Language of document : ECLI:EU:C:2021:16

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 14. Januar 2021(1)

Verbundene Rechtssachen C551/19 P und C552/19 P

ABLV Bank AS (C551/19 P)

Ernests Bernis,

Oļegs Fiļs,

OF Holding SIA,

Cassandra Holding Company SIA (C552/19 P)

gegen

Europäische Zentralbank (EZB)

„Rechtsmittel – Bankenunion – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) – Verordnung (EU) Nr. 806/2014 – Abwicklungsverfahren, das auf den Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall eines Unternehmens anzuwenden ist – Mutter- und Tochtergesellschaft – Erklärung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls durch die EZB – Vorbereitende Handlungen – Nicht anfechtbare Handlungen – Unzulässigkeit“






1.        Am 23. Februar 2018 erklärte die Europäische Zentralbank (im Folgenden: EZB), der die Aufsicht über die ABLV Bank AS (im Folgenden: ABLV Bank) als „bedeutendem“ Finanzinstitut oblag, dass diese und die ABLV Luxembourg SA (im Folgenden: ABLV Luxembourg) im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 „ausfallen oder wahrscheinlich ausfallen“ würden(2).

2.        Die ABLV Bank und einige ihrer unmittelbaren und mittelbaren Anteilseigner klagten gegen diese Erklärung der EZB beim Gericht, das mit zwei Beschlüssen(3) in den Rechtssachen T‑281/18(4) und T‑283/18(5) ihre Nichtigkeitsklagen als unzulässig abwies.

3.        Die Klägerinnen des Verfahrens beim Gericht haben beide Beschlüsse mit Rechtsmitteln angefochten.

4.        Die Entscheidung über diese Rechtsmittel bietet dem Gerichtshof Gelegenheit, sich, wenn ich nicht irre, zum ersten Mal zum Verfahren der Annahme von „Abwicklungsplänen“ für dem Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (im Folgenden: SSM) unterliegende Finanzinstitute zu äußern, für deren Durchführung der Einheitliche Abwicklungsausschuss (im Folgenden: SRB) im Rahmen des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM) zuständig ist.

5.        In einer Phase dieses Verfahrens ist die Beteiligung der EZB vorgesehen, die den „Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall“ eines Kreditinstituts zu bewerten hat.

6.        Der Streit betrifft im Wesentlichen die Frage, ob gegen diese Bewertung der EZB Nichtigkeitsklage erhoben werden kann. Die widerstreitenden Standpunkte vertreten folgende gegensätzlichen Thesen:

–        Es handle sich um eine inhaltlich eigenständige, (rechts‑)verbindliche Handlung, die, da sie Rechtswirkungen erzeuge, auch mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden könne (so die These der Rechtsmittelführer).

–        Da es sich im Verhältnis zur verfahrensabschließenden Entscheidung, für die der SRB zuständig sei, um eine vorbereitende Handlung handle, sei gegen sie kein Rechtsmittel statthaft. Ein solches könne beim Gericht nur gegen die vom SRB getroffene Entscheidung eingelegt werden (so die These der EZB, der auch die Europäische Kommission gefolgt ist).

I.      Rechtlicher Rahmen: SRM-Verordnung

7.        In den Erwägungsgründen 24 und 26 heißt es:

„(24)      Da nur Organe der Union die Abwicklungspolitik der Union festlegen dürfen und da bei der Festlegung jedes spezifischen Abwicklungskonzepts ein Ermessensspielraum verbleibt, ist es notwendig, für die angemessene Einbeziehung des Rates und der Kommission als Organe zu sorgen, die gemäß Artikel 291 AEUV Durchführungsbefugnisse ausüben dürfen. Die Bewertung der Aspekte von durch den Ausschuss gefassten Abwicklungsbeschlüssen, bei denen ein Ermessensspielraum besteht, sollte durch die Kommission erfolgen. Wegen der beträchtlichen Auswirkungen der Abwicklungsbeschlüsse auf die finanzielle Stabilität der Mitgliedstaaten und der Union als solche sowie auf die Haushaltshoheit der Mitgliedstaaten … ist es wichtig, dass dem Rat Durchführungsbefugnisse zum Erlass bestimmter Beschlüsse im Zusammenhang mit der Abwicklung übertragen werden. Deshalb sollte es dem Rat obliegen, auf Vorschlag der Kommission eine wirksame Kontrolle über die durch den Ausschuss vorgenommene Bewertung der Frage auszuüben, ob ein öffentliches Interesse besteht, und etwaige erhebliche Änderungen an dem Betrag aus dem [Einheitlichen Abwicklungs‑]Fonds zu bewerten, der im Rahmen einer konkreten Abwicklungsmaßnahme in Anspruch genommen werden soll. Darüber hinaus sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um weitere Kriterien und Bedingungen festzulegen, die vom Ausschuss bei der Ausübung seiner verschiedenen Befugnisse zu berücksichtigen sind. Diese Übertragung von Abwicklungsaufgaben sollte in keiner Weise das Funktionieren des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen behindern. Die EBA [Europäische Bankenaufsichtsbehörde] sollte deshalb ihre Rolle behalten und weiterhin ihre bestehenden Befugnisse und Aufgaben wahrnehmen. Sie sollte die kohärente Anwendung der für alle Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften der Union weiterentwickeln und einen Beitrag dazu leisten sowie für eine stärkere Konvergenz der Abwicklungsverfahren in der Union als Ganzes sorgen.

(26)      Die EZB in ihrer Rolle als Aufsichtsbehörde innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus und der Ausschuss sollten in der Lage sein zu bewerten, ob ein Kreditinstitut ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt und ob nach vernünftigem Ermessen keine Aussicht besteht, dass der Ausfall des Instituts innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens durch alternative Maßnahmen des privaten Sektors oder der Aufsichtsbehörden abgewendet werden kann. Wenn der Ausschuss der Auffassung ist, dass alle Kriterien im Zusammenhang mit der Einleitung von Abwicklungen erfüllt sind, sollte er das Abwicklungskonzept festlegen. Das Verfahren im Zusammenhang mit der Festlegung des Abwicklungskonzepts, an dem die Kommission und der Rat beteiligt sind, stärkt die notwendige operative Unabhängigkeit des Ausschusses, ohne den Grundsatz der Übertragung von Befugnissen auf Einrichtungen entsprechend der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: ‚Gerichtshof‘) anzutasten. Deshalb ist in dieser Verordnung vorgesehen, dass das vom Ausschuss angenommene Abwicklungskonzept nur in Kraft tritt, wenn innerhalb einer Frist von 24 Stunden nach Annahme des Konzepts durch den Ausschuss weder der Rat noch die Kommission Einwände erhoben haben oder wenn das Abwicklungskonzept durch die Kommission gebilligt wurde. Die Gründe, die es dem Rat gestatten, auf Vorschlag der Kommission Einwände gegen das Abwicklungskonzept des Ausschusses zu erheben, sollten strikt auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses und auf erhebliche Änderungen des Betrags der Inanspruchnahme des [Einheitlichen Abwicklungs‑]Fonds, wie er vom Ausschuss vorgeschlagen wurde, durch die Kommission beschränkt sein.

…“

8.        Art. 18 („Abwicklungsverfahren“) sieht vor:

„(1)      Der Ausschuss legt nur dann ein Abwicklungskonzept gemäß Absatz 6 in Bezug auf Unternehmen und Gruppen nach Artikel 7 Absatz 2 und auf Unternehmen und Gruppen nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b und Absatz 5, sofern die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Absätze erfüllt sind, fest, wenn er in seiner Präsidiumssitzung bei Erhalt einer Mitteilung gemäß Unterabsatz 4 oder von sich aus zu der Einschätzung gelangt, dass folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a)      Das Unternehmen fällt aus oder fällt wahrscheinlich aus.

b)      Bei Berücksichtigung zeitlicher Zwänge und anderer relevanter Umstände besteht nach vernünftigem Ermessen keine Aussicht, dass der Ausfall des Unternehmens innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens durch alternative Maßnahmen des privaten Sektors, einschließlich Maßnahmen durch ein institutsbezogenes Sicherungssystem, oder Maßnahmen der Aufsichtsbehörden (einschließlich Frühinterventionsmaßnahmen oder Herabschreibung oder Umwandlung von relevanten Kapitalinstrumenten gemäß Artikel 21), die in Bezug auf das Unternehmen getroffen werden, abgewendet werden kann.

c)      Eine Abwicklungsmaßnahme ist gemäß Absatz 5 im öffentlichen Interesse erforderlich.

Eine Bewertung der Voraussetzung nach Unterabsatz 1 Buchstabe a erfolgt durch die EZB nach Anhörung des Ausschusses. Der Ausschuss darf in seiner Präsidiumssitzung eine solche Bewertung erst nach Unterrichtung der EZB über seine Absicht und nur dann vornehmen, wenn die EZB innerhalb von drei Kalendertagen nach Eingang der Unterrichtung die genannte Bewertung nicht vornimmt. Die EZB stellt dem Ausschuss unverzüglich alle einschlägigen Informationen zur Verfügung, die er als Grundlage für seine Bewertung anfordert.

Gelangt die EZB zu der Einschätzung, dass die in Unterabsatz 1 Buchstabe a genannte Voraussetzung in Bezug auf ein Institut oder eine Gruppe im Sinne des Unterabsatzes 1 erfüllt ist, teilt sie diese Einschätzung umgehend der Kommission und dem Ausschuss mit.

Die Bewertung der in Unterabsatz 1 Buchstabe b genannten Voraussetzung erfolgt durch den Ausschuss in seiner Präsidiumssitzung oder gegebenenfalls durch die nationalen Abwicklungsbehörden in enger Zusammenarbeit mit der EZB. Die EZB kann auch den Ausschuss oder die betroffenen nationalen Abwicklungsbehörden davon unterrichten, dass sie der Auffassung ist, dass die Voraussetzung nach Buchstabe b erfüllt ist.

