Language of document : ECLI:EU:T:2008:68

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

12. März 2008

Rechtssache T-100/04

Massimo Giannini

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Öffentlicher Dienst − Allgemeines Auswahlverfahren − Nichtaufnahme in die Reserveliste − Unregelmäßigkeiten im Prüfungsablauf, die das Ergebnis verfälschen können − Gleichbehandlung − Anfechtungsklage − Schadensersatzklage“

Gegenstand: Klage auf Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren KOM/A/9/01 zur Bildung einer Einstellungsreserve von Verwaltungsrätinnen/Verwaltungsräten (A7/A6) für die Sachgebiete Wirtschaft und Statistik (ABl. 2001, C 240 A, S. 12), den Kläger nicht in die Reserveliste dieses Auswahlverfahrens aufzunehmen, und auf Schadensersatz

Entscheidung: Die Klage wird abgewiesen. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie drei Viertel der Kosten des Klägers. Der Kläger trägt ein Viertel seiner eigenen Kosten.

Leitsätze

1.      Beamte – Klage – Beschwerende Maßnahme – Entscheidung, die nach Überprüfung einer früheren Entscheidung ergangen ist

(Beamtenstatut, Art. 90 Abs. 2 und 91 Abs. 1)

2.      Beamte – Klage – Vorherige Verwaltungsbeschwerde – Identität von Gegenstand und Grund

(Beamtenstatut, Art. 90 und 91)

3.      Beamte – Auswahlverfahren – Allgemeines Auswahlverfahren – Teilnahme von Beamten mit einer Planstelle und einer Besoldungsgruppe, auf die die Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens abzielt – Zulässigkeit

(Beamtenstatut, Art. 4 und 27 Abs. 1)

4.      Beamte – Einstellung – Verfahren – Auswahl – Ermessen der Verwaltung

(Beamtenstatut, Art. 29 Abs. 1)

5.      Beamte – Fürsorgepflicht der Verwaltung

6.      Beamte – Auswahlverfahren – Ablauf und Inhalt der Prüfungen

(Beamtenstatut, Anhang III)

7.      Beamte – Auswahlverfahren – Prüfungsausschuss – Zusammensetzung

(Beamtenstatut, Anhang III Art. 3)

8.      Beamte – Auswahlverfahren – Prüfungsausschuss – Zusammensetzung

(Beamtenstatut, Anhang III Art. 3)

9.      Beamte – Rechte und Pflichten – Pflicht zur Unabhängigkeit und Integrität

(Beamtenstatut, Art. 14)

10.    Beamte – Auswahlverfahren – Grundsatz der Unparteilichkeit des Prüfungsausschusses

(Beamtenstatut, Art. 14)

11.    Beamte – Auswahlverfahren – Verpflichtung der Gemeinschaftsorgane, für alle Bewerber einen störungsfreien und ordnungsgemäßen Ablauf der Prüfungen sicherzustellen

12.    Beamte – Auswahlverfahren – Beurteilung der Befähigung der Bewerber

(Beamtenstatut, Anhang III)

1.      Beantragt ein Bewerber in einem Auswahlverfahren die Überprüfung der Entscheidung des Prüfungsausschusses, ihn nicht in die Reserveliste aufzunehmen, und wird dieser Antrag zurückgewiesen, so stellt die Entscheidung über die Zurückweisung die beschwerende Maßnahme und somit die anfechtbare Handlung dar.

(vgl. Randnrn. 29 und 30)

Verweisung auf: Gericht, 3. April 2001, Zaur-Gora und Dubigh/Kommission, T‑95/00 und T‑96/00, Slg. ÖD 2001, I‑A‑79 und II‑379, Randnrn. 24 bis 27; Gericht, 23. Januar 2002, Gonçalves/Parlament, T‑386/00, Slg. ÖD 2002, I‑A‑13 und II‑55, Randnr. 39; Gericht, 31. Mai 2005, Gibault/Kommission, T‑294/03, Slg. ÖD 2005, I‑A‑141 und II‑635, Randnr. 22; Gericht, 13. Dezember 2006, Heus/Kommission, T‑173/05, Slg. ÖD 2006, I-A-2-329 und II-A-2-1695, Randnr. 19

