Language of document : ECLI:EU:C:2019:469

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 6. Juni 2019(1)

Rechtssache C302/18

X

gegen

Belgische Staat

(Vorabentscheidungsersuchen des Raad voor Vreemdelingenbetwistingen [Rat für Ausländerstreitsachen, Belgien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Einwanderungspolitik – Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen – Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten – Bedingung, über ausreichende feste und regelmäßige Einkünfte zu verfügen – Eigene Einkünfte – Herkunft der Einkünfte – Von einem Dritten stammende Einkünfte – Verpflichtung zur Kostenübernahme – Richtlinie 2003/109/EG – Art. 5 Abs. 1 Buchst. a“






I.      Einleitung

1.        Das Vorabentscheidungsersuchen des Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen, Belgien) betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen(2).

2.        Mit der Richtlinie 2003/109 sollen insbesondere die Bedingungen, unter denen ein Mitgliedstaat einem Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig in seinem Hoheitsgebiet aufhält, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erteilen oder entziehen kann, festgelegt sowie den Inhabern dieser Rechtsstellung eine Reihe von Rechten gewährt werden(3). Eine der Bedingungen für die Erlangung dieser Rechtsstellung ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie, dass der Drittstaatsangehörige nachweist, dass er für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen über feste und regelmäßige Einkünfte verfügt, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen.

3.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen X und dem belgischen Staat wegen insbesondere der Zurückweisung eines Antrags auf Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten, da X über keine eigenen Einkünfte verfüge und daher nicht die Einkünftevoraussetzung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 erfülle.

4.        In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob mit der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 vorgesehenen Bedingung, über ausreichende feste und regelmäßige Einkünfte zu verfügen, nur die eigenen Einkünfte des Drittstaatsangehörigen gemeint sind oder ob darunter – unabhängig von ihrer Herkunft – auch die dem Drittstaatsangehörigen von einem Familienangehörigen oder einem Dritten zur Verfügung gestellten Einkünfte fallen. Gegebenenfalls möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine von einem Dritten oder einem Familienangehörigen wie im Ausgangsverfahren eingegangene Verpflichtung zur Kostenübernahme für den Nachweis ausreicht, dass die Einkünfte dem Antragsteller zur Verfügung stehen.

5.        Nach meiner Analyse werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, auf diese Fragen zu antworten, dass diese Bedingung keine besondere Anforderung an die Herkunft der Einkünfte enthält. Stammen die Einkünfte jedoch, wie unter den Umständen des Ausgangsverfahrens, von einem Dritten oder von einem Familienangehörigen des Antragstellers, so müssen die nationalen Behörden prüfen, ob sie ausreichend sind und eine gewisse Beständigkeit und Dauer aufweisen, so dass vernünftigerweise ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsteller Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats in Anspruch nehmen muss. Die nationalen Behörden müssen hierzu die gesamten relevanten Umstände des konkreten Falls berücksichtigen, einschließlich der hinreichend Bestimmtheit, Dauerhaftigkeit und rechtlichen Verbindlichkeit einer Verpflichtung zur Kostenübernahme durch einen Dritten oder einen Familienangehörigen des Antragstellers.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Richtlinie 2003/109

6.        Der siebte Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/109 lautet:

„Um die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zu erlangen, sollten Drittstaatsangehörige ausreichende Einkünfte und einen Krankenversicherungsschutz nachweisen, damit sie keine Last für den betreffenden Mitgliedstaat werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Drittstaatsangehörige über feste und regelmäßige Einkünfte verfügt, können die Mitgliedstaaten Faktoren wie die Entrichtung von Beiträgen in ein Alterssicherungssystem und die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen berücksichtigen.“

7.        Art. 5 („Bedingungen für die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten“) dieser Richtlinie sieht in seinem Abs. 1 Buchst. a vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten verlangen vom Drittstaatsangehörigen den Nachweis, dass er für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen über Folgendes verfügt:

a)      feste und regelmäßige Einkünfte, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen. Die Mitgliedstaaten beurteilen diese Einkünfte anhand ihrer Art und Regelmäßigkeit und können die Höhe der Mindestlöhne und ‑renten beim Antrag auf Erteilung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten berücksichtigen;“

B.      Belgisches Recht

8.        Art. 15bis § 1 der Wet van 15 december 1980 betreffende de toegang tot het grondgebied, het verblijf, de vestiging en de verwijdering van vreemdelingen (Gesetz vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern, im Folgenden: Ausländergesetz) bestimmt:

„Ausländern, die keine Unionsbürger sind, die in § 3 […] erwähnten Bedingungen erfüllen und für die fünf Jahre, die dem Antrag auf Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten unmittelbar vorausgehen, einen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Königreich nachweisen, muss die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt werden, es sei denn, es liegen Gründe der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit vor.“

9.        Art. 15bis § 3 des Ausländergesetzes, der Art. 5 der Richtlinie 2003/109 umsetzt, lautet:

„In § 1 erwähnte Ausländer müssen nachweisen, dass sie über stabile, regelmäßige und genügende Existenzmittel für sich selbst und die Familienmitglieder zu ihren Lasten verfügen, so dass die öffentlichen Behörden nicht für sie aufkommen müssen, und eine Krankenversicherung zur Deckung der Risiken in Belgien abgeschlossen haben.“

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

10.      Am 26. Juli 2007 beantragte X, der erklärte, kamerunischer Staatsangehöriger zu sein, bei den belgischen Behörden ein Visum für den längerfristigen Aufenthalt als Student. Das Studentenvisum wurde ihm erteilt und seine Aufenthaltserlaubnis wurde bis zum 15. Januar 2016 jährlich verlängert. Da er im Besitz einer Arbeitserlaubnis war, wurde ihm am 19. Januar 2016 eine bis zum 14. Januar 2017 gültige Aufenthaltserlaubnis erteilt.

11.      Am 27. Dezember 2016 stellte X einen Antrag auf Erteilung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten. Zur Stützung seines Antrags legte er als Nachweis für stabile, regelmäßige und genügende Existenzmittel im Sinne von Art. 15bis § 3 des Ausländergesetzes Arbeitsverträge, einen Steuerbescheid und Gehaltsabrechnungen, die auf den Namen seines Bruders ausgestellt waren, vor. Außerdem legte X ein von seinem Bruder unterzeichnetes Dokument vor, in dem dieser sich verpflichtete, zu gewährleisten, dass „der Betreffende gemäß Art. 15bis des [Ausländergesetzes] über stabile, regelmäßige und genügende Existenzmittel für sich selbst und die Familienmitglieder zu [seinen] Lasten [verfügt], so dass die öffentlichen Behörden nicht für sie aufkommen müssen“.

