Language of document : ECLI:EU:T:2023:2

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

11. Januar 2023(*)(1)

„Unionsmarke – Verfallsverfahren – Unionswortmarke Gufic – Ernsthafte Benutzung der Marke – Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 – Öffentliche und nach außen gerichtete Benutzung – Umfang der Benutzung – Art und Form der Benutzung – Benutzung für die Waren, für die die Marke eingetragen ist“

In der Rechtssache T‑346/21,

Hecht Pharma GmbH mit Sitz in Bremervörde (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwältin C. Sachs und Rechtsanwalt J. Sachs,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch J. Schäfer, D. Hanf und A. Ringelhann als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Gufic BioSciences Ltd mit Sitz in Mumbai (Indien), vertreten durch Rechtsanwalt A. Wehlau und Rechtsanwältin T. Uhlenhut,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten D. Spielmann, der Richterin M. Brkan und des Richters I. Gâlea (Berichterstatter),

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Hecht Pharma GmbH, die teilweise Aufhebung und die Abänderung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 3. Juni 2021 (Sache R 2738/2019‑2) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 21. September 2009 meldete die Streithelferin, die Gufic BioSciences Ltd, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim EUIPO eine Unionsmarke an.

3        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen Gufic.

4        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 3, 5 und 29 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 3: „Weihrauch; kosmetische Mittel; Parfümeriewaren[,] Präparate für die Gesundheitspflege als Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“;

–        Klasse 5: „Insektenabwehrmittel mit Weihrauch; Arzneimittel; Medizinprodukte zum Einnehmen oder zur Anwendung am menschlichen Körper, deren Wirkung aber weder pharmakologisch noch immunologisch, noch durch Metabolismus erfolgt und soweit die Produkte in der Klasse 05 enthalten sind; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für medizinische und nicht medizinische Zwecke“;

–        Klasse 29: „Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Eiweißen/Proteinen“.

5        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 44/2010 vom 8. März 2010 veröffentlicht, und die Marke wurde am 21. Juni 2010 eingetragen.

6        Am 9. Oktober 2017 reichte die Klägerin beim EUIPO gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 einen Antrag auf Erklärung des Verfalls der angegriffenen Marke für alle oben in Rn. 4 genannten Waren ein.

7        Am 12. März 2018, 20. Juni 2018 und 18. Juli 2019 legte die Streithelferin beim EUIPO verschiedene Unterlagen zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke vor.

8        Am 3. Oktober 2019 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Verfallsantrag mit der Begründung, dass der Benutzungsumfang nicht ausreichend nachgewiesen worden sei, vollumfänglich statt und erklärte die angegriffene Marke mit Wirkung vom 9. Oktober 2017 für alle von dieser Marke erfassten Waren für verfallen.

9        Am 2. Dezember 2019 legte die Streithelferin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde beim EUIPO ein. Am 3. Februar 2020 ging die schriftliche Beschwerdebegründung beim EUIPO ein, die neue Benutzungsnachweise enthielt. Am 8. September 2020 forderte das EUIPO die Streithelferin auf, die Rechnungen in den Anlagen AG 20 und AG 21 ohne Schwärzung vorzulegen. Diese Rechnungen wurden am 17. September 2020 beim EUIPO eingereicht.

10      Mit der angefochtenen Entscheidung gab die Beschwerdekammer der Beschwerde teilweise, nämlich in Bezug auf „Arzneimittel“ in Klasse 5, statt und erklärte die angefochtene Marke für die übrigen Waren der Klassen 3, 5 und 29 für verfallen.

11      Erstens stellte die Beschwerdekammer zum einen fest, dass die ihr vorgelegten neuen Beweismittel, nämlich Rechnungen, zulässig und aussagekräftig seien und den Verkauf der betreffenden Waren an Apotheken innerhalb Deutschlands nachwiesen. Die Rechnungen belegten somit eine öffentliche und nach außen gerichtete Benutzung der angegriffenen Marke. Zum anderen war sie der Auffassung, dass die eidesstattlichen Versicherungen von neutralen und unabhängigen Personen abgegeben worden seien, so dass ihnen ein normaler Beweiswert zukomme. Darüber hinaus seien sie wichtig, um das Verkaufssystem der Streithelferin auf dem deutschen Markt über spezialisierte Importeure zu verstehen. Die Zusammenschau aller Beweismittel zeige daher, dass der Umfang der Benutzung ausreichend gewesen sei.

12      Zweitens stellte die Beschwerdekammer fest, dass das Zeichen Gufic sowohl auf dem Präparat H 15 Gufic als auch auf dem Präparat Sallaki sichtbar sei. Zu Letzterem stellte sie fest, dass dieses Zeichen in zweierlei Form, sowohl als Firmenname als auch als Hausmarke, benutzt werde. Da es insbesondere im Arzneimittelbereich üblich sei, neben der Hausmarke spezielle Produktmarken zu verwenden, erscheine das Zeichen Gufic als Hausmarke.

13      Drittens stellte die Beschwerdekammer fest, dass die angegriffene Marke in ihrer eingetragenen Form benutzt worden sei, dass die zusätzlichen Bestandteile ihre Unterscheidungskraft nicht beeinflussten und dass das Zeichen Gufic zwar im Siegel innerhalb einer gelben halbovalen Form erscheine, aber dennoch eine selbständige Position behalte.

14      Schließlich stellte die Beschwerdekammer fest, dass sich die Beweismittel auf den relevanten Zeitraum und das relevante Gebiet bezögen, und befand ferner, dass diese Nachweise eine Benutzung der angegriffenen Marke nur für „Arzneimittel“ in Klasse 5, nicht aber für die übrigen Waren der Klassen 3, 5 und 29 belegten. Bei den Weihrauchpräparaten H 15 und Sallaki handele es sich um in Indien zugelassene Arzneimittel, die gemäß § 73 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes (im Folgenden: AMG) nach Deutschland eingeführt würden. Dass diese Produkte als Arzneimittel einzustufen seien, sei aus verschiedenen Beweismitteln ersichtlich. Die Frage, ob der Vertrieb dieser Produkte rechtswidrig sei, sei unerheblich, da die Benutzung einer Marke ernsthaft sein könne, auch wenn der Benutzer dem Gesetz zuwiderhandele.

 Anträge der Parteien

15      Nach den in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Klarstellungen beantragt die Klägerin,

–        die angefochtene Entscheidung teilweise aufzuheben und die angegriffene Marke auch hinsichtlich der „Arzneimittel“ in Klasse 5 für verfallen zu erklären;

–        dem EUIPO die Kosten des vorliegenden Verfahrens und der Vorverfahren aufzuerlegen.

16      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

17      Die Streithelferin beantragt, die Klage abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

18      In Anbetracht des Datums der Einreichung des in Rede stehenden Antrags auf Erklärung des Verfalls, hier des 9. Oktobers 2017, der für die Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts maßgebend ist, gelten für den vorliegenden Rechtsstreit die materiell-rechtlichen Bestimmungen der Verordnung 2017/1001 (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Juni 2019, Deichmann/EUIPO, C‑223/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:471, Rn. 2, und vom 3. Juli 2019, Viridis Pharmaceutical/EUIPO, C‑668/17 P, EU:C:2019:557, Rn. 3). Da im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung bei Verfahrensvorschriften im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass sie ab dem Datum ihres Inkrafttretens Anwendung finden (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung), gelten für den Rechtsstreit die Verfahrensvorschriften der Delegierten Verordnung (EU) 2018/625 der Kommission vom 5. März 2018 zur Ergänzung der Verordnung 2017/1001 und zur Aufhebung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1430 (ABl. 2018, L 104, S. 1).

