Language of document : ECLI:EU:C:2023:900

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

23. November 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – Richtlinie 2001/29/EG – Art. 2 Buchst. e – Sendeunternehmen – Vervielfältigungsrecht für die Aufzeichnungen von Sendungen – Art. 5 Abs. 2 Buchst. b – Ausnahme für Privatkopien – Gerechter Ausgleich – Schaden, der den Sendeunternehmen entsteht – Gleichbehandlung – Nationale Regelung, die die Sendeunternehmen vom Anspruch auf einen gerechten Ausgleich ausschließt“

In der Rechtssache C‑260/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Erfurt (Deutschland) mit Entscheidung vom 31. März 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 19. April 2022, in dem Verfahren

Seven.One Entertainment Group GmbH

gegen

Corint Media GmbH


erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin),

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: K. Hötzel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Seven.One Entertainment Group GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte C. Masch und W. Raitz von Frentz,

–        der Corint Media GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte O. Fiss und M. von Albrecht,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, J. Heitz und M. Hellmann als Bevollmächtigte,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von R. Guizzi, Avvocato dello Stato,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard, F. Koppensteiner und G. Kunnert als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. von Rintelen und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juli 2023

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Seven.One Entertainment Group GmbH (im Folgenden: Seven.One), einem Sendeunternehmen, und der Corint Media GmbH, einer Verwertungsgesellschaft, über die Zahlung des „gerechten Ausgleichs“ gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In den Erwägungsgründen 4, 9, 31, 35 und 38 der Richtlinie 2001/29 heißt es:

„(4)      Ein harmonisierter Rechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte wird durch erhöhte Rechtssicherheit und durch die Wahrung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des geistigen Eigentums substantielle Investitionen in Kreativität und Innovation einschließlich der Netzinfrastruktur fördern und somit zu Wachstum und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beitragen, und zwar sowohl bei den Inhalten und der Informationstechnologie als auch allgemeiner in weiten Teilen der Industrie und des Kultursektors. Auf diese Weise können Arbeitsplätze erhalten und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

(9)      Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. Das geistige Eigentum ist daher als Bestandteil des Eigentums anerkannt worden.

(31)      Es muss ein angemessener Rechts- und Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern sowie zwischen den verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern und Nutzern von Schutzgegenständen gesichert werden. Die von den Mitgliedstaaten festgelegten Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf Schutzrechte müssen vor dem Hintergrund der neuen elektronischen Medien neu bewertet werden. Bestehende Unterschiede bei den Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf bestimmte zustimmungsbedürftige Handlungen haben unmittelbare negative Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts im Bereich des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte. Diese Unterschiede könnten sich mit der Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Verwertung von Werken und den zunehmenden grenzüberschreitenden Tätigkeiten durchaus noch deutlicher ausprägen. Um ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, sollten diese Ausnahmen und Beschränkungen einheitlicher definiert werden. Dabei sollte sich der Grad ihrer Harmonisierung nach ihrer Wirkung auf die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts bestimmen.

(35)      In bestimmten Fällen von Ausnahmen oder Beschränkungen sollten Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, damit ihnen die Nutzung ihrer geschützten Werke oder sonstigen Schutzgegenstände angemessen vergütet wird. Bei der Festlegung der Form, der Einzelheiten und der etwaigen Höhe dieses gerechten Ausgleichs sollten die besonderen Umstände eines jeden Falls berücksichtigt werden. Für die Bewertung dieser Umstände könnte der sich aus der betreffenden Handlung für die Rechtsinhaber ergebende etwaige Schaden als brauchbares Kriterium herangezogen werden. In Fällen, in denen Rechtsinhaber bereits Zahlungen in anderer Form erhalten haben, z. B. als Teil einer Lizenzgebühr, kann gegebenenfalls keine spezifische oder getrennte Zahlung fällig sein. Hinsichtlich der Höhe des gerechten Ausgleichs sollte der Grad des Einsatzes technischer Schutzmaßnahmen gemäß dieser Richtlinie in vollem Umfang berücksichtigt werden. In bestimmten Situationen, in denen dem Rechtsinhaber nur ein geringfügiger Nachteil entstünde, kann sich gegebenenfalls keine Zahlungsverpflichtung ergeben.