2.      Bei Beamtenklagen gilt uneingeschränkt der Grundsatz der Übereinstimmung von Verwaltungsbeschwerde und Klage, wenn sich die Betroffenen, obwohl sie im Fall einer Entscheidung des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren hierzu nicht verpflichtet sind, statt einer unmittelbaren Anrufung des Gemeinschaftsrichters dafür entschieden haben, zunächst eine Verwaltungsbeschwerde an die Anstellungsbehörde zu richten. Hat also der Kläger eine Beschwerde nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts gegen eine Entscheidung des Prüfungsausschusses eingereicht und ist diese Beschwerde von der Anstellungsbehörde zurückgewiesen worden, müssen die beim Gemeinschaftsrichter gestellten Anträge denselben Gegenstand haben wie die in der Beschwerde aufgeführten Anträge. Außerdem müssen die vor dem Gemeinschaftsrichter erhobenen Rügen auf demselben Grund beruhen wie die in der Beschwerde angeführten Rügen.

Da jedoch das Vorverfahren eine gütliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen Beamten und Verwaltung ermöglichen und fördern soll, es informellen Charakter hat und die Betroffenen im Allgemeinen auf dieser Stufe ohne anwaltlichen Beistand handeln, darf die Verwaltung die Beschwerden nicht eng auslegen, sondern muss sie vielmehr in einem Geist der Aufgeschlossenheit prüfen. Außerdem können die in der Beschwerde erhobenen Rügen sowohl im Vorverfahren durch zusätzliche Schreiben als auch vor dem Gemeinschaftsrichter weiterentwickelt werden, sofern die damit geltend gemachte Beanstandung auf demselben Grund beruht wie die in der ursprünglichen Beschwerde geltend gemachten Rügen. Die Rügen können somit auch noch vor dem Gemeinschaftsrichter durch das Vorbringen von Klagegründen und Argumenten weiterentwickelt werden, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten waren, sich aber eng an diese anlehnen.

(vgl. Randnrn. 37 bis 40)

Verweisung auf: Gerichtshof, 7. Mai 1986, Rihoux u. a./Kommission, 52/85, Slg. 1986, 1555, Randnrn. 11 bis 13; Gerichtshof, 20. Mai 1987, Geist/Kommission, 242/85, Slg. 1987, 2181, Randnr. 9; Gericht, 29. März 1990, Alexandrakis/Kommission, T‑57/89, Slg. 1990, II‑143, Randnr. 9; Gericht, 3. März 1993, Booss und Fischer/Kommission, T‑58/91, Slg. 1993, II‑147, Randnr. 83; Gericht, 9. Juli 1997, S/Gerichtshof, T‑4/96, Slg. 1997, II‑1125, Randnr. 99; Gericht, 17. Dezember 1997, Dricot u. a./Kommission, T‑159/95, Slg. ÖD 1997, I‑A‑385 und II‑1035, Randnr. 24; Gonçalves/Parlament, Randnr. 42; Gericht, 9. September 2003, Vranckx/Kommission, T‑293/02, Slg. ÖD 2003, I‑A‑187 und II‑947, Randnrn. 41 bis 45

3.      Es beeinträchtigt weder den Gegenstand noch das Ziel der Einstellung, wie sie im Statut festgelegt sind, wenn zum Auswahlverfahren Beamte mit einer Planstelle und einer Besoldungsgruppe zugelassen werden, auf die die Bekanntmachung eines allgemeinen Auswahlverfahrens abzielt.

Einstellungen dürfen nach Art. 4 Abs. 1 des Statuts nur zur Besetzung einer freien Planstelle vorgenommen werden. Nach Art. 27 Abs. 1 des Statuts besteht das Ziel jeder Einstellung darin, Personen, die in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügen, einzustellen, wobei diese unter den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaften auf nicht nur geographisch möglichst breiter Grundlage auszuwählen sind.

Was den Gegenstand der Einstellung betrifft, kann, wenn das Gemeinschaftsorgan im Anschluss an ein Auswahlverfahren in einem bestimmten Bereich und in einer bestimmten Besoldungsgruppe einen Beamten einstellt, der bereits in dem Bereich und in der Besoldungsgruppe, auf die das Auswahlverfahren abzielt, eine Stelle innehat, dem Organ nicht vorgeworfen werden, dass es keine freie Planstelle besetzt habe. Zwar wird mit dieser Einstellung eine freie Planstelle besetzt, indem eine andere freie Planstelle geschaffen wird. Da mit der Einstellung jedoch eine freie Planstelle besetzt wird, steht sie nicht im Widerspruch zum Gegenstand der Einstellung, wie er in Art. 4 des Statuts festgelegt ist.

