Language of document : ECLI:EU:T:2023:319

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

7. Juni 2023(*)

„Unionsmarke – Verfallsverfahren – Unionswortmarke RIALTO – Keine ernsthafte Benutzung der Marke – Keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung – Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001“

In der Rechtssache T‑239/22,

Cherusci Ltd mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), vertreten durch Rechtsanwalt S. Reinhard,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Hanf als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

LexDellmeier Intellectual Property Law Firm mit Sitz in München (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwältinnen J. Bogatz, Y. Stone und C. Dory,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov, des Richters D. Petrlík und der Richterin S. Kingston (Berichterstatterin),

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens

auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2023, die gemäß Art. 108 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts in Abwesenheit der Klägerin durchgeführt wurde,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV begehrt die Klägerin, die Cherusci Ltd, die Aufhebung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 10. Februar 2022 (Sache R 695/2021-2) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Copernicus EOOD, eine Rechtsvorgängerin der Klägerin, meldete beim EUIPO am 2. April 2013 das Wortzeichen RIALTO unter Inanspruchnahme der Priorität einer am 1. Oktober 2012 in Deutschland erfolgten Erstanmeldung als Unionsmarke an.

3        Die Marke wurde – nach einer Änderung im Verfahren vor dem EUIPO – für folgende Waren der Klassen 9 und 10 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 9: „PC‑Software; PC‑Hardware; Wissenschaftliche, Schifffahrts‑, Vermessungs‑, fotografische, Film‑, optische, Wäge‑, Mess‑, Signal‑, Kontroll‑, Rettungs- und Unterrichtsapparate und –instrumente, Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität, Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte.“

–        Klasse 10: „Medizingeräte“

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 188/2013 vom 13. September 2013 veröffentlicht. Die Marke wurde am 16. März 2014 unter der Nummer 11706546 eingetragen.

5        Am 6. November 2019 beantragte die Streithelferin, die LexDellmeier Intellectual Property Law Firm, die angegriffene Marke gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) für alle oben in Rn. 3 genannten Waren für verfallen zu erklären, weil sie innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Europäischen Union nicht ernsthaft benutzt worden sei.

6        Mit Entscheidung vom 15. Februar 2021 erklärte die Nichtigkeitsabteilung die angegriffene Marke mit Wirkung ab dem 6. November 2019 in vollem Umfang für verfallen.

7        Die Klägerin legte dagegen am 14. April 2021 bei der Beschwerdekammer des EUIPO gemäß den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 eine Beschwerde ein.

8        Am 26. April 2021 wurde ein von dem Vertreter der Klägerin unterzeichneter Schriftsatz eingereicht, mit dem der Vorsitzende der Zweiten Kammer, der die Sache zugewiesen worden war, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde. Das Ablehnungsgesuch wurde von der Zweiten Beschwerdekammer mit Entscheidung vom 31. August 2021 (im Folgenden: Entscheidung über das Ablehnungsgesuch) zurückgewiesen.

9        Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Beschwerdekammer die Beschwerde zurück.

 Anträge der Parteien

10      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

11      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        im Fall der Eröffnung des mündlichen Verfahrens der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

12      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

13      Die Klägerin macht im Wesentlichen vier Klagegründe geltend: eine rechtsmissbräuchliche Stellung des Antrags auf Erklärung des Verfalls (erster Klagegrund), die fehlende Unparteilichkeit eines Mitglieds der Beschwerdekammer und Rechtsfehler der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch (zweiter Klagegrund), einen Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 aufgrund einer fehlerhaften Beurteilung der von ihr angegebenen Gründe für die Nichtbenutzung der angefochtenen Marke (dritter Klagegrund) sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und eine Verfälschung des Sachverhalts (vierter Klagegrund).

14      Es bietet sich an, zunächst den zweiten Klagegrund und dann den ersten, den dritten und den vierten Klagegrund zu prüfen.

 Zum zweiten Klagegrund: Fehlende Unparteilichkeit eines Mitglieds der Beschwerdekammer und Rechtsfehler der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch

15      Die Klägerin macht als Erstes geltend, dass die angefochtene Entscheidung fehlerhaft sei, da der Vorsitzende der Zweiten Beschwerdekammer befangen gewesen sei. In einem anderen Verfahren (Sache R 2214/2019-2), in dem dasselbe Mitglied der Zweiten Beschwerdekammer aus denselben Gründen wie denen, die im Ablehnungsgesuch geltend gemacht worden seien, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden sei, sei dem Ablehnungsgesuch stattgegeben worden.

16      Als Zweites macht die Klägerin geltend, dass die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch mehrere „Unwahrheiten“ enthalte.

17      Als Drittes macht die Klägerin schließlich geltend, dass die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch von den übrigen Mitgliedern der Zweiten Beschwerdekammer nicht wirksam habe erlassen werden können.

18      Das EUIPO und die Streithelferin vertreten im Wesentlichen die Auffassung, dass der zweite Klagegrund unzulässig, in jedem Fall aber unbegründet sei.

