Language of document : ECLI:EU:C:2024:55

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

18. Januar 2024(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 63 AEUV – Freier Kapitalverkehr – Beschränkungen – Erwerb landwirtschaftlicher Flächen in einem Mitgliedstaat – Verpflichtung des Erwerbers, seit mehr als fünf Jahren Gebietsansässiger zu sein“

In der Rechtssache C‑562/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Rayonen sad Burgas (Rayongericht Burgas, Bulgarien) mit Entscheidung vom 15. August 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 25. August 2022, in dem Verfahren

JD

gegen

OB

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Piçarra sowie der Richter M. Safjan (Berichterstatter) und M. Gavalec,

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Mataija, G. von Rintelen und I. Zaloguin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18, 49, 63 und 345 AEUV sowie des Art. 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen JD, einem österreichischen Staatsangehörigen, und OB, einem bulgarischen Staatsangehörigen, wegen eines Antrags auf Nichtigerklärung von angeblich fiktiven Verträgen über den Ankauf landwirtschaftlicher Flächen in Bulgarien.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel [63 AEUV] (ABl. 1988, L 178, S. 5) bestimmt:

„Unbeschadet der nachstehenden Bestimmungen beseitigen die Mitgliedstaaten die Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Gebietsansässigen in den Mitgliedstaaten. Zur Erleichterung der Durchführung dieser Richtlinie wird der Kapitalverkehr entsprechend der Nomenklatur in Anhang I gegliedert.“

4        Wie sich aus Punkt II A der Nomenklatur in Anhang I der Richtlinie 88/361 ergibt, umfasst der unter die Nomenklatur fallende Kapitalverkehr „Immobilieninvestitionen von Gebietsfremden im Inland“.

5        Im Abschnitt „Begriffsbestimmungen“ dieser Nomenklatur heißt es:

„Im Sinne dieser Nomenklatur und ausschließlich zur Anwendung der Richtlinie gelten als:

Immobilieninvestitionen

Der Kauf von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie der Bau von Gebäuden zu Erwerbszwecken oder persönlichen Zwecken durch Privatpersonen. Diese Kategorie umfasst auch die Nießbrauchsrechte, Grunddienstbarkeiten und Erbbaurechte.

…“

 Bulgarisches Recht

6        Art. 3c Abs. 1 des Zakon za sobstvenostta i polzvaneto na zemedelskite zemi (Gesetz über das Eigentum und die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen, im Folgenden: ZSPZZ) sieht vor:

(1)      Natürliche und juristische Personen, die seit mehr als fünf Jahren in Bulgarien wohnen oder niedergelassen sind, können Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen in Bulgarien erwerben.

(2)      Juristische Personen, die seit weniger als fünf Jahren nach bulgarischem Recht registriert sind, können Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen erwerben, wenn die in Abs. 1 genannten Erfordernisse von den Gesellschaftern der Gesellschaft, den Mitgliedern der Vereinigung oder den Gründern der Aktiengesellschaft erfüllt werden.

(4)      Abs. 1 findet im Fall des Erwerbs von Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen durch gesetzliche Erbfolge keine Anwendung.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

7        In den Jahren 2004 und 2005 bot der bulgarische Staatsbürger EF, der Vater und Erblasser des Beklagten des Ausgangsverfahrens, OB, ist, dem österreichischen Staatsbürger JD an, an drei verschiedenen landwirtschaftlichen Flächen in Bulgarien (im Folgenden: in Rede stehende landwirtschaftliche Flächen) gemeinsam mit anderen Personen ideelle Anteile zu erwerben.

8        JD nahm dieses Angebot an und zahlte für den Erwerb der ideellen Anteile an den in Rede stehenden landwirtschaftlichen Flächen 51 000 Euro zuzüglich 9 000 Euro Transaktionskosten. EF teilte JD mit, dass aufgrund des seinerzeit im bulgarischen Recht für Ausländer geltenden Verbots, Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen in Bulgarien zu erwerben, in den notariellen Verträgen über den Erwerb der in Rede stehenden landwirtschaftlichen Flächen für die ideellen Anteile von JD der Name von EF als Erwerber angegeben werden müsse, wobei aber JD der tatsächliche Erwerber sei. EF wies außerdem darauf hin, dass die ideellen Anteile nach dem Wegfall dieses Verbots im bulgarischen Recht offiziell mit notarieller Urkunde an JD übertragen würden.

9        Der Verkauf der in Rede stehenden landwirtschaftlichen Flächen an die verschiedenen Miteigentümer war Gegenstand von drei in den Jahren 2004 und 2005 geschlossenen notariellen Verträgen, in denen der Name von EF als Erwerber der ideellen Anteile genannt wird, die an JD fallen sollten.