12.      Mit Bescheid vom 5. April 2017 lehnte der Vertreter des Staatssecretaris voor Asiel en Migratie en Administratieve Vereenvoudiging (Staatssekretär für Asyl und Migration, Belgien) den Antrag mit der Begründung ab, dass X über keine eigenen Einkünfte verfüge. Die Behörde stellte fest, dass X seit dem 31. Mai 2016 keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen sei, derzeit über keine Einkünfte verfüge und sich auf die Einkünfte seines Bruders berufe.

13.      X erhob beim vorlegenden Gericht Klage gegen diesen Bescheid und machte geltend, dass dem Bescheid eine fehlerhafte Auslegung der Einkünftevoraussetzung in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109, der durch Art. 15bis § 3 des Ausländergesetzes umgesetzt worden sei, zugrunde liege.

14.      Nach Auffassung von X verlangt Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 nicht, dass nur die eigenen Mittel des Antragstellers berücksichtigt werden könnten. X macht insoweit insbesondere geltend, dass die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 vorgesehene Bedingung, über ausreichende feste und regelmäßige Einkünfte zu verfügen, im Licht der Bedingung, über ausreichende Existenzmittel zu verfügen, im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten(4), ausgelegt werden müsse. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 keine Anforderungen an die Herkunft der Mittel stelle, so dass diese daher auch von einem Familienangehörigen stammen könnten(5), müsse auf Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 entsprechend angewandt werden.

15.      Unter diesen Umständen hat der Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen, Belgien) mit Entscheidung vom 14. Dezember 2017, die beim Gerichtshof am 4. Mai 2018 eingegangen ist, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

1.      Ist Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109, der (u. a.) bestimmt, dass ein Drittstaatsangehöriger für die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nachweisen muss, dass er für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen über feste und regelmäßige Einkünfte „verfügt“, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen, dahin auszulegen, dass hiermit nur „eigene Einkünfte“ des Drittstaatsangehörigen gemeint sind?

2.      Oder genügt es hierzu, dass die Einkünfte dem Drittstaatsangehörigen zur Verfügung stehen, ohne dass irgendwelche Anforderungen in Bezug auf die Herkunft dieser Einkünfte gestellt werden, so dass diese dem Drittstaatsangehörigen mithin auch von einem Familienangehörigen oder sonstigen Dritten zur Verfügung gestellt werden können?

3.      Sofern die letzte Frage bejaht wird, genügt in diesem Fall eine von einem Dritten eingegangene Verpflichtung zur Kostenübernahme, mit der dieser Dritte sich verpflichtet, zu gewährleisten, dass der Antragsteller, der die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragt, „über stabile, regelmäßige und genügende Existenzmittel für sich selbst und die Familienmitglieder zu [seinen] Lasten verfügt, so dass die öffentlichen Behörden nicht für sie aufkommen müssen“, um nachzuweisen, dass der Antragsteller über Einkünfte im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 verfügen kann?

16.      X, die belgische, die tschechische, die deutsche, die französische, die italienische und die österreichische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

IV.    Rechtliche Würdigung

17.      Mit seinen drei Vorlagefragen, die ich gemeinsam behandeln werde, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob mit der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 vorgesehenen Bedingung, über ausreichende feste und regelmäßige Einkünfte zu verfügen, nur die „eigenen Einkünfte“ des Drittstaatsangehörigen gemeint sind oder ob darunter – unabhängig von ihrer Herkunft – auch dem Drittstaatsangehörigen von einem Familienangehörigen oder einem Dritten zur Verfügung gestellte Einkünfte fallen. Gegebenenfalls möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine von einem Dritten oder einem Familienangehörigen wie im Ausgangsverfahren eingegangene Verpflichtung zur Kostenübernahme für den Nachweis ausreicht, dass die Einkünfte dem Antragsteller zur Verfügung stehen.

18.      Ich stelle fest, dass das vorlegende Gericht die in der ersten Vorlagefrage enthaltene Wendung „eigene Einkünfte“ im Vorabentscheidungsersuchen nicht definiert hat. In Anbetracht des Kontexts der Vorlagefragen und ihrer Formulierung verstehe ich sie in dem Sinne, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob Mittel, die nicht vom Antragsteller entweder durch eine von ihm ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit oder durch ein ihm zustehendes Recht(6)erzielt wurden, von der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 vorgesehenen Bedingung nicht erfasst sind.

19.      Mit anderen Worten ist die Frage zu stellen, welche Auswirkungen die Herkunft der Einkünfte auf die Erfüllung der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 festgelegten Bedingung hat.

20.      Die Auffassungen der Verfahrensbeteiligten können insoweit im Wesentlichen in drei Gruppen eingeteilt werden.

21.      Nach Ansicht von X und der Kommission ist die Herkunft der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 genannten Einkünfte nicht relevant, und grundsätzlich spreche nichts dagegen, dass eine finanzielle Unterstützung eines Dritten die in dieser Bestimmung vorgesehenen Kriterien erfüllen könne. Was eine Verpflichtung zur Kostenübernahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende anbelange, sei es Sache des vorlegenden Gerichts, u. a. zu prüfen, ob zum einen die Person, die diese Verpflichtung eingehe, tatsächlich über für ihren eigenen Lebensunterhalt und den des Antragstellers und dessen Familie ausreichende Mittel verfüge, und zum anderen, ob die Beziehung zwischen dieser Person und dem Antragsteller hinreichend beständig sei, um davon auszugehen, dass die Verpflichtung im Bedarfsfall tatsächlich erfüllt werde.

22.      Die deutsche, die französische und die österreichische Regierung gehen im Wesentlichen davon aus, dass die Richtlinie 2003/109 nicht ausschließe, dass die Einkünfte von einem Familienangehörigen der Person, die die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantrage, oder von einem Dritten stammten, sofern sie ihre Grundlage in einem rechtlich durchsetzbaren Anspruch dieses Antragstellers hätten, etwa einem Unterhaltsanspruch gegen eine andere Person oder mit dem ehelichen Güterstand des Antragstellers verbundenen Einkünften(7). Diese Regierungen leiten daraus ab, dass eine Verpflichtung zur Kostenübernahme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 erfasst sei, da eine solche Verpflichtung auf keiner gesetzlichen Verpflichtung beruhe(8).

