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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

29. März 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Zulässigkeit – Art. 267 AEUV – Begriff ‚Gericht‘ – Art. 19 Abs. 1 EUV – Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Rechtsstaatlichkeit – Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz – Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit – Zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht – Gerichtliche Einrichtung, bei der ein Mitglied durch ein politisches Organ der Exekutive eines nicht demokratischen Regimes erstmals für das Amt eines Richters ernannt wurde – Arbeitsweise der Krajowa Rada Sądownictwa (Landesjustizrat, Polen) – Verfassungswidrigkeit des Gesetzes, auf dessen Grundlage dieser Rat zusammengesetzt wurde – Möglichkeit, diese Einrichtung als unparteiisches und unabhängiges Gericht im Sinne des Unionsrechts einzustufen“

In der Rechtssache C‑132/20

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) mit Entscheidung vom 18. Dezember 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 10. März 2020, in dem Verfahren

BN,

DM,

EN

gegen

Getin Noble Bank S.A.,

Beteiligter:

Rzecznik Praw Obywatelskich,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentinnen A. Prechal und K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten C. Lycourgos und I. Jarukaitis (Berichterstatter), der Kammerpräsidentin I. Ziemele und des Kammerpräsidenten J. Passer sowie der Richter M. Ilešič, T. von Danwitz, A. Kumin und N. Wahl,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des Rzecznik Praw Obywatelskich, vertreten durch M. Taborowski und P. Filipek,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, A. Dalkowska und S. Żyrek als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Herrmann, N. Ruiz García und P. J. O. Van Nuffel als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Juli 2021

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2, Art. 4 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 und 3 sowie Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 38 und Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), Art. 267 Abs. 3 AEUV und Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen BN, DM und EN sowie der Getin Noble Bank S.A., einem Kreditinstitut, wegen der angeblichen Missbräuchlichkeit einer Klausel in einem von BN, DM und EN bei diesem Institut geschlossenen Kreditvertrag.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.

(2)      Die in Absatz 1 genannten Mittel müssen auch Rechtsvorschriften einschließen, wonach Personen oder Organisationen, die nach dem innerstaatlichen Recht ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können, damit diese darüber entscheiden, ob Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefasst wurden, missbräuchlich sind, und angemessene und wirksame Mittel anwenden, um der Verwendung solcher Klauseln ein Ende zu setzen.“

 Polnisches Recht

 Verfassung

4        Art. 179 der Verfassung sieht vor:

„Die Richter werden vom Präsidenten der Republik Polen auf Vorschlag der Krajowa Rada Sądownictwa [Landesjustizrat, Polen, im Folgenden: KRS] auf unbestimmte Zeit ernannt.“

5        Nach Art. 180 Abs. 1 der Verfassung sind die Richter unabsetzbar.

6        Art. 186 Abs. 1 der Verfassung lautet:

„Die [KRS] schützt die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter.“

7        Art. 187 der Verfassung bestimmt:

„(1)      Die [KRS] besteht aus:

1.      dem Ersten Präsidenten des Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht, Polen], dem Justizminister, dem Präsidenten des Naczelny Sąd Administracyjny [Oberstes Verwaltungsgericht, Polen] und einer vom Präsidenten der Republik ernannten Person,

2.      fünfzehn Mitgliedern, die aus der Mitte der Richter des Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht], der ordentlichen Gerichte, der Verwaltungs- und der Militärgerichte gewählt worden sind,

3.      vier Mitgliedern, die vom Sejm [Erste Kammer des Parlaments, Polen] aus der Mitte der Abgeordneten gewählt worden sind, und zwei Mitgliedern, die vom Senat aus der Mitte der Senatoren gewählt worden sind.

(3)      Die Amtszeit der gewählten Mitglieder [der KRS] beträgt vier Jahre.

(4)      Die Ordnung, den Umfang der Tätigkeit und die Arbeitsweise [der KRS] sowie die Wahl [ihrer] Mitglieder regelt ein Gesetz.“

8        Art. 190 Abs. 1 der Verfassung bestimmt:

„Die Entscheidungen des Trybunał Konstytucyjny [Verfassungsgerichtshof, Polen] sind allgemeinverbindlich und rechtskräftig.“

 Gesetz vom 6. Februar 1928 über die Verfassung der ordentlichen Gerichte

9        Art. 2 des Rozporządzenie z mocą ustawy – Prawo o ustroju sądów powszechnych (Gesetzesdekret über die Verfassung der ordentlichen Gerichte) vom 6. Februar 1928 in seiner bis zum 1. September 1985 geltenden Fassung, die für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblich ist (Dz. U. 1964, Nr. 6, Pos. 40, im Folgenden: Gesetzesdekret vom 6. Februar 1928 über die Verfassung der ordentlichen Gerichte), sah vor:

„In der Volksrepublik Polen dient die Rechtspflege dem Schutz

a)      des Systems der Volksdemokratie und seiner Entwicklung zum Sozialismus;

…“

10      Nach Art. 53 dieses Gesetzesdekrets wurden die Richter der ordentlichen Gerichte auf Vorschlag des Justizministers von der Rada Państwa (Staatsrat) der Volksrepublik Polen ernannt.

11      Nach Art. 57 dieses Gesetzesdekrets leistete ein vom Staatsrat der Volksrepublik Polen ernannter Richter bei seinem Amtsantritt einen Eid vor dem Präsidenten des zuständigen Gerichts nach einer vorgeschriebenen Formel, leistete aber beim Wechsel seines Amtes keinen weiteren Eid.

12      Die Eidesformel war im Dekret o rocie ślubowania ministrów, funkcjonariuszów państwowych, sędziów i prokuratorów oraz funkcjonariuszów służby bezpieczeństwa publicznego (Dekret über die Eidesleistung von Ministern, Staatsbeamten, Richtern und Staatsanwälten sowie Beamten des öffentlichen Sicherheitsdienstes) vom 6. Oktober 1948 (Dz. U. 1948, Nr. 49, Pos. 370) vorgesehen. Nach Art. 1 Buchst. C dieses Dekrets leistete ein Richter seinen Eid nach folgender Formel:

„Ich schwöre feierlich, in meinem mir anvertrauten Amt als Richter … in meinem Tätigkeitsbereich und mit all meinen Kräften zur Stärkung der Freiheit, der Souveränität und der Macht des demokratischen Polnischen Staates, dem ich stets treu sein werde, beizutragen; die auf den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verfassungsgrundsätzen der Volksrepublik Polen beruhende Ordnung zu schützen und zu stärken; die Rechtsvorschriften entschlossen zu schützen und alle Bürger gleich zu behandeln; mich für die Achtung des Rechts und die Loyalität gegenüber dem demokratischen Polnischen Staat einzusetzen; die mit meinem Amt verbundenen Pflichten gewissenhaft und sorgfältig auszuüben und unparteiisch nach meinem Gewissen und im Einklang mit den Rechtsvorschriften Recht zu sprechen und dabei das Amtsgeheimnis zu wahren und mich im Rahmen des Verfahrens von den Grundsätzen der Würde, der Redlichkeit und der sozialen Gerechtigkeit leiten zu lassen.“

13      Gemäß Art. 59 Abs. 1 des Gesetzesdekrets vom 6. Februar 1928 über die Verfassung der ordentlichen Gerichte berief der Staatsrat der Volksrepublik Polen auf Vorschlag des Justizministers einen Richter ab, wenn dieser nicht die Garantien für eine angemessene Erfüllung der einem Richter obliegenden Verpflichtungen bot.

 Gesetz vom 20. Juni 1985 über die Verfassung der ordentlichen Gerichte

14      Art. 6 Abs. 2 der Ustawa – Prawo o ustroju sądów powszechnych (Gesetz über die Verfassung der ordentlichen Gerichte) vom 20. Juni 1985 (Dz. U. Nr. 31, Pos. 137) in ihrer bis zum 29. Dezember 1989 anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz vom 20. Juni 1985 über die Verfassung der ordentlichen Gerichte) sah vor:

„Die Richter werden vom Staatsrat [der Volksrepublik Polen] auf Vorschlag des Justizministers ernannt und abberufen.“

15      Art. 59 dieses Gesetzes lautete:

„§ 1      Bei Amtsantritt leistet der Richter folgenden Eid vor dem Justizminister:

‚Ich schwöre feierlich, in meinem mir anvertrauten Amt als Richter in meinem Tätigkeitsbereich und mit all meinen Kräften zur Stärkung der Freiheit, der Souveränität und der Entwicklung in allen Bereichen der Volksrepublik Polen, der ich stets treu sein werde, beizutragen; ihre politische, soziale und wirtschaftliche Ordnung zu schützen, die Errungenschaften der Arbeitnehmer, das kollektive Eigentum sowie die Rechte der Bürger und ihre gesetzlich geschützten Interessen zu schützen; die Volksrechtsstaatlichkeit zu gewährleisten und das Rechtsbewusstsein der Bürger zu stärken; die mit meinem Amt verbundenen Pflichten gewissenhaft und sorgfältig auszuüben und unparteiisch nach meinem Gewissen und im Einklang mit den Rechtsvorschriften Recht zu sprechen und dabei Staats- und Berufsgeheimnisse zu wahren und mich im Rahmen des Verfahrens von den Grundsätzen der Würde, der Redlichkeit und der sozialen Gerechtigkeit leiten zu lassen.‘

§ 3      Der Richter, der seine Stelle wechselt, leistet keinen weiteren Eid; dies gilt nicht für die Ernennung auf das Amt eines Richters des Obersten Gerichts [der Volksrepublik Polen].“

16      Art. 61 des Gesetzes bestimmte:

„§ 1      Der Staatsrat [der Volksrepublik Polen] beruft auf Vorschlag des Justizministers einen Richter ab, wenn dieser keine Garantien in Bezug auf die angemessene Ausübung der einem Richter obliegenden Verpflichtungen bietet. Vor der Abgabe seines Vorschlags holt der Justizminister die Erklärungen des Richters ein, es sei denn, dies ist nicht möglich. …

§ 3      Der Richter verliert das Recht, zu entscheiden, sobald ihm der Beschluss über seine Abberufung mitgeteilt wird.“

 Gesetz vom 12. Mai 2011 über die KRS

17      Art. 11 Abs. 1 bis 5 der Ustawa o Krajowej Radzie Sądownictwa (Gesetz über den Landesjustizrat) vom 12. Mai 2011 (Dz. U. Nr. 126 von 2011, Pos. 714, im Folgenden: KRS-Gesetz vom 12. Mai 2011) bestimmte:

„1.      Die Generalversammlung der Richter des Obersten Gerichts wählt aus seinen Richtern zwei Mitglieder des Rates aus.

