Language of document : ECLI:EU:C:2021:251

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 25. März 2021(1)

Rechtssache C-144/20

AS LatRailNet,

Latvijas dzelzceļš VAS

gegen

Valsts dzelzceļa administrācija

(Vorabentscheidungsersuchen der Administratīvā rajona tiesa [Bezirksverwaltungsgericht, Lettland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schienenverkehr – Einheitlicher europäischer Eisenbahnraum – Entgelt für die Eisenbahninfrastruktur – Richtlinie 2012/34/EU – Art. 32 Abs. 1 – Entgelt für das Mindestzugangspaket – Aufschläge – Voraussetzungen für die Anwendung des Aufschlags – Wettbewerbsfähigkeit – Fähigkeit des Marktes, die Erhebung von Aufschlägen zu tragen“






1.        Im Ausgangsverfahren stehen sich die AS LatRailNet (die mit den wesentlichen Funktionen des Betreibers der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur in Lettland beauftragte Gesellschaft)(2) und die Valsts dzelzceļa administrācija (Regulierungsstelle für den Eisenbahnsektor in Lettland)(3) gegenüber.

2.        In dem Rechtsstreit geht es um Aufschläge auf das Wegeentgelt, die im Segment des Schienenpersonenverkehrs zur Anwendung kommen. Die Richtlinie 2012/34/EU(4) lässt es unter bestimmten Bedingungen zu, dass für einzelne Marktsegmente Aufschläge auf die Entgelte (die nur zum Ausgleich der direkten Kosten berechnet werden dürfen) erhoben werden(5).

3.        Zu dem Rechtsstreit kam es, als die Regulierungsstelle LatRailNet aufforderte, die Formel zur Berechnung des Aufschlags zu ändern, der bei Unternehmen erhoben wird, die Schienenpersonenverkehrsdienste „im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags“ unter Ausschluss aller anderen solchen Betreiber erbringen(6).

4.        Mit seiner Vorlage zur Vorabentscheidung ersucht das vorlegende Gericht um die Auslegung der Richtlinie 2012/34 a) in Bezug auf die Befugnisse der Regulierungsstelle (erste und zweite Vorlagefrage) und b) in Bezug auf den in Art. 32 Abs. 1 festgelegten Aufschlag auf das Entgelt (dritte Vorlagefrage).

5.        Auf Wunsch des Gerichtshofs beziehen sich diese Schlussanträge nur auf die dritte Vorlagefrage.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Richtlinie 2012/34

6.        Art. 31 („Entgeltgrundsätze“) sieht vor:

„…

(3)      Unbeschadet der Absätze 4 und 5 dieses Artikels und unbeschadet des Artikels 32 ist das Entgelt für das Mindestzugangspaket und für den Zugang zu Infrastrukturen, durch die Serviceeinrichtungen angebunden werden, in Höhe der Kosten festzulegen, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen.

…“

7.        Art. 32 („Ausnahmen von den Entgeltgrundsätzen“) bestimmt:

„(1)      Um eine volle Deckung der dem Infrastrukturbetreiber entstehenden Kosten zu erhalten, kann ein Mitgliedstaat, sofern der Markt dies tragen kann, Aufschläge auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze erheben, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes zu gewährleisten ist. Die Entgeltregelung muss dem von den Eisenbahnunternehmen erzielten Produktivitätszuwachs Rechnung tragen.

Die Höhe der Entgelte darf jedoch nicht die Nutzung der Fahrwege durch Marktsegmente ausschließen, die mindestens die Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen, sowie eine Rendite, die der Markt tragen kann, erbringen können.

Bevor die Mitgliedstaaten solche Aufschläge genehmigen, stellen sie sicher, dass die Infrastrukturbetreiber prüfen, inwieweit die Aufschläge für bestimmte Marktsegmente relevant sind; dabei ziehen sie mindestens die in Anhang VI Nummer 1 genannten Verkehrsdienst-Paare in Betracht und wählen die zutreffenden aus. Die Liste der von den Infrastrukturbetreibern festgelegten Marktsegmente umfasst mindestens die drei folgenden Segmente: Güterverkehrsdienste, Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags und andere Personenverkehrsdienste.

…“

2.      Verordnung Nr. 1370/2007

8.        In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) heißt es:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

e)      ‚gemeinwirtschaftliche Verpflichtung‘ eine von der zuständigen Behörde festgelegte oder bestimmte Anforderung im Hinblick auf die Sicherstellung von im allgemeinen Interesse liegenden öffentlichen Personenverkehrsdiensten, die der Betreiber unter Berücksichtigung seines eigenen wirtschaftlichen Interesses nicht oder nicht im gleichen Umfang oder nicht zu den gleichen Bedingungen ohne Gegenleistung übernommen hätte;

f)      ‚ausschließliches Recht‘ ein Recht, das einen Betreiber eines öffentlichen Dienstes berechtigt, bestimmte öffentliche Personenverkehrsdienste auf einer bestimmten Strecke oder in einem bestimmten Streckennetz oder Gebiet unter Ausschluss aller anderen solchen Betreiber zu erbringen;

g)      ‚Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen‘ jeden Vorteil, insbesondere finanzieller Art, der mittelbar oder unmittelbar von einer zuständigen Behörde aus öffentlichen Mitteln während des Zeitraums der Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung oder in Verbindung mit diesem Zeitraum gewährt wird;

…“

9.        Art. 3 („Öffentliche Dienstleistungsaufträge und allgemeine Vorschriften“) legt fest:

„(1)      Gewährt eine zuständige Behörde dem ausgewählten Betreiber ausschließliche Rechte und/oder Ausgleichsleistungen gleich welcher Art für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, so erfolgt dies im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags.

