Language of document : ECLI:EU:T:2022:781

URTEIL DES GERICHTS (Vierte erweiterte Kammer)

7. Dezember 2022(*)

„Wirtschafts- und Währungspolitik – Aufsicht über Kreditinstitute – Befugnisse der EZB – Untersuchungsbefugnisse – Prüfungen vor Ort – Art. 12 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 – Beschluss der EZB, eine Prüfung in den Räumlichkeiten eines weniger bedeutenden Kreditinstituts durchzuführen – Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlung – Zulässigkeit – Zuständigkeit der EZB – Begründungspflicht – Umstände, die eine Prüfung rechtfertigen können – Art. 106 der Verfahrensordnung – Nicht mit Gründen versehener Antrag auf mündliche Verhandlung“

In der Rechtssache T‑275/19,

PNB Banka AS mit Sitz in Riga (Lettland), vertreten durch Rechtsanwalt O. Behrends,

Klägerin,

gegen

Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch C. Hernández Saseta, F. Bonnard und V. Hümpfner als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou, A. Nijenhuis und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni (Berichterstatter), der Richter L. Madise und P. Nihoul, der Richterin R. Frendo und des Richters J. Martín y Pérez de Nanclares,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, PNB Banka AS, die Nichtigerklärung des mit Schreiben vom 14. Februar 2019 zugestellten Beschlusses der Europäischen Zentralbank (EZB), in ihren Räumlichkeiten Prüfungen vor Ort durchzuführen.

I.      Rechtlicher Rahmen

2        Die Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63) enthält ein Kapitel III („Befugnisse der EZB“). Abschnitt 1 („Untersuchungsbefugnisse“) enthält Art. 12 („Prüfungen vor Ort“), der wie folgt lautet:

„(1)      Zur Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben kann die EZB vorbehaltlich anderer Bedingungen nach dem einschlägigen Unionsrecht im Einklang mit Artikel 13 und nach vorheriger Unterrichtung der betroffenen nationalen zuständigen Behörde alle erforderlichen Prüfungen vor Ort in den Geschäftsräumen von juristischen Personen im Sinne des Artikels 10 Absatz 1 und von sonstigen Unternehmen, die in die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis einbezogen sind und für die die EZB nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe g die konsolidierende Aufsichtsbehörde ist, durchführen. Die EZB kann die Prüfung vor Ort ohne vorherige Mitteilung an diese juristischen Personen durchführen, wenn die ordnungsgemäße Durchführung und die Effizienz der Prüfung dies erfordern.

(2)      Die Bediensteten der EZB und sonstige von ihr zur Durchführung der Prüfungen vor Ort bevollmächtigte Personen sind befugt, die Geschäftsräume und Grundstücke der juristischen Personen, gegen die sich der Beschluss der EZB über die Einleitung einer Untersuchung richtet, zu betreten, und verfügen über sämtliche in Artikel 11 Absatz 1 genannten Befugnisse.

(3)      Prüfungen vor Ort bei juristischen Personen im Sinne des Artikels 10 Absatz 1 erfolgen auf der Grundlage eines Beschlusses der EZB.

(4)      Die Bediensteten der nationalen zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Prüfung vorgenommen werden soll, sowie andere von dieser Behörde entsprechend bevollmächtigte oder bestellte Begleitpersonen unterstützen unter Aufsicht und Koordinierung der EZB die Bediensteten der EZB und sonstige von ihr bevollmächtigte Personen aktiv. Sie verfügen hierzu über die in Absatz 2 genannten Befugnisse. Die Bediensteten der nationalen zuständigen Behörde des betroffenen teilnehmenden Mitgliedstaats haben ferner das Recht, an den Prüfungen vor Ort teilzunehmen.

(5)      Stellen die Bediensteten der EZB und andere von ihr bevollmächtigte oder bestellte Begleitpersonen fest, dass sich eine Person einer nach Maßgabe dieses Artikels angeordneten Prüfung widersetzt, so leistet die nationale zuständige Behörde des betroffenen teilnehmenden Mitgliedstaats im Einklang mit ihrem nationalen Recht die erforderliche Amtshilfe. Soweit dies für die Prüfung erforderlich ist, schließt diese Amtshilfe die Versiegelung jeglicher Geschäftsräume und Bücher oder Aufzeichnungen ein. Verfügt die betreffende nationale zuständige Behörde nicht über die dafür erforderliche Befugnis, so nutzt sie ihre Befugnisse, um die erforderliche Amtshilfe von anderen nationalen Behörden anzufordern.“

3        Art. 13 („Gerichtliche Genehmigung“) dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Ist für eine Prüfung vor Ort nach Artikel 12 Absätze 1 und 2 oder für die Amtshilfe nach Artikel 12 Absatz 5 nach nationalem Recht eine gerichtliche Genehmigung erforderlich, so muss diese eingeholt werden.

(2)      Wird eine Genehmigung nach Absatz 1 dieses Artikels beantragt, so prüft das nationale Gericht, ob der Beschluss der EZB echt ist und ob die beabsichtigten Zwangsmaßnahmen im Hinblick auf den Gegenstand der Prüfung nicht willkürlich oder unverhältnismäßig sind. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahmen kann das nationale Gericht die EZB um detaillierte Erläuterungen bitten, insbesondere in Bezug auf die Gründe, aus denen die EZB annimmt, dass ein Verstoß gegen die in Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 genannten Rechtsakte vorliegt, sowie die Schwere des mutmaßlichen Verstoßes und die Art der Beteiligung der den Zwangsmaßnahmen unterworfenen Person. Das nationale Gericht prüft jedoch weder die Notwendigkeit der Prüfung noch verlangt es die Übermittlung der in den Akten der EZB enthaltenen Informationen. Die Rechtmäßigkeit des Beschlusses der EZB unterliegt ausschließlich der Prüfung durch den [Gerichtshof der Europäischen Union].“

4        Die Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der EZB vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der EZB und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (ABl. 2014, L 141, S. 1) enthält einen Teil XI („Zugang zu Informationen, Berichterstattung, Untersuchungen und Vor-Ort-Prüfungen“), dessen Titel 5, der die Art. 143 bis 146 enthält, den Vor-Ort-Prüfungen gewidmet ist. Art. 143 („Beschluss der EZB, eine Vor-Ort-Prüfung gemäß Artikel 12 der …Verordnung [Nr. 1024/2013] durchzuführen“), bestimmt in Abs. 2:

„Unbeschadet des Artikels 142 und gemäß Artikel 12 Absatz 3 der …Verordnung [Nr. 1024/2013] werden Vor-Ort-Prüfungen auf Grundlage eines Beschlusses der EZB durchgeführt, in dem zumindest Folgendes angegeben ist:

a)      der Gegenstand und der Zweck der Vor-Ort-Prüfung und

b)      die Tatsache, dass eine Behinderung der Vor-Ort-Prüfung durch die geprüfte juristische Person unbeschadet des in Artikel 11 Absatz 2 der …Verordnung [Nr. 1024/2013] genannten nationalen Rechts einen Verstoß gegen einen Beschluss der EZB im Sinne von Artikel 18 Absatz 7 der …Verordnung [Nr. 1024/2013] darstellt.“

5        Art. 145 („Verfahren und Mitteilung einer Vor-Ort-Prüfung“) der Verordnung Nr. 468/2014 bestimmt:

„(1)      Die EZB unterrichtet die juristische Person, die sich einer Vor-Ort-Prüfung zu unterziehen hat, von dem in Artikel 143 Absatz 2 genannten Beschluss und nennt ihr die Mitglieder des Vor-Ort-Prüfungsteams mindestens fünf Arbeitstage vor dem Beginn der Vor-Ort-Prüfung. Sie unterrichtet die NCA des Mitgliedstaats, in dem die Vor-Ort-Prüfung durchgeführt werden soll, mindestens eine Woche vor Unterrichtung der juristischen Person, die sich der Vor-Ort-Prüfung zu unterziehen hat, über diese Prüfung.

(2)      Die EZB kann eine Vor-Ort-Prüfung ohne vorherige Mitteilung an das betroffene beaufsichtigte Unternehmen durchführen, wenn die ordnungsgemäße Durchführung und die Effizienz der Prüfung dies erfordern. Die NCA wird so bald wie möglich vor dem Beginn dieser Vor-Ort-Prüfung unterrichtet.“

II.    Vorgeschichte des Rechtsstreits

6        Die Klägerin war zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses ein weniger bedeutendes Kreditinstitut im Sinne von Art. 6 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1024/2013 (im Folgenden: weniger bedeutendes Kreditinstitut) mit Sitz in Lettland. Sie stand daher unter der direkten Aufsicht der Finanšu un kapitāla tirgus komisija (Finanz- und Kapitalmarktkommission, Lettland, im Folgenden: FKMK).

7        Das Geschäftsmodell der Klägerin war das einer Universalbank, die einen erheblichen Teil ihrer Tätigkeit mit Gebietsfremden ausübte. Ihre wichtigsten Risikoexpositionen betrafen Geschäftspartner in Russland, in der Ukraine oder in anderen Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.

8        CR war zum Zeitpunkt der Klageerhebung Hauptaktionär der Klägerin.

9        Im Februar 2016 legte die FKMK der Klägerin zusätzliche Rückstellungen für Kreditverluste und Geschäftsbeschränkungen auf. Sie forderte sie außerdem auf, zum einen die Verstöße gegen die Grenzen für Großkredite zu beheben und zum anderen ihre Eigenmittel zu stärken und regelmäßig einen Liquiditätsbericht vorzulegen.

10      Laut der Klägerin „benachrichtigten“ am 25. August 2017 die Klägerin sowie CR und andere Familienmitglieder, Aktionäre der Klägerin, die Republik Lettland über einen Rechtsstreit betreffend den Schutz ihrer Investitionen. Sie machten geltend, die der Klägerin von der FKMK auferlegten Aufsichtsanforderungen seien ungerechtfertigt und unangemessen.

11      Im August 2017 legte CR nach Angaben der Klägerin bei den Behörden des Vereinigten Königreichs eine Beschwerde gegen A, Präsident der Latvijas Banka (Zentralbank Lettlands), wegen Vorwürfen der Korruption ein. Die angezeigten Korruptionsvorwürfe bestanden in den Versuchen von A, aufgrund des Einflusses, den dieser auf die FKMK habe, Bestechungsgelder von CR zu erhalten.

12      Am 31. August 2017 stellte die FKMK der Klägerin einen Beschluss zu, mit dem ihr zusätzliche Rückstellungen für Kreditverluste auferlegt wurden, nachdem sie im Anschluss an eine Prüfung vor Ort einen anhaltenden Verstoß gegen die Grenzen für Großkredite festgestellt hatte.

13      Im September 2017 wurde die Klägerin als „weniger bedeutendes Institut in Krisensituation“ im Sinne des Rahmens für die Zusammenarbeit zum Krisenmanagement für die weniger bedeutenden Institute eingestuft, was eine besondere Aufsicht über die Klägerin durch eine aus der FKMK und der EZB bestehende Krisenmanagementgruppe zur Folge hatte.

14      Am 12. Dezember 2017 leiteten die Klägerin sowie CR und andere Mitglieder seiner Familie, Aktionäre der Klägerin, ein Schiedsverfahren gegen die Republik Lettland vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) auf der Grundlage des Vertrags vom 24. Januar 1994 zur Förderung und zum Schutz von Investitionen zwischen dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland und der Republik Lettland ein (im Folgenden: Schiedsverfahren). Sie machten geltend, dass die Klägerin seit Ende 2015 einer übermäßigen und willkürlichen Aufsicht unterliege, was in Erhöhungen der aufsichtsrechtlichen Eigenmittel und in Geschäftsbeschränkungen zum Ausdruck komme. Diese übermäßige und willkürliche Aufsicht sei auf den Einfluss zurückzuführen, den A auf die FKMK ausgeübt habe, mit dem Ziel, Bestechungsgelder von der Klägerin und von CR zu erhalten.

15      Im Dezember 2017 zeigte CR nach Angaben der Klägerin bei den lettischen Behörden die oben in Rn. 11 angeführten Vorwürfe der Korruption an.

16      Am 17. Februar 2018 wurde A festgenommen, nachdem am 15. Februar 2018 ein vom Korupcijas novēršanas un apkarošanas birojs (Büro zur Verhütung und Bekämpfung der Korruption, Lettland, im Folgenden: KNAB) geführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden war. Gegenstand dieser Ermittlung waren Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem aufsichtsrechtlichen Verfahren gegen eine andere lettische Bank als die Klägerin. Mit Entscheidung vom 19. Februar 2018 erlegte das KNAB A bei seiner Freilassung mehrere Sicherungsmaßnahmen auf, darunter das Verbot, sein Amt als Präsident der Zentralbank Lettlands auszuüben.

17      Am 28. Juni 2018 wurde A von der Staatsanwältin, die mit der oben in Rn. 16 angeführten Sache betraut war, angeklagt. Die Anklageschrift, ergänzt am 24. Mai 2019, umfasste drei Anklagevorwürfe. Der erste Anklagevorwurf betraf die Annahme eines vom Präsidenten des Aufsichtsrats einer anderen lettischen Bank als die Klägerin im Jahr 2010 gemachten Angebots für ein Bestechungsgeschenk und des Bestechungsgeschenks selbst, wofür A im Gegenzug Ratschläge erteilt habe, um es dieser Bank zu ermöglichen, sich der Aufsicht der FKMK zu entziehen, und sich nicht an den Sitzungen der FKMK beteiligt habe, in denen Fragen zur Aufsicht über diese Bank besprochen worden seien. Der zweite Anklagevorwurf betraf zum einen die Annahme eines Bestechungsgeldangebots nach dem 23. August 2012 durch den stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstands derselben Bank als Gegenleistung für eine Beratung durch A im Hinblick auf die Aufhebung der von der FKMK angeordneten Beschränkungen der Tätigkeiten und auf die Vermeidung weiterer Beschränkungen und zum anderen die Annahme der Zahlung der Hälfte dieses Bestechungsgeldes durch A. Der dritte Anklagevorwurf betraf Geldwäsche mit dem Ziel, die Herkunft, die Übermittlung und das Eigentum des an A gezahlten Geldes, das dem im zweiten Anklagevorwurf genannten Bestechungsgeld entspricht, zu verschleiern.

18      Mit Schreiben vom 5. Juli und 12. September 2018 teilten die Klägerin und CR der Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums der EZB mit, dass die Untersuchung der oben in Rn. 11 angeführten Korruptionsvorwürfe im Gange sei. Sie wiesen darauf hin, dass A nach seiner Festnahme im Februar 2018 sie betreffende feindselige und falsche öffentliche Äußerungen abgegeben habe, da A behauptet habe, dass der Erwerb der Klägerin durch CR betrügerisch gewesen sei. Sie waren der Ansicht, dass die Aufsichtsanforderungen der FKMK an die Klägerin übermäßig und diskriminierend seien. Sie forderten die EZB auf, tätig zu werden, indem sie eine Untersuchung durchführe und geeignete Maßnahmen ergreife, wie etwa geeignete Änderungen des mit der Aufsicht über die Klägerin betrauten Personals. Bei dieser Gelegenheit schrieben sie: „Eine der Ideen, die dem [einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM)] zugrunde liegt, war, dass eine objektivere und unparteiischere Aufsicht eher von der EZB als von den lokalen Aufsichtsbehörden sichergestellt werden kann. Die [Klägerin] und [CR] freuen sich, zu diesem Zweck mit der EZB zusammenzuarbeiten“ (Schreiben vom 5. Juli 2018, S. 13).

19      Am 30. September 2018 erließ das ICSID vorläufige Maßnahmen, mit denen der Republik Lettland empfohlen wurde, keine Maßnahmen im Hinblick auf den Entzug der Zulassung der Klägerin zu ergreifen, wobei es sich auf eine angebliche Unvereinbarkeit mit einer der aufsichtsrechtlichen Anforderungen bezog, die Gegenstand der in einem Beschluss der FKMK vom 27. Februar 2018 festgelegten endgültigen Frist waren (im Folgenden: Empfehlung des ICSID).

20      Am 8. Oktober 2018 teilte die Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der EZB der Klägerin und CR in Beantwortung ihrer Schreiben vom 5. Juli und 12. September 2018 mit, dass die EZB im Rahmen ihrer Aufgabe, das Funktionieren des SSM zu kontrollieren, die Auffassung der FKMK teile, wonach die Eigenkapitalsituation der Klägerin eine besondere Aufsicht erfordere. Sie wies darauf hin, dass die Klägerin wiederholte Verlängerungen der Fristen für die Annahme von Maßnahmen im Bereich des Eigenkapitals erhalten habe und dass trotz des Fortbestehens der Probleme dieser Art für die Klägerin keine strengen Aufsichtsmaßnahmen von Seiten der FKMK gegolten hätten außer den Aufforderungen zur Erhöhung des Eigenkapitals, zu Rückforderungsmaßnahmen und zusätzlichen Rückstellungen. Die Klägerin habe seit mehreren Jahren die Grenzen für Großkredite gegenüber einem Dritten missachtet und wiederholte Verlängerungen der Frist zur Abhilfe erhalten. Sie habe keinen Anhaltspunkt dafür geliefert, dass die der Klägerin auferlegten Aufsichtsmaßnahmen übermäßig oder unverhältnismäßig gewesen seien. Abschließend kündigte sie an, dass sie beabsichtige, ihre Kontrollaufgabe wahrzunehmen, wobei sie insbesondere auf die Maßnahmen der Klägerin zur Behebung von Verstößen gegen die Aufsichtsanforderungen achte.