2.      Die Generalversammlung der Richter des Obersten Verwaltungsgerichts wählt mit den Vertretern der Generalversammlungen der Woiwodschaftsverwaltungsgerichte aus den Richtern der Verwaltungsgerichte zwei Mitglieder des Rates aus.

3.      Die Versammlung der Vertreter der Versammlungen der Richter der Berufungsgerichte wählt aus ihrer Mitte zwei Mitglieder des Rates aus.

4.      Die Versammlung der Vertreter der Generalversammlungen der Richter nationaler Gerichte wählt aus ihrer Mitte acht Mitglieder des Rates aus.

5.      Die Versammlung der Richter der Militärgerichte wählt aus ihrer Mitte ein Mitglied des Rates aus.“

18      Art. 12 dieses Gesetzes lautete:

„1.      Die Generalversammlungen der Richter der Woiwodschaftsverwaltungsgerichte wählen unter ihren Mitgliedern zwei Vertreter aus.

2.      Die Wahl der Vertreter der Generalversammlungen der Richter der Militärverwaltungsgerichte findet spätestens im Monat vor Ablauf der Amtszeit der Mitglieder des Rates statt, die unter den Richtern der Verwaltungsgerichte ausgewählt werden. Die Vertreter werden für eine Dauer von vier Jahren ausgewählt.“

19      Art. 13 des KRS-Gesetzes vom 12. Mai 2011 sah vor:

„1.      Die Versammlungen der Richter der Berufungsgerichte wählen ihre Vertreter aus ihren Mitgliedern für ein Fünftel der Zahl der Richter eines bestimmten Berufungsgerichts aus.

2.      Die Generalversammlungen der Richter der Regionalgerichte wählen ihre Vertreter aus ihren Mitgliedern für 1/50 der Zahl der Richter eines Regionalgerichts aus.

3.      Die Wahl der in den Abs. 1 und 2 genannten Vertreter erfolgt spätestens in dem Monat vor Ablauf der Amtszeit der Mitglieder des Rates, die aus den Richtern der ordentlichen Gerichte ausgewählt werden. Die Vertreter werden für eine Dauer von vier Jahren ausgewählt.“

 Gesetz über die KRS

20      Das Gesetz vom 12. Mai 2011 über die KRS wurde u. a. durch die Ustawa o zmianie ustawy o Krajowej Radzie Sądownictwa oraz niektórych innych ustaw (Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Landesjustizrat und einiger anderer Gesetze) vom 8. Dezember 2017 (Dz. U. 2018, Pos. 3) und die Ustawa o zmianie ustawy – Prawo o ustroju sád ó w powszechnych oraz niektórych innych ustaw (Gesetz über die Änderung des Gesetzes über die Verfassung der ordentlichen Gerichte und einiger anderer Gesetze) vom 20. Juli 2018 (Dz. U. 2018, Pos. 1443) (im Folgenden: KRS-Gesetz) geändert.

21      Art. 9a des KRS-Gesetzes bestimmt:

„1.      Der Sejm wählt aus den Reihen der Richter am Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht], an den ordentlichen Gerichten, an den Verwaltungsgerichten und an den Militärgerichten 15 Mitglieder [der KRS] für eine gemeinsame Amtszeit von vier Jahren.

…“

22      Art. 37 Abs. 1 dieses Gesetzes sieht vor:

„Hat sich mehr als ein Kandidat um eine Stelle als Richter beworben, prüft und bewertet [die KRS] alle eingereichten Bewerbungen gemeinsam. In diesem Fall verabschiedet [die KRS] einen Beschluss, der ihre Entscheidungen über die Einreichung eines Vorschlags zur Ernennung auf eine Richterstelle für alle Kandidaten enthält.“

23      Art. 44 des KRS-Gesetzes sieht vor:

„1.      Ein Teilnehmer an dem Verfahren kann gegen den Beschluss [der KRS] einen Rechtsbehelf beim Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht] mit der Begründung einlegen, dass dieser rechtswidrig sei, soweit nicht besondere Bestimmungen etwas anderes vorsehen. …

1a.      In Individualsachen, die eine Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht] betreffen, kann ein Rechtsbehelf beim Naczelny Sąd Administracyjny [Oberstes Verwaltungsgericht] eingelegt werden. In diesen Sachen kann kein Rechtsbehelf beim Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht] eingelegt werden. Der Rechtsbehelf zum Naczelny Sąd Administracyjny [Oberstes Verwaltungsgericht] kann nicht damit begründet werden, dass nicht zutreffend beurteilt worden sei, ob die Kandidaten die Kriterien erfüllen, die bei der Entscheidung über die Einreichung des Vorschlags für die Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht] berücksichtigt werden.

1b.      Haben in Individualsachen, die eine Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht]) betreffen, nicht alle Teilnehmer an dem Verfahren den in Art. 37 Abs. 1 genannten Beschluss angefochten, so wird er insoweit bestandskräftig, als er die Entscheidung über die Einreichung eines Vorschlags für die Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht] und die Entscheidung enthält, die Teilnehmer, die keinen Rechtsbehelf eingelegt haben, nicht zur Ernennung zum Richter an diesem Gericht vorzuschlagen.

2.      Der Rechtsbehelf ist über den Präsidenten [der KRS] innerhalb von zwei Wochen nach Mitteilung des mit Gründen versehenen Beschlusses einzureichen. …

4.      In Individualsachen, die eine Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht] betreffen, kommt die Aufhebung des Beschlusses [der KRS], keine Ernennung zum Richter am Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht] vorzuschlagen, durch den Naczelny Sąd Administracyjny [Oberstes Verwaltungsgericht] der Zulassung der Bewerbung des Verfahrensteilnehmers, der den Rechtsbehelf eingelegt hat, um eine freie Richterstelle am Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht] gleich, und zwar für die Stelle, für die das Verfahren vor der KRS zum Zeitpunkt der Verkündung des Urteils des Naczelny Sąd Administracyjny [Oberstes Verwaltungsgericht] noch nicht abgeschlossen ist, oder, mangels eines solchen Verfahrens, für die nächste freie Richterstelle am Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht], die ausgeschrieben wird.“

 Zivilgesetzbuch

24      Art. 3851 § 1 der Ustawa – Kodeks cywilny (Zivilgesetzbuch) vom 23. April 1964 (Dz. U. 1964, Nr. 16) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung sieht vor:

„Die Bestimmungen eines mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrags, die nicht individuell ausgehandelt worden sind, sind für ihn unverbindlich, wenn sie seine Rechte und Pflichten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise gestalten und ihn grob benachteiligen (missbräuchliche Vertragsklauseln). Dies gilt nicht für Bestimmungen, die die Hauptpflichten der Parteien, darunter den Preis oder die Vergütung, wenn sie eindeutig formuliert worden sind.“

 Zivilprozessordnung

25      Art. 367 der Ustawa – Kodeks postępowania cywilnego (Zivilprozessordnung) vom 17. November 1964 in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Zivilprozessordnung):

„§ 1      Gegen ein Urteil eines erstinstanzlichen Gerichts kann Berufung bei einem Gericht zweiter Instanz eingelegt werden.

2.      Berufungen gegen ein Urteil eines Rayongerichts werden vom Regionalgericht geprüft, und Berufungen gegen ein erstinstanzliches Urteil des Regionalgerichts werden vom Sąd Apelacyjny [Berufungsgericht, Polen] geprüft.

3.      Ein zweitinstanzliches Gericht prüft eine Rechtssache in einem Spruchkörper mit drei Richtern. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit entscheidet das Gericht in einem mit nur einem Richter besetzten Spruchkörper, es sei denn, es erlässt ein Urteil.“

26      Art. 379 der Zivilprozessordnung sieht vor:

„Das Verfahren ist ungültig,

4.      wenn das Gericht, das die Sache entscheidet, nicht gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zusammengesetzt ist oder das Verfahren im Beisein eines Richters geführt wurde, der von Rechts wegen ausgeschlossen war; …“

27      Art. 3983 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„§ 1      Eine Partei kann eine Kassationsbeschwerde auf folgende Grundlagen stützen:

2.      Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn sich dieser Mangel tatsächlich auf den Ausgang des Rechtsstreits auswirken konnte. …“

28      Gemäß Art. 39813 § 1 der Zivilprozessordnung „prüft der Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht] die Kassationsbeschwerde im Umfang und anhand der Gründe des Rechtsmittels; im Rahmen der Tragweite des Rechtsmittels berücksichtigt dieses Gericht die Ungültigkeit des Verfahrens jedoch von Amts wegen.“

29      Art. 39815 der Zivilprozessordnung lautet:

„§ 1      Wird der Kassationsbeschwerde stattgegeben, hebt der Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht] das angefochtene Urteil ganz oder teilweise auf und verweist die Sache zur erneuten Prüfung an das Gericht zurück, das das Urteil erlassen hat, oder ein anderes Gericht mit gleichem Rang; …

§ 2      Wird die Sache zur erneuten Prüfung zurückverwiesen, so prüft das Gericht die Sache in anderer Besetzung.“

30      In Art. 401 der Zivilprozessordnung heißt es:

„Die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Nichtigkeit kann beantragt werden,

1)      wenn eine nicht berechtigte Person dem Spruchkörper angehört hat oder ein von Rechts wegen ausgeschlossener Richter entschieden hat und die Partei den Ausschluss nicht von Rechts wegen geltend machen konnte, bevor das Urteil Rechtskraft erlangt hat.

…“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

31      Mit Klageschrift vom 28. Februar 2017, die am 3. März 2017 beim Sąd Okręgowy w Świdnicy (Regionalgericht Świdnica, Polen) einging, beantragten BN, DM und EN, die Getin Noble Bank gesamtschuldnerisch auf Zahlung von 175 107,10 polnischen Zloty (PLN) (etwa 39 485 Euro) zuzüglich gesetzlicher Verzugszinsen zu verurteilen. Zur Begründung beriefen sie sich auf die Missbräuchlichkeit des Kopplungsmechanismus des Kredits, der in einem an eine Fremdwährung, nämlich den Schweizer Franken (CHF), gekoppelten Hypothekenkreditvertrag geregelt war, sowie einer sogenannten Paketklausel betreffend eine Versicherung für den Fall, dass die Eintragung der Hypothek während der ersten drei Monate der Kreditlaufzeit abgelehnt wird.