Was das Ziel der Einstellung angeht, beeinträchtigt, wenn ein Beamter auf einer Stelle in dem Bereich und in der Besoldungsgruppe, auf die die Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens abzielt, die verschiedenen Prüfungen dieses Auswahlverfahrens mit Erfolg ablegt, seine Einstellung durch das Organ im Anschluss an dieses Auswahlverfahren nicht das Ziel, das mit der Einstellung durch ein Auswahlverfahren verfolgt wird. Der Umstand, dass ein solcher Beamter die verschiedenen Prüfungen des Auswahlverfahrens erfolgreich abgelegt hat, belegt nämlich, dass er zu den Bewerbern mit der besten Befähigung für die in dem Organ zu besetzenden Stellen gehört. Außerdem erfolgt eine solche Einstellung durchaus auf einer möglichst breiten Grundlage.

(vgl. Randnrn. 83 bis 87)

Verweisung auf: Gerichtshof, 31. März 1965, Rauch/Kommission, 16/64, Slg. 1965, 187; Gericht, 8. November 1990, Bataille u. a./Parlament, T‑56/89, Slg. 1990, II‑597, Randnr. 48; Gericht, 6. März 1997, de Kerros und Kohn-Bergé/Kommission, T‑40/96 und T‑55/96, Slg. ÖD 1997, I‑A‑47 und II‑135, Randnrn. 40 und 41; Gericht, 12. November 1998, Carrasco Benítez/Kommission, T‑294/97, Slg. ÖD 1998, I‑A‑601 und II‑1819, Randnr. 35

4.       Der Begriff „Möglichkeit“ in Art. 29 Abs. 1 des Statuts bedeutet eindeutig, dass die Anstellungsbehörde bei der Besetzung einer freien Stelle nicht schlechthin verpflichtet ist, eine Beförderung oder eine Versetzung vorzunehmen, sondern dass sie nur in jedem Fall prüfen muss, ob diese Maßnahmen zur Ernennung einer Person führen können, die in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügt.

Die in Art. 29 Abs. 1 des Statuts enthaltene Staffelung impliziert somit zwar, dass die Anstellungsbehörde die Möglichkeiten einer Beförderung oder Versetzung mit größter Sorgfalt prüfen muss, bevor sie zur nächsten Phase übergeht, sie hindert aber die Anstellungsbehörde nicht daran, bei einer solchen Prüfung auch die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, über die anderen Verfahren an höher einzuschätzende Bewerbungen zu gelangen. Deshalb kann die Anstellungsbehörde selbst dann zu einer weiteren Phase des Einstellungsverfahrens übergehen, wenn es einen oder mehrere Bewerber gibt, die alle nach der Stellenausschreibung erforderlichen Voraussetzungen und Anforderungen erfüllen.

Ist die Anstellungsbehörde nach Prüfung der Versetzungsmöglichkeiten der Ansicht, dass die freien Planstellen mit bestimmten Beamten besetzt werden können oder im Gegenteil kein Beamter dafür in Frage kommt, kann es ihr daher nicht verwehrt sein, unter diesen Beamten diejenigen einzustellen, die das allgemeine Auswahlverfahren zur Besetzung der fraglichen Planstellen erfolgreich absolviert haben. Die Teilnahme dieser Beamten am Auswahlverfahren und ihre Aufnahme in die Reserveliste können bestätigen oder erst zeigen, dass sich diese Bewerber am besten für die Besetzung der freien Planstellen eignen. Die Anstellungsbehörde kann somit in Anbetracht ihres weiten Ermessens an ihrer Ansicht festhalten oder von ihrer ursprünglichen Beurteilung dieser Beamten abrücken und sie auf die freien Planstellen ernennen, und zwar nicht im Wege der Versetzung, sondern auf das Auswahlverfahren hin. Mit dem Wirksamwerden dieser Neuernennung endet die erste Ernennung.

