Language of document : ECLI:EU:T:2022:509

URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)

7. September 2022(*)

„Energie – Elektrizitätsbinnenmarkt – Verordnung (EU) 2019/942 – Entscheidung des Beschwerdeausschusses der ACER – Nichtigkeitsklage – Nicht anfechtbare Handlung – Unzulässigkeit – Zuständigkeit der ACER – Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009 – Art. 6 Abs. 10 der Verordnung 2019/942 – Art. 9 Abs. 12 der Verordnung (EU) 2015/1222 – Anwendbares Recht – Verordnung (EU) 2019/943“

In der Rechtssache T‑631/19,

Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) mit Sitz in Bonn (Deutschland), vertreten durch die Rechtsanwälte H. Haller und N. Gremminger sowie die Rechtsanwältinnen L. Reiser, V. Vacha und C. Dietz-Polte,

Klägerin,

gegen

Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER), vertreten durch P. Martinet und E. Tremmel als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tomljenović, der Richter V. Kreuschitz und F. Schalin, der Richterin P. Škvařilová-Pelzl (Berichterstatterin) und des Richters I. Nõmm,

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

–        der am 21. September 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

–        der am 16. Dezember 2019, am 30. Januar 2020 und am 14. April 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung, Erwiderung und Gegenerwiderung,

–        aufgrund der auf Vorschlag der Zweiten Kammer ergangenen Entscheidung des Gerichts, die Rechtssache gemäß Art. 28 seiner Verfahrensordnung an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen,

–        aufgrund der auf Vorschlag der Berichterstatterin ergangenen Entscheidung des Gerichts (Zweite erweiterte Kammer), den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung schriftliche Fragen zu stellen, die von ihnen fristgerecht beantwortet wurden,

–        aufgrund der Entscheidung des Präsidenten des Gerichts, anstelle eines an der weiteren Mitwirkung am Verfahren gehinderten Mitglieds der Zweiten erweiterten Kammer einen anderen Richter zu bestimmen, durch den der Spruchkörper ergänzt worden ist,

auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2021

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage begehrt die Klägerin, die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA), zum einen die teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung Nr. 02/2019 der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) vom 21. Februar 2019 zu den Vorschlägen der Übertragungsnetzbetreiber der Core-Kapazitätsberechnungsregionen in Bezug auf eine gemeinsame regionale Methode für die Berechnung der Day-Ahead- und der Intraday-Kapazität (im Folgenden: ursprüngliche Entscheidung) und zum anderen die Nichtigerklärung der Entscheidung A-003-2019 des Beschwerdeausschusses der ACER vom 11. Juli 2019, mit der die Beschwerde der Klägerin gegen die ursprüngliche Entscheidung zurückgewiesen wurde (im Folgenden: Entscheidung des Beschwerdeausschusses).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Verordnung (EU) 2015/1222 der Kommission vom 24. Juli 2015 zur Festlegung einer Leitlinie für die Kapazitätsvergabe und das Engpassmanagement (ABl. 2015, L 197, S. 24) enthält eine Reihe von Anforderungen an die Vergabe grenzüberschreitender Kapazität und an das Engpassmanagement auf dem Day-Ahead-Markt und dem Intraday-Markt im Elektrizitätssektor. Zu diesen Anforderungen gehört u. a. die Festlegung einer gemeinsamen Methode für die koordinierte Kapazitätsberechnung (im Folgenden: KBM) in jeder der Kapazitätsberechnungsregionen (im Folgenden: KBR) gemäß den Bestimmungen des Abschnitts 3 („Kapazitätsberechnungsmethoden“) von Titel II Kapitel 1 der Verordnung 2015/1222. Dieser Abschnitt der Verordnung umfasst die Art. 20 bis 26, wobei Art. 20 die Regeln für die „Einführung der lastflussgestützten Kapazitätsberechnungsmethode“ enthält.

3        Nach Art. 9 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 2 der Verordnung 2015/1222 sind die Übertragungsnetzbetreiber (im Folgenden: ÜNB) jeder KBR verpflichtet, einen Vorschlag für eine KBM in ihrer jeweiligen KBR anzunehmen und ihn den betreffenden nationalen Regulierungsbehörden (im Folgenden: NRB) zur Validierung vorzulegen.

4        Gemäß Art. 9 Abs. 10 und 12 der Verordnung 2015/1222 bemühen sich die betreffenden NRB sodann, eine Einigung zu erzielen und über den KBM-Vorschlag der ÜNB oder dessen von den ÜNB auf Ersuchen der NRB geänderte Fassung zu entscheiden. Nach Art. 9 Abs. 11 und 12 der Verordnung 2015/1222 erlässt die ACER, wenn die betreffenden NRB keine Einigung erzielen konnten, nach dem Verfahren des Art. 6 Abs. 10 der Verordnung (EU) 2019/942 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ABl. 2019, L 158, S. 22), vormals Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ABl. 2009, L 211, S. 1), einen Beschluss über den KBM-Vorschlag der ÜNB oder dessen geänderte Fassung.

5        Im vorliegenden Fall haben die ÜNB der KBR Core (bestehend aus Belgien, der Tschechischen Republik, Deutschland, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, Ungarn, der Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowenien und der Slowakei) am 15. September 2017 gemäß Art. 9 Abs. 7 und Art. 20 Abs. 2 der Verordnung 2015/1222 den NRB dieser KBR zwei gemäß dieser Verordnung erstellte Vorschläge zur Genehmigung vorgelegt, die den regionalen Entwurf für eine Day-Ahead-KBM bzw. den regionalen Entwurf für eine Intraday-KBM betrafen.

6        Am 9. März 2018 stellten die NRB der KBR Core gemäß Art. 9 Abs. 12 der Verordnung 2015/1222 je einen Änderungsantrag in Bezug auf die Vorschläge für die Day-Ahead- und die Intraday-KBM.

7        Am 4. Juni 2018 legten die ÜNB gemäß Art. 9 Abs. 12 Satz 1 der Verordnung 2015/1222 den NRB der KBR Core eine geänderte Fassung der beiden Vorschläge für die Day-Ahead- und die Intraday-KBM (im Folgenden zusammen: die beiden geänderten KBM-Vorschläge) vor. Die letzte NRB erhielt diese geänderten Vorschläge am 19. Juni 2018.

8        Mit Schreiben vom 20. Juli und 21. August 2018 unterrichtete der Vorsitz des Regionalforums der Energieregulierungsbehörden der KBR Core (im Folgenden: CERRF) die ACER im Namen aller NRB dieser Region im Wesentlichen davon, dass sie nicht nach Art. 9 Abs. 12 der Verordnung 2015/1222 zu einer einstimmigen Einigung gelangt seien, um die beiden geänderten KBM-Vorschläge zu validieren, um die ACER zu ersuchen, die ihnen für die Entscheidung zur Verfügung stehende Frist von zwei Monaten ab der letzten Vorlage dieser Vorschläge zu verlängern, oder darum, dass die ACER selbst über die beiden geänderten KBM-Vorschläge entscheidet.

9        Am 18. September 2018 übermittelten die NRB der KBR Core der ACER ein „nichtoffizielles Dokument aller [NRB] der [KBR] Core zum Regionalentwurf der ÜNB der [KBR] Core betreffend [die beiden geänderten KBM-Vorschläge]“ (im Folgenden: Non-Paper vom 18. September 2018), um sie im Einklang mit der oben in Rn. 8 erwähnten Mitteilung des Vorsitzes des CERRF darüber zu informieren, über welche Punkte Einigkeit bestand und welche Punkte streitig waren. In diesem Zusammenhang wiesen sie u. a. darauf hin, dass die beiden geänderten KBM-Vorschläge nicht alle Änderungsanträge der NRB berücksichtigten, dass diese Vorschläge weder hinreichend detailliert seien noch in völliger Übereinstimmung mit der Verordnung 2015/1222 stünden und dass es ihnen an klaren, transparenten und harmonisierten Definitionen sowie an definierten und gerechtfertigten Schwellenwerten und Werten fehle. Von den 29 verschiedenen Punkten, die die beiden geänderten KBM-Vorschläge enthielten, seien – was die ACER berücksichtigen möge – 19 von den NRB genehmigt worden, zehn dagegen nicht.

10      Nach Art. 9 Abs. 12 der Verordnung 2015/1222 war die ACER mangels einer Einigung der NRB der KBR Core über die beiden geänderten KBM-Vorschläge verpflichtet, im Verfahren nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 713/2009 einen Beschluss über diese Vorschläge zu erlassen.

11      Im Anschluss an eine öffentliche Konsultation zu den beiden geänderten KBM-Vorschlägen und nach Zusammenarbeit mit allen betroffenen NRB und ÜNB erließ die ACER gemäß Art. 9 Abs. 12 der Verordnung 2015/1222 die ursprüngliche Entscheidung. Mit ihr nahm sie die in ihren Anhängen I und II aufgeführten Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core an.