(38)      Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit erhalten, unter Sicherstellung eines gerechten Ausgleichs eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht für bestimmte Arten der Vervielfältigung von Ton‑, Bild- und audiovisuellem Material zu privaten Zwecken vorzusehen. Dazu kann die Einführung oder Beibehaltung von Vergütungsregelungen gehören, die Nachteile für Rechtsinhaber ausgleichen sollen. Wenngleich die zwischen diesen Vergütungsregelungen bestehenden Unterschiede das Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen, dürften sie sich, soweit sie sich auf die analoge private Vervielfältigung beziehen, auf die Entwicklung der Informationsgesellschaft nicht nennenswert auswirken. Die digitale private Vervielfältigung dürfte hingegen eine weitere Verbreitung finden und größere wirtschaftliche Bedeutung erlangen. Daher sollte den Unterschieden zwischen digitaler und analoger privater Vervielfältigung gebührend Rechnung getragen und hinsichtlich bestimmter Punkte zwischen ihnen unterschieden werden.“

4        Art. 2 („Vervielfältigungsrecht“) der Richtlinie 2001/29 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten:

a)      für die Urheber in Bezug auf ihre Werke,

b)      für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen,

c)      für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger,

d)      für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und die Vervielfältigungsstücke ihrer Filme,

e)      für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.“

5        Art. 5 („Ausnahmen und Beschränkungen“) Abs. 2 und 5 der Richtlinie 2001/29 sieht vor:

„(2)      Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen:

b)      in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Artikel 6 auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden;

(5)      Die in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.“

 Deutsches Recht

6        § 53 Abs. 1 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 9. September 1965 (BGBl. 1965 I S. 1273) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: UrhG) bestimmt:

„Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. Der zur Vervielfältigung Befugte darf die Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt.“

7        § 54 Abs. 1 UrhG sieht vor:

„Lässt die Art des Werkes eine nach § 53 Absatz 1 oder 2 oder den §§ 60a bis 60f erlaubte Vervielfältigung erwarten, so hat der Urheber des Werkes gegen den Hersteller von Geräten und von Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme solcher Vervielfältigungen benutzt wird, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung.“

8        In § 87 UrhG heißt es:

„(1)       Das Sendeunternehmen hat das ausschließliche Recht,

2.      seine Funksendung auf Bild- oder Tonträger aufzunehmen, Lichtbilder von seiner Funksendung herzustellen sowie die Bild- oder Tonträger oder Lichtbilder zu vervielfältigen und zu verbreiten, ausgenommen das Vermietrecht,

(4)      § 10 Abs. 1 sowie die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 mit Ausnahme des § 47 Abs. 2 Satz 2 und des § 54 Abs. 1 gelten entsprechend.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9        Corint Media ist eine Verwertungsgesellschaft, die Urheber- und Leistungsschutzrechte privater Fernseh- und Hörfunksender wahrnimmt. In diesem Zusammenhang schüttet sie die Erlöse der Leermedienabgabe an die Sendeunternehmen aus.

10      Seven.One ist ein Sendeunternehmen, das ein privates, werbefinanziertes Fernsehprogramm veranstaltet und bundesweit ausstrahlt.

11      Zwischen den Parteien besteht ein Wahrnehmungsvertrag, der die ausschließliche Ausübung und Auswertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Seven.One für dieses Programm durch Corint Media regelt. In diesem Zusammenhang hat Seven.One von Corint Media gemäß diesem Vertrag u. a. die Zahlung eines Ausgleichs im Rahmen der Leermedienabgabe verlangt. Corint Media kann dieser Forderung jedoch nicht nachkommen, da § 87 Abs. 4 UrhG die Sendeunternehmen vom Anspruch auf einen gerechten Ausgleich ausschließt.