10      Im Jahr 2006 gab EF für jede der in Rede stehenden landwirtschaftlichen Flächen eine notariell beglaubigte, eidesstattliche Erklärung des Inhalts ab, dass JD der tatsächliche Eigentümer dieser ideellen Anteile sei.

11      Am 3. April 2021 verstarb EF und hinterließ als einzigen Erben seinen Sohn OB.

12      Mit seiner Klage beim Rayonen sad Burgas (Rayongericht Burgas, Bulgarien), dem vorlegenden Gericht, möchte JD zum einen feststellen lassen, dass er der tatsächliche Eigentümer dieser ideellen Anteile ist, und zum anderen, dass die Verträge über den Verkauf der in Rede stehenden landwirtschaftlichen Flächen nichtig sind. Zu letzterem Punkt macht JD geltend, diese Verträge seien fiktiv, da er nach den eidesstattlichen Erklärungen von EF, der nur als Strohmann gehandelt habe, als der tatsächliche Eigentümer anzusehen sei.

13      OB macht geltend, dass die Strohmanneigenschaft seines Vaters durch die von JD erwähnten Erklärungen nicht belegt werden könne, da sie nicht von beiden Vertragsparteien, also JD und EF, unterzeichnet worden seien.

14      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass nach den geltenden bulgarischen Rechtsvorschriften, insbesondere Art. 3c ZSPZZ, nur natürliche und juristische Personen, die seit mehr als fünf Jahren in Bulgarien wohnen oder dort niedergelassen sind, Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen in diesem Mitgliedstaat erwerben können.

15      In der vorliegenden Rechtssache müsse es darüber entscheiden, ob die drei von EF geschlossenen Kaufverträge fiktiv seien und, falls ja, ob die durch diese drei Verträge verdeckte Vereinbarung Vorrang haben und Wirkung entfalten müsse. Hierfür müsse es nach der derzeit geltenden nationalen Regelung prüfen, dass die Voraussetzungen für die Gültigkeit der verdeckten Vereinbarung erfüllt seien, wobei eine dieser Voraussetzungen darin bestehe, dass der Käufer berechtigt sein müsse, landwirtschaftliche Flächen in Bulgarien zu erwerben. Diese Voraussetzung sei aber nicht gegeben, weil JD nicht die in Art. 3c ZSPZZ aufgestellte Voraussetzung der Gebietsansässigkeit erfülle.

16      Im selben Zusammenhang stelle sich die Frage, ob Art. 3c ZSPZZ gegen Unionsrecht verstoße, da er eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs darstelle, die in Art. 49 bzw. Art. 63 AEUV verankert seien. Der Beantwortung dieser Frage bedürfe es umso mehr, als die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Bulgarien eingeleitet habe, das u. a. diese Bestimmung des bulgarischen Rechts betreffe.

17      Unter diesen Umständen hat der Rayonen sad Burgas (Rayongericht Burgas) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Unter Zugrundelegung von Art. 19 Abs. 3 Buchst. b EUV und Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV: Stellen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften der Republik Bulgarien als Mitgliedstaat der Europäischen Union, wonach der Erwerb von Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen in Bulgarien von der Voraussetzung einer Gebietsansässigkeit von fünf Jahren im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats abhängt, eine Beschränkung dar, die gegen die Art. 18, 49, 63 und 345 AEUV verstößt?

2.      Konkreter, stellt die genannte Voraussetzung für den Eigentumserwerb eine unverhältnismäßige Maßnahme dar, die dem Grunde nach gegen das Diskriminierungsverbot gemäß Art. 18 AEUV und die in den Art. 49 und 63 AEUV sowie in Art. 45 der Charta der Grundrechte verankerten Grundsätze des freien Kapitalverkehrs und der Niederlassungsfreiheit innerhalb der Union verstößt?

 Zu den Vorlagefragen

18      Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 18, 49, 63 und 345 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, wonach der Erwerb von Eigentum an in seinem Hoheitsgebiet belegenen landwirtschaftlichen Flächen davon abhängt, dass der Erwerber seit mehr als fünf Jahren Gebietsansässiger ist.

 Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

19      Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gerichtshof für die Auslegung des Unionsrechts in Bezug auf seine Anwendung in einem neuen Mitgliedstaat ab dem Zeitpunkt des Beitritts dieses Staates zur Union zuständig (Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth, C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Kaufverträge über die in Rede stehenden landwirtschaftlichen Flächen 2004 und 2005 geschlossen wurden, d. h., bevor die Republik Bulgarien am 1. Januar 2007 der Union beigetreten ist. Auch die eidesstattlichen Erklärungen von EF aus dem Jahr 2006 wurden vor dem Beitritt abgegeben.