32      Mit Urteil vom 21. August 2018 verurteilte das betreffende Gericht die Getin Noble Bank, an die Kassationsbeschwerdeführer des Ausgangsverfahrens insgesamt 16 120,12 PLN (etwa 3 634 Euro) zuzüglich gesetzlicher Verzugszinsen zu zahlen, und stufte die Klauseln des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kreditvertrags, die dieser Bank erlaubten, den Wechselkurs des Schweizer Franken frei zu bestimmen, anstatt den von der Narodowy Bank Polski (Polnische Nationalbank) festgelegten Mittelkurs zugrunde zu legen, als rechtswidrig ein, ohne jedoch den Kopplungsmechanismus insgesamt für ungültig zu erklären.

33      Die Kassationsbeschwerdeführer des Ausgangsverfahrens legten gegen dieses Urteil Berufung beim Sąd Apelacyjny we Wrocławiu (Berufungsgericht Wrocław [Breslau], Polen) ein. Mit Urteil vom 28. Februar 2019 bestätigte dieses Gericht das Urteil.

34      Die Kassationsbeschwerdeführer des Ausgangsverfahrens legten gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht, dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht), ein, mit der sie im Wesentlichen geltend machen, dass dieses Urteil gegen Art. 3851 des Zivilgesetzbuchs in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung verstoße, da darin nicht anerkannt werde, dass aufgrund der Missbräuchlichkeit der in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag vorgesehenen Indexierungsklausel der in diesem Vertrag geregelte Kopplungsmechanismus insgesamt zwischen den Parteien unanwendbar werde.

35      Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit dieser Kassationsbeschwerde weist das vorlegende Gericht, das aus einem Richter der Zivilkammer des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) besteht, darauf hin, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 die Möglichkeit vorsehen müssten, dass Verfahren verwaltungsrechtlicher oder gerichtlicher Art eingeleitet werden könnten, um festzustellen, ob Vertragsklauseln missbräuchlich seien, und dass das polnische Recht vorsehe, dass ein solches Verfahren gerichtlicher Art sei. Demzufolge müsse eine nationale Einrichtung, die die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln prüfe, alle Voraussetzungen erfüllen, um als „Gericht“ im Sinne des Unionsrechts eingestuft werden zu können.

36      In diesem Zusammenhang führt das vorlegende Gericht aus, dass dem Spruchkörper des Sąd Apelacyjny we Wrocławiu (Berufungsgericht Wrocław), der das Urteil vom 28. Februar 2019 erlassen habe, das Gegenstand der beim vorlegenden Gericht eingelegten Kassationsbeschwerde sei (im Folgenden: mit der Kassationsbeschwerde angefochtenes Urteil), drei Richter angehört hätten, nämlich FO, GP und HK, deren Unabhängigkeit in Anbetracht der Umstände im Zusammenhang mit ihrer Ernennung zu Richtern fraglich sei.

37      Zunächst ergebe sich die erste Ernennung von FO zum Richter aus einem Beschluss des Staatsrats der Volksrepublik Polen vom 9. März 1978, sodann sei dieser mit Beschluss des Staatsrats der Volksrepublik Polen vom 18. April 1984 auf eine Richterstelle bei einem Sąd Wojewódzki (Woiwodschaftsgericht, Polen) und schließlich mit einer auf Vorschlag der KRS erlassenen Entscheidung des Präsidenten der Republik Polen vom 23. Januar 1998 auf eine Richterstelle beim Sąd Apelacyjny we Wrocławiu (Berufungsgericht Wrocław) ernannt worden. GP und HK seien mit Entscheidungen des Präsidenten der Republik Polen vom 12. März 2015 bzw. 16. April 2012 jeweils auf eine Richterstelle beim Sąd Apelacyjny we Wrocławiu (Berufungsgericht Wrocław) ernannt worden.

38      FO sei daher auf seine erste Richterstelle zu einem Zeitpunkt ernannt worden, als die Volksrepublik Polen ein kommunistischer Staat gewesen sei, und seine spätere Ernennung auf eine Richterstelle beim Sąd Apelacyjny we Wrocławiu (Berufungsgericht Wrocław) sei die Folge einer früheren Entscheidung gewesen, die von nicht demokratischen und nicht unparteiischen Einrichtungen getroffen worden sei. Außerdem sei nach dem Ende des kommunistischen Regimes der Volksrepublik Polen nicht geprüft worden, ob die von diesem Regime ernannten Richter in dem Zeitraum, in dem dieses Regime bestanden habe, den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit gewahrt hätten.

39      Ebenso hätten im Jahr 1998 bei der Ernennung von FO beim Sąd Apelacyjny we Wrocławiu (Berufungsgericht Wrocław) nicht nur die Beschlüsse der KRS keiner Begründung bedurft, sondern auch nicht gerichtlich angefochten werden können.

40      Im Übrigen habe das Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgericht) in einem Urteil vom 20. Juni 2017 festgestellt, dass die KRS von 2000 bis 2018 nicht transparent gewesen sei und die Zusammensetzung ihrer Gremien verfassungswidrig gewesen sei. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts wurden GP und HK in diesem Zeitraum zu Richtern am Sąd Apelacyjny we Wrocławiu (Berufungsgericht Wrocław) ernannt.

41      In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es, um die Wahrung des Rechts auf wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten, verpflichtet ist, von Amts wegen zu prüfen, ob der Spruchkörper des Sąd  Apelacyjny we Wrocławiu (Berufungsgericht Wrocław), der das mit der Kassationsbeschwerde angefochtene Urteil erlassen hat, die Anforderungen an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eingehalten hat, und das trotz der polnischen Verfassungsbestimmungen, die die Unabsetzbarkeit der Richter gewährleisten.

42      Die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Ernennung eines Richters müssten in jedem Abschnitt des gerichtlichen Verfahrens geprüft werden, um die Unabhängigkeit des Spruchkörpers, dem er angehöre, festzustellen. Ob die Anforderungen an die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eingehalten worden seien, müsse daher im konkreten Fall beurteilt werden, d. h. unter Berücksichtigung etwaiger Auswirkungen der Art und Weise der Ernennung der Richter auf die zu prüfende Rechtssache.

43      Wenn nämlich die Unabhängigkeit eines Gerichts oder die Ordnungsgemäßheit der Ernennung eines Richters abstrakt zu beurteilen wäre, d. h. ohne dass etwaige Auswirkungen des Verfahrens zur Ernennung des betreffenden Richters auf die zu prüfende Rechtssache geprüft würden, könnten damit die Regeln über die Unabsetzbarkeit der Richter umgangen werden, die grundsätzlich verfassungsrechtlich verankert seien. Grundsätzlich dürfe die Ernennung eines Richters im Licht der Verfassung und der polnischen Verfassungsrechtsprechung nicht in Frage gestellt werden.

44      Nur durch eine konkrete Prüfung der „individuellen Merkmale“ eines Richters wie seiner ethischen Position im Rahmen einer Beurteilung seiner Unabhängigkeit könne das Vertrauen des Einzelnen in die gerichtlichen Einrichtungen gewahrt werden.

45      Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass in Anbetracht des Urteils vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982), nur eine abstrakte Beurteilung der Unabhängigkeit eines Gerichts oder der Ordnungsgemäßheit der Ernennung eines Richters vorgenommen werden könne.

46      Mit Urteil vom 5. Dezember 2019 sei der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) diesem Urteil des Gerichtshofs gefolgt und habe zum einen entschieden, dass die KRS keine unparteiische und von der Legislative und der Exekutive unabhängige Einrichtung sei, und zum anderen, dass die Disziplinarkammer des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) kein Gericht im Sinne des Unionsrechts oder des nationalen Rechts sei.

47      Am 23. Januar 2020 hätten die Zivil- und die Strafkammer sowie die Kammer für Arbeit und soziale Sicherheit des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) ohne die Mitwirkung des Richters, aus dem das vorlegende Gericht bestehe, einen gemeinsamen Beschluss gefasst, mit dem die Rechtsprechung, die sich aus dem in der vorstehenden Randnummer erwähnten Urteil vom 5. Dezember 2019 ergebe, bestätigt worden sei.

48      Dieser Beschluss ist jedoch dem Richter zufolge unvereinbar mit einem anderen von der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten dieses Gerichts erlassenen Beschluss vom 8. Januar 2020, der ebenfalls bindend sei. Aus diesem Beschluss gehe zum einen hervor, dass der Sad Najwyższy (Oberstes Gericht), wenn er mit einem Rechtsbehelf gegen einen Beschluss der KRS über einen Bewerber für eine Richterstelle befasst sei, prüfen müsse, ob die KRS im Licht des Urteils vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982), unabhängig sei, und zum anderen, dass der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) einen solchen Beschluss der KRS nur unter zwei Umständen für nichtig erklären dürfe, nämlich entweder, wenn der Rechtsbehelfsführer nachweise, dass sich die Parteilichkeit der KRS auf den Inhalt des Beschlusses ausgewirkt habe, oder ,falls der fragliche Richter bereits ernannt worden sei und in Anbetracht des verfassungsrechtlichen Verbots, die Gültigkeit der Ernennung eines Richters zu beurteilen, wenn er nachweise, dass das Gericht, dem der betreffende Richter angehöre, nicht unparteiisch und unabhängig sei.

49      Unter diesen Umständen hat der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind Art. 2, Art. 4 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 und 3 sowie Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta, Art. 267 Abs. 3 AEUV sowie Art. 38 der Charta und Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass eine Einrichtung, der eine Person angehört, die durch ein politisches Organ der Exekutive eines Staates mit einem totalitären, nicht demokratischen, kommunistischen Regierungssystem (Rada Państwa Polskiej Rzeczypospolitej Ludowej; Staatsrat der Volksrepublik Polen) auf Antrag des Justizministers dieses Staates erstmals zum Richter ernannt bzw. später (an ein Gericht höherer Instanz) versetzt wurde, ein unabhängiges und unparteiisches, über die erforderlichen Befugnisse verfügendes Gericht im Sinne des Unionsrechts ist, wenn man insbesondere bedenkt, dass die Ernennungskriterien nicht transparent waren, der Richter jederzeit abberufen werden konnte, an dem Ernennungsverfahren weder die Selbstverwaltung der Richterschaft noch entsprechende Einrichtungen der öffentlichen Gewalt, die aus demokratischen Wahlen hervorgegangen sind, beteiligt waren, was das Vertrauen erschüttern könnte, das die Rechtsprechung in einer demokratischen Gesellschaft genießen muss?