12      Das vorlegende Gericht hat Zweifel an der Vereinbarkeit dieser nationalen Regelung mit dem Unionsrecht. Es weist zunächst darauf hin, dass der gerechte Ausgleich gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 an die von der Privatkopieausnahme betroffenen Inhaber des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts zu zahlen sei, zu denen die Sendeunternehmen zählten. Die Bestimmung sehe eine Beschränkung des gerechten Ausgleichs zulasten einzelner Rechtsinhaber nicht vor. Sodann sei der in der nationalen Regelung vorgesehene Ausschluss im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) bedenklich. Schließlich beeinträchtige der Ausschluss möglicherweise die Rundfunkfreiheit gemäß Art. 11 der Charta.

13      Unter diesen Umständen hat das Landgericht Erfurt (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist die Richtlinie 2001/29/EG dahin gehend auszulegen, dass Sendeunternehmen unmittelbar und originär Berechtigte des im Rahmen der sogenannten Privatkopieausnahme vorgesehenen Anspruchs auf gerechten Ausgleich gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG sind?

2.      Können Sendeunternehmen im Hinblick auf ihr Recht aus Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2001/29/EG vom Anspruch auf gerechten Ausgleich gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG ausgeschlossen werden, weil ihnen auch in ihrer Eigenschaft als Filmhersteller ein Anspruch auf gerechten Ausgleich gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG zustehen kann?

3.      Wenn Frage 2 bejaht wird:

Ist der pauschale Ausschluss der Sendeunternehmen zulässig, obwohl Sendeunternehmen abhängig von ihrer konkreten Programmgestaltung teilweise nur in sehr geringem Umfang Filmherstellerrechte erwerben (insbesondere Fernsehprogramme mit einem hohen Anteil an von Dritten lizenzierten Programmen), teilweise keinerlei Filmherstellerrechte erwerben (insbesondere Veranstalter von Hörfunkprogrammen)?

 Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

14      Mit Schriftsatz, der am 26. Juli 2023 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat Seven.One beantragt, das mündliche Verfahren nach Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs wiederzueröffnen.

15      Seven.One hat geltend gemacht, dass die Schlussanträge des Generalanwalts einer eingehenderen Erörterung, um nicht zu sagen einer Richtigstellung, bedürften. Insbesondere sei zum einen das ausschließliche Recht der Sendeunternehmen, die Vervielfältigung der Aufzeichnungen ihrer Sendungen gemäß Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2001/29 zu erlauben, genauso zu behandeln wie das ausschließliche Recht dieser Unternehmen nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. 2006, L 376, S. 28), die Aufzeichnung ihrer Sendungen zu erlauben oder zu verbieten. Zum anderen könne die Beurteilung des den Sendeunternehmen durch die Privatkopie entstehenden Schadens nicht der Würdigung des nationalen Gerichts überlassen werden.

16      Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und seine Verfahrensordnung keine Möglichkeit für die in Art. 23 der Satzung bezeichneten Beteiligten vorsehen, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (Urteil vom 9. Juni 2022, Préfet du Gers und Institut national de la statistique et des études économiques, C‑673/20, EU:C:2022:449, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Zum anderen stellt der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Es handelt sich somit nicht um eine an die Richter oder die Parteien gerichtete Stellungnahme, die von einer Behörde außerhalb des Gerichtshofs herrührt, sondern um die individuelle, begründete und öffentlich dargelegte Auffassung eines Mitglieds des Organs selbst. Die Schlussanträge des Generalanwalts können daher von den Parteien nicht erörtert werden. Der Gerichtshof ist weder an diese Schlussanträge noch an deren Begründung gebunden. Dass ein Beteiligter nicht mit den Schlussanträgen des Generalanwalts einverstanden ist, kann folglich unabhängig von den darin untersuchten Fragen für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom 9. Juni 2022, Préfet du Gers und Institut national de la statistique et des études économiques, C‑673/20, EU:C:2022:449, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18      Zwar kann der Gerichtshof gemäß Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält, wenn eine Partei nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist, oder wenn ein zwischen den Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist.

19      Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof jedoch nach Anhörung des Generalanwalts der Auffassung, dass er über alle erforderlichen Angaben verfügt, um über das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen zu entscheiden. Die von Seven.One zur Stützung ihres Antrags auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens vorgebrachten Gesichtspunkte stellen keine neuen Tatsachen dar, die für die vom Gerichtshof zu erlassende Entscheidung von Bedeutung wären.