23.      Die belgische, die italienische und die tschechische Regierung sind schließlich der Auffassung, dass es sich nur bei von der Person, die die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantrage, erzielten Einkünften um Einkünfte im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 handele(9).

24.      Ich weise darauf hin, dass die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Fragen vom Gerichtshof noch nicht geprüft worden sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt aus dem Erfordernis einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts, dass, wenn ein Unionsrechtsakt nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, um einen bestimmten Begriff zu definieren, dieser Begriff autonom auszulegen ist, wobei der Gerichtshof den Wortlaut der betreffenden Bestimmung, den Kontext, in dem sie steht, sowie die Ziele der Regelung, zu der sie gehört, berücksichtigt(10). Die Vorlagefragen sind ausgehend von diesen Erwägungen zu beantworten.

A.      Zur wörtlichen Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109

25.      Vorab weise ich darauf hin, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 seinem Wortlaut nach keine ausdrücklichen Anforderungen im Hinblick auf die Herkunft der Einkünfte enthält.

26.      Sodann weise ich darauf hin, dass eine vergleichende Prüfung der verschiedenen Sprachfassungen dieser Bestimmung erkennen lässt, dass in vielen dieser Sprachfassungen terminologische Unterschiede hinsichtlich des Begriffs „Einkünfte“ nach seinem gewöhnlichen Sinn(11) bestehen.

27.      Während nämlich einige Sprachfassungen einen weiten, als „finanzielle Mittel“(12) verstandenen Begriff verwenden, was darauf schließen lässt, dass die Herkunft dieser Mittel von untergeordneter Bedeutung ist, verwenden andere Sprachfassungen den Begriff „Einkünfte“, der eine eingeschränktere, ein Entgelt, wie etwa ein Arbeitsentgelt implizierende Bedeutung suggeriert und nahelegt, dass es sich eher um vom Antragsteller erzielte Mittel handelt(13).

28.      Angesichts dieser Unterschiede ist festzustellen, dass dem verwendeten Begriff keine eindeutige Bedeutung zukommt(14).

29.      Allerdings könnte diese engere Auslegung aufgrund der Verwendung des Begriffs „Einkünfte“ in einigen Sprachfassungen darauf gestützt werden, dass der siebte Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/109 präzisiert, dass die Mitgliedstaaten bei der Beurteilung der Frage, ob der Drittstaatsangehörige über feste und regelmäßige Einkünfte verfügt, Faktoren wie die Entrichtung von Beiträgen in ein Alterssicherungssystem oder die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen berücksichtigen können, da diese Beitragsleistungen und Zahlungen ihrer Art nach auf vom Antragsteller erzielten Einkünften beruhen.

30.      Insbesondere vor diesem Hintergrund machen die belgische, die tschechische und die italienische Regierung geltend, dass es sich nur bei vom Antragsteller erzielten Einkünften um Mittel im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 handele.

31.      Meines Erachtens steht fest, dass es sich bei vom Drittstaatsangehörigen erzielten Einkünften wie Gehältern, Einkünften aus einer Erwerbstätigkeit oder einer Altersrente um Einkünfte handelt, die aufgrund ihrer Art allgemein als Einkünfte anerkannt sind, die – wie der siebte Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/109 impliziert – die Merkmale der Beständigkeit und Regelmäßigkeit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie aufweisen.

32.      Ein solches enges Verständnis des Begriffs „Einkünfte“ ergibt sich meines Erachtens jedoch nicht eindeutig aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, der keinen eindeutigen Hinweis zur Herkunft der Einkünfte enthält, sondern vielmehr eine Beschreibung ihrer Merkmale geben soll, nämlich, dass sie dem Antragsteller zur Verfügung stehen und fest, regelmäßig und für den Lebensunterhalt des Drittstaatsangehörigen, der die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragt, und den seiner Familienangehörigen ausreichend sein müssen.

33.      Mit anderen Worten veranlasst mich die wörtliche Auslegung dieser Bestimmung zu dem Schluss, dass sie zwar in erster Linie vom Antragsteller erzielte Einkünfte betrifft(15), von einem Dritten zur Verfügung gestellte Mittel jedoch nicht ausgeschlossen sind, sofern sie ihrer Art nach ebenso fest, regelmäßig und ausreichend sind, wie wenn sie vom Drittstaatsangehörigen selbst erzielt worden wären.

34.      Dieser Standpunkt wird meines Erachtens durch die Entstehungsgeschichte von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 (Abschnitt B) sowie durch die teleologische Auslegung der Richtlinie 2003/109 und ihres Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und durch den Kontext, in dem dieser Artikel steht (Abschnitt C), bestätigt.

B.      Zur Entstehungsgeschichte von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109

35.      Zunächst weise ich darauf hin, dass die Frage der Herkunft der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 genannten Einkünfte beim Erlass dieser Richtlinie offenbar nicht erörtert worden ist.

36.      Darüber hinaus ergibt sich meines Erachtens aus der Prüfung der Vorarbeiten zu dieser Richtlinie eine Mehrdeutigkeit hinsichtlich der Verwendung des Begriffs „Einkünfte“, vergleichbar mit der in Nr. 27 der vorliegenden Schlussanträge in Bezug auf die wörtliche Auslegung dieses Begriffs festgestellten Mehrdeutigkeit.

37.      In einigen Sprachfassungen des ursprünglichen Richtlinienvorschlags wird in der Begründung zu der betreffenden Bedingung nämlich ausgeführt(16), dass die Beurteilung, ob die „Mittel“ der die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragenden Person fest sind, nach Maßgabe der Art und der Regelmäßigkeit der „Einkünfte“ der betreffenden Person erfolgen muss, während in der Formulierung der Bestimmung, die in diesen Sprachfassungen vorgeschlagen wird, für die Beurteilung dieses Kriteriums ausschließlich der Begriff „Mittel“ verwendet wird(17). In anderen Sprachfassungen wird ausschließlich der Begriff „Einkünfte“ verwendet(18).

38.      Diese Art von Mehrdeutigkeit findet sich im Übrigen auch in den weiteren vorbereitenden Arbeiten. So beziehen sich beispielsweise einige Sprachfassungen der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zu dem Richtlinienvorschlag ausdrücklich auf „eigene Mittel“ der die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragenden Person(19), während andere Sprachfassungen insoweit nicht eindeutig sind(20).

39.      Die Entstehungsgeschichte der Richtlinie 2003/109 ermöglicht mithin keine Klärung der Frage der Herkunft der Einkünfte.