2.      Ist für die Beantwortung der ersten Frage der Umstand von Bedeutung, dass die Versetzung auf andere Richterstellen (bei Gerichten höherer Instanzen) aufgrund der Anerkennung der entsprechenden Beschäftigungsdauer (Dienstalter) und aufgrund der Beurteilung der Arbeit, die diese Person auf der Stelle geleistet hat, für die sie zumindest erstmalig durch das politische Organ, von dem in der ersten Frage die Rede ist, und im Rahmen des dort beschriebenen Verfahrens ernannt worden war, möglich wurde, was das Vertrauen erschüttern könnte, das die Rechtsprechung in einer demokratischen Gesellschaft genießen muss?

3.      Ist für die Beantwortung der ersten Frage der Umstand von Bedeutung, dass die Versetzung auf andere Richterstellen (bei Gerichten höherer Instanzen, mit Ausnahme des Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht]) nicht von der Ablegung eines Eides abhängig war, mit dem sich der Richter zur Wahrung der Werte einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet, die erstmalig ernannte Person vielmehr darauf vereidigt wurde, das politische System eines kommunistischen Staats zu schützen und die sogenannte „Volksrechtsstaatlichkeit“ zu wahren, was das Vertrauen erschüttern könnte, das die Rechtsprechung in einer demokratischen Gesellschaft genießen muss?

4.      Sind Art. 2, Art. 4 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 und 3 sowie Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta, Art. 267 Abs. 3 AEUV sowie Art. 38 der Charta und Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass eine Einrichtung, der eine Person angehört, die unter grober Verletzung der Verfassungsbestimmungen eines Mitgliedstaats der Union erstmals zum Richter ernannt bzw. später (an ein Gericht höherer Instanz) versetzt wurde, ein unabhängiges und unparteiisches, über die erforderlichen Befugnisse verfügendes Gericht im Sinne des Unionsrechts ist, wenn man bedenkt, dass die Einrichtung, die diese Person, die anschließend zum Richter ernannt wurde, vorgeschlagen hat (die Krajowa Rada Sądownictwa; Landesjustizrat), wie das Verfassungsgericht des Mitgliedstaats der Union festgestellt hat, verfassungswidrig zusammengesetzt war, was das Vertrauen erschüttern könnte, das die Rechtsprechung in einer demokratischen Gesellschaft genießen muss?

5.      Sind Art. 2, Art. 4 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 und 3 sowie Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta, Art. 267 Abs. 3 AEUV sowie Art. 38 der Charta und Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass eine Einrichtung ein unabhängiges und unparteiisches, über die erforderlichen Befugnisse verfügendes Gericht im Sinne des Unionsrechts ist, der eine erstmals zum Richter ernannte bzw. später (an ein Gericht höherer Instanz) versetzte Person angehört, die in einem Verfahren vor einer Einrichtung, die die Bewerber bewertet (Landesjustizrat), als Bewerber für diesen Posten ausgewählt wurde, wenn dieses Verfahren keine Öffentlichkeit und Transparenz der Bewerberauswahl garantierte, was das Vertrauen erschüttern könnte, das die Rechtsprechung in einer demokratischen Gesellschaft genießen muss?

6.      Sind Art. 2, Art. 4 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 3 sowie Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta, Art. 267 Abs. 3 AEUV, Art. 38 der Charta sowie Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass das letztinstanzliche Gericht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union (Sąd Najwyższy, Oberstes Gericht) zur Gewährleistung eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes als Mittel gegen die dauerhafte Anwendung missbräuchlicher Klauseln in Verträgen, die von Verkäufern und Lieferanten mit Verbrauchern geschlossen werden, dazu verpflichtet ist, von Amts wegen in jedem Verfahrensstadium zu prüfen, ob

a)      das Gericht, von dem in der ersten und der vierten Frage die Rede ist, die Anforderungen an ein unabhängiges und unparteiisches, über die erforderlichen Befugnisse verfügendes Gericht im Sinne des Unionsrechts erfüllt, und zwar unabhängig davon, ob sich die Beurteilung der in diesen Fragen angeführten Kriterien auf die Entscheidung über die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel auswirkt, und

b)      ob das Verfahren vor dem Gericht, von dem in der ersten und der vierten Frage die Rede ist, gültig ist?

7.      Sind Art. 2, Art. 6 Abs. 1 und 3 sowie Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta, Art. 267 Abs. 3 AEUV, Art. 38 der Charta sowie Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass der Feststellung der fehlenden Unabhängigkeit eines Gerichts oder eines Richters dieses Gerichts nach dem Recht der Union aufgrund der Umstände, von denen in den Fragen 1 bis 5 die Rede ist, Verfassungsbestimmungen eines Mitgliedstaats der Union entgegenstehen können, die die Gerichtsverfassung oder die Ernennung von Richtern regeln und die Beurteilung der Wirksamkeit der Ernennung eines Richters ausschließen?

 Zum Antrag auf Durchführung eines beschleunigten Verfahrens und zur vorrangigen Behandlung

50      Das vorlegende Gericht hat beantragt, die vorliegende Rechtssache dem beschleunigten Verfahren nach Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen. Es hält die Einleitung eines solchen Verfahrens im Wesentlichen nicht nur im Hinblick auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des mit der Kassationsbeschwerde angefochtenen Urteils für gerechtfertigt, sondern auch, weil festgestellt werden müsse, ob es zulässig sei, den verfassungsrechtlichen Status zahlreicher polnischer Richter im Hinblick auf das Unionsrecht in Frage zu stellen, und infolgedessen, welcher Art die Entscheidungen seien, die von aus diesen Richtern zusammengesetzten Spruchkörpern getroffen würden, und welche Wirkungen sie hätten. Außerdem sei ein solches Verfahren dadurch gerechtfertigt, dass das Urteil des Gerichtshofs in der vorliegenden Rechtssache die Auslegung des Unionsrechts ergänzen könne, um einen Widerspruch zwischen der Verfassung und dem Unionsrecht, wie es im Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982), und in den auf der Grundlage dieses Urteils ergangenen Entscheidungen der polnischen Gerichte ausgelegt worden sei, zu vermeiden.

51      Nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann der Präsident des Gerichtshofs auf Antrag des vorlegenden Gerichts oder ausnahmsweise von Amts wegen, nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts, entscheiden, eine Vorlage zur Vorabentscheidung einem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, wenn die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert.

52      Insoweit ist daran zu erinnern, dass ein solches beschleunigtes Verfahren ein Verfahrensinstrument ist, mit dem auf eine außerordentliche Dringlichkeitssituation reagiert werden soll. Außerdem geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass das beschleunigte Verfahren keine Anwendung finden kann, wenn die Sensibilität und die Komplexität der durch einen Fall aufgeworfenen rechtlichen Fragen kaum mit der Anwendung des beschleunigten Verfahrens zu vereinbaren sind, insbesondere, wenn es nicht angebracht erscheint, das schriftliche Verfahren vor dem Gerichtshof zu verkürzen (Urteil vom 18. Mai 2021, Asociația „Forumul Judecătorilor din România“ u. a., C‑83/19, C‑127/19, C‑195/19, C‑291/19, C‑355/19 und C‑397/19, EU:C:2021:393, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Im vorliegenden Fall hat der Präsident des Gerichtshofs, nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts, mit Beschluss vom 8. Mai 2020 den Antrag, die vorliegende Rechtssache einem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen, zurückgewiesen. Die Schwierigkeit einer Rechtssache korreliert zwar grundsätzlich nicht mit der Eilbedürftigkeit ihrer Entscheidung, doch sind die Sensibilität und die Komplexität der durch den vorliegenden Fall aufgeworfenen rechtlichen Fragen kaum mit der Anwendung des beschleunigten Verfahrens zu vereinbaren (vgl. entsprechend Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 18. Oktober 2017, Weiss u. a., C‑493/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:792, Rn. 13). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Vorlageentscheidung fast drei Monate nach ihrer Verkündung beim Gerichtshof eingegangen ist, was darauf hinweist, dass die vorliegende Rechtssache keine außergewöhnliche Dringlichkeitssituation betrifft.

54      Allerdings hat der Präsident des Gerichtshofs in Anbetracht der vom vorlegenden Gericht vorgebrachten Argumente am 8. Mai 2020 beschlossen, die vorliegende Rechtssache gemäß Art. 53 Abs. 3 der Verfahrensordnung mit Vorrang zu entscheiden.

 Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

55      Mit Schriftsatz, der am 29. Dezember 2021 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat die polnische Regierung die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt.

56      Zur Begründung dieses Antrags macht die polnische Regierung geltend, dass der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) mit Entscheidung vom 13. Dezember 2020 eine Entscheidung eben dieses Gerichts, die aber in einem anderen Spruchkörper ergangen sei, u. a. mit der Begründung aufgehoben habe, dass es keine Garantie dafür gebe, dass dieser dem von Gerichten verlangten Standard der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit entsprochen habe. Der Inhalt dieser Entscheidung und die sich daraus ergebenden Folgen bestärkten die Argumente, die sie dem Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache bereits vorgetragen habe, und sollten daher in diesem Verfahren geprüft werden.

57      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen kann, insbesondere, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder wenn eine Partei nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist.

58      Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof jedoch nach Anhörung des Generalanwalts der Auffassung, dass er nach dem schriftlichen Verfahren und der vor ihm abgehaltenen mündlichen Verhandlung über alle für die Entscheidung über das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen erforderlichen Informationen verfügt. Der Antrag der polnischen Regierung auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens lässt zudem keine neue Tatsache erkennen, die geeignet wäre, die vom Gerichtshof zu erlassende Entscheidung zu beeinflussen.

59      Die polnische Regierung macht nämlich nicht geltend, dass die Entscheidung des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) vom 13. Dezember 2020 irgendeine Auswirkung auf das Ausgangsverfahren habe. Sie führt lediglich an, dass die in dieser Entscheidung dargelegten Gründe „die Argumente bestärken“, die sie dem Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache bereits vorgetragen hat.

60      Aus diesen Gründen ist das mündliche Verfahren nicht wiederzueröffnen.

 Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

61      Der Rzecznik Praw Obywatelskich (Bürgerbeauftragter, Polen) macht geltend, dieser Antrag sei wegen der Mängel bei der Ernennung des Richters, aus dem das vorlegende Gericht bestehe, zum Richter und wegen berechtigter Zweifel an seiner Unabhängigkeit und seiner Unparteilichkeit unzulässig.

62      Erstens könne dieser Richter im vorliegenden Fall nicht als „Gericht“ im Sinne des Unionsrechts eingestuft werden. Die Art und Schwere der Mängel bei der Ernennung des Richters, aus dem das vorlegende Gericht bestehe, zum Richter hätten zur Unwirksamkeit des Ernennungsverfahrens geführt und damit diesem Richter seine Eigenschaft als Gericht genommen. Denn diese Mängel wögen so schwer, dass der Richter nicht als ein ordnungsgemäß errichtetes Gericht angesehen werden könne, das das Kriterium eines „durch Gesetz errichteten“ Gerichts erfülle.

