Language of document : ECLI:EU:C:2017:387

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 17. Mai 2017(1)

Rechtssache C‑218/16

Aleksandra Kubicka


(Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Okręgowy w Gorzowie Wielkopolskim [Bezirksgericht Gorzów Wielkopolski, Polen])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Erbsachen und Europäisches Nachlasszeugnis – Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 – Unbewegliche Sache in einem Mitgliedstaat, der keine Vindikationslegate kennt – Nichtanerkennung der dinglichen Wirkungen eines solchen Legats“






 I.      Einleitung

1.        Die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses(2) (im Folgenden auch: Verordnung), die am 16. August 2012 in Kraft trat, gilt gemäß ihrem Art. 84 Abs. 2 mit Ausnahme einiger allgemeiner Bestimmungen seit dem 17. August 2015.

2.        Der Gerichtshof wird erstmals(3) zur Auslegung der Verordnung Nr. 650/2012 befragt, und zwar insbesondere zu den Ausnahmen in Art. 1 Abs. 2 Buchst. k und l, die „die Art der dinglichen Rechte“ und „jede Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register, einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Eintragung, sowie die Wirkungen der Eintragung oder der fehlenden Eintragung solcher Rechte in einem Register“(4) von ihrem Anwendungsbereich ausnehmen.

3.        Meine Überlegungen gelten einem sehr heiklen Punkt, nämlich der Abgrenzung des Erbrechts vom dinglichen Recht, auf den sich zahlreiche Verhandlungen bezogen, worauf in den schriftlichen Erklärungen der Europäischen Kommission(5) und im Schrifttum(6) hingewiesen worden ist.

4.        Im Ausgangsverfahren geht es konkret um die Frage, ob die Bestimmungen, die bestimmte Fälle von der Anwendung des Rechts der belegenen Sache ausnehmen, die Ablehnung der Anerkennung der dinglichen Wirkungen eines Vindikationslegats begründen können, mit dem dem Vermächtnisnehmer unmittelbar bei Eintritt des Erbfalls ein Recht an der Sache übertragen wird, wenn sich das Vindikationslegat auf das Eigentum an einer Immobilie bezieht, die in einem Mitgliedstaat belegen ist, dessen Rechtsordnung diese Art des Vermächtnisses nicht kennt, sondern nur das einfache Vermächtnis (Damnationslegat). Nach dieser Bestimmung ist der Erbe verpflichtet, dem Vermächtnisnehmer das Recht an der Sache zu übertragen, was diesem das Recht verleiht, die Vermächtniserfüllung zu fordern.

5.        Zunächst werde ich darlegen. weshalb die Einreden der Unzulässigkeit zurückzuweisen sind, und dann meine Auffassung begründen,

–        dass es bei der Auseinandersetzung nicht um das Eigentumsrecht geht, das dem Vermächtnisnehmer übertragen wird und das die Rechtsordnung des Mitgliedstaats, in dem es geltend gemacht wird, nicht kennt, sondern um die Voraussetzungen der Anerkennung des Übergangs dieses Rechts im Hinblick auf seine Eintragung ins Grundbuch,

–        dass der Ausschluss der Anforderungen an diese Eintragung restriktiv auszulegen ist und

–        dass daher in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens gemäß Art. 23 der Verordnung Nr. 650/2012 das Vermächtnis eines dinglichen Rechts, das die Rechtsordnung des Mitgliedstaats, in dem die Immobilie belegen ist, kennt, unabhängig von dem Ort, an dem es einzutragen ist, seine Wirkungen für den Vermächtnisnehmer entfalten muss, sobald das Recht an der Immobilie unmittelbar durch das gemäß Art. 22 dieser Verordnung bestimmte Erbrecht auf ihn übergegangen ist.

6.        Ich werde demnach vorschlagen, die gestellte Frage zu verneinen.

 II.      Rechtlicher Rahmen

 A.      Unionsrecht

7.        In den Erwägungsgründen 7, 9, 15, 16, 18, 19, 37 und 67 der Verordnung Nr. 650/2012 heißt es:

„(7)      Die Hindernisse für den freien Verkehr von Personen, denen die Durchsetzung ihrer Rechte im Zusammenhang mit einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug derzeit noch Schwierigkeiten bereitet, sollten ausgeräumt werden, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu erleichtern. In einem europäischen Rechtsraum muss es den Bürgern möglich sein, ihren Nachlass im Voraus zu regeln. Die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer sowie der anderen Personen, die dem Erblasser nahestehen, und der Nachlassgläubiger müssen effektiv gewahrt werden.

(9)      Der Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich auf alle zivilrechtlichen Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen erstrecken, und zwar auf jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge.

(15)      Diese Verordnung sollte die Begründung oder den Übergang eines Rechts an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen im Wege der Rechtsnachfolge von Todes wegen nach Maßgabe des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Rechts ermöglichen. Sie sollte jedoch nicht die abschließende Anzahl (Numerus Clausus) der dinglichen Rechte berühren, die das innerstaatliche Recht einiger Mitgliedstaaten kennt. Ein Mitgliedstaat sollte nicht verpflichtet sein, ein dingliches Recht an einer in diesem Mitgliedstaat belegenen Sache anzuerkennen, wenn sein Recht dieses dingliche Recht nicht kennt.

