Language of document : ECLI:EU:T:2013:106

Rechtssache T‑93/10

Bilbaína de Alquitranes, SA u. a.

gegen

Europäische Chemikalienagentur (ECHA)

„REACH – Ermittlung von Pech, Kohlenteer, Hochtemperatur, als besonders besorgniserregender Stoff – Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlung – Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht – Unmittelbare Betroffenheit – Zulässigkeit – Gleichbehandlung – Verhältnismäßigkeit“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Siebte erweiterte Kammer) vom 7. März 2013

1.      Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Begriff – Handlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen – Vorbereitende Handlungen – Ausschluss – Entscheidung der Europäischen Chemikalienagentur, mit der Pech, Kohlenteer, Hochtemperatur, als besonders besorgniserregender Stoff ermittelt wurde – Handlung, die Rechtswirkungen erzeugen soll – Einbeziehung

(Art. 263 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 7 Abs. 2, Art. 31 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 3 Buchst. b, Art. 33 Abs. 1 und 2, Art. 57 und Art. 59)

2.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Unmittelbare Betroffenheit – Kriterien – Entscheidung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), mit der Pech, Kohlenteer, Hochtemperatur, als besonders besorgniserregender Stoff ermittelt wurde – Von den Herstellern dieses Stoffes erhobene Klage – Ermittlung, die die Verpflichtung auslöst, den Abnehmern des Stoffes ein aktuelles Sicherheitsdatenblatt zur Verfügung zu stellen – Zulässigkeit

(Art. 263 Abs. 4 AEUV; Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 31 Abs. 1 Buchst. a bis c und Abs. 9 Buchst. a, Art. 34 Buchst. a, Art. 57 Buchst. a, d und e sowie Art. 59; Richtlinie 67/548 des Rates)

3.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Begriff des Rechtsakts mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV – Jeder Rechtsakt mit allgemeiner Geltung mit Ausnahme von Gesetzgebungsakten – Entscheidung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), mit der ein Stoff als besonders besorgniserregend ermittelt wurde – Einbeziehung – Handlung, die keine Durchführungsmaßnahmen im Sinne dieser Bestimmung des Vertrags nach sich zieht

(Art. 263 Abs. 4 AEUV und 289 Abs.1 bis 3 AEUV; Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 31 Abs. 9 Buchst. a, Art. 34 Buchst. a, Art. 57, Art. 59 und Art. 75 Abs. 1)

4.      Rechtsangleichung – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – REACH-Verordnung – Besonders besorgniserregende Stoffe – Ermittlungsverfahren – Ermessen der Unionsbehörden – Umfang – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen – Verstoß der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung – Fehlen

(Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 57 und Art. 59)

5.      Rechtsangleichung – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – REACH-Verordnung – Besonders besorgniserregende Stoffe – Ermittlungsverfahren – Stoffe mit persistenten, bioakkumulierenden und toxischen oder sehr persistenten und sehr bioakkumulierenden Eigenschaften – Einstufung auf der Grundlage der Eigenschaften der Bestandteile – Zulässigkeit – Anwendung einer Konzentrationsschwelle zum Zweck der Einstufung – Zulässigkeit

(Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 14 Abs. 2 Buchst. f, Art. 31 Abs. 3 Buchst. b, Art. 56 Abs. 6, Art. 57 Buchst. d und e sowie Anhang XIII)

6.      Rechtsangleichung – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – REACH-Verordnung – Besonders besorgniserregende Stoffe – Ermittlungsverfahren – Stoffe mit persistenten, bioakkumulierenden und toxischen oder sehr persistenten und sehr bioakkumulierenden Eigenschaften – Einstufung auf der Grundlage der Eigenschaften der Bestandteile – Verpflichtung zur Einleitung eines gesonderten Verfahrens in Bezug auf die Bestandteile – Fehlen

(Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 57 Buchst. d und e, Art. 59 und Anhang XIII)