63      Zweitens lasse sich mit Blick auf sämtliche rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Ernennung des Richters, aus dem das vorlegende Gericht bestehe, nicht jeder berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieses Richters ausräumen.

64      Folglich erfülle der Richter, aus dem das vorlegende Gericht bestehe, nicht die zwei wesentlichen Kriterien für die Eigenschaft eines „Gerichts“ im Sinne von Art. 267 AEUV, nämlich, dass es durch Gesetz errichtet worden und dass es unabhängig und unparteiisch sei. Seien diese Anforderungen – kumulativ oder einzeln – nicht eingehalten, genüge dies für die Feststellung, dass das vorlegende Gericht nicht befugt sei, dem Gerichtshof im Rahmen des Verfahrens der Zusammenarbeit nach Art. 267 AEUV Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

65      Die Europäische Kommission macht zwar nicht geltend, dass das Vorabentscheidungsersuchen unzulässig sei, trägt aber vor, dass die Berufung des Richters, aus dem das vorlegende Gericht bestehe, an den Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) auf einem Beschluss der KRS vom 28. August 2018 beruhe. Obwohl die Vollstreckung dieses Beschlusses durch Beschlüsse des Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht) vom 27. September und vom 8. Oktober 2018 ausgesetzt worden sei, habe der Präsident der Republik Polen dennoch diesen Richter beim Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) ernannt. Daher seien Zweifel erlaubt, ob dieser Richter die Anforderung an ein „zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht“ nach Art. 19 Abs. 1 EUV und Art. 47 der Charta erfülle.

66      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs dieser bei der Beurteilung der rein unionsrechtlichen Frage, ob es sich bei der jeweils vorlegenden Einrichtung um ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV handelt, und daher, ob das Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist, auf eine Reihe von Merkmalen abstellt, wie z. B. u. a. die gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ihr ständiger Charakter, die obligatorische Gerichtsbarkeit, das streitige Verfahren, die Anwendung von Rechtsnormen durch die betreffende Einrichtung sowie ihre Unabhängigkeit (Urteile vom 21. Januar 2020, Banco de Santander, C‑274/14, EU:C:2020:17, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 16. November 2021, Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a., C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:931, Rn. 42).

67      Im vorliegenden Fall ist das Vorabentscheidungsersuchen vom Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) eingereicht worden, der, bevor er sich vorab zur Zulässigkeit der in Rn. 34 des vorliegenden Urteils genannten Kassationsbeschwerde äußert, aufgrund des nationalen Rechts verpflichtet ist, zu diesem Zweck die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Spruchkörpers, der das mit der Kassationsbeschwerde angefochtene Urteil erlassen hat, zu prüfen.

68      Es ist unstreitig, dass der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) als solcher die in Rn. 66 des vorliegenden Urteils erwähnten Anforderungen erfüllt. Was im vorliegenden Fall vom Bürgerbeauftragten in Frage gestellt wird, ist, ob der betreffende Richter, der in dem Spruchkörper, der dem Gerichtshof das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt hat, als Einzelrichter tagend die Anforderungen erfüllt, die eine Einrichtung erfüllen muss, um als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV eingestuft zu werden.

69      Sofern ein Vorabentscheidungsersuchen von einem nationalen Gericht stammt, ist davon auszugehen, dass dieses diese in Rn. 66 des vorliegenden Urteils erwähnten Anforderungen unabhängig von seiner konkreten Zusammensetzung erfüllt.

70      In einem Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV ist der Gerichtshof nach der Verteilung der Aufgaben zwischen ihm und den nationalen Gerichten nach ständiger Rechtsprechung nämlich nicht befugt, nachzuprüfen, ob die Vorlageentscheidung den nationalen Vorschriften über die Gerichtsorganisation und das gerichtliche Verfahren entspricht. Er ist daher an die von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Vorlageentscheidung gebunden, solange diese nicht aufgrund eines im nationalen Recht eventuell vorgesehenen Rechtsbehelfs aufgehoben worden ist (Urteile vom 14. Januar 1982, Reina, 65/81, EU:C:1982:6, Rn. 7, und vom 16. November 2021, Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a., C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:931, Rn. 44).

71      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Schlüsselelement des von den Verträgen geschaffenen Gerichtssystems in dem in Art. 267 AEUV vorgesehenen Vorabentscheidungsverfahren besteht, das durch die Einführung eines Dialogs von Gericht zu Gericht zwischen dem Gerichtshof und den Gerichten der Mitgliedstaaten die einheitliche Auslegung des Unionsrechts gewährleisten soll und damit die Sicherstellung seiner Kohärenz, seiner vollen Geltung und seiner Autonomie sowie letztlich des eigenen Charakters des durch die Verträge geschaffenen Rechts ermöglicht (Urteil vom 2. März 2021, A. B. u. a. [Ernennung von Richtern am Obersten Gericht – Rechtsbehelf], C‑824/18, EU:C:2021:153, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Die in Rn. 69 des vorliegenden Urteils dargelegte Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung eines nationalen oder internationalen Gerichts zu der Annahme führen würde, dass der Richter, aus dem das vorlegende Gericht besteht, nicht die Eigenschaft eines unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gerichts im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 Abs. 2 der Charta hat.

73      Da der Gerichtshof im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt des Abschlusses des mündlichen Verfahrens keine Kenntnis davon hatte, dass in Bezug auf den Richter, aus dem das vorlegende Gericht besteht, eine solche rechtskräftige gerichtliche Entscheidung ergangen wäre, können die etwaigen Mängel des nationalen Verfahrens zu seiner Ernennung nicht zur Unzulässigkeit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens führen.

74      Es ist hervorzuheben, dass die in Rn. 69 des vorliegenden Urteils genannte Vermutung nur zum Zweck der Beurteilung der Zulässigkeit von Vorabentscheidungsersuchen im Rahmen von Art. 267 AEUV gilt. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Voraussetzungen für die Ernennung der Richter des vorlegenden Gerichts zwangsläufig die Annahme zulassen, dass die Garantien für den Zugang zu einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV oder Art. 47 der Charta erfüllt sind.

75      Schließlich könnte, wie der Generalanwalt in Nr. 77 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, eine andere Beurteilung als jene, die sich aus den Rn. 68 bis 74 des vorliegenden Urteils ergibt, geboten sein, wenn über die persönliche Situation der Richter, die formal ein Ersuchen gemäß Art. 267 AEUV stellen, hinaus andere Gesichtspunkte Auswirkungen auf die Funktionsweise des vorlegenden Gerichts, dem diese Richter angehören, haben und somit zur Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieses Gerichts beitragen sollten.

76      Nach alledem ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

 Zu den Vorlagefragen

 Zu den Fragen 1 bis 5

 Vorbemerkungen

77      Die Vorlagefragen 1 bis 5 betreffen die Auslegung von Art. 2, Art. 4 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 und 3 und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta und Art. 267 Abs. 3 AEUV sowie von Art. 38 der Charta und Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13.

78      Aus der Begründung der Vorlageentscheidung geht jedoch hervor, dass diese Fragen im Wesentlichen die Auslegung des Grundsatzes der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichte betreffen, der sich aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta ergibt. Im Übrigen ist festzustellen, dass Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 im Wesentlichen vorsieht, dass Verbraucher der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, insbesondere durch Anrufung der zuständigen Gerichte ein Ende setzen können, und dass es im Ausgangsverfahren u. a. um die Anerkennung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln geht.

79      Unter diesen Umständen sind die Fragen 1 bis 5 nur im Hinblick auf Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 47 der Charta sowie Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 zu prüfen.

 Zu den Fragen 1 bis 3

80      Mit seinen Fragen 1 bis 3, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 47 der Charta sowie Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass es nicht mit ihnen vereinbar ist, einen Spruchkörper eines Gerichts eines Mitgliedstaats, dem ein Richter angehört, dessen erstmalige Ernennung zum Richter bzw. seine spätere Versetzung an ein Gericht höherer Instanz sich aus dem Beschluss einer Einrichtung eines nicht demokratischen Regimes ergibt, das in diesem Mitgliedstaat vor seinem Beitritt zur Europäischen Union an der Macht war, als unabhängiges und unparteiisches Gericht einzustufen, und zwar auch dann, wenn die Ernennungen dieses Richters bei Gerichten nach dem Ende dieses Regimes u. a. auf das Dienstalter gestützt waren, das dieser Richter in dem Zeitraum, in dem dieses Regime bestand, erworben hatte, oder wenn er den richterlichen Eid nur bei seiner erstmaligen Ernennung zum Richter durch eine Einrichtung dieses Regimes abgelegt hat.

81      Die Fragen 1 bis 3 betreffen drei Umstände in Bezug auf die Ernennung von FO, einem der drei Richter des Spruchkörpers, der das mit der Kassationsbeschwerde angefochtene Urteil erlassen hat, die das vorlegende Gericht in Anbetracht der in Rn. 80 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen für problematisch hält.

82      Erstens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass FO vom Staatsrat der Volksrepublik Polen, einem politischen Organ der Exekutive der Volksrepublik Polen, auf Vorschlag des damaligen Justizministers und gemäß dem Gesetzesdekret vom 6. Februar 1928 über die Verfassung der ordentlichen Gerichte erstmals zum Richter ernannt worden sei, ohne dass diese Ernennung auf transparenten Kriterien beruht habe, ohne dass die Selbstverwaltung der Richterschaft oder eine Einrichtung der öffentlichen Gewalt, die aus demokratischen Wahlen hervorgegangen sei, am Verfahren zur Ernennung dieses Richters beteiligt gewesen sei, und ohne dass die Unabsetzbarkeit von FO garantiert worden sei.

83      Zweitens habe FO später aufgrund seines Dienstalters als Richter, das er in einer Zeit, in der in Polen ein kommunistisches Regime bestanden habe, erworben habe, und aufgrund einer Bewertung seiner richterlichen Tätigkeit auf einer Stelle, auf die er von diesem Regime ernannt worden sei. zum Richter bei Gerichten höherer Instanz ernannt werden können.

84      Drittens habe FO nach dem Ende des kommunistischen Regimes der Volksrepublik Polen keinen richterlichen Eid abgelegt, sondern sei bei seiner erstmaligen Ernennung zum Richter durch dieses Regime u. a. darauf vereidigt worden, das politische System des kommunistischen Staates zu schützen.