(vgl. Randnrn. 91 bis 93)

Verweisung auf: Gerichtshof, 31. März 1965, Ley/Kommission, 12/64 und 29/64, Slg. 1965, 147, 166; Gerichtshof, 14. Juli 1983, Mogensen u. a./Kommission, 10/82, Slg. 1983, 2397, Randnr. 10; Gerichtshof, 13. Juli 2000, Parlament/Richard, C‑174/99 P, Slg. 2000, I‑6189, Randnrn. 38 bis 40; Gericht, 23. April 2002, Campolargo/Kommission, T‑372/00, Slg. ÖD 2002, I‑A‑49 und II‑223, Randnrn. 93 bis 95; Gericht, 17. Oktober 2002, Cocchi und Hainz/Kommission, T‑330/00 und T‑114/01, Slg. ÖD 2002, I‑A‑193 und II‑987, Randnr. 38

5.      Die Fürsorgepflicht der Verwaltung gegenüber ihren Bediensteten spiegelt das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten wider, das vom Statut in den Beziehungen zwischen der Behörde und den öffentlichen Bediensteten geschaffen wurde. Die Erfordernisse der Fürsorgepflicht können die Anstellungsbehörde jedoch nicht daran hindern, die Maßnahmen zu ergreifen, die sie im dienstlichen Interesse für erforderlich hält, da die Besetzung jeder Stelle in erster Linie auf dem dienstlichen Interesse beruhen muss.

Die Beachtung der Fürsorgepflicht im Rahmen einer Einstellung muss daher mit Blick auf das dienstliche Interesse beurteilt werden, das von dem Organ bei der Besetzung einer Stelle bei ihm als grundlegendes Kriterium zu berücksichtigen ist. Das Organ verfügt jedoch über ein weites Ermessen bei der Bestimmung des dienstlichen Interesses, und die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf die Überprüfung, ob es sich innerhalb vernünftiger Grenzen gehalten und sein Ermessen nicht offensichtlich fehlerhaft ausgeübt hat.

Wenn das Organ – genauer die Anstellungsbehörde, was die Abfassung der Ausschreibung des Auswahlverfahrens angeht, und der Prüfungsausschuss, was die Anwendung dieser Ausschreibung betrifft – Beamte, die bereits eine Stelle und die Besoldungsgruppe innehaben, auf die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens abgezielt wird, zum Auswahlverfahren zulässt und in die Reserveliste aufnimmt, hat es sich innerhalb dieser Grenzen gehalten und sein Ermessen nicht offensichtlich fehlerhaft ausgeübt.

(vgl. Randnrn. 98, 103, 105 und 106)

Verweisung auf: Gerichtshof, 4. Februar 1987, Maurissen/Rechnungshof, 417/85, Slg. 1987, 551, Randnr. 12; Gerichtshof, 29. Juni 1994, Klinke/Gerichtshof, C‑298/93 P, Slg. 1994, I‑3009, Randnr. 38; Gericht, 16. Dezember 1993, Turner/Kommission, T‑80/92, Slg. 1993, II‑1465, Randnr. 77; Gericht, 15. Februar 1996, Ryan-Sheridan/Eurofound, T‑589/93, Slg. ÖD 1996, I‑A‑27 und II‑77, Randnr. 132; Gericht, 28. Mai 1998, W/Kommission, T‑78/96 und T‑170/96, Slg. ÖD 1998, I‑A‑239 und II‑745, Randnr. 116; Gericht, 6. Juli 1999, Séché/Kommission, T‑112/96 und T‑115/96, Slg. ÖD 1999, I‑A‑115 und II‑623, Randnr. 267; Gericht, 12. Dezember 2000, Dejaiffe/HABM, T‑223/99, Slg. ÖD 2000, I‑A‑277 und II‑1267, Randnr. 53; Cocchi und Hainz/Kommission, Randnr. 89; 26. November 2002, Cwik/Kommission, T‑103/01, Slg. ÖD 2002, I‑A‑229 und II‑1137, Randnr. 52; 24. November 2005, Marcuccio/Kommission, T‑236/02, Slg. ÖD 2005, I‑A‑365 und II‑1621, Randnr. 129

6.      Der Grundsatz der Gleichbehandlung stellt ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts dar, so dass es dem Prüfungsausschuss obliegt, beim Ablauf eines Auswahlverfahrens strikt darauf zu achten, dass er gegenüber den Bewerbern eingehalten wird. Auch wenn der Prüfungsausschuss über ein weites Ermessen hinsichtlich der Modalitäten und des genauen Inhalts der Prüfungen verfügt, kommt es doch dem Gemeinschaftsrichter zu, seine Kontrolle in dem Maß auszuüben, das erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die Bewerber gleichbehandelt werden und der Prüfungsausschuss die Auswahl unter den Bewerbern objektiv trifft.