19      Die Klägerin bringt im Wesentlichen einen einzigen Klagegrund vor, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 geltend macht, da die Streithelferin weder den Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke noch den Nachweis berechtigter Gründe für die Nichtbenutzung dieser Marke erbracht habe. Darüber hinaus wirft sie der Beschwerdekammer vor, sich nicht mit der Rechtsprechung auseinandergesetzt sowie erhebliche Tatsachen und Vorträge nicht berücksichtigt zu haben.

20      Dieser Klagegrund ist in drei Rügen unterteilt, mit denen erstens ein Fehler bei der Beurteilung des Kriteriums der öffentlichen und nach außen gerichteten Benutzung und des ausreichenden Umfangs der Benutzung, zweitens ein Fehler bei der Beurteilung der Kriterien der Art und der Form der Benutzung und drittens ein Fehler bei der Beurteilung der Benutzung für die eingetragenen Waren, weil sie nicht unter die Definition von „Arzneimitteln“ in Klasse 5 fielen und zu Unrecht in diese Klasse eingeordnet worden seien, geltend gemacht wird.

 Vorbemerkungen

21      Nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 wird die Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO für verfallen erklärt, wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.

22      Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion – die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren – benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen (vgl. entsprechend Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 43). Zudem wird mit der Bedingung einer ernsthaften Benutzung der Marke verlangt, dass die Marke so, wie sie in dem fraglichen Gebiet geschützt ist, öffentlich und nach außen benutzt wird (Urteil vom 8. Juli 2004, Sunrider/HABM – Espadafor Caba [VITAFRUIT], T‑203/02, EU:T:2004:225, Rn. 39; vgl. in diesem Sinne und entsprechend auch Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 37).

23      Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu prüfen, die die tatsächliche geschäftliche Verwertung der Marke belegen können; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu halten oder hinzuzugewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (Urteil vom 8. Juli 2004, VITAFRUIT, T‑203/02, EU:T:2004:225, Rn. 40; vgl. entsprechend auch Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 43).

24      Die ernsthafte Benutzung einer Marke lässt sich ferner nicht auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeitsannahmen oder Vermutungen nachweisen, sondern muss auf konkreten und objektiven Umständen beruhen, die eine tatsächliche und ausreichende Benutzung der Marke auf dem betreffenden Markt belegen (Urteile vom 12. Dezember 2002, Kabushiki Kaisha Fernandes/HABM – Harrison [HIWATT], T‑39/01, EU:T:2002:316, Rn. 47, und vom 6. Oktober 2004, Vitakraft-Werke Wührmann/HABM – Krafft [VITAKRAFT], T‑356/02, EU:T:2004:292, Rn. 28).

25      Nach Art. 10 Abs. 3 und 4 der Delegierten Verordnung 2018/625, der gemäß deren Art. 19 Abs. 1 für Verfallsverfahren gilt, muss sich der Nachweis der Benutzung der Marke auf Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung der Marke beziehen und beschränkt sich grundsätzlich auf die Vorlage von Dokumenten und Beweisstücken wie Verpackungen, Etiketten, Preislisten, Katalogen, Rechnungen, Fotografien, Zeitungsanzeigen und auf die in Art. 97 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung 2017/1001 genannten schriftlichen Erklärungen.

26      Im vorliegenden Fall wurde die angegriffene Marke am 21. Juni 2010 eingetragen, und der Antrag auf Erklärung des Verfalls wurde am 9. Oktober 2017 gestellt. Folglich erstreckt sich, wie die Beschwerdekammer zu Recht angenommen hat und was im Übrigen von den Parteien nicht bestritten wird, der maßgebliche Zeitraum, in dem die Streithelferin die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nachweisen musste, vom 9. Oktober 2012 bis einschließlich 8. Oktober 2017.

27      Außerdem bestreiten die Parteien nicht, dass die Waren, für die die angegriffene Marke eingetragen wurde, über keine Zulassung als Arzneimittel in Deutschland verfügen und ihr Import in diesen Mitgliedstaat auf der Grundlage der in § 73 Abs. 3 AMG vorgesehenen Ausnahmeregelung erfolgt.

28      Daraus folgt, dass sich die vorliegende Klage ausschließlich auf die Beurteilung der Benutzung der angegriffenen Marke für „Arzneimittel“ der Klasse 5 bezieht.

 Zur ersten Rüge: Fehler bei der Beurteilung des Kriteriums der öffentlichen und nach außen gerichteten Benutzung und des ausreichenden Umfangs der Benutzung

29      Die Beschwerdekammer hat ausgeführt, dass die erstmals bei ihr vorgelegten Anlagen AG 20 und AG 21 zulässig und aussagekräftig seien, da sie aus 72 von einem Zwischenhändler an Apotheken in Deutschland ausgestellten Rechnungen über das Präparat Sallaki bzw. aus 46 Rechnungen desselben Importeurs über das Präparat H 15 Gufic bestünden. Diese Anlagen, deren vollständige und nicht geschwärzte Kopien ihr auf ihre Anfrage von der Streithelferin vorgelegt worden seien, stellten an Apotheken in Deutschland adressierte Rechnungen gemäß der in § 73 Abs. 3 AMG vorgesehenen Ausnahmeregelung dar und belegten mithin eine öffentliche und nach außen gerichtete Benutzung der angegriffenen Marke. Hinsichtlich der eidesstattlichen Versicherungen der Zwischenhändler war die Beschwerdekammer der Ansicht, dass sie von objektiven Kunden der Streithelferin stammten, die die Produkte nach Deutschland importierten und sie dann auf Bestellung an die Apotheken lieferten, ohne dass von einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihnen ausgegangen werden könne. Auf der Grundlage einer Zusammenschau der Rechnungen und der eidesstattlichen Versicherungen gelangte die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis, dass der Umfang der Benutzung der angegriffenen Marke für Arzneimittel ausreichend sei.

30      Die Klägerin wendet sich gegen die Schlussfolgerung der Beschwerdekammer, dass die Streithelferin den Nachweis einer öffentlichen und nach außen gerichteten Benutzung sowie eines ausreichenden Umfangs der Benutzung der angegriffenen Marke erbracht habe.

31      Erstens trägt die Klägerin vor, dass nach § 73 Abs. 3 AMG die Einfuhr und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in Deutschland nur durch Apotheken erfolgen dürfe und nur durch entsprechende Rechnungen von Apotheken an Endverbraucher nachgewiesen werden könne. Eine rechtserhaltende Benutzung könne daher nicht durch den Nachweis der logistischen Tätigkeit und der dazugehörigen Rechnungen von einem Großhändler belegt werden, der nur als Vermittler des technischen Ablaufs auftrete und von sich aus das Inverkehrbringen der Medikamente nicht vornehme.

32      Zweitens trägt die Klägerin vor, dass Lieferungen der Streithelferin an einen Teilnehmer ihres exklusiven oder selektiven Vertriebssystems kein Inverkehrbringen durch einen Dritten darstellten. So könne nach § 73 Abs. 3 AMG der Nachweis für ein Inverkehrbringen von Arzneimitteln nur mit einer von einer Apotheke ausgestellten Rechnung oder nur dann erbracht werden, wenn nachgewiesen werde, dass die mit der Einfuhr beauftragte Logistikfirma für die Apotheke tätig geworden sei, was im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Disclaimer auf den Rechnungen in den Anlagen AG 20 und AG 21 ausgeschlossen sei. Daher seien die Zwischenhändler unstreitig Teil eines selektiven Vertriebssystems und könnten daher nicht als unabhängige Dritte angesehen werden, an die die Arzneimittel verkauft würden. Zudem könne dieser Umstand nicht dazu führen, dass ihre eidesstattlichen Versicherungen Objektivität aufwiesen, da sie sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Streithelferin befänden. Außerdem stellten Rechnungen, da sie nicht öffentlich seien, keinen Akt einer öffentlichen Benutzung dar.

