Language of document : ECLI:EU:T:2009:6

BESCHLUSS DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)

15. Januar 2009(*)

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Ruhegehälter – Hinterbliebenenversorgung – Auszahlung zu 50 % wegen eines weiteren hinterbliebenen Ehegatten – Beschwerende Maßnahme – Verspätete Beschwerde“

In der Rechtssache T‑306/08 P

betreffend ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 23. Mai 2008, Braun-Neumann/Parlament (F-79/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), wegen Aufhebung dieses Beschlusses,

Kurt-Wolfgang Braun-Neumann, wohnhaft in Lohr am Main (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt P. Ames,

Rechtsmittelführer,

anderer Verfahrensbeteiligter:

Europäisches Parlament, vertreten durch K. Zejdová und S. Seyr als Bevollmächtigte,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Rechtsmittelkammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie des Richters N. J. Forwood und der Richterin M. E. Martins Ribeiro (Berichterstatterin),

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

1        Mit seinem nach Art. 9 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs eingereichten Rechtsmittel beantragt der Rechtsmittelführer Kurt-Wolfgang Braun-Neumann die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union vom 23. Mai 2008, Braun-Neumann/Parlament (F‑79/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem das Gericht seine Klage auf Verurteilung des Europäischen Parlaments, ihm rückwirkend ab 1. August 2004 die weitere Hälfte der Hinterbliebenenpension nach seiner verstorbenen Ehefrau Gisela Mandt, geborene Neumann (im Folgenden: Frau Mandt), in Höhe von monatlich 1 670,84 Euro zuzüglich Zinsen entsprechend dem Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank (EZB), erhöht um 3 %, zu zahlen, als unzulässig abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 79 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut) bestimmt:

„Der überlebende Ehegatte eines Beamten oder eines ehemaligen Beamten hat unter den in Anhang VIII Kapitel 4 vorgesehenen Bedingungen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung in Höhe von 60 v. H. des Ruhegehalts oder des Invalidengelds, das der Beamte bezogen hat oder das ihm zugestanden hätte, wenn er ohne die Voraussetzung einer Mindestdienstzeit oder eines Mindestalters zum Zeitpunkt seines Todes hierauf Anspruch gehabt haben würde.

…“

3        Art. 90 des Statuts sieht vor:

„(1)      Jede Person, auf die dieses Statut Anwendung findet, kann einen Antrag auf Erlass einer sie betreffenden Entscheidung an die Anstellungsbehörde richten. …

(2)      Jede Person, auf die dieses Statut Anwendung findet, kann sich mit einer Beschwerde gegen eine sie beschwerende Maßnahme an die Anstellungsbehörde wenden; dies gilt sowohl für den Fall, dass die Anstellungsbehörde eine Entscheidung getroffen hat, als auch für den Fall, dass sie eine im Statut vorgeschriebene Maßnahme nicht getroffen hat. Die Beschwerde muss innerhalb einer Frist von drei Monaten eingelegt werden. Für den Beginn der Frist gilt Folgendes:

–        …

–        sie beginnt am Tag der Mitteilung der Entscheidung an den Empfänger, spätestens jedoch an dem Tag, an dem dieser Kenntnis davon erhält, wenn es sich um eine Einzelmaßnahme handelt; …“

4        Nach Art. 91 Abs. 2 erster Gedankenstrich des Statuts ist eine Klage beim Gemeinschaftsgericht nur zulässig, wenn bei „der Anstellungsbehörde … zuvor eine Beschwerde im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 innerhalb der dort vorgesehenen Frist eingereicht“ worden ist.

 Sachverhalt, Verfahren und Anträge vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst

5        Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt wird in den Randnrn. 4 bis 17 des angefochtenen Beschlusses wie folgt dargestellt:

„4      Frau Mandt, eine deutsche Staatsangehörige, trat am 1. Januar 1964 ihren Dienst beim Parlament an.