21      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht jedoch hervor, dass das vorlegende Gericht aufgrund der Anforderungen der bulgarischen Regelung veranlasst sein könnte, die Gültigkeit der verdeckten Vereinbarung im Hinblick auf die nationalen Rechtsvorschriften zu prüfen, die zu dem Zeitpunkt in Kraft sind, zu dem es über die Klage zu entscheiden hat. Im vorliegenden Fall hätte es daher den 2014 erlassenen Art. 3c ZSPZZ anzuwenden. In einer solchen Situation könnten die Eigentumsrechte von JD somit durch eine nach dem Beitritt der Republik Bulgarien zur Union eingeführte Rechtsvorschrift anerkannt werden.

22      Weiter ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass nur die Anwendung der derzeit geltenden nationalen Regelung JD ein Eigentumsrecht verschaffen könnte, da die bulgarische Regelung vor dem Erlass von Art. 3c ZSPZZ jeder ausländischen natürlichen oder juristischen Person den Erwerb von Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen in Bulgarien untersagt hat.

23      Demnach bezieht sich die Frage des vorlegenden Gerichts auf die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung, die von einem Mitgliedstaat nach seinem Beitritt zur Union erlassen wurde und Rechtswirkungen auf vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene Kaufverträge und abgegebene Erklärungen haben kann, mit dem Unionsrecht.

24      Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefragen zuständig.

 Zur Beantwortung der Vorlagefragen

 Zur Anwendbarkeit des die Niederlassungsfreiheit betreffenden Art. 49 AEUV und/oder des den freien Kapitalverkehr betreffenden Art. 63 AEUV auf den Ausgangsrechtsstreit

25      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der vom vorlegenden Gericht in seinen Vorlagefragen angeführte Art. 18 AEUV als eigenständige Grundlage nur auf unionsrechtlich geregelte Fallgestaltungen angewendet werden kann, für die der AEU-Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht. Dieser Vertrag sieht jedoch ein solches in Art. 49 AEUV im Bereich der Niederlassungsfreiheit und in Art. 63 AEUV im Bereich des freien Kapitalverkehrs vor, so dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung nicht im Hinblick auf Art. 18 AEUV zu prüfen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Februar 2014, Hervis Sport- és Divatkereskedelmi, C‑385/12, EU:C:2014:47, Rn. 25 und 26, sowie vom 30. April 2020, Société Générale, C‑565/18, EU:C:2020:318, Rn. 16).

26      Was sodann Art. 345 AEUV angeht, auf den das vorlegende Gericht in seinen Vorlagefragen ebenfalls Bezug nimmt, so bringt dieser zwar den Grundsatz der Neutralität der Verträge gegenüber der Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten zum Ausdruck. Doch führt dieser Artikel nicht dazu, dass die in den Mitgliedstaaten bestehenden Eigentumsordnungen den Grundregeln des AEU-Vertrags entzogen sind. Dieser Artikel stellt somit zwar nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten in Frage, eine Regelung für den Erwerb von Grundeigentum zu schaffen, die spezielle Maßnahmen für Transaktionen vorsieht, die landwirtschaftliche Flächen betreffen, aber auch für eine solche Regelung gelten u. a. das Diskriminierungsverbot sowie die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth, C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157, Rn. 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Nach diesen Klarstellungen ist darauf hinzuweisen, dass die Vorlagefragen sich sowohl auf die in Art. 49 AEUV verankerte Niederlassungsfreiheit als auch auf den durch Art. 63 AEUV gewährleisteten freien Kapitalverkehr beziehen. Folglich ist zu klären, um welche Freiheit es im Ausgangsrechtsstreit geht; dabei ist auf den Gegenstand der dort in Rede stehenden nationalen Regelung abzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth, C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157, Rn. 52 und 53 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, Art. 3c ZSPZZ, hat zum Gegenstand, das Recht gebietsfremder natürlicher und juristischer Personen auf den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen in Bulgarien einschränkend zu regeln. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Recht, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Immobilien zu erwerben, zu nutzen und darüber zu verfügen, wenn es ergänzend zum Niederlassungsrecht ausgeübt wird, zu Kapitalverkehr führt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth, C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157, Rn. 54 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Auch wenn im vorliegenden Fall Art. 3c ZSPZZ a priori unter die beiden vom vorlegenden Gericht angesprochenen Grundfreiheiten fallen kann, würden etwaige aus ihm resultierende Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit im Kontext des Ausgangsverfahrens eine unvermeidliche Folge der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen und rechtfertigen damit keine eigenständige Prüfung dieser nationalen Regelung anhand von Art. 49 AEUV (vgl. entsprechend Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth, C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157, Rn. 55 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Der Kapitalverkehr umfasst u. a. Vorgänge, durch die Personen im Gebiet eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ihren Wohnsitz haben, Investitionen in Immobilien tätigen; dies ergibt sich aus der Nomenklatur für den Kapitalverkehr in Anhang I der Richtlinie 88/361, die ihren Hinweischarakter für die Definition des Begriffs des Kapitalverkehrs behält (Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth, C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157, Rn. 56 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Unter diesen Begriff fallen u. a. Immobilieninvestitionen, die den Erwerb von Eigentumsrechten an landwirtschaftlichen Flächen betreffen, wie sich insbesondere der Angabe in den Begriffsbestimmungen dieser Nomenklatur entnehmen lässt, wonach die Kategorie der von ihr erfassten Immobilieninvestitionen „den Kauf von bebauten und unbebauten Grundstücken“ einschließt.