…“

B.      Lettisches Recht. Dzelzceļa likums (Eisenbahngesetz)

10.      Art. 11 bestimmt:

„(1)      Die mit den wesentlichen Funktionen des Betreibers der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur beauftragte Gesellschaft muss nach Konsultation der Antragsteller und des Betreibers der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur eine Entgeltregelung hinsichtlich des in Art. 121 Abs. 1 dieses Gesetzes genannten Mindestzugangspakets und des Zugangs zu Infrastrukturen, durch die Serviceeinrichtungen angebunden werden, ausarbeiten und beschließen und an den Betreiber der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur zwecks Aufnahme in die Schienennetz-Nutzungsbedingungen weiterleiten. Außer in den in Art. 111 Abs. 10 dieses Gesetzes vorgesehenen Fällen sorgt die mit den wesentlichen Funktionen des Betreibers der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur beauftragte Gesellschaft dafür, dass die genannte Entgeltregelung in ihrem gesamten Netz auf denselben Grundsätzen beruht und dass die Anwendung dieser Regelung zu gleichwertigen und nichtdiskriminierenden Entgelten für die verschiedenen Eisenbahnunternehmen führt, die Dienste gleichwertiger Art in ähnlichen Teilen des Markts erbringen.

(2)      Die Entgelte für das Mindestzugangspaket ... und für den Zugang zu Infrastrukturen, durch die Serviceeinrichtungen angebunden werden, werden auf der Grundlage der Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen, ... festgelegt.“

11.      In Art. 111 heißt es:

„(1)      Die mit den wesentlichen Funktionen des Betreibers der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur beauftragte Gesellschaft kann, um eine volle Deckung der dem Betreiber der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur entstehenden Kosten zu erhalten, sofern der Markt dies tragen kann, für die Entgelte für das in Art. 121 Abs. 1 dieses Gesetzes genannte Mindestzugangspaket und für den Zugang zu Infrastrukturen, durch die Serviceeinrichtungen angebunden werden, Aufschläge festsetzen.

(2)      Die mit den wesentlichen Funktionen des Betreibers der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur beauftragte Gesellschaft bewertet vor der Erhebung der Aufschläge, inwieweit die Aufschläge für zumindest folgende Marktsegmente relevant sind, und wählt die zutreffenden aus:

1)      Personen- und Güterverkehr.

(7)      Die Aufschläge werden auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze erhoben, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnsektors zu gewährleisten und dem Produktivitätszuwachs der Eisenbahnunternehmen Rechnung zu tragen ist. Die Höhe der Entgelte darf nicht die Nutzung der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur durch Marktsegmente ausschließen, die mindestens die unmittelbaren Kosten sowie eine Rendite, die der Markt tragen kann, erbringen können.“

II.    Sachverhalt und Vorlagefragen

12.      Am 30. Juni 2017 erließ LatRailNet in Ausübung der wesentlichen Funktionen des Betreibers der Eisenbahninfrastruktur(7) die hier streitige Entgeltregelung.

13.      Die Höhe des Aufschlags für ein bestimmtes Marktsegment wurde nach einer Formel berechnet, zu dessen Faktoren der Gewichtungskoeffizient des Markts „mcbs“ zählt.

14.      Dieser Koeffizient kann zwischen dem Wert 0 (in diesem Fall wird der Aufschlag nicht auf das betreffende Marktsegment angewandt) und dem Wert 1 schwanken (in diesem Fall wird der maximale Aufschlag angewandt).

15.      Für die Bestimmung des Koeffizienten „mcbs“ werden drei Faktoren oder Bewertungskriterien verwendet, die als Cs, Vs und Ss bezeichnet werden. Der Wert des Koeffizienten „mcbs“ entspricht dem höchsten Wert dieser drei Kriterien.

16.      Nach den von LatRailNet erlassenen Bestimmungen für das Marktsegment der Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags(8) ist der Wert des Kriteriums Ss = 1. Für die restlichen Marktsegmente wird dieser Wert hingegen auf der Grundlage einer Bewertung durch einen Sachverständigen ermittelt.

17.      Infolge dieser Bestimmungen haben die Kriterien Cs und Vs, selbst wenn ihr Wert = 0 ist, keinen Einfluss mehr. Tatsächlich beträgt, sobald der Wert des Kriteriums Ss für das Marktsegment der Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags auf 1 festgesetzt wird, der Gewichtungskoeffizient des Marktes „mcbs“ automatisch 1, ohne dass eine Beurteilung der Marktsituation erforderlich ist.

18.      Am 27. Juni 2018 hob die Regulierungsstelle die von LatRailNet eingeführte Entgeltregelung auf und wies LatRailNet an, sie hinsichtlich des Aufschlags für das Marktsegment der Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags anzupassen.