5      Der Kläger, ebenfalls deutscher Staatsangehöriger, und Frau Mandt schlossen am 3. Mai 1993 in Straubing (Deutschland) die Ehe und ließen sich in Vezin (Belgien) nieder.

6      Frau Mandt beantragte im März 1995, als die Ehegatten ihren Wohnsitz in Vezin hatten, beim Tribunal de première instance de Namur (Belgien) die Scheidung der Ehe. Der Kläger erschien in der Scheidungsverhandlung vom 7. Juli 1995 nicht, so dass die Ehe am 6. September 1995 durch Versäumnisurteil des Tribunal de première instance de Namur geschieden wurde. …

7      …

8      … [Das Bayerische Oberste Landesgericht entschied] mit Beschluss vom 11. Oktober 1999 …, dass das belgische Scheidungsurteil insbesondere deshalb nicht anerkannt werden könne, weil die Verteidigungsrechte des Klägers nicht gewahrt worden seien.

9      Am 25. April 2000 schloss Frau Mandt, die zu dieser Zeit in Brüssel (Belgien) wohnte, in New York (Vereinigte Staaten) die Ehe mit Herrn Mandt, einem in Deutschland wohnhaften deutschen Staatsangehörigen.

10      Frau Mandt schied am 28. Februar 2001 aus dem Dienst beim Parlament aus und bezog daraufhin ein Ruhegehalt. Als sie am 25. Juli 2004 verstarb, gewährte das Parlament Herrn Mandt, der in der übermittelten Sterbeurkunde als hinterbliebener Ehegatte angegeben war, die Hinterbliebenenversorgung.

11      …

12      …

13      … [D]as Amtsgericht Siegen [stellte] fest, dass Frau Mandt sowohl mit Herrn Mandt als auch – da die Ehe nicht wirksam geschieden worden sei – mit dem Kläger verheiratet gewesen sei, und verfügte mit Beschluss vom 25. Januar 2006, dass der Sterbeeintrag von Frau Mandt dahin zu berichtigen sei, dass darin neben Herrn Mandt auch der Kläger als Ehegatte von Frau Mandt anzugeben sei …

14      Mit Schreiben vom 29. März und vom 13. April 2006 übermittelte der Kläger dem Parlament den Beschluss vom 25. Januar 2006, dem eine am 23. März 2006 ausgestellte Sterbeurkunde von Frau Mandt beigefügt war, die die in der vorstehenden Randnummer erwähnte Berichtigung widerspiegelte, und machte seine Rechte als hinterbliebener Ehegatte geltend.

15      Mit Schreiben vom 8. September 2006 teilte das Parlament dem Kläger mit, dass aus dessen Schreiben vom 29. März und vom 13. April 2006 hervorgehe, dass die deutschen Behörden das Bestehen einer Ehe zwischen ihm und Frau Mandt zum Zeitpunkt ihres Todes anerkennten. Das Parlament beschloss daher, dem Kläger ab 1. April 2006, d. h. ab dem ersten Tag des Monats, der auf die Stellung seines Antrags folgte, 50 % der Hinterbliebenenversorgung nach Frau Mandt zu zahlen … Mit Schreiben vom selben Tag teilte das Parlament Herrn Mandt mit, dass von der Hinterbliebenenversorgung, die dieser seit dem 1. August 2004 in voller Höhe bezogen hatte, ab dem 1. April 2006 die Hälfte abgezogen werde.

16      …

17      Am 18. Oktober 2006 erstellte das Parlament den Feststellungsbescheid über Versorgungsbezüge, den es dem Kläger mit einem Begleitschreiben vom 20. Oktober 2006 übersandte …“

6        Mit Schreiben vom 19. Januar 2007 legte der Rechtsmittelführer eine Beschwerde ein und stellte einen Antrag auf die gesamte Hinterbliebenenversorgung ab dem 1. August 2004. Mit Entscheidung vom 2. Mai 2007 gab das Parlament dieser Beschwerde teilweise statt.