21      Am 21. Dezember 2018 beantragte die FKMK bei der EZB, die direkte Aufsicht der Klägerin zu übernehmen.

22      Am 10. Januar 2019 genehmigte das Aufsichtsgremium den Entwurf eines Beschlusses über eine Prüfung vor Ort in den Räumlichkeiten der Klägerin. Dieser Entwurf wurde dem EZB-Rat zur Annahme im Rahmen des Verfahrens der  impliziten Zustimmung  vorgelegt. Da der EZB-Rat keinen Widerspruch erhoben hatte, galt der Beschlussentwurf als am 21. Januar 2019 angenommen (im Folgenden: als vom EZB-Rat angenommen geltender Beschlussentwurf oder angefochtener Beschluss).

23      In dem als vom EZB-Rat angenommen geltenden Beschlussentwurf heißt es hinsichtlich der Gründe für die Prüfung zum einen, dass mehrere Mängel und Verstöße gegen die anwendbaren Bestimmungen in den Vorjahren festgestellt worden seien und nicht Gegenstand geeigneter Maßnahmen gewesen seien. Erstens habe die Klägerin seit 2016 die Obergrenze für Großkredite missachtet, die in Art. 395 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1) festgelegt sei. Zweitens habe die Klägerin seit Februar 2018 die in der lettischen Regelung vorgesehenen Grenzen für Transaktionen mit den verbundenen Parteien aufgrund der Expositionen gegenüber ihrem Hauptaktionär missachtet. Drittens sei die FKMK seit 2012 verpflichtet gewesen, wiederholt Maßnahmen gegenüber der Klägerin zur Verhinderung der Geldwäsche zu ergreifen. Trotz einer von der FKMK im Juli 2017 verhängten Geldbuße verstoße die Klägerin weiterhin gegen die Anforderungen betreffend die Verhinderung der Geldwäsche und die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung. Viertens schließlich zeige die Entwicklung der Eigenmittelquoten in den letzten drei Jahren, dass die Klägerin mehrfach einem Verstoß gegen die Mindestkapitalanforderung der Säule 1 auf Konzernebene nahe gewesen sei. Seit 2018 habe die Klägerin in regelmäßigen Abständen gegen die Eigenmittelanforderungen der Säule 2 verstoßen. Der Wirtschaftsprüfer habe 2015 keinen Bestätigungsvermerk erteilt, wobei er auf Fragen zur Bewertung von Vermögensgegenständen hingewiesen habe, während der neu bestellte Wirtschaftsprüfer in den Jahren 2016 und 2017 eingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt habe, wobei auch auf Fragen der Bewertung von Vermögensgegenständen hingewiesen worden sei.

24      Zum anderen heißt es in dem als vom EZB-Rat angenommen geltenden Beschlussentwurf, dass die Empfehlung des ICSID die FKMK daran hindere, sämtliche Aufsichtsmaßnahmen gegenüber der Klägerin umzusetzen. Auf Antrag der FKMK bereite die EZB die Übernahme der direkten Aufsicht über die Klägerin vor. Eine Prüfung vor Ort ermögliche es der EZB, ihre eigene Analyse der Situation der Klägerin durchzuführen, und diese Prüfung vor Ort sei unabhängig von der Übernahme der direkten Aufsicht durch die EZB möglich. Parallel zur Übernahme der direkten Aufsicht werde die EZB dann in der Lage sein, die notwendigen Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Klägerin die Aufsichtsanforderungen beachte.

25      Zum Bereich und zum Zeitplan der Prüfung heißt es in dem als vom EZB-Rat angenommen geltenden Beschlussentwurf, dass vorgesehen sei, dass die EZB eine Prüfung vor Ort durchführe, die eine eingehende Untersuchung der Risiken, der Risikokontrolle und der Unternehmensführung der Klägerin zum Ziel habe, um u. a. ihre Verfahren und Systeme sowie die Qualität ihrer Geschäftsführung zu beurteilen. Diese Prüfung vor Ort werde hauptsächlich auf das Kreditrisiko ausgerichtet sein.

26      Der als vom EZB-Rat angenommen geltende Beschlussentwurf sieht auch vor, dass auf der Grundlage der Ergebnisse der Prüfung vor Ort sowie der jüngsten aufsichtsrechtlichen Prüfungen der FKMK ein Aktionsplan mit einer hinreichend nahen Frist ausgearbeitet werden werde. Für den Fall, dass die bei der Prüfung vor Ort festgestellten Unregelmäßigkeiten so schwerwiegend und fortdauernd seien, dass keine Aufsichtsmaßnahme die Einhaltung der Regeln in angemessener Frist gewährleisten könnte, werde die EZB das Verfahren zum Entzug der Zulassung einleiten.

27      Der als vom EZB-Rat angenommen geltende Beschlussentwurf enthält auch einen Anhang mit dem Titel „Überblick über die jüngste Aufsichtsbilanz [der Klägerin], wie sie der EZB mitgeteilt wurde“.

28      Mit Schreiben vom 14. Februar 2019 teilte der Generaldirektor der Generaldirektion Mikroprudenzielle Aufsicht III (im Folgenden: Generaldirektor) der Klägerin mit, dass gemäß Art. 6 Abs. 5 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013 in Verbindung mit deren Art. 12 und den Art. 143 bis 146 der Verordnung Nr. 468/2014 und gemäß einem Beschluss des Aufsichtsgremiums vom 10. Januar 2019 innerhalb der Gruppe eine Prüfung vor Ort durchgeführt werde, um das Kreditrisiko zu prüfen. Der Umfang dieser Kontrolle könne im Lauf der Untersuchung, falls erforderlich, erweitert werden, und in diesem Fall werde die Klägerin vom Leiter der Mission im Namen der EZB informiert.

29      In diesem Schreiben vom 14. Februar 2019 wies der Generaldirektor darauf hin, dass die Prüfung vor Ort für März 2019 vorgesehen sei, und nannte den Namen des Leiters der Prüfungsmission. Er wies darauf hin, dass dieser die Klägerin im Namen der EZB über die Identität der Mitglieder des Prüfungsteams informieren werde und sie innerhalb der folgenden Tage kontaktieren werde, um ein erstes Treffen zu organisieren.

30      In diesem Schreiben vom 14. Februar 2019 forderte der Generaldirektor die Klägerin auf, sich zu vergewissern, dass die betroffenen Einheiten über den Inhalt dieses Schreibens und etwaige spätere Änderungen informiert würden. Er forderte sie auf, umfassend an der Prüfung mitzuwirken, und wies sie darauf hin, dass nach Art. 143 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 468/2014 jede Behinderung der Vor-Ort-Prüfung durch die geprüfte juristische Person unbeschadet des in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1024/2013 genannten nationalen Rechts einen Verstoß gegen einen Beschluss der EZB im Sinne von Art. 18 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1024/2013 darstelle.

31      Mit Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139), hat der Gerichtshof die Entscheidung des KNAB vom 19. Februar 2018 für nichtig erklärt, soweit damit A untersagt worden war, sein Amt als Präsident der Zentralbank Lettlands auszuüben. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Republik Lettland nicht nachgewiesen hatte, dass die Entlassung von A aus seinem Amt auf das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte dafür gestützt war, dass er eine schwere Verfehlung im Sinne von Art. 14.2 Abs. 2 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB begangen hatte.

32      Mit Schreiben vom 1. März 2019 teilte die EZB der Klägerin mit, dass sie beschlossen habe, sie gemäß Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 39 Abs. 5 der Verordnung Nr. 468/2014 als bedeutendes Unternehmen, das von der EZB direkt beaufsichtigt wird, einzustufen. Dieser Beschluss wurde am 4. April 2019 wirksam.

33      Am 5. März 2019 traf der Leiter der Prüfungsmission die Geschäftsleitung der Klägerin bei einem ersten Treffen, dem sogenannten „Auftakttreffen“. Er legte mit Hilfe eines der Klägerin übergebenen Dokuments den Umfang der Mission mit dem Titel „Kreditrisiko und Unternehmensführung“ dar, nämlich die Einstufung und die Rückstellungen, die Aufzeichnung des Inventars (verkaufte Vermögenswerte aus Zwangsvollstreckungen), die Bewertung der Sicherheiten und Vermögenswerte (zum Verkauf gehaltene Aktiva), die Qualität der Daten und die Unternehmensführung sowie das Geschäftsmodell. Er stellte für jeden Teil der Mission die Mitglieder des Prüfungsteams vor. Er nannte die von der Klägerin erbetene Dokumentation, insbesondere die Kreditdateien und die allgemeine Dokumentation, und stellte die Methode des Informationsaustauschs mittels einer gesicherten Plattform vor. Er gab an, welche Treffen zu den Themen der Prüfung vor Ort zu planen seien. Er erläuterte die Organisation der Prüfung vor Ort, insbesondere die Befugnisse des Prüfungsteams (Zugang zu den Räumlichkeiten, Anforderung von Informationen oder Dokumenten im Bereich der Prüfung, Lesezugriff auf alle relevanten Informationssysteme, Gespräch mit jeder Person, Informationsaustausch mit den Wirtschaftsprüfern) und den Zeitplan der Nachprüfung. In diesem Zeitplan wurden das Schreiben des Generaldirektors vom 14. Februar 2019, eine erste Anforderung von Informationen vom 26. Februar 2019, das Auftakttreffen, die Arbeit am Standort vom 11. März bis zum 10. Mai 2019, die Übermittlung eines Berichtsentwurfs am 12. Juli 2019, ein „Endtreffen“ am 19. Juli 2019, ein Abschlussbericht, ein „Abschlusstreffen“ und schließlich die Überwachung des Aktionsplans der Klägerin angeführt.

34      Die Prüfung begann am 11. März 2019.

35      Mit Klageschrift, die am 24. April 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerin, CR und CT die vorliegende Klage erhoben.

III. Sachverhalt nach Klageerhebung

36      Am 14. Mai 2019 verhängte die FKMK gegen die Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 4 260 Euro wegen Verstößen gegen die Bestimmungen des Kredītiestāžu likums (Gesetz über Kreditinstitute, Latvijas Vēstnesis, 1995, Nr. 163), die zur Einreichung und Offenlegung des Jahresabschlusses und des konsolidierten Jahresabschlusses mit dem Bericht eines vereidigten Wirtschaftsprüfers verpflichten.

37      Mit Klageschrift, die am 14. Mai 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (Rechtssache T‑301/19), haben die Klägerin, CR und CT die Nichtigerklärung des mit Schreiben vom 1. März 2019 zugestellten Beschlusses der EZB beantragt, die Klägerin als bedeutendes Unternehmen, das von der EZB direkt beaufsichtigt wird, einzustufen (siehe oben, Rn. 32).

38      Am 12. August 2019 wurde die Prüfung vor Ort in den Räumlichkeiten der Klägerin abgeschlossen.

39      Am 15. August 2019 gelangte die EZB zu der Einschätzung, dass die Klägerin im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1) ausfalle oder wahrscheinlich ausfalle. Am selben Tag beschloss der Einheitliche Abwicklungsausschuss (SRB), in Bezug auf die Klägerin kein Abwicklungskonzept im Sinne von Art. 18 Abs. 1 dieser Verordnung zu erlassen.

40      Am 22. August 2019 beantragte die FKMK bei der Rīgas pilsētas Vidzemes priekšpilsētas tiesa (Stadtgericht Riga, Bezirk Vidzeme, Lettland), die Klägerin für zahlungsunfähig zu erklären.

41      Am 12. September 2019 erklärte die Rīgas pilsētas Vidzemes priekšpilsētas tiesa (Stadtgericht Riga, Bezirk Vidzeme) die Klägerin für zahlungsunfähig. Sie ernannte einen für das Insolvenzverfahren zuständigen Insolvenzverwalter (im Folgenden: Insolvenzverwalter) und übertrug ihm sämtliche Befugnisse der Klägerin und ihres Vorstands. Sie wies den Antrag des Vorstands der Klägerin zurück, seine Rechte auf deren Vertretung im Rahmen der Klage gegen die Bewertung der EZB vom 15. August 2019, mit der festgestellt worden sei, dass die Klägerin ausfalle oder wahrscheinlich ausfalle, gegen den Beschluss des SRB vom selben Tag, in Bezug auf die Klägerin kein Abwicklungskonzept festzulegen, und gegen den Beschluss der FKMK, ein Insolvenzverfahren einzuleiten, aufrechtzuerhalten. Dieses Gericht fügte hinzu, dass dies die Möglichkeit für den Vorstand der Klägerin nicht ausschließe, hinsichtlich der Vertretungsrechte für besondere Aufgaben beim Insolvenzverwalter einen gesonderten Antrag zu stellen.

42      Ebenfalls am 12. September 2019 beantragte die FKMK bei der EZB, der Klägerin die Zulassung zu entziehen.

43      Mit Klageschrift, die am 25. Oktober 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (Rechtssache T‑732/19), haben die Klägerin sowie andere Aktionäre oder potenzielle Aktionäre der Klägerin die Nichtigerklärung des Beschlusses des SRB vom 15. August 2019, in Bezug auf die Klägerin kein Abwicklungskonzept festzulegen, beantragt.

44      Am 21. Dezember 2019 endete das Amt von A als Präsident der Zentralbank Lettlands.

45      Mit Klageschrift, die am 29. Januar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (Rechtssache T‑50/20), hat die Klägerin die Nichtigerklärung des Beschlusses vom 19. November 2019 beantragt, mit dem die EZB es abgelehnt hat, dem Insolvenzverwalter aufzugeben, dem vom Vorstand der Klägerin beauftragten Rechtsanwalt Zugang zu ihren Räumlichkeiten, zu den in ihrem Besitz befindlichen Informationen, zu ihren Mitarbeitern und zu ihren Betriebsmitteln zu gewähren.

46      Am 17. Februar 2020 entzog die EZB der Klägerin die Zulassung. Der Entzug wurde am folgenden Tag wirksam.

47      Mit Klageschrift, die am 27. April 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (Rechtssache T‑230/20), hat die Klägerin Klage gegen diesen Beschluss erhoben.

IV.    Verfahren und Anträge der Parteien

48      Mit Schriftsatz, der am 15. Juli 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Europäische Kommission beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der EZB zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 28. August 2019 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts die Kommission als Streithelferin zugelassen.

49      Am 16. Juli 2019 hat die EZB bei der Kanzlei des Gerichts eine Klagebeantwortung eingereicht.

50      Am 10. September 2019 hat die Kommission einen Streithilfeschriftsatz bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

51      Am 19. Dezember 2019 hat das Gericht (Vierte Kammer) die EZB im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme ersucht, den als vom EZB-Rat angenommen geltenden Beschlussentwurf vorzulegen.

52      Am 10. Januar 2020 hat die EZB eine vollständige und an das Gericht gerichtete vertrauliche Fassung des angeforderten Dokuments (Anlage D.1) sowie eine nicht vertrauliche Fassung dieses Dokuments vorgelegt. Am 29. Januar 2020 hat der Präsident der Vierten Kammer beschlossen, dieses Dokument in seiner vertraulichen Fassung nicht zu den Akten zu nehmen.

53      Am 28. April 2020 hat der Präsident der Vierten Kammer gemäß Art. 69 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts beschlossen, das Verfahren bis zur Verkündung der Entscheidung des Gerichts in der Rechtssache T‑50/20 auszusetzen. Mit Beschluss vom 12. März 2021, PNB Banka/EZB (T‑50/20, EU:T:2021:141), hat das Gericht seine Entscheidung in dieser Rechtssache erlassen, und das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache ist an diesem Tag wieder aufgenommen worden.

54      Am 28. April 2021 und am 28. Juni 2021 haben die Klägerin, CR und CT beantragt, das Verfahren auszusetzen, bis der Gerichtshof in der Rechtssache C‑321/21 P über das Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 12. März 2021, PNB Banka/EZB (T‑50/20, EU:T:2021:141), entschieden habe. Am 20. Mai 2021 und dann am 6. August 2021 hat der Präsident der Vierten Kammer nach Anhörung der EZB beschlossen, das Verfahren nicht auszusetzen.

55      Mit Schreiben vom 8. Juli 2021 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Gericht mitgeteilt, dass er CR und CT nicht mehr vertrete. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2021 hat das Gericht (Vierte Kammer) auf der Grundlage von Art. 131 Abs. 2 der Verfahrensordnung festgestellt, dass die Hauptsache erledigt ist, soweit sie von CR und CT erhoben worden ist.

56      Die Frist für die Einreichung der Erwiderung ist zuletzt auf den 30. September 2021 festgesetzt worden. Die Klägerin hat innerhalb der gesetzten Frist keine Erwiderung eingereicht.

57      Die Klägerin beantragt,

–        den Beschluss der EZB „vom 14. Februar 2019“, in ihren Räumlichkeiten und denjenigen ihrer Konzernunternehmen Prüfungen vor Ort durchzuführen, für nichtig zu erklären;

–        der EZB die Kosten aufzuerlegen.

58      Die EZB, unterstützt durch die Kommission, beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

V.      Rechtliche Würdigung

A.      Zum Vorliegen einer Vollmacht des Vertreters, der die Klage im Namen der Klägerin erhoben hat

59      Nach Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung haben Anwälte, die eine juristische Person des Privatrechts als Partei vertreten, bei der Kanzlei eine Vollmacht dieser Partei zu hinterlegen.

60      Eine vom Vorsitzenden des Vorstands der Klägerin am 5. März 2019 erteilte Vollmacht ist in den Akten enthalten (Anlage A.2).