19      Der zweite Klagegrund ist in jedem Fall unbegründet. Auf die Frage, ob er zulässig ist, braucht nicht eingegangen zu werden.

20      Nach Art. 169 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 „[können] [d]ie Prüfer und die Mitglieder der Abteilungen oder einer Beschwerdekammer … von jedem Beteiligten aus einem der in Absatz 1 genannten Gründe oder wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden“.

21      Nach Art. 169 Art. 4 der Verordnung 2017/1001 „[entscheiden] [d]ie Abteilungen und die Beschwerdekammern … in den Fällen der Absätze 2 und 3 ohne Mitwirkung des betreffenden Mitglieds. Bei dieser Entscheidung wird das Mitglied, das sich der Mitwirkung enthält oder das abgelehnt worden ist, durch seinen Vertreter ersetzt.“

22      Zur ersten Rüge ist festzustellen, dass aus Rn. 141 der in der von der Klägerin angeführten Sache (2214/2019-1) ergangenen Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer vom 8. August 2022 hervorgeht, dass dem Ablehnungsgesuch, das die Klägerin in dieser Sache eingereicht hatte, anders als diese geltend macht, nicht stattgegeben wurde. Das Gesuch ist vielmehr „durch die Neuzuordnung des Beschwerdeverfahrens an die erste Beschwerdekammer gegenstandslos geworden“.

23      Zu dem in der vorliegenden Sache eingereichten Ablehnungsgesuch ist festzustellen, dass die Zweite Beschwerdekammer die von der Klägerin in Bezug auf ihren Präsidenten geltend gemachten Ablehnungsgründe und damit das Ablehnungsgesuch aus folgenden, von der Klägerin nicht angegriffenen Erwägungen zurückgewiesen hat:

–        Erstens werde dem Präsidenten der Zweiten Beschwerdekammer nicht vorgeworfen, dass er Vertreter einer der Beteiligten gewesen wäre oder dass er an der angefochtenen Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung mitgewirkt hätte (Rn. 13 der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch).

–        Zweitens werde dem Präsidenten der Zweiten Beschwerdekammer vorgeworfen, Mitglied der Nichtigkeitsabteilung gewesen zu sein, die eine Entscheidung in einer anderen, die Unionswortmarke LUCEO betreffenden Sache (5424 C) angenommen habe, und in dieser Entscheidung unwahre und falsche Behauptungen über die Markenagentur des Vertreters der Inhaberin der Marke gemacht zu haben, nicht realitätsbezogen gewesen zu sein und die Argumente der Inhaberin der Marke und deren Anspruch auf rechtliches Gehör ignoriert zu haben (Rn. 14 der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch). Die Entscheidung sei aber nicht vom Präsidenten der Zweiten Beschwerdekammer alleine angenommen worden, sondern von der Nichtigkeitsabteilung, die aus drei Personen bestehe, gemeinsam. Es könne in einem solchen Zusammenhang nicht von persönlichen Erklärungen des Präsidenten der Zweiten Beschwerdekammer die Rede sein (Rn. 14 und 15 der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch).

–        Drittens werde nicht geltend gemacht, geschweige denn nachgewiesen, dass der Präsident der Zweiten Beschwerdekammer ein persönliches Interesse am vorliegenden Verfahren hätte (Rn. 18 der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch).

24      Die erste Rüge ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

25      Mit der zweiten Rüge macht die Klägerin als Erstes geltend, die Zweite Beschwerdekammer habe zu Unrecht festgestellt, dass ihr Vertreter beantragt habe, ihr Vorbringen gegenüber Dritten vertraulich zu behandeln.

26      Für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ist dieser angebliche Fehler aber ohne Belang. Denn diese Entscheidung kann nicht bereits deshalb rechtswidrig sein, weil die Beschwerdekammer darin ausgeführt hat, dass sie das Vorbringen der Klägerin wegen des Antrags auf vertrauliche Behandlung nur in zusammengefasster und allgemeiner Form beschreiben werde, ohne geschäftliche Daten offenzulegen.

27      Für den Fall, dass das Vorbringen der Klägerin dahin zu verstehen sein sollte, dass die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch wegen der Beschreibung ihres Vorbringens in zusammengefasster und allgemeiner Form nicht hinreichend begründet sei und dass sie deshalb nicht habe nachvollziehen können, warum das Gesuch abgelehnt worden sei, ist festzustellen, dass die Klägerin durch eine solche Beschreibung ihres Vorbringens – insbesondere im Hinblick auf die oben in Rn. 23 getroffenen Feststellungen – nicht daran gehindert ist, nachzuvollziehen, warum ihr Ablehnungsgesuch abgelehnt worden ist.