85      Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Vorlagefragen Umstände betreffen, die allesamt vor dem 1. Mai 2004, dem Tag des Beitritts der Republik Polen zur Union, eingetreten sind.

86      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof für die Auslegung des Unionsrechts ausschließlich im Hinblick auf seine Anwendung in einem neuen Mitgliedstaat vom Zeitpunkt des Beitritts zur Union an zuständig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Januar 2006, Ynos, C‑302/04, EU:C:2006:9, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

87      Allerdings hat die Frage, die das vorlegende Gericht im vorliegenden Fall vorab zu entscheiden hat, keinen Sachverhalt zum Gegenstand, dessen sämtliche Folgen bereits vor dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union eingetreten wären (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. September 2014, X, C‑318/13, EU:C:2014:2133, Rn. 23, und vom 6. Oktober 2016, Paoletti u. a., C‑218/15, EU:C:2016:748, Rn. 41). Es genügt nämlich die Feststellung, dass FO, wenngleich er vor diesem Beitritt zum Richter ernannt wurde, derzeit Richter ist und diesem Status entsprechende Funktionen ausübt.

88      Nach dieser Feststellung zur Zuständigkeit des Gerichtshofs ist darauf hinzuweisen, dass zwar die Organisation der Justiz in den Mitgliedstaaten in deren Zuständigkeit fällt, die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Zuständigkeit jedoch die Verpflichtungen einzuhalten haben, die sich für sie aus dem Unionsrecht ergeben (Urteil vom 20. April 2021, Repubblika, C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 48).

89      Nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ist es Sache der Mitgliedstaaten, ein System von Rechtsbehelfen und Verfahren vorzusehen, das den Einzelnen die Wahrung ihres Rechts auf wirksamen Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet. Der Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Schutzes der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte, von dem in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV die Rede ist, ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt; er ist in den Art. 6 und 13 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) und nun auch in Art. 47 der Charta verankert. Art. 47 der Charta ist daher bei der Auslegung von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV gebührend zu berücksichtigen (Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung in den „vom Unionsrecht erfassten Bereichen“ Anwendung findet, ohne dass es insoweit darauf ankäme, in welchem Kontext die Mitgliedstaaten Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta durchführen (Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91      Somit hat jeder Mitgliedstaat gemäß Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV u. a. dafür zu sorgen, dass Einrichtungen, die als „Gerichte“ im Sinne des Unionsrechts Bestandteil seines Rechtsbehelfssystems in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen sind und daher möglicherweise in dieser Eigenschaft über die Anwendung oder Auslegung des Unionsrechts entscheiden, den Anforderungen an einen wirksamen Rechtsschutz gerecht werden (Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Im vorliegenden Fall steht fest, dass ein polnisches ordentliches Gericht wie der Sąd Apelacyjny we Wrocławiu (Berufungsgericht Wrocław), das wie im Kontext des Ausgangsverfahrens über Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung und Auslegung von Bestimmungen des Unionsrechts, nämlich denen der Richtlinie 93/13, zu entscheiden hatte, als „Gericht“ im Sinne dieses Rechts unter das polnische Rechtsbehelfssystem in den „vom Unionsrecht erfassten Bereichen“ im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV fällt, so dass es die Anforderungen an einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz erfüllen muss.

93      Um zu gewährleisten, dass ein solches Gericht in der Lage ist, den nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV erforderlichen wirksamen Rechtsschutz sicherzustellen, ist es von grundlegender Bedeutung, dass seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewahrt ist, wie Art. 47 Abs. 2 der Charta bestätigt, wonach zu den Anforderungen im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf u. a. der Zugang zu einem „unabhängigen“ Gericht gehört (Urteil vom 16. November 2021, Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a., C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:931, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

94      Wie der Gerichtshof wiederholt hervorgehoben hat, gehört das Erfordernis der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichte, das dem Auftrag des Richters inhärent ist, zum Wesensgehalt des Rechts auf wirksamen Rechtsschutz und des Grundrechts auf ein faires Verfahren, dem als Garant für den Schutz sämtlicher dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte und für die Wahrung der in Art. 2 EUV genannten Werte, die den Mitgliedstaaten gemeinsam sind, u. a. des Wertes der Rechtsstaatlichkeit, grundlegende Bedeutung zukommt (Urteil vom 16. November 2021, Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a., C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:931, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95      Nach ständiger Rechtsprechung setzen die nach dem Unionsrecht erforderlichen Garantien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit voraus, dass es Regeln insbesondere für die Zusammensetzung des Spruchkörpers, die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für Enthaltung, Ablehnung und Abberufung ihrer Mitglieder gibt, die es ermöglichen, bei den Einzelnen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit des Spruchköpers für äußere Faktoren und an dessen Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen auszuräumen (Urteil vom 16. November 2021, Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a., C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:931, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96      Hierzu sind die Richter vor Interventionen oder Druck von außen, die ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gefährden könnten, zu schützen. Die für die Rechtsverhältnisse der Richter und die Ausübung des Richteramts geltenden Vorschriften müssen es insbesondere ermöglichen, nicht nur jede Form der unmittelbaren Einflussnahme in Form von Weisungen, sondern auch die Formen der mittelbaren Einflussnahme, die zur Steuerung der Entscheidungen der betreffenden Richter geeignet sein könnten, auszuschließen und damit dem Eindruck vorzubeugen, dass diese Richter nicht unabhängig und unparteiisch seien, wodurch das Vertrauen beeinträchtigt werden könnte, das die Justiz in einer demokratischen Gesellschaft und in einem Rechtsstaat bei den Einzelnen schaffen muss (Urteil vom 16. November 2021, Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a., C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:931, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

97      Es ist daher sicherzustellen, dass die materiellen Voraussetzungen und die Verfahrensmodalitäten für den Erlass von Richterernennungsentscheidungen so beschaffen sind, dass sie bei den Einzelnen, sind die betreffenden Richter erst einmal ernannt, keine berechtigten Zweifel an deren Unempfänglichkeit für äußere Faktoren und an ihrer Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen aufkommen lassen. Die dafür genannten Voraussetzungen und Modalitäten müssen u. a. so ausgestaltet sein, dass sie den in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Anforderungen genügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. April 2021, Repubblika, C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

98      Die in den Rn. 94 bis 97 des vorliegenden Urteils genannten Anforderungen gelten insbesondere für ein Gericht, das durch das Recht eines Mitgliedstaats dafür zuständig erklärt worden ist, nach Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 die Beendigung der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, anzuordnen. Diese Bestimmung bestätigt nochmals das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf für Verbraucher, die sich für durch solche Klauseln verletzt halten.

99      Im Übrigen verlangen die Kläger im Ausgangsverfahren den Ersatz des Schadens, der ihnen durch die angebliche Missbräuchlichkeit der in Rn. 31 des vorliegenden Urteils genannten Klauseln im Sinne dieser Richtlinie entstanden sein soll. Bei diesem Rechtsstreit handelt es sich daher um eine Situation, die unter das Unionsrecht fällt, so dass sich diese Kläger auf das ihnen durch Art. 47 der Charta garantierte Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz berufen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts), C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 81).

100    Mit seinen ersten drei Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich die Umstände, die in den Rn. 82 bis 84 des vorliegenden Urteils genannt sind und vor dem Beitritt der Republik Polen zur Union liegen, auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Richters auswirken, der derzeit zur Besetzung eines Spruchkörpers gehört.

101    Eine solche Auswirkung könnte aber nur festgestellt werden, wenn dargetan würde, dass berechtigte und ernsthafte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des betreffenden Richters, die heutzutage bei Einzelnen aufkommen, auf die nationalen Vorschriften zurückzuführen sind, unter deren Geltung diese Umstände eingetreten sind.

102    Das vorlegende Gericht stützt seine Zweifel insoweit allein auf die Erwägung, dass die von den Einrichtungen des ehemaligen nicht demokratischen polnischen Regimes ernannten Richter aufgrund ihrer Ernennung durch diese Organe, des Erwerbs eines Teils ihres Dienstalters in dem Zeitraum, in dem dieses Regime bestanden habe, und des Umstands, dass sie ihren gerichtlichen Eid nur in diesem Zeitraum abgelegt hätten, nicht „unabhängig“ seien.

103    Auch wenn nach dem Ende des kommunistischen Regimes der Volksrepublik Polen bestimmte Lustrationsmaßnahmen umgesetzt worden seien, habe die demokratische Grundordnung, die diesem kommunistischen Regime gefolgt sei, zugelassen, dass die von dessen Einrichtungen ernannten Richter grundsätzlich im Amt bleiben konnten; die polnische Regierung hat dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bestätigt. Daher betreffen die ersten drei Fragen die Situation von Richtern, die ihre Stelle nach dem Ende des nicht demokratischen Regimes der Volksrepublik Polen behalten haben.

104    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Republik Polen, um der Union beitreten zu können, den von den Beitrittskandidaten zu erfüllenden Kriterien, wie sie vom Europäischen Rat von Kopenhagen vom 21. und 22. Juni 1993 festgelegt worden waren, genügen musste. Diese Kriterien erfordern u. a., dass der Beitrittskandidat „über stabile Institutionen verfügt, die die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit, die Achtung der Menschenrechte, die Wahrung der Rechte von Minderheiten und ihren Schutz gewährleisten“. Ebenso besteht nach Art. 49 EUV, wonach jeder europäische Staat beantragen kann, Mitglied der Union zu werden, die Union aus Staaten, die die in Art. 2 EUV enthaltenen Werte, zu denen der Wert der Rechtsstaatlichkeit gehört, von sich aus und freiwillig übernommen haben, diese achten und sich für deren Förderung einsetzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. April 2021, Repubblika, C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 61). Somit wurde zum Zeitpunkt des Beitritts der Republik Polen zur Union angenommen, dass das Justizsystem grundsätzlich im Einklang mit dem Unionsrecht steht.

105    In dem in den Rn. 103 und 104 des vorliegenden Urteils dargestellten Kontext macht das vorlegende Gericht jedoch nichts geltend, woraus sich ergäbe, aus welchen Gründen die Umstände, unter denen es vor dem Ende des nicht demokratischen Regimes der Volksrepublik Polen zur erstmaligen Ernennung eines Richters kam, der sein Amt danach behalten hat, bei den Einzelnen berechtigte und ernsthafte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieses Richters bei der Ausübung seiner richterlichen Tätigkeiten wecken könnten.

106    Insbesondere wird in der Vorlageentscheidung nicht klar und präzise erläutert, inwiefern diese Umstände bei der erstmaligen Ernennung eines solchen Richters es einer Person, einem Organ oder einer sonstigen Stelle ermöglichen könnten, gegenwärtig einen unzulässigen Einfluss auf diese auszuüben.