7.      Rechtsangleichung – Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – REACH-Verordnung – Besonders besorgniserregende Stoffe – Ermittlungsverfahren – Entscheidung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), mit der Pech, Kohlenteer, Hochtemperatur, als besonders besorgniserregender Stoff ermittelt wurde – Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Fehlen

(Verordnung Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, 16. Erwägungsgrund, Art. 1 Abs. 1, Art. 14 Abs. 6, Art. 59 und Anhang XV)

1.      Die Nichtigkeitsklage ist gegen alle Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union gegeben, die Rechtswirkungen entfalten, ohne dass es auf ihre Rechtsnatur oder ‑form ankäme. Bei Handlungen oder Entscheidungen, die in einem mehrphasigen Verfahren ergehen, insbesondere zum Abschluss eines internen Verfahrens, liegt eine anfechtbare Handlung grundsätzlich nur bei den Maßnahmen vor, die den Standpunkt des Organs, der Einrichtung oder der betroffenen sonstigen Stelle der Union zum Abschluss dieses Verfahrens endgültig festlegen. Demnach ist gegen vorläufige Entscheidungen oder solche rein vorbereitender Natur keine Nichtigkeitsklage gegeben.

Die Nichtigkeitsklage ist daher gegen die Entscheidung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) gegeben, mit der Pech, Kohlenteer, Hochtemperatur, nach Art. 59 der Verordnung Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) als Stoff ermittelt wurde, der die Kriterien des Art. 57 dieser Verordnung erfüllt, da eine solche Entscheidung verbindliche Rechtswirkungen gegenüber Dritten erzeugen soll.

Der Rechtsakt zur Ermittlung eines Stoffes, der in dem Verfahren des genannten Art. 59 ergeht, soll gegenüber Dritten verbindliche Rechtswirkungen im Sinne von Art. 263 Abs. 1 Satz 2 AEUV erzeugen. Dieser Rechtsakt löst nämlich die in Art. 7 Abs. 2, Art. 31 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 3 Buchst. b sowie Art. 33 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1907/2006 vorgesehenen Informationspflichten aus. Diese Bestimmungen nehmen auf die Stoffe Bezug, die gemäß Art. 59 Abs. 1 der Verordnung ermittelt wurden oder in die nach Art. 59 Abs. 1 der Verordnung erstellte Liste aufgenommen werden oder darin enthalten sind. Sie legen somit rechtliche Pflichten fest, die sich aus dem Rechtsakt ableiten, der in dem Verfahren des genannten Art. 59 ergeht.

(vgl. Randnrn. 27, 28, 32)

2.      Für die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit einer natürlichen oder juristischen Person als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Nichtigkeitsklage ist erforderlich, dass erstens sich die angefochtene Handlung auf die Rechtsstellung des Betreffenden unmittelbar auswirkt und zweitens sie den Adressaten dieser Handlung, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergibt.

Insoweit ist eine Entscheidung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), mit der Pech, Kohlenteer, Hochtemperatur, als besonders besorgniserregender Stoff ermittelt wurde, der die Kriterien nach Art. 57 Buchst. a, d und e der Verordnung Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) erfüllt, dahin zu verstehen, dass sie die Hersteller dieses Stoffes unmittelbar betrifft, da die Hersteller verpflichtet sind, die Sicherheitsdatenblätter zu aktualisieren, weil die Ermittlung des Stoffes eine neue Information mit möglichen Auswirkungen auf Risikomanagementmaßnahmen oder über Gefährdungen im Sinne von Art. 31 Abs. 9 Buchst. a der vorstehend genannten Verordnung darstellt. Nach Art. 31 Abs. 1 Buchst. a bis c der genannten Verordnung müssen die Lieferanten eines Stoffes den Abnehmern dieses Stoffes diese Sicherheitsdatenblätter zur Verfügung stellen, wenn der Stoff die Kriterien für die Einstufung als gefährlich gemäß der Richtlinie 67/548 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe erfüllt. Die Ermittlung löst auch die Informationspflicht nach Art. 34 Buchst. a der Verordnung Nr. 1907/2006 aus. Sie wirkt sich daher wegen der Verpflichtungen nach den vorstehend genannten Vorschriften unmittelbar auf die Rechtsstellung der Hersteller aus.