40.      Gleichwohl ergibt sich jedoch aus der Begründung des ursprünglichen Richtlinienvorschlags zu der betreffenden Bestimmung, dass die in Art. 5 vorgesehenen Bewertungskriterien genau festgelegt sind, um die Möglichkeit, den Status des langfristig Aufenthaltsberechtigten zu erlangen, nicht auszuhöhlen und die in den Mitgliedstaaten geltenden Voraussetzungen für die Erlangung dieses Status zu harmonisieren(21).

41.      Meines Erachtens deutet dieser Punkt des Vorschlags der Kommission darauf hin, dass im Rahmen der Auslegung von Art. 5 für die Einkünfte des Antragstellers keine bestimmte Herkunft verlangt werden kann, wenn eine solche Herkunft vom Gesetzgeber nicht eindeutig vorgesehen ist.

C.      Zur teleologischen Auslegung der Richtlinie 2003/109, ihres Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und zum Kontext, in dem dieser Artikel steht

42.      Was erstens das mit der Richtlinie 2003/109 verfolgte Ziel angeht, so verlangt dieses meines Erachtens nicht, dass die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 genannten Einkünfte bestimmter Herkunft sind.

43.      Das vorrangige Ziel der Richtlinie 2003/109 besteht nämlich in der Integration von Drittstaatsangehörigen, die in den Mitgliedstaaten langfristig ansässig sind(22), und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie sieht insoweit die Aufenthaltsdauer als Hauptkriterium für die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten vor. Nach diesem Artikel muss sich der Drittstaatsangehörige vor der Stellung des entsprechenden Antrags fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufgehalten haben(23). Wie die französische Regierung hervorhebt, ist die Richtlinie insoweit gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 auf Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten, unabhängig davon anwendbar, ob sie in diesem Mitgliedstaat eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben(24).

44.      Unter diesem Gesichtspunkt kommt der Herkunft der Einkünfte keine besondere Bedeutung zu, und das Ziel der Richtlinie 2003/109 verlangt nicht, dass die Mittel durch eine wirtschaftliche Tätigkeit des Antragstellers erzielt werden.

45.      Diese Auslegung wird meines Erachtens durch die allgemeine Systematik dieser Richtlinie bestätigt. Der Gerichtshof hat nämlich entschieden, dass die Richtlinie 2003/109, einschließlich ihres Art. 5, genaue materielle Voraussetzungen festlegt, die erfüllt sein müssen, bevor die betreffenden Mitgliedstaaten die beantragten Aufenthaltstitel ausstellen, und dass Drittstaatsangehörige in Anbetracht des mit der Richtlinie 2003/109 verfolgten Ziels und des mit ihr eingeführten Systems dann, wenn sie die in dieser Richtlinie vorgesehenen Bedingungen erfüllen, Anspruch auf Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten sowie der weiteren Rechte haben, die sich aus der Zuerkennung dieser Rechtsstellung ergeben(25).

46.      Daraus ergibt sich meines Erachtens, dass in der Richtlinie 2003/109 die materiellen Bedingungen, die derjenige, der die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragt, erfüllen muss, sowie die Gründe für die Verweigerung dieser Rechtsstellung abschließend geregelt sind. Unter diesem Gesichtspunkt scheint es mir der allgemeinen Systematik dieser Richtlinie und dem mit ihr verfolgten Ziel zuwiderzulaufen, den Antrag auf Zuerkennung dieser Rechtsstellung allein deshalb abzulehnen, weil die Mittel von einem Dritten stammen.

47.      Was zweitens das mit der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 genannten Bedingung verfolgte Ziel anbelangt, so besteht dieses, wie im siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/109 ausgeführt, darin, zu vermeiden, dass der Drittstaatsangehörige eine Last für den Mitgliedstaat wird. Mithin stellt sich die Frage, ob dieses Ziel eine bestimmte Herkunft der Einkünfte verlangt.

48.      Insoweit enthält die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Einkünftevoraussetzung meiner Ansicht nach nützliche Auslegungshinweise, obwohl sich der Wortlaut dieser Bestimmung, der Kontext, in dem sie steht, und der Zweck dieser Richtlinie von denen des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 unterscheiden.

49.      Genauer gesagt sieht Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38, ausgelegt im Licht ihres zehnten Erwägungsgrundes, vor, dass eine der alternativen Voraussetzungen für das Entstehen des Rechts jedes Unionsbürgers und der ihn begleitenden Familienangehörigen auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für Zeiträume von über drei Monaten und bis zu fünf Jahren(26) darin besteht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen(27).

50.      Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Formulierung „über ausreichende Existenzmittel verfügen“ in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dahin auszulegen ist, dass es ausreicht, wenn dem Unionsbürger diese Mittel zur Verfügung stehen, ohne dass die Bestimmung Anforderungen an die Herkunft der Mittel stellt, so dass diese auch von einem Drittstaatsangehörigen stammen können(28). Ferner hat der Gerichtshof ausgeführt, dass mit einer Auslegung der Voraussetzung der ausreichenden Existenzmittel dahin, dass der Betreffende selbst über solche Mittel verfügen muss, ohne dass er sich insoweit auf Existenzmittel eines ihn begleitenden Familienangehörigen berufen könnte, dieser Voraussetzung, wie sie in der Richtlinie 2004/38 formuliert ist, ein Erfordernis in Bezug auf die Herkunft der Mittel hinzugefügt würde. Dieses Erfordernis würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Ausübung des durch Art. 21 AEUV gewährleisteten Grundrechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt darstellen, da es für die Erreichung des verfolgten Ziels – Schutz der öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten – nicht erforderlich ist(29).

51.      Der Gerichtshof hat klargestellt, dass es unverhältnismäßig ist, eine rechtliche Beziehung zwischen demjenigen, der die Mittel zur Verfügung stellt, und demjenigen, dem sie zugutekommen, zu verlangen, da der Wegfall ausreichender Existenzmittel unabhängig davon, ob es sich um eigene Mittel handelt oder ob sie von einem Dritten stammen, stets ein latentes Risiko darstellt, und zwar auch dann, wenn sich der Dritte verpflichtet hat, den Inhaber des Aufenthaltsrechts finanziell zu unterstützen. Die Herkunft der Mittel wirkt sich nach dem Gerichtshof daher nicht ohne Weiteres auf das Risiko ihres Wegfalls aus, da es von der Entwicklung der Umstände abhängt, ob sich das Risiko realisiert(30).

