Language of document : ECLI:EU:C:2016:35

Rechtssache C‑75/15

Viiniverla Oy

gegen

Sosiaali- ja terveysalan lupa- ja valvontavirasto

(Vorabentscheidungsersuchen des Markkinaoikeus)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz geografischer Angaben für Spirituosen – Verordnung (EG) Nr. 110/2008 – Art. 16 Buchst. b – Anspielung – In Finnland hergestellter und unter der Bezeichnung ‚Verlados‘ vermarkteter Brand aus Apfelwein – Geschützte geografische Angabe ‚Calvados‘“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 21. Januar 2016

1.        Rechtsangleichung – Einheitliche Rechtsvorschriften – Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie Schutz geografischer Angaben für Spirituosen – Verordnung Nr. 110/2008 – Anspielung auf eine geschützte geografische Angabe – Begriff – Bedeutung

(Verordnung Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 16 Buchst. b)

2.        Rechtsangleichung – Einheitliche Rechtsvorschriften – Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie Schutz geografischer Angaben für Spirituosen – Verordnung Nr. 110/2008 – Anspielung auf eine geschützte geografische Angabe – Anspielung auf die geschützte geografische Angabe „Calvados“ durch die Bezeichnung „Verlados“ – Beurteilung durch das nationale Gericht – Kriterien

(Verordnung Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 16 Buchst. b)

3.        Rechtsangleichung – Einheitliche Rechtsvorschriften – Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie Schutz geografischer Angaben für Spirituosen – Verordnung Nr. 110/2008 – Anspielung auf eine geschützte geografische Angabe – Begriff – Anspielung auf die geschützte geografische Angabe „Calvados“ durch die Bezeichnung „Verlados“ – Einbeziehung – Keine Verwechslungsgefahr zwischen den betroffenen Erzeugnissen – Keine Auswirkung

(Verordnung Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 16 Buchst. b)

1.        Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1576/89 ist dahin auszulegen, dass bei der Beurteilung, ob eine „Anspielung“ im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, das nationale Gericht auf die Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen hat, wobei dieser Begriff dahin zu verstehen ist, dass er auf einen europäischen Verbraucher und nicht nur auf einen Verbraucher des Mitgliedstaats abstellt, in dem das Erzeugnis hergestellt wird, das zu der Anspielung auf die geschützte geografische Angabe führt.

Das nationale Gericht hat zur Feststellung des Vorliegens einer „Anspielung“ im Sinne dieser Vorschrift nicht nur zu prüfen, ob der zur Bezeichnung des fraglichen Erzeugnisses verwendete Ausdruck einen Teil einer geschützten Bezeichnung in dieser Weise einschließt, sondern auch, ob der Verbraucher durch den Namen des Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu dem Erzeugnis herzustellen, das diese Bezeichnung trägt. Das nationale Gericht muss sich also hauptsächlich auf die Reaktion stützen, die der Verbraucher hinsichtlich des für die Bezeichnung des fraglichen Erzeugnisses verwendeten Ausdrucks vermutlich zeigen wird, wobei es vor allem darauf ankommt, dass er gedanklich einen Bezug zwischen dem Ausdruck und der geschützten Bezeichnung herstellt.

In diesem Zusammenhang ist der geografischen Angaben durch Art. 16 der Verordnung Nr. 110/2008 gewährte Schutz im Hinblick auf den Zweck auszulegen, der mit der Eintragung dieser Angaben verfolgt wird, nämlich, Spirituosen als Erzeugnisse eines bestimmten Gebiets zu kennzeichnen, wobei eine bestimmte Qualität, ein bestimmter Ruf oder ein anderes Merkmal dieser Getränke im Wesentlichen ihrem geografischen Ursprung zugeordnet werden kann.

Außerdem soll das System der Eintragung geografischer Angaben für Spirituosen u. a. zu einem hohen Grad an Verbraucherschutz beitragen. Insofern ist für die Beurteilung der Frage, ob ein für ein Erzeugnis verwendeter Ausdruck geeignet ist, auf eine geschützte Bezeichnung anzuspielen, auf die mutmaßliche Erwartung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers und damit auf ein auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruhendes Kriterium abzustellen.

Schließlich ist hinsichtlich der Notwendigkeit, im Hoheitsgebiet der Union einen effektiven und einheitlichen Schutz dieser geografischen Angaben zu gewährleisten, davon auszugehen, dass der Begriff „Verbraucher“ auf den europäischen Verbraucher abstellt.

(vgl. Rn. 22-28, Tenor 1)

2.        Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1576/89 ist dahin auszulegen, dass das nationale Gericht für die Beurteilung der Frage, ob die Bezeichnung „Verlados“ im Sinne dieser Vorschrift eine „Anspielung“ auf die geschützte geografische Angabe „Calvados“ für ähnliche Erzeugnisse darstellt, die klangliche und visuelle Ähnlichkeit zwischen diesen Bezeichnungen sowie etwaige Umstände berücksichtigen muss, die darauf hinweisen könnten, dass eine solche Ähnlichkeit nicht auf Zufall beruht, um zu prüfen, ob der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige europäische Durchschnittsverbraucher durch den Namen eines Erzeugnisses dazu veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu einem Erzeugnis mit der geschützten geografischen Angabe herzustellen.

Die Umstände, dass die Bezeichnung „Verlados“ sich auf den Namen des das Erzeugnis herstellenden Unternehmens und auf die tatsächliche Herkunft des Erzeugnisses bezieht und dass es sich bei dem als „Verlados“ bezeichneten Getränk um ein lokales Erzeugnis handelt, das nur lokal und in geringen Mengen vermarktet wird, sind nicht relevant für die Beurteilung des Vorliegens einer „Anspielung“ im Sinne von Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008.

(vgl. Rn. 41, 42, 46, 48, Tenor 2)

3.        Art. 16 Buchst. b der Verordnung Nr. 110/2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1576/89 ist dahin auszulegen, dass die Benutzung einer Bezeichnung, die im Sinne dieser Vorschrift als „Anspielung“ auf eine in Anhang III der Verordnung angeführte geografische Angabe qualifiziert wird, selbst dann unzulässig ist, wenn jegliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden kann.

(vgl. Rn. 52, Tenor 3)