(4)      Für die Zwecke von Absatz 1 Buchstabe a ist das Unternehmen als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten, wenn eine oder mehrere der nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)      Das Unternehmen verstößt gegen die an eine dauerhafte Zulassung geknüpften Anforderungen in einer Weise, die den Entzug der Zulassung durch die EZB rechtfertigen würde, oder es liegen objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird, unter anderem weil das Institut Verluste erlitten hat oder voraussichtlich erleiden wird, durch die sein gesamtes Eigenkapital oder ein wesentlicher Teil seines Eigenkapitals aufgebraucht wird.

b)      Die Vermögenswerte des Unternehmens unterschreiten die Höhe seiner Verbindlichkeiten, oder es liegen objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird.

c)      Das Unternehmen ist nicht in der Lage, seine Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen, oder es liegen objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird.

d)      Eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln wird benötigt, …

(5)      Für die Zwecke von Absatz 1 Buchstabe c dieses Artikels ist eine Abwicklungsmaßnahme als im öffentlichen Interesse liegend zu betrachten, wenn sie für das Erreichen eines oder mehrerer der in Artikel 14 genannten Abwicklungsziele notwendig und mit Blick auf diese Ziele verhältnismäßig ist und wenn dies bei einer Liquidation des Unternehmens im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nicht im selben Umfang der Fall wäre.

(6)      Sind die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen erfüllt, legt der Ausschuss ein Abwicklungskonzept fest. Durch das Abwicklungskonzept

a)      wird das Unternehmen abgewickelt;

b)      wird bestimmt, die in Artikel 22 Absatz 2 genannten Abwicklungsinstrumente auf das in Abwicklung befindliche Institut anzuwenden, insbesondere etwaige Ausnahmen von der Anwendung des Bail-in gemäß Artikel 27 Absätze 5 und 14;

c)      wird die Inanspruchnahme des [Einheitlichen Abwicklungs‑] Fonds zur Unterstützung der Abwicklungsmaßnahme gemäß Artikel 76 und gemäß einem Beschluss bestimmt, den die Kommission gemäß Artikel 19 gefasst hat.

…“

9.        Art. 86 („Klagen vor dem Gerichtshof“) lautet:

„(1)      Im Einklang mit Artikel 263 AEUV kann vor dem Gerichtshof Klage gegen eine Entscheidung des Beschwerdeausschusses oder – in Fällen, in denen keine Beschwerde beim Beschwerdeausschuss eingereicht werden kann – des Ausschusses erhoben werden.

(2)      Im Einklang mit Artikel 263 AEUV können die Mitgliedstaaten und die Organe der Union sowie jede natürliche oder juristische Person Klage vor dem Gerichtshof gegen Beschlüsse des Ausschusses erheben.

(3)      Fasst der Ausschuss trotz der Verpflichtung, tätig zu werden, keinen Beschluss, so kann vor dem Gerichtshof eine Untätigkeitsklage nach Artikel 265 AEUV erhoben werden.

(4)      Der Ausschuss ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um dem Urteil des Gerichtshofs nachzukommen.“

II.    Vorgeschichte des Rechtsstreits(6)

10.      Die ABLV Bank ist ein Kreditinstitut mit Sitz in Lettland und die Muttergesellschaft des Konzerns ABLV.

11.      ABLV Luxembourg ist ein Kreditinstitut mit Sitz in Luxemburg und eine der Tochtergesellschaften des Konzerns ABLV, deren Alleinaktionärin die ABLV Bank ist.

12.      Ernest Bernis, Oļegs Fiļs, OF Holding SIA und Cassandra Holding Company SIA(7) sind unmittelbare und mittelbare Anteilseigner der ABLV Bank.

13.      Die ABLV Bank wurde als „bedeutendes Unternehmen“ eingestuft und wird deshalb im Rahmen des SSM durch die EZB beaufsichtigt.

14.      Das Department of the Treasury (Finanzministerium) der Vereinigten Staaten von Amerika gab am 13. Februar 2018 seine Absicht öffentlich bekannt, besondere Maßnahmen zu erlassen, um den Zugang des ABLV-Konzerns zum Finanzsystem in US-Dollar zu verhindern.

15.      Am 22. Februar 2018 übermittelte die EZB dem SRB den Entwurf ihrer Bewertung in Bezug auf den Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall der ABLV Bank und der ABLV Luxembourg, um ihn hierzu gemäß Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der SRM-Verordnung anzuhören.

16.      Am 23. Februar 2018 erklärte die EZB, dass die ABLV Bank und die ABLV Luxembourg im Sinne von Art. 18 Abs. 1 der SRM-Verordnung ausfallen oder wahrscheinlich ausfallen würden („failing or likely to fail“). Die Bewertung der Lage der ABLV Bank und der ABLV Luxembourg wurde dem SRB am selben Tag übermittelt.

17.      Am 23. Februar 2018 erließ der SRB zwei Beschlüsse (SRB/EES/2018/09 und SRB/EES/2018/10) in Bezug auf die ABLV Bank bzw. die ABLV Luxembourg, in denen er sich der Bewertung, dass diese im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 806/2014 ausfallen oder wahrscheinlich ausfallen würden, anschloss; er stellte jedoch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der beiden Finanzinstitute und ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Lage fest, dass kein öffentliches Interesse an ihrer Abwicklung bestehe.

18.      Am selben Tag, dem 23. Februar 2018, stellte der SRB diese Beschlüsse der lettischen sowie der luxemburgischen nationalen Abwicklungsbehörde (im Folgenden: ANR) zu, nämlich der Finanšu un kapitāla tirgus komisija (Finanz- und Kapitalmarktkommission, Lettland) und der Commission de surveillance du secteur financier (Aufsichtsbehörde für den Finanzsektor, Luxemburg).

19.      Sowohl die ABLV Bank als auch die unmittelbaren und mittelbaren Anteilseigner erhoben beim Gericht Klage gegen die Erklärungen der EZB vom 23. Februar 2018. Die Klage der ABLV Bank wurde unter der Rechtssachennummer T‑281/18, die der unmittelbaren und mittelbaren Anteilseigner unter der Rechtssachennummer T‑283/18 in das Register eingetragen.

20.      Parallel hierzu erhoben die ABLV Bank und ihre unmittelbaren und mittelbaren Anteilseigner beim Gericht Nichtigkeitsklagen (T‑280/18 und T‑282/18) gegen die Beschlüsse des SRB vom 23. Februar 2018(8).

21.      Am 26. Februar 2018 leiteten die Anteilseigner der ABLV Bank ein Verfahren zu deren eigener Abwicklung ein und beantragten bei der lettischen ANR die Genehmigung eines freiwilligen Abwicklungsplans.

22.      Mit Entscheidung der EZB vom 11. Juli 2018 wurde der ABLV Bank auf Vorschlag der lettischen ANR die Zulassung entzogen.

III. Verfahren beim Gericht und angefochtene Beschlüsse

23.      Sowohl die ABLV Bank (Rechtssache T‑281/18) als auch die unmittelbaren und mittelbaren Anteilseigner (Rechtssache T‑283/18) haben vor dem Gericht dieselben zehn Nichtigkeitsgründe geltend gemacht.

24.      Gegen beide Klagen hat die EZB mehrere Einreden der Unzulässigkeit gemäß Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben, der dem Beklagten ermöglicht, eine Entscheidung des Gerichts über die Unzulässigkeit herbeizuführen, ohne dass dieses sich mit der Begründetheit befassen würde.

25.      Mit ihrer ersten Einrede der Unzulässigkeit hat die EZB zusammenfassend vorgebracht, „dass die angefochtenen Handlungen vorbereitende Handlungen [seien], die eine nicht verbindliche Bewertung der Tatsachen [enthielten], dass diese Handlungen nicht an das betreffende Institut, sondern an den SRB übermittelt worden [seien] und dass sie nicht mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden [könnten], sondern die Grundlage für die Annahme eines Abwicklungsplans oder eines Beschlusses, dass eine Abwicklung nicht im öffentlichen Interesse [sei], durch den SRB [bildeten]“(9).

26.      Das Gericht hat der ersten Einrede der EZB stattgegeben, so dass es nicht erforderlich war, sich zu den weiteren von der EZB erhobenen Einreden zu äußern.

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof und Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

27.      Die beiden Rechtsmittel der ABLV Bank (Rechtssache C‑551/19 P) und ihrer unmittelbaren und mittelbaren Anteilseigner (Rechtssache C‑552/19 P) haben einen sehr ähnlichen Inhalt und sind daher miteinander verbunden worden.

28.      Mit den beiden Rechtsmitteln beantragen die Rechtsmittelführer beim Gerichtshof,

–        die Beschlüsse des Gerichts, mit denen die Unzulässigkeit ihrer Nichtigkeitsklagen festgestellt wurde, aufzuheben;

–        festzustellen, dass die Nichtigkeitsklagen zulässig sind;

–        die Rechtssache zur Entscheidung über die Begründetheit an das Gericht zurückzuverweisen und

–        der EZB die Kosten aufzuerlegen.

29.      Die EZB beantragt, die Rechtsmittel als offensichtlich unzulässig bzw. als teils unzulässig, teils unbegründet zurückzuweisen. Sie beantragt ihrerseits, den Rechtsmittelführern die Kosten aufzuerlegen.

30.      Der Gerichtshof hat die Kommission als Streithelferin zur Unterstützung des Standpunkts der EZB zugelassen. Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen und die Begründung in Rn. 34 der angefochtenen Beschlüsse zu ersetzen.

31.      In der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2020 haben sich die ABLV Bank, die unmittelbaren und mittelbaren Anteilseigner, die EZB und die Kommission geäußert.