(16)      Damit die Berechtigten jedoch die Rechte, die durch Rechtsnachfolge von Todes wegen begründet worden oder auf sie übergegangen sind, in einem anderen Mitgliedstaat geltend machen können, sollte diese Verordnung die Anpassung eines unbekannten dinglichen Rechts an das in der Rechtsordnung dieses anderen Mitgliedstaats am ehesten vergleichbare dingliche Recht vorsehen. Bei dieser Anpassung sollten die mit dem besagten dinglichen Recht verfolgten Ziele und Interessen und die mit ihm verbundenen Wirkungen berücksichtigt werden. Für die Zwecke der Bestimmung des am ehesten vergleichbaren innerstaatlichen dinglichen Rechts können die Behörden oder zuständigen Personen des Staates, dessen Recht auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden war, kontaktiert werden, um weitere Auskünfte zu der Art und den Wirkungen des betreffenden dinglichen Rechts einzuholen. In diesem Zusammenhang könnten die bestehenden Netze im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen sowie die anderen verfügbaren Mittel, die die Erkenntnis ausländischen Rechts erleichtern, genutzt werden.

(18)      Die Voraussetzungen für die Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in ein Register sollten vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden. Somit sollte das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Register geführt wird (für unbewegliches Vermögen das Recht der belegenen Sache (lex rei sitae)), bestimmen, unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen und wie die Eintragung vorzunehmen ist und welche Behörden, wie etwa Grundbuchämter oder Notare, dafür zuständig sind, zu prüfen, dass alle Eintragungsvoraussetzungen erfüllt sind und die vorgelegten oder erstellten Unterlagen vollständig sind beziehungsweise die erforderlichen Angaben enthalten. Insbesondere können die Behörden prüfen, ob es sich bei dem Recht des Erblassers an dem Nachlassvermögen, das in dem für die Eintragung vorgelegten Schriftstück erwähnt ist, um ein Recht handelt, das als solches in dem Register eingetragen ist oder nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Register geführt wird, anderweitig nachgewiesen wird. Um eine doppelte Erstellung von Schriftstücken zu vermeiden, sollten die Eintragungsbehörden diejenigen von den zuständigen Behörden in einem anderen Mitgliedstaat erstellten Schriftstücke annehmen, deren Verkehr nach dieser Verordnung vorgesehen ist. Insbesondere sollte das nach dieser Verordnung ausgestellte Europäische Nachlasszeugnis im Hinblick auf die Eintragung des Nachlassvermögens in ein Register eines Mitgliedstaats ein gültiges Schriftstück darstellen. Dies sollte die an der Eintragung beteiligten Behörden nicht daran hindern, von der Person, die die Eintragung beantragt, diejenigen zusätzlichen Angaben oder die Vorlage derjenigen zusätzlichen Schriftstücke zu verlangen, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Register geführt wird, erforderlich sind, wie beispielsweise Angaben oder Schriftstücke betreffend die Zahlung von Steuern. Die zuständige Behörde kann die Person, die die Eintragung beantragt, darauf hinweisen, wie die fehlenden Angaben oder Schriftstücke beigebracht werden können.

(19)      Die Wirkungen der Eintragung eines Rechts in ein Register sollten ebenfalls vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden. Daher sollte das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Register geführt wird, dafür maßgebend sein, ob beispielsweise die Eintragung deklaratorische oder konstitutive Wirkung hat. Wenn also zum Beispiel der Erwerb eines Rechts an einer unbeweglichen Sache nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Register geführt wird, die Eintragung in einem Register erfordert, damit die Wirkung erga omnes von Registern sichergestellt wird oder Rechtsgeschäfte geschützt werden, sollte der Zeitpunkt des Erwerbs dem Recht dieses Mitgliedstaats unterliegen.

(37)      Damit die Bürger die Vorteile des Binnenmarkts ohne Einbußen bei der Rechtssicherheit nutzen können, sollte die Verordnung ihnen im Voraus Klarheit über das in ihrem Fall anwendbare Erbstatut verschaffen. Es sollten harmonisierte Kollisionsnormen eingeführt werden, um einander widersprechende Ergebnisse zu vermeiden. Die allgemeine Kollisionsnorm sollte sicherstellen, dass der Erbfall einem im Voraus bestimmbaren Erbrecht unterliegt, zu dem eine enge Verbindung besteht. Aus Gründen der Rechtssicherheit und um eine Nachlassspaltung zu vermeiden, sollte der gesamte Nachlass, d. h. das gesamte zum Nachlass gehörende Vermögen diesem Recht unterliegen, unabhängig von der Art der Vermögenswerte und unabhängig davon, ob diese in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat belegen sind.

(67)      Eine zügige, unkomplizierte und effiziente Abwicklung einer Erbsache mit grenzüberschreitendem Bezug innerhalb der Union setzt voraus, dass die Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter in der Lage sein sollten, ihren Status und/oder ihre Rechte und Befugnisse in einem anderen Mitgliedstaat, beispielsweise in einem Mitgliedstaat, in dem Nachlassvermögen belegen ist, einfach nachzuweisen. Zu diesem Zweck sollte diese Verordnung die Einführung eines einheitlichen Zeugnisses, des Europäischen Nachlasszeugnisses …, vorsehen, das zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird. Das Zeugnis sollte entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip nicht die innerstaatlichen Schriftstücke ersetzen, die gegebenenfalls in den Mitgliedstaaten für ähnliche Zwecke verwendet werden.“

8.        Art. 1 der Verordnung bestimmt:

„(1)      Diese Verordnung ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden. Sie gilt nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.

(2)      Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind:

k)      die Art der dinglichen Rechte und

l)      jede Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in ein Register, einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Eintragung, sowie die Wirkungen der Eintragung oder der fehlenden Eintragung solcher Rechte in ein Register.“

9.        Art. 21 Abs. 1 der Verordnung stellt eine allgemeine Regel auf, welches Recht auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden ist:

„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.“

10.      Art. 22 („Rechtswahl“) der Verordnung Nr. 650/2012 sieht in den Abs. 1 und 2 vor:

„(1)      Eine Person kann für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört.

(2)      Die Rechtswahl muss ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben.“

11.      Art. 23 („Reichweite des anzuwendenden Rechts“) der Verordnung sieht in Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. e vor:

„(1)      Dem nach Artikel 21 oder Artikel 22 bezeichneten Recht unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen.