33      Drittens macht die Klägerin geltend, dass eine Benutzung schon allein daran scheitere, dass die Streithelferin ihre Produkte nach § 8 des Heilmittelwerbegesetzes (im Folgenden: HWG) nicht bewerben dürfe, da die angegriffene Marke nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs von Unternehmen zur Gewinnung von Kunden insbesondere im Rahmen von Werbekampagnen benutzt werden müsse.

34      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

35      Zunächst ist auf das Argument der Streithelferin einzugehen, mit dem diese geltend macht, das Vorbringen der Klägerin, wonach die Inhaberin der angegriffenen Marke die in Rede stehenden Waren in einem exklusiven oder selektiven Vertriebssystem verkaufe, sei unzulässig.

36      Es ist festzustellen, dass mit dem Vorbringen, die Inhaberin der angegriffenen Marke verkaufe die in Rede stehenden Waren in einem exklusiven oder selektiven Vertriebssystem, nur die Feststellungen widerlegt werden sollen, zu denen die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage der in den Anlagen AG 20 und AG 21 enthaltenen neuen Beweise gelangt ist, nachdem diese Anlagen, die erstmals bei ihr vorgelegt worden waren, für zulässig und im Hinblick auf die Verkaufstätigkeit der Streithelferin wesentlich erklärt wurden.

37      Außerdem kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, dieses Argument vor der Beschwerdekammer nicht vorgebracht zu haben; denn wie sich oben aus Rn. 9 ergibt, wurden die ungeschwärzten Anlagen AG 20 und AG 21 auf Anfrage des EUIPO am 17. September 2020 vorgelegt, d. h., nachdem die Klägerin am 2. März 2020 ihre Stellungnahme eingereicht hatte.

38      Daher ist das Vorbringen der Klägerin zum exklusiven oder selektiven Vertriebssystem, soweit damit die Rechtmäßigkeit der Feststellungen der Beschwerdekammer in diesem Zusammenhang bestritten werden soll, nicht verspätetet und folglich für zulässig zu erklären.

39      Erstens genügt der Hinweis, dass die angebliche Rechtswidrigkeit des Vertriebsmodells, wie das EUIPO und die Streithelferin ausführen, der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke nicht entgegensteht. Das EUIPO ist nämlich nicht befugt, über die Einhaltung des AMG zu befinden. Ebenso wenig sieht Art. 18 der Verordnung 2017/1001 eine Verpflichtung vor, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Waren oder auf Gutgläubigkeit bei der Benutzung der Marke bezöge (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 13. April 2011, Alder Capital/HABM – Gimv Nederland [ALDER CAPITAL], T‑209/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:169, Rn. 64). Ein nach nationalem Recht rechtswidriger Vertrieb schließt es daher nicht aus, dass eine tatsächliche und ernsthafte Benutzung im Hinblick auf das Markenrecht vorliegen kann.

40      Daraus folgt, dass die von den Zwischenhändlern vorgelegten Rechnungen entgegen dem Vorbringen der Klägerin Beweise für die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke darstellen können.

41      Zweitens verlangt die ernsthafte Benutzung der Marke nach ständiger Rechtsprechung, dass diese Marke öffentlich und nach außen benutzt wird und nicht nur innerhalb des betreffenden Unternehmens. Allerdings ist die Benutzung einer Marke nach außen nicht notwendigerweise mit einer Benutzung gegenüber dem Endverbraucher gleichzusetzen. Die tatsächliche Benutzung der Marke hängt von dem Markt ab, auf dem der Markeninhaber seine geschäftliche Tätigkeit ausübt und in dem er seine Marke nutzen möchte. Die Auffassung, eine Markenbenutzung nach außen sei im Sinne der Rechtsprechung notwendigerweise eine Benutzung gegenüber dem Endverbraucher, liefe darauf hinaus, dass allein in Beziehungen zwischen Gesellschaften benutzte Marken vom durch die Verordnung 2017/1001 gewährten Schutz ausgeschlossen wären. Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen, an die sich Marken richten können, zählen nämlich nicht nur Endverbraucher, sondern auch Fachkreise, Industriekunden und andere professionelle Anwender (vgl. Urteile vom 23. Oktober 2017, Galletas Gullón/EUIPO – O2 Holdings [Form einer Kekspackung], T‑404/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:745, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 10. November 2021, AC Milan/EUIPO – InterES [ACM 1899 AC MILAN], T‑353/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:773, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Aus der Rechtsprechung ergibt sich somit, dass für den Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke nicht ausschließlich durch Beweismittel, die von den Händlern, hier den Apotheken, stammen und an Endverbraucher gerichtet sind, die öffentliche und nach außen gerichtete Benutzung belegt werden muss. Das Vorbringen der Klägerin, wonach der Nachweis einer öffentlichen und nach außen gerichteten Benutzung einer Marke allein im Hinblick auf den Endverbraucher erbracht werden könne, ist daher unbegründet.

43      Da, wie oben in Rn. 39 ausgeführt worden ist, die angebliche Rechtswidrigkeit des Vertriebsmodells der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke nicht entgegensteht, reichen die von der Streithelferin an Zwischenhändler ausgestellten Rechnungen (Anlagen AG 6, AG 7.1, AG 7.2, AG 8.2, Anlage 2.1 von AG 9) aus, um eine öffentliche und nach außen gerichtete Benutzung nachzuweisen.

44      Außerdem hat die Streithelferin, wie das EUIPO ausführt, auch zahlreiche Rechnungen dieser Zwischenhändler an Apotheken (AG 20 und AG 21) vorgelegt, woraus sich auf den späteren Verkauf der Arzneimittel an Endverbraucher schließen lässt.

45      Ferner ist hervorzuheben, dass es sich bei den von der Streithelferin vorgelegten Rechnungen entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht deshalb um interne Dokumente handelt, weil sie nicht öffentlich zugänglich seien. Im vorliegenden Fall wurden sie an verschiedene Adressaten gerichtet, was zeigt, dass die Benutzung der angegriffenen Marke öffentlich und nach außen erfolgt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2020, Euroapotheca/EUIPO – General Nutrition Investment [GNC LIVE WELL], T‑686/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:320, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Darüber hinaus wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, die Rn. 47 und 48 des Urteils vom 3. Juni 2010, Coty Prestige Lancaster Group (C‑127/09, EU:C:2010:313), nicht berücksichtigt zu haben, wonach Lieferungen des Markeninhabers an einen Teilnehmer seines selektiven Vertriebssystems kein Inverkehrbringen im Sinne des Markenrechts darstellten. Es ist festzustellen, dass dieses Urteil nicht einschlägig ist, da es eine andere Fragestellung betrifft, nämlich die der Erschöpfung der Rechte aus einer Marke im Sinne von Art. 15 der Verordnung 2017/1001, der das Inverkehrbringen und den weiteren Vertrieb von Waren mit der Zustimmung des Markeninhabers vorsieht. Im vorliegenden Fall wird jedoch von keiner der Parteien bestritten, dass die Arzneimittel mit Zustimmung der Streithelferin in Deutschland in den Verkehr gebracht wurden.