20      Demnach ist das mündliche Verfahren nicht wiederzueröffnen.

 Zu den Vorlagefragen

21      Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die Sendeunternehmen, deren Aufzeichnungen der Sendungen von natürlichen Personen zum privaten Gebrauch und nicht zu kommerziellen Zwecken vervielfältigt werden, vom Anspruch auf einen gerechten Ausgleich im Sinne dieser Bestimmung ausschließt.

22      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, sowie gegebenenfalls ihre Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen (Urteil vom 19. Dezember 2019, Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers, C‑263/18, EU:C:2019:1111, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Art. 2 der Richtlinie verankerte ausschließliche Vervielfältigungsrecht vorsehen können, und zwar in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Inhaber des ausschließlichen Rechts einen gerechten Ausgleich erhalten.

24      In diesem Zusammenhang ergibt sich aus Art. 2 Buchst. e ausdrücklich, dass die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden, wie die anderen unter Buchst. a bis d genannten Rechtsinhaber über das ausschließliche Recht verfügen, „die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten“.

25      Somit ergibt sich aus der Zusammenschau von Art. 2 Buchst. e und Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29, dass den Sendeunternehmen, die Inhaber eines ausschließlichen Vervielfältigungsrechts sind, in den Mitgliedstaaten, die die Ausnahme für Privatkopien umgesetzt haben, grundsätzlich der Anspruch auf einen gerechten Ausgleich zuerkannt werden muss, wenn die Vervielfältigung der Aufzeichnungen ihrer Sendungen durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke erfolgt.

26      Als Zweites wird diese wörtliche Auslegung durch den Kontext, in den sich die Bestimmungen einfügen, und durch die Entstehungsgeschichte der Richtlinie 2001/29 gestützt.

27      Somit ist zum einen festzustellen, dass Art. 2 Buchst. a bis e der Richtlinie 2001/29, der das ausschließliche Vervielfältigungsrecht der verschiedenen Kategorien von Rechtsinhabern regelt, diese Kategorien nicht unterschiedlich behandelt. In diesem Zusammenhang geht außerdem aus der Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vom 10. Dezember 1997 (COM[97] 628 final), der der Richtlinie 2001/29 zugrunde liegt, hervor, dass der in Art. 2 der Richtlinie gewählte Ansatz allen Urhebern, ausübenden Künstlern, Tonträger- und Filmherstellern sowie den Sendeunternehmen das gleiche Schutzniveau für ihre Werke oder anderen Schutzgegenstände in Bezug auf die vom Vervielfältigungsrecht geschützten Handlungen garantiert.

28      Zum anderen geht aus dem 35. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 hervor, dass in bestimmten Ausnahmefällen Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten sollten, damit ihnen die Nutzung ihrer geschützten Werke oder sonstigen Schutzgegenstände angemessen vergütet wird. Im Übrigen folgt aus Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29, dass die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie genannte Ausnahme nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden darf, in denen die normale Verwertung des Werks nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.

29      Somit erlegen diese Bestimmungen – denen sonst jede praktische Wirksamkeit genommen würde – dem Mitgliedstaat, der die Ausnahme für Privatkopien eingeführt hat, auf, dass er im Rahmen seiner Zuständigkeiten eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs gewährleisten muss, der dazu bestimmt ist, den Rechtsinhabern den erlittenen Schaden insbesondere dann zu ersetzen, wenn er im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats entstanden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2022, Ametic, C‑263/21, EU:C:2022:644, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Als Drittes wird diese Auslegung durch das Ziel, das mit den in Rede stehenden Bestimmungen verfolgt wird, bestätigt.

31      Zum einen bestimmen die Erwägungsgründe 4 und 9 der Richtlinie 2001/29, dass die Richtlinie durch die Wahrung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des geistigen Eigentums substantielle Investitionen in Kreativität und Innovation einschließlich der Netzinfrastruktur fördert und somit zu Wachstum und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beiträgt und dass jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte von einem hohen Schutzniveau ausgehen muss, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind.