19.      Am 26. Juli 2018 erhob LatRailNet bei der Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht, Lettland) Klage gegen den Bescheid der Regulierungsstelle. Dieser sei aus folgenden Gründen ungültig:

–        Soweit Pasažieru vilciens das ausschließliche Recht ausübe, öffentliche Verkehrsdienste auf regionalen Schienenstrecken anzubieten, existiere kein Wettbewerb bei der Erbringung dieser Dienste.

–        Die Aufgabe der Regulierungsstelle, die Wettbewerbssituation auf den Schienenverkehrsmärkten zu überwachen, könne nicht wahrgenommen werden, wenn ein Marktsegment (das Marktsegment der öffentlichen Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags unter Ausschluss aller anderen Betreiber) nicht für den Wettbewerb geöffnet sei.

–        Dieser nicht existierende Wettbewerb führe dazu, dass es für den Infrastrukturbetreiber unmöglich sei, „vor der Anwendung des Aufschlags und der Festsetzung seiner Höhe ... die Wettbewerbsfähigkeit und die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Marktsegments zu beurteilen“(9).

20.      Latvijas Dzelzceļš ist als Betreiber der lettischen Eisenbahninfrastruktur in zweifacher Hinsicht am Ausgangsverfahren beteiligt:

–        Zum einen erhob sie am 5. Dezember 2018 Klage auf Aufhebung des Bescheids der Regulierungsstelle vom 7. November 2018, wonach Latvijas Dzelzceļš nicht zur Anfechtung der Entgeltregelung befugt sei.

–        Zum anderen wurde sie vom vorlegenden Gericht (mit Entscheidung vom 13. November 2018) in dem von LatRailNet eingeleiteten Verfahren als betroffene Dritte zugelassen.

21.      Mit Entscheidung vom 5. Februar 2019 hat das vorlegende Gericht die beiden Verwaltungsstreitsachen verbunden.

22.      Latvijas dzelzceļš macht geltend, „dass für das Kriteriums Ss der höchste Wert festgelegt werden kann, da die AS Pasažieru vilciens als einziger Vertreter dieses Marktsegments [der Personenverkehrsdienste], der das Wegeentgelt (einschließlich des Aufschlags) ... zahlt, vor jeglichen Verlusten geschützt war, die sich aus dieser Entgeltfestlegung ergeben könnten“(10).

23.      Vor diesem Hintergrund hat die Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht) dem Gerichtshof u. a. folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt(11):

3.      Ist Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 dahin auszulegen, dass die in diesem Absatz vorgesehene Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bei der Festlegung der Aufschläge für Wegeentgelte eine optimale Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarkts zu gewährleisten, auch für die Festsetzung von Wegeentgelten in Marktsegmenten gilt, in denen kein Wettbewerb herrscht, z. B., weil im betreffenden Marktsegment der Personenverkehr nur von einem einzigen Eisenbahnunternehmen durchgeführt wird, dem gemäß Art. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 1370/2007 das ausschließliche Recht zur Durchführung des Personenverkehrs in diesem Marktsegment gewährt wurde?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

24.      Der Vorlagebeschluss ist am 27. März 2020 beim Gerichtshof eingegangen.

25.      Latvijas dzelzceļš, die Regulierungsstelle, die italienische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde vom Gerichtshof nicht für erforderlich gehalten.

IV.    Würdigung

26.      Mit der dritten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht klären, ob die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten „Aufschläge ... erheben, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes zu gewährleisten ist“ (Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34), auch dann besteht, wenn der Personenverkehr in einem bestimmten Marktsegment von einem einzigen Eisenbahnunternehmen unter Ausschluss aller anderen solchen Betreiber durchgeführt wird.

A.      Entgelte und Aufschläge bei der Finanzierung des Betreibers der Eisenbahninfrastruktur

27.      Um den Umfang der Debatte festzulegen, ist darauf hinzuweisen, dass nach Anhang II der Richtlinie 2012/34 folgende Leistungen für die Eisenbahnunternehmen zu erbringen sind:

–        die Leistungen, die im in Nr. 1 genannten Mindestzugangspaket enthalten sind,

–        die in den Nrn. 2, 3 und 4 vorgesehenen Leistungen in Bezug auf Serviceeinrichtungen, Zusatzleistungen und Nebenleistungen.

28.      Art. 13 der Richtlinie 2012/34 regelt die Bedingungen für den Zugang der Eisenbahnunternehmen zu den verschiedenen Leistungen:

–        Die Leistungen des Mindestzugangspakets werden von den Infrastrukturbetreibern auf nicht diskriminierende Weise erbracht (Abs. 1).

–        Die Betreiber der Serviceeinrichtungen ermöglichen den Eisenbahnunternehmen „Zugang – einschließlich des Schienenzugangs – zu den in Anhang II Nummer 2 genannten Einrichtungen sowie zu den Leistungen, die in diesen Einrichtungen erbracht werden“ (Abs. 2).