47      Folglich stellen die vorgelegten Rechnungen, die sowohl an Zwischenhändler als auch an Apotheken gerichtet sind, keine internen Rechnungen dar, und die Beschwerdekammer hat sie zu Recht als zulässig und aussagekräftig angesehen, um die öffentliche Benutzung der Marke nach außen nachzuweisen.

48      Drittens geht in Bezug auf die eidesstattlichen Versicherungen der Zwischenhändler aus der Rechtsprechung hervor, dass bei der Beurteilung des Beweiswerts eines solchen Dokuments zunächst die Wahrscheinlichkeit der darin enthaltenen Information zu prüfen ist. Insbesondere sind also die Herkunft des Dokuments, die Umstände seiner Ausarbeitung, sein Adressat und die Frage, ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubhaft erscheint, zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 7. Juni 2005, Lidl Stiftung/HABM – REWE‑Zentral [Salvita], T‑303/03, EU:T:2005:200, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Im vorliegenden Fall wird nicht bestritten, dass die es sich bei denjenigen, die eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hatten, um spezialisierte Importeure handelt, die die in Rede stehenden Arzneimittel bei der Streithelferin kaufen und sie an Apotheken in Deutschland verkaufen und liefern. Diese Importeure fungieren als Zwischenhändler zwischen der Streithelferin und den deutschen Apotheken und sind mithin Kunden der Streithelferin.

50      Insoweit ist bereits entschieden worden, dass das Bestehen von Vertragsbeziehungen zwischen zwei verschiedenen Unternehmen, wie es hier der Fall ist, für sich allein nicht die Annahme zulässt, dass die eidesstattliche Versicherung eines dieser Unternehmen nicht die eines Dritten, sondern die einer Person ist, die enge Verbindungen zu der betroffenen Partei hat, so dass der Beweiswert einer solchen Erklärung geringer wäre (Urteil vom 15. Februar 2017, M. I. Industries/EUIPO – Natural Instinct [Natural Instinct Dog and Cat food as nature intended], T‑30/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:77, Rn. 42).

51      Im Übrigen hat die Klägerin nicht dargetan, inwiefern diejenigen, die eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hatten, Teil des internen Vertriebssystems der Streithelferin sein sollen, was ihnen die Eigenschaft eines unabhängigen Dritten nähme und ihre eidesstattlichen Versicherungen weniger beweiskräftig machen würde.

52      Daher hat die Beschwerdekammer diejenigen, die eine eidesstattliche Versicherung abgegeben haben, zu Recht als Dritte angesehen und ihren eidesstattlichen Versicherungen Beweiswert beigemessen.

53      Viertens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach die Benutzung der angegriffenen Marke schon allein aufgrund des Fehlens von Werbung für die in Rede stehenden Arzneimittel ausgeschlossen werden könne.

54      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass sich die Benutzung einer Marke auf Waren und Dienstleistungen beziehen muss, die bereits vertrieben werden oder deren Vertrieb von dem Unternehmen zur Gewinnung von Kunden insbesondere im Rahmen von Werbekampagnen vorbereitet wird und unmittelbar bevorsteht (vgl. entsprechend Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 37). Daraus folgt, dass Werbung für eine Marke zwar einen der Faktoren darstellt, die bei der Beurteilung des Vorliegens einer ernsthaften Benutzung der Marke zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil vom 7. Juli 2016, Fruit of the Loom/EUIPO – Takko [FRUIT], T‑431/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:395, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung), es jedoch noch nicht automatisch zu der Feststellung führen kann, dass diese Marke nicht ernsthaft benutzt würde, wenn es für bereits vertriebene Waren an Werbung für die Marke fehlt.

55      Insbesondere kann unter den Umständen des vorliegenden Falles, da die Klägerin einräumt, dass § 8 HWG Werbung für nach § 73 Abs. 3 AMG importierte Arzneimittel verbietet, von der Streithelferin nicht verlangt werden, dass sie gegen dieses im nationalen Recht vorgesehene Verbot verstößt, um die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nachzuweisen.

56      Nach alledem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass der Beschwerdekammer bei der Anwendung des Kriteriums der öffentlichen und nach außen erfolgenden Benutzung sowie des ausreichenden Umfangs der Benutzung der angegriffenen Marke ein Beurteilungsfehler unterlaufe wäre. Die erste Rüge ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

 Zur zweiten Rüge: Fehler bei der Beurteilung des Kriteriums der Art und Form der Benutzung

57      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass das angegriffene Zeichen nicht als Marke in der eingetragenen Form benutzt worden sei, da die dem Zeichen Gufic hinzugefügten Bestandteile zur Entstehung eines neuen eigenständigen Zeichens führten. Insbesondere handele es sich bei dem Bestandteil „h 15“ nicht, wie von der Beschwerdekammer festgestellt worden sei, um einen alphanumerischen Code, sondern um eine kennzeichnungsstarke Kombination aus Buchstaben und Ziffern. Die Klägerin gibt hierzu an, dass die Streithelferin H 15 in Deutschland als eigenständige Wortmarke für die Klassen 3 und 5 habe eintragen lassen. Dieser prägende Bestandteil führe dazu, dass alle Angaben von „h 15 Gufic“ nicht zu einer rechtserhaltenden Benutzung der Marke Gufic führen könnten.

58      Darüber hinaus bringt die Klägerin vor, dass dadurch, dass in der Wort- Bildmarke Gufic die Angabe „Made in India by:“ vorangestellt und die vollständige Firmenbezeichnung Gufic BioSciences Limited sowie die Anschrift nachgestellt seien, die maßgeblichen Verkehrskreise Gufic als Unternehmenskennzeichen verstehen könnten und nicht als Hinweis auf die Herkunft der Waren.

59      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

60      Wie sich aus der oben in Rn. 22 angeführten Rechtsprechung ergibt, wird ein Zeichen als Marke benutzt, wenn es entsprechend seiner Hauptfunktion, nämlich die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die es eingetragen wurde, zu garantieren, benutzt wird und diese Benutzung die Marke in der eingetragenen Form betrifft.