(vgl. Randnrn. 37, 38, 48, 50, 51)

3.      Der Begriff des Rechtsakts mit Verordnungscharakter im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist dahin zu verstehen, dass er jeden Rechtsakt mit allgemeiner Geltung mit Ausnahme von Gesetzgebungsakten erfasst.

Eine Entscheidung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), mit der ein Stoff als besonders besorgniserregend ermittelt wurde, da er eines oder mehrere Kriterien nach Art. 57 der Verordnung Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) erfüllt, stellt einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter dar. Diese Entscheidung hat nämlich allgemeine Geltung, da sie für bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber einer allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppe erzeugt, nämlich gegenüber jeder natürlichen oder juristischen Person, die unter den Anwendungsbereich der Art. 31 Abs. 9 Buchst. a und Art. 34 Buchst. a der Verordnung Nr. 1907/2006 fällt. Zudem stellt diese Entscheidung keinen Gesetzgebungsakt dar, da sie weder nach dem gewöhnlichen Gesetzgebungsverfahren noch nach dem besonderen Gesetzgebungsverfahren im Sinne des Art. 289 Abs. 1 bis 3 AEUV erlassen wurde. Eine solche Entscheidung ist nämlich eine Handlung der ECHA, die aufgrund von Art. 59 der Verordnung Nr. 1907/2006 erlassen worden ist. Diese enthält keine Durchführungsmaßnahmen, da die Ermittlung eines Stoffes als besonders besorgniserregend Informationspflichten auslöst, ohne dass noch weitere Maßnahmen erforderlich wären.

Da Art. 263 Abs. 1 AEUV ausdrücklich die Überwachung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union mit Rechtswirkungen gegenüber Dritten erwähnt, hatten die Verfasser des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Übrigen also die Absicht, auch die Handlungen der ECHA als einer sonstigen Stelle der Union grundsätzlich der Kontrolle durch das Unionsgericht zu unterwerfen. Die Aufgabe der ECHA nach Art. 75 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1907/2006, die darin besteht, die technischen, wissenschaftlichen und administrativen Aspekte dieser Verordnung zu verwalten und in einigen Fällen durchzuführen und die Einheitlichkeit auf Unionsebene zu gewährleisten, schließt insoweit nicht die Befugnis aus, Rechtsakte mit Verordnungscharakter zu erlassen.

(vgl. Randnrn. 55-60, 63, 65)

4.      Da die Unionsbehörden über ein weites Ermessen, insbesondere in Bezug auf die Beurteilung von hoch komplexen wissenschaftlichen und technischen tatsächlichen Umständen bei der Festlegung von Art und Umfang der von ihnen erlassenen Maßnahmen, verfügen, wie dies der Fall ist, wenn die Kommission schrittweise die Vorschriften über besonders besorgniserregende Stoffe im Sinne des Titels VII der Verordnung Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) verwirklicht, muss sich die Kontrolle durch den Unionsrichter auf die Prüfung beschränken, ob die Ausübung dieses Ermessens nicht offensichtlich fehlerhaft ist, einen Ermessensmissbrauch darstellt oder diese Behörden die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten haben. In einem solchen Kontext darf der Unionsrichter nämlich nicht seine Beurteilung der tatsächlichen Umstände wissenschaftlicher und technischer Art an die Stelle derjenigen der Unionsbehörden setzen, denen allein der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union diese Aufgabe anvertraut hat.

