der britischen Regierung nicht widersprüchlich, dass unter den gegebenen Voraussetzungen die Eintragung zu verhindern wäre, nicht aber die schlichte Benutzung der geografischen Herkunftsangabe.

7.     Zu Sinn und Zweck des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie

49.     Artikel 6 der Markenrichtlinie dient vor allem dazu, im Gemeinsamen Markt die grundsätzlichen Interessen des Markenschutzes einerseits und des freien Warenverkehrs sowie der Dienstleistungsfreiheit andererseits in der Weise in Einklang zu bringen, dass das Markenrecht seine Rolle als wesentlicher Teil eines Systems unverfälschten Wettbewerbs spielen kann (19) . Der Rechtsprechung des Gerichtshofes zufolge stellt Artikel 6 der Markenrichtlinie zweifelsohne eine Schranke der Rechte des Markeninhabers dar, die die Grenzen der Befugnisse des Markeninhabers festlegt. Artikel 6 der Markenrichtlinie steht demnach als eine Art Regulativ in enger Beziehung zu den ausschließlichen Rechten nach Artikel 5 der Markenrichtlinie.

50.     Die Rechtsprechung des Gerichtshofes ist dahin gehend zu verstehen, dass die Hauptfunktion der Marke in ihrer Herkunftsgarantie zu sehen ist (20) . Damit die Marke ihre Aufgabe im Rahmen des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs erfüllen kann, muss sie die Gewähr bieten, dass alle Waren oder Dienstleistungen, die sie kennzeichnet, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder erbracht worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (21) .

51.     Diese vom Gerichtshof in den Vordergrund gestellte Funktion der Marke wird meiner Auffassung nach nicht untergraben, wenn man Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie auch bei markenmäßiger Benutzung eines Zeichens generell für anwendbar erklärt.

52.     Artikel 6 der Markenrichtlinie ist nämlich im Lichte seines Vorbehaltes zu sehen, wonach die Möglichkeit der Benutzung einer Angabe u. a. über die geografische Herkunft unter dem Vorbehalt der „anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel“ steht. Die Anwendbarkeit des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b steht daher einer Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Interessen der Parteien im Einzelfall nicht entgegen, sodass die Schutzfunktion der Marke hiedurch nicht gefährdet erscheint.

53.     Entgegen der Ansicht der britischen Regierung stehen Überlegungen betreffend die Rechtssicherheit der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen. Zwar erfordert Artikel 6 Absatz 1 der Markenrichtlinie eine Abwägung zwischen den Interessen des Markeninhabers einerseits und des Dritten andererseits in jedem konkreten Fall; doch es ist gerade diese Abwägung, die einen angemessenen ─ gemeinschaftsrechtlich gebotenen (22) ─ Interessenausgleich erlaubt. Weiters ist zu bemerken, dass die gegenteilige Ansicht erhebliche Rechtsunsicherheit entstehen ließe, da sie die markenmäßige Benutzung anhand von unbestimmten Kriterien prüft.

54.     Schließlich ist auf das Urteil Windsurfing Chiemsee (23) einzugehen, welches nach Ansicht der Klägerin und des Vereinigten Königreichs gegen die Anwendbarkeit des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie bei markenmäßiger Benutzung eines Zeichens sprechen soll.

55.     Der Gerichtshof stellte in diesem Urteil zu Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie fest, dass, wenn eine Marke, die ganz oder zum überwiegenden Teil aus einer geografischen Bezeichnung besteht, eingetragen worden ist, einem Dritten durch diese Bestimmung nicht so das Recht eingeräumt wird, „eine solche Bezeichnung als Marke zu verwenden, sondern nur das Recht, die Bezeichnung beschreibend, d. h. als Angabe über die geografische Herkunft, zu benutzen“ (unsere Hervorhebung). Was zunächst den Anschein erwecken könnte, die Lösung für den gegenständlichen Rechtsstreit zu beinhalten, erweist sich jedoch bei näherer Betrachtung als nicht zielführend.

56.     Hervorzuheben ist, dass in den verbundenen Rechtssachen Windsurfing Chiemsee die Klägerin Inhaberin einer Marke war, die ganz bzw. zum überwiegenden Teil aus einer geografischen Herkunftsbezeichnung besteht, während im Ausgangsrechtsstreit die Marken der Klägerin Phantasienamen darstellen bzw. enthalten. Weiters hatte der Gerichtshof in den Rechtssachen Windsurfing Chiemsee über die Frage zu befinden, unter welchen Voraussetzungen Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c der Markenrichtlinie der Eintragung einer Marke entgegensteht, die ausschließlich aus einer geografischen Bezeichnung besteht.

