Language of document : ECLI:EU:T:2008:566

BESCHLUSS DER PRÄSIDENTIN DER ZWEITEN KAMMER DES GERICHTS

10. Dezember 2008(*)

„Streithilfe – Berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits – Fehlen“

In der Rechtssache T‑110/07

Siemens AG mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte I. Brinker, T. Loest und C. Steinle,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Arbault und O. Weber als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission K(2006) 6762 endg. vom 24. Januar 2007 in einem Verfahren nach Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen) sowie, hilfsweise, Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

erlässt

DIE PRÄSIDENTIN DER ZWEITEN KAMMER DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Mit Entscheidung K(2006) 6762 endg. vom 24. Januar 2007 in einem Verfahren nach Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen) (im Folgenden: Entscheidung) stellte die Kommission fest, dass mehrere Unternehmen, darunter auch die Klägerin, durch die Teilnahme an einer Absprache auf dem Markt für gasisolierte Schaltanlagen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und gegen Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen haben.

 Verfahren

2        Die Klägerin, die Siemens AG, hat mit Schriftsatz, der am 16. April 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eine Klage eingereicht, mit der sie beim Gericht beantragt, die Entscheidung insoweit aufzuheben, als sie davon betroffen ist, oder, hilfsweise, die Höhe der Geldbuße, die gegen sie verhängt wurde, herabzusetzen und die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

3        Die Kommission hat beantragt, die Klage abzuweisen und die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

4        Mit Schriftsatz, der am 16. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Trelleborg AB und die Trelleborg Industries SAS (im Folgenden für beide: Trelleborg), vertreten durch Rechtsanwalt J. M. Joshua, im Hauptverfahren ihre Zulassung als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Klägerin beantragt.

5        Der Streithilfeantrag ist den Parteien gemäß Art. 116 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts zugestellt worden.

6        Mit Schriftsatz, der am 27. Oktober 2008 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat die Klägerin den Antrag von Trelleborg begrüßt.

7        Mit Schriftsatz, der am 5. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission beim Gericht beantragt, den Streithilfeantrag von Trelleborg zurückzuweisen und diese zur Tragung der durch ihren Antrag verursachten Kosten zu verurteilen.

 Rechtliche Würdigung

 Vorbringen der Parteien

8        Trelleborg stützt ihren Antrag darauf, dass die Kommission am 30. April 2008 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte in einer Sache nach Art. 81 EG (Sache COMP/39.406 – Marine Hoses) an sie gerichtet habe, die derzeit bei der Kommission anhängig sei und deren Sachverhalt jenem in der vorliegenden Sache in Bezug auf das Verjährungsproblem weitgehend ähnle. In beiden Sachen berufe sich die Kommission nämlich auf eine sogenannte „fortgesetzte Teilnahme“ an einer „einzigen und dauernden Zuwiderhandlung“, um die Verjährung eines Teils der Zuwiderhandlung zu verhindern, wohingegen die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen während zweier unterschiedlicher Zeiträume stattgefunden hätten, zwischen denen mindestens zwei Jahre lägen, in denen die Teilnahme unterbrochen gewesen sei.

9        Trelleborg ist daher der Ansicht, sie habe ein unmittelbares Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits. Sollte das Gericht nämlich die von der Kommission vorgenommene Auslegung von Art. 25 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1 vom 4. Januar 2003, S. 1) bestätigen, insbesondere hinsichtlich der Bedeutung der Worte „oder fortgesetzten [Zuwiderhandlungen]“ in Abs. 2 dieses Artikels, könnte das die Entscheidung über das Vorbringen von Trelleborg in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte in der Sache COMP/39.406 vorwegnehmen. Die Bestimmung der Reichweite des Verjährungsgrundsatzes könne also unmittelbar ihre Interessen beeinträchtigen.

10      In ihrer Stellungnahme zum Streithilfeantrag widerspricht die Kommission dem Vorbringen von Trelleborg. Erstens sei der Sachverhalt in der Sache COMP/39.406 entgegen den Behauptungen von Trelleborg in Bezug auf das Verjährungsproblem keineswegs vergleichbar mit jenem in der vorliegenden Sache. Zweitens beziehe sich das Interesse von Trelleborg ausschließlich auf bestimmte Rechtsausführungen der Klägerin, was im Lichte der Rechtsprechung nicht ausreiche, um einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Tenor des in der vorliegenden Rechtssache zu fällenden Urteils und der Rechtsstellung von Trelleborg zu begründen.