28      Ebenso beschränkt sich die Klägerin als Zweites darauf, die Feststellung der Beschwerdekammer anzugreifen, dass das Ablehnungsgesuch offenbar vom Vertreter der Klägerin im eigenen Namen eingereicht worden sei, ohne darzutun, inwiefern sich diese angebliche „Unwahrheit“ auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ausgewirkt haben soll.

29      Hierzu ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer lediglich festgestellt hat, dass die Ablehnung nicht im Namen der Klägerin zu erfolgen „scheint“, sondern von deren Vertreter, der in eigenem Namen unterzeichnet habe und die Ablehnung auf Geschäftspapier eingereicht habe, auf dem nicht die Klägerin, sondern ein anderes Unternehmen genannt sei. Die Beschwerdekammer hat daraus aber bei der Entscheidung, die sie, nachdem der Präsident der Zweiten Beschwerdekammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden war, gemäß Art. 169 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 zu treffen hatte, keine Schlussfolgerung gezogen.

30      Demnach ist auch die zweite Rüge als unbegründet zurückzuweisen

31      Dasselbe gilt für die dritte Rüge, mit der geltend gemacht wird, dass die drei Mitglieder, die die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erlassen hätten, dies nicht wirksam hätten tun können.

32      Nach Art. 169 der Verordnung 2017/1001 entscheidet die Beschwerdekammer in Fällen, in denen ein Mitglied einer Beschwerdekammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wird, nämlich ohne Mitwirkung des betreffenden Mitglieds, das durch seinen Vertreter ersetzt wird. Im vorliegenden Fall ist das vorgesehene Verfahren eingehalten worden.

33      Die Klägerin hat auch nicht geltend gemacht, dass Art. 169 der Verordnung 2017/1001 rechtswidrig wäre.

34      Was speziell das Vorbringen der Klägerin angeht, der Präsident der Zweiten Beschwerdekammer habe deren Mitglieder beauftragt, das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch zurückzuweisen, ist festzustellen, dass es sich dabei um eine nicht mit Belegen untermauerte Behauptung handelt.

35      Folglich ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund: Rechtsmissbräuchliche Stellung des Antrags auf Erklärung des Verfalls

36      Die Klägerin macht geltend, dass sich hinter der Streithelferin die Xerox Corporation (im Folgenden: Xerox) verberge, die die angefochtene Marke seit über fünf Jahren verletze, und dass die Stellung des Antrags auf Erklärung des Verfalls unter diesen Umständen rechtsmissbräuchlich sei. XEROX missbrauche das Unionsmarkensystem, indem sie es zu eigenen, kommerziellen Zwecken verwende, nämlich der Zerstörung ihres Markenrechts, damit sie die angefochtene Marke weiterhin unbehelligt verletzten könne.

37      Nach Auffassung des EUIPO, die von der Streithelferin geteilt wird, ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

38      Art. 63 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 sieht vor, dass ein auf einen absoluten Nichtigkeitsgrund bzw. einen Verfallsgrund gestützter Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit oder des Verfalls von jeder natürlichen oder juristischen Person oder jedem Interessenverband von Herstellern, Erzeugern, Dienstleistungsunternehmen, Händlern oder Verbrauchern, der prozessfähig ist, gestellt werden kann. Dagegen beschränkt Art. 63 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung 2017/1001, der auf relative Nichtigkeitsgründe gestützte Anträge auf Nichtigerklärung betrifft, das Recht, einen solchen Antrag zu stellen, auf bestimmte Personen, die ein Rechtsschutzbedürfnis geltend machen können. Aus der Systematik von Art. 63 der Verordnung 2017/1001 ergibt sich daher, dass der Gesetzgeber zwar den Kreis der Personen, die einen auf einen relativen Nichtigkeitsgrund gestützten Antrag auf Nichtigerklärung stellen können, beschränken wollte, nicht aber den Kreis der Personen, die einen auf einen absoluten Nichtigkeitsgrund gestützten Antrag auf Nichtigerklärung oder einen Antrag auf Erklärung des Verfalls stellen können (vgl. Urteil vom 16. November 2017, Carrera Brands/EUIPO – Autec [Carrera], T‑419/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:812, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Art. 63 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 enthält mithin keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein Rechtsschutzbedürfnis erforderlich wäre (Urteile vom 25. Februar 2010, Lancôme/HABM, C‑408/08 P, EU:C:2010:92, Rn. 38, und vom 16. November 2017, Carrera, T‑419/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:812, Rn. 31).