V.      Prüfung

A.      Zur Zulässigkeit

32.      Die EZB ist der Ansicht, dass die Rechtsmittelgründe darauf abstellten, dass die von der EZB abgegebene Bewertung über den sicheren oder wahrscheinlichen Ausfall des Finanzinstituts für den SRB nicht verbindlich sei. Dieses Argument habe der Entscheidung des Gerichts in den angefochtenen Beschlüssen aber nicht zugrunde gelegen, so dass die Rechtsmittelgründe ins Leere gingen.

33.      Diesem Einwand der EZB kann nicht gefolgt werden.

34.      Es trifft zu, dass das Gericht die Nichtigkeitsklagen unter Hinweis auf den vorbereitenden Charakter der Bewertungen durch die EZB über den Ausfall im Abwicklungsverfahren von Finanzinstituten als unzulässig zurückgewiesen hat.

35.      Das Gericht gelangt zu diesem Ergebnis, nachdem es festgestellt hat, dass gemäß Art. 18 der SRM-Verordnung die Bewertung durch die EZB „für den SRB nicht verbindlich [sei]“ und dass die EZB „im Rahmen der Annahme eines Abwicklungsplans keine Entscheidungsbefugnis“ [habe](10).

36.      Diese Argumentation zeigt die Auffassung des Gerichts, dass die Bewertungen der EZB vorbereitende Handlungen und nicht geeignet sind, die Rechtsstellung der Rechtsmittelführer zu verändern, weil sie im Rahmen des Abwicklungsverfahrens von Banken nicht rechtsverbindlich sind.

37.      Das Gericht hebt auf diese Weise hervor, dass die Unverbindlichkeit der Bewertungen der EZB (für den SRB) für die zum Tenor der angefochtenen Beschlüsse führende Argumentation tragende Bedeutung hat, und die Rechtsmittelführer können dies insoweit mit ihrem Rechtsmittel angreifen.

38.      Was den Antrag der Kommission betrifft, Rn. 34 der angefochtenen Beschlüsse zu ersetzen, ist darauf hinzuweisen, dass sie am Rechtsmittelverfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der EZB beteiligt ist. Unter diesen befindet sich jedoch kein Antrag, Rn. 34 dieser Beschlüsse inhaltlich zu ersetzen.

39.      Art. 40 der Satzung des Gerichtshofs sowie die Art. 129 und 132 seiner Verfahrensordnung, die gemäß Art. 190 auch auf Rechtsmittel Anwendung finden, legen fest, dass die Streithilfe nur die vollständige oder teilweise Unterstützung der Anträge einer der Parteien zum Gegenstand haben kann. Da die EZB lediglich beantragt, die Rechtsmittel zurückzuweisen (und den Rechtsmittelführern die Kosten aufzuerlegen), geht der Antrag der Kommission über dasjenige hinaus, was sie im Rahmen ihrer Streithilfe beantragen kann, so dass dem Antrag nicht stattgegeben werden kann(11).

B.      Zur Begründetheit

40.      Die Rechtsmittelführer führen zwei Rechtsmittelgründe an:

–        Das Gericht habe unter Verstoß gegen Art. 263 AEUV einen Rechtsfehler begangen, da es die angefochtenen Beschlüsse nicht auf die tatsächlich  von der EZB erlassene Entscheidung gestützt habe.

–        Das Gericht habe Art. 18 Abs. 1 der SRM-Verordnung falsch ausgelegt.

1.      Erster Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 263 AEUV

a)      Vorbringen der Parteien

41.      Auch wenn die Lektüre des ersten Rechtsmittelgrundes kein allzu klares Verständnis vom Vorbringen der Rechtsmittelführer ermöglicht, glaube ich dennoch, dass sich darin die Elemente der angefochtenen Beschlüsse erkennen lassen, die sie berichtigt sehen möchten.

42.      Wenn ich es recht verstanden habe, werden im ersten Rechtsmittelgrund Argumente dafür vorgebracht, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, indem es die Nichtigkeitsklagen auf der Grundlage von Entscheidungen, die die EZB (nach der vom Gericht selbst vorgenommenen Auslegung von Art. 18 der SRM-Verordnung) hätte annehmen müssen, als unzulässig zurückgewiesen habe, anstatt sie auf die Entscheidungen zu stützen, die sie hinsichtlich eines sicheren oder wahrscheinlichen Ausfalls der ABLV Bank tatsächlich angenommen hat.

43.      Aus Sicht der Rechtsmittelführer ist der Standpunkt des Gerichts fehlerhaft, weil die Feststellung des sicheren oder wahrscheinlichen Ausfalls durch die EZB im Hinblick auf die ABLV Bank ihrer Ansicht nach eine Handlung mit verbindlichen Rechtswirkungen und unmittelbaren Folgen für ihre Rechtsstellung darstellt.

44.      Von dieser Prämisse ausgehend, werfen die Rechtsmittelführer dem Gericht einen Rechtsfehler vor, der in einem Verstoß gegen Art. 263 AEUV bestehe, weil es seinen Beschluss nicht auf die tatsächlich  von der EZB getroffene Entscheidung gestützt habe. Deshalb hätten die Nichtigkeitsklagen für zulässig erachtet werden müssen, und mithin sei auf der Ebene der Begründetheit die Rechtmäßigkeit des Handelns der EZB zu prüfen.

45.      Über der Auslegung von Art. 18 der SRM-Verordnung hinaus tragen die Rechtsmittelführer verschiedene Argumente vor, um ihre Auffassung zu stützen. Konkret weisen sie darauf hin, dass die Bewertung des Ausfalls der ABLV Bank und der ABLV Luxembourg von der EZB mitgeteilt worden sei, dass die EZB die Bewertungen auf ihrer Website veröffentlicht und dabei angegeben habe, dass es sich um Bewertungen über den sicheren oder wahrscheinlichen Ausfall im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der SRM-Verordnung handele, und dass die EZB sich nicht darauf beschränkt habe, auf der Tatsachenebene Angaben zur finanziellen Situation der Banken mitzuteilen.

46.      Die EZB ist der Ansicht, dass die Rechtsmittelführer den Rechtsfehler, der dem Gericht unterlaufen sein und der einen Verstoß gegen Art. 263 AEUV darstellen soll, nicht klar bezeichnet hätten. Im Übrigen treten die EZB und die Kommission dem Vorbringen der Rechtsmittelführer entgegen.

b)      Würdigung

47.      Meines Erachtens ist dieser Rechtsmittelgrund zulässig, auch wenn er nicht gerade durch seine Klarheit brilliert. Trotz der nicht eben einfachen Lektüre wird ersichtlich, welcher Rechtsfehler dem Gericht vorgeworfen wird, nämlich dass es seine Beschlüsse nicht auf die von der EZB wirklich erlassenen Entscheidungen gestützt habe.

48.      In der Sache allerdings ist dieser Rechtsmittelgrund meines Erachtens zurückzuweisen.

49.      Das Gericht hat sich, abstrakt gesehen, nicht auf Entscheidungen gestützt, die die EZB hinsichtlich eines Ausfalls der ABLV Bank hätte erlassen müssen. Vielmehr hat es durchaus die wirklich und tatsächlich von der EZB erlassenen Entscheidungen berücksichtigt, auf die es ohne Rechtsfehler die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Zulässigkeit von Nichtigkeitsklagen angewandt hat.

50.      Es ist daran zu erinnern, dass diese vom Gericht angewandte Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Zulässigkeit von Nichtigkeitsklagen nach Art. 263 AEUV folgende Regeln umfasst(12):

–        Natürliche oder juristische Personen können im Rahmen von Art. 263 Abs. 4 AEUV nur Handlungen oder Maßnahmen anfechten, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers beeinträchtigen können, indem sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise verändern(13).

–        Im Fall von Handlungen, die in mehreren Phasen eines internen Verfahrens ergehen, liegt eine anfechtbare Handlung grundsätzlich nur bei den Maßnahmen vor, die den Standpunkt des Organs bei Abschluss dieses Verfahrens endgültig festlegen, nicht aber bei Zwischenmaßnahmen, die der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung dienen(14) und deren Rechtswidrigkeit sinnvollerweise im Rahmen der Klage gegen Letztere geltend gemacht werden kann.

–        Eine Zwischenmaßnahme kann dann nicht mit einer Klage angefochten werden, wenn feststeht, „dass die Rechtswidrigkeit dieser Handlung im Rahmen einer Klage gegen die endgültige Entscheidung, deren Vorbereitung sie dient, geltend gemacht werden kann. Unter derartigen Umständen bietet die Klage gegen die das Verfahren abschließende Entscheidung einen ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutz“(15).

–        Etwas anderes gälte nur dann, wenn Handlungen oder Entscheidungen im Rahmen des vorbereitenden Verfahrens selbst ein besonderes Verfahren endgültig abschlössen, das sich von demjenigen unterscheidet, das dem Organ die Entscheidung in der Sache ermöglichen soll(16).

51.      Nach Hinweisen auf diese Rechtsprechung, die von den Rechtsmittelführern nicht in Frage gestellt wird, hat das Gericht geprüft, ob in der vorliegenden Rechtssache die Bewertungen der EZB über einen Ausfall in Anbetracht ihres wesentlichen Inhalts Folgen für die rechtliche Stellung der Rechtsmittelführer gehabt haben oder ob sie lediglich vorbereitende Handlungen für die endgültige Entscheidung des SRB über die Anwendung oder Nichtanwendung eines Abwicklungsplans waren(17).

52.      Nach Ansicht des Gerichts waren die Bewertungen der EZB zum Ausfall vorbereitende Handlungen im Verlauf eines Verfahrens, das dem SRB erlauben sollte, eine Entscheidung über die Abwicklung der beiden Bankinstitute zu treffen, weshalb sie nicht unmittelbar Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein konnten.

53.      Das Gericht hat bei der Auslegung von Art. 18 Abs. 1 der SRM-Verordnung festgestellt, dass die Entscheidung darüber, ob ein Abwicklungsplan sachdienlich sei, beim SRB liege und dass die EZB lediglich ihre Bewertung zu einem sicheren oder möglichen Ausfall des Bankinstituts abgebe. Es hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Kläger selbst ebenfalls Nichtigkeitsklagen gegen die Entscheidungen des SRB in den Rechtssachen T‑280/18 und T‑282/18 erhoben hätten.