61      Die Klägerin macht geltend, der Insolvenzverwalter habe es abgelehnt, dem Anwalt, den sie zu ihrer Vertretung bestellt habe, Zugang zu ihren Unterlagen, zu ihren Räumlichkeiten, zu ihren Mitarbeitern und zu ihren Betriebsmitteln zu gewähren. Sie hat im Rahmen ihrer Antwort vom 13. März 2020 auf eine Frage des Gerichts ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom 16. September 2019 vorgelegt, in dem es heißt, ihr Anwalt müsse erstens „dem [Insolvenzverwalter] einen schriftlichen Bericht über den Stand der Vereinbarung [über die Erbringung juristischer Dienstleistungen] übermitteln, mit detaillierten Angaben zu den von [der Klägerin] erhaltenen Weisungen und den vom [Rechtsanwalt] wahrgenommenen Aufgaben sowie dazu, ob es tatsächlich laufende Arbeiten gibt“, zweitens „den [Insolvenzverwalter] betreffend die Zahlungen … informieren“ und drittens „jede Tätigkeit im Namen [der Klägerin] ohne vorherige Konsultation des [Insolvenzverwalters] unterlassen, insbesondere [der Klägerin] keine weiteren verrechenbaren Dienstleistungen erbringen“.

62      Trotz dieses Schreibens des Insolvenzverwalters vom 16. September 2019 geht aus den Akten nicht hervor und wird weder von der Klägerin noch von der EZB behauptet, dass der Insolvenzverwalter die vom Vorsitzenden des Vorstands der Klägerin am 5. März 2019 erteilte Vollmacht widerrufen habe. In dem Schreiben wird ein solcher Widerruf nicht erwähnt, auch wenn es darauf hinweist, dass der vom Vorsitzenden des Vorstands beauftragte Rechtsanwalt jede Tätigkeit im Namen der Klägerin ohne vorherige Konsultation des Insolvenzverwalters unterlassen müsse.

63      Das Gericht stellt daher fest, dass die Klägerin eine Vollmacht hinterlegt hat, die ihren Anwalt gemäß Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung ermächtigt, eine Klage zu erheben.

B.      Zu den am 28. April 2021 und am 28. Juni 2021 gestellten Anträgen auf Aussetzung des Verfahrens

64      Am 28. April 2021 und am 28. Juni 2021 hat die Klägerin die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Zur Stützung ihrer Anträge auf Aussetzung machte sie geltend, dass sie Zugang zu ihren Räumlichkeiten, ihren Akten und ihren finanziellen Mitteln benötige und dass der Insolvenzverwalter trotz des Urteils vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a. (C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923), nicht kooperiert habe, um ihre wirksame Vertretung sicherzustellen.

65      Obwohl das Gericht nicht verpflichtet ist, die Gründe darzulegen, aus denen es beschließt, gemäß Art. 69 Buchst. c oder d der Verfahrensordnung ein Verfahren auszusetzen, hält es ausnahmsweise die folgenden Ausführungen für zweckmäßig.

66      Die Entscheidung, ob das Verfahren nach Art. 69 Buchst. c oder d der Verfahrensordnung ausgesetzt wird, fällt in das Ermessen des Gerichts (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 20. Oktober 2011, DTL/HABM, C‑67/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:683, Rn. 32 und 33, vom 15. Oktober 2012, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑554/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:629, Rn. 37, und vom 17. Januar 2018, Josel/EUIPO, C‑536/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:14, Rn. 5).

67      Im vorliegenden Fall ist das Verfahren am 28. April 2020 bis zur Verkündung der Entscheidung des Gerichts in der Rechtssache T‑50/20 ausgesetzt worden, mit der die Klägerin die Nichtigerklärung des Beschlusses vom 19. November 2019 beantragt hatte, mit dem die EZB es abgelehnt hatte, dem Insolvenzverwalter aufzugeben, dem vom Vorstand der Klägerin beauftragten Rechtsanwalt Zugang zu ihren Räumlichkeiten, zu den in ihrem Besitz befindlichen Informationen, zu ihren Mitarbeitern und zu ihren Betriebsmitteln zu gewähren.

68      Mit Beschluss vom 12. März 2021, PNB Banka/EZB (T‑50/20, EU:T:2021:141), hat das Gericht die Klage der Klägerin abgewiesen. Es war insbesondere der Ansicht, dass die EZB offenkundig nicht befugt war, dem Antrag des Vorstands der Klägerin stattzugeben, dem Insolvenzverwalter die Weisung zu erteilen, dem vom Vorstand beauftragten Anwalt Zugang zu den Räumlichkeiten, zu den Informationen, den Mitarbeitern und den Betriebsmitteln der Klägerin zu gewähren (Rn. 73). Es hat auch festgestellt, dass die Entscheidungen, die die nationalen Behörden im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren, wie dem gegen die Klägerin anhängigen, in Beantwortung eines Antrags auf Zugang zu den Dokumenten, Räumlichkeiten, Mitarbeitern oder Betriebsmitteln des betreffenden Kreditinstituts treffen, grundsätzlich der Kontrolle durch die nationalen Gerichte unterliegen, die dem Gerichtshof gegebenenfalls Fragen zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorlegen können, falls sie bei der Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts auf Schwierigkeiten stoßen (Rn. 72).

69      Außerdem ist festzustellen, dass die Klägerin trotz der Aussetzung des Verfahrens vom 28. April 2020 bis zum 12. März 2021 – auch in ihrem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens vom 28. Juni 2021 – weder nachgewiesen noch auch nur behauptet hat, dass sie gegen den Insolvenzverwalter ein gerichtliches Verfahren eingeleitet habe, dem sie jedoch vor dem Gericht vorwirft, dem von ihrem Vorstand beauftragten Rechtsanwalt seit Ende 2019 den Zugang zu ihren Räumlichkeiten, ihren Informationen, ihren Mitarbeitern und ihren Betriebsmitteln zu verwehren.

70      Nachdem sie einen Austausch von Schreiben und E‑Mails mit dem Insolvenzverwalter vom 12. und 16. September 2019 sowie vom November 2019 vorgelegt hat, hat sich die Klägerin darauf beschränkt, in ihrem am 28. April 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens geltend zu machen, dass sie gegenüber dem Insolvenzverwalter und den lettischen Gerichten „ihre Bemühungen verstärkt hat“, ohne nähere Angaben zur Art dieser Bemühungen zu machen.

71      Außerdem geht aus der oben in Rn. 41 angeführten Entscheidung der Rīgas pilsētas Vidzemes priekšpilsētas tiesa (Stadtgericht Riga, Bezirk Vidzeme) vom 12. September 2019 nicht hervor, dass die Klägerin daran gehindert wäre, die lettischen Gerichte mit einer etwaigen Streitigkeit mit dem Insolvenzverwalter zu befassen. Nicht nur wird in dieser Entscheidung angegeben, dass dies die Möglichkeit für den Vorstand der Klägerin nicht ausschließe, hinsichtlich der Vertretungsrechte für besondere Aufgaben beim Insolvenzverwalter einen gesonderten Antrag zu stellen, sondern das Urteil vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a. (C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923), auf das sich die Klägerin berufen hat, um geltend zu machen, dass der Insolvenzverwalter nicht in zufriedenstellender Weise kooperiere, um ihre wirksame Vertretung sicherzustellen, ist nach dieser Entscheidung ergangen, so dass sich die Klägerin vor dem nationalen Gericht a priori auf dieses Urteil als neuen Umstand berufen konnte.

72      Das Gericht ist daher der Auffassung, dass das Verfahren nicht erneut auszusetzen ist.

C.      Zum mündlichen Verfahren

73      Art. 106 der Verfahrensordnung sieht Folgendes vor:

„(1)      Das Verfahren vor dem Gericht umfasst im Rahmen des mündlichen Verfahrens eine mündliche Verhandlung, die entweder von Amts wegen oder auf Antrag einer Hauptpartei durchgeführt wird.

(2)      In dem von einer Hauptpartei gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung sind die Gründe anzugeben, aus denen diese Hauptpartei gehört werden möchte. …

(3)      Wird kein Antrag nach Absatz 2 gestellt, so kann das Gericht, wenn es sich für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hält, beschließen, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden. …“

74      Somit ergibt sich aus Art. 106 der Verfahrensordnung, dass, wenn kein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist, in dem die Gründe angegeben sind, aus denen eine Hauptpartei gehört werden möchte, das Gericht, wenn es sich für ausreichend unterrichtet hält, ohne mündliches Verfahren über die Klage entscheiden kann.

75      Die Begründung des Entwurfs einer Verfahrensordnung vom 14. März 2014, die der Öffentlichkeit auf der Internetseite des Gerichtshofs der Europäischen Union zugänglich ist, bestätigt im Übrigen, dass das Gericht unter Berücksichtigung insbesondere der Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege und der Verfahrensökonomie „von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen kann, wenn es dies nicht für erforderlich hält, es sei denn, dass eine der Hauptparteien einen Antrag unter Angabe der Gründe stellt, aus denen sie gehört werden möchte“.

76      In Rn. 142 der Praktischen Durchführungsbestimmungen zur Verfahrensordnung (im Folgenden: PDB) heißt es, dass eine Hauptpartei, die in einer mündlichen Verhandlung gehört werden möchte, innerhalb von drei Wochen, nachdem die Parteien über den Abschluss des schriftlichen Verfahrens unterrichtet worden sind, einen dahin gehenden begründeten Antrag zu stellen hat. Es wird darauf hingewiesen, dass diese Begründung sich aus einer konkreten Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer mündlichen Verhandlung für die betreffende Partei ergeben muss, und es ist anzugeben, in Bezug auf welche Bestandteile der Akten der Rechtssache „oder“ welche Ausführungen diese Partei eine eingehendere Darlegung „oder“ Widerlegung in einer mündlichen Verhandlung für erforderlich hält. Im Hinblick auf eine einfachere Verhandlungsführung in der mündlichen Verhandlung „sollte“ die Begründung nicht allgemein gehalten werden, indem sie sich beispielsweise auf eine Bezugnahme auf die Bedeutung der Rechtssache beschränkt. Nach Rn. 143 der PDB kann das Gericht, wenn keine der Hauptparteien fristgemäß einen begründeten Antrag einreicht, beschließen, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

77      Somit ergibt sich aus Art. 106 der Verfahrensordnung sowie aus den Rn. 142 und 143 der PDB, dass das Gericht, wenn kein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist oder wenn ein nicht begründeter Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist, beschließen kann, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden, wenn es sich für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hält.

78      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit Schreiben vom 29. November 2021 zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung wie folgt Stellung genommen:

„1.      Ich bestätige, dass es aus Gründen, die ich im Einzelnen dargelegt habe, derzeit keine wirksame Vertretung der [Klägerin] gibt. Zum alleinigen Zweck der Einhaltung der geltenden Frist beantrage ich hiermit eine mündliche Verhandlung. Zunächst ist jedoch die wirksame Vertretung [der Klägerin] wiederherzustellen.

2.      Unter den gegenwärtigen Umständen ist es nicht möglich, eine mündliche Verhandlung vorzubereiten oder an dieser teilzunehmen.“

79      Aus diesem Schreiben vom 29. November 2021 geht hervor, dass der Antrag der Klägerin auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht begründet ist. Dieser Antrag gibt nämlich keinen Grund an, aus dem die Klägerin gehört werden möchte.

80      Außerdem hat die Kanzlei des Gerichts in ihrem Schreiben vom 25. Oktober 2021, mit dem die Hauptparteien über den Abschluss des schriftlichen Verfahrens unterrichtet worden sind, Art. 106 Abs. 2 der Verfahrensordnung sowie Rn. 142 der PDB in Erinnerung gerufen und die Hauptparteien darauf hingewiesen, dass im Kontext der Gesundheitskrise die Begründung den Anforderungen dieser Randnummer der PDB genügen müsse.

81      Zwar hat die Klägerin in ihrem Antrag auf mündliche Verhandlung geltend gemacht, dass sie der Ansicht sei, nicht wirksam vertreten zu sein.

82      Selbst wenn die Klägerin damit versucht, implizit das Fehlen einer Begründung ihres Antrags auf mündliche Verhandlung zu rechtfertigen, was jedoch aus diesem Antrag nicht hervorgeht, ist davon auszugehen, dass ihr Vorbringen zum Fehlen einer wirksamen Vertretung nicht als Rechtfertigung für das Fehlen einer Begründung dieses Antrags angesehen werden kann. Insbesondere hinderte der Umstand, dass die Klägerin in dem von ihr dargestellten Sinne nicht wirksam vertreten war, sie in keiner Weise daran, substantiierte Umstände zur Stützung eines Antrags auf mündliche Verhandlung vorzubringen.

83      Da die Klägerin in ihrem Antrag auf mündliche Verhandlung keinerlei Begründung dargelegt hat und ihr überdies die Pflicht zur Begründung dieses Antrags von der Kanzlei des Gerichts ausdrücklich in Erinnerung gerufen worden war, ist folglich festzustellen, dass dieser Antrag auf mündliche Verhandlung Art. 106 Abs. 2 der Verfahrensordnung nicht genügt.

84      Unter diesen Umständen beschließt das Gericht, da es sich für durch die Aktenstücke hinreichend unterrichtet hält, gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

D.      Zum Gegenstand der Klage

85      In der Klageschrift beantragt die Klägerin, den Beschluss der EZB „vom 14. Februar 2019“, in ihren Räumlichkeiten und denjenigen ihrer Konzernunternehmen Prüfungen vor Ort durchzuführen, für nichtig zu erklären. Sie bringt vor, das Schreiben des Generaldirektors vom 14. Februar 2019 verweise auf den Beschluss des Aufsichtsgremiums vom 10. Januar 2019; dieser Beschluss sei ihr aber nicht bekannt gegeben worden. Sie beantrage die Nichtigerklärung des Beschlusses, die Prüfung vor Ort durchzuführen, von der die EZB sie mit Schreiben vom 14. Februar 2019 „unabhängig vom Zeitpunkt des internen Erlasses dieses Beschlusses in der EZB“ unterrichtet habe.

86      Aus diesem Schreiben vom 14. Februar 2019, der Klagebeantwortung und der Antwort der EZB auf die prozessleitende Maßnahme vom 19. Dezember 2019 geht hervor, dass der Beschlussentwurf über die Durchführung einer Prüfung vor Ort in den Geschäftsräumen der Klägerin, der vom Aufsichtsgremium am 10. Januar 2019 gebilligt wurde, vom EZB-Rat am 21. Januar 2019 im Rahmen des in Art. 26 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1024/2013 geregelten Verfahrens der  impliziten Zustimmung als angenommen gilt.

87      Es ist davon auszugehen, dass der als vom EZB-Rat am 21. Januar 2019 angenommen geltende Beschlussentwurf, dessen Hauptgründe oben in den Rn. 23 bis 27 wiedergegeben worden sind, formal den Beschluss darstellt, eine vom EZB-Rat gebilligte Prüfung vor Ort in den Räumlichkeiten der Klägerin durchzuführen, wobei die Klägerin Zugang zu diesem Dokument in einer Fassung, in der bestimmte Informationen fehlen, erst nach der prozessleitenden Maßnahme des Gerichts vom 19. Dezember 2019 erhalten hat.

88      Der Beschluss, eine Prüfung vor Ort durchzuführen, wurde der Klägerin unter Berücksichtigung der Vertraulichkeitsanforderungen, die für die Beratungen des EZB-Rates gelten, mit dem Schreiben des Generaldirektors vom 14. Februar 2019 in seinem wesentlichen Inhalt, der oben in den Rn. 28 bis 30 zusammengefasst wurde, mitgeteilt.

89      Folglich ist davon auszugehen, dass mit der Klage die Nichtigerklärung des Beschlusses, eine Prüfung vor Ort durchzuführen, begehrt wird, der von der EZB am 21. Januar 2019 erlassen und mit Schreiben vom 14. Februar 2019 in seinem wesentlichen Inhalt mitgeteilt wurde.

E.      Zu der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit, wonach ein Beschluss über die Prüfung vor Ort die Rechtsstellung der Person, die Gegenstand der Untersuchung sei, nicht verändert

90      Die Kommission trägt vor, die im Rahmen der Aufsicht über Kreditinstitute durchgeführten Prüfungen stellten ein Mittel dar, mit dem eine zuständige Behörde eine laufende Aufsicht gewährleiste, d. h., sie sammele tatsächliche Beweise, auf deren Grundlage sie anschließend gegebenenfalls Maßnahmen durch einen Beschluss ergreife, der sicherlich eine Handlung darstelle, der Rechtswirkungen für die überprüfte Person erzeuge. Die Prüfungsmaßnahme schließe kein Verfahren ab und bestimme nicht den von der mit den Ermittlungen betrauten Behörde anzunehmenden Standpunkt. Es handele sich um einen Abschnitt in einem möglicherweise aus mehreren Abschnitten bestehenden Verfahren, der mit einer Klage gegen die endgültige Entscheidung angefochten werden könne. Der Prüfungsbeschluss selbst ändere als solcher noch nicht die Rechtsstellung der Person, die Gegenstand der Untersuchung sei. Folglich sei die Klage als unzulässig abzuweisen.

91      Die Klägerin macht dagegen geltend, der angefochtene Beschluss stelle eine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV dar.

92      Zur Befugnis der Kommission, diese Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, ist festzustellen, dass nach Art. 142 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Streithilfe nur die völlige oder teilweise Unterstützung der Anträge einer Hauptpartei zum Gegenstand haben kann. Außerdem muss nach Art. 142 Abs. 3 der Verfahrensordnung der Streithelfer den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der dieser sich zum Zeitpunkt des Streitbeitritts befindet.

93      Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass eine Partei, die als Streithelferin zur Unterstützung des Beklagten zugelassen wird, nicht zur Erhebung einer Einrede der Unzulässigkeit befugt ist, die der Beklagte in seinen Anträgen nicht geltend gemacht hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., C‑341/06 P und C‑342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

94      Daraus folgt, dass die Kommission nicht befugt ist, diese Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, so dass das Gericht nicht verpflichtet ist, darauf ausdrücklich in der Sache einzugehen.