(2)      Diesem Recht unterliegen insbesondere:

e)      der Übergang der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte, Rechte und Pflichten auf die Erben und gegebenenfalls die Vermächtnisnehmer, einschließlich der Bedingungen für die Annahme oder die Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses und deren Wirkungen“.

12.      Art. 31 („Anpassung dinglicher Rechte“) der Verordnung lautet:

„Macht eine Person ein dingliches Recht geltend, das ihr nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht zusteht, und kennt das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Recht geltend gemacht wird, das betreffende dingliche Recht nicht, so ist dieses Recht soweit erforderlich und möglich an das in der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats am ehesten vergleichbare Recht anzupassen, wobei die mit dem besagten dinglichen Recht verfolgten Ziele und Interessen und die mit ihm verbundenen Wirkungen zu berücksichtigen sind.“

13.      Kapitel V der Verordnung Nr. 650/2012 betrifft öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche.

14.      Art. 59 („Annahme öffentlicher Urkunden“) Abs. 1 der Verordnung lautet: „Eine in einem Mitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde hat in einem anderen Mitgliedstaat die gleiche formelle Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat oder die damit am ehesten vergleichbare Wirkung, sofern dies der öffentlichen Ordnung (ordre public) des betreffenden Mitgliedstaats nicht offensichtlich widersprechen würde.“

15.      In Kapitel VI der Verordnung, das das Europäische Nachlasszeugnis betrifft, sieht Art. 62 („Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses“) vor:

„(1)      Mit dieser Verordnung wird ein Europäisches Nachlasszeugnis (im Folgenden: ‚Zeugnis‘) eingeführt, das zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird und die in Artikel 69 aufgeführten Wirkungen entfaltet.

(2)      Die Verwendung des Zeugnisses ist nicht verpflichtend.

…“

16.      Art. 63 („Zweck des Zeugnisses“) der Verordnung Nr. 650/2012 bestimmt in Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b:

„(1)      Das Zeugnis ist zur Verwendung durch Erben, durch Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass und durch Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter bestimmt, die sich in einem anderen Mitgliedstaat auf ihre Rechtsstellung berufen oder ihre Rechte als Erben oder Vermächtnisnehmer oder ihre Befugnisse als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ausüben müssen.

(2)      Das Zeugnis kann insbesondere als Nachweis für einen oder mehrere der folgenden speziellen Aspekte verwendet werden:

b)      die Zuweisung eines bestimmten Vermögenswerts oder bestimmter Vermögenswerte des Nachlasses an die in dem Zeugnis als Erbe(n) oder gegebenenfalls als Vermächtnisnehmer genannte(n) Person(en)“.

17.      Der in demselben Kapitel der Verordnung enthaltene Art. 68 („Inhalt des Zeugnisses“) lautet:

„Das Zeugnis enthält folgende Angaben, soweit dies für die Zwecke, zu denen es ausgestellt wird, erforderlich ist:

m)      das Verzeichnis der Rechte und/oder Vermögenswerte, die einem bestimmten Vermächtnisnehmer zustehen;

…“

18.      Art. 69 („Wirkungen des Zeugnisses“) der Verordnung bestimmt in den Abs. 2 und 5:

„(2)      Es wird vermutet, dass das Zeugnis die Sachverhalte, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht oder einem anderen auf spezifische Sachverhalte anzuwendenden Recht festgestellt wurden, zutreffend ausweist. Es wird vermutet, dass die Person, die im Zeugnis als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter genannt ist, die in dem Zeugnis genannte Rechtsstellung und/oder die in dem Zeugnis aufgeführten Rechte oder Befugnisse hat und dass diese Rechte oder Befugnisse keinen anderen als den im Zeugnis aufgeführten Bedingungen und/oder Beschränkungen unterliegen.

(5)      Das Zeugnis stellt ein wirksames Schriftstück für die Eintragung des Nachlassvermögens in das einschlägige Register eines Mitgliedstaats dar, unbeschadet des Artikels 1 Absatz 2 Buchstaben k und l.“

 B.      Polnisches Recht

 1.      Zivilgesetzbuch

19.      Art. 9811 § 1 des Zivilgesetzbuchs Kodeks Cywilny (Zivilgesetzbuch, im Folgenden: Zivilgesetzbuch) bestimmt:

„Der Erblasser kann in einem in Form einer notariellen Urkunde errichteten Testament bestimmen, dass eine bestimmte Person den Gegenstand des Vermächtnisses im Zeitpunkt des Erbfalls erwirbt (Vindikationsvermächtnis).“

20.      § 2 Nr. 2 dieses Artikels bestimmt:

„Gegenstand eines solchen Vindikationsvermächtnisses kann u. a.

2. ein veräußerbares Vermögensrecht [sein].

…“

21.      Art. 968 des Zivilgesetzbuchs betrifft das Damnationslegat, das der Erblasser in jeder zulässigen Form testamentarisch anordnen kann, auch durch ein eigenhändiges Testament.

 2.      Notariatsgesetz

22.      Gemäß Art. 81 der Prawo o notariacie (Gesetz zur Einführung eines Notariatsgesetzes, im Folgenden: Notariatsgesetz) vom 14. Februar 1991(7), geändert durch das Gesetz vom 13. Dezember 2013(8), ist der Notar verpflichtet, die Vornahme einer rechtswidrigen notariellen Handlung abzulehnen.