54.      Ich kann in dieser Argumentation des Gerichts, die meines Erachtens mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Einklang steht, keinen Rechtsfehler erkennen.

55.      Die Rechtsmittelführer bringen mehrere Argumente vor – deren größter Teil bereits vom Gericht geprüft und zurückgewiesen worden ist –, um nachzuweisen, dass die Bewertungen der EZB zum Ausfall tatsächlich verbindlichen Charakter hätten und ihre Interessen beeinträchtigen könnten, indem sie ihre Rechtsstellung in qualifizierter Weise veränderten.

56.      Einige dieser Argumente nähern sich der Rüge einer Verfälschung des Sachverhalts(18) an, wenngleich die Rechtsmittelführer dem Gericht dies nicht ausdrücklich vorwerfen(19). Auf jeden Fall verdienen die im vorliegenden ersten Rechtsmittelgrund vorgebrachten Argumente eine Prüfung im Rechtsmittelverfahren(20), da sie sich nicht allein auf die wörtliche Wiederholung oder sinngemäße Wiedergabe dessen beschränken, was bereits beim Gericht vorgetragen worden ist(21).

57.      Zunächst tragen sie vor, es bestehe eine Vermutung, wonach jede Beurteilung einer Behörde bindend sei, es sei denn, diese Behörde erkläre ausdrücklich das Gegenteil.

58.      Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Gäbe es eine solche Vermutung, so ergäbe die Rechtsprechung des Gerichtshofs, die dazu verpflichtet, den Inhalt und Charakter einer Handlung eines Unionsorgans zu prüfen, um festzustellen, ob diese bindend ist oder nicht, keinerlei Sinn. Würde man den Rechtsmittelführern folgen, so wären die Handlungen sämtlicher Organe, Einrichtungen und sonstiger Stellen der Union verbindlich, soweit darin nicht ausdrücklich das Gegenteil festgestellt würde, was dann ausschließlich vom Willen dessen abhinge, der sie erließe. Dies ist offenkundig nicht der Fall.

59.      Zweitens, so die Rechtsmittelführer, enthielten die Bewertungen der EZB eine Verhältnismäßigkeitsprüfung und hätten deshalb Bindungswirkung.

60.      Zwar ist richtig, dass zahlreiche verbindliche Rechtsakte der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der in ihnen vorgesehenen Maßnahmen enthalten. Daraus ist allerdings nicht zu folgern, dass jede Handlung, die eine Verhältnismäßigkeitsprüfung enthält, auch verbindlich ist. Auf jeden Fall werden in dem Rechtsmittelgrund keine Gründe dafür dargelegt, weswegen die angeblich von der EZB bei ihren Bewertungen vorgenommene Verhältnismäßigkeitsprüfung diesen Bewertungen Bindungswirkung verleihe und dadurch die Rechtsstellung der betroffenen Banken beeinträchtige.

61.      Drittens machen die Rechtsmittelführer geltend, die Bewertungen der EZB zum Ausfallrisiko seien Handlungen mit verbindlichem Inhalt, weil die EZB ihre Ausarbeitung veröffentlicht und sie den betreffenden Banken selbst mitgeteilt habe.

62.      Auch dieses Argument greift nicht durch. Zum einen stützt es sich auf eine Würdigung von Sachverhaltselementen, die im Rechtsmittelverfahren nicht überprüfbar ist: Das Gericht hat entschieden, dass „die angefochtenen Handlungen nicht veröffentlicht wurden, sondern dass die EZB zwei Pressemitteilungen veröffentlicht hat, die keinesfalls den angefochtenen Handlungen entsprechen“(22).

63.      Darüber hinaus bedeutet die Veröffentlichung von zwei Pressemitteilungen zur Bewertung eines Ausfallrisikos nicht, dass die EZB diesen Bewertungen verbindlichen Charakter verleihen wollte oder dass diese an sich schon verbindlich gewesen wären. Auf diesen Aspekt werde ich später noch eingehen.

64.      Viertens ergibt sich für die Rechtsmittelführer die Verbindlichkeit der Bewertungen der EZB zum Ausfall daraus, dass die EZB selbst und auch der SRB erklärt hätten, die Abwicklung der ABLV Bank und ihrer luxemburgischen Tochtergesellschaft seien unvermeidlich.

65.      Diese Schlussfolgerung ist unbegründet. Der Inhalt der Bewertungen zum Ausfall zielte keineswegs darauf, die Abwicklung beider Banken unter Anwendung lettischen bzw. luxemburgischen Rechts herbeizuführen, noch war dies die Absicht der EZB, als sie die Bewertungen abgab. Dies wurde allein infolge des Umstands möglich, dass der SRB entschieden hat, es bestehe kein öffentliches Interesse an der Anwendung von Abwicklungskonzepten nach der SRM-Verordnung auf die beiden Finanzinstitute.

66.      Schließlich stellen die Rechtsmittelführer die Bezugnahme des Gerichts auf den Auszug aus dem Urteil des Tribunal d’arrondissement de Luxembourg (Bezirksgericht Luxemburg) vom 9. März 2018 in Frage, wonach „sich die Parteien darüber einig sind, dass die Bewertungen und Feststellungen der EZB und des SRB im Rahmen der Verordnung für das mit der vorliegenden Klage befasste Gericht nicht verbindlich sind“(23).

67.      Im Hinblick auf diese Rüge genügt der Hinweis, dass das Gericht mit diesem Zitat lediglich sein eigenes Hauptargument untermauern wollte. Wenn in der Wiedergabe dieser Passage mithin nicht die ratio decidendi des Beschlusses des Gerichts zum Ausdruck kommt, geht die im Rechtsmittelgrund insoweit vorgebrachte Rüge ins Leere.

68.      Im Ergebnis schlage ich dem Gerichtshof vor, diesen ersten Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

2.      Zweiter Rechtsmittelgrund: fehlerhafte Auslegung von Art. 18 Abs. 1 der SMR-Verordnung

69.      Im zweiten Rechtsmittelgrund wird gerügt, das Gericht habe mit seiner engen Auslegung von Art. 18 Abs. 1 der SRM-Verordnung bei der Begründung dessen, dass die Bewertungen der EZB zum Ausfall keine anfechtbaren Handlungen seien, einen Rechtsfehler begangen.

70.      Auch habe das Gericht mit seiner Entscheidung, dass die Rechtsstellung der ABLV Bank und der ABLV Luxembourg durch die Bewertungen der EZB keine Änderung erfahren habe, einen weiteren Rechtsfehler begangen.

a)      Erster Teil des Rechtsmittelgrundes: fehlerhafte Auslegung von Art. 18 der SRM-Verordnung

1)      Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

71.      Nach Auffassung der Rechtsmittelführer kann Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der SRM-Verordnung nicht so ausgelegt werden, wie das Gericht dies getan hat (d. h. in dem Sinn, dass er nur eine unverbindliche Mitteilung von Informationen seitens der EZB an den SRB vorsehe, der allein für die Annahme eines Abwicklungsplans zuständig sei).

72.      Die Bewertung, dass ein Ausfall sicher oder wahrscheinlich sei, erfordere eine rechtliche Prüfung und eine rechtliche Begründung des Ergebnisses. Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der SRM-Verordnung verleihe der EZB die Befugnis, sich mit für den SRB verbindlicher Wirkung zu äußern.

73.      Das Gericht habe überdies die Kohärenz zwischen dem Aufsichts- und dem Abwicklungssystem von Kreditinstituten in Zweifel gezogen. Nach diesem System bestimme die Aufsichtsbehörde (in diesem Fall die EZB), ob eine Bank sich in einer Situation des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls befinde, und ihre Beurteilung binde die für die Abwicklung zuständige Behörde.

74.      Schließlich tragen die Rechtsmittelführer vor, das Gericht habe die funktionale Äquivalenz zwischen der Bewertung, dass ein Ausfall sicher oder wahrscheinlich sei, und dem Entzug der Bankenzulassung nicht angemessen gewürdigt.

75.      Die EZB und die Kommission treten diesem Vorbringen entgegen.

2)      Würdigung

76.      Ich bin ebenso wie das Gericht der Auffassung, dass die Bewertungen über einen sicheren oder wahrscheinlichen Ausfall durch die EZB als vorbereitende Handlungen im Rahmen des Abwicklungsverfahrens von Bankinstituten anzusehen sind. Obwohl die eine oder andere Erwägung, die in den angefochtenen Beschlüssen herangezogen wurde, um zu dieser Einstufung zu gelangen, nuanciert werden könnte, bin ich der Ansicht, dass sie im Wesentlichen keinen Rechtsfehler erkennen lassen.

77.      Im Hinblick auf dieses Ergebnis prüfe ich zuerst das komplexe Verwaltungsverfahren zur Festlegung von Abwicklungskonzepten. Anschließend komme ich zur Kohärenz der Beziehungen zwischen SSM und SRM. Abschließend möchte ich die Möglichkeit einer funktionalen Äquivalenz zwischen der Bewertung des Ausfallrisikos und dem Entzug der Bankenzulassung erörtern.

i)      Das komplexe Verwaltungsverfahren zur Billigung von Abwicklungskonzepten gemäß Art. 18 der SRM-Verordnung

78.      Die Billigung von Abwicklungskonzepten für Finanzinstitute hat weitreichende wirtschaftliche und rechtliche Folgen. Deshalb wurde mit der SRM-Verordnung ein Verfahren geschaffen, an dem verschiedene Organe und eine Agentur der Union beteiligt sind bzw. sich beteiligen können.