29.      Die Richtlinie 2012/34 sieht die Zahlung von Entgelten für die Nutzung sowohl der Eisenbahninfrastruktur als auch der Serviceeinrichtungen vor. Die Entgelte sind an den Infrastrukturbetreiber und den Betreiber der Serviceeinrichtung zu entrichten, denen sie zur Finanzierung ihrer Unternehmenstätigkeit dienen (Art. 31 Abs. 1), wobei folgende Kriterien gelten:

–        Für das Mindestzugangspaket ist das Entgelt „in Höhe der Kosten festzulegen, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen“ (Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 2012/34).

–        Bei den Serviceeinrichtungen darf das Entgelt die Kosten für die Leistungserbringung zuzüglich eines angemessenen Gewinns nicht übersteigen (Art. 31 Abs. 7 der Richtlinie).

30.      So finanziert sich der Betreiber der Eisenbahninfrastruktur(12) u. a.(13) mit den Einnahmen aus dem Wegeentgelt, das er von den Unternehmen erhält, die diese Infrastruktur nutzen. Einer staatlichen Finanzierung steht jedoch auch nichts entgegen(14).

31.      Diese Einnahmequelle in Form von Entgelten und Aufschlägen ist in den Art. 31 und 32 der Richtlinie 2012/34(15) geregelt, wonach im Wesentlichen Folgendes gilt:

–        Als allgemeine Regel (Art. 31 Abs. 3) ist das Entgelt für das Mindestzugangspaket und für den Zugang zu Infrastrukturen, durch die Serviceeinrichtungen angebunden werden, in Höhe der Kosten festzulegen, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen (direkte Kosten)(16).

–        In Ausnahmefällen (Art. 32 Abs. 1) können Aufschläge erhoben werden, um (über die direkten Kosten hinaus) „eine volle Deckung der dem Infrastrukturbetreiber entstehenden Kosten zu erhalten“. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn „der Markt dies tragen kann ..., wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes zu gewährleisten ist“. Die Umsetzung muss „auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze“ beruhen.

32.      Nach dieser Regelung kann der Betreiber der Eisenbahninfrastruktur die direkten Kosten auf die Entgelte übertragen. Er ist jedoch nur dann berechtigt, Aufschläge zur Deckung der restlichen Kosten zu erheben, sofern der Markt dies tragen kann und die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Segmente des Eisenbahnmarkts gewährleistet ist.

33.      Die dritte Vorlagefrage betrifft die Voraussetzungen, unter denen solche Aufschläge erhoben werden können.

B.      Voraussetzungen für die Erhebung von Aufschlägen

34.      Nach der Richtlinie 2012/34 hat der Infrastrukturbetreiber bei der Erhebung der Aufschläge die Besonderheiten des betreffenden Marktsegments zu berücksichtigen. Hauptvoraussetzung für die Erhebung von Aufschlägen ist, wie ich noch einmal betonen möchte, dass „der Markt dies tragen kann“(17).

35.      Das vorlegende Gericht konzentriert sich jedoch auf den in Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 enthaltenen Begriff der Wettbewerbsfähigkeit. In diesem Sinne stellt es fest:

–        Bei dem Marktsegment, auf den der streitige Aufschlag angewandt werde, handele es sich um Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags, die von einem einzigen Eisenbahnunternehmen unter Ausschluss aller anderen Betreiber erbracht würden.

–        Es könne der Standpunkt vertreten werden, es sei nicht erforderlich, die „bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit“ zu gewährleisten, da in diesem Marktsegment kein Wettbewerb herrsche; somit käme Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 nicht zur Anwendung.

36.      Dieser Ansatz deckt sich teilweise mit der Auffassung des lettischen Infrastrukturbetreibers. Tatsächlich macht Latvijas dzelzceļš geltend, Art. 32 der Richtlinie 2012/34 sei dahin auszulegen, dass es aufgrund des fehlenden Wettbewerbs im Bereich des Personenverkehrs eo ipso unmöglich sei, dessen Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität zu beurteilen(18).

37.      Bei der Betonung des Faktors Wettbewerbsfähigkeit bleibt unberücksichtigt, dass nicht dieser Faktor, sondern der Umstand, dass der betroffene Markt die Aufschläge tragen kann, das Schlüsselelement (der eigentliche Schwerpunkt) der in Art. 32 der Richtlinie 2012/34 geregelten Ausnahmen von den Grundsätzen der Entgelte ist.

38.      Es stellt sich jedoch die Frage, welche Auswirkungen insoweit die in Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 genannte Wettbewerbsfähigkeit hat. Insbesondere ist zu klären, ob dieser Begriff mit dem Begriff des Wettbewerbs zwischen Eisenbahnunternehmen identisch ist.

39.      Art. 31 Abs. 5 Unterabs. 2 und Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 4 der Richtlinie 2012/34 legen fest, dass diese „Durchführungsrechtsakte [die von der Kommission erlassen werden können] ... weder zu einer unzulässigen Wettbewerbsverzerrung zwischen den Eisenbahnunternehmen führen noch die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnsektors beeinträchtigen“ dürfen.

40.      In diesem Sinne verlangt auch Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2012/34, wie ich bereits erwähnt habe, dass „der Eisenbahnverkehr gegenüber anderen Verkehrsträgern konkurrenzfähig ist“. Ein ähnlicher Ausdruck findet sich im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie, wonach der Eisenbahnverkehr „gegenüber anderen Verkehrsträgern wettbewerbsfähig“ sein soll.