95      Da das Gericht jedoch nach Art. 129 der Verfahrensordnung nach Anhörung der Hauptparteien jederzeit von Amts wegen prüfen kann, ob unverzichtbare Prozessvoraussetzungen fehlen, ist im vorliegenden Fall im Interesse einer geordneten Rechtspflege das Vorliegen dieser unverzichtbaren Prozessvoraussetzung zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. März 1993, CIRFS u. a./Kommission, C‑313/90, EU:C:1993:111, Rn. 23, und vom 19. September 2018, HH Ferries u. a./Kommission, T‑68/15, EU:T:2018:563, Rn. 41 [nicht veröffentlicht]).

96      Die Nichtigkeitsklage, die von natürlichen oder juristischen Personen gegen eine Handlung der Organe erhoben wird, ist nur dann gegeben, wenn die verbindlichen Rechtswirkungen dieser Handlung die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung beeinträchtigen (Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9, und vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 37).

97      Weder aus einer Bestimmung noch aus einem Grundsatz ergibt sich, dass jede Prüfung in den Geschäftsräumen eines Unternehmens unabhängig von ihrer Natur Gegenstand einer Verwaltungsentscheidung sein muss, die einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt, und erst recht nicht einer gerichtlichen Genehmigung.

98      Zwar können „unter bestimmten Umständen“ die von Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) garantierten Rechte, der das Privat- und Familienleben betrifft, dahin ausgelegt werden, dass sie für eine Gesellschaft das Recht auf Achtung ihres Gesellschaftssitzes, ihrer Zweigstelle oder ihrer Geschäftsräume umfassen (vgl. in diesem Sinne EGMR, 16. April 2002, Société Colas Est u. a./Frankreich, CE:ECHR:2002:0416JUD003797197, § 41), doch können dem Gemeinwohl dienende Ziele wie die Sicherheit, die Gesundheit, der Schutz der Grundrechte der Arbeitnehmer oder Dritter, die in den Geschäftsräumen dieser Gesellschaft anwesend sind, die öffentliche Wirtschaftsordnung oder auch die ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Gelder die Durchführung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Prüfungen rechtfertigen. Insoweit verfügt der Gesetzgeber über einen größeren Ermessensspielraum, wenn sich die Maßnahme auf juristische Personen und nicht auf Privatpersonen bezieht (vgl. in diesem Sinne EGMR, 2. Oktober 2014, Delta Pekárny a.s./Tschechische Republik, CE:ECHR:2014:1002JUD000009711, § 82).

99      Wenn der Gesetzgeber vorsieht, dass die Verwaltung Prüfungen in den Geschäftsräumen eines Unternehmens durchführt, hat er unter Berücksichtigung insbesondere des verfolgten Zwecks sowie der Art der betreffenden Tätigkeit und der betreffenden Räumlichkeiten die den mit der Prüfung beauftragten Bediensteten übertragenen Befugnisse sowie die damit verbundenen Garantien, insbesondere die Rechtsprechungsgarantien, so festzulegen, dass ein etwaiger Eingriff in das Recht einer Gesellschaft auf Achtung ihrer Räumlichkeiten, der durch die Prüfung verursacht wird, erforderlich und verhältnismäßig ist.

100    Zwar erfordern bestimmte Prüfungen, wie die wettbewerbsrechtlichen Nachprüfungen, die in Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) vorgesehen sind, den Erlass eines Beschlusses, gegen den ein gerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, doch gilt dies nicht für andere Arten von Prüfungen, insbesondere wenn die Verwaltung nicht befugt ist, die Prüfung zwangsweise durchzusetzen, und zwar auch dann, wenn die Prüfung zwingenden Charakter hat und das Unternehmen mit verwaltungsrechtlichen oder strafrechtlichen Sanktionen belegt werden kann, wenn es sich der Prüfung widersetzt.

101    Beispielsweise erfordern die wettbewerbsrechtlichen Nachprüfungen nach Art. 20 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003, die Vor-Ort-Kontrollen nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 der Kommission vom 17. Juli 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, der Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und der Cross-Compliance (ABl. 2014, L 227, S. 69), und die Kontrollen in den Mitgliedstaaten nach Art. 12 des Übereinkommens Nr. 81 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 11. Juli 1947 über die Arbeitsaufsicht nicht den Erlass einer Verwaltungsentscheidung, die einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

102    Im vorliegenden Fall hat der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass von Art. 12 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1024/2013 jedoch, wie es ihm freistand, entschieden, dass die Prüfungen juristischer Personen nach Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung, insbesondere der in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstitute, von der EZB auf der Grundlage eines Beschlusses vorzunehmen sind.

103    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 288 AEUV Beschlüsse in allen ihren Teilen verbindlich sind.

104    Somit hat der Unionsgesetzgeber, indem er vorgesehen hat, dass eine juristische Person der in Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 vorgesehenen Prüfung auf der Grundlage eines Beschlusses unterliegt, der Handlung, die diese Prüfung vorsieht, verbindliche Rechtswirkungen beigemessen.

105    Im Übrigen nennt Art. 143 Abs. 2 der Verordnung Nr. 468/2014 die Mindestangaben, die der Prüfungsbeschluss enthalten muss, nämlich den Gegenstand und den Zweck der Vor-Ort-Prüfung sowie die Tatsache, dass eine Behinderung der Vor-Ort-Prüfung durch die geprüfte juristische Person unbeschadet des nationalen Rechts einen Verstoß gegen einen Beschluss der EZB im Sinne der Unionsregelung darstellt. Art. 145 Abs. 1 dieser Verordnung stellt klar, dass die juristische Person, die sich einer Vor-Ort-Prüfung zu unterziehen hat, von diesem Beschluss unterrichtet wird.

106    Unter diesen Umständen entfaltet ein auf der Grundlage von Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassener Beschluss über die Prüfung vor Ort verbindliche Rechtswirkungen gegenüber dem Kreditinstitut, dem er mitgeteilt wird, indem er das Letztere einer Prüfung unterzieht, deren Gegenstand und Zweck er festlegt.

107    Zwar ist darauf hinzuweisen, dass, anders als Art. 21 der Verordnung Nr. 1/2003 betreffend die „Nachprüfungen in anderen Räumlichkeiten“ für die Durchführung der Wettbewerbsregeln, Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 bestimmt, dass die Prüfungen vor Ort in den „Geschäftsräumen [der betreffenden] juristischen Personen“ stattfinden und nicht in „anderen Räumlichkeiten, auf anderen Grundstücken oder in anderen Transportmitteln – darunter auch die Wohnungen von Unternehmensleitern und Mitgliedern der Aufsichts- und Leitungsorgane sowie sonstigen Mitarbeitern der betreffenden Unternehmen und Unternehmensvereinigungen“. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Prüfungen vor Ort von Kreditinstituten nicht geeignet, das Recht auf Achtung des Privatlebens in der gleichen Art wie die Nachprüfungen in anderen Räumlichkeiten, die für die Durchführung der Wettbewerbsregeln vorgesehen sind, zu verletzen.

108    Auch wenn ein auf der Grundlage von Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassener Beschluss der EZB verbindliche Rechtswirkungen gegenüber dem Kreditinstitut, dem er mitgeteilt wird, entfaltet, unterliegt die Möglichkeit, zur Durchführung dieses Beschlusses auf Zwangsmaßnahmen zurückzugreifen, nach Art. 13 dieser Verordnung der Genehmigung durch ein nationales Gericht.

109    Zwar ist auch festzustellen, dass, im Unterschied zu Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003, Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 eine Klage vor dem Unionsrichter gegen einen Beschluss der EZB über die Prüfung vor Ort nicht erwähnt. Nur Art. 13 dieser Verordnung über die Genehmigung durch ein nationales Gericht sieht vor, dass die Rechtmäßigkeit des Beschlusses der EZB über die Prüfung vor Ort ausschließlich der Prüfung durch den Gerichtshof der Europäischen Union unterliegt.

110    Aus Art. 13 der Verordnung Nr. 1024/2013 geht jedoch zwangsläufig hervor, dass zumindest dann, wenn die EZB eine gerichtliche Genehmigung einholt, nachdem sie einen Beschluss über die Prüfung vor Ort erlassen hat, dieser Beschluss mit einer Klage vor dem Gericht anfechtbar ist.

111    Da der Unionsgesetzgeber im Unterschied zu der in Art. 20 Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Maßnahme entschieden hat, sämtlichen Handlungen, die es der EZB gestatten, Prüfungen vor Ort in Kreditinstituten durchzuführen, die Eigenschaft von Beschlüssen zu verleihen, ist im Übrigen die Regelung der gerichtlichen Kontrolle dieser Handlungen nicht danach zu unterscheiden, ob ein Antrag auf gerichtliche Genehmigung von der EZB gestellt wird oder nicht. Zum einen setzt nämlich die Möglichkeit einer Klage vor dem Gericht gegen eine Handlung eines Organs keinen ausdrücklichen Hinweis darauf in der Regelung voraus. Zum anderen könnte eine gegenteilige Lösung den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzen, da die Möglichkeit, beim Gericht Klage gegen einen Beschluss der EZB über die Prüfung vor Ort zu erheben, von der Wahl der EZB abhinge, nach dem Erlass dieses Beschlusses die in Art. 13 der Verordnung Nr. 1024/2013 vorgesehene Genehmigung durch ein nationales Gericht einzuholen oder nicht.

112    Zwar sind, wie die Kommission ausführt, Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen, grundsätzlich keine Handlungen, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 10).

113    Bei diesen Zwischenmaßnahmen handelt es sich jedoch in erster Linie um Handlungen, die eine vorläufige Meinung des Organs zum Ausdruck bringen (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung), was bei den Prüfungsbeschlüssen der EZB nicht der Fall ist.

114    Im Übrigen birgt eine Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss, mit dem die EZB entscheidet, eine Prüfung vor Ort in den Geschäftsräumen eines Kreditinstituts vorzunehmen, nicht die Gefahr, dass die verschiedenen Phasen des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens durcheinandergebracht werden. Eine solche Klage dürfte nämlich das Gericht nicht dazu zwingen, über das Bestehen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Beaufsichtigung durch das betroffene Unternehmen zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 20).

115    Da der Gesetzgeber im Rahmen seines Ermessensspielraums beschlossen hat, die auf der Grundlage von Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassenen Rechtsakte unabhängig vom Vorliegen einer von einem nationalen Gericht erteilten Genehmigung als Beschlüsse einzustufen und das Vorliegen einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Gerichtshof der Europäischen Union in Art. 13 dieser Verordnung anzuführen, können die Beschlüsse der EZB über die Prüfung vor Ort nicht als Zwischenmaßnahmen angesehen werden, gegen die kein gerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist.

116    Nach alledem ist ein auf der Grundlage von Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassener Beschluss über die Prüfung vor Ort, wie der angefochtene Beschluss, geeignet, die Interessen der juristischen Person, der er mitgeteilt wird, durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung zu beeinträchtigen, so dass er mit einer von dieser Person erhobenen Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV beim Gericht angefochten werden kann, was die Parteien im Übrigen nicht bestreiten.

117    Folglich ist die Klage zulässig.

F.      Zur Begründetheit

118    Die Klägerin macht im Rahmen der vorliegenden Klage zehn Klagegründe geltend: Der erste Klagegrund betrifft die fehlende Zuständigkeit der EZB für den Erlass des angefochtenen Beschlusses. Der zweite Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013, da der angefochtene Beschluss nicht erforderlich im Sinne dieser Bestimmung sei. Der dritte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen dieselbe Bestimmung, da die EZB ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt habe. Der vierte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der fünfte Klagegrund betrifft die Verletzung des Rechts der Klägerin auf Anhörung. Der sechste Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen die Pflicht der EZB, alle relevanten Gesichtspunkte des Falls sorgfältig und unparteiisch zu prüfen und zu würdigen. Der siebte Klagegrund betrifft einen Begründungsmangel, der achte Klagegrund einen Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Der neunte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung, der zehnte Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 19 und den 75. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1024/2013 sowie einen Ermessensmissbrauch.

119    Die Klagegründe, die die formelle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses betreffen, sind vor den Klagegründen betreffend seine Begründetheit zu prüfen.

1.      Zum ersten Klagegrund: Fehlende Zuständigkeit der EZB

120    Die Klägerin macht geltend, die EZB sei zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses nicht die zuständige Aufsichtsbehörde gewesen. Nach Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 dürfe die EZB Prüfungen vor Ort nur bei bedeutenden Kreditinstituten durchführen. Nach Art. 6 Abs. 5 dieser Verordnung unterliege ein weniger bedeutendes Kreditinstitut der direkten Aufsicht durch die zuständige nationale Behörde, es sei denn, die EZB beschließe, die direkte Aufsicht zu übernehmen, indem sie das Kreditinstitut als bedeutend ansehe.

121    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

122    Aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 geht hervor, dass die EZB für die Wahrnehmung der in dieser Bestimmung aufgezählten Aufgaben zur Beaufsichtigung „sämtlicher“ in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstitute zuständig ist, ohne zwischen bedeutenden und weniger bedeutenden Kreditinstituten zu unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 37 und 38).

123    Es trifft zu, dass nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 die EZB ihre Aufgaben innerhalb des SSM wahrnimmt, der aus der EZB und den nationalen zuständigen Behörden besteht, und darauf achtet, dass dieser wirksam und einheitlich funktioniert (Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 39).

124    Die zuständigen nationalen Behörden unterstützen die EZB bei der Wahrnehmung der ihr von der Verordnung Nr. 1024/2013 übertragenen Aufgaben durch eine dezentralisierte Umsetzung bestimmter dieser Aufgaben in Bezug auf weniger bedeutende Kreditinstitute (Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 41).

125    Art. 6 Abs. 5 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013 bestimmt, dass in Bezug auf die in Abs. 4 dieses Artikels genannten Kreditinstitute, d. h. die weniger bedeutenden Kreditinstitute, die EZB jederzeit von den in den Art. 10 bis 13 dieser Verordnung genannten Befugnissen Gebrauch machen kann, d. h. Informationsersuchen stellen, allgemeine Untersuchungen durchführen und Prüfungen vor Ort vornehmen.

126    Der Umstand, dass nach Art. 6 Abs. 6 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 die nationalen zuständigen Behörden dezentral und unter der Aufsicht der EZB bestimmte, in Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung definierte Aufgaben in Bezug auf weniger bedeutende Kreditinstitute wahrnehmen, wirkt sich nicht auf die Zuständigkeit aus, über die die EZB für die Ausübung ihrer Untersuchungsbefugnisse gegenüber diesen Instituten verfügt, da diese Bestimmungen nach ihrem Wortlaut „[u]nbeschadet“ des Art. 6 Abs. 5 dieser Verordnung gelten, dessen hier relevante Bestimmungen oben in Rn. 125 wiedergegeben worden sind. Ebenso gilt nach diesem Art. 6 Abs. 6 Unterabs. 2 die Befugnis der nationalen zuständigen Behörden, nach ihrem nationalen Recht vor Ort Prüfungen dieser Kreditinstitute durchzuführen, auch „[u]nbeschadet“ der Art. 10 bis 13 der betreffenden Verordnung, die die Untersuchungsbefugnisse der EZB betreffen.

127    Die Zuständigkeit der EZB für Prüfungen vor Ort bei weniger bedeutenden Kreditinstituten wird durch Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 bestätigt. Dieser Artikel bestimmt nämlich, dass die EZB Prüfungen vor Ort in den Geschäftsräumen von juristischen Personen im Sinne von Art. 10 Abs. 1 durchführen kann, deren Buchst. a Kreditinstitute anführt, die in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassen sind, ohne dass zwischen bedeutenden und weniger bedeutenden Instituten unterschieden wird.

128    Der von der Klägerin angeführte Umstand, dass die EZB nach Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 Prüfungen vor Ort von sonstigen Unternehmen, die in die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis einbezogen sind und für die die EZB nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. g dieser Verordnung die konsolidierende Aufsichtsbehörde ist, durchführen kann, ändert nichts an dieser Schlussfolgerung, da Art. 12 den in Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung genannten juristischen Personen nur andere Unternehmen hinzufügt, bei denen die EZB eine Prüfung vor Ort vornehmen kann.

129    Art. 6 Abs. 5 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013, der der EZB die Befugnis verleiht, eine Prüfung vor Ort in einem weniger bedeutenden Kreditinstitut durchzuführen, steht auch im Einklang mit dem 16. Erwägungsgrund dieser Verordnung, wonach die EZB in Bezug auf „alle“ Kreditinstitute Aufsichtsaufgaben ausüben können sollte, sowie mit dem 47. Erwägungsgrund dieser Verordnung, wonach im Interesse einer wirksamen Wahrnehmung ihrer Aufgaben die EZB berechtigt sein sollte, „gegebenenfalls“ in Zusammenarbeit mit den zuständigen nationalen Behörden Prüfungen vor Ort durchzuführen.

130    Folglich ergibt sich aus den oben angeführten Bestimmungen der Verordnung Nr. 1024/2013, dass die EZB befugt ist, gegenüber einem weniger bedeutenden Kreditinstitut die in den Art. 10 bis 13 dieser Verordnung vorgesehenen Untersuchungsbefugnisse auszuüben, u. a. die Befugnis, eine Prüfung vor Ort durchzuführen.

131    Die Möglichkeit der EZB, Prüfungen vor Ort in weniger bedeutenden Kreditinstituten durchzuführen, wird darüber hinaus ausdrücklich in Art. 138 Satz 2 der Verordnung Nr. 468/2014 erwähnt.