12      Am 23. April 2019 legte die Klägerin gemäß Art. 19 der Verordnung Nr. 713/2009 beim Beschwerdeausschuss der ACER (im Folgenden: Beschwerdeausschuss) Beschwerde gegen die ursprüngliche Entscheidung ein.

13      Der Beschwerdeausschuss wies die Beschwerde gegen die ursprüngliche Entscheidung als unbegründet zurück.

 Anträge der Parteien

14      Die Klägerin beantragt,

–        die folgenden Bestimmungen der ursprünglichen Entscheidung und die zu ihnen ergangene Entscheidung des Beschwerdeausschusses für nichtig zu erklären:

–        Art. 5 Abs. 5 bis 9 des Anhangs I der ursprünglichen Entscheidung;

–        Art. 10 Abs. 4 zweiter Halbsatz und Art. 10 Abs. 5 des Anhangs I der ursprünglichen Entscheidung;

–        Art. 16 Abs. 2 Satz 2 und Art. 16 Abs. 3 Buchst. d Ziff. vii des Anhangs I der ursprünglichen Entscheidung;

–        Art. 5 Abs. 5 bis 9 des Anhangs II der ursprünglichen Entscheidung;

–        Art. 17 Abs. 3 Buchst. d Ziff. vii des Anhangs II der ursprünglichen Entscheidung;

–        alle Bestimmungen innerhalb der Anhänge I und II der ursprünglichen Entscheidung, die sich ausdrücklich auf die genannten Bestimmungen beziehen;

–        hilfsweise, die gesamte ursprüngliche Entscheidung und die hierzu ergangene Entscheidung des Beschwerdeausschusses für nichtig zu erklären;

–        der ACER die Kosten aufzuerlegen.

15      Die ACER beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

16      Die ACER beantragt, die Klage als teilweise unzulässig abzuweisen, soweit sie sich gegen die ursprüngliche Entscheidung richtet.

17      Sie trägt erstens im Wesentlichen vor, angesichts der Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses für die Prüfung von Entscheidungen wie der von ihr selbst erlassenen ursprünglichen Entscheidung sowie der für gewöhnliche Klageparteien wie die Klägerin geltenden Regel der Erschöpfung des internen Rechtsbehelfsverfahrens könne nur die Entscheidung des Beschwerdeausschusses Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein. Zweitens sei, da die in Art. 263 AEUV vorgesehene Frist von zwei Monaten für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen die ursprüngliche Entscheidung zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage abgelaufen gewesen sei, diese Klage jedenfalls verspätet und somit offensichtlich unzulässig.

18      Die Klägerin tritt dem Vorbringen der ACER entgegen. Sie macht geltend, erstens erfordere das Gebot des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, dass sowohl die Entscheidung des Beschwerdeausschusses als auch die ursprüngliche Entscheidung gerichtlich überprüft werden könnten. Zweitens sei die Frist für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen die ursprüngliche Entscheidung nicht abgelaufen gewesen, da sie vor ihrer Klage vor den Unionsgerichten das interne Rechtsbehelfsverfahren vor dem Beschwerdeausschuss habe ausschöpfen müssen.

19      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Nichtigkeitsanträge der Klägerin sowohl gegen die ursprüngliche Entscheidung als auch gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses richten (siehe oben, Rn. 14).

20      Sodann ist erstens festzustellen, dass die Klägerin in ihrer Eigenschaft als NRB der Bundesrepublik Deutschland eine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist. In Bezug auf Klagen juristischer Personen heißt es aber in Art. 263 Abs. 5 AEUV: „In den Rechtsakten zur Gründung von Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union können besondere Bedingungen und Einzelheiten für die Erhebung von Klagen von natürlichen oder juristischen Personen gegen Handlungen dieser Einrichtungen und sonstigen Stellen vorgesehen werden, die eine Rechtswirkung gegenüber diesen Personen haben.“

21      Zweitens ist nach der ständigen Rechtsprechung zu Verfahrensvorschriften im Allgemeinen davon auszugehen, dass sie ab dem Datum ihres Inkrafttretens Anwendung finden (vgl. Urteil vom 26. März 2015, Kommission/Moravia Gas Storage, C‑596/13 P, EU:C:2015:203, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Im vorliegenden Fall ist hinsichtlich der für den Energiesektor zuständigen Einrichtung der Union die Verordnung 2019/942 heranzuziehen, die die Verordnung Nr. 713/2009 ersetzt hat und gemäß ihrem Art. 47 am 4. Juli 2019 in Kraft trat, d. h. vor Erhebung der vorliegenden Klage am 21. September 2019 und im Zeitraum zwischen dem Erlass der ursprünglichen Entscheidung am 21. Februar 2019 und dem Erlass des Beschlusses des Beschwerdeausschusses am 11. Juli 2019. Diese Verordnung legt u. a. die internen Arbeits- und Verfahrensvorschriften für die ACER fest.

23      Da die Verordnung 2019/942 keine Ausnahme von der oben in Rn. 21 genannten Regel für das Übergangsrecht vorsieht, ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage, auf den bei der Beurteilung ihrer Zulässigkeit abzustellen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2016, Whirlpool Europe/Kommission, T‑118/13, EU:T:2016:365, Rn. 49, und Beschluss vom 21. November 2019, ZW/EIB, T‑727/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:809, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung), die in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahrensvorschriften für sie gelten und für ihre Zulässigkeit maßgebend sind.

24      Drittens ergibt sich hinsichtlich der Voraussetzungen einer vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gegen die ursprüngliche Entscheidung sowie gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses erhobenen Nichtigkeitsklage aus Art. 28 Abs. 1 und Art. 29 der Verordnung 2019/942 in Verbindung mit ihrem 34. Erwägungsgrund, dass natürliche und juristische Personen, die eine an sie gerichtete oder sie individuell und unmittelbar betreffende Entscheidung der ACER anfechten möchten, den Beschwerdeausschuss anrufen können und dass sie, wenn ihnen eine solche Möglichkeit offensteht, vor dem Gericht nur die Entscheidung dieses Ausschusses anfechten können.

25      Schließlich können nach Art. 29 der Verordnung 2019/942 „Klagen auf Aufhebung einer Entscheidung, die von [der] ACER im Einklang mit dieser Verordnung getroffen wurde, … erst dann beim Gerichtshof [der Europäischen Union] eingereicht werden, wenn das Beschwerdeverfahren gemäß [ihrem] Artikel 28 erschöpft ist“.

26      Art. 28 Abs. 1 und Art. 29 der Verordnung 2019/942 regeln im Licht ihres 34. Erwägungsgrundes die besonderen Bedingungen und Einzelheiten für die Erhebung von Nichtigkeitsklagen im Sinne von Art. 263 Abs. 5 AEUV, die der Unionsgesetzgeber im Rechtsakt zur Gründung der ACER – der Verordnung 2019/942 – angenommen hat. Es entspricht mithin dem Wesen der Erschöpfung des internen Rechtsbehelfsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung 2019/942, auf die ihr Art. 29 ausdrücklich Bezug nimmt, dass der Unionsrichter nur tätig wird, um gegebenenfalls das endgültige Ergebnis des internen Rechtsbehelfsverfahrens zu prüfen, d. h., um die nach dessen Erschöpfung erlassene Entscheidung zu untersuchen, also die Entscheidung des Beschwerdeausschusses (vgl. entsprechend Urteil vom 28. Januar 2016, Heli-Flight/EASA, C‑61/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:59, Rn. 81 und 82).

27      Somit kann die Klage auf Nichtigerklärung einer von der ACER getroffenen Entscheidung im Fall einer gegen sie eingelegten Beschwerde nur insoweit als zulässig angesehen werden, als sie sich gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses richtet, mit der die Beschwerde zurückgewiesen (vgl. entsprechend Urteil vom 28. Januar 2016, Heli-Flight/EASA, C‑61/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:59, Rn. 84) oder gegebenenfalls die ursprüngliche Entscheidung bestätigt wurde. Dies hat zur Folge, dass die Klagegründe und Argumente der vorliegenden Klage, die auf Fehler der ursprünglichen Entscheidung gestützt sind und nicht dahin ausgelegt werden können, dass sie sich auch gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses richten, als ins Leere gehend zurückzuweisen sind, da der Unionsrichter nur über die Rechtmäßigkeit der letztgenannten Entscheidung befindet (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 11. Dezember 2014, Heli-Flight/EASA, T‑102/13, EU:T:2014:1064, Rn. 32).