23.      Art. 83 § 2 des Notariatsgesetzes sieht vor, dass die Ablehnung der Vornahme einer notariellen Handlung der Kontrolle unterliegt, wenn die von der Ablehnung betroffene Person Beschwerde einlegt. Diese Beschwerde wird zunächst im Wege der Selbstkontrolle durch den Notar geprüft, der sie für begründet erachten und die Handlung vornehmen kann. Hilft der Notar der Beschwerde nicht ab, wird sie durch den für den Kanzleisitz des Notars örtlich zuständigen Sąd Okręgowy (Bezirksgericht, Polen) geprüft. Nach der nationalen Rechtsprechung entscheidet der Sąd Okręgowy (Bezirksgericht) dabei als Gericht zweiter Instanz.

 III.      Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

24.      Frau Aleksandra Kubicka, polnische Staatsangehörige und Mutter von zwei noch minderjährigen Kindern aus ihrer Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen, ist mit ihrem Ehemann zur Hälfte Miteigentümerin einer in Frankfurt an der Oder (Deutschland) belegenen Immobilie, die von der Familie bewohnt wird.

25.      Frau Kubicka wandte sich an einen in Słubice (Polen) tätigen Notar, um ihr Testament zu errichten. Sie wünschte, dass ihr Ehemann mit Eintritt des Erbfalls den ihr zustehenden Anteil der Rechte an der gemeinsamen Immobilie erwirbt. Sie entschied sich für ein Vindikationslegat, wie es in Art. 9811 des Zivilgesetzbuchs im polnischen Erbrecht vorgesehen ist. Für den Rest ihres Vermögens wollte sie die gesetzliche Erbfolge beibehalten, nach der ihr Ehemann und ihre Kinder zu gleichen Teilen erben.

26.      Der Notarvertreter, Herr Marcin Margoński, lehnte unter Verweis auf Art. 81 des Notariatsgesetzes die Errichtung eines Testaments mit Vindikationslegat ab.

27.      Er machte geltend, einem solchen Vermächtnis stünden die deutschen Rechtsvorschriften, die deutsche Lehre und die deutsche Rechtsprechung zu dinglichen Rechten und zur Grundbuchführung entgegen, zu deren Beachtung er gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. k und l sowie Art. 31 der Verordnung Nr. 650/2012 gehalten sei; zur Begründung führte er aus:

–        Gemäß § 2174 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sei im deutschen Recht nur ein Damnationslegat mit schuldrechtlicher Wirkung zulässig;

–        nach ständiger deutscher Rechtsprechung vor Inkrafttreten dieser Verordnung würden die dinglichen Wirkungen ausländischer Vindikationslegate, die sich auf eine in Deutschland belegene Immobilie bezögen, nicht anerkannt, da das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht nicht über den Erwerb der Rechte an einem solchen Vermögenswert entscheiden könne;

–        Grundlage für die Eintragung des Vermächtnisnehmers ins Grundbuch könne nur ein notarieller Vertrag über den Übergang des Eigentums an der Immobilie zwischen den Erben und dem Vermächtnisnehmer sein, der der Erfüllung des Vermächtnisses diene, oder eine ihn ersetzende gerichtliche Entscheidung;

–        seit Inkrafttreten der Verordnung würden solche Vindikationslegate auf der Grundlage von Art. 31 dieser Verordnung im Wege der Anpassung in Damnationslegate umgedeutet.

28.      Der Notarvertreter begründet seine Beurteilung zudem mit dem Hinweis auf die Begründung des deutschen Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 650/2012, des Internationalen Erbrechtsverfahrensgesetzes vom 29. Juni 2015(9), in der es heiße: „Das deutsche Recht kennt hingegen das Vindikationslegat nicht und muss dies im Rahmen der ErbVO auch nicht anerkennen (Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe k ErbVO). Schon bislang deutet das deutsche Recht ein solches Vindikationslegat in einen schuldrechtlichen Anspruch um (sogenanntes Damnationslegat). Hieran ändert Artikel 31 ErbVO nichts.“

29.      Frau Kubicka legte beim Notariatsvertreter Beschwerde ein und führte aus, dass keine der Bestimmungen der Verordnung Nr. 650/2012 es rechtfertige, die dinglichen Wirkungen des in dem von ihr gewählten Erbrecht vorgesehenen Vindikationslegats nicht anzuerkennen.

30.      Da der Notariatsvertreter seine Weigerung, die notarielle Handlung vorzunehmen, aufrechterhielt, legte Frau Kubicka Beschwerde beim vorlegenden Gericht ein.

31.      Dieses ist der Ansicht, es habe zu prüfen, inwieweit die Wirkungen des Erbrechts durch das Recht der belegenen Sache beschränkt werden können.

32.      Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind Art. 1 Abs. 2 Buchst. k, Art. 1 Abs. 2 Buchst. l oder Art. 31 der Verordnung Nr. 650/2012 dahin auszulegen, dass sie die Ablehnung der Anerkennung der dinglichen Wirkungen des Vindikationslegats (legatum per vindicationem), das durch das Erbstatut vorgesehen ist, zulassen, wenn dieses Vermächtnis das Eigentum an einer Immobilie betrifft, die in einem Mitgliedstaat belegen ist, dessen Recht das Institut des Vermächtnisses mit unmittelbarer dinglicher Wirkung nicht kennt?

 IV.      Würdigung

 A.      Zur Zulässigkeit der Vorlagefrage

33.      Die deutsche und die ungarische Regierung haben in ihren schriftlichen Erklärungen vorgetragen, dass die Vorlagefrage hypothetisch und deshalb unzulässig sei.