52.      Meines Erachtens ist diese Rechtsprechung nur insoweit auf die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 übertragbar, als diese Bestimmung ebenfalls keine Anforderung hinsichtlich der Herkunft der Existenzmittel enthält.

53.      Zur Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109, dessen Wortlaut ebenso wie Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 keinen eindeutigen Hinweis zur Herkunft der Mittel enthält und der dasselbe Ziel des Schutzes der öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten verfolgt, bin ich der Auffassung, dass eine bestimmte Herkunft keine notwendige Voraussetzung für die Erreichung des Ziels dieses Art. 5 Abs. 1 Buchst. a ist. Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, wirkt sich die Herkunft der Mittel nicht ohne Weiteres auf das Risiko des Wegfalls dieser Mittel aus(31).

54.      Wie jedoch die belgische, die österreichische, die deutsche und die französische Regierung zu Recht geltend machen, sind die Anforderungen von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 insofern höher als die von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38, als Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 – anders als der vorgenannte Artikel – zusätzliche Kriterien aufstellt, nämlich dass die Einkünfte fest und regelmäßig sein müssen. Außerdem verlangt Art. 5 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/109, dass die Einkünfte u. a. anhand ihrer Art zu beurteilen sind(32).

55.      Zur Ermittlung der Auswirkungen der Herkunft der Einkünfte auf die Erfüllung dieser Kriterien (Abschnitt 2) ist zunächst der Inhalt dieser Kriterien zu bestimmen (Abschnitt 1).

1.      Zum Inhalt der Kriterien der Beständigkeit und der Regelmäßigkeit der Einkünfte im Hinblick auf ihre Art

56.      Was den Inhalt der Kriterien der Beständigkeit und der Regelmäßigkeit anbelangt, stelle ich erstens fest, dass sich der Gerichtshof hierzu bereits im Rahmen der Richtlinie 2003/86 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung geäußert hat.

57.      Art. 7 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie enthält nämlich eine Einkünftevoraussetzung, deren Wortlaut und Ziel denen von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 entsprechen. Die erstgenannte Bestimmung gestattet den Mitgliedstaaten, bei Einreichung des Antrags auf Familienzusammenführung den Nachweis zu verlangen, dass der Zusammenführende über „feste und regelmäßige Einkünfte [verfügt], die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen“(33).

58.      Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Verwendung der Begriffe „fest“ und „regelmäßig“ impliziert, dass die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86 genannten Einkünfte eine gewisse Beständigkeit und Dauer aufweisen müssen. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass der Betroffene nachweisen muss, dass er zum Zeitpunkt der Prüfung seines Antrags über ausreichende Einkünfte verfügt, und dass, da aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie hervorgeht, dass die Einkünfte des Betroffenen nicht nur „ausreichend“, sondern auch „fest“ und „regelmäßig“ sein müssen, diese Anforderungen notwendigerweise, insbesondere im Hinblick auf den Wortlaut und das Ziel dieser Bestimmung, eine prognostische Prüfung dieser Einkünfte durch die zuständige nationale Behörde, nämlich die Beurteilung der künftigen Entwicklung der finanziellen Situation des Betroffenen nach Erhalt des beantragten Aufenthaltstitels, voraussetzen(34).

59.      Wie die französische und die österreichische Regierung bin ich der Auffassung, dass diese Analyse des Gerichtshofs auf die Auslegung der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 für die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten vorgesehenen Anforderungen der Beständigkeit und der Regelmäßigkeit übertragbar ist. Daraus folgt, dass die zuständigen Behörden im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 auf der Grundlage einer prognostischen Beurteilung  überprüfen müssen, dass die Einkünfte des Antragstellers eine gewisse Beständigkeit und Dauer aufweisen.

60.      Mit anderen Worten setzen die Kriterien der Beständigkeit und der Regelmäßigkeit der Einkünfte voraus, dass die nationalen Behörden vernünftigerweise ausschließen können, dass der Antragsteller aufgrund der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen zu einer Last für den Mitgliedstaat wird.

61.      Zweitens bedeutet meines Erachtens der Umstand, dass diese prognostische Beurteilung, wie von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/109 verlangt, anhand der Art der Einkünfte vorzunehmen ist, dass alle charakteristischen Merkmale der betreffenden Einkünfte zu berücksichtigen sind, die Einfluss auf die Beurteilung ihrer Dauerhaftigkeit, Kontinuität und Hinlänglichkeit und folglich auf das Risiko haben können, dass der Antragsteller zu einer Last für den Mitgliedstaat wird.

62.      Diese Anforderungen gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 zeigen meiner Ansicht nach, dass der Gesetzgeber sicherstellen wollte, dass die nationalen Behörden vor der Zuerkennung einer langfristigen Aufenthaltsberechtigung eine Überprüfung durchführen, anhand deren mit einem höheren Maß an Sicherheit als im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsteller zu einer Last für den betreffenden Mitgliedstaat wird.

63.      Meines Erachtens ergibt sich dieser Unterschied insbesondere daraus, dass zum einen Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 – anders als die Richtlinie 2004/38, die das grundlegende Prinzip der Freizügigkeit verankert und dieses Prinzip stärken soll(35), in dessen Kontext Art. 7 Abs. 1 Buchst. b eine Voraussetzung für dieses durch den AEUV garantierte Recht ist – keine Voraussetzung eines solchen Primärrechts darstellt.

64.      Zum anderen sieht die Richtlinie 2003/109, anders als die Richtlinie 2004/38, in deren Rahmen die zuständige nationale Behörde den Aufenthaltstitel eines Unionsbürgers und seiner Familienangehörigen entziehen kann, sobald er nicht mehr über ausreichende Existenzmittel verfügt(36), keinen solchen Mechanismus vor.

65.      Art. 9 der Richtlinie 2003/109, in dem die verschiedenen Fälle des Verlusts oder des Entzugs der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten aufgelistet sind, erfasst nämlich nicht den Fall, dass die in ihrem Art. 5 Abs. 1 Buchst. a vorgesehene Voraussetzung nicht mehr erfüllt sein sollte. Außerdem schafft Art. 12 dieser Richtlinie einen Ausweisungsschutz für den langfristig Aufenthaltsberechtigten und Abs. 2 dieser Bestimmung stellt diesbezüglich ausdrücklich klar, dass eine Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen darf.