132    Im Übrigen wird die Zuständigkeit der EZB für Prüfungen vor Ort in weniger bedeutenden Kreditinstituten durch bestimmte Veröffentlichungen der EZB, wie z. B. den im November 2014 veröffentlichten Leitfaden zur Bankenaufsicht, den im September 2018 veröffentlichten Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle oder durch die öffentliche Anhörung durch die EZB vor dem Erlass des letztgenannten Leitfadens, nicht entkräftet. Hierzu genügt die Feststellung, dass diese Veröffentlichungen, die, worauf im Übrigen jede von ihnen hinweist, nicht verbindlich sind, die Zuständigkeiten, die der Unionsgesetzgeber der EZB übertragen hat, in keiner Weise einschränken können. Außerdem schließt keine dieser Veröffentlichungen die Möglichkeit für die EZB aus, Prüfungen vor Ort in weniger bedeutenden Kreditinstituten durchzuführen. Im Gegenteil wird im Leitfaden zur Bankenaufsicht (Rn. 75) und dem im November 2017 veröffentlichten Dokument „Aufsicht über weniger bedeutende Institute innerhalb des SSM“ (S. 3 und 10) auf diese Möglichkeit hingewiesen.

133    Das übrige Vorbringen der Klägerin ist zurückzuweisen.

134    Erstens kann die Klägerin für den Nachweis, dass die Zuständigkeit der EZB für Prüfungen vor Ort in weniger bedeutenden Kreditinstituten eine „Anomalie“ im SSM darstelle, nicht mit Erfolg geltend machen, dass die EZB den betroffenen Unternehmen keine Verpflichtungen auferlegen könne, um die bei den Prüfungen entdeckten Mängel zu beheben.

135    Die Zuständigkeit, die der Unionsgesetzgeber der EZB für die Durchführung von Prüfungen vor Ort in weniger bedeutenden Kreditinstituten übertragen hat, steht nämlich im Einklang mit der Einrichtung des SSM, der aus der EZB und den nationalen zuständigen Behörden besteht, und mit der von der EZB ausgeübten Kontrolle über die Umsetzung bestimmter in Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 vorgesehener Aufgaben durch die nationalen zuständigen Behörden gegenüber den weniger bedeutenden Kreditinstituten, die in ihre ausschließliche Befugnis fallen, aber deren dezentralisierte Ausübung durch Art. 6 dieser Verordnung gestattet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 49).

136    Nach Art. 6 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1024/2013 verfügt die EZB im Übrigen, neben der Möglichkeit, jederzeit Informationsersuchen zu stellen und allgemeine Untersuchungen oder Prüfungen vor Ort in den weniger bedeutenden Kreditinstituten durchzuführen, auch über mehrere Befugnisse im Zusammenhang mit der Aufsicht über diese Institute, wie z. B. die Möglichkeit, auf Ad-hoc-Basis oder auf kontinuierlicher Basis Informationen von den nationalen zuständigen Behörden über die Ausübung ihrer Aufgaben anzufordern, oder jederzeit zu beschließen, wenn dies für die Sicherstellung der kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards erforderlich ist, sämtliche einschlägigen Befugnisse in Bezug auf ein oder mehrere weniger bedeutende Kreditinstitute selbst auszuüben. Art. 6 Abs. 6 dieser Verordnung bestimmt außerdem, dass die nationalen zuständigen Behörden zwar die Befugnis behalten, nach nationalem Recht Informationen von weniger bedeutenden Kreditinstituten einzuholen und vor Ort Prüfungen dieser Kreditinstitute durchzuführen, doch unterrichten sie die EZB über die ergriffenen Maßnahmen und koordinieren diese „in enger Zusammenarbeit“ mit der EZB.

137    Zweitens fehlt der Behauptung der Klägerin, der EZB sei bewusst geworden, dass sie für den Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht zuständig gewesen sei, und sie habe „teilweise aus diesem Grund“ beschlossen, mit einem mit Schreiben vom 1. März 2019 zugestellten Beschluss die Klägerin als bedeutendes Unternehmen einzustufen, die Grundlage. Es verbietet nämlich keine Bestimmung und kein Grundsatz der EZB, eine Prüfung in den Geschäftsräumen eines weniger bedeutenden Unternehmens durchzuführen und dieses zugleich oder später als bedeutendes Unternehmen einzustufen. Außerdem steht das Vorbringen der Klägerin, der EZB sei bewusst geworden, dass sie für den Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht zuständig gewesen sei, im Widerspruch zum angefochtenen Beschluss, in dem zweimal darauf hingewiesen wird, dass die EZB für den Erlass eines Beschlusses über die Prüfung bei einem weniger bedeutenden Kreditinstitut zuständig sei (vgl. S. 1 und 4 dieses Beschlusses).

138    Somit ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

2.      Zum siebten Klagegrund: Begründungsmangel

139    Die Klägerin macht geltend, die EZB habe gegen ihre Begründungspflicht verstoßen, da in dem Schreiben vom 14. Februar 2019 nicht dargelegt werde, aus welchen Gründen die EZB beschlossen habe, eine Prüfung vor Ort durchzuführen.

140    Nach Ansicht der EZB ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

141    Die insbesondere nach Art. 296 AEUV erforderliche Begründung muss der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

142    Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, nach der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

143    Bei der in Art. 296 AEUV vorgesehenen Pflicht zur Begründung von Rechtsakten der Unionsorgane handelt es sich um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Frage der sachlichen Richtigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (vgl. Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 181 und die dort angeführte Rechtsprechung).

144    In Bezug auf Prüfungsbeschlüsse, die gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 2014/2013 erlassen werden, bestimmt Art. 143 Abs. 2 der Verordnung Nr. 468/2014:

„Unbeschadet des Artikels 142 [der Verordnung Nr. 468/2014] und gemäß Artikel 12 Absatz 3 der …Verordnung [Nr. 1024/2013] werden Vor-Ort-Prüfungen auf Grundlage eines Beschlusses der EZB durchgeführt, in dem zumindest Folgendes angegeben ist:

a)      der Gegenstand und der Zweck der Vor-Ort-Prüfung und

b)      die Tatsache, dass eine Behinderung der Vor-Ort-Prüfung durch die geprüfte juristische Person unbeschadet des in Artikel 11 Absatz 2 der …Verordnung [Nr. 1024/2013] genannten nationalen Rechts einen Verstoß gegen einen Beschluss der EZB im Sinne von Artikel 18 Absatz 7 der …Verordnung [Nr. 1024/2013] darstellt.“

145    Im vorliegenden Fall heißt es in dem Schreiben vom 14. Februar 2019, mit dem der angefochtene Beschluss der Klägerin mitgeteilt wurde, dass gemäß einem Beschluss des Aufsichtsgremiums vom 10. Januar 2019 eine auf Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 und auf die Art. 143 bis 146 der Verordnung Nr. 468/2014 gestützte Prüfung durchgeführt werde. Diese Prüfung habe das Kreditrisiko zum Ziel, und sie betreffe die Klägerin und ihre Konzernunternehmen. Diese Prüfung sei für März 2019 vorgesehen, und der Leiter der Prüfungsmission werde die Klägerin kontaktieren, um ein erstes Treffen zu organisieren.

146    Da das Schreiben vom 14. Februar 2019 angibt, dass die Prüfung vor Ort das Kreditrisiko zum Ziel hat, ist davon auszugehen, dass es zwar in gedrängter Form, aber hinreichend klar im Einklang mit Art. 143 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 468/2014 sowohl den Gegenstand der Prüfung, nämlich das Kreditrisiko, als auch ihren Zweck, nämlich die Analyse dieses Risikos durch die EZB, angibt. Insoweit war die EZB nicht verpflichtet, in diesem Schreiben auf den Verdacht einer Zuwiderhandlung hinzuweisen, was die Klägerin im Übrigen nicht behauptet (siehe unten, Rn. 188 und 226).

147    Der Begriff des Kreditrisikos ist ein grundlegender Begriff der Banktätigkeit, der eindeutig ist und im Wesentlichen dem Risiko entspricht, dass ein Kreditnehmer seinen Kredit nicht zurückzahlt. Er wird in Art. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 angeführt, in Art. 79 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338), und ist im Übrigen Gegenstand des Grundsatzes 17 der Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht im September 2012 ausgearbeitet wurden (im Folgenden: Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht), die keinen zwingenden Charakter haben, aber nach ihrem Wortlaut „den faktischen Mindeststandard für eine solide Aufsicht und Regulierung von Banken und Bankensystemen“ bilden.

148    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Leiter der Prüfungsmission bei dem Treffen am 5. März 2019, d. h. mehrere Tage vor Beginn der Prüfung, mit Hilfe eines der Klägerin übergebenen Dokuments nähere Angaben zu der in Rede stehenden Prüfung machte. Er legte insbesondere den Umfang der Mission mit dem Titel „Kreditrisiko und Unternehmensführung“ dar, indem er den Inhalt der Prüfung betreffend die Klassifikation und die Rückstellungen, die Aufzeichnung des Inventars (verkaufte Vermögenswerte aus Zwangsvollstreckungen), die Bewertung der Sicherheiten und Vermögenswerte (zum Verkauf gehaltene Aktiva), die Qualität der Daten und die Unternehmensführung sowie das Geschäftsmodell näher ausführte (vgl. S. 2 dieses Dokuments).

149    Der angefochtene Beschluss erging außerdem in einem Kontext, der der Klägerin bekannt war. Letztere stand in regelmäßigem Kontakt mit der FKMK, die die Risiken, denen die Klägerin im Bereich Kredite ausgesetzt war, seit mehreren Jahren aufmerksam verfolgte und ihr gegenüber, wie oben in den Rn. 9 und 12 ausgeführt, Aufsichtsbeschlüsse u. a. in Bezug auf diese Risiken in den Jahren 2016 und 2017 erlassen hatte. Die Klägerin stand in direktem Kontakt mit der EZB, da sie ihr am 5. Juli und 12. September 2018 geschrieben hatte, um sie zu ersuchen, in ihre Aufsicht einzugreifen, und da die Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der EZB ihr mit Schreiben vom 8. Oktober 2018 geantwortet hatte, sie teile die Auffassung der FKMK, dass ihre Situation eine besondere Aufsicht erfordere. Die Klägerin kannte alle Aspekte des von ihr selbst eingeleiteten Schiedsverfahrens. Schließlich war sie über das Verfahren zur Übernahme ihrer direkten Aufsicht durch die EZB informiert, da ihr der diesbezügliche Beschlussentwurf mit Schreiben der EZB vom 11. Februar 2019 übermittelt worden war.

150    Selbst wenn die Klägerin folglich zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht über den als vom EZB-Rat angenommen geltenden Beschlussentwurf verfügte, der gemäß Art. 10 Abs. 4 des Protokolls (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB vertraulich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, EZB/Espírito Santo Financial [Portugal], C‑442/18 P, EU:C:2019:1117, Rn. 43 bis 46), kannte sie die Gründe des angefochtenen Beschlusses hinreichend, um deren Stichhaltigkeit zu beurteilen.

151    Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Klägerin aufgrund einer prozessleitenden Maßnahme des Gerichts eine nicht vertrauliche Fassung des als vom EZB-Rat angenommen geltenden Beschlussentwurfs übermittelt worden ist. In diesem Entwurf, dessen Hauptgründe oben in den Rn. 23 bis 27 wiedergegeben worden sind, wird die jüngste Aufsichtsbilanz der Klägerin dargelegt und darauf hingewiesen, dass Mängel und Verstöße gegen die anwendbaren Bestimmungen, die er ausführlich darlegt, in den Vorjahren festgestellt worden seien und nicht Gegenstand geeigneter Maßnahmen seitens der Klägerin gewesen seien. Er legt dar, dass die Empfehlung des ICSID die FKMK daran hindere, sämtliche Aufsichtsmaßnahmen gegenüber der Klägerin umzusetzen, dass die EZB die Übernahme der direkten Aufsicht über die Klägerin vorbereite und dass eine Prüfung vor Ort es der EZB ermögliche, ihre eigene Analyse der Situation der Klägerin durchzuführen. Parallel zur vorgesehenen Übernahme der direkten Aufsicht über die Klägerin werde die EZB dann in der Lage sein, die notwendigen Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Klägerin die Aufsichtsanforderungen beachte.

152    Somit hat diese Mitteilung es der Klägerin gestattet, nähere Angaben zu den Gründen des angefochtenen Beschlusses zu erhalten, zu denen sie in der Erwiderung Stellung nehmen konnte.

153    Folglich ist der siebte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

3.      Zum fünften Klagegrund: Verletzung des Rechts der Klägerin auf Anhörung

154    Die Klägerin macht geltend, die EZB habe ihr Recht auf Anhörung dadurch verletzt, dass sie ihr vor Erlass des angefochtenen Beschlusses keine Gelegenheit gegeben habe, sich zu der geplanten Prüfung vor Ort zu äußern.

155    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

156    Vorab ist festzustellen, dass sich die Klägerin zur Stützung des Klagegrundes einer Verletzung des Rechts auf Anhörung auf die kurze Angabe beschränkt, dass ihr vor Erlass des angefochtenen Beschlusses keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich zu der beabsichtigten Prüfung vor Ort zu äußern.

157    Nach Art. 41 Abs. 2 der Charta umfasst das Recht auf eine gute Verwaltung insbesondere das Recht jeder Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird.

158    Im vorliegenden Fall sieht keine Bestimmung der Verordnung Nr. 1024/2013 oder der Verordnung Nr. 468/2014 vor, dass einem Beschluss über die Prüfung eines Kreditinstituts die Möglichkeit für dieses Institut vorausgeht, gehört zu werden. Dieser Umstand ist jedoch als solcher nicht geeignet, die EZB von ihrer Verpflichtung zu entbinden, den Adressaten eines Prüfungsbeschlusses vor dessen Erlass anzuhören. Das Recht, gehört zu werden, ein durch die Charta gewährleistetes Grundrecht, ist nämlich für die EZB verbindlich, ohne dass dies in einer anderen Vorschrift ausdrücklich vorgesehen ist.

159    Erstens sieht zwar Art. 22 („Ordnungsgemäßes Verfahren für die Annahme von Aufsichtsbeschlüssen“) der Verordnung Nr. 1024/2013 in Abs. 1 vor, dass die EZB den Personen, auf die sich Aufsichtsbeschlüsse im Einklang mit Art. 4 und Kapitel III Abschnitt 2 („Besondere Aufsichtsbefugnisse“) beziehen, Gelegenheit gibt, gehört zu werden, jedoch betrifft dieser Art. 22 nicht die gemäß den Bestimmungen des Abschnitts 1 („Untersuchungsbefugnisse“) dieses Kapitels erlassenen Maßnahmen.

160    Zudem sieht Art. 145 („Verfahren und Mitteilung einer Vor-Ort-Prüfung“) der Verordnung Nr. 468/2014 in Abs. 1 Satz 1 vor, dass die EZB die juristische Person, die sich einer Prüfung zu unterziehen hat, von dem Beschluss unterrichtet und ihr die Mitglieder des Vor-Ort-Prüfungsteams mindestens fünf Arbeitstage vor dem Beginn der Vor-Ort-Prüfung nennt, aber gibt nicht an, dass die betroffene Person das Recht hat, gehört zu werden.

161    Vor allem bestimmt Art. 31 („Recht auf rechtliches Gehör“) der Verordnung Nr. 468/2014 im letzten Satz von Abs. 1 ausdrücklich, dass Kapitel III Abschnitt 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 von den Bestimmungen dieses Artikels unberührt bleibt.

162    Folglich sieht die anwendbare Regelung vor, dass die juristischen Personen, auf die sich eine der in Kapitel III Abschnitt 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 genannten Untersuchungsmaßnahmen bezieht, darunter die Prüfung vor Ort, nicht das Recht haben, vor dem Erlass dieser Maßnahme gehört zu werden.

163    Indem die anwendbare Regelung vorsieht, dass die betroffenen Personen vor dem Erlass einer Untersuchungsmaßnahme nicht gehört werden, steht sie im Einklang mit der Natur einer solchen Maßnahme, die allein auf die Einholung von Informationen gerichtet ist (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 26. Juni 1980, National Panasonic/Kommission, 136/79, EU:C:1980:169, Rn. 21, und Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Italmobiliare/Kommission, C‑268/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:697, Nr. 119).

164    Außerdem ergibt sich aus Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013, dass die Beschlüsse, mit denen die EZB gegebenenfalls die Verhängung von Aufsichtsmaßnahmen im Licht der bei einer Untersuchung gesammelten Informationen beschließt, Gegenstand eines Verfahrens sein müssen, das das Recht der betroffenen Personen umfasst, gehört zu werden.

165    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass ein Ermittlungsverfahren, das sich über mehrere Monate hinzieht und Vor‑Ort‑Kontrollen sowie die Anhörung des betroffenen Unternehmens, dessen Erklärungen zur Akte genommen werden, umfasst, den Schluss zulassen kann, dass das betroffene Unternehmen in voller Sachkenntnis im Lauf der Ermittlungen angehört wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2008, Sopropé, C‑349/07, EU:C:2008:746, Rn. 45 und 46).

166    Das Gericht stellt fest, dass im vorliegenden Fall nach der Darstellung des Leiters der Prüfungsmission am 5. März 2019 mehrere Treffen zwischen den Mitgliedern des Prüfungsteams und den Verantwortlichen der Klägerin in Bezug auf die relevanten Themen geplant werden mussten (vgl. S. 5 dieser Darstellung). Aus dieser Darstellung geht auch hervor, dass die Übermittlung eines Entwurfs des Prüfungsberichts und ein „Endtreffen“ vor der Übermittlung des Abschlussberichts und des „Abschlusstreffens“ vorgesehen waren (vgl. S. 7 dieser Darstellung).