28      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in Rn. 84 der Klageschrift angegeben, ihre Klage richte sich gegen die ursprüngliche Entscheidung in der Form, die sie durch die Entscheidung des Beschwerdeausschusses erhalten habe. Soweit die letztgenannte Entscheidung auf den in der ursprünglichen Entscheidung angeführten Gründen beruht oder ihre Begründung implizit oder explizit bestätigt, ist somit davon auszugehen, dass alle Klagegründe und Argumente, die sich gegen diese Begründung richten, für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Beschwerdeausschusses und damit für die Stützung des sie betreffenden Antrags auf Nichtigerklärung, der allein zulässig ist, in vollem Umfang relevant sind. Dagegen ist der gegen die ursprüngliche Entscheidung gerichtete Antrag auf Nichtigerklärung als unzulässig zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

29      Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf sechs Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 7 und 12 der Verordnung 2015/1222, da die ACER die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschritten habe. Mit dem zweiten Klagegrund wird im Wesentlichen ein Rechtsfehler bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts gerügt, da der Beschwerdeausschuss die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Entscheidung anhand der Art. 14 bis 16 der Verordnung (EU) 2019/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 2019, L 158, S. 54) hätte prüfen müssen. Mit dem dritten Klagegrund werden mehrere Verstöße gegen die Verordnung 2019/943 geltend gemacht. Der vierte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen die Verordnung 2015/1222. Mit dem fünften Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht. Der sechste Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 9 Abs. 7 und 12 der Verordnung 2015/1222, da die ACER die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschritten habe

30      Die Klägerin macht geltend, die ACER habe mit dem Erlass der ursprünglichen Entscheidung die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschritten. Erstens handele es sich nach Art. 9 Abs. 7 und 12 der Verordnung 2015/1222 bei der Zuständigkeit der ACER um eine nachgelagerte und subsidiäre Zuständigkeit, weil sie nur in dem Maß zuständig geworden sei, in dem die NRB keine Einigung hinsichtlich einer Entscheidung über die beiden geänderten KBM-Vorschläge erzielt hätten. Andere Sprachfassungen von Art. 9 Abs. 12 der Verordnung 2015/1222, wie z. B. die englische, seien offener formuliert als die deutsche Fassung, auf die die ACER Bezug nehme. Zweitens bestehe der Zweck der Regelung darin, eine einheitliche KBM zu erreichen, was nicht bedeute, dass sich die ACER über Teileinigungen und Vorgaben der NRB hinwegsetzen könne. Somit müsse die ACER eine etwaige Teileinigung der NRB berücksichtigen und dürfe nur über die zwischen ihnen noch streitigen Punkte entscheiden. Drittens hätten die NRB der ACER im Schreiben vom 20. Juli 2018 förmlich mitgeteilt, dass sie nicht zu einer vollständigen Einigung über bestimmte Schlüsselelemente der beiden geänderten KBM-Vorschläge gelangt seien und ihr später nähere Angaben zu den von ihnen geführten Gesprächen über diese Schlüsselelemente und bestimmte andere Fragen machen würden, was sie dann im Non-Paper vom 18. September 2018 getan hätten. Folglich habe die ACER, als sie dieses Schreiben erhalten habe, bereits alle Positionen der NRB gekannt, und nur die zehn von den NRB im Non-Paper vom 18. September 2018 konkret beschriebenen Punkte seien ihr zur Entscheidung vorgelegt worden. Die ACER habe daher in der ursprünglichen Entscheidung zu Unrecht auch Punkte geregelt, die ihr, wie aus dem Non-Paper vom 18. September 2018 hervorgehe, nicht zur Entscheidung vorgelegt worden seien. Viertens missachte die ursprüngliche Entscheidung den Subsidiaritätsgrundsatz, wonach im Allgemeinen alle Einrichtungen der Union die ihnen eingeräumten Zuständigkeiten zurückhaltend ausüben müssten; insbesondere dürfe die ACER Teileinigungen und Vorgaben der NRB nicht übergehen.

31      Die ACER tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beantragt, den ersten Klagegrund zurückzuweisen. Der Beschwerdeausschuss habe in seiner Entscheidung zu Recht festgestellt, dass sie für den Erlass der ursprünglichen Entscheidung zuständig gewesen sei und dabei im Rahmen ihrer Zuständigkeit gehandelt habe.

32      Im vorliegenden Fall ist, anknüpfend an die oben in Rn. 28 angestellten Erwägungen zur Zulässigkeit der Klage und zur Zweckmäßigkeit der zu ihrer Stützung vorgebrachten Klagegründe, zu prüfen, ob der Beschwerdeausschuss einen Rechtsfehler begangen hat, weil er es in seiner Entscheidung abgelehnt hat, gemäß dem Vorbringen der Klägerin zur Stützung ihrer Beschwerde festzustellen, dass die ACER beim Erlass der ursprünglichen Entscheidung die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschritten hat.

33      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung zu den Vorschriften über die Zuständigkeit der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, dass die Bestimmung, die die Rechtsgrundlage für einen Rechtsakt bildet und das Unionsorgan zum Erlass des betreffenden Rechtsakts ermächtigt, zum Zeitpunkt seines Erlasses in Kraft sein muss (vgl. Urteile vom 26. März 2015, Kommission/Moravia Gas Storage, C‑596/13 P, EU:C:2015:203, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 3. Februar 2011, Cantiere navale De Poli/Kommission, T‑584/08, EU:T:2011:26, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Als die Entscheidung des Beschwerdeausschusses – die der einzige Rechtsakt ist, dessen Rechtmäßigkeit die Klägerin im Rahmen der vorliegenden Klage anfechten kann (siehe oben, Rn. 28) – am 11. Juli 2019 erlassen wurde, war die Verordnung 2019/942 bereits in Kraft und anwendbar und hatte die zuvor geltende Verordnung Nr. 713/2009 ersetzt (siehe oben, Rn. 22). Auch die Verordnung 2015/1222 war gemäß ihrem Art. 84 in Kraft und anwendbar, und zwar seit dem 14. August 2015, dem 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union am 25. Juli 2015. Nach Art. 6 Abs. 10 der Verordnung 2019/942, vormals Art. 8 der Verordnung Nr. 713/2009, und Art. 9 Abs. 12 der Verordnung 2015/1222 war die ACER befugt, innerhalb von sechs Monaten einen Beschluss zu fassen oder Einzelfallentscheidungen zu Regulierungsfragen oder ‑problemen zu treffen, die sich auf den grenzüberschreitenden Handel oder die grenzüberschreitende Systemsicherheit auswirken und – wie die Annahme der Day-Ahead- oder Intraday-KBM jeder KBR – in die Zuständigkeit der NRB fallen, falls die zuständigen NRB innerhalb der ihnen hierfür eingeräumten Frist keine Einigung erzielen konnten oder auf gemeinsamen Antrag der zuständigen NRB. Als die Entscheidung des Beschwerdeausschusses erlassen wurde, konnten nur diese Bestimmungen eine Rechtsgrundlage für sie bieten.

35      Somit bedarf es im Rahmen der Prüfung des vorliegenden Klagegrundes einer Auslegung von Art. 6 Abs. 10 der Verordnung 2019/942, vormals Art. 8 der Verordnung Nr. 713/2009, und Art. 9 Abs. 12 der Verordnung 2015/1222, um zu klären, ob sich aus ihnen eine Zuständigkeit der ACER für die endgültige Annahme der in den Anhängen I und II der Entscheidung des Beschwerdeausschusses enthaltenen Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core ergab.

36      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung von Unionsvorschriften nicht nur deren Wortlaut zu berücksichtigen ist, sondern auch ihr Kontext und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgt werden (vgl. Urteile vom 11. Juli 2018, COBRA, C‑192/17, EU:C:2018:554, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 28. Januar 2020, Kommission/Italien [Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug], C‑122/18, EU:C:2020:41, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Im vorliegenden Fall sind die ÜNB der KBR Core ihrer Pflicht aus Art. 9 Abs. 1 und Abs. 7 Buchst. a sowie aus Art. 20 Abs. 2 der Verordnung 2015/1222 nachgekommen, allen NRB dieser KBR Vorschläge für Day-Ahead- und Intraday-KBM für diese KBR zur Genehmigung vorzulegen. Nach Art. 9 Abs. 10 der Verordnung 2015/1222 entscheiden die NRB über die Vorschläge innerhalb von sechs Monaten nach ihrem Eingang bei der letzten betroffenen NRB. Da die NRB jedoch Änderungen der Vorschläge der betreffenden KBM verlangten, woraufhin die ÜNB ihnen zwei geänderte Vorschläge für Day-Ahead- und Intraday-KBM vorlegten, verfügten sie nach Art. 9 Abs. 12 der Verordnung über eine zusätzliche Entscheidungsfrist von zwei Monaten nach der Vorlage der geänderten Vorschläge. Es ist jedoch unstreitig, dass die NRB der KBR Core nicht in der Lage waren, innerhalb der ihnen somit gesetzten Frist zu einer Einigung über die geänderten Vorschläge zu gelangen; hiervon wurde die ACER durch Schreiben des Vorsitzes des CERRF vom 20. Juli und 21. August 2018 unterrichtet.

38      Somit beruhte, wie die ACER zu Recht geltend macht, ihre Zuständigkeit für den Erlass eines Beschlusses oder einer endgültigen Entscheidung über die beiden geänderten Vorschläge für Day-Ahead- und Intraday-KBM im vorliegenden Fall auf dem in Art. 6 Abs. 10 der Verordnung 2019/942 und in Art. 9 Abs. 12 der Verordnung 2015/1222 genannten Umstand, dass die NRB der KBR Core innerhalb der ihnen gesetzten Frist von zwei Monaten keine Einigung zu diesen Vorschlägen erzielt hatten.