66.      Mit anderen Worten ergibt sich aus Art. 9 in Verbindung mit Art. 12 der Richtlinie 2003/109, dass die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nicht aufgrund von wirtschaftlichen Überlegungen entzogen werden kann, obwohl die Einkünftevoraussetzung verhindern soll, dass der Drittstaatsangehörige zu einer Last für den betreffenden Mitgliedstaat wird. Außerdem werden die Betroffenen gemäß Art. 11 dieser Richtlinie nach Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten auf einer Reihe von Gebieten, einschließlich der sozialen Sicherheit, der Sozialhilfe und dem Sozialschutz, wie eigene Staatsangehörige behandelt.

67.      Darüber hinaus zeigen die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 aufgeführten Voraussetzungen meines Erachtens, dass der Gesetzgeber den nationalen Behörden bei der Würdigung der Tatsachen, die für die Feststellung maßgeblich sind, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, um vernünftigerweise auszuschließen, dass der Antragsteller zu einer Last für den betreffenden Mitgliedstaat wird, einen gewissen Spielraum lassen wollte. Wie der Gerichtshof nämlich ausgeführt hat, hängt es von der Entwicklung der Umstände ab, ob sich das Risiko des Wegfalls der Einkünfte realisiert(37).

68.      Nach alledem ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Herkunft der Einkünfte Auswirkungen auf die Beurteilung ihrer Beständigkeit und ihrer Regelmäßigkeit hat.

2.      Zu den Auswirkungen der Herkunft der Einkünfte auf die Beurteilung ihrer Beständigkeit und ihrer Regelmäßigkeit anhand ihrer Art

69.      Die Einkünfte nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/109 sind anhand ihrer Art zu beurteilen, nämlich anhand aller charakteristischen Merkmale der betreffenden Mittel, die Einfluss auf die Beurteilung ihrer Dauerhaftigkeit, Kontinuität und Hinlänglichkeit und folglich auf das Risiko haben können, dass der Antragsteller zu einer Last für den Mitgliedstaat wird.

70.      Meines Erachtens stellt die Herkunft der Einkünfte ein solches charakteristisches Merkmal dar. Mit anderen Worten bin ich der Ansicht, dass die Herkunft der Einkünfte ein relevanter Beurteilungsgesichtspunkt ist, dessen Einfluss von einer konkreten Beurteilung aller Gesichtspunkte der betreffenden Situation abhängt.

71.      Wie die französische, die deutsche und die österreichische Regierung geltend gemacht haben, sind nämlich verschiedene Fallgestaltungen für von einem Dritten stammende Einkünfte vorstellbar, von denen unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte der konkreten Situation nur einige geeignet sind, die Kriterien des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 zu erfüllen.

72.      Wie ich in Nr. 22 der vorliegenden Schlussanträge einleitend ausgeführt habe, machen die deutsche, die französische und die österreichische Regierung insbesondere geltend, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 formell von Dritten stammende Einkünfte zwar nicht ausschließe, dass solche Einkünfte nach ihrer Art die Bedingung der Beständigkeit, Regelmäßigkeit und Hinlänglichkeit im Sinne dieses Art. 5 Abs. 1 Buchst. a jedoch nur dann erfüllen könnten, wenn sie ihre Grundlage in einem rechtlich durchsetzbaren Anspruch des Antragstellers hätten, wie etwa einem Unterhaltsanspruch gegen eine andere Person oder mit dem ehelichen Güterstand des Antragstellers verbundenen Einkünften.

73.      Diese Regierungen stützen ihre Standpunkte im Wesentlichen darauf, dass nur solche Einkünfte es den nationalen Behörden ermöglichten, mit hinreichender Sicherheit die Möglichkeit einer Belastung ihres Sozialsystems auszuschließen. Die deutsche Regierung weist hierzu darauf hin, dass es, wenn der Nachweis von Einkünften es den Mitgliedstaaten ermöglichen solle, vernünftigerweise auszuschließen, dass der Antragsteller in Zukunft ihren Sozialsystemen zur Last falle, nur auf solche konkreten Einkünfte ankommen könne, die bei der Gewährung von Sozialhilfe zu prüfen seien, wie Unterhaltsansprüche und sonstige Einkommensquellen, bezüglich derer der Antragsteller über realisierbare rechtliche Ansprüche verfüge, und nur dann, wenn diese Einkünfte Sozialhilfeansprüche ausschlössen.

74.      Daraus leiten diese Regierungen ab, dass mit einer Verpflichtung zur Kostenübernahme wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden das Ziel des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 nicht erreicht werden könne. Selbst wenn die in Rede stehenden finanziellen Mittel auf einer vertraglichen Vereinbarung bzw. auf einer Zusage beruhten, könnten diese jederzeit widerrufen bzw. das Vertragsverhältnis aufgelöst werden.

75.      Diese Argumente erscheinen überzeugend, da es mir wenig wahrscheinlich erscheint, dass Mittel, die von einem Dritten auf der Grundlage einer bloßen einseitigen, auf keiner gesetzlichen Verpflichtung beruhenden Zusage, die nach Ermessen des betroffenen Dritten beendet werden könnte, zur Verfügung gestellt werden, die erforderliche Beständigkeit und Dauer aufweisen können, um es den nationalen Behörden zu ermöglichen, vernünftigerweise auszuschließen, dass der Antragsteller zu einer Last für den betreffenden Mitgliedstaat wird. Dagegen halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass ein Drittstaatsangehöriger, der ausreichende Mittel, die mit seinem ehelichen Güterstand verbunden sind, nachweist, unabhängig davon, ob es sich um Einkünfte seines Ehegatten oder um Renten handelt, diesen Nachweis erbringen könnte.

76.      Aus dem Vorstehenden folgt, dass sich anhand der Herkunft der Einkünfte für sich genommen nicht bestimmen lässt, ob die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 vorgesehenen Kriterien erfüllt sind oder nicht. Zu prüfen ist nämlich, ob die Einkünfte anhand aller Gesichtspunkte, die nach der Art der Einkünfte von Bedeutung sind, fest, regelmäßig und ausreichend sind, so dass vernünftigerweise ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsteller zu einer Last für den Mitgliedstaat wird.

77.      Mit anderen Worten können die nationalen Behörden den langfristigen Aufenthaltstitel nicht allein deshalb versagen, weil die Einkünfte von einem Dritten stammen, sondern müssen in einer Gesamtbetrachtung konkret die individuelle Situation des Antragstellers, der die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragt, prüfen und begründen, inwiefern diese Einkünfte eine bestimmte Beständigkeit und Dauer aufweisen oder nicht.