79.      Die wichtigste Entscheidungsbefugnis liegt in den Händen des SRB. Der EZB dagegen kommt eine (wenn auch nicht ausschließliche) Befugnis zur Einleitung des Verfahrens zu, und die Kommission und der Rat der Europäischen Union sind befugt, im unmittelbaren Vorfeld der Entscheidung Einwände zu erheben, insbesondere in Fällen, in denen eine Inanspruchnahme von Beträgen aus dem einheitlichen Abwicklungsfonds geboten ist(24).

80.      Zur Komplexität des Verfahrens kommt noch die Schnelligkeit hinzu, mit der diese Organe und Agenturen der Union ihre Entscheidungen treffen müssen, um negative Auswirkungen der Abwicklung des Bankinstituts auf den Finanzmärkten zu verhindern. Diese Schnelligkeit verpflichtet sie im Übrigen dazu, die Entscheidung de facto schon „vorbereitet“ zu haben, bevor sie das Verfahren einleiten, das üblicherweise an einem Wochenende beginnt und auch an diesem zu seinem Ende gelangt, um die Schließung der Wertpapiermärkte nutzen zu können.

81.      Die Komplexität des zur Entscheidung führenden Verfahrens beruht darauf, dass folgende Stellen an ihm mitwirken oder mitwirken können:

–        die Aufsichtsbehörde (EZB), die die Bank mit Liquiditätsproblemen beaufsichtigt hat,

–        die Abwicklungsbehörde (SRB), die zu entscheiden hat, ob ein Abwicklungskonzept auf das Kreditinstitut anzuwenden ist,

–        die Kommission und der Rat, deren Mitwirkung deshalb möglich sein muss, weil der SRB eine Agentur der Union ist, an die begrenzte Zuständigkeiten delegiert werden, und weil ein Einheitlicher Abwicklungsfonds noch bis zur endgültigen Vergemeinschaftung im Jahr 2024 mit einer intergouvernementalen Komponente bestehen wird(25).

82.      In diesem komplexen Verfahren muss klargestellt werden, welche Handlungen lediglich vorbereitend (und damit nicht mit Rechtsmitteln anfechtbar) und welche abschließend und beim Gericht mit der Nichtigkeitsklage anfechtbar sind.

83.      Das Abwicklungsverfahren(26) beginnt mit der Feststellung des sicheren oder wahrscheinlichen Ausfalls des Bankinstituts(27). Mit dieser Feststellung ist gewissermaßen die Bankenaufsicht beendet und ergeht eine Warnung vor der Gefahr für die Finanzstabilität, die die Insolvenzsituation des Unternehmens mit sich bringt, damit festgelegt werden kann, auf welche Weise die Abwicklungsbehörde vorgehen soll.

84.      Die Verantwortung dafür, zu bewerten, ob eine der Aufsicht unterliegende Bank sicher oder wahrscheinlich ausfällt, kommt in erster Linie der EZB zu, auch wenn diese zuvor den SRB anhören muss(28). Fällt ihre Bewertung in diesem Sinne aus, hat die EZB sie unverzüglich der Kommission und dem SRB mitzuteilen(29).

85.      Es ist folgerichtig, dass die Hauptverantwortung für die Bewertung des Ausfallrisikos der EZB obliegt, da sie eine Reihe von Elementen abwägen muss, von denen sie als Aufsichtsbehörde im Rahmen des SSM unmittelbare Kenntnis hat(30).

86.      Allerdings liegt die Bewertung des Ausfallrisikos nicht ausschließlich bei der EZB(31). Subsidiär wirkt der SRB mit, der diese Bewertung jedoch erst vornehmen kann, nachdem er die EZB über seine Absicht informiert hat, und nur, wenn die EZB sie nicht innerhalb einer Frist von drei Werktagen nach dem Erhalt dieser Mitteilung selbst durchgeführt hat. In diesem Fall leitet die EZB dem SRB unverzüglich alle einschlägigen Informationen zu, die dieser bei ihr anfordert, um seine Bewertung durchführen zu können(32).

87.      Hat die EZB (oder subsidiär der SRB) die Bewertung über den Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall ausgearbeitet, muss der SRB entscheiden, ob er ein Abwicklungskonzept festlegt oder nicht. Hierfür müssen auf jeden Fall folgende drei Voraussetzungen vorliegen, die in Art. 18 Abs. 1 der SRM-Verordnung vorgesehen sind:

–        die Bestätigung, dass das Institut ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt;

–        keine hinreichende Aussicht, dass alternative Maßnahmen des privaten Sektors unter Berücksichtigung zeitlicher Zwänge und anderer relevanter Umstände den Ausfall des Unternehmens innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens verhindern könnten;

–        Erforderlichkeit der Abwicklung im öffentlichen Interesse(33).

88.      Stellt der SRB fest, dass diese drei Voraussetzungen gegeben sind, so legt er gemäß Art. 18 Abs. 6 der SRM-Verordnung ein Abwicklungskonzept fest, wodurch a) das Unternehmen abgewickelt wird, b) bestimmt wird, die in Art. 22 Abs. 2 genannten Abwicklungsinstrumente auf das in Abwicklung befindliche Institut anzuwenden, und c) „die Inanspruchnahme des [Einheitlichen Abwicklungsf]onds zur Unterstützung der Abwicklungsmaßnahme gemäß Artikel 76 und gemäß einem Beschluss …, den die Kommission gemäß Artikel 19 gefasst hat“, bestimmt wird.

89.      Aus dieser Beschreibung ergibt sich, dass der Beschluss des SRB, mit dem das Abwicklungskonzept festgelegt wird (oder mit dem beschlossen wird, ein solches nicht anzuwenden und auf das nationale Abwicklungsrecht des Bankinstituts zu verweisen) die eigentliche verfahrensabschließende Handlung ist. Falls die Kommission oder der Rat tätig werden, gilt Entsprechendes für die Entscheidungen dieser Organe(34).

90.      Da somit die abschließende Handlung des Abwicklungsverfahrens der Beschluss des SRB ist, hat die Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls durch die EZB, wie das Gericht in seinen Beschlüssen zutreffend ausgeführt hat(35), im Rahmen dieses Verfahrens den Charakter einer vorbereitenden Handlung.

91.      Man müsste sich dennoch fragen, ob möglicherweise trotz dieses Charakters einer vorbereitenden Handlung die Bewertung der EZB für die betroffenen Banken spezifische Rechtswirkungen (im Sinne einer Änderung ihrer Rechtsstellung) entfaltet mit der Folge, dass diese oder ihre Anteilseigner sie unmittelbar mit der Nichtigkeitsklage anfechten könnten.

92.      Diese Frage ist jedoch zu verneinen. Eine Auswirkung auf die Rechtsstellung der betroffenen Banken, die gegebenenfalls die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage vor dem Gericht begründen könnte, könnte allenfalls von den Beschlüssen des SRB, nicht aber von den Erklärungen der EZB ausgehen(36).

93.      In der mündlichen Verhandlung haben die Rechtsmittelführer auf ihrer Argumentation zum Fehlen eines gerichtlichen Rechtsschutzes, sollte der Standpunkt der angefochtenen Beschlüsse bestätigt werden, beharrt. Ich denke jedoch, dass es hier nicht an einem gerichtlichen Rechtsschutz mangelt, da die (angebliche) Rechtswidrigkeit des Inhalts der Bewertungen der EZB auch geltend gemacht werden kann, um hierauf eine Klage gegen die Entscheidungen des SRB zu stützen, die den genannten Inhalt übernehmen und das Verfahren abschließen.

94.      Eine solche Klage gegen die Beschlüsse des SRB gewährleistet denjenigen, die mögliche Mängel der vorbereitenden Handlungen der EZB, deren Bewertungen dem SRB als Grundlage für die Annahme seiner eigenen Entscheidungen dienten, rügen möchten, einen ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutz.

95.      Dies wird auch dadurch bestätigt, dass gegen Abwicklungskonzepte nicht durch „überflüssige“ Rechtsmittel gegen vorbereitende Handlungen vorgegangen werden soll, solange sie wegen einer etwaigen Rechtswidrigkeit im Rahmen von Nichtigkeitsklagen gegen den endgültigen Rechtsakt des SRB ohne Einschränkungen angefochten werden können, wodurch der gerichtliche Rechtsschutz der Betroffenen gewährleistet wird.

96.      Würde man zulassen, dass zeitgleich parallele Rechtsbehelfe eingelegt werden können (einerseits gegen die Bewertungen des Ausfallrisikos durch die EZB, andererseits gegen die Entscheidungen des SRB vom selben Tage), würde dies nicht gerade von einer gut organisierten Justizverwaltung zeugen und erschiene unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie wenig angebracht. Die Rechtmäßigkeit der Bewertungen der EZB kann somit in den Klagen gegen die Entscheidungen des SRB überprüft werden, ohne dass es erforderlich wäre, weitere (sich überlagernde) Klagen zu erheben, um gegen die Feststellungen der EZB zur Frage des Ausfalls vorzugehen.

97.      Die Unzulässigkeit von Klagen gegen die Erklärungen der EZB über einen Ausfall entsprechen im Übrigen den vom Gerichtshof im Urteil Berlusconi und Fininvest vorgegebenen Kriterien, die im Urteil Iccrea Banca erneut dargestellt wurden(37).

98.      Diese Rechtsprechung lässt sich, auch wenn sie sich im Grundsatz auf komplexe vertikale Verwaltungsverfahren bezieht, an denen nationale Behörden sowie Organe und Einrichtungen der Union (wie die EZB und der SRB) beteiligt sind, auch auf ein unionsrechtliches Verfahren unter Beteiligung mehrerer Organe oder Einrichtungen der Union übertragen.

99.      Nach den angeführten Urteilen muss eine gerichtliche Kontrolle der verfahrensabschließenden Entscheidung stattfinden. Über etwaige Einwände, was die Rechtswidrigkeit vorbereitender Handlungen betrifft, hat das mit der Klage gegen diese abschließenden Handlungen befasste Gericht zu entscheiden, es sei denn, diese Handlungen wären für das Organ, das zur abschließenden Entscheidung befugt ist, verbindlich.