7        Mit Klageschrift, die am 31. Juli 2007 bei der Kanzlei des Gerichts für den öffentlichen Dienst einging, erhob der Rechtsmittelführer eine Klage, die unter dem Aktenzeichen F‑79/07 in das Register dieses Gerichts eingetragen wurde.

8        Im Rahmen einer gemäß Art. 55 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst beschlossenen prozessleitenden Maßnahme, die den Parteien mit Schreiben vom 10. Januar 2008 zur Kenntnis gebracht wurde, forderte das Gericht für den öffentlichen Dienst die Parteien auf, ihm mitzuteilen und, falls möglich, zu belegen, mit welchen Mitteln auch immer, an welchem Tag der Kläger den Feststellungsbescheid vom 18. Oktober 2006 und an welchem Tag das Parlament die Beschwerde des Klägers vom 19. Januar 2007 erhalten hat.

9        Mit diesem Schreiben vom 10. Januar 2008 teilte das Gericht für den öffentlichen Dienst den Parteien mit, dass es erwäge, gemäß Art. 77 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob nicht wegen des nicht regelgerechten Ablaufs des Vorverfahrens aufgrund des verspäteten Eingangs der Beschwerde des Klägers eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung fehle.

10      Der Rechtsmittelführer beantragte im ersten Rechtszug, das Parlament zu verurteilen, ihm rückwirkend ab dem 1. August 2004 die weitere Hälfte der Hinterbliebenenpension nach Frau Mandt in Höhe von monatlich 1 670,84 Euro zuzüglich Zinsen entsprechend dem Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität der EZB, erhöht um 3 %, zu zahlen und dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

11      Das Parlament beantragte im ersten Rechtszug, die Klage als unzulässig, hilfsweise, als unbegründet abzuweisen und über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

 Zum angefochtenen Beschluss

12      Im angefochtenen Beschluss, der auf Art. 77 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst und Art. 113 der Verfahrensordnung des Gerichts gestützt ist, prüft das Gericht für den öffentlichen Dienst von Amts wegen, ob wegen des nicht regelgerechten Ablaufs des Vorverfahrens aufgrund des verspäteten Eingangs der Beschwerde des Klägers eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung fehlt. Hierzu stellt es in den Randnrn. 40 bis 45 des angefochtenen Beschlusses fest:

„40       Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger mit Schreiben vom 8. September 2006 die teilweise Ablehnung seines Antrags auf die volle Hinterbliebenenversorgung nach Frau Mandt mitgeteilt. Die Entscheidung des Parlaments, dem Kläger nur 50 % der Hinterbliebenenversorgung nach Frau Mandt zu gewähren, ergibt sich ausdrücklich aus diesem Schreiben, das im Übrigen eine zwar knappe, doch klare und eindeutige Begründung enthält. Das Parlament hat nämlich ausgeführt, dass sich aus den den Schreiben des Klägers vom 29. März und vom 13. April 2006 beigefügten Unterlagen ergebe, dass die deutschen Behörden das Bestehen seiner Ehe mit Frau Mandt anerkennten, dass der Beschluss vom 25. Januar 2006 jedoch auch besage, dass die Ehe von Herrn und Frau Mandt zum Zeitpunkt des Todes von Frau Mandt noch bestanden habe. In Anbetracht dessen habe der Kläger deshalb ab dem ersten Tag des Monats, der auf die Stellung seines Antrags folge, d. h. ab dem 1. April 2006, Anspruch auf die Hälfte der Hinterbliebenenversorgung.