32      Was zum anderen insbesondere das mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie verfolgte Ziel betrifft, ist den Erwägungsgründen 35 und 38 der Richtlinie zu entnehmen, dass diese Bestimmung den Willen des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck bringt, ein besonderes Ausgleichssystem zu schaffen, das eingreift, wenn den Rechtsinhabern ein Schaden entsteht, der grundsätzlich eine Verpflichtung zur Vergütung oder zum Ausgleich begründet (Urteile vom 24. März 2022, Austro-Mechana, C‑433/20, EU:C:2022:217, Rn. 37, und vom 8. September 2022, Ametic, C‑263/21, EU:C:2022:644, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Die Anfertigung einer Kopie durch eine zu privaten Zwecken handelnde natürliche Person ist nämlich eine Handlung, die einen Schaden für den betreffenden Rechtsinhaber begründen kann, da sie ohne vorherige Genehmigung dieses Rechtsinhabers vorgenommen wird (Urteil vom 29. November 2017, VCAST, C‑265/16, EU:C:2017:913, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Im Licht des Vorstehenden ist festzustellen, dass den in Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2001/29 genannten Sendeunternehmen wie den anderen, ausdrücklich in Art. 2 genannten Rechtsinhabern, in den Mitgliedstaaten, die die Ausnahme für Privatkopien umgesetzt haben, grundsätzlich der in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie geregelte Anspruch auf einen gerechten Ausgleich zuerkannt werden muss.

35      Da die Bestimmungen der Richtlinie 2001/29 auch keine genaueren Angaben zu den verschiedenen Elementen des Systems des gerechten Ausgleichs enthalten, verfügen die Mitgliedstaaten bei ihrer Festlegung über ein weites Ermessen. Insbesondere bestimmen sie, welche Personen diesen Ausgleich zu zahlen haben, und legen dessen Form, Einzelheiten und Höhe fest (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. März 2022, Austro-Mechana, C‑433/20, EU:C:2022:217, Rn. 41 und vom 8. September 2022, Ametic, C‑263/21, EU:C:2022:644, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Bei der Festlegung der Form, der Einzelheiten und der etwaigen Höhe dieses gerechten Ausgleichs sollten die Mitgliedstaaten, wie sich aus dem 35. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 ergibt, die besonderen Umstände eines jeden Falls und insbesondere den sich aus der betreffenden Handlung für die Rechtsinhaber ergebenden etwaigen Schaden berücksichtigen. Darüber hinaus wird in diesem Erwägungsgrund ausgeführt, dass in bestimmten Situationen, in denen dem Rechtsinhaber nur ein geringfügiger Nachteil entstünde, sich gegebenenfalls keine Zahlungsverpflichtung ergeben kann.

37      Nach gefestigter Rechtsprechung müssen der gerechte Ausgleich sowie folglich die ihm zugrunde liegende Regelung und seine Höhe einen Bezug zu dem Schaden haben, der den Rechtsinhabern aufgrund der Herstellung der Privatkopien entstanden ist. Aus dem 31. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 ergibt sich nämlich, dass ein angemessener Ausgleich zwischen den Rechtsinhabern und den Nutzern von Schutzgegenständen gesichert werden muss, so dass jeder gerechte Ausgleich, der keinen Bezug zu dem Schaden hat, der den Rechtsinhabern aufgrund der Erstellung der Privatkopien entstanden ist, nicht mit dem in diesem Erwägungsgrund aufgestellten Erfordernis vereinbar wäre (Urteile vom 11. Juli 2013, Amazon.com International Sales u. a., C‑521/11, EU:C:2013:515, Rn. 62, sowie vom 24. März 2022, Austro-Mechana, C‑433/20, EU:C:2022:217, Rn. 49 und 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten, ebenso wie es ihnen freisteht, die eine oder andere der in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 genannten Ausnahmen vorzusehen, zu denen die Ausnahme für Privatkopien zählt, wie der 35. Erwägungsgrund dieser Richtlinie bekräftigt, die Möglichkeit haben, in bestimmten Situationen, die unter die von ihnen aufgrund ihrer freien Entscheidung eingeführten Ausnahmen fallen, eine Befreiung von der Zahlung des gerechten Ausgleichs dann vorzusehen, wenn den Rechtsinhabern nur ein geringfügiger Nachteil entsteht (Urteil vom 5. März 2015, Copydan Båndkopi, C‑463/12, EU:C:2015:144, Rn. 59 und 60).