34.      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung „das in Art. 267 AEUV vorgesehene Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten [ist]. Folglich ist es allein Sache der mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichte, die die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung tragen, im Hinblick auf die Besonderheiten der einzelnen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihnen vorgelegten Fragen zu beurteilen … Folglich ist der Gerichtshof grundsätzlich zu einer Entscheidung verpflichtet, wenn die von den nationalen Gerichten vorgelegten Fragen die Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts betreffen … Eine Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts kann jedoch abgelehnt werden, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind …“(10)

35.      Die ungarische Regierung hat den Gerichtshof ersucht, die Vorlagefrage nicht zu beantworten, da sie von einer Ablehnung der Anerkennung der dinglichen Wirkungen des Vermächtnisses ausgehe, die die für die Grundbuchführung zuständige deutsche Behörde noch gar nicht ausgesprochen habe, denn die Erblasserin lebe noch. Die Frage sei nur darauf gerichtet, eine Auslegung der polnischen und der deutschen Vermächtnisbestimmungen zu erlangen, um deren Verhältnis zueinander zu klären.

36.      Ich weise unter Bezug auf den siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 650/2012 darauf hin, dass diese es den europäischen Bürgern erleichtern soll, ihren Nachlass zu regeln, und die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer effektiv wahren soll. Demzufolge sind Fragen zu Situationen, in denen die Testierfreiheit des Erblassers beschränkt wird, zulässig. Aus Gründen der Rechtssicherheit kommt es auch nicht in Betracht, dass die Frage erst bei Eintritt des Erbfalls sollte geklärt werden können, wenn bei der Vornahme der Handlung Auslegungsschwierigkeiten auftreten.

37.      Der deutschen Regierung zufolge meint das vorlegende Gericht die Rechtswidrigkeit der von der Klägerin gewählten Handlung im Hinblick auf Art. 81 des Notariatsgesetzes prüfen zu müssen, ohne dass es jedoch klarstelle, warum diese Handlung nach polnischem Recht wegen fehlender Anerkennung des Vindikationslegats durch das deutsche Recht rechtswidrig sein sollte.

38.      Ich weise jedoch darauf hin, dass, wie auch in der Sitzung festgestellt worden ist, die Verpflichtung des Notars zur Ablehnung der Vornahme einer gegen gesetzliche Anforderungen verstoßenden Handlung weit zu verstehen ist. Da es sich um einen Amtsträger handelt, beinhaltet sie notwendigerweise eine Beratungspflicht und eine Pflicht zur Prüfung der Wirksamkeit der Handlung im Hinblick auf das vom Betroffenen verfolgte Ziel.

39.      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht zudem hervor, dass die Erblasserin im Ausgangsverfahren die unmittelbare Übertragung der Immobilie ohne weitere Formalitäten nach ihrem Tod regeln möchte.

40.      Die Ausführungen des vorlegenden Gerichts zum deutschen Recht, nach dem ein Vindikationslegat über Rechte an einer in Deutschland belegenen Immobilie keine Rechtswirkungen entfaltet, sind im Verfahren als zutreffend bestätigt worden(11).

41.      Da das vorlegende Gericht mit dem Streit um die Weigerung des Notars befasst ist, eine Handlung vorzunehmen, die in dem von der Erblasserin gewählten Recht vorgesehen ist, jedoch nach dem Recht des Belegenheitsorts der Immobilie nicht anerkannt wird, ist die Frage nach der Auslegung nicht als hypothetisch anzusehen.

42.      Somit ist die Vorlagefrage meiner Ansicht nach zulässig.

 B.      Zu der Frage

43.      Im Ausgangsverfahren geht es um die Übertragung des Eigentumsrechts von Frau Kubicka, einer polnischen Staatsangehörigen, an einer in Deutschland belegenen Immobilie nach ihrem Tod durch ein Vermächtnis.

44.      Diese Verfügung von Todes wegen fällt gemäß Art. 1 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 650/2012 in deren Anwendungsbereich.

45.      Die Bedingungen dieses Übergangs unterliegen grundsätzlich dem von Frau Kubicka gewählten Erbrecht. Gemäß Art. 22 der Verordnung kann sie nämlich für ihre Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt ihrer Rechtswahl angehört. Art. 23 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung sieht zudem vor, dass diesem Recht insbesondere der Übergang der zum Nachlass gehörenden Rechte auf die Vermächtnisnehmer unterliegt. Diese Sichtweise wird vom 42. Erwägungsgrund der Verordnung gestützt, nach dem „[d]as zur Anwendung berufene Erbrecht … für die Rechtsnachfolge von Todes wegen vom Eintritt des Erbfalls bis zum Übergang des Eigentums an den zum Nachlass gehörenden Vermögenswerten auf die nach diesem Recht bestimmten Berechtigten gelten [sollte]“.

46.      Mit diesem Vermächtnis beabsichtigt Frau Kubicka, ihren Anteil am vollen Eigentum an einer Immobilie, also ein beiden betroffenen Rechtssystemen bekanntes dingliches Recht, das dem gegenwärtig von ihr ausgeübten Recht entspricht, auf den Vermächtnisnehmer zu übertragen.

47.      Die Wahl eines Vindikationslegats anstelle eines Damnationslegats ändert also nicht den Inhalt des an der Immobilie bestehenden Rechts. Es beschränkt sich auf die Gestaltung des direkten Übergangs eines dinglichen Rechts anstelle einer indirekten Übertragung durch die Einräumung eines schuldrechtlichen Anspruchs des Vermächtnisnehmers.

48.      Die in Art. 1 Abs. 2 Buchst. k der Verordnung Nr. 650/2012 vorgesehene Ausnahme ist aber entgegen dem Vortrag der deutschen Regierung nicht auf diesen Unterschied der Übergangsvoraussetzungen gerichtet. Nur die Festlegung der Art und der Anzahl der dinglichen Rechte soll sich nämlich nach dem Recht des Belegenheitsorts der Immobilie bestimmen, wie der 15. Erwägungsgrund dieser Verordnung sehr deutlich klarstellt.

49.      Daher kann der in Bezug genommene Art. 1 Abs. 2 Buchst. k der Verordnung wegen des Anwendungsbereichs dieser Bestimmung von der weiteren Erörterung ausgeschlossen werden.