107    Daraus ergibt sich, dass die Umstände, unter denen es in einem Zeitraum, in dem das nicht demokratische Regime der Volksrepublik Polen bestand, zur erstmaligen Ernennung eines Richters auf seine Stelle kam, wie die in den Rn. 82 bis 84 des vorliegenden Urteils festgestellten, für sich genommen nicht als geeignet angesehen werden können, bei den Einzelnen berechtigte und ernsthafte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieses Richters bei der Ausübung seiner späteren richterlichen Tätigkeiten zu wecken.

108    Nach alledem ist auf die Fragen 1 bis 3 zu antworten, dass Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 47 der Charta sowie Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass der Umstand, dass sich die erstmalige Ernennung eines Richters zum Richter in einem Mitgliedstaat bzw. seine spätere Versetzung an ein Gericht höherer Instanz aus einem Beschluss ergibt, der von einer Einrichtung eines nicht demokratischen Regimes erlassen wurde, das in diesem Mitgliedstaat vor seinem Beitritt zur Union an der Macht war, als solcher nicht geeignet ist, bei den Einzelnen berechtigte und ernsthafte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieses Richters zu wecken, und somit auch nicht die Eigenschaft eines Spruchkörpers, dem dieser angehört, als unabhängiges und unparteiisches, zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht in Frage stellen kann; dies gilt auch dann, wenn die Ernennungen dieses Richters bei Gerichten nach dem Ende dieses Regimes u. a. auf das Dienstalter gestützt waren, das dieser Richter in dem Zeitraum, in dem dieses Regime bestand, erworben hatte, oder wenn er den richterlichen Eid nur bei seiner erstmaligen Ernennung zum Richter durch eine Einrichtung dieses Regimes abgelegt hat.

 Zur vierten und zur fünften Frage

109    Mit seiner vierten und seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 47 der Charta sowie Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass es nicht mit ihnen vereinbar ist, einen Spruchkörper eines Gerichts eines Mitgliedstaats als unabhängiges und unparteiisches, zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht einzustufen, wenn diesem Spruchkörper ein Richter angehört, der erstmals zum Richter ernannt bzw. später an ein Gericht höherer Instanz versetzt wurde, nachdem er durch eine Einrichtung, die auf der Grundlage von später durch das Verfassungsgericht dieses Mitgliedstaats für verfassungswidrig erklärten Rechtsvorschriften zusammengesetzt war, oder durch eine Einrichtung, die ordnungsgemäß zusammengesetzt war, aber nach Abschluss eines Verfahrens, das weder transparent noch öffentlich noch gerichtlich anfechtbar war, als Bewerber für eine Richterstelle ausgewählt worden war.

110    Zur ersten Auswahlvariante weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass das Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgericht) in einem Urteil vom 20. Juni 2017 u. a. festgestellt habe, dass Art. 187 Abs. 3 der Verfassung – der vorsieht, dass die Amtszeit der gewählten Mitglieder der KRS vier Jahre beträgt – Art. 13 Abs. 3 des Gesetzes vom 12. Mai 2011 über die KRS, der dahin ausgelegt werde, dass die Amtszeit der Mitglieder der KRS, die aus dem Kreis der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit ausgewählt würden, individueller Natur sei, entgegenstehe. Unter diesen Umständen fragt sich das vorlegende Gericht im Wesentlichen, ob die Tatsache, dass zwei Mitglieder des Spruchkörpers, der das mit der Kassationsbeschwerde angefochtene Urteil erlassen hat, auf der Grundlage von Beschlüssen der KRS in einer Zusammensetzung zu Richtern am Sąd Apelacyjny we Wrocławiu (Berufungsgericht Wrocław) ernannt wurden, die sich für die Mehrzahl ihrer Mitglieder aus Rechtsvorschriften ergab, die später vom Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgericht) für verfassungswidrig erklärt wurden, einen Einfluss auf die Unabhängigkeit dieser Richter hat.

111    Zur zweiten Auswahlvariante weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Richter, die im Zeitraum unmittelbar nach dem Ende des kommunistischen Regimes der Volksrepublik Polen von diesem Regime ernannt worden seien, nach Abschluss eines weder transparenten noch öffentlichen Verfahrens vor der neu geschaffenen KRS zu Richtern bei Gerichten höherer Instanzen ernannt worden seien und die Beschlüsse der KRS im Übrigen bis zum Jahr 2007 nicht gerichtlich anfechtbar gewesen seien. In Anbetracht dessen fragt sich das vorlegende Gericht, ob der Umstand, dass ein Mitglied des Spruchkörpers, der das mit der Kassationsbeschwerde angefochtene Urteil erlassen hat, in diesem Zeitraum beim Sąd Apelacyjny we Wrocławiu (Berufungsgericht Wrocław) ernannt worden sei, seine Unabhängigkeit in Frage stellen könne.

112    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die in den Rn. 89 bis 97 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs auch für die Prüfung der vierten und der fünften Frage relevant ist.

113    Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Garantien für den Zugang zu einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht und insbesondere diejenigen, die für den Begriff und die Zusammensetzung des Gerichts bestimmend sind, den Grundpfeiler des Rechts auf ein faires Verfahren bilden. Die Überprüfung der Frage, ob eine Einrichtung aufgrund ihrer Zusammensetzung ein solches Gericht ist, wenn an diesem Punkt ernsthafte Zweifel bestehen, ist im Hinblick auf das Vertrauen erforderlich, das die Gerichte einer demokratischen Gesellschaft bei den Einzelnen wecken müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission, C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 57 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

114    Somit stellt sich unter Berücksichtigung der Umstände der Ernennung der betreffenden Richter die Frage, ob diese Richter als ein „unabhängiges und unparteiisches, zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht im Sinne des Unionsrechts“ angesehen werden können.

115    Zu diesem Begriff geht aus Art. 47 Abs. 2 Satz 1 der Charta, der, wie bereits in Rn. 89 des vorliegenden Urteils ausgeführt, im Wesentlichen den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes widerspiegelt, auf den sich auch Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV bezieht, hervor, dass jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird (Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 122).

116    Da ferner die in der Charta enthaltenen Rechte den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, soll mit Art. 52 Abs. 3 der Charta die notwendige Kohärenz zwischen den in der Charta enthaltenen Rechten und den durch die EMRK gewährleisteten entsprechenden Rechten geschaffen werden, ohne dass dadurch die Eigenständigkeit des Unionsrechts berührt wird. Nach den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17) entspricht Art. 47 Abs. 2 der Charta Art. 6 Abs. 1 EMRK. Der Gerichtshof muss daher darauf achten, dass seine Auslegung von Art. 47 Abs. 2 der Charta ein Schutzniveau gewährleistet, das das in Art. 6 Abs. 1 EMRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte garantierte Schutzniveau nicht verletzt (Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 123).

117    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat insoweit u. a. festgestellt, dass das in Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierte Recht auf ein „auf Gesetz beruhendes Gericht“ zwar ein eigenständiges Recht ist, aber dennoch sehr eng mit den Garantien der „Unabhängigkeit“ und „Unparteilichkeit“ im Sinne dieser Bestimmung verbunden ist. So hat er im Urteil vom 1. Dezember 2020, Guðmundur Andri Ástráðsson/Island (CE:ECHR:2020:1201JUD002637418, §§ 231 und 233), insbesondere entschieden, dass mit den institutionellen Erfordernissen aus Art. 6 Abs. 1 EMRK zwar jeweils ein konkretes Ziel verfolgt wird, das sie zu besonderen Garantien für ein faires Verfahren macht, ihnen aber gemeinsam ist, dass sie auf die Wahrung der grundlegenden Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Gewaltenteilung abzielen; jedem dieser Erfordernisse liegt die Notwendigkeit zugrunde, das Vertrauen, das die Justiz beim Einzelnen wecken muss, und die Unabhängigkeit der Justiz gegenüber den anderen Staatsgewalten zu wahren (Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 124).

118    Nach dem für einen Rechtsstaat kennzeichnenden Grundsatz der Gewaltenteilung ist die Unabhängigkeit der Gerichte insbesondere gegenüber der Legislative und der Exekutive zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. November 2021, Prokuratura Rejonowa w Mińsku Mazowieckim u. a., C‑748/19 bis C‑754/19, EU:C:2021:931, Rn. 68 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

119    Wie in den Rn. 95 und 96 des vorliegenden Urteils ausgeführt, verlangen die Erfordernisse der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, dass es Regeln insbesondere für die Zusammensetzung der Einrichtung und die Ernennung ihrer Mitglieder gibt, die es ermöglichen, bei den Einzelnen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit dieser Einrichtung für äußere Faktoren und an ihrer Neutralität in Bezug auf die widerstreitenden Interessen auszuräumen (Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 128).

120    Hinsichtlich des Verfahrens zur Ernennung von Richtern hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Einzelnen in seinem Urteil vom 1. Dezember 2020, Guðmundur Andri Ástráðsson/Island (CE:ECHR:2020:1201JUD002637418, §§ 227 und 232), zudem festgestellt, dass es in Anbetracht seiner grundlegenden Bedeutung für das ordnungsgemäße Funktionieren und die Legitimität der Justiz in einem demokratischen Rechtsstaat zwangsläufig eng mit dem Begriff des auf Gesetz beruhenden Gerichts im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK verbunden ist und dass die Unabhängigkeit eines Gerichts im Sinne dieser Bestimmung u. a. an der Art und Weise der Ernennung seiner Mitglieder gemessen wird (Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 125).

121    Ferner hat der Gerichtshof in Rn. 73 des Urteils vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission (C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232), unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festgestellt, dass die Einfügung des Ausdrucks „auf Gesetz beruhend“ in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verhindern soll, dass die Organisation des Justizsystems in das Ermessen der Exekutive gestellt wird, und dafür sorgen soll, dass dieser Bereich durch ein Gesetz geregelt wird, das von der Legislative im Einklang mit den Vorschriften über die Ausübung ihrer Zuständigkeit erlassen wurde. Dieser Ausdruck spiegelt insbesondere das Rechtsstaatsprinzip wider und umfasst nicht nur die Rechtsgrundlage für die Existenz des Gerichts, sondern auch die Zusammensetzung des Spruchkörpers in der jeweiligen Rechtssache sowie alle weiteren Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, deren Nichtbeachtung dazu führt, dass die Teilnahme eines oder mehrerer Richter an der Verhandlung über die Rechtssache eine Regelwidrigkeit darstellt, was insbesondere Vorschriften über die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der Mitglieder des betreffenden Gerichts einschließt (Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 129).