167    Nach alledem unterliegt ein Beschluss der EZB, gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 eine Prüfung vor Ort in einem Kreditinstitut vorzunehmen, nicht dem Recht des betroffenen Unternehmens, vor dem Erlass dieses Beschlusses gehört zu werden.

168    Nach dem Beschluss über die Durchführung einer Prüfung vor Ort und vor dem etwaigen Erlass eines Beschlusses nach Art. 4 und Kapitel III Abschnitt 2 der Verordnung Nr. 1024/2013 ist die EZB verpflichtet, den betroffenen Personen Gelegenheit zu geben, gehört zu werden.

169    Ergänzend ist für den Fall, dass die EZB verpflichtet gewesen sein sollte, die Klägerin vor Erlass des angefochtenen Beschlusses anzuhören, darauf hinzuweisen, dass eine Verletzung der Verteidigungsrechte, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nur dann zur Nichtigerklärung einer am Ende des fraglichen Verwaltungsverfahrens ergangenen Entscheidung führt, wenn das Verfahren ohne diese Regelwidrigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. Urteil vom 4. April 2019, OZ/EIB, C‑558/17 P, EU:C:2019:289, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

170    Im vorliegenden Fall geht aus den Akten nicht hervor, dass das Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, wenn die Klägerin vor Erlass des angefochtenen Beschlusses angehört worden wäre. Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin dies nicht behauptet und dass der angefochtene Beschluss, wie oben in Rn. 149 ausgeführt, in einem Kontext ergangen ist, der ihr bekannt war.

171    Der fünfte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

4.      Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013, da der angefochtene Beschluss nicht erforderlich im Sinne dieser Bestimmung sei, und zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

172    Im Rahmen des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass nach Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 eine Prüfung vor Ort erforderlich sein müsse. Die Prüfung vor Ort, der sie unterzogen worden sei, sei aber eine Vergeltungsmaßnahme gewesen, mit der die EZB zeige, dass sie keine Kritik toleriere. Im Schreiben vom 14. Februar 2019 habe die EZB den Umfang und Zweck der Prüfung vor Ort nicht klar definiert. Sie habe nicht erläutert, inwiefern eine Prüfung vor Ort erforderlich gewesen sei, um das Kreditrisiko zu analysieren. Dieses Risiko werde von der FKMK seit vielen Jahren sorgfältig überwacht. Alle Kreditentscheidungen der Klägerin seien von der FKMK beaufsichtigt worden, und alle Entscheidungen über einen Betrag von mehr als 50 000 Euro seien ihr zur Genehmigung vorgelegt worden. Seit Langem sei das Kreditportfolio der Klägerin nicht ohne die Genehmigung der FKMK geändert worden.

173    Im Rahmen des vierten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die EZB hätte das am wenigsten einschneidende Mittel verwenden müssen, um das verfolgte Ziel zu erreichen. Die Klägerin sei stets bereit gewesen, der EZB und der FKMK alle erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Es sei nicht nachgewiesen, dass eine, insbesondere von der EZB durchgeführte, Prüfung vor Ort nicht durch andere geeignete Untersuchungsmaßnahmen vermieden werden könne. Die von der EZB durchgeführten Prüfungen vor Ort seien strenger als die von den nationalen zuständigen Behörden durchgeführten, insbesondere weil sie von Bediensteten durchgeführt würden, die die Sprache des betreffenden Landes nicht sprächen. Dies gelte insbesondere für Lettland, dessen Sprache außerhalb seiner Grenzen nicht weitverbreitet gesprochen werde. Außerdem sei der Zeitplan der Prüfung missbräuchlich gewesen, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Prüfung ihre jährliche Wirtschaftsprüfung mit einem Drittunternehmen durchgeführt habe und die EZB es abgelehnt habe, die Prüfung um einen Monat zu verschieben. Die Klägerin habe ihre jährliche Wirtschaftsprüfung nicht rechtzeitig abschließen können, und die FKMK habe ihr aus diesem Grund eine Geldbuße auferlegt.

174    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

175    Angesichts des Zusammenhangs zwischen dem zweiten und dem vierten Klagegrund sind diese beiden Klagegründe zusammen zu prüfen.

176    Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 kann die EZB alle erforderlichen Prüfungen vor Ort in den Geschäftsräumen von beaufsichtigten Instituten, u. a. die in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstitute, durchführen.

177    Die in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 verwendete Bezeichnung „erforderlich“ steht im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der verlangt, dass die Handlungen der Unionsorgane zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 50, und vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat, C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 206).

178    Die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme ist mit der Beachtung des Ermessensspielraums, der den Unionsorganen bei ihrem Erlass eventuell eingeräumt wird, in Einklang zu bringen (vgl. Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die EZB verfügt jedoch über ein weites Ermessen, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, einen Rechtsakt bezüglich der Aufsicht über ein Kreditinstitut erlässt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 86).

179    Nach der oben in Rn. 177 angeführten Rechtsprechung sind die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit einer Prüfung vor Ort anhand der mit der Regelung verfolgten Ziele zu beurteilen.

180    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Ziel der Aufsicht über Kreditinstitute darin besteht, die Sicherheit und Solidität dieser Institute, die Stabilität des Finanzsystems und den Einlegerschutz zu gewährleisten (vgl. Erwägungsgründe 30 und 65 der Verordnung Nr. 1024/2013).

181    Das solide Management des Kreditrisikos durch die Kreditinstitute stellt eines der Hauptziele der Aufsicht dar, wie sich aus Art. 1 der Verordnung Nr. 575/2013, aus Art. 79 der Richtlinie 2013/36 und im Übrigen aus dem Grundsatz 17 der Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht ergibt.

182    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass jedes Kreditinstitut einer „laufenden“ Aufsicht durch die zuständigen Behörden unterliegt (vgl. 37. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1024/2013, dritter Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/36 und 25. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 575/2013).

183    Die zuständigen Behörden verfügen gemäß den Art. 14 bis 16 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 104 der Richtlinie 2013/36 über Befugnisse, die es ihnen gestatten, einem Kreditinstitut die für die Ausübung seiner Tätigkeit erforderliche Zulassung zu entziehen, den Erwerb einer Beteiligung an diesem Institut abzulehnen und Aufsichtsmaßnahmen zu treffen, insbesondere die Verstärkung seiner Unternehmensführung, die Verbesserung seiner Eigenmittel- oder Liquiditätslage, die Begrenzung der Geschäftsbereiche oder die Veräußerung von Geschäftszweigen oder die Abberufung der Mitglieder des Leitungsorgans.

184    Außerdem verfügen die zuständigen Behörden nach den Art. 9 bis 13 der Verordnung Nr. 1024/2013 und Art. 65 Abs. 3 der Richtlinie 2013/36 über Untersuchungsbefugnisse, die es ihnen gestatten, sämtliche Informationen zu verlangen, die sie für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigen, einschließlich der Informationen, die in regelmäßigen Abständen und in festgelegten Formaten zu Aufsichts- und entsprechenden Statistikzwecken zur Verfügung zu stellen sind, Untersuchungen durchzuführen und Prüfungen vor Ort vorzunehmen. Im 47. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1024/2013 heißt es, dass „[i]m Interesse einer wirksamen Wahrnehmung ihrer Aufgaben“ die EZB berechtigt sein sollte, alle erforderlichen Informationen anzufordern sowie Untersuchungen und Prüfungen vor Ort durchzuführen.

185    Die zuständigen Behörden führen nach den Art. 97 und 99 der Richtlinie 2013/36 eine aufsichtliche Überprüfung und Bewertung durch. Sie legen unter Berücksichtigung der Größe, der Systemrelevanz und der Art, des Umfangs und der Komplexität der Geschäfte des betreffenden Instituts die Häufigkeit und Intensität der Überprüfung und Bewertung fest und tragen dabei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung. Die Überprüfung und Bewertung wird bei Instituten, auf die sich das aufsichtliche Prüfungsprogramm erstreckt, mindestens jährlich auf den neuesten Stand gebracht. Dieses Programm, das einen Plan für Inspektionen vor Ort enthält, erstreckt sich auf Institute, bei denen die Ergebnisse der Stresstests oder das Ergebnis der aufsichtlichen Überprüfung und Bewertung auf erhebliche Risiken für ihre finanzielle Solidität oder auf Verstöße gegen die relevanten Vorschriften hinweisen, Institute, die für das Finanzsystem ein Systemrisiko darstellen, und jedes andere Institut, bei dem die zuständigen Behörden es für erforderlich halten. Die zuständigen Behörden können, falls dies im Rahmen vom Art. 97 angemessen ist, bei Bedarf Maßnahmen treffen, wie eine Erhöhung der Zahl oder Häufigkeit der Inspektionen bei dem Institut oder dauerhafte Anwesenheit der zuständigen Behörde bei dem Institut.

186    Die Grundsätze 9 und 10 der Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht sehen im Übrigen vor, dass die Aufsichtsinstanz ihre Ressourcen verhältnismäßig einsetzt, unter Berücksichtigung des Risikoprofils und der Systemrelevanz der Bank. Sie führen aus, dass diese Aufsichtsinstanz die Aufsicht vor Ort und die Beaufsichtigung von außen in einem angemessenen Verhältnis einsetzt. Zum einen analysiert die Aufsichtsinstanz aufsichtsrelevante Informationen und statistische Daten. Zum anderen überprüft sie die von den Banken auf Verlangen oder in regelmäßigen Abständen übermittelten Informationen unabhängig durch Prüfungen vor Ort oder durch externe Sachverständige. Sie pflegt häufige Kontakte zum obersten Verwaltungsorgan, zu dessen Mitgliedern ohne Exekutivfunktion sowie zur mittleren und obersten Führungsebene. Sie trifft sich regelmäßig mit Vertretern der Geschäftsleitung und des obersten Verwaltungsorgans. Sie kann unabhängige Drittparteien beiziehen, ihre Aufsichtsverantwortung jedoch nicht an Dritte auslagern.

187    Aus den Erwägungsgründen, Bestimmungen und Grundsätzen, auf die oben in den Rn. 182 bis 186 hingewiesen worden ist, geht hervor, dass die Kreditinstitute einer „laufenden“ Aufsicht unterliegen, die auf einer Kombination von Beaufsichtigung von außen, die auf der Grundlage der den zuständigen Behörden regelmäßig übermittelten Informationen durchgeführt wird, und Kontrollen vor Ort, mit denen die übermittelten Informationen überprüft werden können, beruht. Die Beaufsichtigung von außen kann grundsätzlich nicht an die Stelle der Prüfungen vor Ort treten, die es insbesondere der zuständigen Behörde gestatten, die von diesen Instituten übermittelten Informationen unabhängig zu überprüfen.

188    Im Unterschied zu den Nachprüfungen, die die Kommission auf der Grundlage von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 durchführt, mit denen Verstöße gegen die Art. 101 und 102 AEUV aufgedeckt werden sollen, sollen die von der EZB vor Ort durchgeführten Prüfungen im Rahmen einer laufenden Aufsicht, die eine Beaufsichtigung von außen mit Kontrollen vor Ort kombiniert, feststellen, ob die Kreditinstitute ein solides Risikomanagement und eine solide Risikoabdeckung gewährleisten und die übermittelten Informationen zuverlässig sind, so dass die Durchführung dieser Prüfungen nicht davon abhängt, dass ein Verdacht der Zuwiderhandlung besteht. Die Klägerin behauptet dies im Übrigen auch nicht.

189    Die Schlussfolgerung oben in Rn. 188 steht nicht im Widerspruch zum Wortlaut von Art. 13 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 1024/2013, wonach bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Zwangsmaßnahmen das nationale Gericht die EZB um detaillierte Erläuterungen bitten kann, insbesondere in Bezug auf die Gründe, aus denen die EZB annimmt, dass ein Verstoß gegen die in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 dieser Verordnung genannten Rechtsakte vorliegt, sowie auf die Schwere des mutmaßlichen Verstoßes und auf die Art der Beteiligung der den Zwangsmaßnahmen unterworfenen Person.

190    Art. 13 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 1024/2013 betrifft nämlich nicht die Erforderlichkeit der Prüfung vor Ort, sondern die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der geplanten Zwangsmaßnahmen, insbesondere wenn festgestellt wird, dass eine Person sich einer Prüfung widersetzt.

191    Schließlich ergibt sich aus den oben in den Rn. 182 bis 186 wiedergegebenen Bestimmungen, Erwägungsgründen und Grundsätzen, dass die Häufigkeit und Intensität der Prüfungen vor Ort unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit festgelegt werden.

192    Im vorliegenden Fall geht erstens aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass von der FKMK in den Jahren vor der Prüfung Mängel und Verstöße gegen die anwendbaren Bestimmungen festgestellt wurden und dass die Klägerin keine geeigneten Maßnahmen ergriffen hat, um die sich aus diesen Feststellungen ergebenden aufsichtsrechtlichen Bedenken auszuräumen.

193    Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin zur Stützung des zweiten und des vierten Klagegrundes nichts vorträgt, um das Vorliegen der Mängel und Verstöße gegen die anwendbaren Bestimmungen, die im angefochtenen Beschluss angeführt werden, in Abrede zu stellen. Insbesondere bringt sie nicht vor, die in den Monaten Februar 2016 und August 2017 erlassenen Entscheidungen der FKMK vor den nationalen Gerichten angefochten zu haben, und legt nicht das Ergebnis etwaiger Gerichtsverfahren dar. Sie wendet sich nicht gegen die Feststellung im angefochtenen Beschluss, dass sie keine geeigneten Maßnahmen ergriffen habe, um die betreffenden aufsichtsrechtlichen Bedenken auszuräumen.

194    Zweitens kann das Vorbringen der Klägerin, sie sei bereit gewesen, der EZB alle erforderlichen Informationen zu übermitteln, nicht durchgreifen, da eine solche Mitteilung nicht der Möglichkeit für die EZB gleichkommt, die Integrität und Zuverlässigkeit der übermittelten Informationen vor Ort zu prüfen und Besprechungen mit den Vertretern der Klägerin zu verschiedenen Themen abzuhalten.

195    Drittens stellt der Umstand, dass das Kreditrisiko, dem die Klägerin ausgesetzt war, von der FKMK seit vielen Jahren genau überwacht wurde, was insbesondere bedeutet, dass alle Entscheidungen der Klägerin über einen Betrag von mehr als 50 000 Euro der Genehmigung durch die FKMK unterworfen waren, die Notwendigkeit der Prüfung vor Ort nicht in Frage. Diese Überwachung bestätigt die Aufmerksamkeit, die die FKMK dem Kreditrisiko widmet, und widerspricht nicht der Begründung des angefochtenen Beschlusses, dass die Klägerin keine geeigneten Maßnahmen ergriffen hat, um die bereits festgestellten Mängel und Verstöße gegen die anwendbaren Bestimmungen zu beheben.

196    Viertens kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass der angefochtene Beschluss eine Vergeltungsmaßnahme gegen sie darstelle. Insoweit stellen die Erklärungen eines Mitglieds des administrativen Überprüfungsausschusses der EZB, die bei einer Konferenz vom 21. November 2017 abgegeben wurden und wonach im Fall eines von einem Kreditinstitut ihr gegenüber eingeleiteten förmlichen Verfahrens die zuständige Behörde durch eine Intensivierung ihrer Überwachung reagieren könne, keinen hinreichend beweiskräftigen Umstand dafür dar, dass der angefochtene Beschluss eine Vergeltungsmaßnahme sei, da diese kurzen Äußerungen „im eigenen Namen“ abgegeben wurden, nicht zwangsläufig das Vorliegen von Vergeltung implizieren und nicht substantiiert sind.

197    Fünftens ist das Vorbringen zurückzuweisen, dass die EZB im Schreiben des Generaldirektors vom 14. Februar 2019 den Umfang und Zweck der Prüfung vor Ort nicht klar dargelegt und nicht erläutert habe, inwiefern eine Prüfung erforderlich gewesen sei, um das Kreditrisiko zu analysieren. Die Frage, ob dieses Schreiben vom 14. Februar 2019 hinreichend begründet ist, ist nämlich bereits oben in den Rn. 145 bis 150 geprüft worden und betrifft jedenfalls ein Formerfordernis der Mitteilung, die in Art. 145 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehen ist, was von der Frage der Begründetheit des angefochtenen Beschlusses zu unterscheiden ist, die nach der oben in Rn. 143 angeführten Rechtsprechung zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört.

198    Sechstens ist das Vorbringen der Klägerin, die Prüfungen der EZB seien strenger als die der nationalen zuständigen Behörden, als sachlich unzutreffend zurückzuweisen.

199    Zum einen beruhen nämlich, wie die EZB geltend macht, die von ihr durchgeführten und die von den nationalen zuständigen Behörden durchgeführten Prüfungen auf denselben Normen. Dies wird von der Klägerin auch nicht bestritten. Zum anderen kann, wie auch die EZB vorträgt, die Verwendung der englischen Sprache durch die Prüfungsbediensteten im vorliegenden Fall nicht als erheblicher Zwang angesehen werden, da die Vertreter der Klägerin nicht verpflichtet waren, mit den Mitarbeitern des Prüfungsteams in dieser Sprache zu kommunizieren, und da die Klägerin darüber hinaus später Englisch als einzige Kommunikationssprache mit der EZB gewählt hat.

200    Außerdem ist der Umstand, dass die Prüfungen der EZB strenger seien als die der nationalen zuständigen Behörden, jedenfalls nicht als Beweis dafür geeignet, dass sie unverhältnismäßig wären.