78.      Insoweit sind im Falle einer von einem Dritten oder einem Familienangehörigen des Antragstellers eingegangenen Verpflichtung zur Kostenübernahme der Umstand, dass die Dauer und der Betrag der Verpflichtung nicht hinreichend genau und konkret sind, sowie der Umstand, dass diese Verpflichtung nicht rechtlich verbindlich und dauerhaft ist, meines Erachtens Gesichtspunkte, die für die Annahme sprechen, dass der Antragsteller die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 vorgesehenen Bedingungen nicht erfüllt.

79.      Unter diesem Gesichtspunkt kann ich mir im Hinblick auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Situation nur schwer vorstellen, wie die Verpflichtung des Bruders des Antragstellers zur Kostenübernahme als hinreichend genau oder als rechtlich verbindliche und dauerhafte Verpflichtung angesehen werden könnte, bei der sich die belgischen Behörden darauf verlassen könnten, dass ihr nachgekommen werden wird und der Antragsteller nicht zu einer Last für den betreffenden Mitgliedstaat wird(38). Diese Beurteilung ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts im Rahmen einer konkreten Prüfung aller Umstände des Falls.

80.      Hierzu weise ich darauf hin, dass es dem die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragenden Antragsteller, obliegt, die Beweise beizubringen, die erforderlich sind, um seinen Antrag zu stützen. Mit anderen Worten sind die nationalen Behörden nicht verpflichtet, eine über die vom Antragsteller vorgelegten Beweise hinausgehende Überprüfung vorzunehmen(39).

V.      Ergebnis

81.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die drei vom Raad voor Vreemdelingenbetwistingen (Rat für Ausländerstreitsachen, Belgien) gestellten Fragen wie folgt zu beantworten:

Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ist dahin auszulegen, dass er keine besondere Anforderung hinsichtlich der Herkunft der Einkünfte enthält. Stammen die Einkünfte, wie unter den Umständen des Ausgangsverfahrens, von einem Dritten oder von einem Familienangehörigen des Antragstellers, so müssen diese ausreichend sein und eine bestimmte Beständigkeit und Dauer aufweisen, so dass vernünftigerweise ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsteller Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats in Anspruch nehmen muss. Die nationalen Behörden müssen hierzu die gesamten relevanten Umstände des konkreten Falls berücksichtigen, einschließlich der hinreichenden Bestimmtheit, Dauerhaftigkeit und rechtlichen Verbindlichkeit einer Verpflichtung zur Kostenübernahme durch einen Dritten oder einen Familienangehörigen des Antragstellers.


1       Originalsprache: Französisch.


2       ABl. 2004, L 16, S. 44.


3       Vgl. Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109.


4       Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77).


5       X nimmt Bezug auf das Urteil Singh u. a. (C‑218/14, EU:C:2015:476, Rn. 74 und 75) sowie auf die dort angeführte Rechtsprechung.


6       Ich weise darauf hin, dass das von den belgischen Behörden im Ausgangsrechtsstreit angeführte Rundschreiben vom 14. Juli 2009 über die Rechtsstellung langfristig Aufenthaltsberechtigter (Moniteur belge vom 11. August 2009) klarstellt, dass die Existenzmittel im Sinne von Art. 15bis § 3 des Ausländergesetzes wie folgt nachgewiesen werden können: „… mittels beruflicher Einkünfte, Arbeitslosengeld, einer Invaliditäts‑, Vorruhestands- oder Alterspension, einer im Rahmen einer Arbeitsunfallversicherung oder einer Versicherung gegen Berufskrankheiten gezahlten Leistung … Diese Liste ist nicht abschließend.“


7       Genauer gesagt verwendet die deutsche Regierung die Formulierung „vermögenswerte Zuflüsse …, die auf konkreten, realisierbaren rechtlichen Ansprüchen des Antragstellers beruhen“, während die französische Regierung auf „eine gesetzliche Verpflichtung oder auf eine rechtliche Beziehung gestützte Mittel, auf die sich der in Rede stehende Drittstaatsangehörige stützen kann, um ihre Zahlung und/oder Beibehaltung zu verlangen“, Bezug nimmt, so dass es sich in der Tat um „eigene Einkünfte“ des Antragstellers handele, da er nachweisen könne, dass er finanziell unabhängig sei. Die österreichische Regierung bezieht sich schließlich auf Einkünfte, „die von einer bestimmten Beständigkeit und Dauer sind und ihre Grundlage in einem rechtlich durchsetzbaren Anspruch … haben“.


8       Dieses Vorbringen wird in den Nrn. 72 bis 74 der vorliegenden Schlussanträge näher erläutert.


9       Die belgische und die italienische Regierung verwenden den Begriff „eigene Einkünfte“ des Antragstellers, während sich die tschechische Regierung auf Einkünfte „aus einer eigenen wirtschaftliche[n] Tätigkeit“ des Antragstellers bezieht. Ich verstehe diese Standpunkte so, dass damit tatsächlich vom Antragsteller im Sinne von Nr. 18 der vorliegenden Schlussanträge erzielte Einkünfte gemeint sind.


10       Vgl. u. a. Urteile vom 9. März 2017, Pula Parking (C‑551/15, EU:C:2017:193, Rn. 42), und vom 27. September 2017, Nintendo (C‑24/16 und C‑25/16, EU:C:2017:724, Rn. 70).


11       Bei einer wörtlichen Auslegung sind nach ständiger Rechtsprechung Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Unionsrecht nicht definiert, entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen; vgl. Urteile vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann (C‑549/07, EU:C:2008:771, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 11. Juni 2015, Zh. und O. (C‑554/13, EU:C:2015:377, Rn. 42).


12       So die französische („ressources“), die englische („resources“), die spanische („recursos“), die italienische („risorse“), die rumänische („resurse“), die griechische („πόρους“), die finnische („varat“), die maltesische („riżorsi“), die portugiesische („recursos“), die litauische („išteklių“) und die slowakische („zdroje“) Sprachfassung. Die kroatische („izvore sredstava“), die slowenische („vire“) und die schwedische („försörjningsmedel“) Sprachfassung verwenden den Wendungen „Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts“ und „Existenzmittel“ entsprechende Ausdrücke.


13       So die niederländische („inkomsten“), die deutsche („Einkünfte“), die bulgarische („доходи“), die tschechische („příjmy“), die estnische („sissetulek“), die ungarische („jövedelemforrások“), die lettische („ienākumi“), die polnische („dochody“) und die dänische („indtægter“) Sprachfassung.


