Language of document : ECLI:EU:T:2018:972

URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)

14. Dezember 2018(*)

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Art. 42c des Statuts – Versetzung in den Urlaub im dienstlichen Interesse – Gleichbehandlung – Verbot der Diskriminierung wegen des Alters – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Verantwortlichkeit“

In der Rechtssache T‑750/16

FV, ehemalige Beamtin des Rates der Europäischen Union, Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwältinnen L. Levi und A. Tymen, dann Rechtsanwältin L. Levi,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bauer und R. Meyer als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Europäisches Parlament, vertreten durch A. Troupiotis und J. A. Steele als Bevollmächtigte,

und

Europäische Kommission, vertreten durch G. Berscheid und D. Martin als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

betreffend eine Klage nach Art. 270 AEUV zum einen auf Aufhebung der Entscheidung des Rates vom 8. Dezember 2015, die Klägerin auf der Grundlage von Art. 42c des Statuts der Beamten der Europäischen Union in Urlaub im dienstlichen Interesse zu versetzen, und, soweit erforderlich, der Entscheidung vom 19. Juli 2016, mit der die von der Klägerin eingelegte Beschwerde zurückgewiesen wurde, und zum anderen auf Ersatz des Schadens, der der Klägerin entstanden sein soll,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek, der Richter E. Buttigieg (Berichterstatter), F. Schalin und B. Berke sowie der Richterin M. J. Costeira,

Kanzler: M. Marescaux, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 2018

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Das Statut der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) ist u. a. durch die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1023/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 (ABl. 2013, L 287, S. 15) geändert worden.

2        Die Erwägungsgründe 1, 3, 7 und 12 der Verordnung Nr. 1023/2013 lauten:

„(1)      Die Europäische Union und ihre mehr als 50 Organe und Agenturen sollten weiterhin über einen hochwertigen europäischen öffentlichen Dienst verfügen, der in der Lage ist, seine Ziele zu erreichen, seine politischen Maßnahmen und Aktivitäten durchzuführen und seine Aufgaben im Einklang mit den Verträgen auf höchstem Qualitätsniveau zu erfüllen, um den künftigen internen und externen Herausforderungen gerecht zu werden und den Unionsbürgern zu dienen.

(3)      Angesichts der Größe des europäischen öffentlichen Dienstes gemessen an den Zielen der Union und ihrer Einwohnerzahl sollte eine Verringerung des Personalbestands der Organe und Agenturen der Europäischen Union nicht zu Beeinträchtigungen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, Pflichten und Funktionen gemäß den Verpflichtungen und Befugnissen aufgrund der Verträge führen. In dieser Hinsicht ist Transparenz erforderlich, was die von den einzelnen Organen und Agenturen aufgewendeten Personalkosten unter Berücksichtigung aller Kategorien des von ihnen beschäftigten Personals anbelangt.

(7)      Grundsätzlich sollte diese Verordnung bezwecken, innerhalb eines europäischen öffentlichen Dienstes, der sich durch seine hervorragenden Leistungen und durch Kompetenz, Unabhängigkeit, Loyalität, Unparteilichkeit und Stabilität sowie durch kulturelle und sprachliche Vielfalt und attraktive Einstellungsbedingungen auszeichnet, eine optimale Personalverwaltungspolitik sicherzustellen.

(12)      Der Europäische Rat hat in seinen Schlussfolgerungen vom 8. Februar 2013 zum mehrjährigen Finanzrahmen betont, dass die Notwendigkeit der kurz‑, mittel- und langfristigen Haushaltskonsolidierung besondere Anstrengungen seitens aller öffentlichen Verwaltungen und ihrer Bediensteten erfordert, um die Effizienz und Effektivität zu steigern und sich an das sich wandelnde wirtschaftliche Umfeld anzupassen. Mit diesem Aufruf wurde konkret das Ziel des Vorschlags der Kommission zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Union und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union von 2011 bekräftigt, das darin bestand, für Kosteneffizienz zu sorgen, wobei festgestellt wurde, dass die Herausforderungen, vor denen die Europäische Union derzeit steht, von jeder öffentlichen Verwaltung und allen öffentlich Bediensteten eine Erhöhung der Effizienz und eine Anpassung an die sich wandelnden wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in Europa verlangen …“

3        Art. 1 Nr. 24 der Verordnung Nr. 1023/2013 sah vor, dass in Titel III Kapitel 2 des Statuts ein Abschnitt 7 mit dem Titel „Urlaub im dienstlichen Interesse“ eingefügt wird, der nur eine Bestimmung enthält, Art. 42c. Darin heißt es:

„Frühestens fünf Jahre vor Erreichen des Ruhestandsalters kann ein Beamter mit mindestens zehn Dienstjahren durch Entscheidung der Anstellungsbehörde in Urlaub im dienstlichen Interesse versetzt werden, wenn ein organisatorischer Bedarf im Zusammenhang mit dem Erwerb neuer Kompetenzen innerhalb der Organe besteht.