50.      Dies gilt konsequenterweise ebenso für Art. 31 der Verordnung Nr. 650/2012, der nach seinem Wortlaut nur auf Fälle anwendbar ist, in denen „eine Person ein dingliches Recht geltend [macht], das ihr nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht zusteht, und … das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Recht geltend gemacht wird, das betreffende dingliche Recht nicht [kennt]“.

51.      Somit bleibt folgender letzter Punkt zu klären, den die deutsche Regierung als entscheidend bezeichnet(12): Kann die Ausnahme des Art. 1 Abs. 2 Buchst. l dieser Verordnung die Auswirkungen des Erbrechts auf den Übergang der Immobilie, wie sie in Art. 23 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung definiert sind, beschränken?

52.      Anders gesagt: Wenn nach dem vom Erblasser gewählten Erbrecht ein Erbe Eigentümer einer Immobilie geworden ist und der Titel im Grundbuch eines anderen Mitgliedstaats eingetragen werden muss, kann dann dieser Mitgliedstaat dem Erben das Recht des Belegenheitsorts der Immobilie entgegenhalten, das andere materielle Voraussetzungen vorsieht, um diese rechtsbegründende Eintragung vorzunehmen?

53.      Die Antwort kann durch die Prüfung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. l der Verordnung Nr. 650/2012 sowie der mit dieser verfolgten Zielen erarbeitet werden.

54.      Zunächst ist für die Zwecke der Erörterung erneut darauf hinzuweisen, dass Art. 1 Abs. 2 Buchst. l der Verordnung „jede Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register, einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Eintragung, sowie die Wirkungen der Eintragung oder der fehlenden Eintragung solcher Rechte in einem Register“ vom Anwendungsbereich der Verordnung ausnimmt.

55.      Der 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 650/2012 erläutert die Tragweite dieser Bestimmung, die als Ausnahme eng zu verstehen ist: „[D]as Recht des Mitgliedstaats, in dem das Register (für unbewegliches Vermögen das Recht der belegenen Sache (lex rei sitae)) geführt wird, [sollte] bestimmen, unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen und wie die Eintragung vorzunehmen ist und welche Behörden wie etwa Grundbuchämter oder Notare dafür zuständig sind zu prüfen, dass alle Eintragungsvoraussetzungen erfüllt sind und die vorgelegten oder erstellten Unterlagen vollständig sind bzw. die erforderlichen Angaben enthalten. … Insbesondere sollte das nach dieser Verordnung ausgestellte Europäische Nachlasszeugnis im Hinblick auf die Eintragung des Nachlassvermögens in ein Register eines Mitgliedstaats ein gültiges Schriftstück darstellen. … Die zuständige Behörde kann die Person, die die Eintragung beantragt, darauf hinweisen, wie die fehlenden Angaben oder Schriftstücke beigebracht werden können.“

56.      Wie u. a. die spanische Regierung und die Kommission(13) ausführen, sind die von dieser Bestimmung erfassten rechtlichen Anforderungen, wie Eintragungsfristen und Formerfordernisse, dazu bestimmt, die jeder Art der Eintragung von Rechtsübergängen innewohnende Sicherheit zu gewährleisten. Gerade um die Erfüllung dieser Anforderungen, die sich nicht auf die materiellen Voraussetzungen des Übergangs von dinglichen Rechten und den Verkehr von Titeln beziehen, zu erleichtern, wurde ein Europäisches Nachlasszeugnis geschaffen(14).

57.      In diesem Stadium der Prüfung kann bereits festgestellt werden, dass Art. 1 Abs. 2 Buchst. l der Verordnung nicht dahin ausgelegt werden kann, dass sich die Ablehnung der Anerkennung der Wirkungen eines dem gewählten Erbrecht unterliegenden Vermächtnisses auf ihn stützen lässt.

58.      Kann jedoch, wie die deutsche Regierung meint, unter Bezugnahme auf den Wortlaut des letzten Satzteils dieser Bestimmung, nämlich „sowie die Wirkungen der Eintragung oder der fehlenden Eintragung solcher Rechte in einem Register“, eine andere Lösung in Betracht kommen?

59.      Der 19. Erwägungsgrund dieser Verordnung ist bezüglich des Sinns dieser Worte sehr klar. Die Frage, ob die Eintragung deklaratorische oder konstitutive Wirkung hat, wird dort ausdrücklich angesprochen. Auch der Zeitpunkt des Erwerbs wird beispielhaft als vom Bereich des Erbrechts ausgenommen angeführt.

60.      Es kann nicht darum gehen, aus dem Erfordernis der Eintragung in jedem Fall eine Voraussetzung für den Erwerb des dinglichen Rechts zu machen. Dieser Vorbehalt muss notwendigerweise mit dem in Art. 23 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 650/2012 vorgesehenen Grundsatz der Einheit des Erbrechts kombiniert werden, wonach dem Erbrecht „der Übergang der … Vermögenswerte, Rechte und Pflichten auf die Erben und … die Vermächtnisnehmer“ unterliegt. Eine andere Auslegung würde die Tragweite dieses Grundsatzes erheblich einschränken, bei deren Beurteilung das vom Unionsgesetzgeber verfolgte Ziel beachtet werden muss.

61.      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese Verordnung sich in die allgemeine Perspektive einfügt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln(15).

62.      Die Verordnung Nr. 650/2012 entspricht der Notwendigkeit, die Kompatibilität der Bestimmungen sicherzustellen, die für Gesetzeskollisionen und Zuständigkeitskonflikte gelten, die sich im Bereich der Rechtsnachfolge von Todes wegen aufgrund der Vielzahl und daraus folgend der Komplexität der zu lösenden Fragen (Bestimmung der Begünstigten, ihrer Rechte, manchmal nach Maßgabe des betroffenen Vermögensgegenstands, Einzelheiten der Nachlassverwaltung oder ‑abwicklung usw.) besonders verschärft stellen.