41.      Meiner Ansicht nach dienen diese Vorschriften als Maßstab, um im Rahmen der Richtlinie 2012/34 zu unterscheiden zwischen zum einen dem „Wettbewerb“ als dem Spielfeld, in dem die Eisenbahnunternehmen tätig werden, und zum anderen der „Wettbewerbsfähigkeit“ des Eisenbahnsektors oder seiner Segmente:

–        In der Richtlinie 2012/34 wird der Begriff Wettbewerb als Ausdruck des Wettbewerbs angesehen, der zwischen Eisenbahnunternehmen bei der Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten oder auf Schienenverkehrsmärkten besteht.

–        Der Begriff der Wettbewerbsfähigkeit hingegen wird im Rahmen der Richtlinie 2012/34 als Merkmal oder Eigenschaft des Eisenbahnsektors (oder der Segmente des Eisenbahnmarkts) verwendet, jedoch nicht mit dem Wettbewerb zwischen Eisenbahnunternehmen gleichgesetzt.

42.      Bei einer Prüfung der verschiedenen Sprachfassungen von Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34(19) wird dieser Ansatz bestätigt. Die Infrastrukturbetreiber müssen die Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten, die im Schienenverkehrssegment (in dem der Aufschlag erhoben wird) in Bezug auf andere alternative Verkehrsmittel vorliegen soll.

43.      Dies entspricht auch der Ausrichtung der Richtlinie 2001/14, deren 39. Erwägungsgrund „eine Rendite, die der Markt tragen kann“(20), erwähnt.

44.      Die Wettbewerbsfähigkeit, die bei der Erhebung des Aufschlags zu gewährleisten ist, ist also nicht gleichbedeutend mit dem Begriff des Wettbewerbs zwischen Eisenbahnunternehmen. Der Aufschlag darf nicht dazu führen, dass ein bestimmtes Segment nicht mehr in der Lage ist, mit anderen Verkehrsmitteln zu konkurrieren (d. h., dass es seine Wettbewerbsfähigkeit einbüßt). Die Wettbewerbsfähigkeit ermöglicht es dem Schienenpersonenverkehr, mit dem Verkehr auf dem Luftweg, auf der Straße oder mit anderen Verkehrsmitteln in Wettbewerb zu treten.

45.      In diesem Sinne müsste für den Aufschlag die Rentabilität des Segments gegenüber anderen nicht schienengebundenen Verkehrsmitteln bewertet werden. Die Eisenbahnunternehmen könnten also die Zahlung des Entgelts und zusätzlich des Aufschlags tragen, solange der Aufschlag nicht so hoch ausfällt, dass sie sich gezwungen sehen, die Preise so weit zu erhöhen, dass sie auf den Nutzer abschreckend wirken und dieser sich für andere Verkehrsmittel entscheidet.

46.      Der mangelnde Wettbewerb zwischen den Betreibern selbst steht einer Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit eines Segments des Schienenpersonenverkehrs nicht entgegen. Dieses Segment kann, obwohl es von einem einzigen Eisenbahnunternehmen betrieben wird, (gegenüber anderen Verkehrsmitteln) wettbewerbsfähig sein(21).

47.      Es ist richtig, dass sich die Entgeltregelung negativ auf den Wettbewerb zwischen den Eisenbahnunternehmen auswirken könnte. Zu den Aufgaben der Regulierungsstelle gehört es daher, potenziell wettbewerbswidrige Entgeltregelungen (Quersubventionen, Verdrängungspreise und überhöhte Preise) zu verhindern, die mit den Aufschlägen verbunden sein können(22). Hierbei handelt es sich jedoch um einen Aspekt des Problems, der im Vorabentscheidungsersuchen, das sich auf die Voraussetzungen für die Erhebung der Aufschläge konzentriert, nicht auftaucht.

48.      Wenn der Zweck, über die direkten Kosten hinaus eine volle Deckung der dem Infrastrukturbetreiber entstehenden Kosten zu erhalten, grundsätzlich die Erhebung von Aufschlägen zulässt, steht diese Möglichkeit im Ergebnis immer dann offen, „wenn der Markt dies tragen kann“.

49.      Der Umstand, dass der Markt die Aufschläge tragen kann, setzt seinerseits u. a. voraus, dass der Aufschlag nicht die Wettbewerbsfähigkeit des betroffenen Marktsegments beeinträchtigt(23). Insbesondere dann, wenn die Schienenpersonenverkehrsdienste erbringenden Unternehmen nicht in der Lage wären, den Aufschlag zu tragen, weil die infolgedessen von den Nutzern zu zahlenden Endpreise diese davon abhalten würden, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen, könnte die „bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit“ dieses Segments gefährdet sein.

50.      Entgegen dem Vorbringen von Latvijas dzelzceļš steht dieser Standpunkt nicht im Gegensatz zu den Zielen der Richtlinie 2012/34, da die Deckung der dem Infrastrukturbetreiber entstandenen Kosten (mit Ausnahme der direkten Kosten) über die Aufschläge nicht bedingungslos erfolgt, sondern den bereits analysierten Kriterien aus Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie unterliegt.