57.     Bereits aufgrund dieser unterschiedlichen Ausgangslage ist eine Übertragung der obzitierten Urteilsstelle auf die vorliegende Rechtssache kaum möglich. Ich zögere deshalb, der zitierten Feststellung des Gerichtshofes Allgemeingültigkeit zukommen zu lassen (24) .

58.     Angesichts meiner bisherigen Überlegungen komme ich daher zu dem Schluss, dass die markenmäßige Benutzung eines Zeichens keinen Rechtsgrund darstellt, der einer Anwendbarkeit von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie grundsätzlich entgegensteht.

B – Zur zweiten Vorlagefrage

1. Wesentliche Vorbringen der Beteiligten

59.     Die Klägerin vertritt die Auffassung, eine markenmäßige Benutzung einer geografischen Herkunftsangabe widerspreche regelmäßig den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel.

60.     Nach Auffassung der Beklagten sprechen sowohl systematische Gründe, als auch der Wortlaut von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie gegen eine Berücksichtigung der markenmäßigen Benutzung einer geografischen Herkunftsangabe bei der Prüfung der Voraussetzungen der anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel.

61.     Die Beklagte, wie auch die Kommission, betont, dass eine markenmäßige Benutzung jedenfalls nicht das einzige Kriterium, sondern nur eines von mehreren Kriterien sei, die bei der Beurteilung der Voraussetzungen des Artikels 6 der Markenrichtlinie zu berücksichtigen seien.

62.     Nach Ansicht der Kommission sei bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der „anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel“ auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Sie verweist hiefür in ihrer schriftlichen Stellungnahme auf die Besonderheiten des hier relevanten Mineralwassermarktes.

2. Rechtliche Würdigung

63.     Dass im Zusammenhang mit der Anwendung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie nicht jede markenmäßige Benutzung gestattet sein kann, ergibt sich bereits aus dem Vorbehalt der „Benutzung entsprechend den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel“. In seinem Urteil BMW (25) definiert der Gerichtshof dieses Tatbestandsmerkmal als eine Pflicht, den berechtigten Interessen der Markeninhaber nicht in unlauterer Weise zuwiderzuhandeln.

64.     Ob die Art und Weise der Benutzung eines Zeichens den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht, hängt von zwei Elementen ab, nämlich den eingetragenen Marken, in Bezug auf welche eine Verwechslungsgefahr angenommen wird, und der Art und Weise der Benutzung des Zeichens selbst. So gesehen ist daher die markenmäßige Benutzung bei der Würdigung des Tatbestandsmerkmals „anständige Gepflogenheiten“ mit zu berücksichtigen.

65.     In diesem Zusammenhang ist im Einzelnen auf die konkreten Umstände und die beiderseitigen Interessenslagen der Beteiligten abzustellen. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann auf diese Einzelfallprüfung aufgrund einer allfälligen Verletzungsvermutung wegen markenmäßiger Benutzung eines Zeichens nicht verzichtet werden. Es wäre nämlich wenig konsequent, die markenmäßige Benutzung des Zeichens zunächst unter Artikel 6 der Markenrichtlinie zu subsumieren, um in der Folge auf die erforderliche Einzelfallprüfung zu verzichten und die Anwendung des Artikels 6 systematisch wieder auszuschließen.

66.     Einzugehen ist nun auf die Umstände, die das Ergebnis der genannten Einzelfallprüfung beider Elemente beeinflussen können.

67.     Hinsichtlich der eingetragenen Marken ist festzuhalten, dass die Gewichtung der Interessen des Markeninhabers maßgeblich von der Unterscheidungskraft dieser Marken und ihrer Wertschätzung abhängt, wie die Kommission zu Recht hervorgehoben hat (26) . So erscheint die Schutzwürdigkeit des Markeninhabers geringer, wenn dieser sich die Verwechslungsgefahr zumindest teilweise zurechnen lassen müsste, etwa dann, wenn die eingetragene Marke aus beschreibenden Angaben besteht, die erst durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt haben. Auch die Wertschätzung der Marke ist von Bedeutung: je größer diese ist, desto wahrscheinlicher erscheint eine Beeinträchtigung des Rufes der betreffenden Waren oder Dienstleistungen sowie des Wertes der Marke durch Benutzung einer Angabe, die nicht nur der Beschreibung der Produktmerkmale dient (27) .