41      Mit dem Feststellungsbescheid vom 18. Oktober 2006, der dem Kläger mit einem Vermerk vom 20. Oktober 2006 übermittelt wurde, wurde dieser demnach lediglich über die Berechnung der Hinterbliebenenversorgung, auf die er Anspruch hatte, und deren Betrag informiert, so dass dieser Bescheid nicht als anfechtbare beschwerende Maßnahme, sondern als eine bloße Bestätigung der Entscheidung, mit der dem Kläger nur 50 % der Hinterbliebenenversorgung zugesprochen wurde, angesehen werden kann, zumal er, anders als das Schreiben vom 8. September 2006, keine Begründung enthält. Darüber hinaus ist festzustellen, dass sich der Kläger weder gegen die Berechnung dieser 50 % noch gegen den sich daraus ergebenden Betrag wendet, wie sie aus diesem Bescheid hervorgehen, sondern gegen die im Schreiben vom 8. September 2006 wiedergegebene Entscheidung des Parlaments selbst, dem Kläger nur 50 % der Hinterbliebenenversorgung zuzugestehen.

42      Die den Kläger beschwerende Maßnahme ist demnach das Schreiben des Parlaments vom 8. September 2006.

43      …

44      …

45      Daraus ergibt sich, dass der Kläger ab dem Zeitpunkt, zu dem er Kenntnis von der ihn beschwerenden Maßnahme, dem Schreiben vom 8. September 2006, hatte, über eine Frist von drei Monaten verfügte, um Beschwerde einzulegen. Da er spätestens am 20. September 2006 von diesem Schreiben Kenntnis erlangt hat, ist seine am 19. Januar 2007 eingelegte Beschwerde verspätet.“

13      In den Randnrn. 47 und 48 des angefochtenen Beschlusses führt das Gericht für den öffentlichen Dienst weiter aus:

„47      Zum einen kann die Behauptung des Klägers, das Schreiben vom 8. September 2006 sei ein formloses Schreiben, diesem nicht seine Eigenschaft als beschwerende Maßnahme nehmen. Nach der Rechtsprechung besteht hinsichtlich einer beschwerenden Maßnahme kein Formerfordernis, sie kann sogar mündlich ergehen (vgl. Urteile des Gerichts … vom 30. Juni 1993, Devillez u. a./Parlament, T‑46/90, Slg. 1993, II‑699, Randnrn. 14, und vom 16. April 2002, Fronia/Kommission, T‑51/01, Slg. ÖD 2002, I‑A‑43 und II‑187, Randnr. 31). Im vorliegenden Fall ist ferner darauf hinzuweisen, dass das Schreiben vom 8. September 2006 von der Dienststelle des Parlaments stammt, die auch den Feststellungsbescheid vom 18. Oktober 2006 erlassen hat, d. h. von Frau Puech, Leiterin des Referats ‚Soziale Angelegenheiten‘ der Generaldirektion Personal und Verwaltung.

48      Zum anderen mag es zwar wünschenswert sein, dass eine beschwerende Maßnahme eine Belehrung über den statthaften Rechtsbehelf und die insoweit einzuhaltenden Fristen enthält, doch kann das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung in der beschwerenden Maßnahme vom 8. September 2006 in Ermangelung von Vorschriften, die eine solche Belehrung vorschreiben, nicht der Unzulässigkeit der Klage entgegenstehen.“

14      Das Gericht für den öffentlichen Dienst hat die Klage daher wegen des nicht regelgerechten Ablaufs des Vorverfahrens aufgrund des verspäteten Eingangs der Beschwerde als unzulässig abgewiesen.

 Zum Rechtsmittel

 Verfahren und Anträge der Parteien

15      Mit Schriftsatz, der am 1. August 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rechtsmittelführer das vorliegende Rechtsmittel eingelegt.

16      Mit Schreiben, das am 4. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rechtsmittelführer nach Art. 143 § 1 der Verfahrensordnung beantragt, ihm die Einreichung einer Erwiderung zu gestatten. Mit Entscheidung des Präsidenten der Rechtsmittelkammer vom 11. November 2008 ist dieser Antrag abgelehnt worden.