Das weite Ermessen der Unionsbehörden, das eine begrenzte gerichtliche Kontrolle seiner Ausübung impliziert, bezieht sich jedoch nicht ausschließlich auf die Art und die Tragweite der zu erlassenden Bestimmungen, sondern in bestimmtem Umfang auch auf die Feststellung der Grunddaten. Für eine solche gerichtliche Kontrolle ist es aber, auch wenn sie begrenzt ist, erforderlich, dass die Unionsbehörden, die den in Rede stehenden Rechtsakt erlassen haben, in der Lage sind, vor dem Unionsgericht zu belegen, dass sie beim Erlass des Rechtsakts ihr Ermessen tatsächlich ausgeübt haben, was voraussetzt, dass alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollten, berücksichtigt worden sind.

Da das Verfahren zur Ermittlung eines Stoffes als besonders besorgniserregend nach Art. 59 der Verordnung Nr. 1907/2006 der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) nicht die Befugnis verleiht, die zu ermittelnden Stoffe auszuwählen, soweit Art. 59 Abs. 2 und 3 dieser Verordnung vorsieht, dass die Feststellung, dass sie die Kriterien des Art. 57 dieser Verordnung erfüllen, Sache der Kommission oder des betroffenen Mitgliedstaats ist, kann der ECHA nicht vorgeworfen werden, den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt zu haben, indem sie einen Stoff als besonders besorgniserregend ermittelte, ohne die Ermittlung anderer vermeintlich vergleichbarer Stoffe aufgenommen zu haben.

(vgl. Randnrn. 70-72, 76, 77)

5.      In Bezug auf eine Entscheidung, mit der ein Stoff aufgrund seiner persistenten, bioakkumulierenden und toxischen Eigenschaften sowie sehr persistenten und sehr bioakkumulierenden Eigenschaften (PBT‑ oder vPvB-Eigenschaften) als besonders besorgniserregend ermittelt wird, in dem Sinne, dass er die Kriterien des Anhangs XIII der Verordnung Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) erfüllt, kann, da sich ein Stoff aus seinen Bestandteilen zusammensetzt, nicht angenommen werden, dass die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begeht, indem sie davon ausgeht, dass ein Stoff deshalb PBT‑ oder vPvB-Eigenschaften besitze, weil seine Bestandteile diese Eigenschaften besäßen. Auch wenn Anhang XIII der Verordnung Nr. 1907/2006 seinem Wortlaut nach nicht ausdrücklich vorsieht, dass bei Ermittlung von Stoffen mit PBT‑ oder vPvB‑Eigenschaften auch PBT‑ oder vPvB‑Eigenschaften der maßgeblichen Bestandteile des Stoffes zu berücksichtigen sind, schließt er eine solche Herangehensweise nicht aus. Indessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Stoff bereits deshalb eine bestimmte Anzahl von Eigenschaften besitzt, weil er einen Bestandteil mit diesen Eigenschaften enthält; vielmehr kommt es auf den Prozentsatz und die chemischen Wirkungen des Vorhandenseins eines solchen Bestandteils an.

Auch wenn es zutrifft, dass in Anhang XIII der Verordnung Nr. 1907/2006 keine Konzentrationsschwelle vorgesehen ist, setzt im Übrigen die Anwendung eines solchen Schwellenwerts als Grundlage für die Ermittlung des fraglichen Stoffes auf der Grundlage seiner Bestandteile nicht voraus, dass der Schwellenwert in diesem Anhang angegeben ist. Insoweit wurde der Schwellenwert von 0,1 % im Unionsrecht wiederholt für die Einstufung eines Gemischs auf der Grundlage seiner Bestandteile angewandt. Dies trifft bei Art. 14 Abs. 2 Buchst. f, Art. 31 Abs. 3 Buchst. b, Art. 56 Abs. 6 und Art. 57 Buchst. d und e der Verordnung 1907/2006 zu. Da die Einstufung eines Stoffes nach den Eigenschaften seiner Bestandteile mit der Einstufung eines Gemischs nach den Eigenschaften seiner Stoffe zu vergleichen ist, lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass die Entscheidung der ECHA mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet ist, soweit der Schwellenwert von 0,1 % als Grundlage für die Ermittlung des Stoffes anhand seiner Bestandteile angewandt worden ist.