63.      So wird das konkrete Hauptziel der Verordnung Nr. 650/2012 in ihrem siebten Erwägungsgrund formuliert. Danach muss es „[i]n einem europäischen Rechtsraum den Bürgern möglich sein, ihren Nachlass im Voraus zu regeln. Die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer … müssen effektiv gewahrt werden.“

64.      Die zu diesem Zweck gewählten Mittel sind u. a. im achten Erwägungsgrund dieser Verordnung beschrieben, wonach „es einer Verordnung [bedarf], in der die Bestimmungen über die … Anerkennung … von … öffentlichen Urkunden … sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses zusammengefasst sind“, und in ihrem 37. Erwägungsgrund, der die Harmonisierung der Kollisionsnormen „unabhängig von der Art der Vermögenswerte und unabhängig davon, ob diese in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat belegen sind“, betrifft.

65.      Zudem ist darauf hinzuweisen, dass dieser Wille zur Vereinfachung in der Ausarbeitung eines Europäischen Nachlasszeugnisses Ausdruck gefunden hat. Dieses ermöglicht es u. a. den Erben und Vermächtnisnehmern, ihren Status und ihre Rechte in einem anderen Mitgliedstaat und insbesondere die Zuweisung eines bestimmten Vermögenswerts an den in diesem Zeugnis genannten Vermächtnisnehmer nachzuweisen(16).

66.      So stellt dieses Zeugnis gemäß Art. 69 Abs. 5 der Verordnung ein wirksames Schriftstück für die Eintragung des Nachlassvermögens in das einschlägige Register eines Mitgliedstaats dar.

67.      Ebenso wenig lässt sich etwas aus dem Umstand gewinnen, dass diese Bestimmung auch auf den Ausnahmetatbestand in Art. 1 Abs. 2 Buchst. l der Verordnung Nr. 650/2012 verweist. Seine Tragweite ist aus den bereits oben in Nr. 55 dargelegten Gründen, die sich aus dem 18. Erwägungsgrund dieser Verordnung ergeben, auf die besonderen Voraussetzungen des Verfahrens der Eintragung in die Register zu beschränken(17). Daraus folgt, dass in der Praxis weitere Unterlagen oder Informationen zusätzlich zum Europäischen Nachlasszeugnis gefordert werden können, etwa wenn dieses keine ausreichend genauen Angaben enthält, um den Vermögensgegenstand zu identifizieren, dessen Eigentumsübergang eingetragen werden soll.

68.      Im Sinne dieser Prüfungen wurden der Kommission zufolge(18) im Rahmen der Vorverhandlungen zum Erlass dieser Verordnung die Vorschläge der deutschen Regierung, für die Eintragung in die Register weiterhin das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden, in dem der übertragene Vermögensgegenstand belegen ist, um die Voraussetzungen festzulegen, nach denen das Eigentumsrecht übertragen wird, zurückgewiesen oder geändert.

69.      Außerdem hat die Kommission darauf hingewiesen, dass das Königreich der Niederlande, dessen Erbrecht ebenfalls kein Vindikationslegat vorsieht, seine Eintragungsbestimmungen bei der Umsetzung der Verordnung Nr. 650/2012 angepasst hat, so dass der Vermächtnisnehmer eines Vindikationslegats sein Eigentumsrecht auf der Grundlage des Europäischen Nachlasszeugnisses, das bestätigt, dass der Vermächtnisnehmer die unbewegliche Sache durch Vermächtnis erworben hat, eintragen lassen kann(19).

70.      Diese Lösung gewährleistet die volle Wirksamkeit der Wahl des Erbrechts.

71.      Sie ist auch bei der Erbauseinandersetzung von wesentlichem Interesse, da sich die Probleme in der gleichen Weise stellen können.

72.      Sie ist auch im Zusammenhang mit dem Anpassungsmechanismus nach Art. 31 der Verordnung zu sehen, der für den Fall gilt, dass das am Ort der Eintragung anwendbare Recht die erworbenen Rechte nicht kennt, was die Unmöglichkeit des Ausschlusses eines Rechts und den starken Willen des Unionsgesetzgebers zeigt, der Wahl des Erbrechts praktische Wirksamkeit zu verleihen.

73.      Nach alledem bin ich der Ansicht, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens Art. 1 Abs. 2 Buchst. k, Art. 1 Abs. 2 Buchst. l oder Art. 31 dieser Verordnung dahin auszulegen sind, dass sie die Ablehnung der Anerkennung der dinglichen Wirkungen des Vindikationslegats (legatum per vindicationem), das durch das Erbstatut vorgesehen ist, nicht zulassen, wenn dieses Vermächtnis das Eigentum an einer Immobilie betrifft, die in einem Mitgliedstaat belegen ist, dessen Recht das Institut des Vermächtnisses mit unmittelbarer dinglicher Wirkung nicht kennt.

 V.      Ergebnis

74.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage des Sąd Okręgowy w Gorzowie Wielkopolskim (Bezirksgericht Gorzów Wielkopolski, Polen) wie folgt zu beantworten:

In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens sind Art. 1 Abs. 2 Buchst. k, Art. 1 Abs. 2 Buchst. l oder Art. 31 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses dahin auszulegen, dass sie die Ablehnung der Anerkennung der dinglichen Wirkungen des Vindikationslegats (legatum per vindicationem), das durch das Erbstatut vorgesehen ist, nicht zulassen, wenn dieses Vermächtnis das Eigentum an einer Immobilie betrifft, die in einem Mitgliedstaat belegen ist, dessen Recht das Institut des Vermächtnisses mit unmittelbarer dinglicher Wirkung nicht kennt.