17      Der Rechtsmittelführer beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss aufzuheben;

–        den Rechtsstreit zu entscheiden und seiner Klage stattzugeben;

–        hilfsweise, die Rechtssache zur Entscheidung an das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union zurückzuverweisen.

18      Das Parlament beantragt,

–        das Rechtsmittel als unbegründet abzuweisen;

–        über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Rechtslage zu entscheiden.

 Rechtliche Würdigung

19      Nach Art. 145 der Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, jederzeit auf Bericht des Berichterstatters das Rechtsmittel ganz oder teilweise durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist, zurückweisen.

20      Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht auf der Grundlage des Akteninhalts für ausreichend unterrichtet und beschließt, in Anwendung dieses Artikels ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

 Vorbringen der Parteien

21      Der Rechtsmittelführer macht als einzigen Rechtsmittelgrund geltend, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst Art. 90 Abs. 2 des Statuts rechtsfehlerhaft ausgelegt habe. Die von diesem vorgenommene Auslegung beeinträchtige sowohl allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts wie den Grundsatz der Rechtssicherheit und den der Verhältnismäßigkeit als auch individuelle Rechte des Rechtsmittelführers.

22      Erstens habe das Gericht für den öffentlichen Dienst einen Rechtsfehler begangen, als es das Schreiben vom 8. September 2006 als beschwerende Maßnahme im Sinne von Art. 90 Abs. 2 des Statuts angesehen habe. Dieses Schreiben sei lediglich ein formloses Schreiben und keine beschwerende Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift, weil es nicht als Bescheid gekennzeichnet sei. Aus Art. 90 Abs. 1 des Statuts ergebe sich nämlich, dass nur ein Schriftstück, das als „Bescheid“ bezeichnet sei, eine beschwerende Maßnahme sein könne, die die Beschwerdefrist nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts auslöse.

23      Zweitens beeinträchtige die Qualifizierung eines formlosen Schreibens wie desjenigen vom 8. September 2006 als beschwerende Maßnahme jedenfalls den Grundsatz der Rechtssicherheit, da dieses Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalte und der Rechtssuchende nicht darauf hingewiesen werde, dass mit diesem Schreiben die Beschwerdefrist in Lauf gesetzt werde. Diese Auslegung sei umso mehr geboten, als in der Entscheidung, mit der die Beschwerde teilweise zurückgewiesen worden sei, auf die Klagefrist hingewiesen worden sei. Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit hätte das Gericht für den öffentlichen Dienst die bei ihm erhobene Klage daher zulassen müssen.

24      Dass das Gericht für den öffentlichen Dienst das Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung als unschädlich für den Fristbeginn ansehe, verstoße auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn das Fehlen dieser Rechtsmittelbelehrung führe zu einer unwissentlich verspäteten Einlegung der Beschwerde und zur Unzulässigkeit der Klage und damit zu unverhältnismäßigen Folgen.

25      Drittens sei nur der Feststellungsbescheid vom 18. Oktober 2006 wegen seiner Bezeichnung ein Bescheid, der die in Art. 90 Abs. 2 des Statuts vorgesehene Beschwerdefrist von drei Monaten auslöse. Die Beschwerde vom 19. Januar 2007 sei daher fristgerecht eingereicht worden. Der Rechtsmittelführer weist darauf hin, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst im Rahmen seiner prozessleitenden Maßnahme vom 10. Januar 2008 selbst den Tag des Erhalts des Feststellungsbescheids vom 18. Oktober 2006 als für die Berechnung der Beschwerdefrist maßgeblich angesehen habe. Dass das Gericht für den öffentlichen Dienst im angefochtenen Beschluss diese Frist mit dem Schreiben vom 8. September 2006 beginnen lasse, stelle daher eine „Überraschungsentscheidung“ dar.

