Language of document : ECLI:EU:F:2010:115

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Zweite Kammer)

30. September 2010

Rechtssache F-36/05

Gudrun Schulze

gegen

Europäische Kommission

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Ernennung – Bewerber, die vor dem Inkrafttreten des neuen Statuts auf einer Reserveliste standen – Übergangsvorschriften für die Einstufung in die Besoldungsgruppe bei der Einstellung – Einstufung in die Dienstaltersstufe – Art. 32 des Statuts – Art. 2, 5 und 12 des Anhangs XIII des Statuts – Diskriminierung aufgrund des Alters – Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Fürsorgepflicht“

Gegenstand: Klage nach Art. 236 EG und 152 EA auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 8. Februar 2005, mit der die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen wurde, und der Entscheidung der Kommission vom 11. Oktober 2004, mit der sie in die Besoldungsgruppe A*6, Dienstaltersstufe 2, eingestuft wurde, hilfsweise auf Verurteilung der Kommission zur Zahlung von Schadensersatz an die Klägerin

Entscheidung: Die Klage wird abgewiesen. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Leitsätze

1.      Beamte – Beamteneigenschaft – Voraussetzungen für den Erwerb

(Beamtenstatut, Art. 3)

2.      Beamte – Einstellung – Ernennung in der Besoldungsgruppe – Einführung einer neuen Laufbahnstruktur durch die Verordnung Nr. 723/2004 – Übergangsbestimmungen für die Einstufung in die Besoldungsgruppe

(Beamtenstatut, Art. 7 Abs. 1, Art. 27 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 1; Anhang XIII, Art. 12 Abs. 3; Verordnung Nr. 723/2004 des Rates)

3.      Beamte – Einstellung – Ernennung in der Besoldungsgruppe – Einführung einer neuen Laufbahnstruktur durch die Verordnung Nr. 723/2004 – Übergangsbestimmungen für die Einstufung in die Besoldungsgruppe

(Beamtenstatut, Anhang XIII Art. 12 Abs. 3; Verordnung Nr. 723/2004 des Rates)

4.      Beamte – Dienstliche Verwendung – Entsprechung von Besoldungsgruppe und Dienstposten – Einstufung einer zu besetzenden Stelle

(Beamtenstatut, Art. 5 Abs. 4, Art. 7 Abs. 1 und Art. 62 Abs. 1; Anhang I; Verordnung Nr. 723/2004 des Rates)

5.      Beamte – Grundsätze – Fürsorgepflicht der Verwaltung – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Grenzen

(Beamtenstatut, Anhang XIII Art. 12 Abs. 3)

1.       Nach Art. 3 des Statuts beruht die Ernennung eines Beamten notwendigerweise auf einer von der Anstellungsbehörde einseitig erstellten Urkunde, in der der Zeitpunkt, zu dem die Ernennung wirksam wird, und die Planstelle bestimmt sind, in die der Beamte eingewiesen wird. Erst nach einer solchen ihn betreffenden Entscheidung kann sich der erfolgreiche Teilnehmer an einem allgemeinen Auswahlverfahren auf seine Beamteneigenschaft und demgemäß auf die Vorschriften des Statuts berufen.

(vgl. Randnr. 48)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: 11. Juli 2007, Centeno Mediavilla u. a./Kommission, T‑58/05, Slg. 2007, II‑2523, Randnrn. 54 und 55

2.      Der Gleichheitsgrundsatz kann nicht die Freiheit des Gesetzgebers beschränken, jederzeit Änderungen an den Statutsbestimmungen vorzunehmen, wenn er meint, dass dies dem dienstlichen Interesse entspricht, und zwar auch dann, wenn sich diese Bestimmungen als weniger günstig als die bisherigen Bestimmungen erweisen, da andernfalls jede Weiterentwicklung des Rechts durch den Gesetzgeber verhindert würde.

Daher durfte der Gesetzgeber im Rahmen der Statutsreform zum einen bestimmen, dass die erfolgreichen Teilnehmer an Auswahlverfahren, für die vor dem 1. Mai 2004 eine Einstellung in der Besoldungsgruppe A 7 oder A 6 vorgesehen war, künftig in der Besoldungsgruppe A*6 eingestellt werden, und zum anderen bei dieser Gelegenheit die diesen Besoldungsgruppen zugeordneten Dienstbezüge herabsetzen.

Mit diesem Vorgehen hat der Gesetzgeber nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz und insbesondere nicht gegen das Verbot jeder Diskriminierung aufgrund des Alters verstoßen, da die Entsprechungstabelle für die Besoldungsgruppen in Art. 12 Abs. 3 des Anhangs XIII des Statuts und die Monatsgrundgehälter offensichtlich nichts mit einer unmittelbaren oder mittelbaren Berücksichtigung des Alters der Betroffenen zu tun haben.