Die Gesamtzahl der Beamten, die pro Jahr in Urlaub im dienstlichen Interesse versetzt werden, darf jedoch 5 % der Anzahl der Beamten aller Organe nicht übersteigen, die im Vorjahr in den Ruhestand getreten sind. Die so berechnete Gesamtzahl wird jedem Organ entsprechend seiner am 31. Dezember des Vorjahres gegebenen Anzahl von Beamten zugewiesen. Das Ergebnis einer solchen Zuweisung wird bei den einzelnen Organen auf volle Zahlen aufgerundet.

Dieser Urlaub ist keine Disziplinarmaßnahme.

Die Dauer des Urlaubs entspricht grundsätzlich dem Zeitraum vor dem Erreichen des Ruhestandsalters. Bei einem Ausnahmezustand kann die Anstellungsbehörde entscheiden, den Urlaub zu beenden und den Beamten wieder einzuweisen.

Wenn der in Urlaub im dienstlichen Interesse versetzte Beamte das Ruhestandsalter erreicht, so wird er von Amts wegen in den Ruhestand versetzt.

Für den Urlaub im dienstlichen Interesse gelten folgende Vorschriften:

a)      die Planstelle des Beamten kann durch einen anderen Beamten besetzt werden;

b)      ein Beamter, der sich im Urlaub im dienstlichen Interesse befindet, hat keinen Anspruch auf das Aufsteigen in eine höhere Dienstaltersstufe oder die Beförderung in eine höhere Besoldungsgruppe.

Der in Urlaub im dienstlichen Interesse versetzte Beamte erhält eine Vergütung, die nach Anhang IV berechnet wird.

Auf Antrag des Beamten werden auf die Vergütung Beiträge zum Versorgungssystem erhoben, die auf der Grundlage dieser Vergütung berechnet werden. In diesem Fall wird bei der Berechnung der ruhegehaltsfähigen Dienstjahre im Sinne des Anhang VIII Artikel 2 die Dienstzeit als Beamter im Urlaub im dienstlichen Interesse berücksichtigt.

Auf die Vergütung wird kein Berichtigungskoeffizient angewandt.“

4        Die Verordnung Nr. 1023/2013 trat am 1. November 2013 in Kraft. Art. 42c des Statuts gilt seit dem 1. Januar 2014.

5        Die Klägerin, FV, ist eine ehemalige Beamtin des Rates der Europäischen Union. Sie trat am 1. Mai 1981 als Beamtin auf Probe in den Dienst des Generalsekretariats des Rates (im Folgenden: GSR) und wurde am 1. November 1981 zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt. Sie wurde während ihrer Laufbahn in verschiedenen Dienststellen des Rates dienstlich verwendet.

6        [vertraulich](1)

7        [vertraulich]

8        Mit der Mitteilung an das Personal Nr. 71/15 vom 23. Oktober 2015 (im Folgenden: PM 71/15) informierte der Generalsekretär des Rates darüber, wie der Rat Art. 42c des Statuts durchzuführen beabsichtige. Darin heißt es:

„… Die EU‑Institutionen müssen sich ständig erneuern und modernisieren, so dass die Beamten neue Kompetenzen erwerben und ihr Wissen auf den neuesten Stand bringen müssen, um sich an neue Entwicklungen anzupassen. Diese neuen Kompetenzen können sich z. B. auf neue IT‑Anwendungen, auf neue Systeme für die Erstellung von Dokumenten des Europäischen Rates/Rates, auf neue Verfahren für die Vergabe öffentlicher Aufträge oder für interne Prüfungen, auf neue Arbeitsmethoden oder auf neue Management- oder Organisationsmethoden beziehen.

Der Urlaub im dienstlichen Interesse soll es den Beamten, die Schwierigkeiten haben, neue Kompetenzen zu erwerben und sich an das sich wandelnde Arbeitsumfeld anzupassen, ermöglichen, vor Erreichen des Rentenalters in Urlaub versetzt zu werden. …

2015 haben der Rat und der Europäische Rat die Möglichkeit, fünf (5) Beamte in den Urlaub im dienstlichen Interesse zu versetzen …“

9        [vertraulich]

10      [vertraulich]

11      [vertraulich]

12      [vertraulich]

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14      [vertraulich]

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19      [vertraulich]

20      [vertraulich]

II.    Verfahren und Anträge der Parteien

21      Mit Klageschrift, die am 28. Oktober 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

22      Mit Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin beantragt, ihr nach Art. 66 der Verfahrensordnung des Gerichts Anonymität zu gewähren. Mit Entscheidung vom 30. Januar 2017 hat das Gericht diesem Antrag stattgegeben.