40      Während die relativen Eintragungshindernisse die Interessen von Inhabern bestimmter älterer Rechte schützen, haben die absoluten Eintragungshindernisse und die Verfallsgründe entgegen dem Vorbringen der Klägerin den Schutz des ihnen zugrunde liegenden Allgemeininteresses zum Ziel, was erklärt, warum Art. 63 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 nicht verlangt, dass der Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis nachweist (vgl. Urteil vom 16. November 2017, Carrera, T‑419/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:812, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Hierfür spricht auch der 24. Erwägungsgrund der Verordnung 2017/1001, dem zufolge der Schutz der Unionsmarke nur insoweit berechtigt ist, als diese tatsächlich benutzt wird. Diese Erwägung verdeutlicht, dass Art. 63 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 den Zweck hat, einem möglichst breiten Personenkreis die Möglichkeit zu bieten, eine Unionsmarke anzufechten, die während einer bestimmten Zeit nicht ernsthaft benutzt wurde. Deshalb verlangt diese Vorschrift von demjenigen, der den Antrag auf Erklärung des Verfalls stellt, lediglich, dass er Rechtspersönlichkeit besitzt oder prozessfähig ist; sie verlangt aber nicht, dass er ein Rechtsschutzbedürfnis nachweist (vgl. Urteil vom 16. November 2017, Carrera, T‑419/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:812, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Wie die Beschwerdekammer in Rn. 34 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, ist in Anwendung dieser Rechtsprechung entschieden worden, dass nach Art. 63 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 ein Antrag auf Erklärung des Verfalls von „jeder natürlichen oder juristischen Person“ wegen fehlender oder unzureichender Benutzung einer Marke gestellt werden kann, so dass es in diesem Zusammenhang irrelevant ist, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 19. Juni 2014, Donaldson Filtration Deutschland/ultra air, C‑450/13 P, EU:C:2014:2016, Rn. 42 und 46, und Urteil vom 10. Juni 2020, Leinfelder Uhren München/EUIPO – Schafft [Leinfelder], T‑577/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:259, Rn. 75) oder ob die Person, die den Antrag auf Erklärung des Verfalls stellt, als „Strohmann“ handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 2020, Leinfelder, T‑577/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:259, Rn. 74 und 75).

43      Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundespatentgerichts vom 12. Juni 2012, auf das sich die Klägerin beruft. Denn das Markensystem der Union stellt ein autonomes System dar, und die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern ist ausschließlich auf der Grundlage der Verordnung 2017/1001 zu beurteilen, so dass das EUIPO oder – im Fall einer Klage – das Gericht nicht zu den gleichen Ergebnissen gelangen muss wie die nationalen Behörden und Gerichte in einem gleichartigen Fall (Urteile vom 15. Dezember 2015, LTJ Diffusion/HABM – Arthur und Aston [ARTHUR & ASTON], T‑83/14, EU:T:2015:974, Rn. 37, und vom 20. Januar 2021, 12seasons/EUIPO – Société immobilière et mobilière de Montagny [BE EDGY BERLIN], T‑329/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:22, Rn. 70).

44      Der erste Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 aufgrund einer fehlerhaften Beurteilung der angegebenen Gründe für die Nichtbenutzung

45      Die Klägerin macht geltend, dass eine vorsätzliche rechtswidrige Verletzung einer Unionsmarke deren Nichtbenutzung rechtfertigen könne. Die Benutzung der angegriffenen Marke sei im vorliegenden Fall angesichts deren Verletzung durch Xerox, die seit 2015 ohne ihre Zustimmung Drucker und Druckersoftware unter dem Zeichen RIALTO verkaufe, unzumutbar, wenn nicht unmöglich. Sie sei in der Lizenzierung und dem Verkauf von Markenrechten tätig. Sie habe keine Herstellungs‑, Produktions- oder Vertriebsstätten. Wegen der von Xerox begangenen Verletzung hätten sie und ihre Rechtsvorgängerinnen mit Dritten keine Verhandlungen über die Lizenzierung oder den Verkauf der angefochtenen Marke führen bzw. beginnen können. Denn kein Lizenznehmer bzw. Käufer habe ein Interesse daran, Verträge zu schließen oder ablaufende Verträge zu erneuern, die sich auf eine verletzte Marke bezögen. Alle Marketingmaßnahmen für die angefochtene Marke wären von der Markeninhaberin auch umsonst durchgeführt worden, weil davon das auf dem Markt befindliche Markenplagiat profitiert hätte.

46      Nach Auffassung des EUIPO, die von der Streithelferin geteilt wird, ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

47      Art. 18 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 bestimmt: „Hat der Inhaber die Unionsmarke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren, gerechnet von der Eintragung an, nicht ernsthaft in der Union benutzt, oder hat er eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt, so unterliegt die Unionsmarke den in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.“

48      Nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 wird die Unionsmarke für verfallen erklärt, „wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen“.

49      Im vorliegenden Fall wendet sich die Klägerin nicht gegen Rn. 39 der angefochtenen Entscheidung, in der festgestellt wird, dass sie keine Nachweise für die Benutzung der angegriffenen Marke vorgelegt habe. Sie macht vielmehr geltend, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung der angegriffenen Marke für die Waren, für die sie eingetragen sei, vorlägen.