26      Das Parlament beantragt, den Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

27      Eine gemäß Art. 236 EG und Art. 91 des Statuts beim Gericht für den öffentlichen Dienst erhobene Klage ist nur zulässig, wenn das vorprozessuale Verfahren ordnungsgemäß und unter Einhaltung der für dieses geltenden Fristen abgelaufen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. Juli 2004, Huygens/Commission, T‑281/01, Slg. ÖD 2004, I‑A‑203 und II‑903, Randnr. 125, und vom 9. Januar 2007, Van Neyghem/Ausschuss der Regionen, T‑288/04, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 53).

28      Nach Art. 91 Abs. 2 des Statuts kann eine Klage beim Gericht für den öffentlichen Dienst nur dann erhoben werden, wenn zuvor bei der Anstellungsbehörde innerhalb der dort vorgesehenen Frist von drei Monaten eine Beschwerde im Sinne von Art. 90 Abs. 2 eingereicht wurde, die gegen eine beschwerende Maßnahme gerichtet ist.

29      Nach der Rechtsprechung sind beschwerende Maßnahmen nur solche, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers dadurch unmittelbar und sofort beeinträchtigen können, dass sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise verändern (Urteil des Gerichtshofs vom 1. Februar 1979, Deshormes/Kommission, 17/78, Slg. 1979, 189, Randnr. 10; Urteil des Gerichts vom 19. Oktober 1995, Obst/Kommission, T‑562/93, Slg. ÖD 1995, I‑A‑247 und II‑737, Randnr. 23; Beschluss des Gerichts vom 9. September 2008, Marcuccio/Kommission, T‑144/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

30      Besteht die beschwerende Maßnahme in einer Einzelentscheidung, beginnt die Beschwerdefrist von drei Monaten nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts „am Tag der Mitteilung der Entscheidung an den Empfänger, spätestens jedoch an dem Tag, an dem dieser Kenntnis davon erhält“.

31      Im vorliegenden Fall hat das Gericht für den öffentlichen Dienst entschieden, dass die den Rechtsmittelführer beschwerende Maßnahme, die die Frist des Art. 90 Abs. 2 des Statuts ausgelöst hat, das Schreiben des Parlaments vom 8. September 2006 war. Da der Rechtsmittelführer spätestens am 20. September 2006 von der beschwerenden Maßnahme Kenntnis erhalten hatte, war die am 19. Januar 2007 dagegen eingelegte Beschwerde verspätet.

32      Was erstens das Argument des Rechtsmittelführer betrifft, die Formlosigkeit des Schreibens vom 8. September 2006 stehe dessen Qualifizierung als beschwerende Maßnahme im Sinne von Art. 90 Abs. 2 des Statuts entgegen, so hat das Gericht für den öffentlichen Dienst in Randnr. 47 des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt, dass eine solche Qualifizierung nicht von der Form abhängt, in der die Maßnahme ergangen ist. Denn die Einordnung einer Maßnahme als eine beschwerende Maßnahme hängt nicht von ihrer Form oder Bezeichnung ab, sondern bestimmt sich nach ihrem Gehalt und insbesondere danach, ob sie verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die die Interessen des Klägers dadurch unmittelbar und sofort beeinträchtigen können, dass sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise verändern (vgl. die in Randnr. 29 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung).

33      Das erste Argument geht daher offensichtlich fehl.

34      Was zweitens das Argument des Rechtsmittelführers angeht, das Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung im Schreiben vom 8. September 2006 stehe dessen Qualifizierung als beschwerende Maßnahme im Sinne von Art. 90 Abs. 2 des Statuts entgegen, so gibt es keine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift, die den Organen ausdrücklich eine allgemeine Verpflichtung auferlegt, die Adressaten von Rechtsakten über die möglichen Rechtsbehelfe und die Fristen für ihre Einlegung zu belehren (Beschluss des Gerichtshofs vom 5. März 1999, Guérin automobiles/Kommission, C‑153/98 P, Slg. 1999, 1441, Randnrn. 13 und 15; Urteile des Gerichts vom 24. Februar 2000, ADT Projekt/Kommission, T‑145/98, Slg. 2000, II‑387, Randnr. 210, und vom 22. Dezember 2005, Gorostiaga Atxalandabaso/Parlament, T‑146/04, Slg. 2005, II‑5989, Randnr. 131).