39      Erstens geht jedoch aus dem Wortlaut von Art. 6 der Verordnung 2019/942, vormals Art. 8 der Verordnung Nr. 713/2009, und von Art. 9 der Verordnung 2015/1222 nicht hervor, dass die ACER im Rahmen der Ausübung einer solchen Zuständigkeit über die ihr nach Art. 6 Abs. 11 der Verordnung 2019/942 obliegende Pflicht, bei der Vorbereitung ihrer Entscheidung die NRB und die betroffenen ÜNB zu konsultieren, hinaus an die von ihnen übermittelten Stellungnahmen gebunden gewesen wäre. Insbesondere geht aus diesen Bestimmungen nicht hervor, dass die Zuständigkeit der ACER auf die Punkte beschränkt wäre, über die die NRB keine Einigung erzielen konnten. Vielmehr werden in Art. 6 Abs. 10 der Verordnung 2019/942, vormals Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 713/2009, und in Art. 9 Abs. 12 der Verordnung 2015/1222 die „Regulierungsfragen“ oder die „Angelegenheit“, die ursprünglich in die Zuständigkeit der NRB fielen, bevor mangels einer Einigung zwischen ihnen die ACER dafür zuständig wurde, als untrennbares Ganzes, mit dem die NRB und dann die ACER insgesamt befasst sind, aufgefasst, ohne eine solche Unterscheidung zu treffen. Angesichts ihres Wortlauts sind Art. 6 der Verordnung 2019/942, vormals Art. 8 der Verordnung Nr. 713/2009, und Art. 9 der Verordnung 2015/1222 daher dahin auszulegen, dass die ACER, wenn die zuständigen NRB innerhalb der ihnen eingeräumten Frist keine Einigung über alle Aspekte der ihnen vorgelegten Regulierungsangelegenheit erzielen können, die ACER befugt ist, selbst darüber zu entscheiden, ohne dass ihre Zuständigkeit allein auf die Fragen oder Einzelaspekte beschränkt wäre, bei denen es unter den NRB zu einer Meinungsverschiedenheit gekommen ist.

40      Diese Schlussfolgerung kann nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt werden, wonach die englische Fassung von Art. 9 Abs. 12 der Verordnung 2015/1222, in der es heiße, dass die ACER über die Vorschläge der ÜNB entscheiden dürfe, „[w]here the competent regulatory authorities have not been able to reach an agreement“ (soweit es den zuständigen Regulierungsbehörden nicht gelungen ist, eine Einigung zu erzielen), für eine Beschränkung der Zuständigkeit der ACER auf die Punkte der in Rede stehenden Regelung, zu denen die NRB keine Einigung hätten erzielen können, sprechen könnte.

41      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den anderen Sprachfassungen beanspruchen kann. Die Bestimmungen des Unionsrechts müssen nämlich im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden (vgl. Urteil vom 6. Juni 2018, Tarragó da Silveira, C‑250/17, EU:C:2018:398, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Weichen die verschiedenen Sprachfassungen einer Bestimmung voneinander ab, muss diese anhand des Zusammenhangs und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2016, Ambisig, C‑46/15, EU:C:2016:530, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Im vorliegenden Fall unterscheidet sich der Wortlaut der Regel, die in der oben in Rn. 40 angeführten englischen Fassung formuliert wird, nicht wesentlich von demjenigen, der sich aus anderen Sprachfassungen wie der tschechischen, der deutschen oder der französischen Fassung ergibt; demnach ist die ACER für die Entscheidung zuständig, „[p]okud příslušné regulační orgány nedokážou … dosáhnout dohody“, „[f]alls es den Regulierungsbehörden nicht gelingt, … eine Einigung … zu erzielen“ bzw. „[l]orsque les autorités de régulation compétentes ne sont pas parvenues à un accord“. Die Formulierung dieser anderen Sprachfassungen bestätigt, dass die Bestimmung in dem oben in Rn. 39 angegebenen Sinne auszulegen ist.

43      Zweitens wird die Auslegung des Wortlauts von Art. 6 Abs. 10 der Verordnung 2019/942, vormals Art. 8 der Verordnung Nr. 713/2009, und von Art. 9 Abs. 12 der Verordnung 2015/1222 durch den Kontext und die Ziele bestätigt, die mit der Regelung, zu der diese Bestimmungen gehören, nach ihrer Entstehungsgeschichte verfolgt werden.

44      Insoweit geht aus der Begründung des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (KOM/2007/0530 endg.), auf den die Verordnung Nr. 713/2009 zurückgeht, hervor, dass die in ihm enthaltenen Bestimmungen u. a. auf der Feststellung beruhten, dass sich „[d]er Energiebinnenmarkt … zwar beträchtlich weiterentwickelt [hat], doch … nach wie vor eine Regulierungslücke bei grenzüberschreitenden Fragen [besteht]“, dass der „Ansatz, bei dem es in der Praxis der Zustimmung von 27 Regulierungsbehörden und von über 30 Übertragungs-/Fernleitungsnetzbetreibern bedarf, um zu einer Einigung zu gelangen, … nicht die gewünschten Ergebnisse [erbringt]“ und dass „es nicht gelungen [ist], wirkliche Entscheidungen in schwierigen Fragen herbeizuführen, die jetzt aber getroffen werden müssen“. Deshalb wurde beschlossen, die Agentur zu gründen, die „die von den Regulierungsbehörden auf nationaler Ebene wahrgenommenen Funktionen auf europäischer Ebene ergänzen [würde]“, u. a. durch die „Befugnis für Einzelfallentscheidungen“. Diese Befugnis sollte der ACER „[i]n Bezug auf die Regelung spezifischer grenzüberschreitender Angelegenheiten“ übertragen werden, und sie sollte u. a. „die Entscheidungsbefugnis für das Regulierungssystem [erhalten], das für Infrastrukturen mit Ausdehnung über ein Gebiet von mehr als einem Mitgliedstaat gelten soll“, wie es schließlich Art. 8 der Verordnung Nr. 713/2009 vorsah.

45      Außerdem ergibt sich aus der Begründung des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gründung einer Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (COM/2016/863 final), auf den die Verordnung 2019/942 zurückgeht, dass die in ihm enthaltenen Bestimmungen u. a. die „Anpassung der Regulierungsaufsicht an regionale Märkte“ ermöglichen sollten. Insbesondere erschien es angesichts der neuen Gegebenheiten auf diesen Märkten nicht mehr angemessen, dass „[a]lle wichtigen regulatorischen Entscheidungen … von den nationalen Regulierungsbehörden getroffen [werden], selbst dann, wenn eine gemeinsame regionale Lösung nötig wäre“, und dass „[d]ie Regulierungsaufsicht … noch immer uneinheitlich ist, wodurch die Gefahr besteht, dass unterschiedliche Entscheidungen getroffen werden und unnötige Verzögerungen entstehen“. Aus diesen Gründen könnten „[w]eitergehende Befugnisse der ACER in solchen grenzübergreifenden Fragen, die koordinierte regionale Entscheidungen erfordern, … zu einer rascheren und wirksameren Entscheidungsfindung beitragen“, wobei „die nationalen Regulierungsbehörden, die im Rahmen der ACER über diese Fragen per Mehrheitsbeschluss befinden, weiterhin an dem Prozess voll beteiligt [wären]“. Die Übertragung „begrenzter zusätzlicher Kompetenzen“ auf die ACER wurde als mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar angesehen, da sie nur „in den Bereichen [erfolgte], in denen uneinheitliche nationale Entscheidungen über Fragen von grenzübergreifender Bedeutung zu Problemen oder Unstimmigkeiten im Binnenmarkt führen würden“. Außerdem wurde sie als mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar angesehen, da der ACER „zusätzliche Aufgaben übertragen [werden], insbesondere im Hinblick auf den regionalen Betrieb des Energiesystems, ohne dass dabei die zentrale Rolle der [NRB] im Bereich der Energieregulierung in Frage gestellt wird“. In diesem Rahmen werden der ACER in Kapitel I des Verordnungsvorschlags „eine Reihe neuer Aufgaben übertragen, die … die Aufsicht über die nominierten Strommarktbetreiber und die Genehmigung von Methoden und Vorschlägen zur Angemessenheit der Stromerzeugung und zur Risikovorsorge betreffen“. Diese neuen Aufgaben der ACER wurden u. a. in Art. 6 Abs. 10 der Verordnung 2019/942 formalisiert.

46      Aus der Begründung dieser Verordnungsvorschläge ergibt sich der klare Wille des Unionsgesetzgebers, dafür zu sorgen, dass Entscheidungen über grenzüberschreitende Fragen, die schwierig, aber unerlässlich sind, effizienter und schneller ergehen, und zwar durch eine Stärkung der individuellen Entscheidungsbefugnisse der ACER, die mit dem Fortbestand der zentralen Rolle der NRB im Bereich der Energieregulierung vereinbar ist.