50      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin zum Vorliegen berechtigter Gründe für die Nichtbenutzung nur Drucker und Software für Drucker der Klasse 9 betrifft. Was insbesondere die Waren der Klasse 10 angeht, entbehrt das Vorbringen der Klägerin, dass Medizingeräte der Klasse 10 Druckern und Software für Drucker ähnlich seien und die Verletzung, die Xerox begangen habe, ihre Rechtsvorgänger daher hinsichtlich der Verwendung der Marke für diese ähnlichen Waren geschwächt habe, offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage. Es ist zurückzuweisen.

51      Allerdings hat die Beschwerdekammer in Rn. 44 der angefochtenen Entscheidung angenommen, dass eine Verletzung der Marke deren Benutzung dem Grunde nach durchaus unzumutbar machen könne, es sich dabei jedoch um eine Frage der Einzelfallumstände handele, wobei die Rechtsprechung zu berücksichtigen sei, wonach Hindernisse, die mit angemessenem Aufwand überwunden werden könnten, keine berechtigten Gründe für eine Nichtbenutzung seien (Urteil vom 14. Juni 2007, Häupl, C‑246/05, EU:C:2007:340, Rn. 50).

52      Die Beschwerdekammer hat sodann festgestellt, dass im vorliegenden Fall keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorlägen. Zur Begründung hat sie ausgeführt:

–        Die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, worin die Geschäftstätigkeit ihrer Rechtsvorgängerinnen bestanden habe; dies sei aber für die Beurteilung der Frage relevant, in welchem konkreten Kontext die Benutzung der angegriffenen Marke als unzumutbar angesehen worden wäre (Rn. 45 der angefochtenen Entscheidung).

–        Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass der Gegenstand der Geschäftstätigkeit der Rechtsvorgängerinnen der Klägerin die Vergabe von Lizenzen gewesen sei und Letztere über keine eigenen Herstellungskapazitäten verfügt habe, sei nicht erkennbar, dass eine Benutzung der Streitmarke im vorliegenden Fall unzumutbar gewesen wäre. Die Klägerin habe sich nämlich auf die allgemeine Behauptung beschränkt, dass ihre Marke seit 2015 verletzt worden sei. Sie habe zu der behaupteten Rechtsverletzung, etwa zu deren örtlicher Ausdehnung und deren Umfang, keine näheren Angaben gemacht. Die tatsächliche Dimension des Hindernisses, mit dem sich die Rechtsvorgängerinnen der Klägerin konfrontiert gesehen hätten, könne daher nicht bewertet werden (Rn. 46 und 47 der angefochtenen Entscheidung).

–        Selbst wenn von einer massiven Verletzung der Marke ausgegangen werde, habe die Klägerin nicht belegt, dass angemessene Maßnahmen gegen die angebliche Rechtsverletzung ergriffen worden seien, bzw. habe nicht nachvollziehbar dargelegt, warum solche Maßnahmen nicht ergriffen worden seien (Rn. 48 bis 54 der angefochtenen Entscheidung).

53      Nach der Rechtsprechung können nur Hindernisse, die einen ausreichend unmittelbaren Zusammenhang mit der Marke aufweisen, deren Benutzung unmöglich oder unzumutbar machen und vom Willen des Markeninhabers unabhängig sind, als „berechtigte Gründe“ für die Nichtbenutzung der Marke im Sinne von Art. 58 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 angesehen werden. Es ist jeweils im konkreten Fall zu prüfen, ob eine Änderung der Unternehmensstrategie zur Umgehung des jeweiligen Hindernisses die Benutzung der Marke unzumutbar macht (Urteile vom 14. Juni 2007, Häupl, C‑246/05, EU:C:2007:340, Rn. 54, und vom 17. März 2016, Naazneen Investments/HABM, C‑252/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:178, Rn. 96).

54      Was den Begriff der unzumutbaren Benutzung angeht, hat der Gerichtshof entschieden, dass, wenn ein Hindernis so beschaffen ist, dass es eine sachgerechte Benutzung der Marke ernsthaft gefährdet, dem Inhaber der Marke nicht zugemutet werden kann, diese dennoch zu benutzen (Urteil vom 14. Juni 2007, Häupl, C‑246/05, EU:C:2007:340, Rn. 53).

55      Weiter ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass sich der Begriff „berechtigte Gründe“ auf nicht mit dem Markeninhaber zusammenhängende Gründe bezieht, nicht aber auf Umstände, die mit seinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zusammenhängen (vgl. Urteil vom 18. März 2015, Naazneen Investments/HABM – Energy Brands [SMART WATER], T‑250/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:160, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Damit gewährleistet ist, dass eingetragene Marken, um nicht zu verfallen, tatsächlich benutzt werden, darf der Begriff der berechtigten Gründe nicht weit ausgelegt werden (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Juni 2007, Häupl, C‑246/05, EU:C:2007:340, Rn. 51).

57      Der Inhaber der betreffenden Marke hat dem EUIPO hinreichende Beweise für das Vorliegen berechtigter Gründe für die Nichtbenutzung der Marke vorzulegen (Urteile vom 13. Dezember 2018, C=Holdings/EUIPO – Trademarkers [C=commodore], T‑672/16, EU:T:2018:926, Rn. 21, und vom 30. Juni 2021, Acciona/EUIPO – Agencia Negociadora PB [REACCIONA], T‑362/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:399, Rn. 31).