39      Für die Bestimmung des Schadens lässt sich der Rechtsprechung des Gerichtshofs zwar entnehmen, dass die Festlegung eines Schwellenwerts, unterhalb dessen der Nachteil als geringfügig im Sinne des Erwägungsgrundes eingestuft werden kann, in den Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten fallen muss (Urteil vom 5. März 2015, Copydan Båndkopi, C‑463/12, EU:C:2015:144, Rn. 61).

40      Jedoch müssen die Mitgliedstaaten bei der Anwendung des Schwellenwerts den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten, der einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, der in Art. 20 der Charta niedergelegt ist (Urteil vom 5. März 2015, Copydan Båndkopi, C‑463/12, EU:C:2015:144, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Zunächst ist im vorliegenden Fall in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 30 seiner Schlussanträge erstens festzustellen, dass es unerheblich ist, dass, wie von der deutschen Regierung zur Rechtfertigung des Ausschlusses aller Sendeunternehmen vom Anspruch auf einen gerechten Ausgleich vorgetragen wurde, manchen von ihnen, die zugleich Filmhersteller sind, bereits ein gerechter Ausgleich gewährt wurde.

42      Zum einen ist nämlich der Gegenstand des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts der verschiedenen Rechtsinhaber nicht identisch. Während Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2001/29 den Herstellern der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen das ausschließliche Recht einräumt, die Vervielfältigung des Originals und der Vervielfältigungsstücke ihrer Filme zu erlauben und die organisatorische und wirtschaftliche Leistung der Hersteller schützt, räumt Art. 2 Buchst. e den Sendeunternehmen das ausschließliche Vervielfältigungsrecht in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen ein und schützt die für die Sendung zu erbringende technische Leistung. Daraus folgt, dass die den Inhabern durch die Privatkopie entstandenen Schäden auch nicht identisch sind.

43      Zum anderen kann, wie sich aus den Akten ergibt, die Eigenschaft der Sendeunternehmen als Filmhersteller variieren, je nachdem, ob sie ihre Sendungen mit eigenen Material- und Personalressourcen herstellen, von Vertragspartnern auf Bestellung hergestellte Sendungen übertragen oder von Dritten hergestellte Sendungen unter Lizenz übertragen.

44      Zweitens müssen das in den Rn. 37 und 40 des vorliegenden Urteils genannte System, das dem gerechten Ausgleich zugrunde liegt, und seine Höhe einen Bezug zu dem Schaden haben, der den Rechtsinhabern aufgrund der Herstellung der Privatkopien entstanden ist, und den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten, der in Art. 20 der Charta niedergelegt ist.

45      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass dieser Grundsatz verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist. Eine unterschiedliche Behandlung ist gerechtfertigt, wenn sie auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, d. h., wenn sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der betreffenden Regelung verfolgt wird, und wenn diese unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu dem mit der betreffenden Behandlung verfolgten Ziel steht (Urteile vom 16. Dezember 2008, Huber, C‑524/06, EU:C:2008:724, Rn. 75, und vom 4. Mai 2023, Glavna direktsia „Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto“ [Nachtarbeit], C‑529/21 bis C‑536/21 und C‑732/21 bis C‑738/21, EU:C:2023:374, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Hierzu ist unter Berücksichtigung der in den Rn. 23 bis 34 des vorliegenden Urteils angestellten Erwägungen festzustellen, dass sich die in Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2001/29 genannten Sendeunternehmen in einer mit den anderen in diesem Artikel genannten Rechtsinhabern vergleichbaren Situation befinden, da allen Rechtsinhabern das dort genannte ausschließliche Vervielfältigungsrecht gewährt wird.