51.      Die von Latvijas dzelzceļš vertretene Auffassung (bei einem unter dem maximalen Aufschlag liegenden Betrag könnte der Infrastrukturbetreiber nicht alle Kosten decken)(24) würde die in diesem Bereich maßgeblichen Bedingungen aus der Richtlinie 2012/34 überflüssig machen.

C.      Aufschläge und Leistungserbringung im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags

52.      In Art. 32 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2012/34 heißt es: „Bevor die Mitgliedstaaten solche Aufschläge genehmigen, stellen sie sicher, dass die Infrastrukturbetreiber prüfen, inwieweit die Aufschläge für bestimmte Marktsegmente relevant sind“. Eines der Segmente, für die eine solche Prüfung zwingend durchgeführt werden muss, ist das Segment der „Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags“.

53.      Die Lektüre dieses Artikels zeigt, dass der Erhebung von Aufschlägen auf die Entgelte, die von den Eisenbahnunternehmen erhoben werden, wenn sie Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags betreiben, grundsätzlich nichts entgegensteht.

54.      Die Verordnung Nr. 1370/2007 sieht die Möglichkeit vor, dass Mitgliedstaaten und lokale Gebietskörperschaften öffentliche Dienstleistungsaufträge vergeben, die ausschließliche Rechte zur Durchführung bestimmter Dienste umfassen können. Auf diese Möglichkeit – und die entsprechende Vorschrift – wird auch im 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 2012/34 Bezug genommen, wonach die Richtlinie im Einklang mit der Verordnung auszulegen ist.

55.      Die Verordnung Nr. 1370/2007 sieht den öffentlichen Dienstleistungsauftrag als Instrument, um die Erbringung von Personenlandverkehrsdiensten sicherzustellen, „die im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse erforderlich sind“, jedoch „derzeit nicht kommerziell betrieben werden“ können(25).

56.      Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 entlohnt die zuständige Behörde den Betreiber eines öffentlichen Dienstes, indem sie ihm „ausschließliche Rechte und/oder Ausgleichsleistungen“ gewährt(26).

57.      Art. 2 Buchst. f dieser Verordnung definiert das „ausschließliche Recht“ als „ein Recht, das einen Betreiber eines öffentlichen Dienstes berechtigt, bestimmte öffentliche Personenverkehrsdienste auf einer bestimmten Strecke oder in einem bestimmten Streckennetz oder Gebiet unter Ausschluss aller anderen solchen Betreiber zu erbringen“.

58.      Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen bestehen in der Regel vor dem Hintergrund mangelnder wirtschaftlicher Rentabilität, die von den diese Verpflichtungen rechtfertigenden Gründen des allgemeinen Interesses überlagert wird. Der Betreiber, der solche Verpflichtungen eingeht, hätte dies unter Berücksichtigung seines eigenen wirtschaftlichen Interesses nicht (oder nicht im gleichen Umfang oder nicht zu den gleichen Bedingungen) getan(27).

59.      Nach diesem Modell betreibt das Eisenbahnunternehmen die öffentlichen Personenverkehrsdienste und zahlt das Entgelt an den Infrastrukturbetreiber bzw. den Betreiber der Serviceeinrichtung. Im Gegenzug erhält dieses Unternehmen die Einnahmen aus dem Betrieb (d. h. aus dem Fahrkartenverkauf) und gegebenenfalls eine Ausgleichsleistung für die Erbringung der öffentlichen Dienstleistung.

60.      Ich stimme mit der Kommission(28) darin überein, dass Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 nicht außer Kraft gesetzt wird, wenn ein Eisenbahnunternehmen einen Vertrag geschlossen hat, der ihm das Recht einräumt, öffentliche Personenverkehrsdienste unter Ausschluss aller anderen solcher Betreiber zu betreiben.

61.      Theoretisch spricht nichts dagegen, dass die Eisenbahnunternehmen, die Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags betreiben, eine gewisse Rendite erzielen. In einer solchen Situation kann der Infrastrukturbetreiber nach Analyse dieser Rendite zusätzlich zum Entgelt den Aufschlag erheben, sofern die anderen in Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

62.      Wie ich bereits dargestellt habe, erfordert die Analyse der Rendite des Segments auf jeden Fall eine sorgfältige Bewertung. Aus diesem Grund heißt es in der Entscheidung von LatRailNet vom 21. August 2018, mit der dem Bescheid der Regulierungsstelle nachgekommen wurde: „Der Wert des Kriteriums Ss wird für alle Marktsegmente auf der Grundlage einer Bewertung durch einen Sachverständigen ermittelt“(29).

63.      Die Regelung für das Marktsegment der Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags wird auf diese Weise mit der Regelung für andere Segmente, für die die gleiche Maßnahme bereits vorgesehen war, gleichgesetzt(30).

D.      Berechnung des Aufschlags und Finanzierung aus öffentlichen Mitteln

64.      Die Parteien, die im Rahmen dieses Vorlageverfahrens schriftliche Erklärungen eingereicht haben, haben sich zum Inhalt des Bescheids der Regulierungsstelle(31), in dem es um die Posten der öffentlichen Finanzierung geht, die von der Berechnungsgrundlage für die Aufschläge auszuschließen sind(32), im einen oder anderen Sinn geäußert.