58      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin aber rechtlich nicht hinreichend dargetan, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung der angegriffenen Marke vorlägen.

59      Wie die Beschwerdekammer in Rn. 47 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, hat sich die Klägerin nämlich auf die allgemeine Behauptung beschränkt, dass ihre Marke seit 2015 verletzt worden sei. Sie hat zu der behaupteten Verletzung, etwa zu deren örtlicher Ausdehnung und deren Umfang, keine näheren Angaben gemacht. Die tatsächliche Dimension des Hindernisses, mit dem sich die Rechtsvorgängerinnen der Klägerin konfrontiert gesehen hätten, kann daher nicht bewertet werden.

60      Selbst unterstellt, die angegriffene Marke sei verletzt worden, wären die Klägerin und ihre Rechtsvorgängerinnen durch eine Rechtsverletzung wie die, die von der Klägerin angeführt wird, allerdings nicht daran gehindert gewesen, sie zu benutzen. Nach der oben in Rn. 54 angeführten Rechtsprechung kann sich der Inhaber der in Rede stehenden Marke nur dann auf einen berechtigten Grund für die Nichtbenutzung im Sinne von Art. 58 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 berufen, wenn er mit einem Hindernis zu tun hatte, das so beschaffen war, dass es eine sachgerechte Benutzung der Marke „ernsthaft gefährdet[e]“. Aus dem Vorbringen der Klägerin ist aber nicht ersichtlich, dass sie oder ihre Rechtsvorgängerinnen tatsächlich daran gehindert gewesen wären, die angefochtene Marke zu benutzen, oder dass sie sich durch die Benutzung der Marke irgendeiner Gefahr ausgesetzt hätten.

61      In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass die angefochtene Entscheidung nicht mit dem Urteil vom 13. Dezember 2018, C=commodore (T‑672/16, EU:T:2018:926), zu vereinbaren sei.

62      Zwar hat das Gericht in dem Urteil vom 13. Dezember 2018, C=commodore (T‑672/16, EU:T:2018:926), entschieden, dass die Beschwerdekammer in einem Fall, in dem der Inhaber der betreffenden Marke Klagen eines Dritten ausgesetzt war, mit denen das Eigentum an der Marke beansprucht wurde, das Vorliegen berechtigter Gründe für die Nichtbenutzung zu Unrecht verneint habe.

63      Zu diesem Ergebnis ist das Gericht aber gelangt, nachdem es festgestellt hatte, dass die betreffende Klägerin von keinem einzigen Rechtsstreit betroffen war, der dem normalen Geschäftsgang zuzuordnen wäre, sondern von einer betrügerischen und irreführenden Strategie, die aus verschiedenen Manövern unterschiedlicher Art bestand, welche die Beschwerdekammer nicht in ihrer Gesamtheit berücksichtigt hat (Urteil vom 13. Dezember 2018, C=commodore, T‑672/16, EU:T:2018:926, Rn. 56).

64      Das Gericht hat hierzu unter anderem ausgeführt, dass die betreffende Klägerin über mehrere Jahre hinweg während eines erheblichen Teils des maßgeblichen Zeitraums und über diesen hinaus eine Reihe von Manövern ausgesetzt war, die vom District Court of New York (Bezirksgericht New York, Vereinigte Staaten) und der Beschwerdekammer selbst als „betrügerisch“, „täuschend“ und „einschüchternd“ qualifiziert wurden und die aus falschen Angaben gegenüber den Behörden der Vereinigten Staaten, wiederholten Kontaktaufnahmen mit bestehenden oder potenziellen Kunden der betreffenden Klägerin sowie von der Beschwerdekammer als „schikanös“ bezeichneten Rechtsstreitigkeiten bestanden (Urteil vom 13. Dezember 2018, C=commodore, T‑672/16, EU:T:2018:926, Rn. 34). Außerdem hatte die betreffende Klägerin mehrere konkrete und spezifische Beweise für das Vorliegen berechtigter Gründe für die Nichtbenutzung vorgelegt.

65      Die Klägerin hat aber nicht dargetan, dass solche Umstände im vorliegenden Fall vorgelegen hätten. Zu ihrem Vorbringen, dass es ihr wegen der Rechtsverletzung, die Xerox begangen habe, nicht zuzumuten gewesen sei, mit Dritten in Verhandlungen über die Lizenzierung oder den Verkauf der angefochtenen Marke einzutreten, ist festzustellen, dass diese Behauptungen durch keine konkreten Beweise untermauert werden.

66      Auch die Annahme der Beschwerdekammer in Rn. 48 der angefochtenen Entscheidung, dass die Klägerin, selbst wenn von einer massiven Verletzung der Marke ausgegangen werde, hätte handeln können, aber nicht belegt habe, dass angemessene Maßnahmen gegen die angebliche Rechtsverletzung ergriffen worden seien, ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdekammer ist insoweit kein Beurteilungsfehler unterlaufen.