68.     Damit komme ich zum zweiten Element, nämlich der Art und Weise der Angabenbenutzung durch den Dritten, welche im Mittelpunkt der zweiten Vorlagefrage steht. Es besteht kein Zweifel darüber, dass eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit durch Verwendung eines aufgrund seiner Ähnlichkeit mit einer Marke irreführenden Zeichens als Angabe über ein Produktmerkmal nicht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entsprechen würde. Wie die Kommission zu Recht hervorhebt, kommt nämlich der Wahrnehmung des benutzten Zeichens in der Öffentlichkeit eine wichtige Rolle zu.

69.     Damit wird zugleich deutlich, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Art und Weise der Angabenbenutzung und dem Zweck derselben besteht, und zwar insoweit, als die Art und Weise der Benutzung zugleich einen Hinweis auf den Benutzungszweck enthält. So auch im Ausgangsfall: Der Verdacht einer Benutzung der Quellenangabe für die Zuordnung der fraglichen Mineralwasserprodukte zu einem bestimmten Unternehmen ─ und nicht nur als Angabe der geografischen Herkunft des verwendeten Mineralwassers ─ entsteht hier u. a. aufgrund der Hervorhebung sowie der sonstigen Ausgestaltung der fraglichen Angabe. Die Art und Weise der Benutzung der Angabe über die geografische Herkunft des Wassers lässt damit offenbar den Verdacht entstehen, dass diese Benutzung nicht nur beschreibenden Charakter hat, sondern, wie das Vorlagegericht formuliert, „markenmäßigen“.

70.     Aufgrund dieses engen Zusammenhangs zwischen der Art und Weise der Angabenbenutzung und dem Zweck dieser Benutzung ist im Rahmen der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls sehr wohl die Art und Weise der Angabenbenutzung zu berücksichtigen, und zwar insbesondere, insoferne sie eine Benutzung zu Kennzeichnungszwecken, unter Verzicht auf Eintragung einer Marke im jeweiligen Mitgliedstaat, nahe legt.

71.     In Bezug auf Mineralwasserprodukte ist ergänzend anzumerken, dass der schlichte Gebrauch des Quellennamens jedenfalls keinen Schluss über den Zweck dieser Angabe zulässt. Die Artikel 7 und 8 der Richtlinie 80/777/EWG des Rates (28) sehen vor, dass die geografische Herkunft eines Mineralwassers ─ sei es die Quelle oder der so genannte Ort der Nutzung ─ in unmissverständlicher Weise, d. h. auch in deutlicher Schrift, angegeben wird (29) . Ein Grund hiefür liegt wohl in der Bedeutung von Mineralwasser für die Gesundheit des Verbrauchers. Deshalb ist es nämlich auch untersagt, das in einer bestimmten Quelle gewonnene Wasser zu verändern und seine ernährungsphysiologischen Wirkungen künstlich zu schaffen oder zu verstärken. Der Verbraucher verbindet mit dem Hinweis auf die Herkunft der Ware oder Dienstleistung die Vorstellung bestimmter Eigenschaften des Produkts und die Garantie einer bestimmten Qualität. Vor allem bei Mineralwasser ist es so, dass es seine jeweils spezifische Eigenschaft der Gegend verdankt, aus der es tatsächlich stammt. Der wirtschaftliche Wert von Mineralwasser besteht deshalb vorwiegend aus dieser besonderen Verbindung zwischen dem Hinweis auf eine bestimmte Herkunft und der Erwartung einer bestimmten Qualität durch den Verbraucher.

72.     Aus alledem ergibt sich, dass im Rahmen der nach Artikel 6 Absatz 1 letzter Halbsatz der Markenrichtlinie gebotenen Abwägung beim Merkmal der „anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel“ die Art und Weise der Benutzung einer ─ in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b aufgeführten ─ Angabe zu berücksichtigen ist. Dazu gehört beispielsweise der Grad der Ähnlichkeit der Angabe mit der eingetragenen Marke, die Intensität der Hervorhebung der Angabe, auch soweit diese über eine allfällig vorgesehene gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung hinausgeht, und die Wahrnehmung der benutzten Angabe in der Öffentlichkeit als Marke.

V – Ergebnis

73.     Nach alledem wird dem Gerichtshof vorgeschlagen, wie folgt auf die Vorlagefragen des Bundesgerichtshofs zu antworten:

1. Für die Anwendbarkeit von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/104/EWG kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob ein Dritter die dort aufgeführten Angaben markenmäßig benutzt oder nicht.

2. Im Rahmen der nach Artikel 6 Absatz 1 letzter Halbsatz der Richtlinie 89/104/EWG gebotenen Abwägung beim Merkmal der „anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel“ ist die Art und Weise der Benutzung einer solchen Angabe zu berücksichtigen. Dazu gehört beispielsweise

der Grad der Ähnlichkeit der Angabe mit der eingetragenen Marke,

die Intensität der Hervorhebung der Angabe, auch soweit diese über eine allfällig vorgesehene gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung hinausgeht, und

die Wahrnehmung der benutzten Angabe in der Öffentlichkeit als Marke.