65.      Zweifelsohne ist diese Frage für die Parteien des Rechtsstreits von Interesse, jedoch wird sie vom vorlegenden Gericht in seiner dritten Vorlagefrage nicht erwähnt. Weder im Wortlaut der Vorlagefrage noch in der Begründung(33) äußert das Gericht insoweit Zweifel, und somit muss der Gerichtshof auch nicht auf diesen Punkt eingehen.

V.      Ergebnis

66.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die dritte Vorlagefrage der Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht, Lettland) wie folgt zu beantworten:

Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums ist dahin auszulegen, dass nach Erfüllung der in dieser Vorschrift aufgestellten Voraussetzungen der Erhebung von Aufschlägen auf Wegeentgelte von einem Eisenbahnunternehmen, das aufgrund eines ausschließlichen Rechts im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags Personenverkehrsdienste betreibt, nichts entgegensteht.


1      Originalsprache: Spanisch.


2      Tatsächlich ist nach den Angaben in den Akten der Rechtssache VAS Latvijas dzelzceļš der Betreiber der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur in Lettland. Da diese Gesellschaft jedoch andere Unternehmen vertikal integriert, darunter das Unternehmen LDZ CARGO, das Güterverkehrs- und grenzüberschreitende Personenverkehrsdienste anbietet, kann Latvijas dzelzceļš die wesentlichen Funktionen des Infrastrukturbetreibers nicht ausüben. Sie hat diese Funktionen an die Gesellschaft LatRailNet, die ebenfalls zur Gruppe von Latvijas dzelzceļš gehört, übertragen.


3      Im Folgenden: Regulierungsstelle.


4      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (ABl. 2012, L 343, S. 32). Mit dieser Richtlinie wurden frühere Richtlinien teilweise geändert, neu gefasst und zusammengeführt, u. a. die Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (ABl. 2001, L 75, S. 29).


5      Nach Art. 32 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2012/34 wird die Liste der Marktsegmente von den Infrastrukturbetreibern festgelegt, umfasst jedoch mindestens die drei folgenden Segmente: „Güterverkehrsdienste, Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags und andere Personenverkehrsdienste“.


6      Im vorliegenden Fall handelte es sich um die Gesellschaft AS Pasažieru vilciens, der das ausschließliche Recht eingeräumt wurde, bis 2031 öffentliche Verkehrsdienste auf den regionalen Schienenstrecken in Lettland anzubieten. Die Befugnis, öffentliche Verkehrsdienste auf einer bestimmten Strecke oder in einem bestimmten Streckennetz oder Gebiet unter Ausschluss aller anderen solchen Betreiber zu erbringen, ist geregelt in Art. 2 Buchst. f der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. 2007, L 315, S. 1).


7      Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 definiert als wesentliche Funktionen der Infrastrukturbetreiber „Entscheidungen über die Zugtrassenzuweisung, einschließlich sowohl der Bestimmung als auch der Beurteilung der Verfügbarkeit und der Zuweisung von einzelnen Zugtrassen, und ... Entscheidungen über die Wegeentgelte, einschließlich ihrer Festlegung und Erhebung …“


8      Nach Anhang 3 Abschnitt II („Quantitative Kriterien für die Festsetzung der Aufschläge für bestimmte Marktsegmente“), Nr. 3.


9      Rn. 3 Abs. 3 a. E. des Vorlagebeschlusses.


10      Rn. 4 Abs. 3 des Vorlagebeschlusses.


11      Nach Rn. 6 Abs. 5 des Vorlagebeschlusses ging die Initiative für das Vorabentscheidungsersuchen von Latvijas dzelzceļš aus.


12      Die Richtlinie 2012/34 stellt es den Mitgliedstaaten frei, „dem Infrastrukturbetreiber außerdem Mittel zu[zu]weisen, die in angemessenem Verhältnis zu seinen Funktionen ..., der Größe der Infrastruktur und dem Finanzbedarf stehen, und zwar insbesondere für Neuinvestitionen. Die Mitgliedstaaten können beschließen, dass diese Investitionen durch andere Mittel als durch eine direkte staatliche Finanzierung gedeckt werden“ (Art. 8 Abs. 2).


13      Nach Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2012/34 besteht die Gewinn- und Verlust-Rechnung eines Infrastrukturbetreibers u. a. aus „Wegeentgelten, dem Gewinn aus anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten, nicht rückzahlbaren Zuschüssen aus privater Quelle und der staatlichen Finanzierung, wobei gegebenenfalls auch staatliche Vorauszahlungen eingeschlossen sind“.


14      Latvijas dzelzceļš macht geltend, die Inanspruchnahme einer staatlichen Finanzierung würde ihre Unabhängigkeit als Infrastrukturbetreiber beeinträchtigen, da sie gegenüber dem Staat in die Rolle eines Antragstellers gedrängt würde (Rn. 32 ihrer schriftlichen Erklärungen). Dies ist jedoch nicht der Fall: Die Bestimmung aus der Richtlinie 2012/34 über den Erhalt öffentlicher Mittel beinhaltet definitionsgemäß, dass die Unabhängigkeit im Sinne ihres Art. 4 nicht beeinträchtigt wird.