32      Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass der Ausgangsrechtsstreit die Frage des Erwerbs von Eigentumsrechten an landwirtschaftlichen Flächen im Hoheitsgebiet der Republik Bulgarien durch einen Gebietsfremden, nämlich einen österreichischen Staatsangehörigen, betrifft.

33      Da diese Situation unter den freien Kapitalverkehr im Sinne von Art. 63 AEUV fällt, ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung ausschließlich im Hinblick auf diese Freiheit zu prüfen.

 Zum Vorliegen einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs

34      Nach ständiger Rechtsprechung verbietet Art. 63 Abs. 1 AEUV ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten. Zu den Maßnahmen, die diese Bestimmung als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, gehören solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die in diesem Mitgliedstaat Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (Urteil vom 29. April 2021, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö [Einkünfte aus OGAW], C‑480/19, EU:C:2021:334, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Es ist festzustellen, dass die in Art. 3c ZSPZZ vorgesehene Voraussetzung der Gebietsansässigkeit eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt (vgl. entsprechend Urteil vom 25. Januar 2007, Festersen, C‑370/05, EU:C:2007:59, Rn. 25). Diese nationale Regelung ist zudem geeignet, Gebietsfremde von Investitionen in Bulgarien abzuhalten (vgl. entsprechend Urteil vom 21. Mai 2019, Kommission/Ungarn [Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen], C‑235/17, EU:C:2019:432, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Diese nationale Regelung führt daher eine Beschränkung des durch Art. 63 AEUV gewährleisteten freien Kapitalverkehrs ein.

 Zur Rechtfertigung der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs

37      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, die den freien Kapitalverkehr beschränkt, nur dann zulässig, wenn sie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig ist, was bedeutet, dass sie geeignet sein muss, die Erreichung des mit ihr verfolgten legitimen Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen darf, was hierzu erforderlich ist (vgl. Urteil vom 21. Mai 2019, Kommission/Ungarn [Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen], C‑235/17, EU:C:2019:432, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Insoweit ist außerdem darauf hinzuweisen, dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Erreichung des angeführten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Mai 2019, Kommission/Ungarn [Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen], C‑235/17, EU:C:2019:432, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Was im vorliegenden Fall die mit Art. 3c ZSPZZ verfolgten Ziele betrifft, enthält das Vorabentscheidungsersuchen hierzu keine genauen Angaben. Nach einem Auskunftsersuchen des Gerichtshofs an das vorlegende Gericht hat dieses mitgeteilt, dass die nationale Bestimmung durch die Einführung von Beschränkungen für Immobilieninvestitionen in landwirtschaftliche Flächen in Bulgarien bezwecke, dass diese landwirtschaftlichen Flächen weiterhin entsprechend ihrer Zweckbestimmung genutzt werden. Spekulationsgeschäfte mit solchen landwirtschaftlichen Flächen und deren Verkauf an ausländische Investoren für andere Nutzungszwecke hätten zu einer erheblichen Verringerung des Ackerlands und damit einhergehend zu einem Verschwinden großer und kleiner landwirtschaftlicher Erzeuger in Bulgarien geführt.

40      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass zwar diese Ziele als solche im Allgemeininteresse liegen und Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs rechtfertigen können (vgl. entsprechend Urteil vom 25. Januar 2007, Festersen, C‑370/05, EU:C:2007:59, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung), dass aber diese Beschränkungen zur Erreichung der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Ziele geeignet und erforderlich sein müssen.