(vgl. Randnrn. 82, 83, 97-99)

6.      Wenn die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) in dem Verfahren zur Ermittlung eines Stoffes nach Art. 59 der Verordnung Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) einen Stoff wegen seiner persistenten, bioakkumulierenden und toxischen sowie sehr persistenten und sehr bioakkumulierenden Eigenschaften (PBT‑ und vPvB-Eigenschaften) auf der Grundlage der PBT‑ oder vPvB-Eigenschaften seiner Bestandteile als besonders besorgniserregend ermittelt, wird nicht vorausgesetzt, dass diese Bestandteile zuvor selbst durch gesonderte Entscheidung der ECHA als solche mit PBT‑ und vPvB-Eigenschaften ermittelt worden sind. Art. 57 Buchst. d und e sowie Art. 59 der Verordnung Nr. 1907/2006 sehen nur vor, dass die Kriterien des Anhangs XIII dieser Verordnung erfüllt sein müssen.

(vgl. Randnr. 104)

7.      Was die gerichtliche Nachprüfung der Voraussetzungen für die Umsetzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit betrifft, verfügt die auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) eingerichtete Europäische Chemikalienagentur (ECHA) über ein weites Ermessen in einem Bereich, in dem von ihr politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen verlangt werden und in dem sie komplexe Prüfungen durchführen muss. Eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme kann nur dann rechtswidrig sein, wenn sie zur Erreichung des von den zuständigen Organen verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet ist. In Anbetracht des 16. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 1907/2006 hat der Gesetzgeber als Hauptziel das erste der drei in Art. 1 Abs. 1 genannte Ziele festgelegt, nämlich die Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt.

Eine Entscheidung der ECHA, mit der Pech, Kohlenteer, Hochtemperatur, nach dem Verfahren des Art. 59 der Verordnung Nr. 1907/2006 als besonders besorgniserregender Stoff ermittelt wird, verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Zum einen ist die Entscheidung nämlich zur Verwirklichung der Ziele der Verordnung Nr. 1907/2006 geeignet, da die Ermittlung eines Stoffes als besonders besorgniserregend der verbesserten Information der Öffentlichkeit und der Fachkreise über die Gefahren dient und da folglich diese Ermittlung als ein Mittel zur Verbesserung eines solchen Schutzes zu betrachten ist. Zudem führt diese Entscheidung nicht zu dem Verbot, den Stoff in Verkehr zu bringen, und verpflichtet die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer somit nicht, Alternativstoffe zu verwenden.

Zum anderen geht diese Entscheidung nicht über die Grenzen dessen hinaus, was zur Verwirklichung der Ziele der Verordnung Nr. 1907/2006 erforderlich ist, soweit die Anwendung der vorgeschlagenen Risikomanagementmaßnahmen nach Art. 14 Abs. 6 dieser Verordnung keine geeigneten Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele der Verordnung bei der Behandlung besonders besorgniserregender Stoffe und daher keine weniger belastenden Maßnahmen sind. Ebenso verhält es sich bezüglich der Beschränkungsmaßnahmen mit der Vorlage eines Dossiers nach Anhang XV dieser Verordnung, da die nach dem Verfahren des Titels VIII dieser Verordnung erlassenen Beschränkungen von besonderen Bedingungen für die Herstellung oder das Inverkehrbringen eines Stoffes bis zum vollständigen Verbot der Verwendung eines Stoffes reichen können. Selbst unterstellt, die Beschränkungsmaßnahmen seien auch zur Verwirklichung der mit der Verordnung Nr. 1907/2006 verfolgten Ziele geeignet, stellen sie als solche daher keine weniger belastenden Maßnahmen dar als die Ermittlung eines Stoffes, die nur Informationspflichten zur Folge hat.

(vgl. Randnrn. 115-119, 125, 129)