61      Bei Individualmarken besteht die Hauptfunktion darin, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Damit die Marke ihre Aufgabe als wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs, das der Vertrag errichten und erhalten will, erfüllen kann, muss sie nämlich die Gewähr bieten, dass alle mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder erbracht wurden, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2019, Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark/Schmid, C‑514/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:878, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Nach Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 umfasst der Nachweis der ernsthaften Benutzung einer Marke auch den Nachweis ihrer Benutzung in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch – insbesondere aufgrund ihrer Nebenrolle in dem Zeichen oder wegen ihrer geringen Unterscheidungskraft – die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird (vgl. Urteil vom 8. Juli 2020, GNC LIVE WELL, T‑686/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:320, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 stellt auf den Fall ab, dass eine angegriffene Marke, gleich ob es sich dabei um eine nationale oder um eine Unionsmarke handelt, im Handelsverkehr in einer Form benutzt wird, die sich leicht von der Form unterscheidet, für die die Eintragung vorgenommen wurde. Der Zweck dieser Bestimmung, die es vermeidet, eine strikte Übereinstimmung zwischen der verwendeten Form der Marke und derjenigen, in der die Marke eingetragen worden ist, vorzuschreiben, besteht darin, es dem Inhaber der letztgenannten Marke zu erlauben, im Rahmen seines Geschäftsbetriebs Veränderungen an dem Zeichen vorzunehmen, die es, ohne die Unterscheidungskraft der Marke zu beeinflussen, erlauben, sie den Anforderungen der Vermarktung und der Förderung des Absatzes der betreffenden Waren oder Dienstleistungen besser anzupassen. Dem Zweck dieser Bestimmung entsprechend ist ihr sachlicher Geltungsbereich als auf die Situationen beschränkt zu betrachten, in denen das Zeichen, das vom Inhaber einer Marke konkret zur Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen worden ist, verwendet wird, die Form darstellt, in der diese Marke gewerblich genutzt wird. Für solche Situationen sieht die genannte Bestimmung vor, dass der Pflicht zur Benutzung der Marke dann, wenn das im Handelsverkehr verwendete Zeichen von der Form, in der es eingetragen worden ist, nur in geringfügigen Bestandteilen abweicht und die beiden Zeichen somit als insgesamt gleichwertig betrachtet werden können, dadurch genügt werden kann, dass der Nachweis der Benutzung des Zeichens erbracht wird, das die im Handelsverkehr benutzte Form der angegriffenen Marke darstellt (vgl. Urteile vom 13. September 2016, hyphen/EUIPO – Skylotec [Darstellung eines Vielecks], T‑146/15, EU:T:2016:469, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 8. Juli 2020, GNC LIVE WELL, T‑686/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:320, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Die Feststellung einer Beeinflussung der Unterscheidungskraft der eingetragenen Marke erfordert daher eine Prüfung der Unterscheidungskraft und der Dominanz der hinzugefügten Bestandteile, bei der auf die Eigenschaften jedes einzelnen dieser Bestandteile sowie deren jeweilige Rolle bei der Gesamtgestaltung der Marke abzustellen ist (vgl. Urteil vom 14. Juli 2021, Fashioneast und AM.VI./EUIPO – Moschillo [RICH JOHN RICHMOND], T‑297/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:432, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65      Im Licht dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerin zur Benutzung und zur Form der angegriffenen Marke zu prüfen.

 Zur Benutzung des angegriffenen Zeichens als Marke

66      Zur Art der Benutzung der angegriffenen Marke ist festzustellen, dass es sich dabei im vorliegenden Fall um eine Wortmarke handelt.

67      Nach der Rechtsprechung besteht eine Wortmarke ausschließlich aus Buchstaben, Wörtern oder Wortkombinationen in normaler Schriftart ohne spezifische grafische Elemente. Demzufolge erstreckt sich der Schutz, der sich aus der Eintragung einer Wortmarke ergibt, auf das in der Anmeldung angegebene Wort und nicht auf die besonderen grafischen oder gestalterischen Aspekte, die diese Marke möglicherweise annehmen kann. Darüber hinaus kommt es nach ständiger Rechtsprechung auf die genaue Darstellung einer solchen Marke überhaupt nicht an. Die konkrete Darstellung einer Wortmarke ist nämlich generell ungeeignet, die Unterscheidungskraft der Marke in ihrer eingetragenen Form zu verändern (vgl. Urteile vom 3. Oktober 2019, 6Minutes Media/EUIPO – ad pepper media International [ADPepper], T‑668/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:719, Rn. 54 und 55 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 8. Juli 2020, GNC LIVE WELL, T‑686/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:320, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      In den Rn. 50 und 51 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer unter Bezugnahme auf die Rechnungen in der Anlage AG 21 und auf die in den Anlagen AG 2.1, AG 2.2, AG 3.1, AG 3.2 und AG 5 vorgelegten Fotos von Verpackungen drei grafische Darstellungen der angegriffenen Marke wiedergegeben, die für die Präparate H 15 Gufic und Sallaki verwendet wurden. Dass das Zeichen Gufic auf allen Verpackungen angebracht sei, lasse die Schlussfolgerung zu, dass es sich dabei um eine Hausmarke handele, da dieses Zeichen in dem entsprechenden Bildzeichen eine selbständige Stellung einnehme und daher kein Firmenname sein könne. Außerdem sei es im Arzneimittelbereich üblich, neben der Hausmarke, hier Gufic, spezielle Marken für bestimmte Produkte, nämlich Sallaki, zu verwenden.

69      Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass das Zeichen Gufic auf den Verpackungen der Präparate Sallaki und H 15 Gufic in verschiedenen Formen wiedergegeben wird: erstens auf dem Siegel der Verpackung des Produkts, zweitens als reines Wortzeichen H 15 Gufic oder umgeben von zwei Halbkreisen, drittens als Bildzeichen, in dem der Begriff „gufic“ von einem gelben Halboval umschlossen ist, unter dem ein Mörser und ein Stößel sowie die Worte „ayurvedic medicine“ abgebildet sind, sowie schließlich viertens als Teil der Bestandteile „gufic biosciences limited“ bzw. „gufic chem private limited“, denen der Hinweis „made in India by:“ vorangestellt und die Anschrift des entsprechenden Unternehmens nachgestellt sind.

70      Diese Formen stellen sich wie folgt dar:

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71      In Bezug auf die gleichzeitige Verwendung eines Zeichens als Geschäftsbezeichnung und als Marke hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Gesellschaftsbezeichnung, ein Handelsname oder ein Firmenzeichen für sich genommen nicht den Zweck hat, Waren oder Dienstleistungen zu unterscheiden. Eine Gesellschaftsbezeichnung soll nämlich eine Gesellschaft näher bestimmen, während ein Handelsname oder ein Firmenzeichen dazu dient, ein Geschäft zu bezeichnen. Wird eine Gesellschaftsbezeichnung, ein Handelsname oder ein Firmenzeichen nur für die nähere Bestimmung einer Gesellschaft oder die Bezeichnung eines Geschäfts benutzt, kann diese Benutzung daher nicht als eine solche „für Waren oder Dienstleistungen“ angesehen werden (vgl. entsprechend Urteil vom 11. September 2007, Céline, C‑17/06, EU:C:2007:497, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Jedoch liegt eine Benutzung „für Waren“ vor, wenn der Markeninhaber das Zeichen, das seine Gesellschaftsbezeichnung, seinen Handelsnamen oder sein Firmenzeichen bildet, auf den Waren, die er vertreibt, oder auf den Verpackungen anbringt. Zudem liegt auch ohne Anbringung eine Benutzung „für Waren“ vor, wenn das Zeichen in der Weise benutzt wird, dass eine Verbindung zwischen dem Zeichen, das die Gesellschaftsbezeichnung, den Handelsnamen oder das Firmenzeichen bildet, und den vertriebenen Waren hergestellt wird. Soweit diese Voraussetzung erfüllt ist, schließt die Tatsache, dass ein Wortelement als Handelsname des Unternehmens verwendet wird, nicht aus, dass es als Marke zur Bezeichnung von Waren oder Dienstleistungen benutzt werden kann (vgl. Urteil vom 5. März 2020, Dekoback/EUIPO – DecoPac [DECOPAC], T‑80/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:81, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Im Übrigen ist es, wie das EUIPO und die Streithelferin vortragen, im Arzneimittelsektor üblich, dass Arzneimittel auf ihren Verpackungen mehrere verschiedene Marken tragen, nämlich die Produktmarke und Herstellerkennzeichen. Dies ist der Fall bei den von der Streithelferin vorgelegten Beispielen für Verpackungen von Arzneimitteln, auf denen sich Produktmarken befinden. Wie aus diesen Beispielen hervorgeht, ist es daher nicht unüblich, dass Arzneimittelmarken den Herstellernamen enthalten.