 Würdigung durch das Gericht

11      Nach Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs, der nach Art. 53 Abs. 1 dieser Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, kann jeder, der ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines Rechtsstreits glaubhaft macht, diesem beitreten; ausgenommen davon sind Rechtsstreitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten, zwischen Gemeinschaftsorganen oder zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsorganen. Mit den aufgrund des Beitritts gestellten Anträgen können nur die Anträge einer Partei unterstützt werden.

12      Nach ständiger Rechtsprechung prüft das Gericht, bevor es eine Person als Streithelfer zulässt, ob diese von der angefochtenen Entscheidung unmittelbar betroffen und ihr Interesse am Ausgang des Rechtsstreits erwiesen ist (Beschluss des Gerichtshofs vom 19. Februar 1960, Niederlande/Hohe Behörde, 25/59, Slg. 1960, 811, 816). Außerdem hat der Gerichtshof befunden, dass ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse an den Anträgen selbst und nicht an den geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmitteln bestehen muss (Beschlüsse des Gerichtshofs vom 25. November 1964, Lemmerz-Werke/Hohe Behörde, 111/63, Slg. 1965, 941 und vom 12. April 1978, Amylum u. a./Rat und Kommission, 116/77, 124/77 und 143/77, Slg. 1978, 893, Randnrn. 7 und 9, sowie Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. Juni 1997, National Power und PowerGen, C‑151/97 P(I) und C‑157/97 P(I), Slg. 1997, I‑3491, Randnr. 53). Somit ist unter dem Begriff „Ausgang“ in Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs die begehrte richterliche Endentscheidung zu verstehen, wie sie sich im Tenor des Urteils niederschlagen würde. Bestimmt Art. 40 Abs. 2, dass mit den Anträgen der Beitrittserklärung nur die Anträge einer Partei unterstützt oder deren Abweisung verlangt werden können, so ist dem zu entnehmen, dass das berechtigte Interesse gerade an diesen Anträgen, nicht aber an den geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmitteln bestehen muss (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs, National Power, Randnr. 57).

13      Im vorliegenden Fall ist unabhängig von der Frage der Vergleichbarkeit des Sachverhalts in dieser Rechtssache mit jenem in der Sache COMP/39.406, die bei der Kommission anhängig ist, festzustellen, dass sich das Interesse, das Trelleborg geltend macht, auf eine Frage der Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts beschränkt, die von der Klägerin im Rahmen der vorliegenden Rechtssache aufgeworfen worden ist. Trelleborg weist nicht nach, ja behauptet nicht einmal, unmittelbar von der Entscheidung betroffen zu sein, und hätte also keinerlei unmittelbares Interesse an deren möglicher Nichtigerklärung durch das Gericht. Ihr Interesse beschränkt sich nämlich allein auf die von der Klägerin in einem ihrer Klagegründe vorgeschlagene Auslegung von Art. 25 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, was kein unmittelbares Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung begründet.

14      Daraus folgt, dass der Streithilfeantrag von Trelleborg zurückzuweisen ist.

 Kosten

15      Nach Art. 87 § 1 der Verfahrensordnung wird über die Kosten im Endurteil oder in dem Beschluss, der das Verfahren beendet, entschieden. Da der vorliegende Beschluss das Verfahren in Bezug auf Trelleborg beendet, ist über die mit ihrem Streithilfeantrag verbundenen Kosten zu entscheiden.

16      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Trelleborg unterlegen ist, ist sie dem Antrag der Kommission entsprechend zur Tragung ihrer eigenen Kosten und der durch das Streithilfeverfahren entstandenen Kosten der Kommission zu verurteilen. Da die Klägerin hierzu keinen Antrag gestellt hat, trägt sie ihre eigenen Kosten.


Aus diesen Gründen

ordnet

DIE PRÄSIDENTIN DER ZWEITEN KAMMER DES GERICHTS

an:

1.      Der Streithilfeantrag wird zurückgewiesen.

2.      Die Trelleborg AB und die Trelleborg Industries SAS tragen die durch das Streithilfeverfahren entstandenen Kosten der Kommission sowie ihre eigenen Kosten.

3.      Die Siemens AG trägt ihre eigenen durch das Streithilfeverfahren entstandenen Kosten.

Luxemburg, den 10. Dezember 2008

Der Kanzler

 

       Die Präsidentin

E. Coulon

 

       I. Pelikánová


* Verfahrenssprache: Deutsch.