Allgemein bringt jede Prüfung in Anbetracht der zwangsläufigen Begrenztheit der Zahl von Fragen, die bei einer Prüfung in Bezug auf ein bestimmtes Thema vernünftigerweise gestellt werden können, naturgemäß die Gefahr einer Ungleichbehandlung mit sich. Deshalb ist anerkannt worden, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nur dann festgestellt werden kann, wenn der Prüfungsausschuss bei der Wahl der Prüfungen die allgemein jeder Prüfung innewohnende Gefahr der Chancenungleichheit nicht begrenzt hat.

Die mögliche Vertrautheit mancher Bewerber eines Auswahlverfahrens mit einem Dokument aufgrund ihrer Arbeit bei einem Gemeinschaftsorgan bedeutet nicht, dass ihnen durch die Entscheidung des Prüfungsausschusses, den Fragen der schriftlichen Prüfung des Auswahlverfahrens dieses Dokument zugrunde zu legen, ein ungebührlicher Vorteil verschafft wurde. Zum einen nämlich gehört der Vorteil, den die Auswahl dieses Dokuments manchen Bewerbern verschafft, zu dem allgemein jeder Prüfung innewohnenden Risiko. Zum anderen war der Text dieses Dokuments vor und während der fraglichen schriftlichen Prüfung zugänglich.

(vgl. Randnrn. 132, 133 und 164)

Verweisung auf: Gerichtshof, 8. März 1988, Sergio u. a./Kommission, 64/86, 71/86 bis 73/86 und 78/86, Slg. 1988, 1399, Randnr. 27; Gericht, 17. März 1994, Hoyer/Kommission, T‑43/91, Slg. ÖD 1994, I‑A‑91 und II‑297, Randnr. 47; Gericht, 17. März 1994, Smets/Kommission, T‑44/91, Slg. ÖD 1994, I‑A‑97 und II‑319, Randnr. 46; Gericht, 25. Mai 2000, Elkaïm Mazuel/Kommission, T‑173/99, Slg. ÖD 2000, I‑A‑101 und II‑433, Randnrn. 87 und 90

7.      Damit eine kohärente Anwendung der Beurteilungskriterien gewährleistet ist, muss beim Ablauf der Prüfungen so weit als möglich die gleiche Zusammensetzung des Prüfungsausschusses beibehalten werden. Mit dieser Kohärenz wiederum können die Objektivität und die Gleichbehandlung der Bewerber bei den Prüfungen sichergestellt werden. In Anbetracht der Bedeutung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in den Einstellungsverfahren kann es als Verletzung wesentlicher Formvorschriften qualifiziert werden, wenn der Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren nicht gleichbleibend zusammengesetzt ist. Eine mit einem solchen Fehler behaftete Entscheidung ist daher aufzuheben, ohne dass der Betroffene eine bestimmte nachteilige Auswirkung auf seine subjektiven Rechte nachzuweisen hat oder darlegen muss, dass das Ergebnis des Auswahlverfahrens anders hätte ausfallen können, wenn die betreffenden wesentlichen Formvorschriften eingehalten worden wären.

(vgl. Randnr. 202)

Verweisung auf: Gericht, 10. November 2004, Vonier/Kommission, T‑165/03, Slg. ÖD 2004, I‑A‑343 und II‑1575, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung

8.      Die gleichzeitige Anwesenheit der Mitglieder und der stellvertretenden Mitglieder im Prüfungsausschuss eines Auswahlverfahrens bei mündlichen Prüfungen führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Arbeiten und der Zusammensetzung des Ausschusses, solange die nach Art. 3 Abs. 1 des Anhangs III des Statuts erforderliche Besetzung beachtet wird und die Ausschussmitglieder mit beschließender Stimme die Kontrolle über die Vorgänge behalten und sich die Befugnis zur Beurteilung und Entscheidung vorbehalten. Somit führt die gleichzeitige Anwesenheit des stellvertretenden Vorsitzenden und des Vorsitzenden nicht zur Rechtswidrigkeit der Arbeiten und der Zusammensetzung des Prüfungsausschusses, sofern unter solchen Umständen der stellvertretende Vorsitzende keine beschließende Stimme hat.