47      Dies entspricht auch einigen der mit den Verordnungen Nr. 713/2009 und 2019/942 verfolgten Ziele. Wie im zehnten Erwägungsgrund der Verordnung 2019/942, vormals fünfter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 713/2009, ausgeführt wird, sollen die Mitgliedstaaten nämlich zum Erreichen der Ziele der Energiepolitik der Union eng zusammenarbeiten und die Hemmnisse für den grenzüberschreitenden Austausch von Elektrizität und Erdgas aus dem Weg räumen; eine unabhängige zentrale Stelle – die ACER – wurde eingerichtet, um die Regulierungslücke auf Unionsebene zu füllen und zu einem wirksamen Funktionieren des Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarkts beizutragen. So soll die ACER nach dem elften Erwägungsgrund der Verordnung 2019/942, vormals sechster Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 713/2009, gewährleisten, dass die Regulierungsaufgaben, die von den NRB wahrgenommen werden, gut koordiniert und – soweit erforderlich – auf Unionsebene ergänzt werden. Sie verfügt somit, wie in den Erwägungsgründen 33 und 34 der Verordnung 2019/942, vormals Erwägungsgründe 18 und 19 der Verordnung Nr. 713/2009, erläutert wird, über eigene Entscheidungsbefugnisse, um ihre Regulierungsaufgaben effizient, transparent, auf tragfähige Gründe gestützt und vor allem unabhängig gegenüber den Elektrizitäts- und Gaserzeugern, den ÜNB und den Verbrauchern zu erfüllen. Sie muss bei der Ausübung dieser Befugnisse gewährleisten, dass ihre Entscheidungen im Einklang mit dem Unionsrecht auf den Gebieten der Energie stehen, unter der Kontrolle des Beschwerdeausschusses, der als Teil der ACER innerhalb dieser unabhängig ist, und des Gerichtshofs der Europäischen Union.

48      Daraus folgt, dass die ACER insbesondere mit eigenen Regelungs- und Entscheidungsbefugnissen ausgestattet ist, die sie in völliger Unabhängigkeit und in eigener Verantwortung ausübt, um die NRB ersetzen zu können, wenn deren freiwillige Zusammenarbeit es ihnen nicht ermöglicht, Einzelentscheidungen zu Fragen oder besonderen Problemen zu treffen, die in ihre Regelungszuständigkeit fallen. In den Erwägungsgründen 11 und 45 der Verordnung 2019/942, vormals Erwägungsgründe 6 und 29 der Verordnung Nr. 713/2009, heißt es dazu, dass die ACER somit nur zuständig wird, um in völliger Unabhängigkeit und unter eigener Verantwortung im Einklang mit den in Art. 5 EUV verankerten Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit über Regulierungsfragen oder Probleme zu entscheiden, die für das wirksame Funktionieren der Binnenmärkte für Elektrizität und Erdgas von Bedeutung sind, wenn und soweit die von der Union verfolgten Ziele durch die Zusammenarbeit der betroffenen Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, weil zwischen ihren NRB keine umfassende Einigung über Regulierungsfragen oder Probleme erzielt wurde, die ursprünglich in ihre Zuständigkeit fielen.

49      Nach der Systematik, die Art. 6 der Verordnung 2019/942, vormals Art. 8 der Verordnung Nr. 713/2009, und Art. 9 der Verordnung 2015/1222 zugrunde liegt, geht somit, wenn es den NRB auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht gelungen ist, zu Regulierungsfragen oder Problemen, die in ihre Zuständigkeit fallen und für das effiziente Funktionieren der Elektrizitätsbinnenmärkte von Bedeutung sind, wie beispielsweise die Erarbeitung der in Art. 9 Abs. 1 und Abs. 7 Buchst. a sowie in Art. 20 Abs. 2 der Verordnung 2015/1222 vorgesehenen regionalen KBM, innerhalb der ihnen dafür zur Verfügung stehenden Frist eine Einzelentscheidung zu erlassen, die Zuständigkeit für den Erlass dieser Entscheidung auf die ACER über, ohne dass vorgesehen ist, dass die NRB auf nationaler Ebene einen Teil dieser Zuständigkeit behalten, beispielsweise in Bezug auf einige Regulierungsfragen oder einige Aspekte des fraglichen Problems, bei denen sie eine Einigung erzielt haben.

50      Da die ACER ihre Zuständigkeit in völliger Unabhängigkeit und in eigener Verantwortung ausübt, weist der Beschwerdeausschuss im Übrigen in Rn. 157 seiner Entscheidung zu Recht darauf hin, dass sie nicht an den Standpunkt der zuständigen NRB zu bestimmten Regulierungsfragen oder bestimmten Aspekten der Probleme, bei denen eine Einigung erzielt wurde, gebunden sein kann, insbesondere wenn sie der Auffassung ist, dass dieser Standpunkt nicht mit dem Unionsrecht auf dem Gebiet der Energie vereinbar ist. Zudem wendet sich die Klägerin im Rahmen der vorliegenden Klage auch nicht gegen diese Beurteilung des Beschwerdeausschusses.

51      Ferner sind, da der ACER eigene Entscheidungsbefugnisse eingeräumt wurden, damit sie ihre Regulierungsfunktionen wirksam erfüllen kann, Art. 6 der Verordnung 2019/942, vormals Art. 8 der Verordnung Nr. 713/2009, und Art. 9 der Verordnung 2015/1222 dahin zu verstehen, dass sie die ACER ermächtigen, die Vorschläge der ÜNB vor ihrer Genehmigung zu ändern, um ihre Vereinbarkeit mit dem Energierecht der Union sicherzustellen. Diese Befugnis ist unerlässlich, damit die ACER ihre regulatorischen Funktionen wirksam erfüllen kann, denn wie der Beschwerdeausschuss in Rn. 150 seiner Entscheidung zu Recht hervorgehoben hat, sieht keine Bestimmung der Verordnung 2019/942, vormals Verordnung Nr. 713/2009, oder der Verordnung 2015/1222 vor, dass die ACER von den ÜNB verlangen kann, ihren Vorschlag vor der Genehmigung zu ändern, wie es nach Art. 9 Abs. 12 Sätze 1 und 2 der Verordnung 2015/1222 die NRB tun können. Die letztgenannten Bestimmungen finden nämlich nur im Rahmen des Verfahrens zur Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen NRB im Sinne von Art. 9 Abs. 10 der Verordnung 2015/1222 Anwendung, um eine Einigung zwischen ihnen zu erleichtern, nicht aber im Zusammenhang mit der eigenen Entscheidungsbefugnis, die nach Art. 9 Abs. 12 Satz 3 dieser Verordnung der ACER zukommt, wenn es an einer solchen Einigung fehlt.

52      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass in der Verordnung 2019/942, vormals Verordnung Nr. 713/2009, die der ACER übertragenen eigenen Entscheidungsbefugnisse mit dem Fortbestand der zentralen Rolle der NRB bei der Energieregulierung in Einklang gebracht wurden, da gemäß Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung 2019/942, vormals Art. 17 Abs. 3 der Verordnung Nr. 713/2009, die ACER in der Person ihres Direktors ihre Entscheidungen erst nach einer befürwortenden Stellungnahme des Regulierungsrats erlässt, in dem neben der Europäischen Kommission alle NRB vertreten sind, wobei jedes Mitglied des Regulierungsrats eine Stimme hat und er gemäß Art. 21 und Art. 22 Abs. 1 der Verordnung 2019/942, vormals Art. 14 der Verordnung Nr. 713/2009, mit Zweidrittelmehrheit beschließt.

53      Die Zielsetzung von Art. 6 der Verordnung 2019/942, vormals Art. 8 der Verordnung Nr. 713/2009, und von Art. 9 der Verordnung 2015/1222 sowie der Kontext, in den sich diese Bestimmungen einfügen, bestätigen somit, dass die ACER, wenn die zuständigen NRB innerhalb der ihnen hierfür gesetzten Frist keine Einigung über alle Aspekte des ihnen vorgelegten Regelungsproblems erzielt haben, befugt ist, selbst über dieses Problem zu entscheiden, unbeschadet der zentralen Rolle, die den NRB mittels der befürwortenden Stellungnahme des Regulierungsrats weiterhin zukommt, und ohne dass die Zuständigkeit der ACER auf die konkreten Aspekte begrenzt wäre, bei denen es unter den NRB zu einer Meinungsverschiedenheit gekommen ist.

54      Drittens kann diese Auslegung von Art. 6 der Verordnung 2019/942, vormals Art. 8 der Verordnung Nr. 713/2009, und von Art. 9 der Verordnung 2015/1222 nicht aufgrund besonderer Umstände des vorliegenden Falles in Frage gestellt werden.