74      Gleiches gilt im vorliegenden Fall für die Präparate Sallaki und H 15 Gufic, auf denen sowohl der Begriff zur Bezeichnung des Produkts, nämlich „sallaki“ und „h 15 gufic“, als auch die Gesellschaftsbezeichnung Gufic BioSciences Limited bzw. Gufic Chem Private Limited erscheinen. Es ist darauf hinzuweisen, dass das oben in den Rn. 69 und 70 genannte Bildzeichen Gufic auch auf den Sallaki-Präparaten erscheint, während das Verpackungssiegel mit dem Bestandteil „gufic“ sowohl auf den Sallaki-Präparaten als auch auf den H-15-Gufic-Präparaten erscheint.

75      Unter Berücksichtigung dieser Beweise kann der Umstand, dass das Zeichen Gufic auch den Unternehmensnamen darstellt, in Übereinstimmung mit dem EUIPO und in Anbetracht der oben in Rn. 72 angeführten Rechtsprechung das Publikum nicht daran hindern, dieses Zeichen als Marke wahrzunehmen, die es ermöglicht, auf die Herkunft der in Rede stehenden Waren hinzuweisen, insbesondere durch das Verpackungssiegel, das Bildzeichen oder das Wortzeichen H 15 Gufic.

76      Mithin ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin, das Zeichen Gufic werde nicht als Marke, sondern vielmehr als Firmenzeichen verwendet, keinen Erfolg haben kann.

 Zur behaupteten Beeinflussung der Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke

77      Zur behaupteten Beeinflussung der Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke, die aus der Hinzufügung zusätzlicher Wort- oder Bildelemente sowie der Benutzung dieser Marke in Verbindung mit einer anderen Marke folgen soll, ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer in Rn. 55 der angefochtenen Entscheidung zum einen die Auffassung vertreten hat, dass das hinzugefügte Element „h 15“ nicht als kennzeichnungskräftiges Element, sondern vielmehr als alphanumerischer Code wahrgenommen werde. Zum anderen stelle die gelbe halbovale Form, in der der Begriff „gufic“ in selbständiger Position in einfachen Großbuchstaben erscheine, keine Abweichung dar, die die Unterscheidungskraft des Zeichens Gufic hinreichend beeinflussen könne.

78      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die verschiedenen, oben in den Rn. 69 und 70 genannten Formen, in denen sich das Zeichen Gufic darstellt, stets den Wortbestandteil „gufic“ mit einem großgeschriebenen „G“, gefolgt von Kleinbuchstaben bzw. Großbuchstaben, enthalten.

79      Sodann sind nach der oben in den Rn. 62 bis 64 angeführten Rechtsprechung die Unterscheidungskraft und die Dominanz der dem Wortzeichen Gufic hinzugefügten Bestandteile zu prüfen, wobei auf die Eigenschaften jedes einzelnen dieser Bestandteile sowie auf deren jeweilige Rolle bei der Gesamtgestaltung der Marke abzustellen ist.

80      Insoweit ist festzustellen, dass die grafischen Bestandteile, d. h. das gelbe Halboval und der Mörser mit Stößel, was das Zeichen Gufic betrifft, soweit es in einem Bildzeichen dargestellt wird, keine Unterscheidungskraft haben, da ihnen nur eine dekorative Rolle zukommt. Wie auch das EUIPO ausführt, ist der Wortbestandteil „ayurvedic medicine“ für die in Rede stehenden Waren, nämlich ayurvedische Arzneimittel, beschreibend. Daher können diese zusätzlichen Bestandteile die Unterscheidungskraft des Zeichens Gufic nicht beeinflussen.

81      Ferner ist festzuhalten, dass der Bestandteil „h 15“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht als so unterscheidungskräftig wahrgenommen werden kann, dass die Unterscheidungskraft des Wortbestandteils „gufic“ beeinflusst werden könnte. Die Verkehrskreise werden diesen zusätzlichen Bestandteil nämlich als bloße alphanumerische Kombination wahrnehmen, ohne dass er ihre Aufmerksamkeit vom Zeichen Gufic ablenken würde.

82      Die Behauptung der Klägerin, dass das Zeichen H 15 von der Streithelferin als Wortmarke eingetragen sei, kann die Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke nicht beeinflussen. Nach der Rechtsprechung kann nämlich die Voraussetzung der ernsthaften Benutzung einer Marke selbst dann erfüllt sein, wenn eine Marke in Verbindung mit einer anderen Marke benutzt wird, sofern erstere Marke weiterhin als Hinweis auf die Herkunft der betreffenden Ware wahrgenommen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. März 2022, Vetpharma Animal Health/EUIPO – Deltavit [DELTATIC], T‑146/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:159, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Selbst wenn aber im vorliegenden Fall die Verkehrskreise das Zeichen H 15 als eigenständige Marke verstehen könnten, könnten sie das Zeichen Gufic immer noch als Hinweis auf die Herkunft der in Rede stehenden Ware auffassen, so dass seine Benutzung zusammen mit dem Zeichen H 15 seine Unterscheidungskraft nicht beeinflusst.

84      Nach alledem hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass das Zeichen Gufic als Marke und in der eingetragenen Form benutzt worden sei. Folglich ist die zweite Rüge als unbegründet zurückzuweisen.

 Zur dritten Rüge: Fehler bei der Beurteilung der Benutzung der angegriffenen Marke für die als „Arzneimittel“ eingetragenen Waren

85      Die Klägerin wirft der Beschwerdekammer im Wesentlichen vor, einen wesentlichen Teil des Antrags auf Erklärung des Verfalls verkannt zu haben, indem sie sich nicht mit der zentralen Frage befasst habe, ob die Waren, für die die Marke eingetragen worden sei und auf denen das Zeichen Gufic angebracht worden sei, „Arzneimittel“ im Sinne der Definition des Unionsrechts darstellten.

86      Die Klägerin macht erstens geltend, dass die Vermarktung eines Arzneimittels in der Union nur möglich sei, wenn es der in der Union einheitlich ausgelegten Definition eines Arzneimittels entspreche und über eine Zulassung in einem Mitgliedstaat oder für die gesamte Union verfüge oder wenn mit belastbaren Unterlagen eine pharmakologische Wirkung nachgewiesen sei. Daher müsse, damit ein Produkt markenrechtlichen Schutz für die „Arzneimittel“ beinhaltende Warenklasse 5 beanspruchen könne, die Benutzung der Marke für ein Arzneimittel nachgewiesen werden.

87      Die in Rede stehenden Produkte können nach Ansicht der Klägerin in Anbetracht der Ablehnung der Zulassung, des Werbeverbots für Produkte ohne Zulassung, der Verschreibung nur in Ausnahmefällen, des Fehlens eines erneuten Zulassungsantrags, der fehlenden pharmakologischen Wirkung, der Tatsache, dass das Produkt nicht der Arzneimitteldefinition des Gerichtshofs der Europäischen Union entspreche, sowie des Umstands, dass es auf der Verpackung als ayurvedische Medizin und nicht als Arzneimittel gekennzeichnet sei, nicht als Arzneimittel eingestuft werden.

88      Im Übrigen könne im Gegensatz zu einem Präsentationsarzneimittel allein ein Funktionsarzneimittel der Arzneimitteldefinition des AMG und der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) entsprechen und über eine Zulassung verfügen, da es eine pharmakologische Wirkung habe. Die Klägerin meint insoweit, dass bei der Definition des Arzneimittelbegriffs auf die Wahrnehmung der deutschen Verkehrskreise abzustellen sei, die nicht annähmen, dass ein Produkt ein Arzneimittel darstelle, wenn es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologische Wirkung habe.