35      Entgegen dem Vorbringen des Rechtsmittelführers verpflichtete der Umstand, dass das Schreiben vom 8. September 2006 keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, während in der Entscheidung, mit der die Beschwerde zurückgewiesen wurde, darauf hingewiesen wurde, dass der Empfänger innerhalb einer Frist von drei Monaten beim Gericht für den öffentlichen Dienst klagen könne, dieses Gericht nicht, die Klage nach den Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit zuzulassen.

36      Nach ständiger Rechtsprechung ist die in Art. 90 Abs. 2 des Statuts für die Einlegung einer Beschwerde gegen eine beschwerende Maßnahme vorgesehene Dreimonatsfrist nämlich zwingenden Rechts und steht nicht zur Disposition der Parteien oder des Richters, da sie zur Gewährleistung der Klarheit und Sicherheit der Rechtsverhältnisse sowie zur Gewährleistung der Rechtssicherheit eingeführt wurde. Der Gemeinschaftsrichter hat daher von Amts wegen zu prüfen, ob diese Frist eingehalten wurde (vgl. Beschluss des Gerichts vom 7. September 2005, Krahl/Kommission, T‑358/03, Slg. ÖD 2005, I‑A‑215 und II‑993, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Dass das Parlament nicht im Stadium der Beantwortung der Verwaltungsbeschwerde festgestellt hat, dass diese verspätet und damit unzulässig war, oder dass es sogar ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass der Rechtsmittelführer noch Klage erheben könne, hat demnach keine Auswirkung auf die Zulässigkeit der Klage im Sinne von Art. 90 Abs. 2 des Statuts. Denn diese Umstände können nicht bewirken, dass von dem durch die Art. 90 und 91 des Statuts eingeführten System der zwingenden Fristen abgewichen wird, und erst recht nicht, dass das Gericht von seiner Verpflichtung entbunden wird, die Einhaltung der statutarischen Fristen zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 17. Oktober 1991, Offermann/Parlament, T‑129/89, Slg. 1991, II‑855, Randnr. 34, und vom 18. März 1997, Rasmussen/Kommission, T‑35/96, Slg. ÖD, I‑A‑61 und II‑187, Randnr. 30; Beschluss Krahl/Kommission, oben in Randnr. 36 engeführt, Randnr. 36).

38      Auch das zweite Argument geht daher offensichtlich fehl.

39      Was drittens das Argument des Rechtsmittelführers anbelangt, das Gericht für den öffentlichen Dienst habe den Feststellungsbescheid vom 18. Oktober 2006 rechtsfehlerhaft nicht als beschwerende Maßnahme, die die Dreimonatsfrist des Art. 90 Abs. 2 des Statuts auslöse, qualifiziert, so ist zunächst daran zu erinnern, dass sich die Qualifizierung einer Maßnahme als beschwerend nach ihrem Gehalt und nicht nach ihrer Form oder Bezeichnung bestimmt (vgl. Randnr. 32 des vorliegenden Urteils).

40      Ferner kann nach ständiger Rechtsprechung einer rein bestätigenden Maßnahme nicht die Eigenschaft einer beschwerenden Maßnahme zuerkannt werden. Eine Entscheidung bestätigt lediglich eine frühere Entscheidung, wenn sie gegenüber dieser früheren Maßnahme nichts Neues enthält und ihr keine erneute Prüfung der Lage des Adressaten dieser Maßnahme vorausgegangen ist (Urteil des Gerichtshofs vom 10. Dezember 1980, Grasselli/Kommission, 23/80, Slg. 1980, 3709, Randnr. 18; Urteile des Gerichts vom 21. Oktober 1998, Vicente‑Nuñez/Kommission, T‑100/96, Slg. ÖD 1998, I‑A‑591 und II‑1779, Randnr. 37, und vom 15. Juli 2004, Valenzuela Marzo/Kommission, T‑384/02, Slg. ÖD 2004, I‑A‑235 und II‑1035, Randnr. 32).