55      Als erster Punkt geht aus Art. 9 Abs. 1 und Abs. 7 Buchst. a sowie aus Art. 20 Abs. 2 der Verordnung 2015/1222 hervor, dass jede der regionalen KBM als untrennbares Regelwerk konzipiert ist, das einer einheitlichen Genehmigung durch die zuständigen Regulierungsbehörden bedarf. Der Beschwerdeausschuss hat daher in Rn. 156 seiner Entscheidung zu Recht darauf hingewiesen, dass „es angesichts der potenziellen Interaktionen und der Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen [relevanten] Aspekten unmöglich sein könnte, über einen bestimmten Aspekt dieser KBM (über den [unter den NRB] Meinungsverschiedenheiten bestehen) zu entscheiden, ohne einen anderen Aspekt dieser KBM (über den [unter den NRB] Einigkeit besteht) zu ändern“. Im Übrigen hat die Klägerin im Rahmen der vorliegenden Klage diese Beurteilung des Beschwerdeausschusses nicht einmal gerügt, geschweige denn dargetan, dass im vorliegenden Fall die regulatorischen Fragen oder die Aspekte der Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core, auf die sich die NRB dieser KBR geeinigt hatten, ausweislich des Non-Papers vom 18. September 2018 von den übrigen Fragen oder anderen in diesen KBM behandelten Aspekten trennbar gewesen wären.

56      Als zweiter Punkt ist, soweit die Klägerin dabei auf den Inhalt des Non-Papers vom 18. September 2018 Bezug nimmt, darauf hinzuweisen, dass es sich bei ihm um ein von den NRB erstelltes Dokument handelt, das für die ACER rechtlich nicht bindend ist und weder die Ermittlung der Tragweite von Art. 6 der Verordnung 2019/942, vormals Art. 8 der Verordnung Nr. 713/2009, oder von Art. 9 der Verordnung 2015/1222 noch die Ermittlung der Befugnisse oder Pflichten der ACER, die sich daraus ergeben, beeinflussen kann. Das Vorbringen der Klägerin, das Non-Paper vom 18. September 2018 habe konkret zwischen den regulatorischen Fragen oder den Aspekten der Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core, auf die sich die NRB dieser KBR geeinigt hätten, und denjenigen unterschieden, über die sie innerhalb der gesetzten Frist keine Einigung erzielt hätten und die als solche in die Zuständigkeit der ACER gefallen seien, wird jedenfalls durch den Inhalt dieses Dokuments nicht gestützt.

57      Im Non-Paper vom 18. September 2018 stellten die NRB der KBR Core nämlich rein informell fest, dass die Vorschläge der ÜNB für die Day-Ahead- und Intraday-KBM dieser KBR nicht alle Anforderungen der Verordnung 2015/1222 erfüllten, dass sie „gar nicht umsetzbar“ und daher nicht genehmigungsfähig seien. Außerdem wiesen sie darauf hin, dass diese Vorschläge weder auf klaren, transparenten und einheitlichen Definitionen noch auf genau festgelegten und gerechtfertigten Schwellenwerten oder Werten beruhten. Diese Bemerkungen belegen, dass das Unterbleiben der Genehmigung der von den ÜNB vorgelegten Vorschlägen für die Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core durch die zuständigen NRB im vorliegenden Fall weniger auf Meinungsverschiedenheiten unter den NRB bei bestimmten Fragen oder bestimmten präzisen und konkreten Aspekten dieser KBM zurückzuführen war als darauf, dass ein ernsthaftes allgemeines Problem der Vereinbarkeit der ihnen von den ÜNB unterbreiteten Vorschläge mit der Verordnung 2015/1222 festgestellt wurde.

58      Im Übrigen geht aus dem Non-Paper vom 18. September 2018 jedenfalls hervor, dass die NRB der KBR Core darin weniger das Bestehen von Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen über bestimmte regulatorische Fragen oder über bestimmte präzise und konkrete Aspekte der Day-Ahead- und Intraday-KBM dieser KBR feststellten als die Unmöglichkeit, eine umfassende Einigung über solche Fragen oder Aspekte zu erzielen. Einige Fragen wurden in diesem Dokument nämlich sowohl unter den Punkten aufgeführt, über die Einigkeit bestand, als auch unter denen, über die es eine Meinungsverschiedenheit gab. Dies war insbesondere der Fall bei der Methode zur Auswahl der kritischen Elemente des Netzes und der Unwägbarkeiten, die bei der Kapazitätsberechnung verwendet werden, bei der Einbeziehung langfristig zugewiesener Kapazitäten oder bei der Methode für die Validierung der Kapazität. Selbst wenn bestimmte regulatorische Fragen oder bestimmte präzise und konkrete Aspekte der Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core von den anderen abtrennbar gewesen wären, änderte dies somit nichts daran, dass es sich im vorliegenden Fall bei den Punkten, über die zwischen den NRB der Core-Region in Bezug auf die Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core Einigkeit oder Uneinigkeit bestand, nicht um klar umschriebene regulatorische Fragen oder Aspekte dieser KBM handelte.

59      Schließlich geht aus dem Inhalt des Non-Papers vom 18. September 2018 hervor, dass die NRB der KBR Core von der ACER erwarteten, sie werde in Ausübung ihrer Zuständigkeit überwachen und sicherstellen, dass die Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core die erforderlichen Regeln zur Vermeidung unzulässiger Diskriminierung zwischen internen und gebotszonenübergreifenden Austauschen einhielten, wie es Art. 21 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii der Verordnung 2015/1222 verlangte – eine Regulierungsfrage, über die sie keine vollständige Einigung erzielen konnten. Die Verfolgung eines solchen Ziels konnte aber implizieren, dass die Kapazitätsberechnungsregeln überprüft und gegebenenfalls geändert werden mussten, um ihre Vereinbarkeit mit den speziell zur Vermeidung unzulässiger Diskriminierung zwischen internen und gebotszonenübergreifenden Austauschen dienenden Regeln sicherzustellen. Im Übrigen ergibt sich aus den Akten, dass dies hier der Fall war, da die von der Klägerin beanstandeten Bestimmungen der Anhänge I und II der ursprünglichen Entscheidung erlassen wurden, um die Beachtung des Diskriminierungsverbots bei den internen und gebotszonenübergreifenden Austauschen sicherzustellen. Dies zeigt erneut, dass es sich bei den Punkten, über die zwischen den NRB der Core-Region in Bezug auf die Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core Einigkeit oder Uneinigkeit bestand, nicht notwendigerweise um klar umschriebene regulatorische Fragen oder Aspekte dieser KBM handelte.

60      Als dritter und letzter Punkt ist in Bezug auf die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Subsidiarität festzustellen, dass die Klägerin zur Stützung dieser Rüge kein substantiiertes Argument vorbringt, das einen solchen Verstoß belegen könnte. Im vorliegenden Fall wurden die ursprüngliche Entscheidung und die Entscheidung des Beschwerdeausschusses nach den in der Verordnung Nr. 713/2009 und der Verordnung 2015/1222 vorgesehenen Verfahren erlassen, die im Einklang mit den in Art. 5 EUV angesprochenen Grundsätzen der begrenzten Einzelermächtigung, der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (vgl. nunmehr auch den 29. Erwägungsgrund der Verordnung 2019/942) vorsehen, dass die ACER für den Erlass von Einzelfallentscheidungen über ursprünglich in die Zuständigkeit der NRB fallende Regulierungsfragen oder ‑probleme nur unter genau festgelegten Umständen und zu Fragen zuständig wird, die sich streng auf die Zwecke, für die sie geschaffen wurde, beziehen (siehe oben, Rn. 37 und 48). Diese Verfahren stellen insbesondere sicher, dass die ACER im Verhältnis zu den NRB nur subsidiär tätig wird, wenn diese keine Einigung über Regulierungsfragen oder Probleme erzielt haben, die für das effiziente Funktionieren der Elektrizitätsbinnenmärkte erheblich sind (siehe oben, Rn. 48). Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass die der ACER übertragenen eigenen Entscheidungsbefugnisse in der Verordnung 2019/942, vormals Verordnung Nr. 713/2009, mit dem Fortbestand der zentralen Rolle, die den NRB mittels der befürwortenden Stellungnahme des Regulierungsrats weiterhin zukommt (siehe oben, Rn. 52 und 53), in Einklang gebracht wurden. Daher ist die von der Klägerin erhobene Rüge eines Verstoßes gegen den Subsidiaritätsgrundsatz zurückzuweisen.

61      Nach alledem ist festzustellen, dass der Beschwerdeausschuss keinen Rechtsfehler begangen hat, als er sich weigerte, in seiner Entscheidung festzustellen, dass die ACER über Punkte der Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core, über die sich die NRB dieser KBR nach den Angaben im Non-Paper vom 18. September 2018 geeinigt hatten, entschieden und damit die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschritten hat.

62      Folglich ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Rechtsfehler des Beschwerdeausschusses bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts, da er die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Entscheidung anhand der Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 hätte prüfen müssen

63      Mit dem zweiten Klagegrund wird gerügt, der Beschwerdeausschuss habe in seiner Entscheidung einen Rechtsfehler begangen, indem er die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Entscheidung nicht anhand der Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 geprüft habe, die die ACER selbst in ihrer Entscheidung hätte heranziehen müssen.