1
Originalsprache: Deutsch.


2
Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 40 vom 11. Februar 1989, S. 1).


3
Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie.


4
Die Benutzung eines Zeichens als Marke definierte der Gerichtshof in seinem Urteil vom 23. Februar 1999 in der Rechtssache C-63/97 (BMW, Slg. 1999, I-905, Randnr. 38) als Benutzung „zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen als solchen eines bestimmten Unternehmens“.


5
Urteil vom 4. Mai 1999 in den verbundenen Rechtssachen C-108/97 und C-109/97 (Windsurfing Chiemsee, Slg. 1999, I-2779, Randnr. 28).


6
Der Bundesgerichtshof verweist hier auf das BMW-Urteil des Gerichtshofes (zitiert in Fußnote 4), Randnr. 42.


7
BGBl. I 1994, S. 3082 (1995, S. 156).


8
Urteil in der Rechtssache BMW (zitiert in Fußnote 4), Randnr. 62.


9
Zitiert in Fußnote 5, Randnr. 28.


10
Bull. EG, Beilage 5/80.


11
KOM(85) 793 endg.; ABl. C 351 vom 31. Dezember 1985, S. 4.


12
An dieser Stelle kann dahinstehen, ob es sich hiebei um Ausnahmen zu den Rechten nach Artikel 5 der Markenrichtlinie oder um systemimmanente Schranken handelt. Abweichend von der Auffassung der Klägerin ist ebenfalls unerheblich, ob Artikel 6 der Markenrichtlinie ein „eigenständiges Benutzungsrecht“ schafft, da ein solches Recht sich logisch nur auf eine grundsätzlich verbotene Benutzung beziehen kann, wobei wir uns wieder bei der Schrankenproblematik befinden.


13
Siehe etwa das Urteil vom 14. Mai 2002 in der Rechtssache C-2/00 (Hölterhoff, Slg. 2002, I-4187, Randnr. 16). In dieser Rechtssache ging es um die symmetrische Frage, ob die kennzeichenmäßige Benutzung eines Zeichens unter Artikel 5 zu subsumieren sei.


14
Urteil vom 12. November 2002 in der Rechtssache C-206/01 (Arsenal Football Club, Slg. 2002, I-10273).


15
A. a. O., Randnr. 54.


16
Vgl. u. a. die Urteile vom 23. Mai 1978 in der Rechtssache 102/77 (Hoffmann-La Roche, Slg. 1978, 1139, Randnr. 7) und vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C-299/99 (Philips, Slg. 2002, I-5475, Randnr. 30).


17
A. a. O., Randnr. 48.


18
Der Gerichtshof hat es in Randnr. 17 des Urteils Hölterhoff (zitiert in Fußnote 13) ausdrücklich abgelehnt, eine solche Definition zu geben.


19
Urteil in der Rechtssache C-63/97 (zitiert in Fußnote 4), Randnr. 62.


20
Siehe oben, Nr. 44.


21
Vgl. u. a. die Urteile in der Rechtssache 102/77 (zitiert in Fußnote 16), Randnr. 7, in der Rechtssache C-299/99 (zitiert in Fußnote 16), Randnr. 30, und in der Rechtssache C-206/01 (zitiert in Fußnote 14), Randnr. 48.


22
Die Markenrichtlinie entstand bekanntlich aus dem Spannungsverhältnis zwischen Grundfreiheiten und Schutz des geistigen Eigentums.


23
Zitiert in Fußnote 5 (Randnr. 28).


24
In diesem Sinne auch Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen vom 5. April 2001 in der Rechtssache C-383/99 P (Procter & Gamble, Urteil vom 20. September 2001, Slg. 2001, I-6251).


25
Zitiert in Fußnote 4 (Randnr. 61).


26
Siehe bereits das Urteil in der Rechtssache C-63/97 (zitiert in Fußnote 4), Randnr. 40.


27
Siehe etwa die Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Artikel 7 Absatz 2 der Markenrichtlinie, insbesondere das Urteil in der Rechtssache C-63/97 (zitiert in Fußnote 4), Randnrn. 51 ff.


28
… vom 15. Juli 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Gewinnung von und den Handel mit natürlichen Mineralwässern (ABl. L 229, S. 1).


29
Darüber hinaus kann eine solche Bezeichnung auch eine geschützte Ursprungsbezeichnung bzw. eine geschützte geografische Angabe nach der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. L 208, S. 1) darstellen.