89      Zweitens macht die Klägerin geltend, dass es nach § 73 Abs. 3 AMG erforderlich sei, dass die Streithelferin über eine von einer nationalen Behörde ausgestellte Zulassung für ayurvedische Produkte verfüge. Diese Voraussetzung sei jedoch nicht erfüllt, da die Streithelferin nur die von einer Behörde eines indischen Bundesstaats ausgestellte Zulassung für die Herstellung vorgelegt habe (Anlage AG 12). Darüber hinaus könnten Produkte der ayurvedischen Medizin weder mit der herkömmlichen Medizin noch mit Arzneimitteln der Union verglichen werden.

90      Drittens macht die Klägerin geltend, dass das Produkt auch den charakteristischen Anforderungen der in Rede stehenden Warenklasse entsprechen müsse; die fehlende Übereinstimmung mit der Definition des Arzneimittelbegriffs spreche somit gegen seine Einstufung als „Arzneimittel“ der Klasse 5. Fehle es an einer pharmakologischen Wirkung oder einer Zulassung, könne das Produkt nämlich weder in die Warenklasse „Arzneimittel“ fallen noch könne es eine ernsthafte Benutzung der Marke für diese Klasse begründen, da eine Benutzung für ähnliche Waren nicht ausreichend sei.

91      Schließlich bestreitet die Klägerin die Relevanz der Urteile des Oberlandesgerichts München (Deutschland) vom 24. Februar 2011 (Anlage AG 14) und vom 16. Mai 2013 (Anlage AG 11) und begründet dies damit, dass diese nicht die Produkte und ihre Eigenschaften als Arzneimittel überprüft und nur Präsentationsarzneimittel betroffen hätten, die die Definition eines Arzneimittels nicht erfüllten. Sie spricht auch der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe (Deutschland) vom 8. Januar 2015 (Anlage AG 13) sowie den Gutachten des Chemischen Veterinäruntersuchungsamts Karlsruhe vom 20. Mai 2014 (Anlagen AG 23 und AG 24) die Relevanz ab, die sich nur mit der Frage der Bedenklichkeit der Produkte, nicht aber mit deren Arzneimitteleigenschaft befasst hätten. Insoweit ist die Klägerin der Auffassung, dass ein Arzneimittel, dessen Zulassung abgelehnt worden sei, nicht nach § 73 Abs. 3 AMG in den Verkehr gebracht werden dürfe.

92      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

93      Die Beschwerdekammer hat die Auffassung vertreten, die ihr vorgelegten Beweise hätten gezeigt, dass die angegriffene Marke für „Arzneimittel“ in Klasse 5 benutzt worden sei, weil es sich bei den Produkten Sallaki und H 15 Gufic um in Indien zugelassene Arzneimittel handele, die gemäß § 73 Abs. 3 AMG nach Deutschland eingeführt worden seien. Sie war insbesondere der Ansicht, dass die in den Anlagen AG 11, AG 12, AG 13, AG 14, AG 23 und AG 24 vorgelegten Beweismittel, die die Arzneimitteleigenschaft der in Rede stehenden Produkte, ihre Zulassung in Indien und ihre Nichtbedenklichkeit belegten, zeigten, dass diese Produkte als „Arzneimittel“ verwendet worden und als solche einzustufen seien.

94      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klassifikation der Waren und Dienstleistungen nach dem Abkommen von Nizza im Wesentlichen den Bedarf des Marktes widerspiegeln soll und nicht dazu dient, eine künstliche Segmentierung der Waren vorzugeben. So enthalten die Klassenüberschriften „Oberbegriffe“ betreffend den Bereich, zu dem die Waren oder Dienstleistungen „grundsätzlich“ gehören. Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass die Klassifikation der Waren und Dienstleistungen nach dem Abkommen von Nizza selbst ausschließlich Verwaltungszwecken dient. Diese soll nämlich lediglich die Abfassung und die Behandlung von Markenanmeldungen vereinfachen, indem sie bestimmte Klassen und Kategorien von Waren und Dienstleistungen vorschlägt. Im Übrigen kann die Klassifikation von Nizza nicht für sich allein über die Natur und die Merkmale der in Rede stehenden Waren entscheiden (vgl. Urteil vom 28. Mai 2020, Korporaciya „Masternet“/EUIPO – Stayer Ibérica [STAYER], T‑681/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:222, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95      Außerdem ist die Einstufung eines Produkts nach anderen Vorschriften des Unionsrechts für seine Klassifikation für die Eintragung einer Unionsmarke grundsätzlich nicht ausschlaggebend. Zum einen ergibt sich nämlich im Wesentlichen aus Art. 33 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001, dass Waren und Dienstleistungen für die Eintragung einer Unionsmarke nach der Klassifikation von Nizza klassifiziert werden. Zum anderen sind die von der Klägerin angeführten Unionsrechtsakte zwar für den in Rede stehenden Sektor von grundlegender Bedeutung, da sie den Prozess der Herstellung, Kennzeichnung und des Vertriebs von Arzneimitteln schützen, doch haben sie nicht zwangsläufig einen Einfluss darauf, wie die Waren und Dienstleistungen in der Klassifikation von Nizza klassifiziert werden. Insoweit darf die Hauptfunktion der Marke nicht mit den anderen Funktionen verwechselt werden, die die Marke gegebenenfalls auch erfüllen kann, wie etwa die Gewährleistung der Qualität der betreffenden Ware. Daher ist die Einstufung eines Produkts nach anderen Vorschriften des Unionsrechts, wie der Richtlinie 2001/83, für ihre Klassifikation für die Eintragung einer Unionsmarke grundsätzlich nicht ausschlaggebend (vgl. Urteil vom 6. Oktober 2021, Dermavita Company/EUIPO – Allergan Holdings France [JUVEDERM], T‑372/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:652, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96      Insoweit hat der Gerichtshof klargestellt, dass sich aus dem vom Gericht verwendeten Ausdruck „grundsätzlich“ ergibt, dass das Gericht es nicht generell ausschließt und es zulässt, dass unionsrechtliche Bestimmungen bei der Beurteilung der ernsthaften Benutzung einer Marke im Sinne von Art. 18 der Verordnung 2017/1001 berücksichtigt werden können sowie im Hinblick auf die besonderen Umstände des untersuchten Falles für die Einstufung der in Rede stehenden Produkte ausschlaggebend sein können (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 3. Dezember 2020, Dermavita/EUIPO, C‑400/20 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:997, Rn. 17, und vom 4. Mai 2021, Dermavita/EUIPO, C‑26/21 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:355, Rn. 17).

97      Die bloße Behauptung, dass die betreffenden Produkte „Arzneimittel“ der Klasse 5 seien, reicht jedoch nicht aus (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Februar 2017, Pandalis/EUIPO – LR Health & Beauty Systems [Cystus], T‑15/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:75, Rn. 57).

98      Die im vorliegenden Fall für die Beurteilung der ernsthaften markenrechtlichen Benutzung maßgebliche Frage besteht darin, ob die Waren, für die die Marke benutzt wird, d. h. die in Rede stehenden Produkte, die gleichen sind wie die Waren, für die die Marke in Klasse 5 eingetragen wurde (vgl. entsprechend Urteil vom 18. November 2020, Dermavita/EUIPO – Allergan Holdings France [JUVEDERM ULTRA], T‑643/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:549, Rn. 29).

99      Für die markenrechtliche Produktkategorie ist das Erscheinungsbild der betreffenden Produkte, etwa infolge der Verpackung oder Etikettierung, durchaus von Belang. Denn dieses Erscheinungsbild ist maßgeblich dafür, welcher Produktkategorie die Verbraucher das Produkt zuordnen (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Pandalis/EUIPO, C‑194/17 P, EU:C:2018:725, Nr. 33).

