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Vorabentscheidungsersuchen des Sofiyski rayonen sad (Bulgarien), eingereicht am 23. Mai 2023 – Inspektorat kam Visshia sadeben savet

(Rechtssache C-316/23, Inspektorat kam Visshia sadeben savet)

Verfahrenssprache: Bulgarisch

Vorlegendes Gericht

Sofiyski rayonen sad

Parteien des Ausgangsverfahrens

Antragsteller: Inspektorat kam Visshia sadeben savet

Vorlagefragen

Ist Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 des [EUV] in Verbindung mit Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass es an sich oder unter bestimmten Voraussetzungen eine Verletzung der Pflicht der Mitgliedstaaten, wirksame Rechtsbehelfe für eine unabhängige gerichtliche Überprüfung zu gewährleisten, darstellt, wenn die Funktionen einer Behörde, die Disziplinarstrafen gegen Richter verhängen kann und Befugnisse zur Erhebung von Daten in Bezug auf deren Vermögen hat, nach dem Ende der in der Verfassung festgelegten Amtszeit dieser Stelle auf unbestimmte Zeit verlängert werden? Wenn eine derartige Verlängerung dieser Befugnisse zulässig ist, dann unter welchen Voraussetzungen?

Ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/6791 (im Folgenden: Datenschutz-Grundverordnung) dahin auszulegen, dass es sich bei der Offenlegung des Bankgeheimnisses zum Zwecke der Überprüfung des Vermögens von Richtern und Staatsanwälten, welches anschließend öffentlich gemacht wird, um eine Tätigkeit handelt, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt? Ist die Antwort eine andere, wenn diese Tätigkeit auch die Offenlegung von Daten der Familienangehörigen der Richter und Staatsanwälte umfasst, die selbst keine Richter und Staatsanwälte sind?

Ist – falls die zweite Frage dahin beantwortet wird, dass Unionsrecht zur Anwendung kommt – Art. 4 Nr. 7 der Datenschutz-Grundverordnung dahin auszulegen, dass eine Gerichtsbehörde, die einer anderen staatlichen Behörde den Zugang zu Daten über die Kontoguthaben der Richter und Staatsanwälte und deren Familienangehörigen gestattet, über die Zwecke oder Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet und deshalb „Verantwortlicher“ für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist?

Ist – falls die zweite Frage dahin beantwortet wird, dass Unionsrecht zur Anwendung kommt, und die dritte verneint wird – Art. 51 der Datenschutz-Grundverordnung dahin auszulegen, dass eine Gerichtsbehörde, die einer anderen staatlichen Behörde den Zugang zu Daten über die Kontoguthaben der Richter und Staatsanwälte und deren Familienangehörigen gestattet, für die Überwachung [der Anwendung] dieser Verordnung verantwortlich ist und deshalb als „Aufsichtsbehörde“ in Bezug auf diese Daten zu qualifizieren ist?

Ist – falls die zweite Frage dahin beantwortet wird, dass Unionsrecht zur Anwendung kommt, und eine der Fragen drei oder vier bejaht wird – Art. 32 Abs. 1 Buchst. b der Datenschutz-Grundverordnung bzw. Art. 57 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung dahin auszulegen, dass eine Gerichtsbehörde, die einer anderen staatlichen Behörde den Zugang zu Daten über die Kontoguthaben der Richter und Staatsanwälte und deren Familienangehörigen gestattet, verpflichtet ist, bei Vorliegen von Daten über eine von der Behörde, der dieser Zugang gewährt werden soll, in der Vergangenheit begangenen Verletzung des Schutzes von personenbezogenen Daten, Informationen über die für den Schutz der Daten getroffenen Maßnahmen einzuholen und bei seiner Entscheidung über die Gestattung des Zugangs die Angemessenheit dieser Maßnahmen zu berücksichtigen?

Ist – falls die zweite Frage dahin beantwortet wird, dass Unionsrecht zur Anwendung kommt, und unabhängig von den Antworten auf die dritte und vierte Frage – Art. 79 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass wenn das nationale Recht eines Mitgliedstaats vorsieht, dass bestimmte Kategorien von Daten nur nach einer Gestattung durch ein Gericht offengelegt werden können, das hierfür zuständige Gericht den Personen, deren Daten offengelegt werden, von Amts wegen Rechtsschutz gewähren muss, indem es die Behörde, die den Zugang zu den Daten beantragt hat und von der bekannt ist, dass sie in der Vergangenheit Verletzungen des Schutzes von personenbezogenen Daten begangen hat, verpflichtet, Informationen zu den gemäß Art. 33 Abs. 3 Buchst. d der Datenschutz-Grundverordnung getroffenen Maßnahmen und deren wirksamen Anwendung zur Verfügung zu stellen?

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1 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. 2016, L 119, S. 1).