122    Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass eine bei der Ernennung von Richtern im betroffenen Justizsystem begangene Regelwidrigkeit insbesondere dann einen Verstoß gegen das Erfordernis, dass ein Gericht durch Gesetz errichtet sein muss, darstellt, wenn die Regelwidrigkeit aufgrund ihrer Art und Schwere die tatsächliche Gefahr begründet, dass andere Teile der Staatsgewalt – insbesondere die Exekutive – ein ihnen nicht zustehendes Ermessen ausüben könnten, wodurch die Integrität des Ergebnisses des Ernennungsverfahrens beeinträchtigt würde und so beim Einzelnen berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des oder der betreffenden Richter geweckt werden könnten, was der Fall ist, wenn es um grundlegende Regeln geht, die für die Verfassung und die Funktionsfähigkeit dieses Justizsystems schlechthin konstitutiv sind (Urteil vom 6. Oktober 2021, W.Ż. [Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichts – Ernennung], C‑487/19, EU:C:2021:798, Rn. 130 und die dort angeführte Rechtsprechung).

123    Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass nicht schon jeder Fehler, der im Zuge des Ernennungsverfahrens eines Richters auftreten mag, geeignet ist, Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieses Richters und damit an der Eigenschaft eines Spruchkörpers, dem er angehört, als „unabhängiges und unparteiisches, zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht“ im Sinne des Unionsrechts aufkommen zu lassen.

124    Im vorliegenden Fall äußert das vorlegende Gericht, wie in Rn. 112 des vorliegenden Urteils ausgeführt, Zweifel, ob der Spruchkörper, der das mit der Kassationsbeschwerde angefochtene Urteil erlassen hat, in Anbetracht seiner Mitglieder als „unabhängiges und unparteiisches, zuvor durch Gesetz errichtetes“ Gericht angesehen werden kann.

125    Was den ersten vom vorlegenden Gericht angesprochenen und in Rn. 110 des vorliegenden Urteils genannten Fall betrifft, nämlich dass bestimmte Mitglieder des Gerichts eines Mitgliedstaats bei diesem auf der Grundlage von Beschlüssen einer Einrichtung in einer Zusammensetzung ernannt wurden, die sich aus Rechtsvorschriften ergab, die später vom Verfassungsgericht dieses Mitgliedstaats für verfassungswidrig erklärt wurden, ist darauf hinzuweisen, dass aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, dass sich im vorliegenden Fall das Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgericht) zur Unabhängigkeit der KRS nicht geäußert hat. Die mit diesem Urteil für verfassungswidrig erklärten Rechtsvorschriften betrafen im Wesentlichen den individuellen Charakter der Amtszeit der Mitglieder der KRS und die Aufteilungsregeln, auf deren Grundlage diese Mitglieder in den polnischen Gerichten ausgewählt wurden.

126    Unter diesen Umständen kann die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage die KRS damals zusammengesetzt war, und auf die in Rn. 110 des vorliegenden Urteils Bezug genommen wird, für sich genommen nicht dazu führen, die Unabhängigkeit dieser Einrichtung in Zweifel zu ziehen, und somit bei den Einzelnen Zweifel an der Unabhängigkeit der betreffenden Richter von äußeren Faktoren zu wecken.

127    Genau dieser Umstand unterscheidet die vorliegende Rechtssache von jenen, in denen die Urteile vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C‑624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982), und vom 15. Juli 2021, Kommission/Polen (Disziplinarordnung für Richter) (C‑791/19, EU:C:2021:596), ergangen sind. Denn im Unterschied zu den Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage die KRS gebildet wurde, deren Beschlüsse zur Ernennung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Richter geführt haben, haben die Rechtsvorschriften, um die es in den Rechtssachen ging, in denen diese beiden Urteile ergangen sind, und auf deren Grundlage die Zusammensetzung der KRS geändert wurde, den Einfluss der Legislative und Exekutive auf die Auswahl der Mitglieder der KRS in einer Weise verstärkt, die bei den Einzelnen berechtigte und ernsthafte Zweifel wecken konnten an der in diesen Rechtssachen in Rede stehenden Unabhängigkeit der KRS und ihrer Rolle im Ernennungsverfahren der Richter, die diese Rechtssachen betrafen, und folglich an der Unabhängigkeit dieser Richter und der Unabhängigkeit des Gerichts, dem sie angehören.

128    Diese Feststellung ist vom Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt worden, der entschieden hat, dass das Verfahren zur Ernennung der Mitglieder der Izba Dyscyplinarna (Disziplinarkammer) des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) auf Vorschlag der KRS, die auf der Grundlage der Rechtsvorschriften gebildet wurde, um die es in den Rechtssachen ging, die zu den in der vorstehenden Randnummer angeführten Urteilen geführt haben, von der Legislative und der Exekutive ungebührlich beeinflusst wurde, was als solches mit Art. 6 Abs. 1 EMRK unvereinbar ist (vgl. in diesem Sinne EGMR, 22. Juli 2021, Reczkowicz/Polen, CE:ECHR:2021:0722JUD004344719, § 276).

129    Im Übrigen hat das vorlegende Gericht keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass bei den Einzelnen berechtigte und ernsthafte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der betroffenen Richter bestehen könnten, weil das Trybunał Konstytucyjny (Verfassungsgericht) die Rechtsvorschriften, auf deren Grundlage die KRS, die an dem Verfahren zur Ernennung dieser Richter beteiligt war, gebildet wurde, für verfassungswidrig erklärt hat.

130    Das Gleiche gilt für den zweiten vom vorlegenden Gericht angeführten und in Rn. 111 des vorliegenden Urteils dargelegten Fall, nämlich dass eines der Mitglieder eines Gerichts eines Mitgliedstaats von einer Einrichtung, die als ordnungsgemäß zusammengesetzt angesehen wurde, aber nach Abschluss eines Verfahrens, das damals weder transparent noch öffentlich war noch gerichtlich angefochten werden konnte, als Bewerber für eine Richterstelle ausgewählt wurde. Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich nicht hervor, dass es der KRS in der Zusammensetzung nach dem Ende des nicht demokratischen Systems der Volksrepublik Polen an Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive und der Legislative gefehlt hätte.

131    Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vom vorlegenden Gericht in seiner vierten und seiner fünften Vorlagefrage angeführten Umstände, die in den Rn. 110 und 111 des vorliegenden Urteils dargestellt sind, geeignet sind, einen Verstoß gegen die grundlegenden Regeln für die Ernennung von Richtern im Sinne der in Rn. 122 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung nachzuweisen.

132    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die vierte und die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 47 der Charta sowie Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass es mit ihnen vereinbar ist, einen Spruchkörper eines Gerichts eines Mitgliedstaats auch dann als unabhängiges und unparteiisches, zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht einzustufen, wenn diesem Spruchkörper ein Richter angehört, der erstmals zum Richter ernannt bzw. später an ein Gericht höherer Instanz versetzt wurde, nachdem er durch eine Einrichtung, die auf der Grundlage von später durch das Verfassungsgericht dieses Mitgliedstaats für verfassungswidrig erklärten Rechtsvorschriften zusammengesetzt war, oder durch eine Einrichtung, die ordnungsgemäß zusammengesetzt war, aber nach Abschluss eines Verfahrens, das weder transparent noch öffentlich noch gerichtlich anfechtbar war, als Bewerber für eine Richterstelle ausgewählt worden war; dies gilt allerdings nur, sofern die betreffenden Regelwidrigkeiten nicht aufgrund ihrer Art und Schwere die tatsächliche Gefahr begründen, dass andere Teile der Staatsgewalt – insbesondere die Exekutive – ein ihnen nicht zustehendes Ermessen ausüben könnten, wodurch die Integrität des Ergebnisses des Ernennungsverfahrens beeinträchtigt würde und so beim Einzelnen ernsthafte und berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des betreffenden Richters geweckt werden könnten.

 Zur sechsten und zur siebten Frage

133    In Anbetracht der Antworten auf die Fragen 1 bis 5 sind die sechste und die siebte Frage nicht zu beantworten.

 Kosten

134    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind dahin auszulegen, dass der Umstand, dass sich die erstmalige Ernennung eines Richters zum Richter in einem Mitgliedstaat bzw. seine spätere Versetzung an ein Gericht höherer Instanz aus einem Beschluss ergibt, der von einer Einrichtung eines nicht demokratischen Regimes erlassen wurde, das in diesem Mitgliedstaat vor seinem Beitritt zur Union an der Macht war, als solcher nicht geeignet ist, bei den Einzelnen berechtigte und ernsthafte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieses Richters zu wecken, und somit auch nicht die Eigenschaft eines Spruchkörpers, dem dieser angehört, als unabhängiges und unparteiisches, zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht in Frage stellen kann; dies gilt auch dann, wenn die Ernennungen dieses Richters bei Gerichten nach dem Ende dieses Regimes u. a. auf das Dienstalter gestützt waren, das dieser Richter in dem Zeitraum, in dem dieses Regime bestand, erworben hatte, oder wenn er den richterlichen Eid nur bei seiner erstmaligen Ernennung zum Richter durch eine Einrichtung dieses Regimes abgelegt hat.

2.      Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 47 der Charta der Grundrechte sowie Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 sind dahin auszulegen, dass es mit ihnen vereinbar ist, einen Spruchkörper eines Gerichts eines Mitgliedstaatsauch dann als unabhängiges und unparteiisches, zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht einzustufen, wenn diesem Spruchkörper ein Richter angehört, der erstmals zum Richter ernannt bzw. später an ein Gericht höherer Instanz versetzt wurde, nachdem er durch eine Einrichtung, die auf der Grundlage von später durch das Verfassungsgericht dieses Mitgliedstaats für verfassungswidrig erklärten Rechtsvorschriften zusammengesetzt war, oder durch eine Einrichtung, die ordnungsgemäß zusammengesetzt war, aber nach Abschluss eines Verfahrens, das weder transparent noch öffentlich noch gerichtlich anfechtbar war, als Bewerber für eine Richterstelle ausgewählt worden war; dies gilt allerdings nur, sofern die betreffenden Regelwidrigkeiten nicht aufgrund ihrer Art und Schwere die tatsächliche Gefahr begründen, dass andere Teile der Staatsgewalt – insbesondere die Exekutive – ein ihnen nicht zustehendes Ermessen ausüben könnten, wodurch die Integrität des Ergebnisses des Ernennungsverfahrens beeinträchtigt würde und so beim Einzelnen ernsthafte und berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des betreffenden Richters geweckt werden könnten.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Polnisch.