67      Die Behauptung der Klägerin, dass sie drei Jahre nach dem Beginn der behaupteten Rechtsverletzung bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf Strafanzeige erstattet habe und dass sie in dieser Sache bislang nichts weiter mehr gehört habe, genügt insoweit nicht. Das EUIPO macht zu Recht geltend, dass die Klägerin nicht bewiesen habe, dass sie bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf Strafanzeige erstattet habe. Im Übrigen hat die Beschwerdekammer in Rn. 48 der angefochtenen Entscheidung zu Recht darauf hingewiesen, dass wirksame Maßnahmen, die jedem Inhaber einer Unionsmarke zur Verfügung stünden, um sich gegen eine Rechtsverletzung zu wehren, zum Beispiel auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 hätten ergriffen werden können. Die Klägerin macht aber nicht geltend, dass sie solche Schritte unternommen hätte.

68      Die von der Beschwerdekammer vorgenommene Würdigung der geltend gemachten Gründe für die Nichtbenutzung ist somit nicht zu beanstanden. Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und Verfälschung des Sachverhalts

69      Die Klägerin wirft der Beschwerdekammer vor, ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt und die Tatsachen verfälscht zu haben.

70      Nach Auffassung des EUIPO, die von der Streithelferin geteilt wird, ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

71      In Art. 94 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 ist im Rahmen des Unionsmarkenrechts der allgemeine Grundsatz des Schutzes der Verteidigungsrechte verbürgt, der den Anspruch auf rechtliches Gehör einschließt. Nach diesem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts muss der Adressat einer amtlichen Entscheidung, die seine Interessen spürbar berührt, Gelegenheit erhalten, seinen Standpunkt sachdienlich darzulegen (vgl. Urteil vom 8. Oktober 2015, Rosian Express/HABM [Form einer Spieleschachtel], T‑547/13, EU:T:2015:769, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Im vorliegenden Fall macht die Klägerin nicht geltend, dass sie in irgendeinem Stadium des Verfahrens vor dem EUIPO daran gehindert gewesen wäre, ihren Standpunkt darzulegen oder Beweise für die von ihr vorgebrachten Gründe und Argumente beizubringen. Es liegt also nicht der Fall vor, dass die Beschwerdekammer ihre Entscheidung auf einen bestimmten Umstand gestützt hätte, ohne der Klägerin Gelegenheit gegeben zu haben, sich hierzu zu äußern.

73      Soweit mit ihm eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird, ist das Vorbringen der Klägerin demnach zurückzuweisen.

74      Die Klägerin macht mit einer ersten Rüge letztlich geltend, dass die Beschwerdekammer zu Unrecht angenommen habe, dass sie zu ihrer Geschäftstätigkeit, zu den Verletzungen der angegriffenen Marke und zu den finanziellen Gründen, aus denen sie nicht gerichtlich gegen Xerox vorgegangen sei, keinerlei Angaben gemacht habe. Die Beschwerdekammer habe die in den Akten enthaltenen Angaben, die sie hierzu gemacht habe, nicht berücksichtigt.

75      Diese erste Rüge, mit der die Nichtberücksichtigung bestimmter Tatsachen gerügt wird, ist unter Beachtung der Rechtsprechung zu prüfen, wonach das zuständige Organ oder die zuständige Agentur alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Einzelfalls sorgfältig und unparteiisch zu untersuchen hat (vgl. Urteil vom 22. September 2021, Henry Cotton’s Brand Management/EUIPO – Industries Sportswear [Henry Cotton’s], T‑173/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:610, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Sie beruht allerdings auf einem unrichtigen Verständnis der angefochtenen Entscheidung.

77      Erstens hat die Beschwerdekammer in Rn. 45 der angefochtenen Entscheidung nicht festgestellt, dass die Klägerin überhaupt nicht dargelegt hätte, worin die Geschäftstätigkeit ihrer Rechtsvorgängerinnen bestanden habe, sondern, dass sie dies in dem konkreten Zusammenhang der Beurteilung des Vorliegens berechtigter Gründe für die Nichtbenutzung nicht substantiiert dargelegt habe.

78      Im Übrigen hat die Beschwerdekammer in Rn. 46 der angefochtenen Entscheidung den Umstand berücksichtigt, dass die Rechtsvorgängerinnen der Klägerin im relevanten Zeitraum über keine eigenen Herstellungskapazitäten verfügten und sich ihre Geschäftstätigkeit auf die Vergabe von Lizenzen beschränkte. Sie hat angenommen, dass selbst unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten nicht erkennbar sei, dass eine Benutzung der angegriffenen Marke unter diesen Umständen unzumutbar gewesen wäre.