201    Siebtens schließlich ist die Missbräuchlichkeit des Zeitplans der Prüfung nicht nachgewiesen. Hierzu stellt das Gericht fest, dass die Prüfung mehr als drei Wochen nach Erhalt des Schreibens vom 14. Februar 2019 begonnen hat und dass ihr ein Auftakttreffen vorausgegangen ist, das nähere Angaben zu ihrem Ablauf umfasste, was es der Klägerin erlaubte, vor Beginn der Prüfung Organisationsmaßnahmen zu ergreifen. Der Umstand, dass die Klägerin während der Prüfung die jährliche Wirtschaftsprüfung ihres Jahresabschlusses durchführte, kann nicht beweisen, dass dieser Zeitplan missbräuchlich war. Zum einen könnte, wenn die EZB verpflichtet wäre, eine Prüfung allein deshalb zu verschieben, weil das Kreditinstitut die jährliche Wirtschaftsprüfung seines Jahresabschlusses durchführen muss, das Ziel der Finanzstabilität beeinträchtigt werden, während Art. 6 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1024/2013 im Gegenteil vorsieht, dass die EZB „jederzeit“ von ihrer Befugnis, eine Prüfung vor Ort durchzuführen, Gebrauch machen kann. Zum anderen ist nicht erwiesen, dass die Prüfung die Klägerin daran gehindert hat, die jährliche Wirtschaftsprüfung ihres Jahresabschlusses rechtzeitig abzuschließen. Insoweit ist festzustellen, dass es erstens Sache der Kreditinstitute ist, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die gesetzlichen Fristen für die Einreichung ihres geprüften Abschlusses einzuhalten, dass zweitens nach der Entscheidung der FKMK vom 14. Mai 2019, mit der eine Sanktion gegen die Klägerin verhängt wurde, diese bereits Verspätungen bei der Einreichung ihres Jahresabschlusses im Jahr 2017 verzeichnet hatte, und drittens die Verspätung der Klägerin bei der Einreichung ihres geprüften Jahresabschlusses gegebenenfalls auch durch das Fehlen von Mitteln, die das Wirtschaftsprüferteam eingesetzt hat, erklärt werden kann.

202    Unter diesen Umständen konnte die EZB in Ausübung ihres weiten Ermessens zu Recht davon ausgehen, dass die Durchführung einer Prüfung vor Ort in den Geschäftsräumen der Klägerin im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 erforderlich war, um eine Prüfung des Kreditrisikos durchzuführen, dem die Klägerin ausgesetzt war, und allgemeiner, um die Solidität dieses Instituts, die Stabilität des Finanzsystems und den Einlegerschutz zu gewährleisten. Im Übrigen ist weder nachgewiesen, dass die EZB eine weniger belastende Maßnahme als die von ihr durchgeführte Prüfung vor Ort hätte ergreifen können, noch, dass die durch diese Prüfungsmaßnahme verursachten Nachteile außer Verhältnis zum verfolgten Ziel standen.

203    Nach alledem sind der zweite und der vierte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

5.      Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013, da die EZB ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt habe, und zum sechsten Klagegrund: Verstoß gegen die Pflicht der EZB, alle relevanten Gesichtspunkte des Falls sorgfältig und unparteiisch zu prüfen und zu würdigen

204    Im Rahmen des dritten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die EZB habe den Ermessenscharakter eines Beschlusses über die Durchführung einer Prüfung vor Ort nicht berücksichtigt. Es sei nicht nachgewiesen, dass die EZB ihr Ermessen in Bezug auf die Frage, ob eine Prüfung vor Ort angemessen gewesen sei, ausgeübt habe. Das Fehlen jeder „relevanten“ Erwägung ergebe sich aus der sehr ungewöhnlichen Natur eines Beschlusses der EZB, eine Prüfung vor Ort bei einem weniger bedeutenden Kreditinstitut durchzuführen.

205    Im Rahmen des sechsten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die EZB habe gegen ihre Pflicht verstoßen, gemäß der Rechtsprechung alle „relevanten“ Gesichtspunkte des vorliegenden Falls sorgfältig und unparteiisch zu prüfen. Die EZB habe nicht die Fülle von relevanten Informationen berücksichtigt, über die die FKMK betreffend jedes möglicherweise eingegangene Kreditrisiko verfügt habe.

206    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, macht geltend, der dritte und der sechste Klagegrund seien zurückzuweisen.

207    Vorab ist festzustellen, dass der dritte Klagegrund dahin zu verstehen ist, dass mit ihm ein Rechtsfehler gerügt wird, da die EZB bei dem Beschluss, ob eine Prüfung vor Ort angemessen sei, keinen Gebrauch von ihrem Ermessen gemacht habe, wie es Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 verlange, was sich insbesondere daraus ergebe, dass in dem Schreiben des Generaldirektors vom 14. Februar 2019 kein „relevanter“ Umstand angeführt werde.

208    Mit ihrem sechsten Klagegrund macht die Klägerin erneut einen Klagegrund eines Rechtsfehlers geltend, da der angefochtene Beschluss die „relevanten“ Gesichtspunkte des vorliegenden Falls nicht sorgfältig und unparteiisch geprüft habe.

209    Diese beiden Klagegründe sind zusammen zu prüfen, da beide darauf abzielen, zu beanstanden, dass der EZB dadurch ein Rechtsfehler unterlaufen sei, dass sie die relevanten Gesichtspunkte des vorliegenden Falls nicht geprüft oder gewürdigt habe.

210    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass ein Kläger, der Klagegründe vorträgt, mit denen derartige Rechtsfehler geltend gemacht werden, dartun muss, dass ein solcher Rechtsfehler vorliegt.

211    Zur Stützung dieser Klagegründe macht die Klägerin aber summarisch geltend, dass das Schreiben des Generaldirektors vom 14. Februar 2019 „keine relevanten Erwägungen“ enthalte. Eine Prüfung vor Ort durch die EZB sei in einem weniger bedeutenden Kreditinstitut ungewöhnlich, und die EZB habe die zahlreichen Informationen, über die die FKMK betreffend das Kreditrisiko verfügt habe, dem sie ausgesetzt gewesen sei, nicht berücksichtigt.

212    Aus dem als vom EZB-Rat angenommen geltenden Beschlussentwurf, insbesondere seinem Anhang, geht jedoch hervor, dass die EZB die Informationen berücksichtigte, über die die FKMK betreffend das Kreditrisiko verfügte, dem die Klägerin ausgesetzt war. Weiter geht aus ihm hervor, dass die EZB den Umstand berücksichtigte, dass die Klägerin ein weniger bedeutendes Kreditinstitut war, indem sie, wie oben in Rn. 137 ausgeführt, zweimal davon ausging, dass dies der Durchführung der Prüfung vor Ort nicht entgegenstehe. Schließlich ergibt sich daraus, dass die EZB ordnungsgemäß prüfte, ob eine Prüfung vor Ort angemessen war, und dies bejahte, insbesondere unter Berücksichtigung der Mängel und Verstöße gegen die anwendbaren Bestimmungen, die in den Vorjahren festgestellt worden waren, und des Umstands, dass die Klägerin keine geeigneten Maßnahmen ergriffen hatte, um Abhilfe zu schaffen.

213    Aus dem Vorstehenden sowie aus der Antwort auf den zweiten und den vierten Klagegrund ergibt sich, dass die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen kann, dass die EZB die relevanten Umstände ihrer Situation nicht geprüft oder nicht beurteilt habe, ob eine Prüfung vor Ort unter Berücksichtigung dieser Umstände erforderlich gewesen sei.

214    Der dritte und der sechste Klagegrund sind daher als unbegründet zurückzuweisen.

6.      Zum achten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit

215    Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit, da sein Umfang und Zweck nicht klar seien. Da in dem Schreiben des Generaldirektors vom 14. Februar 2019 nur das Kreditrisiko erwähnt werde, sei die Klägerin nicht in der Lage, den Umfang seiner Bindungswirkung zu erkennen und zu wissen, inwieweit die Nichteinhaltung eines Ersuchens der mit der Prüfung beauftragten Bediensteten als eine Behinderung angesehen werden könne. In diesem Schreiben heiße es sogar, dass der Umfang der Prüfung während der Prüfung unbegrenzt ausgedehnt werden könne. Im Leitfaden zur Bankenaufsicht werde jedoch hervorgehoben, dass eine Prüfung vor Ort einen vordefinierten Umfang haben müsse. Die Fragen der mit der Prüfung beauftragten Bediensteten hätten zahlreiche Bereiche erfasst, die für die Analyse des Kreditrisikos unerheblich seien. Einige Fragen hätten keinem erkennbaren Aufsichtszweck entsprochen, sondern hätten eher zu einer eingehenden Untersuchung im Bereich der Bekämpfung der Geldwäsche gehört, einem Bereich, in dem die EZB selbst gegenüber bedeutenden Instituten nicht die zuständige Behörde sei. Im Übrigen wäre selbst im Rahmen einer Untersuchung im Bereich der Bekämpfung der Geldwäsche das an die Klägerin gerichtete Ersuchen um Auskunft über alle eingehenden und ausgehenden Zahlungen für alle ihre Kunden in den letzten beiden Jahren unangemessen gewesen.

216    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

217    Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet u. a., dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen (vgl. Urteil vom 30. April 2019, Italien/Rat [Fangquoten für Schwertfisch im Mittelmeer], C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 111 und die dort angeführte Rechtsprechung).

218    Als Ausfluss des Grundsatzes der Rechtssicherheit steht das Recht auf Vertrauensschutz jedem Einzelnen zu, wenn sich herausstellt, dass die Unionsverwaltung bei ihm begründete Erwartungen geweckt hat. Präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung Zusicherungen dar, die solche Erwartungen wecken können. Dagegen kann niemand eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes geltend machen, dem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gegeben hat (Urteil vom 30. April 2019, Italien/Rat [Fangquoten für Schwertfisch im Mittelmeer], C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 112).

219    Im angefochtenen Beschluss heißt es, dass die Prüfung eine eingehende Untersuchung der Risiken, der Risikokontrolle und der Unternehmensführung der Klägerin zum Ziel habe, um u. a. ihre Verfahren, ihre Systeme sowie die Qualität ihrer Geschäftsführung zu beurteilen, und dass diese Prüfung hauptsächlich auf das Kreditrisiko ausgerichtet sein werde.

220    Dass in dem Schreiben des Generaldirektors vom 14. Februar 2019 darauf hingewiesen wurde, dass die Prüfung vor Ort das Kreditrisiko zum Ziel habe, verstößt nicht gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.

221    Das Kreditrisiko ist nämlich, wie oben in Rn. 147 ausgeführt, ein grundlegender Begriff der Banktätigkeit, der von den Wirtschaftsteilnehmern dieses Sektors verstanden wird. Der Umfang der Prüfung wurde im Übrigen bei dem Treffen vom 5. März 2019, mehrere Tage vor Beginn der Prüfung, näher dargelegt. Wie oben in Rn. 33 ausgeführt, legte der Leiter der Prüfungsmission mit Hilfe eines der Klägerin übergebenen Dokuments den Umfang der Mission mit dem Titel „Kreditrisiko und Unternehmensführung“ dar, nämlich die Einstufung und die Rückstellungen, die Aufzeichnung des Inventars (verkaufte Vermögenswerte aus Zwangsvollstreckungen), die Bewertung der Sicherheiten und Vermögenswerte (zum Verkauf gehaltene Aktiva), die Qualität der Daten und die Unternehmensführung sowie das Geschäftsmodell.

222    Unter diesen Umständen kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass dieses Schreiben vom 14. Februar 2019, soweit darin das Kreditrisiko erwähnt worden sei, nicht klar gewesen sei und sie folglich nicht habe wissen können, inwieweit die Nichteinhaltung eines Ersuchens der mit der Prüfung beauftragten Bediensteten als eine Behinderung angesehen werden könnte.

223    Im Übrigen verstößt die Tatsache, dass in dem Schreiben des Generaldirektors vom 14. Februar 2019 darauf hingewiesen wurde, dass der Umfang der Prüfung im Lauf der Prüfung erweitert werden könne und dass die Klägerin in diesem Fall vom Leiter der Mission im Namen der EZB darüber informiert werde, nicht gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.

224    In diesem Schreiben vom 14. Februar 2019 hieß es nämlich, dass die Klägerin über eine solche Ausweitung des Umfangs der Prüfung vorab informiert werde. Aus diesem Schreiben geht somit hervor, dass mangels einer solchen Information der Gegenstand der Prüfung weiterhin auf das Kreditrisiko beschränkt bliebe.

225    Zum Vorbringen der Klägerin, in Rn. 69 des Leitfadens zur Bankenaufsicht werde dargelegt, dass die Prüfungen vor Ort einen vordefinierten Umfang haben müssten, ist festzustellen, dass dies bei der fraglichen Prüfung der Fall war, da sie sich auf ein spezifisches Risiko konzentrierte.

226    Im Übrigen können nach Rn. 73 des Leitfadens zur Bankenaufsicht die Prüfungen vor Ort „vollumfänglich“ sein, d. h. ein breites Spektrum an Risiken und Tätigkeiten des betroffenen Kreditinstituts abdecken, um einen umfassenden Einblick in das Kreditinstitut zu erlangen, „gezielt“, d. h. sich auf ein bestimmtes Geschäftsfeld des Kreditinstituts oder auf ein bestimmtes Problem oder Risiko konzentrieren, oder „thematisch“, d. h. sich auf eine Frage (z. B. Geschäftsbereich oder Transaktionsarten) in einer Gruppe gleichartiger Kreditinstitute konzentrieren. Er legt dar, dass die gemeinsamen Aufsichtsteams, die sich aus Mitarbeitern der EZB und der nationalen zuständigen Behörden zusammensetzten, eine thematische Prüfung einer bestimmten Risikokontrolle oder von Unternehmensführungsprozessen bei mehreren Instituten beantragen könnten. Auslöser thematischer Prüfungen könnten auch makroprudenzielle oder sektorale Analysen sein, die z. B. auf die Entstehung neuer Bedrohungen für die Finanzstabilität durch eine Eintrübung in bestimmten Wirtschaftssektoren oder auf die Ausbreitung riskanter Praktiken im Bankensektor hinwiesen.

227    Die Rüge, die auf die Behauptung gestützt wird, dass die mit der Prüfung beauftragten Bediensteten bei der Prüfung die Übermittlung von Informationen verlangt hätten, die sich nicht auf das Kreditrisiko bezögen, geht ins Leere und ist zurückzuweisen.

228    Die Bedingungen der Durchführung eines auf Art. 12 der Verordnung Nr. 1024/2013 gestützten Prüfungsbeschlusses haben nämlich als solche keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses, da sie Tatsachen betreffen, die nach diesem Beschluss eingetreten sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2021, Qualcomm und Qualcomm Europe/Kommission, C‑466/19 P, EU:C:2021:76, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Rechtmäßigkeit eines derartigen Beschlusses kann daher nicht davon abhängen, in welcher Weise ihn die mit der Prüfung beauftragten Bediensteten durchführen.

229    In Fällen, in denen die mit der Prüfung beauftragten Bediensteten um die Übermittlung von Informationen ersuchen, die über den Gegenstand der Prüfung hinausgehen, ist das betroffene Unternehmen berechtigt, die Übermittlung solcher Informationen zu verweigern, es sei denn, die EZB nimmt durch Zwangsmaßnahmen die Zwangsvollstreckung des betreffenden Beschlusses vor.

230    Sollte die EZB nach Art. 18 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1024/2013 einen Sanktionsbeschluss gegen eine juristische Person wegen Behinderung der Durchführung einer Prüfung erlassen, kann dieser Beschluss Gegenstand einer Klage vor dem Gericht sein. Im Rahmen einer solchen Klage kann die betreffende juristische Person, wenn sie es für begründet hält, geltend machen, dass die mit der Prüfung beauftragten Bediensteten die Übermittlung von Informationen verlangt hätten, die über den Gegenstand der Prüfung hinausgingen.

231    Das betroffene Unternehmen kann auch, ohne eine Anforderung der Übermittlung von Informationen im Rahmen einer Prüfung abzulehnen, Einwände gegen diese Übermittlung erheben und die EZB ersuchen, die fraglichen Informationen nicht zu verwenden, weil sie nicht Gegenstand der Prüfung sind. Die Weigerung der EZB, den berechtigten Anträgen der betroffenen juristischen Person stattzugeben, kann die Haftung der EZB auslösen und gegebenenfalls die Rechtsakte, die die EZB später erlässt, rechtswidrig machen.

232    Jedenfalls verweist die Klägerin zur Stützung ihres Vorbringens, wonach die mit der Prüfung beauftragten Bediensteten die Übermittlung von Informationen verlangt hätten, die sich nicht auf das Kreditrisiko bezögen, zunächst pauschal auf Anlage A.12, die schriftliche Informationsersuchen der mit der Prüfung beauftragten Bediensteten in den Monaten März und April 2019 an die Klägerin enthält. Indem die Klägerin lediglich geltend macht, dass diese Anlage von etwa zehn Seiten Beispiele von Fragen enthalte, die nichts mit dem Kreditrisiko zu tun hätten, ohne die betreffenden Fragen zu bezeichnen und ohne die Gründe anzugeben, aus denen diese Fragen für die Prüfung des Kreditrisikos irrelevant seien, versetzt sie das Gericht nicht in die Lage, die Begründetheit ihres Vorbringens zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juni 2013, Versalis/Kommission, C‑511/11 P, EU:C:2013:386, Rn. 115).