47      Eine unterschiedliche Behandlung der Sendeunternehmen und der anderen Rechtsinhaber muss daher auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruhen und in angemessenem Verhältnis zu dem mit der betreffenden Behandlung verfolgten Ziel stehen.

48      Dass der Kategorie von Rechtsinhabern, die aus den Sendeunternehmen besteht, durch die Privatkopie der Aufzeichnungen ihrer Sendungen kein oder nur ein geringfügiger Nachteil entsteht, stellt insoweit im Hinblick auf die in den Rn. 36 und 37 des vorliegenden Urteils angestellten Erwägungen ein solches objektives und angemessenes Kriterium dar, das nicht über das hinausgeht, was für einen angemessenen Ausgleich zwischen den Rechtsinhabern und den Nutzern von Schutzgegenständen erforderlich ist.

49      Jedoch obliegt es dem nationalen Gericht unter Berücksichtigung der in den Rn. 38 und 39 des vorliegenden Urteils angestellten Erwägungen zum einen, anhand objektiver Kriterien sicherzustellen, dass die Sendeunternehmen im Unterschied zu den anderen in Art. 2 der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Kategorien von Rechtsinhabern durch die verbotene Vervielfältigung der Aufzeichnungen ihrer Sendungen nur einen „geringfügigen“ Nachteil erleiden. Zum anderen obliegt es ihm, ebenfalls anhand objektiver Kriterien zu prüfen, ob sich innerhalb der aus den Sendeunternehmen bestehenden Kategorie von Rechtsinhabern alle Sendeunternehmen, insbesondere im Hinblick auf den Nachteil, den sie erleiden, in einer vergleichbaren Situation befinden, was den Ausschluss aller Sendeunternehmen vom Anspruch auf einen gerechten Ausgleich rechtfertigen würde.

50      Nur unter dieser doppelten Voraussetzung erfüllt nämlich eine nationale Regelung, die alle Sendeunternehmen von dem gerechten Ausgleich ausschließt, die Anforderungen von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29.

51      In diesem Zusammenhang sind sich die Beteiligten, die schriftliche Erklärungen abgegeben haben, weder über Art und Umfang des Nachteils, der den Sendeunternehmen durch die Privatkopie der Aufzeichnungen ihrer Sendungen entsteht, noch über die Vergleichbarkeit der Situationen der Unternehmen einig, die davon abhängt, ob die Unternehmen eine öffentliche Finanzierung erhalten oder nicht.

52      Wie der Generalanwalt in Nr. 26 der Schlussanträge im Wesentlichen festgestellt hat, sind das Vorliegen und der Umfang des etwaigen den Sendeunternehmen entstandenen Nachteils sowie die Prüfung der Vergleichbarkeit der Situationen, in denen sich die eventuell unterscheidenden Kategorien von Sendeunternehmen befinden, eine Tatsachenfrage, mit der sich das vorlegende Gericht zu befassen hat.

53      Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die Sendeunternehmen, deren Aufzeichnungen der Sendungen von natürlichen Personen zum privaten Gebrauch und nicht zu kommerziellen Zwecken vervielfältigt werden, vom Anspruch auf einen gerechten Ausgleich im Sinne dieser Bestimmung ausschließt, soweit die Sendeunternehmen einen potenziellen Schaden erleiden, der nicht nur „geringfügig“ ist.

 Kosten

54      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung entgegensteht, die Sendeunternehmen, deren Aufzeichnungen der Sendungen von natürlichen Personen zum privaten Gebrauch und nicht zu kommerziellen Zwecken vervielfältigt werden, vom Anspruch auf einen gerechten Ausgleich im Sinne dieser Bestimmung ausschließt, soweit die Sendeunternehmen einen potenziellen Schaden erleiden, der nicht nur „geringfügig“ ist.

Arabadjiev

von Danwitz

Xuereb

Kumin

 

Ziemele

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. November 2023.

Der Kanzler

 

Der Kammerpräsident

A. Calot Escobar

 

A. Arabadjiev


*      Verfahrenssprache: Deutsch.