79      In Rn. 47 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer weiter festgestellt, dass sich die Klägerin auf eine allgemeine Behauptung hinsichtlich des Vorliegens einer angeblichen Rechtsverletzung beschränkt habe, ohne hierzu nähere Angaben zu machen und diese zu belegen, auch nicht in der Strafanzeige, die bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf erstattet worden sein soll.

80      Die Beschwerdekammer hat also nicht angenommen, dass die Klägerin zum Vorliegen einer angeblichen Rechtsverletzung überhaupt nichts vorgetragen habe, sondern, dass das, was sie vorgetragen habe, ihre Behauptungen nicht belege, so dass nicht festgestellt werden könne, dass keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung der angefochtenen Marke vorlägen.

81      Auch mit ihrem Vorbringen zu Rn. 49 der angefochtenen Entscheidung kann die Klägerin keinen Erfolg haben. Anders als die Klägerin behauptet, hat die Beschwerdekammer den Umstand, dass die Klägerin bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf Strafanzeige erstattet hat, nicht außer Betracht gelassen. Die Beschwerdekammer hat diese Behauptung durchaus berücksichtigt, insbesondere in Rn. 47 der angefochtenen Entscheidung. Die Beschwerdekammer bemängelt, dass die Klägerin allgemein behauptet hat, aus finanziellen Gründen von einer Rechtsverfolgung Abstand genommen zu haben, und zwar ohne jegliche Tatsachenangaben, anhand deren sich die Plausibilität dieses Einwands verstehen und bewerten ließe.

82      Die erste Rüge ist daher zurückzuweisen.

83      Zur zweiten Rüge, mit der die Klägerin rügt, dass die Beschwerdekammer von ihr von Amts wegen nicht bestimmte Angaben verlangt oder die entsprechenden Informationen nicht in eigener Initiative beschafft habe, ist festzustellen, dass der Inhaber der betreffenden Marke dem EUIPO nach der oben in Rn. 57 dargestellten Rechtsprechung hinreichende Beweise für das Vorliegen berechtigter Gründe für die Nichtbenutzung der Marke vorzulegen hat.

84      Was die Beweislast für die ernsthafte Benutzung in einem Verfahren über die Erklärung des Verfalls angeht, hat der Gerichtshof entschieden, dass der den Art. 42 Abs. 2 und Art. 57 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) (jetzt Art. 47 Abs. 2 und Art. 64 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) inzidenter zu entnehmende Grundsatz, wonach der Nachweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke deren Inhaber obliegt, in Wirklichkeit lediglich zum Ausdruck bringt, was die Vernunft und ein elementares Erfordernis der Verfahrenseffizienz gebieten (Urteil vom 26. September 2013, Centrotherm Systemtechnik/HABM und centrotherm Clean Solutions, C‑610/11 P, EU:C:2013:593, Rn. 61).

85      Es steht nämlich außer Frage, dass der Markeninhaber am besten und in bestimmten Fällen sogar als Einziger in der Lage ist, den Nachweis konkreter Handlungen zu erbringen, die die Behauptung stützen, dass er seine Marke ernsthaft benutzt habe, oder berechtigte Gründe für ihre Nichtbenutzung darzulegen (Urteil vom 26. September 2013, Centrotherm Systemtechnik/HABM und centrotherm Clean Solutions, C‑610/11 P, EU:C:2013:593, Rn. 62).

86      Aus einer Gesamtbetrachtung der Art. 15, Art. 42 Abs. 2, Art. 51 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 18, Art. 47 Abs. 2, Art. 58 Abs. 1 und Art. 64 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) lässt sich somit ableiten, dass im Rahmen eines Verfahrens zur Erklärung des Verfalls einer Marke der Nachweis einer ernsthaften Benutzung der Marke deren Inhaber obliegt und nicht von Amts wegen vom EUIPO zu führen ist (Urteil vom 26. September 2013, Centrotherm Systemtechnik/HABM und centrotherm Clean Solutions, C‑610/11 P, EU:C:2013:593, Rn. 63).

87      Danach oblag der Nachweis des Vorliegens berechtigter Gründe für die Nichtbenutzung der Klägerin. Die Beschwerdekammer war mithin nicht verpflichtet, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass sie bestimmte Beweise beizubringen hat, oder von sich aus entsprechende Informationen zusammenzutragen.

88      Da auch die zweite Rüge zurückgewiesen wird, ist der vierte Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

 Zu den übrigen Stellen der Klageschrift

89      Wie das EUIPO geltend macht, genügt das Vorbringen der Klägerin zu ihrem Versuch, die europäischen Wirtschaft bei der Bekämpfung der Covid‑19-Pandemie zu unterstützen, nicht den Anforderungen von Art. 177 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung. Es weist keinen Bezug zu den geltend gemachten Klagegründen auf und ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits daher nicht von Belang.

90      Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

91      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

92      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Cherusci Ltd trägt die Kosten.

Kornezov

Petrlík

Kingston

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Juni 2023.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

M. van der Woude


*      Verfahrenssprache: Deutsch.