1      Originalsprache: Französisch.


2      ABl. 2012, L 201, S. 107.


3      Es sind zwei weitere Vorabentscheidungsersuchen anhängig. Sie wurden vom Kammergericht Berlin eingereicht. Das erste (C‑558/16) bezieht sich auf die Auslegung von Art. 1 Abs. 1, Art. 67 Abs. 1 und Art. 68 Buchst. l dieser Verordnung im Fall der Versagung der Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses für den überlebenden Ehegatten mit der Begründung, dass die Berechnung seines Erbteils zum Teil auf der Anwendung einer Bestimmung des ehelichen Güterrechts beruhe, das vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sei. Das zweite (C‑20/17) bezieht sich auf die Auslegung von Art. 4 der Verordnung Nr. 650/2012 zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit für die Erstellung von nicht vom Europäischen Nachlasszeugnis ersetzten nationalen Nachlasszeugnissen.


4      Es ist anzumerken, dass die ab dem 29. Januar 2019 geltende Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24. Juni 2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands (ABl. 2016, L 183, S. 1) identische Bestimmungen enthält. Vgl. insbesondere Erwägungsgründe 27 und 28 sowie Art. 1 Abs. 2 Buchst. g (mit den hinzugefügten Wörtern „an Vermögen“ nach „die Art der dinglichen Rechte“) und Buchst. h dieser Verordnung. Sie sieht im 25. Erwägungsgrund und in Art. 29 auch einen Mechanismus zur Anpassung eines unbekannten dinglichen Rechts vor.


5      Vgl. Rn. 47 bis 61 dieser Erklärungen und insbesondere den Hinweis auf die Vorschläge der Bundesrepublik Deutschland zur Verankerung der Umwandlung eines dem deutschen Recht unbekannten Vermächtnisses in ein diesem bekanntes (siehe Fn. 18 dieser Schlussanträge).


6      Vgl. Bonomi, A., und Wautelet, P., Le droit européen des successions, Commentaire du règlement (UE) n° 650/2012, du 4 juillet 2012, 2. Aufl., Bruylant, Brüssel, 2016, Rn. 105 ff., S. 127. Vgl. auch Bergquist, U., Damascelli, D., Frimston, R., Lagarde, P., Odersky, F., und Reinhartz, B., Commentaire du règlement européen sur les successions, Dalloz, Paris, 2015, I, Nr. 71, S. 44.


7      Dz. U. Nr. 22, Position 91.


8      Dz. U. 2014, Position 164.


9      BGBl. I, S. 1042.


10      Urteil vom 2. März 2017, Pérez Retamero (C‑97/16, EU:C:2017:158, Rn. 20 bis 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).


11      Vgl. Rn. 20 der schriftlichen Erklärungen der deutschen Regierung.


12      Zum Vergleich mit dem Vorstehenden vgl. Nr. 38 der schriftlichen Erklärungen dieser Regierung.


13      Vgl. Rn. 43 bzw. Rn. 39 ihrer jeweiligen Erklärungen und in diesem Sinne Bonomi, A., und Wautelet, P., a. a. O., Rn. 125 bis 130, S. 135 bis 137.


14      Vgl. Kapitel VI dieser Verordnung und dort insbesondere die Art. 62 und 69.


15      Vgl. den ersten Erwägungsgrund dieser Verordnung.


16      Vgl. in diesem Sinne die Erwägungsgründe 18 und 67, Art. 63 Abs. 2 Buchst. b und Art. 68 Buchst. m dieser Verordnung.


17      Vgl. Rn. 45 der Erklärungen der Kommission sowie Bonomi, A., und Wautelet, P., a. a. O., Rn. 62 bis 66, S. 900 bis 904.


18      Vgl. die Rn. 47 bis 61 ihrer schriftlichen Erklärungen, wo die Kommission an die Vorschläge für den aktuellen 18. Erwägungsgrund erinnert und zunächst das Dokument des Rates 7869/12 vom 26. März 2012 zitiert (abgelehnter Vorschlag: „… wenn die vom Recht des Mitgliedstaats, in dem das Register geführt wird, festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind“, ersetzt durch „Insbesondere sollte das nach dieser Verordnung ausgestellte Europäische Nachlasszeugnis im Hinblick auf die Eintragung des Nachlassvermögens in ein Register eines Mitgliedstaats ein gültiges Schriftstück darstellen“). Dann wird das Dokument des Rates 16458/11 vom 8. November 2011 zitiert (Ablehnung des Ergänzungsvorschlags: „In den Fällen, in denen die Eintragung deklaratorische Wirkung hat, ist das Recht des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, so anzuwenden, dass der Eigentumsübergang eingetragen wird“ und Annahme des Vorschlags „… Dies sollte die an der Eintragung beteiligten Behörden nicht daran hindern, von der Person, die die Eintragung beantragt, diejenigen zusätzlichen Angaben oder die Vorlage derjenigen zusätzlichen Schriftstücke zu verlangen, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Register geführt wird, erforderlich sind …“, vom Gesetzgeber ergänzt durch folgende Erläuterung: „wie beispielsweise Angaben oder Schriftstücke betreffend die Zahlung von Steuern. Die zuständige Behörde kann die Person, die die Eintragung beantragt, darauf hinweisen, wie die fehlenden Angaben oder Schriftstücke beigebracht werden können“).


19      Vgl. Rn. 46 ihrer schriftlichen Erklärungen und die dort angeführten Fundstellen, d. h. Art. 27a der Kadasterwet (Grundbuchgesetz) vom 3. Februar 2005 (Stb. 2005, Nr. 107), eingeführt durch Art. 13 der Uitvoeringswet Verordening erfrecht (Gesetz zur Umsetzung dieser Verordnung) vom 5. November 2014 (Stb. 2014, Nr. 430).