64      Zum einen wirft die Klägerin dem Beschwerdeausschuss im Wesentlichen vor, die Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 nicht angewandt zu haben, obwohl sie zum Zeitpunkt des Erlasses seiner Entscheidung in Kraft gewesen seien. Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts erfolge anhand der Sach- und Rechtslage bei seinem Erlass. Die Verordnung 2019/943 sei am 4. Juli 2019 in Kraft getreten, d. h. nach dem Erlass der ursprünglichen Entscheidung, aber vor dem Erlass der Entscheidung des Beschwerdeausschusses. Die vorliegende Klage richte sich gegen die ursprüngliche Entscheidung, wie sie durch die Entscheidung des Beschwerdeausschusses bestätigt worden sei, d. h. der Sache nach gegen zwei Entscheidungen, die eine rechtliche Einheit bildeten. Folglich hätte der Beschwerdeausschuss die Verordnung 2019/943 anwenden müssen, zumal er in seiner Entscheidung den Fall autonom und umfassend neu geprüft habe und deshalb inzwischen eingetretene neue rechtliche Entwicklungen wie das Inkrafttreten der Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 hätte berücksichtigen können.

65      Zum anderen wirft die Klägerin der ACER erstens vor, in der ursprünglichen Entscheidung gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Unionsorgane verstoßen zu haben. Zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Entscheidung habe die ACER bereits genaue Kenntnis von den maßgeblichen Vorgaben in den Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 gehabt. Diese Entscheidung sei nämlich in einem fortgeschrittenen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens ergangen, nach der Festlegung und Verabschiedung der oben genannten Artikel dieser Verordnung durch alle relevanten Ausschüsse des Rates der Europäischen Union und des Europäischen Parlaments. Ferner habe die Presse bereits intensiv über die neue Verordnung 2019/943 berichtet. Außerdem habe die Klägerin die ACER mit E‑Mail vom 4. Februar 2019 auf die Vorgaben der Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 und auf ihre Zweifel an der Vereinbarkeit der Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core, die die ACER habe heranziehen wollen, mit diesen Anforderungen hingewiesen. Schließlich sei zwar in der ursprünglichen Entscheidung mehrmals auf die Bestimmungen der neuen Verordnung 2019/943 Bezug genommen worden, aber die Bezugnahmen hätten Aspekte betroffen, die für den Standpunkt der ACER günstig gewesen seien; dies stelle eine willkürliche und selektive Beachtung künftigen Unionsrechts und damit einen Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit dar.

66      Zweitens wirft die Klägerin der ACER vor, in der ursprünglichen Entscheidung gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoßen zu haben. Nach der Rechtsprechung (Urteil vom 22. Januar 1997, Opel Austria/Rat, T‑115/94, EU:T:1997:3) könne der Grundsatz der Rechtssicherheit es gebieten, in gewissen Grenzen auch künftige Rechtsakte zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn ein solcher Rechtsakt bereits absehbar, hinreichend bestimmt und mit der zu treffenden Regelung unvereinbar sei.

67      Drittens weist die Klägerin das auf einen potenziellen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot gestützte Vorbringen der ACER als neben der Sache liegend zurück. Einerseits sei zwischen der Umsetzung künftigen Unionsrechts und der Pflicht von Unionsorganen, absehbare künftige Entwicklungen in ihre Entscheidungen einzubeziehen, zu unterscheiden, und andererseits sei von Maßnahmen abzusehen, die künftigen höherrangigen Rechtsakten widersprächen.

68      Die ACER tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beantragt, den zweiten Klagegrund zurückzuweisen. Zum einen trägt sie vor, der Beschwerdeausschuss habe bei der Prüfung der ursprünglichen Entscheidung klären müssen, ob ihr bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts ein Fehler unterlaufen sei. Sie habe ihre Entscheidungen auf der Grundlage der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihres Erlasses zu treffen. Zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Entscheidung seien die Verordnung 2019/943 und insbesondere deren Art. 14 bis 16 jedoch noch nicht in Kraft gewesen und vom Unionsgesetzgeber nicht einmal endgültig angenommen worden. Somit habe sie die ursprüngliche Entscheidung zu Recht nicht auf die Verordnung 2019/943, insbesondere deren Art. 14 bis 16, gestützt; infolgedessen habe auch der Beschwerdeausschuss ihre Entscheidung nicht anhand dieser Artikel geprüft, auf die sich die Klägerin im Rahmen ihrer bei ihm eingelegten Beschwerde berufen habe. Auch das Vorbringen der Klägerin zur Eigenständigkeit der vom Beschwerdeausschuss ausgeübten Kontrolle über die ursprüngliche Entscheidung gehe fehl. Nach Art. 28 Abs. 5 der Verordnung 2019/942 könne der Beschwerdeausschuss nämlich weder die ursprüngliche Entscheidung durch seine eigene Entscheidung ersetzen noch selbst in der Sache entscheiden. Der Beschwerdeausschuss dürfe zwar in seiner Entscheidung neue, nach dem Erlass der ursprünglichen Entscheidung eingetretene rechtliche Entwicklungen berücksichtigen, doch dies bedeute nicht, dass er die Vereinbarkeit der ursprünglichen Entscheidung mit bestimmten nach ihrem Erlass in Kraft getretenen Bestimmungen der Verordnung 2019/943 überprüfen müsse.

69      Zum anderen macht die ACER erstens geltend, zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Entscheidung sei das Gesetzgebungsverfahren für die Verordnung 2019/943 noch nicht abgeschlossen gewesen, und diese Verordnung habe nicht zur geltenden Rechtsordnung gehört, so dass nicht absehbar gewesen sei, ob und erst recht wann und mit welchem konkreten Inhalt die Verordnung erlassen werden würde. Es sei weder offenkundig noch absehbar gewesen, dass die ursprüngliche Entscheidung mit Bestimmungen der später angenommenen Verordnung 2019/943 unvereinbar sein könnte. Folglich habe die ACER diese Bestimmungen nicht als Rechtsgrundlage der ursprünglichen Entscheidung heranziehen können. Außerdem sei unbeachtlich, ob ihr die Gesetzgebungsvorschläge zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Entscheidung bekannt gewesen seien und dass sie in dieser Entscheidung auf den Vorschlag für eine neue Verordnung Bezug genommen habe.

70      Zweitens sei in der vorliegenden Rechtssache, anders als in der Rechtssache, in der das Urteil vom 22. Januar 1997, Opel Austria/Rat (T‑115/94, EU:T:1997:3), ergangen sei, beim Erlass der ursprünglichen Entscheidung die Verordnung 2019/943 noch nicht angenommen worden, so dass weder über ihren genauen Inhalt noch über den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens Gewissheit bestanden habe. Daher habe der Beschwerdeausschuss in seiner Entscheidung zu Recht die Auffassung vertreten, dass das Urteil vom 22. Januar 1997, Opel Austria/Rat (T‑115/94, EU:T:1997:3), nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sei.

71      Drittens seien die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes im vorliegenden Fall nicht verletzt worden, da die ursprüngliche Entscheidung zum Zeitpunkt ihres Erlasses eindeutige und in ihrer Anwendung für die Betroffenen vorhersehbare Bestimmungen enthalten habe.

72      Viertens gestatteten die Grundsätze der loyalen Zusammenarbeit, des institutionellen Gleichgewichts, des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit es nicht, bestehendes Recht außer Acht zu lassen und eine Entscheidung auf der Grundlage bloßer Gesetzgebungsvorschläge zu erlassen.

73      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerin im Rahmen der von ihr beim Beschwerdeausschuss eingelegten Beschwerde vorgebracht hat, zwischen den Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core, die von der ACER in der ursprünglichen Entscheidung genehmigt worden seien, und den Anforderungen an die Annahme solcher KBM nach den Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 bestünden Divergenzen und Inkohärenzen.

74      In seiner Entscheidung wies der Beschwerdeausschuss diese vor ihm erhobenen Rügen der Klägerin mit der Begründung zurück, die Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 seien für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Entscheidung der ACER irrelevant, da zum Zeitpunkt ihres Erlasses diese Verordnung noch nicht anwendbar gewesen sei.

75      Da die Klägerin zur Stützung ihres zweiten Klagegrundes speziell einen Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung 2019/943 geltend gemacht hat, ist im Rahmen der Prüfung dieses Klagegrundes zu klären, ob der Beschwerdeausschuss einen Rechtsfehler begangen hat, indem er in seiner Entscheidung die Rechtmäßigkeit der von der ACER mit der ursprünglichen Entscheidung genehmigten Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core nicht anhand der nach den Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 bestehenden Anforderungen an die Annahme solcher KBM geprüft hat.

76      Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass mit der Verordnung 2019/943 nach ihrem ersten Erwägungsgrund die Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 (ABl. 2009, L 211, S. 15) neu gefasst wird, im Einklang mit ihrem Art. 70. Zum anderen besteht der Zweck der Verordnung 2019/943 gemäß ihrem vierten Erwägungsgrund darin, Vorschriften festzulegen, mit denen das Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarkts sichergestellt werden soll.