23      Mit Schriftsatz, der am 28. November 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin gemäß Art. 66 der Verfahrensordnung beantragt, bestimmte Angaben in der Klageschrift und ihren Anlagen in öffentlich zugänglichen Unterlagen wegzulassen.

24      Der Rat hat am 1. Februar 2017 eine Klagebeantwortung eingereicht.

25      Mit Schriftsätzen, die am 24. bzw. 10. Februar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben das Europäische Parlament und die Europäische Kommission beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen zu werden.

26      Mit Schriftsätzen, die am 8. März 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, hat die Klägerin beantragt, bestimmte Angaben in der Klageschrift und ihren Anlagen gegenüber dem Parlament und der Kommission vertraulich zu behandeln, wenn diese als Streithelfer zugelassen würden. Sie hat dem Antrag eine nicht vertrauliche Fassung dieser Schriftstücke beigefügt.

27      Am 20. April 2017 hat die Klägerin die Erwiderung eingereicht.

28      Mit Schriftsatz, der am 17. Mai 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin beantragt, bestimmte Angaben in der Erwiderung und ihren Anlagen gegenüber dem Parlament und der Kommission vertraulich zu behandeln, wenn diese als Streithelfer zugelassen würden. Sie hat dem Antrag eine nicht vertrauliche Fassung dieser Schriftstücke beigefügt.

29      Mit Beschluss vom 8. Juni 2017, FV/Rat (T‑750/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:420), wurden das Parlament und die Kommission als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen. Da die Klägerin nach Art. 144 Abs. 2 der Verfahrensordnung beantragt hat, bestimmte, in den genannten Schriftsätzen und ihren Anlagen enthaltene Angaben vertraulich zu behandeln, wurde in diesem Beschluss die Übermittlung der Verfahrensunterlagen an das Parlament und die Kommission in Erwartung etwaiger Erklärungen dieser Organe zum Antrag auf vertrauliche Behandlung vorläufig auf eine nicht vertrauliche Fassung beschränkt.

30      Mit Schriftsatz, der am 28. Juni 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission dem Antrag auf vertrauliche Behandlung der Klageschrift und ihrer Anlagen widersprochen. Das Parlament hat gegen diesen Antrag keine Einwände erhoben.

31      Am 17. Juli 2017 hat der Rat die Gegenerwiderung eingereicht.

32      Am 19. bzw. 12. Juli 2017 haben das Parlament und die Kommission ihre Streithilfeschriftsätze eingereicht.

33      Mit Schriftsatz, der am 21. August 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin beantragt, bestimmte Angaben in der Gegenerwiderung und ihren Anlagen gegenüber dem Parlament und der Kommission vertraulich zu behandeln, und hat dem Antrag eine nicht vertrauliche Fassung dieser Schriftstücke beigefügt.

34      Mit Schriftsatz, der am 1. September 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rat mitgeteilt, dass er nichts zu den Streithilfeschriftsätzen des Parlaments und der Kommission anzumerken habe.

35      Mit Schriftsätzen, die am 5. September 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, hat die Klägerin zu den Streithilfeschriftsätzen des Parlaments und der Kommission Stellung genommen.

36      Mit Schriftsatz, der am 25. September 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission dem Antrag auf vertrauliche Behandlung der Gegenerwiderung und ihrer Anlagen widersprochen. Das Parlament hat gegen diesen Antrag keine Einwände erhoben.

37      Mit Beschluss vom 26. Januar 2018 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts den Anträgen der Klägerin auf vertrauliche Behandlung teilweise stattgegeben und ihr eine Frist für die Vorlage einer nicht vertraulichen Fassung der Klageschrift, der Gegenerwiderung und ihrer Anlagen gesetzt und erklärt, dass der Kommission nach der Zustellung der nicht vertraulichen Fassung dieser Schriftstücke an sie eine Frist für etwaige ergänzende Bemerkungen zu ihrem Streithilfeschriftsatz eingeräumt wird.