41      Zum einen macht der Rechtsmittelführer aber nicht einmal geltend, dass der Feststellungsbescheid vom 18. Oktober 2006 einen oder mehrere neue Gesichtspunkte gegenüber dem Schreiben vom 8. September 2006 enthalte oder dass diesem Bescheid eine erneute Prüfung seiner Lage vorausgegangen sei. Zum anderen hat sich das Parlament im Feststellungsbescheid vom 18. Oktober 2006 im Wesentlichen darauf beschränkt, den Rechtsmittelführer über die Berechnung des genauen Betrags zu informieren, auf den er in Durchführung der im Schreiben vom 8. September 2006 enthaltenen Entscheidung, ihm 50 % der Hinterbliebenenversorgung nach Frau Mandt zu gewähren, Anspruch hatte.

42      Unter diesen Umständen hat das Gericht für den öffentlichen Dienst in den Randnrn. 41 und 42 des angefochtenen Beschlusses rechtsfehlerfrei entschieden, dass die den Rechtsmittelführer beschwerende Maßnahme das Schreiben des Parlaments vom 8 September 2006 ist und dass der Feststellungsbescheid vom 18. Oktober 2006 als rein bestätigende Maßnahme anzusehen ist.

43      Ebenso wenig belegt schließlich der bloße Umstand, dass der Rechtsmittelführer die im angefochtenen Beschluss vorgenommene Qualifizierung des Schreibens vom 8. September 2006 angesichts der den Parteien am 10. Januar 2008 mitgeteilten prozessleitenden Maßnahme für „überraschend“ hält, dass dem Gericht für den öffentlichen Dienst ein Rechtsfehler unterlaufen wäre. Die im angefochtenen Beschluss vorgenommene Qualifizierung steht jedenfalls mit dem im Schreiben des Gerichts für den öffentlichen Dienst vom 10. Januar 2008 angekündigten Vorgehen in Einklang. Aus diesem Schreiben geht nämlich hervor, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst erwog, von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob wegen des verspäteten Eingangs der Beschwerde am 19. Januar 2007 eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung fehlte, weil es der Ansicht war, dass die Beschwerde innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem Erhalt des Schreibens vom 8. September 2006 durch den Rechtsmittelführer hätte erhoben werden müssen.

44      Auch dieses letzte Argument geht daher offensichtlich fehl.

45      Daraus folgt, dass der einzige Rechtsmittelgrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen ist.

46      Das Rechtsmittel ist folglich zurückzuweisen.

 Kosten

47      Gemäß Art. 148 Abs. 1 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht über die Kosten, wenn das Rechtsmittel zurückgewiesen wird.

48      Nach Art. 87 § 2 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach Art. 144 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. In der vorliegenden Rechtssache hat das Parlament beantragt, „über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Rechtslage zu entscheiden“. Dieser Antrag kann nicht als Antrag auf Verurteilung des Rechtsmittelführers zur Tragung der Kosten verstanden werden (Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juni 1992, Lestelle/Kommission, C‑30/91 P, Slg. 1992, I‑3755, Randnr. 38; Urteil des Gerichts vom 11. November 2008, Speiser/Parlament, T‑390/07 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 48). Jede Partei hat demgemäß ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Rechtsmittelkammer)

beschlossen:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Jede Partei trägt die Kosten, die ihr durch das vorliegende Verfahren entstanden sind.

Luxemburg, den 15. Januar 2009

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

      M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Deutsch.