Gemäß der Regelung, die sich aus den Art. 7 Abs. 1, 27 Abs. 1 und 29 Abs. 1 des Statuts ergibt, wonach das Niveau der Stellen nach Maßgabe ihrer Art, ihrer Bedeutung und ihres Umfangs unabhängig von den Qualifikationen der Betroffenen festgelegt wird, unterscheidet zudem die in Art. 12 Abs. 3 des Anhangs XIII des Statuts enthaltene Entsprechungstabelle für die Besoldungsgruppen die Eingangsbesoldungsgruppe A*5 von der darüber liegenden Besoldungsgruppe A*6, um der für die Stellen dieses Niveaus erforderlichen Erfahrung Rechnung zu tragen.

Es kann daher nicht behauptet werden, dass Art. 12 Abs. 3 des Anhangs XIII des Statuts der Berücksichtigung von Berufserfahrung entgegenstehe; er verpflichtet die Anstellungsbehörde vielmehr, bei der objektiven Festlegung des Niveaus der zu besetzenden Stellen dieser Erfahrung im dienstlichen Interesse Rechnung zu tragen.

(vgl. Randnrn. 58 bis 62)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 22. Dezember 2008, Centeno Mediavilla u. a./Kommission, C‑443/07 P, Slg. 2008, I‑10945, Randnr. 83

Gericht erster Instanz: 30. September 1998, Ryan/Rechnungshof, T‑121/97, Slg. 1998, II‑3885, Randnrn. 98 und 104; 29. November 2006, Campoli/Kommission, T‑135/05, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑297 und II‑A‑2‑1527, Randnr. 105; Centeno Mediavilla u. a./Kommission, Randnrn. 86, 89 und 113

Gericht für den öffentlichen Dienst: 19. Juni 2007, Davis u. a./Rat, F‑54/06, Slg. ÖD 2007, I‑A‑1‑165 und II‑A‑1‑911, Randnr. 81

3.      Das Recht von Arbeitnehmern, die bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sind, für gleichwertige Arbeit das gleiche Entgelt zu erhalten, ist eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes, dessen Beachtung das Gericht für den öffentlichen Dienst zu gewährleisten hat. Dieses Recht kommt im Übrigen in Art. 7 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie im Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation zum Ausdruck.

Der Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte jedoch dann nicht, wenn die Differenzierung durch relevante objektive Umstände gerechtfertigt ist, die der richterlichen Kontrolle unterliegen.

Im Rahmen der Statutsreform durfte der Gesetzgeber die Entsprechung von Besoldungsgruppen und Dienstposten insbesondere durch den Erlass von Art. 12 Abs. 3 des Anhangs XIII Statuts ändern, da eine Übergangsbestimmung naturgemäß eine Abweichung von einzelnen Statutsbestimmungen mit sich bringt, deren Anwendung durch die Änderung der Regelung zwangsläufig berührt wird.

Daher kann bei den Beamten, die nach Inkrafttreten der Statutsreform ernannt wurden, nicht davon ausgegangen werden, dass sie sich in der gleichen rechtlichen Lage befunden haben wie die Beamten, die vor dem 1. Mai 2004 eingestellt wurden und für deren Ernennung das alte Statut galt.

In Anbetracht der Reform der Besoldungsgruppenstruktur hat der Gesetzgeber daher nicht dadurch gegen den Grundsatz gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit verstoßen, dass er den nach dieser Reform eingestellten Beamten eine Vergütung gewährt, die an die Besoldungsgruppe anknüpft, in die sie gemäß Art. 12 Abs. 3 des Anhangs XIII des Statuts eingestuft worden sind, und die ungünstiger ist als die Vergütung nach den alten Besoldungsgruppen, in die die vor dem 1. Mai 2004 eingestellten Beamten eingestuft wurden.

Folglich verstößt es nicht gegen den Grundsatz gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit, dass Beamte der Funktionsgruppen Assistenz oder Administration, die vor dem 1. Mai 2004 eingestellt wurden, besser vergütet werden sollen als die nach diesem Zeitpunkt eingestellten Beamten.