(vgl. Randnrn. 210 und 255)

Verweisung auf: Gericht, 13. September 2005, Pantoulis/Kommission, T‑290/03, Slg. ÖD 2005, I‑A‑241 und II‑1123, Randnrn. 77 und 78

9.      Nach Art. 14 des Statuts liegt ein Interessenkonflikt nur dann vor, wenn ein Beamter in Ausübung seines Amtes in einer Angelegenheit Stellung zu nehmen hat, an deren Behandlung oder Erledigung er ein persönliches Interesse hat, das seine Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte. Bei der Beurteilung der Gefahr eines Interessenkonflikts kann das Bestehen beruflicher Beziehungen zwischen einem Beamten und einem Dritten grundsätzlich nicht bedeuten, dass die Unabhängigkeit des Beamten beeinträchtigt ist oder beeinträchtigt erscheint, wenn er in einer Angelegenheit Stellung zu nehmen hat, in die der betreffende Dritte verwickelt ist.

Folglich führt die Mitwirkung eines Mitglieds eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren an der Beurteilung eines Bewerbers, der in demselben Referat oder derselben Direktion arbeitet oder gearbeitet hat, für sich allein nicht dazu, dass dieses Mitglied in einer Angelegenheit Stellung zu nehmen hat, an deren Behandlung oder Erledigung es ein persönliches Interesse hat, das seine Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte.

(vgl. Randnrn. 223 und 224)

Verweisung auf: Gericht, 11. September 2002, Willeme/Kommission, T‑89/01, Slg. ÖD 2002, I‑A‑153 und II‑803, Randnr. 58; Gericht, 3. Februar 2005, Mancini/Kommission, T‑137/03, Slg. ÖD 2005, I‑A‑7 und II‑27, Randnr. 33; Gericht, 12. Juli 2005, De Bry/Kommission, T‑157/04, Slg. ÖD 2005, I‑A‑199 und II‑901, Randnr. 35

10.    Der Grundsatz der Unparteilichkeit des Prüfungsausschusses erfordert auch, dass ein Ausschussmitglied an der Beurteilung eines Bewerbers nicht mitwirkt, wenn zwischen beiden eine unmittelbare Verbindung besteht. Die Unparteilichkeit des Prüfungsausschusses ist sichergestellt, wenn sich ein Ausschussmitglied, das bei der mündlichen Prüfung von mit ihm bekannten Bewerbern anwesend ist, nicht am Prüfungsgespräch und an der Beurteilung dieser Bewerber beteiligt und wenn der Prüfungsausschuss bei der vergleichenden Beurteilung aller Bewerber außer mit diesem „passiven“ Mitglied jedenfalls mit mindestens drei oder vier Mitgliedern besetzt ist, die in keiner unmittelbaren Verbindung zu dem Bewerber stehen.

(vgl. Randnrn. 228 und 229)

Verweisung auf: Gericht, 5. April 2005, Christensen/Kommission, T‑336/02, Slg. ÖD 2005, I‑A‑75 und II‑341, Randnr. 53

11.    Nach den Grundsätzen der Sorgfalt und der Gleichbehandlung haben die Gemeinschaftsorgane für alle Bewerber eines Auswahlverfahrens einen möglichst störungsfreien und ordnungsgemäßen Ablauf der Prüfungen zu gewährleisten. Ein im Ablauf der Prüfungen eines Auswahlverfahrens aufgetretener Fehler berührt jedoch nur dann die Rechtmäßigkeit der Prüfungen, wenn er wesentlich ist oder der Kläger nachweist, dass der Fehler die Prüfungsergebnisse verfälschen kann. Im Fall eines wesentlichen Fehlers trägt dagegen das beklagte Organ die Beweislast dafür, dass sich dieser Fehler nicht auf die Ergebnisse der Prüfungen ausgewirkt hat.