100. Im Rahmen des Verfahrens zur Festlegung von Abwicklungskonzepten hat, wie bereits erläutert, der SRB die abschließende Entscheidung zu treffen(38). Es bliebe lediglich noch zu klären, ob die Bewertung über einen Ausfall durch die EZB für den SRB verbindlich ist. Wäre dies der Fall, könnte man sich fragen, ob ein gesondertes Rechtsmittel gegen diese Handlung der EZB zulässig sein könnte, weil sie inhaltlich eigenständig ist und in die Rechte von Einzelnen eingreift.

101. Die EZB kann das Verfahren zur Abwicklung einer Bank einleiten, indem sie eine Bewertung über deren Ausfall abgibt und diese dem SRB übermittelt. Kommt sie zum Ergebnis, dass sich die Bank nicht in einer Situation befindet, die einen Ausfall befürchten lässt, so gibt es nichts, was sie dem SRB mitzuteilen hätte, und ihre Bewertung hätte für diese Bank keinerlei Auswirkungen. In diesem Fall wäre, da kein Verfahren gemäß Art. 18 der SRM-Verordnung eingeleitet worden wäre, auch keine Nichtigkeitsklage gegen die EZB möglich (noch nicht einmal eine Untätigkeitsklage, da die Bewertung zwar durchgeführt worden wäre, ihr Ergebnis aber nicht die Gefahr eines Ausfalls mit sich brächte).

102. Übermittelt die EZB dagegen ihre Bewertung in dem Sinn, dass sie einen Ausfall für sicher oder wahrscheinlich hält, muss der SRB entscheiden, ob ein Abwicklungskonzept festgelegt werden oder das Institut nach nationalem Recht abgewickelt werden soll.

103. Die Rechtswirkungen für die Bank treten somit erst ein, wenn der SRB feststellt, dass die oben dargestellten drei Voraussetzungen gemäß Art. 18 Abs. 1 der SRM-Verordnung gegeben sind. Für sich allein genommen, entfaltet die Bewertung der EZB keine verbindlichen Rechtswirkungen (mit nur einer Einschränkung, auf die ich später noch eingehen werde), da es für die Festlegung eines Abwicklungskonzepts nun einmal notwendig ist, dass der SRB sich zum Vorliegen der drei genannten Voraussetzungen äußert.

104. Liegt ihm eine Erklärung der EZB über den sicheren oder wahrscheinlichen Ausfall vor, darf der SRB sich allerdings einer Entscheidung nicht enthalten: Ist er entgegen der Erklärung der EZB der Auffassung, dass ein Ausfall des Instituts nicht sicher oder nicht wahrscheinlich ist, hätte der SRB selbst die Anwendung eines Abwicklungskonzepts zurückzuweisen. Demnach wäre diese Entscheidung die abschließende Handlung, gegen die ein Rechtsmittel statthaft wäre: Die Bewertung der EZB hätte den Charakter einer vorbereitenden Handlung, deren Rechtmäßigkeit im Rahmen dieses Rechtsmittels gegen die abschließende Entscheidung des SRB zu untersuchen wäre.

105. Demgemäß sieht Art. 86 Abs. 1 der SRM-Verordnung ausschließlich die Möglichkeit vor, Entscheidungen des SRB (oder des Beschwerdeausschusses, falls dieser tätig wird) mit der Nichtigkeitsklage anzufechten, er erwähnt jedoch nicht die Bewertungen über einen sicheren oder wahrscheinlichen Ausfall durch die EZB.

106. Die Bewertung über einen Ausfall durch die EZB verpflichtet den SRB dazu, eine abschließende Entscheidung hinsichtlich der Festlegung eines Abwicklungskonzepts zu treffen, sie beeinflusst diese jedoch nicht inhaltlich: Der SRB ist befugt, bei seiner Entscheidung den Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall ebenfalls zu beurteilen.

107. Die Befugnisse der EZB beschränken sich somit im Wesentlichen auf die Einleitung des Verfahrens. Auch wenn unterschiedliche Kriterien von Aufsichts- und Abwicklungsbehörde hinsichtlich des Ausfalls einer Bank nur schwer vorstellbar sind (Art. 18 der SRM-Verordnung regt vielmehr eine Zusammenarbeit zwischen ihnen an), sind die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der einen und der anderen voneinander verschieden(39).

108. Das Gericht stellt fest, bei der Erklärung der EZB über den Ausfall handele es sich „eben nur um eine Bewertung, die für den SRB nicht verbindlich ist“. Diese Feststellung, die im Kontext von Rn. 34 der angefochtenen Beschlüsse nachvollziehbar und richtig ist, ist zu nuancieren.

109. Der SRB und nicht die EZB ist zwar tatsächlich die Stelle, bei der die abschließende Entscheidungsbefugnis bezüglich der Abwicklung liegt. Allerdings liegt die Befugnis, dieses Verfahren einzuleiten und auf diese Weise den SRB zur Entscheidung zu „verpflichten“, nachdem sie ihm das Ergebnis ihrer Bewertung über den Ausfall mitgeteilt hat, bei der EZB. Nur in diesem Sinn entfaltet die Erklärung der EZB für den SRB verbindliche Wirkungen, allerdings sind diese prozessualer Natur, sie betreffen also nicht den Inhalt der Bewertung, von dem der SRB abweichen könnte.

110. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission mehrfach betont, dass die Erklärung der EZB über einen Ausfall „Autorität“ genieße, die sich daraus ergebe, dass die EZB die Situation der ihrer Aufsicht unterliegenden Banken besser kenne; sie hat aber nicht behauptet, dass der Inhalt dieser Erklärung den SRB so stark binde, dass dessen späterer Beschluss damit in allen seinen Aspekten im Voraus festgelegt würde.

111. Ich bin ohne Weiteres damit einverstanden, dass die Bewertung der EZB von auctoritas im klassischen Sinne des Wortes geprägt ist und der SRB sie nicht außer Acht lassen oder ihren Inhalt ohne stichhaltige Argumente zurückweisen könnte. Dies bedeutet aber nicht, dass sie auch die potestas besitzt, die juristischen Entscheidungen zukommt, die Beziehungen zwischen Organen prägen, wenn eines dieser Organe von dem, was das andere beschlossen oder entschieden hat, inhaltlich nicht abweichen könnte. Denn gerade das macht die Verbindlichkeit aus(40).

ii)    Die Kohärenz der Beziehungen zwischen dem Aufsichts- und dem Abwicklungssystem von Kreditinstituten

112. Die Rechtsmittelführer gehen – mit nicht allzu präziser Formulierung – davon aus, dass die vom Gericht vertretene Lösung mit einem Rechtsfehler behaftet sei, da sie gegen die angemessene Konzeption des Verhältnisses zwischen SSM und SRM verstoße.

113. Für die Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls eines Kreditinstituts müsse stets, und zwar verbindlich, die Aufsichtsbehörde (hier die EZB) zuständig sein, und es wäre unlogisch, eine Banken-Abwicklung zu ermöglichen, die vom SRB entgegen der Stellungnahme der Aufsichtsbehörde beschlossen werden könnte.

114. Dieses Argument verkennt allerdings, dass dem SRB eine subsidiäre Befugnis zur Bewertung eines Ausfalls zukommt, nämlich dann, wenn die EZB diese nicht vorgenommen hat.

115. Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der SRM-Verordnung bestimmt, dass der SRB diese Bewertung in seiner Präsidiumssitzung erst vornehmen darf, nachdem er die EZB von seiner Absicht unterrichtet hat, und nur dann, wenn die EZB sie nicht innerhalb von drei Kalendertagen nach Erhalt dieser Informationen vorgenommen hat. Die EZB hat dem SRB in diesem Fall unverzüglich sämtliche einschlägigen Informationen zu übermitteln, die dieser anfordert, um seine Bewertung vornehmen zu können.

116. Auch wenn es selten dazu kommen wird (denn die EZB als Aufsichtsbehörde ist diejenige, durch deren Hände die für die Bewertung maßgeblichen Informationen fließen), gestattet die SRM-Verordnung dem SRB, das Abwicklungsverfahren auch dann einzuleiten, wenn er nicht über die Bewertung der EZB verfügt.

117. Die Argumentation der Rechtsmittelführer in diesem Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist daher zurückzuweisen.

iii) Die Möglichkeit einer funktionalen Äquivalenz zwischen der Bewertung des Ausfalls oder des wahrscheinlichen Ausfalls und dem Entzug der Bankenzulassung

118. Die Rechtsmittelführer werfen im Rechtsmittelverfahren erneut die Frage nach einer Äquivalenz zwischen der Bewertung eines sicheren oder wahrscheinlichen Ausfalls und dem Entzug der Bankenzulassung auf.

119. Das Gericht hat ihnen in den angefochtenen Beschlüssen bereits eine sachgerechte Antwort darauf gegeben. Es hat insoweit ausgeführt: „[Es] ist festzuhalten, dass diese Handlungen keinesfalls gleichwertig sind, auch wenn sich eine solche Bewertung auf die tatsächliche Feststellung stützen mag, dass die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Zulassung gemäß Art. 18 Abs. 4 Buchst. a der [SRM‑]Verordnung … nicht mehr erfüllt sind. Insoweit genügt die Feststellung, dass sich die Voraussetzungen für den Entzug der Zulassung, die in Art. 18 der Richtlinie 2013/36/EU[(41)] … genannt sind, deutlich von den Erwägungen unterscheiden, die der Bewertung eines sicheren oder wahrscheinlichen Ausfalls zugrunde liegen, wie sie in Art. 18 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 festgelegt sind.“(42)

120. Die Rechtsmittelführer wiederholen in diesem Punkt ihre vor dem Gericht vorgetragene Argumentation, ohne ihr noch relevante Ausführungen hinzuzufügen, so dass dieser Teil des Rechtsmittelgrundes nicht zulässig sein kann.