77      Die Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 gehören zu Abschnitt 1 („Kapazitätsvergabe“) ihres Kapitels III („Netzzugang und Engpassmanagement“). Sie betreffen die „Überprüfung von Gebotszonen“ (Art. 14), „Aktionspläne“ (Art. 15) und „[a]llgemeine Grundsätze für die Kapazitätsvergabe und das Engpassmanagement“ (Art. 16). Sie regeln mithin die Kapazitätsvergabe auf den Day-Ahead- und Intraday-Märkten für den grenzüberschreitenden Stromhandel und legen die Anforderungen fest, die bei der Annahme der Day-Ahead- und Intraday-KBM zu berücksichtigen sind. Somit enthalten sie grundsätzlich materiell-rechtliche Vorschriften über die Annahme dieser KBM.

78      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass eine neue Rechtsnorm ab dem Inkrafttreten des Rechtsakts anwendbar ist, mit dem sie eingeführt wird, und dass sie zwar nicht auf die unter dem alten Recht entstandenen und endgültig erworbenen Rechtspositionen anwendbar ist, wohl aber auf deren künftige Wirkungen sowie auf neue Rechtspositionen. Etwas anderes gilt – vorbehaltlich des Verbots der Rückwirkung von Rechtsakten – nur, wenn zusammen mit der Neuregelung besondere Vorschriften getroffen werden, die speziell die Voraussetzungen für ihre zeitliche Geltung regeln (vgl. Urteile vom 14. Mai 2020, Azienda Municipale Ambiente, C‑15/19, EU:C:2020:371, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. Juni 2021, Facebook Ireland u. a., C‑645/19, EU:C:2021:483, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 3. September 2015, A2A, C‑89/14, EU:C:2015:537, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Die Verordnung 2019/943 wurde am 5. Juni 2019 erlassen, am 14. Juni 2019 veröffentlicht und trat daher gemäß ihrem Art. 71 Abs. 1 am 4. Juli 2019 in Kraft, d. h. nach dem Erlass der ursprünglichen Entscheidung am 21. Februar 2019 und vor dem Erlass der Entscheidung des Beschwerdeausschusses am 11. Juli 2019. Hinzuzufügen ist, dass ihre Art. 14 und 15 nach ihrem Art. 71 Abs. 2 Unterabs. 2 – abweichend von dem in Art. 71 Abs. 2 Unterabs. 1 aufgestellten allgemeinen Grundsatz, dass sie ab dem 1. Januar 2020 gilt – ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens, d. h. ab dem 4. Juli 2019, gelten. Dasselbe gilt für Art. 16 der Verordnung 2019/943 speziell für den Zweck der Umsetzung ihres Art. 14 Abs. 7 und Art. 15 Abs. 2. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Entscheidung weder in Kraft getreten noch anwendbar waren, wohl aber, wenn auch im Fall von Art. 16 mit gewissen Einschränkungen, zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung des Beschwerdeausschusses.

80      Im vorliegenden Fall entspricht die in Rede stehende Rechtslage der endgültigen Annahme der Day-Ahead- und Intraday-KBM durch die ACER, deren Rechtmäßigkeit im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits angefochten wird.

81      Insoweit ist hervorzuheben, dass die Verfahrensvorschriften des Art. 28 Abs. 5 der Verordnung 2019/942, die im vorliegenden Fall gemäß der oben in Rn. 21 angeführten Rechtsprechung anwendbar waren, dem Beschwerdeausschuss die Befugnis einräumten, die ursprüngliche Entscheidung zu bestätigen oder sie, wenn er ihr nicht zustimmt, an die ACER zurückzuverweisen. Diese Bestimmungen sehen eine Änderung gegenüber den zuvor geltenden Bestimmungen des Art. 19 Abs. 5 der Verordnung Nr. 713/2009 vor, nach denen der Beschwerdeausschuss befugt war, entweder im Rahmen der Zuständigkeit der ACER tätig zu werden oder die Angelegenheit an die zuständige Stelle der ACER zurückzuverweisen. Nach der Verfahrensregelung in der Verordnung 2019/942 kann der Beschwerdeausschuss die ursprüngliche Entscheidung, mit der er befasst ist, anders als zuvor nicht mehr selbst abändern. Dies lässt jedoch die Tragweite und den Umfang seiner über diese Entscheidung auszuübenden Kontrolle unberührt.

82      Es ist nämlich davon auszugehen, dass – ebenso wie nach der zuvor geltenden Verfahrensregelung – die vom Beschwerdeausschuss nach den Verfahren in der Verordnung 2019/942 getroffenen Entscheidungen an die Stelle der ursprünglich von der ACER erlassenen Entscheidungen treten (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 28. Januar 2016, Heli-Flight/EASA, C‑61/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:59, Rn. 84). Wird wie hier beim Beschwerdeausschuss gegen eine Entscheidung der ACER über Day-Ahead- oder Intraday-KBM Beschwerde eingelegt, wird durch die Entscheidung des Beschwerdeausschusses, mit der die Entscheidung der ACER bestätigt wird, ihr Standpunkt zu dieser Methode endgültig festgelegt, nachdem der Beschwerdeausschuss die fragliche Situation in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht anhand des zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Rechts umfassend überprüft hat.

83      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die KBM, deren Rechtmäßigkeit im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits bestritten wird, von der ACER endgültig angenommen wurden, als der Beschwerdeausschuss seine Entscheidung erließ, mit der er die Rechtmäßigkeit der von der ACER in der ursprünglichen Entscheidung genehmigten Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core bestätigte, d. h. am 11. Juli 2019.

84      Daraus folgt, dass die Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core, als die Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 am 4. Juli 2019 in Kraft traten und anwendbar wurden, von der ACER noch nicht endgültig angenommen worden waren. Daher war zu diesem Zeitpunkt die im vorliegenden Fall in Rede stehende Situation als künftige und damit neue Rechtsposition oder zumindest als eine unter dem alten Recht entstandene, aber nicht endgültig erworbene Position im Sinne der oben in Rn. 78 angeführten Rechtsprechung einzustufen, und die neuen, durch diese Artikel geschaffenen und zeitgleich mit ihnen in Kraft tretenden materiell-rechtlichen Vorschriften mussten unmittelbar auf sie angewandt werden.

85      Folglich musste der Beschwerdeausschuss, als er seine Entscheidung erließ, prüfen, ob es rechtlich zulässig war, die von der ACER in der ursprünglichen Entscheidung genehmigten Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core angesichts der neuen, den Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 – soweit sie bereits anwendbar waren – zu entnehmenden Regeln für die Annahme solcher KBM zu bestätigen (siehe oben, Rn. 79).

86      Bei jedem anderen Ergebnis bestünde die Gefahr des Eintritts der paradoxen Situation, dass die ACER – gegebenenfalls über den Beschwerdeausschuss – Methoden in die Rechtsordnung aufnehmen könnte, die zum Zeitpunkt ihrer endgültigen Annahme auf einer nicht mehr geltenden Regelung beruhen und mit der inzwischen geltenden Neuregelung nicht im Einklang stehen.

87      Nach alledem ist festzustellen, dass der Beschwerdeausschuss in seiner Entscheidung einen Rechtsfehler begangen hat, weil er nicht geprüft hat, ob die von der ACER in der ursprünglichen Entscheidung genehmigten Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core den Anforderungen der von der Klägerin in ihrer Beschwerde vor diesem Ausschuss speziell angeführten Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 – soweit sie anwendbar waren – entsprachen. Nur die Antwort auf diese Frage konnte es dem Beschwerdeausschuss ermöglichen, im Licht der neuen einschlägigen materiell-rechtlichen Vorschriften in den Art. 14 bis 16 der Verordnung 2019/943 zu entscheiden, die Annahme der Day-Ahead- und Intraday-KBM der KBR Core an die ACER zurückzuverweisen, damit sie diese KBM mit den genannten Vorschriften in Einklang bringt, oder durch eine Entscheidung, die dann an die Stelle der ursprünglichen Entscheidung treten würde, zu bestätigen, dass die von der ACER genehmigten KBM nach diesen Vorschriften rechtmäßig sind.

88      Dem zweiten Klagegrund, mit dem gerügt wird, der Beschwerdeausschuss habe in seiner Entscheidung einen Rechtsfehler bei der Bestimmung des auf den in Rede stehenden Sachverhalt anwendbaren Rechts begangen, der sich auf ihre Begründetheit habe auswirken können, ist daher stattzugeben.

89      Folglich ist die Entscheidung des Beschwerdeausschusses für nichtig zu erklären, ohne dass die übrigen von der Klägerin vorgebrachten Klagegründe und Rügen geprüft zu werden brauchen.

 Kosten

90      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

91      Da die ACER mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung A-003-2019 des Beschwerdeausschusses der Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) vom 11. Juli 2019 wird für nichtig erklärt.

2.      Im Übrigen wird die Klage als unzulässig abgewiesen.

3.      Die ACER trägt die Kosten.

Tomljenović

Kreuschitz

Schalin

Škvařilová-Pelzl

 

Nõmm

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. September 2022.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.