Dauern die Beschlussfassungen zu den verschiedenen Bewerbern unterschiedlich lang, bedeutet das keinen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und stellt folglich keinen Fehler dar, denn die Dauer einer Beschlussfassung sagt nichts über deren Effektivität oder Qualität aus.

(vgl. Randnrn. 244 und 250)

Verweisung auf: Gericht, 11. Februar 1999, Jiménez/HABM, T‑200/97, Slg. ÖD 1999, I‑A‑19 und II‑73, Randnr. 55; Gericht, 24. April 2001, Torre u. a./Kommission, T‑159/98, Slg. ÖD 2001, I‑A‑83 und II‑395, Randnr. 47; Gericht, 7. Februar 2002, Felix/Kommission, T‑193/00, Slg. ÖD 2002, I‑A‑23 und II‑101, Randnr. 46

12.    Die vom Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren bei der Bewertung der Kenntnisse und der Eignung der Bewerber vorgenommenen Beurteilungen sind Ausdruck eines Werturteils über die Prüfungsleistung jedes Bewerbers und fallen unter das weite Ermessen des Prüfungsausschusses. Sie können vom Gemeinschaftsrichter nur überprüft werden, wenn ein offensichtlicher Verstoß gegen die Vorschriften vorliegt, die für die Arbeiten des Prüfungsausschusses gelten. Es kommt dem Gemeinschaftsrichter nämlich nicht zu, die vom Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren vorgenommene Beurteilung durch seine eigene zu ersetzen. Beruft sich also der Kläger im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen die Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren, mit der sein Scheitern bei den Ausscheidungsprüfungen festgestellt wird, nicht auf einen Verstoß gegen die für die Arbeiten des Prüfungsausschusses geltenden Vorschriften oder weist er einen solchen Verstoß nicht nach, so ist die Berechtigung der Beurteilung durch den Prüfungsausschuss der Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter entzogen.

Aus dem in Art. 27 des Statuts enthaltenen Grundsatz, dass bei der Einstellung anzustreben ist, dem Organ die Mitarbeit von Beamten zu sichern, die in Bezug u. a. auf die Befähigung höchsten Ansprüchen genügen, ergibt sich, dass jeder Bewerber, dem Fragen gestellt werden, die jeweils eine einzige richtige und genaue Antwort erfordern, vom Prüfungsausschuss auf der Grundlage der Richtigkeit seiner Antworten auszuwählen ist. Diese Regel berührt nicht den Wertungsspielraum, über den jeder Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren verfügt. Wenn es nämlich auf eine gestellte Frage als allein richtige Antwort nur eine einzige einfache und genaue Antwort geben kann, hat der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren keinen Wertungsspielraum, wenn es darum geht, die Antwort eines Bewerbers auf diese Frage für richtig oder für falsch zu erklären.

Daraus folgt, dass ein Verstoß gegen die für die Arbeiten des Prüfungsausschusses geltenden Vorschriften vorliegt, wenn einzelne Mitglieder des Prüfungsausschusses in der mündlichen Prüfung eines Auswahlverfahrens die Antworten eines Bewerbers auf Fragen, die nur eine einzige richtige Antwort haben können, unzutreffend korrigieren.

(vgl. Randnrn. 274 bis 278)

Verweisung auf: Gericht, 1. Dezember 1994, Michaël-Chiou/Kommission, T‑46/93, Slg. ÖD 1994, I‑A‑297 und II‑929, Randnrn. 48 und 49; Gericht, 14. Juli 2000, Teixeira Neves/Gerichtshof, T‑146/99, Slg. ÖD 2000, I‑A‑159 und II‑731, Randnr. 41; Gericht, 25. Juni 2003, Pyres/Kommission, T‑72/01, Slg. ÖD 2003, I‑A‑169 und II‑861, Randnr. 30; Gericht, 9. November 2004, Vega Rodríguez/Kommission, T‑285/02 und T‑395/02, Slg. ÖD 2004, I‑A‑333 und II‑1527, Randnrn. 35 bis 45; Gericht, 26. Januar 2005, Roccato/Kommission, T‑267/03, Slg. ÖD 2005, I‑A‑1 und II‑1, Randnr. 42