121. Jedenfalls trifft die Argumentation des Gerichts zu: Die Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls eines Kreditinstituts ist etwas anderes als der Erlass einer Entscheidung über den Entzug der Zulassung zu ihrer geschäftlichen Tätigkeit.

122. Umso weniger kann man wie die Rechtsmittelführer schlussfolgern, dass der Erlass der Entscheidung über den Entzug seitens der Aufsichtsbehörde bedeute, dass einzig und allein diese Behörde die Bewertung über den Ausfall vornehmen dürfe.

123. Letztlich ist deshalb auch dieser Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

b)      Zweiter Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes: Änderung der Rechtsstellung der ABLV Bank und der ABLV Luxembourg

1)      Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

124. Außer einer angeblich fehlerhaften Auslegung von Art. 18 der SRM-Verordnung beanstanden die Rechtsmittelführer das, was sie als irrige Argumente des Gerichts im Hinblick auf die Änderung ihrer Rechtsstellung infolge der Bewertung des Ausfallrisikos durch die EZB bezeichnen.

125. Sie behaupten erstens, ihre Rechtsstellung habe sich durch die Veröffentlichung der Bewertungen eines sicheren oder wahrscheinlichen Ausfalls durch die EZB geändert, wodurch diese zu anfechtbaren Handlungen würden.

126. Zweitens sei dem Gericht in Rn. 47 seiner Beschlüsse ein Rechtsfehler unterlaufen, indem es davon ausgegangen sei, der maßgebliche Wortlaut sei derjenige, der dem SRB intern von der EZB übermittelt worden sei, unabhängig davon, wie die Veröffentlichung durch die EZB gelautet habe.

127. Drittens habe das Gericht einen weiteren Rechtsfehler begangen, indem es seine Entscheidung auf die Rechtsprechung gestützt habe, die es angeführt habe, um zu begründen, dass die Bewertung der EZB über den Ausfall keine anfechtbare Handlung sei(43).

128. Die EZB und die Kommission treten diesem Vorbringen entgegen.

2)      Würdigung

129. Soweit die Rechtsmittelführer in diesem Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes Argumente wiederholen, die bereits in den vorigen dargestellt wurden, gilt für sie, was ich an anderer Stelle dieser Schlussanträge dazu ausgeführt habe.

130. Darüber hinaus halte ich den Hinweis für angebracht, dass die Rechtsmittelführer ausschließlich auf die Rechtswirkungen der von der EZB abgegebenen Erklärungen über den Ausfall (d. h. deren Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung) Bezug nehmen. Etwaige Folgen dieser Erklärungen für die wirtschaftliche Situation der betroffenen Banken stehen hier nicht in Rede.

131. Auf die Fragen des Gerichtshofs in der mündlichen Verhandlung ist es den Rechtsmittelführern allerdings nicht gelungen, eine Vorschrift anzuführen, aus der sich ableiten ließe, dass die Erklärung des Ausfalls durch die EZB für sich genommen geeignet wäre, ihre Rechtsstellung zu ändern.

i)      Veröffentlichung der Erklärung über den Ausfall

132. Die von der EZB angestellten Bewertungen des die ABLV Bank und die ABLV Luxembourg betreffenden Ausfallrisikos und die Beschlüsse des SRB wurden am 24. Februar 2018 veröffentlicht.

133. Die Beschlüsse des SRB wurden offiziell als verfahrensabschließende Handlungen veröffentlicht, die sich eindeutig auf die Rechtsstellung der betroffenen Institute auswirkten. Die Bewertung der EZB dagegen war lediglich Gegenstand einer Pressemitteilung(44).

134. Eine etwaige Änderung der Rechtsstellung der Banken könnte sich allenfalls aus der amtlich veröffentlichten abschließenden Entscheidung des SRB ergeben. Die Pressemeldung der EZB über die von ihr vorgenommene Bewertung zu einem Ausfall der beiden Kreditinstitute erfolgte aufgrund des Erlasses und der Veröffentlichung der abschließenden Entscheidung des SRB.

135. Wie die EZB in ihrer Gegenerwiderung(45) mitteilt, wird die Bewertung des Ausfalls durch die EZB, wenn der SRB keine verfahrensabschließende Entscheidung trifft, nicht veröffentlicht, damit die überprüften Kreditinstitute nicht durch negative wirtschaftliche Auswirkungen beeinträchtigt werden.

136. Konsequenterweise teilt die EZB ihre Bewertungen auch nicht mit, bevor der SRB seinen endgültigen Beschluss öffentlich bekannt gegeben hat, um etwaige negative wirtschaftliche Auswirkungen zu vermeiden. Nach der bisherigen Praxis, der auch im vorliegenden Fall gefolgt wurde, werden die Entscheidung des SRB und die Pressemitteilung der EZB zeitgleich veröffentlicht.

137. Theoretisch könnte die EZB ihre Erklärung hinsichtlich des Ausfalls eines Kreditinstituts auch veröffentlichen, ohne dass der SRB die abschließende Entscheidung im Abwicklungsverfahren gemäß Art. 18 der SMR-Verordnung getroffen hätte. Da dies aber hier nicht der Fall war, braucht man sich mit den Auswirkungen eines solchen Verhaltens auf die Lage des betroffenen Kreditinstituts nicht weiter zu beschäftigen.

138. Nach alledem ist das erste Argument der Rechtsmittelführer in diesem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

ii)    Unterschiede zwischen der Erklärung über den Ausfall und der veröffentlichten Mitteilung der EZB

139. Auch das zweite in diesem Teil vorgebrachte Argument ist zurückzuweisen, da es auf einem falschen Verständnis von Rn. 47 der angefochtenen Beschlüsse beruht.

140. In dieser Randnummer kommt das Gericht unter Hinweis auf seine zuvor in den Rn. 32 bis 36 angestellten Erwägungen zum Schluss, es ergebe „sich aus dem Wesen der angefochtenen Handlungen …, dass diese keinesfalls Entscheidungen, sondern vorbereitende Handlungen sind“.

141. Mit dieser Argumentation (deren Richtigkeit bereits weiter oben überprüft wurde) sollte lediglich der von den Rechtsmittelführern in der Nichtigkeitsklage erhobene Vorwurf entkräftet werden, dass sich die Erklärung über einen Ausfall von dem unterscheide, was auf der Website der EZB veröffentlicht worden sei.

142. Relevant war in jedem Fall, dass die Handlung der EZB, die Gegenstand der Klage war (die Erklärung über den Ausfall) beim Gericht nicht selbständig angefochten werden konnte.

iii) In den angefochtenen Beschlüssen angeführte Rechtsprechung

143. Das dritte und letzte Argument dieses Teils des Rechtsmittelgrundes enthält einen Zirkelschluss und ist gleichfalls zurückzuweisen. Die Rechtsmittelführer behaupten, die vom Gericht angeführte Rechtsprechung betreffe Fälle, in denen Zweifel an der Möglichkeit einer Anfechtung der Handlung mit einer Nichtigkeitsklage bestanden hätten, was ihrer Ansicht nach hier nicht der Fall sei.

144. Wie bereits dargelegt, geht es in diesem Rechtsstreit darum, ob unabhängig vom Rechtsbehelf gegen die abschließende Entscheidung des SRB im Abwicklungsverfahren einer Bank auch unmittelbar die Feststellung der Nichtigkeit einer Bewertung des Ausfallrisikos durch die EZB beantragt werden kann.

145. Die vom Gericht angeführte Rechtsprechung war somit einschlägig, um die Zulässigkeit dieser konkreten und von den Rechtsmittelführern erhobenen Klage zu beurteilen. Sie veranschaulicht, wann es möglich ist, die in (wie hier) komplexen Verwaltungsverfahren durch Organe der Union nacheinander vorgenommenen Handlungen anzufechten.

146. Letztlich ist damit auch der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ebenso wie das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

VI.    Kosten

147. Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der gemäß Art. 184 Abs. 1 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag der Gegenpartei zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

148. Gemäß Art. 184 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 140 Abs. 1 der angeführten Verfahrensordnung hat die Kommission als Streithelferin in beiden Rechtssachen ihre Kosten selbst zu tragen.

VII. Ergebnis

149. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor,

1.      die Rechtsmittel als zum Teil unzulässig und zum Teil unbegründet zurückzuweisen,

2.      die ABLV Bank AS zur Tragung der Kosten in der Rechtssache C‑551/19 P sowie Ernests Bernis, Oļegs Fiļs, OF Holding SIA und die Cassandra Holding Company SIA zur Tragung der Kosten in der Rechtssache C‑552/19 P zu verurteilen und

3.      der Europäischen Kommission ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.


1      Originalsprache: Spanisch.


2      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1, im Folgenden: SRM-Verordnung).


3      Im Folgenden: angefochtene Beschlüsse.


4      Beschluss vom 6. Mai 2019, ABLV Bank/EZB (T‑281/18, EU:T:2019:296).


5      Beschluss vom 6. Mai 2019, Bernis u. a./EZB (T‑283/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:295).


6      Die Darstellung der Vorgeschichte entstammt dem Beschluss vom 6. Mai 2019, ABLV Bank/EZB (T‑281/18, EU:T:2019:296, Rn. 1 bis 9).


7      Im Folgenden beziehe ich mich auf sie der Einfachheit halber als „unmittelbare und mittelbare Anteilseigner“.


8      Das Verfahren in der Rechtssache T‑280/18 (ABLV Bank/SRB) ist beim Gericht bis zur Entscheidung über die vorliegenden Rechtsmittel ausgesetzt worden. Die Klage in der Rechtssache T‑282/18 wurde vom Gericht mit Beschluss vom 14. Mai 2020, Bernis u. a./SRB (T‑282/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:209), als unzulässig abgewiesen.