14       Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann nämlich eine rein wörtliche Auslegung einer oder mehrerer Sprachfassungen eines unionsrechtlichen Textes unter Ausschluss der anderen Sprachfassungen nicht ausschlaggebend sein, da es die einheitliche Anwendung der Unionsvorschriften gebietet, diese u. a. im Licht aller Sprachfassungen auszulegen; vgl. u. a. Urteile vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 26. April 2017, Popescu (C‑632/15, EU:C:2017:303, Rn. 35), sowie vom 27. September 2017, Nintendo (C‑24/16 und C‑25/16, EU:C:2017:724, Rn. 72).


15       Vgl. auch in diesem Sinne Urteile vom 6. Dezember 2012, O u. a. (C‑356/11 und C‑357/11, EU:C:2012:776, Rn. 72), sowie vom 4. März 2010, Chakroun (C‑578/08, EU:C:2010:117, Rn. 46 und 47) hinsichtlich Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. 2003, L 251, S. 12).


16       Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend den Status der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen, von der Kommission vorgelegt am 13. März 2001 (KOM[2001] 127 endg.) (ABl. 2001, C 240 E, S. 79). Die streitige Bedingung befindet sich in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a dieses Vorschlags.


17       So beispielsweise die französische („ressources“ und „revenues“), die englische („resources“ und „income“) und die dänische („midler“ und „indtægter“) Sprachfassung.


18       So beispielsweise die niederländische („inkomsten“) und die deutsche („Einkünfte“) Sprachfassung.


19       Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend den Status der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen“ vom 19. September 2001 (ABl. 2002, C 19, S. 18). So beispielsweise die französische („ressources propres“), die niederländische („eigen middelen“) und die dänische („egne midler“) Sprachfassung.


20       So beispielsweise die englische Sprachfassung, in der der Begriff „ressources propres“ mit „possession of adequate resources“ (Besitz angemessener Mittel) übersetzt wird, und die deutsche Sprachfassung, die den Begriff „Existenzmittel“ verwendet.


21       KOM(2001) 127 endg. (ABl. 2001, C 240 E, S. 79).


22       Vgl. Erwägungsgründe 4, 6 und 12 der Richtlinie 2003/109 sowie Urteile vom 26. April 2012, Kommission/Niederlande (C‑508/10, EU:C:2012:243, Rn. 66), und vom 4. Juni 2015, P und S (C‑579/13, EU:C:2015:369, Rn. 46).


23       Dass es sich bei diesem Kriterium um das Hauptkriterium handelt, ergibt sich aus dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/109; vgl. auch Urteil vom 18. Oktober 2012, Singh (C‑502/10, EU:C:2012:636, Rn. 46).


24       Auch wenn sich dieser Gesichtspunkt nicht ausdrücklich aus dieser Bestimmung ergibt, ergibt sich jedoch aus dem Richtlinienvorschlag (KOM[2001] 127 endg.) (ABl. 2001, C 240 E, S. 79), dass alle Drittstaatsangehörigen in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/109 fallen, die rechtmäßig in einem Mitgliedstaat ansässig sind, unabhängig davon, aus welchem Grund ihre Aufnahme in diesem Mitgliedstaat erfolgt, einschließlich der Drittstaatsangehörigen, die zwecks abhängiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit, im Rahmen einer Familienzusammenführung, zwecks entgeltloser Tätigkeit oder auch als Nichterwerbstätige zugelassen werden. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass aus Art. 14 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie in Verbindung mit ihrem 19. Erwägungsgrund folgt, dass das Recht, sich in einem anderen Mitgliedstaat aufzuhalten, für das die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a vorgesehene Einkünftevoraussetzung ebenfalls gilt, ohne Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit wahrgenommen werden kann.


25       Vgl. Urteil vom 26. April 2012, Kommission/Niederlande (C‑508/10, EU:C:2012:243, Rn. 67 und 68).


26       Ich weise darauf hin, dass nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 jeder Unionsbürger, der sich fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht hat, sich dort auf Dauer aufzuhalten; dieses Recht ist nicht an die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehene Einkünftevoraussetzung geknüpft.


27       Vgl. Urteil vom 19. September 2013, Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 72).


28       Vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, Singh u. a. (C‑218/14, EU:C:2015:476, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).


29       Vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, Singh u. a. (C‑218/14, EU:C:2015:476, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30       Vgl. Urteil vom 23. März 2006, Kommission/Belgien (C‑408/03, EU:C:2006:192, Rn. 46 und 47). Dieses Urteil betrifft Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 90/364/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht (ABl. 1990, L 180, S. 26), der durch Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 ersetzt wurde.


31       Vgl. Urteil vom 23. März 2006, Kommission/Belgien (C‑408/03, EU:C:2006:192), Rn. 47).


32       Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/109 sind die Einkünfte auch anhand ihrer Regelmäßigkeit zu beurteilen. Dieses Kriterium hat keine besonderen Auswirkungen auf die Beantwortung der Vorlagefragen und wird im Rahmen der vorliegenden Schlussanträge daher nicht geprüft.


33       Das Ziel von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86 ergibt sich nicht – wie dies im Rahmen der Richtlinie 2003/109 der Fall ist – ausdrücklich aus den Erwägungsgründen dieser Richtlinie; der Gerichtshof hat dieses Ziel jedoch im Urteil vom 21. April 2016, Khachab (C‑558/14, EU:C:2016:285, Rn. 39), präzisiert.


34       Vgl. Urteil vom 21. April 2016, Khachab (C‑558/14, EU:C:2016:285, Rn. 30 ff.).


35       Vgl. Erwägungsgründe 3 und 4 der Richtlinie 2004/38.


36       Vgl. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38. Diese Voraussetzung wird jedoch nicht mehr verlangt, wenn der Unionsbürger das Daueraufenthaltsrecht erworben hat (siehe Fn. 26 der vorliegenden Schlussanträge).


37       Vgl. Urteil vom 23. März 2006, Kommission/Belgien (C‑408/03, EU:C:2006:192, Rn. 47).


38       Die belgische Regierung weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ihre nationale Rechtsordnung einen Grundsatz enthält, wonach „niemand sich lebenslang vertraglich verpflichten kann“.


39       Die Richtlinie 2003/109 enthält keine präzisen Kriterien hinsichtlich der Art des Nachweises, den der Drittstaatsangehörige erbringen muss, um zu beweisen, dass er über die für die Zuerkennung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erforderlichen Einkünfte verfügt. Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht nämlich vor, dass dem Antrag vom nationalen Recht zu bestimmende Unterlagen beizufügen sind, aus denen hervorgeht, dass er die Voraussetzungen der Art. 4 und 5 der Richtlinie erfüllt.