15      Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2012/34 nennt als „langfristige[s] Ziel“, dass die Infrastrukturkosten durch die Nutzer gedeckt werden, wenn der Eisenbahnverkehr gegenüber anderen Verkehrsträgern im Rahmen der Entgeltregelungen der Art. 31 und 32 konkurrenzfähig ist.


16      Vgl. Durchführungsverordnung (EU) 2015/909 der Kommission vom 12. Juni 2015 über die Modalitäten für die Berechnung der Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen (ABl. 2015, L 148, S. 17).


17      Nach Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 trägt die Entgeltregelung dem von den Eisenbahnunternehmen erzielten Produktivitätszuwachs Rechnung. Die Höhe der Entgelte darf jedoch nicht die Nutzung der Fahrwege durch Marktsegmente ausschließen, die mindestens die Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen, sowie eine Rendite, die der Markt tragen kann, erbringen können.


18      Rn. 28 und 29 ihrer schriftlichen Erklärungen. Andernfalls würden nach Ansicht von Latvijas dzelzceļš andere Ziele der Richtlinie gefährdet, wie z. B. die Deckung der Infrastrukturausgaben. Dieser Umstand rechtfertige die Erhebung eines maximalen Aufschlags.


19      In anderen Sprachfassungen wird, wie im Spanischen, der Begriff „competitividad“ und nicht „competencia“ verwendet. So im Französischen „compétitivité“ und nicht „concurrence“, im Englischen „competitiveness“ und nicht „competition“, im Italienischen „competitività“ und nicht „concorrenza“, im Portugiesischen „competitividade“ und nicht „concorrência“ oder im Deutschen „Wettbewerbsfähigkeit“ und nicht „Wettbewerb“.


20      „Das Gesamtniveau der Kostendeckung durch Wegeentgelte hat Auswirkungen auf den von der öffentlichen Hand zu erbringenden Beitrag. Die Mitgliedstaaten können die Kostendeckung durch Entgelte variabel festlegen, auch durch Aufschläge bzw. eine Rendite, die der Markt tragen kann …“ Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 enthielt eine Bestimmung, die derjenigen entsprach, die im vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen Gegenstand der Auslegung ist.


21      Dies könnte der Fall sein, wenn das Segment aufgrund des Preises oder der Fahrtzeit für dieselbe Strecke bzw. aufgrund ähnlicher Faktoren attraktiver wäre als andere Verkehrsmittel.


22      Nach Art. 56 Abs. 2 der Richtlinie 2012/34 ist die Regulierungsstelle berechtigt, die Wettbewerbssituation in den Schienenverkehrsmärkten zu überwachen, insbesondere in Bezug auf eine eventuelle Beeinträchtigung durch die in Abs. 1 Buchst. d genannte Entgeltregelung. Vgl. auch Art. 56 Abs. 12 der Richtlinie 2012/34 in Verbindung mit ihrem Anhang VIII Abs. 2 Buchst. c.


23      Diese Ausrichtung findet sich auch im jüngsten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Maßnahmen für einen nachhaltigen Eisenbahnmarkt in Anbetracht der COVID-19-Pandemie (COM[2020] 260 final). In Bezug auf die Aufschläge heißt es in der Begründung: „Nach Artikel 32 dürfen die Mitgliedstaaten die Erhebung von Aufschlägen in Abhängigkeit von der Zahlungsfähigkeit der jeweiligen Segmente des Eisenbahnmarktes vorsehen. Dieser Grundsatz impliziert, dass Aufschläge Schwankungen unterworfen sein können und bei verminderter Zahlungsfähigkeit des betreffenden Marktsegmentes sinken können.“


24      Rn. 32 ihrer schriftlichen Erklärungen.


25      Fünfter Erwägungsgrund.


26      Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass Pasažieru vilciens das ausschließliche Recht zur Erbringung der Verkehrsdienste sowie Ausgleichsleistungen gewährt wurden.


27      Vgl. Art. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 1370/2007.


28      Rn. 38 und 39 ihrer schriftlichen Erklärungen.


29      Rn. 5 des Vorlagebeschlusses.


30      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Ungleichbehandlung in der Entgeltregelung hinreichend gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung durch die Aufschläge entspricht.


31      Konkret forderte die Regulierungsstelle LatRailNet auf, die bereits vorgesehenen Ausgaben, die vom Staatshaushalt oder vom Haushalt der lokalen Gebietskörperschaften gedeckt werden und die die Personenverkehrsunternehmen nicht aus den Einnahmen aus dem Personenverkehr decken können, davon auszunehmen.


32      Die Regulierungsstelle erläutert die Gründe für diesen Teil ihres Bescheids (Rn. 6 bis 9 ihrer schriftlichen Erklärungen). Die Kommission stimmt mit der Regulierungsstelle darin überein, dass „Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen von der Berechnung gemäß Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie auszunehmen“ seien (Rn. 44 ihrer schriftlichen Erklärungen). Latvijas dzelzceļš lehnt dies ab (Rn. 6.2 ihrer schriftlichen Erklärungen).


33      Rn. 9 bis 13 des Vorlagebeschlusses.