100    Daraus folgt somit, dass es für die Beurteilung der ernsthaften Benutzung dieser Marke entscheidend ist, wie die Waren, für die die angegriffene Marke eingetragen wurde, von den maßgeblichen Verkehrskreisen wahrgenommen werden.

101    Im Übrigen hat der Gerichtshof insbesondere zur Wahrnehmung der von der Richtlinie 2001/83 erfassten Arzneimittel durch die maßgeblichen Verkehrskreise bereits entschieden, dass der Einstellung eines durchschnittlich informierten Verbrauchers Rechnung zu tragen ist, bei dem die einem Erzeugnis gegebene Form ein besonderes Vertrauen hervorrufen kann, wie dasjenige, das Arzneimittel aufgrund der Garantien, die mit ihrer Herstellung und ihrer Vermarktung verbunden sind, normalerweise hervorrufen. Zwar kann die dem fraglichen Erzeugnis gegebene äußere Form für seine Einstufung als Präsentationsarzneimittel ein wichtiges Indiz sein, doch ist diese Form so zu verstehen, dass sie sich nicht nur auf das Erzeugnis selbst, sondern auch auf seine Aufmachung bezieht, mit der möglicherweise aus geschäftspolitischen Gründen eine Ähnlichkeit des Erzeugnisses mit einem Arzneimittel angestrebt wird (vgl. Urteil vom 15. November 2007, Kommission/Deutschland, C‑319/05, EU:C:2007:678, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

102    Hierzu ist festzustellen, dass sich die Parteien in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung darüber einig sind, dass bei der Beurteilung der Ernsthaftigkeit der Benutzung für die Waren, für die die angegriffene Marke eingetragen wurde, auf die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise abzustellen ist, die sich im vorliegenden Fall sowohl aus Endverbrauchern als auch aus Fachkreisen zusammensetzen.

103    Im Licht dieser Erwägungen ist zu bestimmen, ob die maßgeblichen Verkehrskreise die in Rede stehenden Produkte im vorliegenden Fall als „Arzneimittel“ der Klasse 5 wahrnehmen werden, für die die angegriffene Marke benutzt wurde.

104    Zwar hat das Gericht bereits entschieden, dass der – selbst ausschließliche – Verkauf von Waren in Apotheken noch nicht bedeutet, dass es sich dabei zwangsläufig um Arzneimittel handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. November 2017, Endoceutics/EUIPO – Merck [FEMIBION], T‑802/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:818, Rn. 38). Von der Klägerin unbestritten stellt der Umstand, dass ein Produkt nur in Apotheken gegen Vorlage einer ärztlichen Verschreibung abgegeben wird, jedoch einen relevanten Faktor dar, der für die Definition der Produkte als Arzneimittel zu berücksichtigen ist.

105    Im Übrigen hat sich die Beschwerdekammer für ihre Schlussfolgerung, dass die angegriffene Marke für Arzneimittel der Klasse 5 benutzt worden sei, auf die in den Anlagen AG 11, AG 13, AG 14, AG 23 und AG 24 enthaltenen Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen gestützt, in denen im Wesentlichen ausgeführt wird, dass es sich bei den in Rede stehenden Produkten um „nicht bedenkliche“ Arzneimittel handele und dass die angegriffene Marke als für Arzneimittel im Sinne dieser Klasse benutzt gelte. Insoweit geht insbesondere aus den Urteilen des Oberlandesgerichts München vom 24. Februar 2011 und vom 16. Mai 2013 (Anlagen AG 11 und AG 14) hervor, dass die in Rede stehenden Produkte als Präsentationsarzneimittel im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83 einzustufen seien, weil zum einen auf den Verpackungen der Hinweis „ayurvedic medicine“ und die Indikation der entzündlichen Krankheiten, zu deren Behandlung die Produkte bestimmt seien, aufgeführt gewesen seien und zum anderen der Verbraucher wegen des Erfordernisses einer ärztlichen Verschreibung den Eindruck gehabt habe, dass es sich um ein zur Heilung von menschlichen Krankheiten bestimmtes Mittel und damit um ein Arzneimittel handele.

106    Daraus folgt, dass in Anbetracht der oben in Rn. 99 angesprochenen Bedeutung des Erscheinungsbilds im Hinblick auf die Wahrnehmung der in Rede stehenden Waren durch die maßgeblichen Verkehrskreise die Beschwerdekammer auf der Grundlage der oben in Rn. 105 angeführten Urteile des Oberlandesgerichts München sowie unter Berücksichtigung sowohl des Umstands, dass diese Produkte nur in Apotheken auf Vorlage einer ärztlichen Verschreibung verkauft wurden, als auch der Angaben und Hinweise auf den Verpackungen, aufgrund deren die maßgeblichen Verkehrskreise die Produkte leicht als Arzneimittel wahrnehmen konnten, zu Recht davon ausgehen konnte, dass diese Produkte als Arzneimittel der Klasse 5 der Klassifikation von Nizza einzustufen seien.

107    Das Vorbringen der Klägerin kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen.

108    Das Argument der Klägerin, wonach allein Funktionsarzneimittel mit einer pharmakologischen Wirkung als Arzneimittel der Klasse 5 angesehen werden könnten, ist zurückzuweisen. Wie oben in Rn. 101 ausgeführt worden ist, ist für die von der Richtlinie 2001/83 erfassten Arzneimittel nämlich die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise ausschlaggebend. Hieraus folgt, dass ein Produkt, das aufgrund seiner Präsentation vom Verbraucher als Arzneimittel wahrgenommen werden kann, auch als Arzneimittel der Klasse 5 eingestuft werden kann.

109    Folglich ist auch das übrige Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach die in Rede stehenden Produkte weder im Einfuhrmitgliedstaat (Deutschland) noch im Ursprungsstaat (Indien) über eine Zulassung verfügten. Das Fehlen einer Zulassung, d. h. ein Umstand, von dem der Verbraucher nicht notwendigerweise Kenntnis hat, kann nämlich nicht die Feststellung in Frage stellen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise diese Produkte angesichts der oben in Rn. 106 genannten Gesichtspunkte leicht als Arzneimittel wahrnehmen können.

110    Nach alledem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass der Beschwerdekammer ein Beurteilungsfehler unterlaufen sei, indem sie die von der Streithelferin vorgelegten und in ihrer Gesamtheit betrachteten Beweise berücksichtigt hat, um in Rn. 76 der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss zu gelangen, dass nach der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise die angegriffene Marke für „Arzneimittel“ der Klasse 5 verwendet werde, und um in Rn. 78 der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass die Rechtsverletzung im Rahmen der Prüfung der ernsthaften Benutzung der Marke ohnehin unerheblich sei. Folglich ist die dritte Rüge als unbegründet zurückzuweisen.

111    Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen, ohne dass über den Antrag der Klägerin auf mündliche Verhandlung zu entscheiden ist, die im Übrigen vor dem Gericht stattgefunden hat.

 Kosten

112    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

113    Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

114    Da die Streithelferin nicht beantragt hat, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen, trägt sie ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Hecht Pharma GmbH trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO).

3.      Die Gufic BioSciences Ltd trägt ihre eigenen Kosten.

Spielmann

Brkan

Gâlea

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Januar 2023.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

M. van der Woude


*      Verfahrenssprache: Deutsch.


1      Das vorliegende Urteil wird auszugsweise veröffentlicht.