233    Die Klägerin macht zwar in einem zweiten Schritt konkret geltend, dass die EZB sie aufgefordert habe, Auskunft über alle eingehenden und ausgehenden Zahlungen der Kunden der Bank in den letzten beiden Jahren zu übermitteln, was sich tatsächlich aus Anlage A.12 ergibt, doch gibt sie nicht an, gegen dieses schriftliche Ersuchen der mit der Prüfung beauftragten Bediensteten Einwände erhoben zu haben. Selbst wenn dieses Ersuchen jedoch über den Umfang der Prüfung hinausgegangen wäre oder angesichts der Zahl der verlangten Informationen unverhältnismäßig gewesen wäre, kann damit nicht dargetan werden, dass der angefochtene Beschluss selbst, der eindeutig ist, gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verstößt.

234    Der achte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

7.      Zum neunten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung

235    Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Prüfungen vor Ort in weniger bedeutenden Kreditinstituten seien sehr selten, und die EZB habe nicht erläutert, warum sie im vorliegenden Fall diese ungewöhnliche Maßnahme getroffen habe. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die EZB auf die Fragen, die die Klägerin in ihren Schreiben vom 5. Juli und 12. September 2018 in Bezug auf die Korruptionsprobleme und die von lettischen Verantwortlichen öffentlich geäußerten feindseligen Bemerkungen gestellt habe, nicht geantwortet habe. Die EZB weise nicht nach, dass sie insoweit eine Untersuchung durchgeführt habe, und habe nicht anerkannt, dass die öffentlichen Drohungen von A unangemessen gewesen seien. Das Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139), habe das Problem nicht gelöst, da der Gerichtshof die von der Republik Lettland gegen A verhängten Maßnahmen für nichtig erklärt habe, weil die Letztere die Beweise für die Korruptionsvorwürfe nicht rechtzeitig vorgelegt habe. Der angefochtene Beschluss sei daher erlassen worden, obwohl stichhaltige Beweise die Vorwürfe der Korruption und rechtswidriger Verhaltensweisen untermauert hätten und sich die EZB geweigert habe, zu ermitteln und diese Situation zu beheben. Die Klägerin schließt daraus, dass mangels jeglicher Rechtfertigung die ungewöhnliche Behandlung der Klägerin als diskriminierende Handlung anzusehen sei, wobei A in der Zwischenzeit wieder in sein Amt als Präsident der Zentralbank Lettlands eingesetzt worden sei.

236    Die EZB tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

237    Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts besagt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 6. Juni 2019, P. M. u. a., C‑264/18, EU:C:2019:472, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

238    Die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch eine unterschiedliche Behandlung setzt voraus, dass die betreffenden Sachverhalte im Hinblick auf alle Merkmale, die sie kennzeichnen, vergleichbar sind (Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique und Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 25).

239    Erstens gibt die Klägerin nicht an, welche Institute sich in einer vergleichbaren Situation wie sie befunden hätten und nicht gleichbehandelt worden seien.

240    Zweitens ist, selbst wenn man annimmt, dass die Klägerin eine diskriminierende Behandlung gegenüber weniger bedeutenden Kreditinstituten rügt, die nicht Gegenstand einer von der EZB selbst durchgeführten Prüfung gewesen wären, darauf hinzuweisen, dass die EZB nicht nur befugt ist, Prüfungen in weniger bedeutenden Kreditinstituten durchzuführen, sondern dass sie diese tatsächlich in anderen Instituten als der Klägerin durchgeführt hat, wie die EZB geltend macht und die Klägerin im Übrigen einräumt.

241    Zwar ergibt sich aus den Akten, dass die Prüfungen, die die EZB selbst in den weniger bedeutenden Kreditinstituten durchführt, tatsächlich deutlich seltener sind als die, die die EZB in den als bedeutend geltenden Instituten durchführt, doch ist festzustellen, dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses, insbesondere der Grund, dass die Empfehlung des ICSID die FKMK daran hindere, sämtliche Aufsichtsmaßnahmen gegenüber der Klägerin umzusetzen, erklären kann, inwiefern die Situation der Klägerin eine besondere und daher nicht mit der Situation der anderen weniger bedeutenden Kreditinstitute, bei denen keine Prüfung vor Ort durch die EZB durchgeführt wurde, vergleichbar war und warum folglich die EZB im vorliegenden Fall beschlossen hat, selbst eine solche Prüfung vorzunehmen.

242    Selbst wenn man unterstellt, dass die Klägerin ein diskriminierendes Verhalten gegenüber Kreditinstituten beanstandet, bei denen, anders als bei ihr, der Hauptaktionär keine Bestechungshandlungen angezeigt hat, ist davon auszugehen, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses ergibt, dass dieser nicht auf das Vorliegen einer solchen Anzeige gestützt ist.

243    Außerdem ist erstens festzustellen, dass zum einen die strafrechtlichen Ermittlungen, die zur Anklage gegen A geführt haben, nicht die Klägerin, sondern eine dritte lettische Bank betrafen und zum anderen die Klägerin zu den von CR beanstandeten Bestechungshandlungen ohne nähere Angaben darauf hinweist, dass die Ermittlungen im Gange seien.

244    Zweitens, wenn die Klägerin der Ansicht ist, dass die EZB verpflichtet gewesen sei, eine Untersuchung in Bezug auf die von CR beanstandeten Bestechungshandlungen durchzuführen, macht die EZB zu Recht geltend, dass sie nicht befugt ist, diese Handlungen selbst zu untersuchen, und dass sie insoweit mit den zuständigen nationalen Behörden zusammenarbeitet.

245    Selbst wenn man überdies unterstellt, dass die EZB eine Pflichtverletzung begangen habe, indem sie keine Untersuchung der von CR beanstandeten Bestechungshandlungen oder der Äußerungen von A gegenüber der Klägerin durchgeführt habe, ist nicht dargetan, dass diese Pflichtverletzung zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses geführt hat, der nicht über Zweckmäßigkeit der Durchführung einer solchen Untersuchung entscheidet, sondern über die der Vornahme einer Prüfung vor Ort.

246    Drittens ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss offenbar teilweise den Anträgen der Klägerin entspricht, die in ihren oben in Rn. 18 genannten Schreiben vom 5. Juli und 12. September 2018 gestellt wurden, da dieser Beschluss bewirkt hat, dass die EZB mehr in die Aufsicht über die Klägerin eingreift.

247    Folglich ist der neunte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen, da der angefochtene Beschluss nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.

8.      Zum zehnten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 19 und den 75. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1024/2013 sowie einen Ermessensmissbrauch

248    Die Klägerin macht geltend, Art. 19 und der 75. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1024/2013 schrieben der EZB vor, die ihr übertragenen Aufgaben unabhängig von ungebührlicher politischer Einflussnahme auszuüben. Die Beschlüsse der EZB dürften nicht von nicht aufsichtsrechtlichen Überlegungen beeinflusst werden.

249    Die Klägerin trägt vor, der angefochtene Beschluss sei eine Vergeltungsmaßnahme, die erlassen worden sei, weil sie und ihre Aktionäre das rechtswidrige Verhalten eines Mitglieds des EZB-Rats angezeigt hätten. Dies ergebe sich aus dem Beschluss, mit dem die EZB beschlossen habe, die direkte Aufsicht der Klägerin zu übernehmen, wofür der einzige Grund die Einleitung des Schiedsverfahrens durch die Klägerin sei, d. h. die rechtmäßige Inanspruchnahme eines Rechtsbehelfs. Dies ergebe sich auch aus dem Schreiben des Generaldirektors vom 14. Februar 2019, der keinen Grund für den ungewöhnlichen Beschluss enthalte, eine Prüfung vor Ort in einem weniger bedeutenden Kreditinstitut durchzuführen.

250    Die Klägerin macht geltend, es sei zu berücksichtigen, dass die EZB nicht auf ihre Versuche reagiert habe, in einen Dialog über die Korruptionsprobleme, die ungerechte regulatorische Behandlung, der sie ausgesetzt gewesen sei, und feindselige und unangemessene Bemerkungen zu treten, die von lettischen Verantwortlichen öffentlich geäußert worden seien, insbesondere die Drohung des Entzugs der Zulassung durch A. Diese Korruptionsprobleme seien weithin anerkannt, einschließlich von den lettischen Behörden, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und den Vereinigten Staaten von Amerika. Im Februar 2018 hätten diese Korruptionsprobleme zur Inhaftierung von A sowie zu Sicherungsmaßnahmen geführt, die den Letzteren in der Praxis daran gehindert hätten, sein Amt als Präsident der Zentralbank Lettlands und als Mitglied des EZB-Rats wahrzunehmen. Die einzige Reaktion der EZB sei gewesen, eine Klage beim Gerichtshof zu erheben (Rechtssache C‑238/18), um ihre Unabhängigkeit gegenüber einem Eingriff zu verteidigen, der von der Republik Lettland begangen worden sein solle. Die EZB habe nichts unternommen, um zu ermitteln und die in Rede stehenden Probleme zu beheben, damit das Vertrauen in das Regulierungsverfahren wiederhergestellt werde. In ihrer Antwort auf die Klage der EZB habe die Republik Lettland bestätigt, dass es Beweise für die von A begangenen Bestechungshandlungen gebe, diese Beweise aber nicht vorgelegt. Im vorliegenden Fall obliege es der EZB und nicht der Klägerin, nachzuweisen, dass die Aufsicht ordnungsgemäß durchgeführt werde.

251    Die Klägerin schließt daraus, dass die EZB im vorliegenden Fall nicht ernsthafte Probleme im Zusammenhang mit der Qualität der Aufsicht untersucht, sondern den ungewöhnlichen Beschluss gefasst habe, eine Prüfung vor Ort in einem weniger bedeutenden Kreditinstitut durchzuführen, ohne den geringsten Grund anzugeben. Dies sei so auszulegen, dass damit die Botschaft zum Ausdruck gebracht werde, dass die Kritik der Regulierungsbehörden zu schweren Vergeltungsmaßnahmen führe.

252    Die Klägerin beantragt, der EZB und der Republik Lettland aufzugeben, den gesamten relevanten Schriftverkehr zwischen der EZB und der FKMK offenzulegen, damit die wahren Gründe des angefochtenen Beschlusses bestimmt werden könnten.

253    Die EZB tritt diesem Vorbringen entgegen.

254    Nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 handeln bei der Wahrnehmung der der EZB durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben die EZB und die nationalen zuständigen Behörden, die innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus handeln, unabhängig und die Mitglieder des Aufsichtsgremiums und des Lenkungsausschusses handeln unabhängig und objektiv im Interesse der Union als Ganzes und dürfen von den Organen oder Einrichtungen der Union, von der Regierung eines Mitgliedstaats oder von öffentlichen oder privaten Stellen weder Weisungen anfordern noch entgegennehmen.

255    Im 75. Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt es, dass im Interesse einer wirksamen Wahrnehmung ihrer Aufsichtsaufgaben die EZB die ihr übertragenen Aufsichtsaufgaben vollständig unabhängig ausüben sollte, insbesondere frei von ungebührlicher politischer Einflussnahme sowie von Einmischungen der Industrie, die ihre operative Unabhängigkeit beeinträchtigen würden.

256    Eine Maßnahme ist nur dann ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen Zwecken als denen, zu denen die betreffende Befugnis eingeräumt wurde, oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der AEU‑Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (Urteile vom 14. Dezember 2004, Swedish Match, C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 75, und vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 82).

257    Als Erstes beruft sich die Klägerin für ihren Versuch, darzutun, dass der angefochtene Beschluss eine Vergeltungsmaßnahme sei, die erlassen worden sei, weil sie und ihre Aktionäre das rechtswidrige Verhalten eines Mitglieds des EZB-Rats angezeigt hätten, auf die Begründung des mit Schreiben vom 1. März 2019 zugestellten Beschlusses der EZB, mit dem die Klägerin als bedeutendes Institut eingestuft wurde, das der direkten Aufsicht der EZB unterliegt.

258    Selbst wenn jedoch dieser Beschluss der EZB rechtswidrig sein sollte, hätte das keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses, der sich nicht auf den von der Klägerin angeführten Beschluss stützt.

259    Außerdem wurde der Beschluss der EZB über die Übernahme der direkten Aufsicht der Klägerin entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht mit der Begründung erlassen, dass die Klägerin das Schiedsverfahren eingeleitet habe. In diesem Beschluss stützte sich die EZB nämlich nicht auf die Einleitung dieses Verfahrens als solches, sondern im Wesentlichen darauf, dass die FKMK nach der im Rahmen dieses Verfahrens abgegebenen Empfehlung des ICSID davon ausging, dass sie selbst nicht die Fähigkeit habe, eine Aufsicht auf hohem Niveau über die Klägerin auszuüben, und die EZB ersucht habe, die Aufsicht der Klägerin zu übernehmen.

260    Die Klägerin kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Beschluss der EZB, ihre direkte Aufsicht zu übernehmen, auf der rechtmäßigen Inanspruchnahme eines Rechtsbehelfs, nämlich der Einleitung des Schiedsverfahrens, beruhe, und jedenfalls nicht, dass seine Begründung von dem Willen der EZB zeuge, Vergeltungsmaßnahmen gegen die Klägerin zu ergreifen, weil sie ein solches Verfahren eingeleitet habe.

261    Zweitens werden im angefochtenen Beschluss die Gründe dargelegt, aus denen die EZB beschlossen hat, eine Prüfung vor Ort in den Räumlichkeiten der Klägerin durchzuführen.

262    Aus dieser Begründung geht hervor, dass der angefochtene Beschluss zu einem mit der Aufsichtsregelung im Einklang stehenden Ziel erlassen wurde. Da der angefochtene Beschluss auf in den Vorjahren in Bezug auf Aufsichtsanforderungen festgestellte Mängel und Verstöße gestützt ist, steht er nämlich im Einklang mit dem Ziel der Finanzstabilität. Soweit die EZB berücksichtigt hat, dass die Empfehlung des ICSID die FKMK daran hinderte, sämtliche Aufsichtsmaßnahmen gegenüber der Klägerin umzusetzen, und beschlossen hat, selbst eine Prüfung vor Ort in den Räumlichkeiten der Klägerin durchzuführen, hat sie kein Ziel verfolgt, das nichts mit ihrer Aufsichtsaufgabe zu tun hatte, sondern sich darauf beschränkt, unter Berücksichtigung dieser Empfehlung eine in Art. 6 Abs. 5 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013 ausdrücklich vorgesehene Form der Aufsicht umzusetzen.

263    Außerdem ergibt sich aus der Antwort auf den zweiten und den vierten Klagegrund, dass die EZB den Umfang ihres Ermessens nicht verkannt hat, als sie die Ansicht vertrat, dass die Durchführung einer Prüfung vor Ort im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 erforderlich sei und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche, was einen zusätzlichen Gesichtspunkt für die Feststellung darstellt, dass der Beschluss der EZB nicht mit einem Ermessensmissbrauch behaftet ist.

264    Drittens ist aus denselben Gründen, wie sie oben in den Rn. 243 bis 245 dargelegt worden sind, das Vorbringen der Klägerin, die EZB habe keine Untersuchung der von CR beanstandeten Bestechungshandlungen oder der Äußerungen von A nach seiner Festnahme eingeleitet, kein Beweismittel, das belegen könnte, dass die EZB mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses das Ziel verfolgte, eine Vergeltungsmaßnahme gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit der Anzeige dieser Bestechungshandlungen zu ergreifen.

265    Was viertens die angebliche ungerechte regulatorische Behandlung im Zusammenhang mit den von ihr gerügten Bestechungshandlungen angeht, legt die Klägerin weder genau dar, welche Verwaltungshandlungen ihrer Ansicht nach rechtswidrig sind, noch, inwiefern die Rechtswidrigkeit dieser Rechtsakte, selbst wenn sie nachgewiesen wäre, zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses führen könnte.

266    Fünftens macht die Klägerin zwar geltend, dass A Mitglied des EZB-Rats gewesen sei, doch wurde der angefochtene Beschluss am 21. Januar 2019 erlassen, obwohl die vom KNAB am 19. Februar 2018 erlassenen Sicherungsmaßnahmen zu diesem Zeitpunkt A in der Praxis daran gehindert hätten, sein Amt als Mitglied des EZB-Rats wahrzunehmen und in diesem Gremium zu tagen.

267    Schließlich ist in Anbetracht der oben in den Rn. 257 bis 266 dargelegten Erwägungen dem Antrag der Klägerin, der EZB und der Republik Lettland aufzugeben, „den gesamten relevanten Schriftverkehr zwischen der EZB und der FKMK betreffend die Klägerin [offenzulegen], damit die wahren Gründe des angefochtenen Beschlusses bestimmt werden können“, nicht stattzugeben.

268    Das Gericht verfügt nämlich über die Angaben, die es ihm gestatten, den vorliegenden Rechtsstreit zu entscheiden, und ist insbesondere der Auffassung, dass sich die Begründung des angefochtenen Beschlusses aus diesem ergibt.

269    Somit geht aus den Akten nicht hervor, dass der angefochtene Beschluss unter Verstoß gegen Art. 19 der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassen worden wäre. Auch ist auf der Grundlage eines Bündels objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien nicht ersichtlich, dass der angefochtene Beschluss mit dem Ziel erlassen wurde, Vergeltungsmaßnahmen gegenüber der Klägerin in Bezug auf die Anzeige des angeblich rechtswidrigen Verhaltens von A auszuüben, und dass er deshalb ermessensmissbräuchlich ist.

270    Der zehnte Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

271    Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

VI.    Kosten

272    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der EZB deren Kosten aufzuerlegen.

273    Die Kommission trägt gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      PNB Banka AS trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten, die der Europäischen Zentralbank (EZB) entstanden sind.

3.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Gervasoni

Madise

Nihoul

Frendo

 

      Martín y Pérez de Nanclares

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Dezember 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.