41      Erstens ist zur Geeignetheit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung festzustellen, dass sie nur eine Wohnsitzpflicht beinhaltet und keine Pflicht vorsieht, das Grundstück selbst zu bewirtschaften. Eine solche Maßnahme scheint daher für sich genommen nicht geeignet, die Erreichung des angeführten Ziels zu gewährleisten, dass nämlich die landwirtschaftlichen Flächen in Bulgarien weiterhin gemäß ihrer Zweckbestimmung genutzt werden (vgl. entsprechend Urteil vom 25. Januar 2007, Festersen, C‑370/05, EU:C:2007:59, Rn. 30).

42      Was das Ziel angeht, den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen zu reinen Spekulationszwecken zu unterbinden, kann die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung zwar dazu führen, die Zahl potenzieller Erwerber landwirtschaftlicher Flächen zu verringern, und ist folglich geeignet, den Druck auf diese zu reduzieren. Allerdings gewährleistet das in dieser Regelung vorgesehene Wohnsitzerfordernis als solches nicht bereits, dass die landwirtschaftlichen Flächen im Hinblick auf eine Nutzung zu landwirtschaftlichen Zwecken oder zumindest zu nicht spekulativen Zwecken erworben werden.

43      Zweitens ist jedenfalls noch zu prüfen, ob die in der nationalen Regelung vorgesehene Wohnsitzpflicht eine Maßnahme darstellt, die nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der mit dieser Regelung verfolgten Ziele erforderlich ist.

44      Im Rahmen einer solchen Prüfung ist zu berücksichtigen, dass die fragliche Pflicht nicht nur den freien Kapitalverkehr, sondern auch das Recht des Erwerbers, seinen Wohnsitz frei zu wählen, beschränkt, das ihm jedoch in Art. 2 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 zu der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet wird (vgl. entsprechend Urteil vom 25. Januar 2007, Festersen, C‑370/05, EU:C:2007:59, Rn. 35).

45      Die in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung vorgesehene Wohnsitzpflicht, die damit ein durch diese Konvention gewährleistetes Grundrecht beeinträchtigt, erweist sich infolgedessen als in besonderem Maße einschränkend (Urteil vom 25. Januar 2007, Festersen, C‑370/05, EU:C:2007:59, Rn. 37). Folglich stellt sich die Frage, ob andere Maßnahmen, die den freien Kapitalverkehr weniger als die in dieser Regelung vorgesehenen Maßnahmen beeinträchtigen, zur Erreichung der mit dieser Regelung verfolgten Ziele hätten erlassen werden können.

46      Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, können die mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung verfolgten Ziele, nämlich zum einen die Fortsetzung einer Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen gemäß ihrer Zweckbestimmung und zum anderen die Verhinderung des Erwerbs dieser Flächen zu Spekulationszwecken, durch Maßnahmen wie etwa die Einführung höherer Steuern beim Wiederverkauf von Grundstücken kurz nach deren Erwerb oder des Erfordernisses einer beträchtlichen Mindestdauer für die Pacht von landwirtschaftlichen Flächen erreicht werden (vgl. entsprechend Urteil vom 25. Januar 2007, Festersen, C‑370/05, EU:C:2007:59, Rn. 39). Eine andere Maßnahme, die den freien Kapitalverkehr in geringerem Maße beeinträchtigt, könnte die Einführung eines Vorkaufsrechts zugunsten der Pächter darstellen, die es – falls die Pächter nicht das Eigentum erwerben – die es natürlichen und juristischen Personen, deren Tätigkeit nicht in den landwirtschaftlichen Sektor fällt, erlaubt, die Flächen zu erwerben, wenn sie sich verpflichten, die landwirtschaftliche Nutzung des betreffenden Grundstücks beizubehalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. September 2003, Ospelt und Schlössle Weissenberg, C‑452/01, EU:C:2003:493, Rn. 52).

47      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist angesichts der dem Gerichtshof vorliegenden Angaben festzustellen, dass die mit Art. 3c ZSPZZ eingeführte Wohnsitzpflicht offenbar über das hinausgeht, was zur Erreichung der mit dieser nationalen Regelung verfolgten Ziele erforderlich ist.

48      Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach der Erwerb von Eigentum an in seinem Hoheitsgebiet belegenen landwirtschaftlichen Flächen davon abhängt, dass der Erwerber seit mehr als fünf Jahren Gebietsansässiger ist.

 Kosten

49      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach der Erwerb von Eigentum an in seinem Hoheitsgebiet belegenen landwirtschaftlichen Flächen davon abhängt, dass der Erwerber seit mehr als fünf Jahren Gebietsansässiger ist.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Bulgarisch.