(vgl. Randnrn. 74 bis 79)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 26. Juni 2001, Brunnhofer, C‑381/99, Slg. 2001, I‑4961, Randnr. 28; Centeno Mediavilla u. a./Kommission, Randnrn. 77 bis 79 und 105

Gericht erster Instanz: Centeno Mediavilla u. a./Kommission, Randnrn. 75, 80, 114, 126 und 129

4.      Aus Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 62 Abs. 1 des Statuts, wonach der Beamte Anspruch auf die seiner Besoldungsgruppe und seiner Dienstaltersstufe entsprechende Vergütung hat, ergibt sich, dass einem Beamten nach Festlegung seiner Besoldungsgruppe und damit der Höhe seiner Bezüge keine Planstelle übertragen werden kann, die dieser Besoldungsgruppe nicht entspricht. Mit anderen Worten, die Besoldungsgruppe und somit die Vergütung, auf die ein Beamter Anspruch hat, bestimmt die Aufgaben, mit denen er betraut werden darf. Demzufolge ist auch jeder Beamte nach dem Grundsatz der Entsprechung von Besoldungsgruppe und Dienstposten berechtigt, die Einweisung in eine Planstelle abzulehnen, die nicht seiner Besoldungsgruppe entspricht, und somit letztlich Funktionen abzulehnen, die nicht seiner Vergütung entsprechen.

Dem steht nicht entgegen, dass Art. 5 Abs. 4 und Anhang I des Statuts in der sich aus der Verordnung Nr. 723/2004 zur Änderung des Statuts der Beamten und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten ergebenden Fassung keine feste Entsprechung zwischen einer bestimmten Funktion und einer bestimmten Besoldungsgruppe herstellen. Denn diese Bestimmungen ändern nicht den sich aus Art. 7 Abs. 1 des Statuts ergebenden Grundsatz, wonach das Niveau der zu besetzenden Planstelle unter Berücksichtigung der Bedeutung der Aufgaben, die mit der betreffenden Funktion verbunden sind, und ausschließlich nach dienstlichen Gesichtspunkten festzulegen ist. Sie bedeuten lediglich, dass die Anstellungsbehörde nicht verpflichtet ist, in einer Stellenausschreibung die Besoldungsgruppe einer zu besetzenden Planstelle genau festzulegen. Die Anstellungsbehörde muss jedoch bei der Ausübung ihres weiten Ermessens dafür sorgen, dass zum einen die Spanne der von ihr in der Stellenausschreibung angegebenen Besoldungsgruppen die Bedeutung der in Rede stehenden Aufgaben hinreichend widerspiegelt, und zum anderen die Ernennung in einer dieser Besoldungsgruppen insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung der zu übernehmenden Aufgaben objektiven Charakter bewahrt.

(vgl. Randnrn. 80 und 81)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: 7. Mai 1991, Jongen/Kommission, T‑18/90, Slg. 1991, II‑187, Randnr. 27; 8. Juli 2008, Kommission/Economidis, T‑56/07 P, Slg. ÖD 2008, I‑B‑1‑31 und II‑B‑1‑213, Randnrn. 82 bis 86; 18. Juni 2009, Kommission/Traore, T‑572/08 P, Slg. ÖD 2009, I‑B‑1‑39 und II‑B‑1‑223, Randnrn. 38, 40 und 41

5.       Der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung besitzt keine höherrangige Verbindlichkeit als eine Verordnung. Das Gleiche gilt für die Fürsorgepflicht der Verwaltung gegenüber ihren Bediensteten, die das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten widerspiegelt, das das Statut im Verhältnis zwischen der Behörde und den Bediensteten geschaffen hat, und die daher stets ihre Grenze in der Einhaltung der geltenden Vorschriften findet.

Wegen des Rangs, den der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und die Fürsorgepflicht in der Normenhierarchie somit einnehmen, kann sich ein Beamter, der in dem Zeitraum vom 1. Mai 2004 bis 30. April 2006 ernannt wurde, folglich nicht auf sie berufen, um ein anderes Ergebnis zu erwirken als das, das sich aus Art. 12 Abs. 3 des Anhangs XIII des Statuts ergibt, da das Organ durch diese Bestimmung gebunden ist.

(vgl. Randnrn. 86 und 87)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: 27. März 1990, Chomel/Kommission, T‑123/89, Slg. 1990, II‑131, Randnr. 32; 17. Juni 1993, Arauxo-Dumay/Kommission, T‑65/92, Slg. 1993, II‑597, Randnr. 37; 22. Juni 1994, Rijnoudt und Hocken/Kommission, T‑97/92 und T‑111/92, Slg. ÖD 1994, I‑A‑159 und II‑511, Randnr. 104; Campoli/Kommission, Randnr. 149

Gericht für den öffentlichen Dienst: 23. Januar 2007, Chassagne/Kommission, F‑43/05, Slg. ÖD 2007, I‑A‑1‑27 und II‑A‑1‑139, Randnr. 111