9      Rn. 17 der angefochtenen Beschlüsse.


10      Rn. 34 der angefochtenen Beschlüsse.


11      Die Kommission hat den Gerichtshof um Klarstellung von zwei in Rn. 34 der angefochtenen Beschlüsse ausgeführten Aspekten gebeten: a) der Möglichkeit einer Mitwirkung der Kommission und des Rates im Abwicklungsverfahren, sowie b) des Grades der Bindung des SRB an die Bewertung der EZB. Über diesen letztgenannten Punkt wird der Gerichtshof im Rahmen der Prüfung des Rechtsmittels zu entscheiden haben; dagegen wird es nicht erforderlich sein, dass er sich zur etwaigen Mitwirkung der Kommission und des Rates äußert, da es im vorliegenden Fall nicht zu einer solchen Mitwirkung kam.


12      Rn. 29 bis 32 der angefochtenen Beschlüsse.


13      Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission (60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9), und vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ (C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 44): „beschwerend … [sind] nur solche Handlungen oder Maßnahmen …, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers unmittelbar und sofort beeinträchtigen können, indem sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise verändern“.


14      Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission (C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 50).


15      Urteile vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission (C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 53), vom 11. November 1981, IBM/Kommission (60/81, EU:C:1981:264, Rn. 12), und vom 24. Juni 1986, AKZO Chemie und AKZO Chemie UK/Kommission (53/85, EU:C:1986:256, Rn. 19).


16      Urteil vom 11. November 1981, IBM/Kommission (60/81, EU:C:1981:264, Rn. 11).


17      Rn. 33 der angefochtenen Beschlüsse.


18      Eine Verfälschung liegt vor, wenn ohne Erhebung neuer Beweise die Würdigung der vorliegenden Beweismittel offensichtlich unzutreffend ist. Diese Verfälschung muss sich jedoch in offensichtlicher Weise aus den Prozessakten ergeben, ohne dass es einer erneuten Würdigung der Tatsachen und Beweise bedarf. Außerdem muss ein Rechtsmittelführer, der eine Verfälschung von Beweismitteln durch das Gericht behauptet, genau angeben, welche Beweismittel das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben (Urteile vom 19. September 2019, Polen/Kommission, C‑358/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:763, Rn. 45, und vom 3. Dezember 2015, Italien/Kommission, C‑280/14, EU:C:2015:792, Rn. 52).


19      Sie tragen dies in Rn. 42 ihrer Erwiderung vor.


20      Nach ständiger Rechtsprechung können „[i]m ersten Rechtszug geprüfte Rechtsfragen … in einem Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden, wenn der Rechtsmittelführer die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts durch das Gericht beanstandet. Könnte nämlich ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in dieser Weise auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Klagegründe und Argumente stützen, würde dies dem Rechtsmittelverfahren einen Teil seiner Bedeutung nehmen (Urteile vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 42, sowie vom 20. September 2016, Mallis u. a./Kommission und EZB, C‑105/15 P bis C‑109/15 P, EU:C:2016:702, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).


21      „Jedoch können die im ersten Rechtszug geprüften Rechtsfragen im Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden, wenn der Rechtsmittelführer die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts durch das Gericht beanstandet. Könnte nämlich ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in dieser Weise auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Klagegründe und Argumente stützen, so würde dies dem Rechtsmittelverfahren einen Teil seiner Bedeutung nehmen“ (vgl. in diesem Sinne das Urteil vom 3. Dezember 2015, Italien/Kommission, C‑280/14, EU:C:2015:792, Rn. 43, und den Beschluss vom 5. September 2019, Iceland Foods/EUIPO, C‑162/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:686, Rn. 5).


22      Rn. 45 der angefochtenen Beschlüsse.


23      Rn. 48 der angefochtenen Beschlüsse.


24      Unmittelbar nach der Festlegung des Abwicklungskonzepts übermittelt es der Ausschuss der Kommission, die es innerhalb von 24 Stunden entweder zu billigen oder unter Berücksichtigung der Aspekte des Abwicklungskonzepts, bei denen ein Ermessensspielraum besteht, Einwände zu erheben hat. Ist die Kommission der Auffassung, dass die Entscheidung des SRB nicht das Kriterium des öffentlichen Interesses erfüllt oder eine erhebliche Änderung des Volumens des Einheitlichen Abwicklungsfonds mit sich bringt, kann sie innerhalb von zwölf Stunden dem Rat vorschlagen, das Abwicklungskonzept zurückzuweisen. Der Rat entscheidet mit einfacher Mehrheit. Die Entscheidung des SRB wird wirksam, wenn innerhalb von 24 Stunden weder von der Kommission noch vom Rat Einwände erhoben werden. Erhebt der Rat Einwände gegen die Beteiligung des Einheitlichen Abwicklungsfonds oder die Kommission gegen Aspekte des Abwicklungskonzepts, bei denen ein Ermessensspielraum besteht, so kann der SRB sein Konzept binnen acht Stunden ändern. Erhebt der Rat Einwände, dass ein Unternehmen einem Abwicklungsverfahren unterzogen wird, weil das Kriterium des öffentlichen Interesses nicht erfüllt sei, wird das betreffende Unternehmen gemäß Art. 18 Abs. 8 der SRM-Verordnung nach dem anwendbaren nationalen Recht geordnet liquidiert.


25      Vgl. den 24. Erwägungsgrund der SMR-Verordnung.


26      Art. 18 der SMR-Verordnung übernimmt weitgehend den Inhalt von Art. 32 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2014, L 173, S. 190).


27      Die inhaltlichen Aspekte der Bewertung des Ausfalls in Verbindung mit bestimmten Verfahrenselementen wurden in den Leitlinien EBA/GL/2015/07 der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde vom 6. August 2015 zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Artikel 32 Absatz 6 der Richtlinie 2014/59 als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist (im Folgenden: EBA-Leitlinien von 2015 über den Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall), fortentwickelt.


28      Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der SRM-Verordnung.


29      Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 3 der SRM-Verordnung.


30      Diese in Art. 18 Abs. 4 der SRM-Verordnung genannten Elemente sind:


–      die Bewertung der Erfüllung der Voraussetzungen zum Erhalt der Zulassung der Tätigkeit als und der Rechtfertigung des Entzugs derselben durch die EZB, unter anderem (aber nicht ausschließlich), weil das Institut Verluste erlitten hat oder voraussichtlich erleiden wird, durch die sein gesamtes Eigenkapital oder ein wesentlicher Teil seines Eigenkapitals aufgebraucht wird;


–      die Überprüfung, dass „[d]ie Vermögenswerte des Unternehmens … die Höhe seiner Verbindlichkeiten [unterschreiten] oder … objektive Anhaltspunkte dafür vor[liegen], dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird“;


–      die Feststellung, dass „[d]as Unternehmen … nicht in der Lage ist, seine Schulden oder sonstigen Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu begleichen, oder dass objektive Anhaltspunkte dafür vor[liegen], dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird“;


–      der Bedarf an außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln (mit Ausnahme einiger besonderer Fälle).


31      Art. 21 Abs. 2 der SRM-Verordnung legt ebenfalls eine Form der Bewertung des Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls fest, und zwar im Hinblick auf die Entscheidung über die Herabschreibung und Umwandlung der Kapitalinstrumente. Diese Beurteilung stimmt mit der in Art. 18 vorgesehenen überein.


32      Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der SRM-Verordnung.


33      Gemäß Art. 18 Abs. 5 der SRM-Verordnung „ist eine Abwicklungsmaßnahme als im öffentlichen Interesse liegend zu betrachten, wenn sie für das Erreichen eines oder mehrerer der in Artikel 14 genannten Abwicklungsziele notwendig und mit Blick auf diese Ziele verhältnismäßig ist und wenn dies bei einer Liquidation des Unternehmens im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nicht im selben Umfang der Fall wäre“.


34      In dieser Rechtssache gab es nur zwei Beschlüsse des SRB vom 23. Februar 2018 (SRB/EES/2018/09 und SRB/EES/2018/10) und keinen Beschluss der Kommission oder des Rates. Der SRB ging davon aus, dass es nicht sachgerecht sei, ein Abwicklungskonzept festzulegen, und teilte dies den nationalen Abwicklungsbehörden von Lettland und Luxemburg mit.


35      Die zeitliche Nähe zwischen der einen Handlung (Bewertung des Ausfalls) und der anderen (Beschluss des SRB) darf nicht zu einer Verwechslung ihres unterschiedlichen Charakters führen. In dieser Rechtssache datieren die Bewertungen des Ausfalls der EZB und die Beschlüsse des SRB vom selben Tag. Vgl. die Informationen unter https://srb.europa.eu/en/node/495.


36      Wie bereits ausgeführt, haben die ABLV Bank und ihre unmittelbaren und mittelbaren Anteilseigner jeweils eigene Nichtigkeitsklagen gegen die Handlungen der SRB beim Gericht eingereicht. Zu deren Stand vgl. Nr. 8 dieser Schlussanträge.


37      Urteile vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), und vom 3. Dezember 2019, Iccrea Banca (C‑414/18, EU:C:2019:1036).


38      Nach dem elften Erwägungsgrund der SRM-Verordnung wird hinsichtlich des SRM „eine zentrale Abwicklungsbefugnis auf den gemäß dieser Verordnung eingerichteten Ausschuss für die einheitliche Abwicklung … und auf die nationalen Abwicklungsbehörden übertragen“.


39      Die EBA-Leitlinien von 2015 über den Ausfall oder wahrscheinlichen Ausfall sehen in ihren Abschnitten 32 bis 38 Anhörungen und Informationsaustausch zwischen beiden Behörden vor.


40      Art. 266 AEUV zeigt ein klassisches Beispiel für verbindliche Entscheidungen.


41      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338).


42      Rn. 46 der angefochtenen Beschlüsse.


43      Rn. 29 bis 32 der angefochtenen Beschlüsse.


44      Die Pressemitteilung ist auf der Website der EZB abrufbar unter https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/pr/date/2018/html/ssm.pr180224.en.html.


45      Gegenerwiderung der EZB, Rn. 19.