38      Am 7. März 2018 hat die Kommission ergänzende Bemerkungen zu ihrem Streithilfeschriftsatz eingereicht.

39      Mit Schriftsatz, der am 22. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rat mitgeteilt, dass er zu den ergänzenden Bemerkungen der Kommission nichts anzumerken habe.

40      Am 5. April 2018 reichte die Klägerin ihre Stellungnahme zu den ergänzenden Bemerkungen der Kommission ein.

41      Am 6. April 2018 hat die Kanzlei des Gerichts den Parteien den Abschluss des schriftlichen Verfahrens bekannt gegeben.

42      Mit Schreiben vom 24. April 2018 hat die Klägerin gemäß Art. 106 der Verfahrensordnung mit Begründung beantragt, in der mündlichen Verhandlung gehört zu werden.

43      Auf Vorschlag der Zweiten Kammer hat das Gericht am 16. Mai 2018 gemäß Art. 28 seiner Verfahrensordnung die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen.

44      Das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) hat auf Vorschlag des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 seiner Verfahrensordnung ersucht, einige Fragen schriftlich zu beantworten und bestimmte Dokumente vorzulegen. Diesen Ersuchen sind die Parteien fristgerecht nachgekommen.

45      In der Sitzung vom 10. Juli 2018 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

46      Die Klägerin beantragt,

–        die Entscheidung vom 8. Dezember 2015 und, soweit erforderlich, die Entscheidung vom 19. Juli 2016 über die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben;

–        den Rat zur Zahlung von Schadensersatz für die erlittenen materiellen und immateriellen Schäden zu verurteilen;

–        dem Rat sämtliche Kosten aufzuerlegen.

47      Der Rat beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

48      Das Parlament beantragt, die Klage abzuweisen.

49      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Zum Gegenstand der Klage

50      Die Klägerin beantragt die Aufhebung der Entscheidung vom 8. Dezember 2015 und, „soweit erforderlich“, die Aufhebung der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde vom 19. Juli 2016. Sie macht geltend, dieser Antrag sei nicht nur zulässig, soweit er gegen die Entscheidung vom 8. Dezember 2015 gerichtet sei, sondern auch, soweit er gegen die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde gerichtet sei, da diese Entscheidung im Vergleich zur Entscheidung vom 8. Dezember 2015 neue Gesichtspunkte enthalte.

51      Die anderen Parteien haben die Zulässigkeit der Anträge auf Aufhebung der beiden oben genannten Entscheidungen nicht in Frage gestellt.

52      Nach ständiger Rechtsprechung sind die Verwaltungsbeschwerde nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts und ihre ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung Bestandteil eines komplexen Verfahrens und nur eine Vorbedingung für die Anrufung des Gerichts. Unter diesen Umständen bewirkt eine Klageerhebung, selbst wenn sie formal gegen die Zurückweisung der Beschwerde gerichtet ist, dass das Gericht mit der beschwerenden Maßnahme befasst wird, gegen die die Beschwerde gerichtet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 17. Januar 1989, Vainker/Parlament, 293/87, EU:C:1989:8, Rn. 7 und 8), es sei denn, die Zurückweisung der Beschwerde hat eine andere Tragweite als die Maßnahme, gegen die Beschwerde erhoben wurde (Urteil vom 25. Oktober 2006, Staboli/Kommission, T‑281/04, EU:T:2006:334, Rn. 26).

53      Jede bloße eine Beschwerde ablehnende Entscheidung, ob sie nun stillschweigend oder ausdrücklich ergeht, bedeutet nämlich nur eine Bestätigung der vom Beschwerdeführer beanstandeten Maßnahme oder Unterlassung und ist als solche keine anfechtbare Maßnahme, so dass die gegen diese Entscheidung ohne eigenständigen Gehalt gegenüber der ursprünglichen Entscheidung gerichteten Anträge als gegen den ursprünglichen Rechtsakt gerichtet anzusehen sind (vgl. Urteil vom 19. Juni 2015, Z/Gerichtshof, T‑88/13 P, EU:T:2015:393, Rn. 141 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Es ist möglich, dass eine ausdrückliche Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde in Anbetracht ihres Inhalts die vom Kläger angefochtene Maßnahme nicht bestätigt. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde eine Überprüfung der Lage des Klägers aufgrund neuer rechtlicher oder tatsächlicher Umstände enthält oder die ursprüngliche Entscheidung ändert oder vervollständigt. In diesen Fällen stellt die Zurückweisung der Beschwerde eine Handlung dar, die der Kontrolle durch das Gericht unterliegt, das diese Handlung bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme berücksichtigt oder sie sogar als eine beschwerende Maßnahme ansieht, die an die Stelle der angefochtenen Maßnahme tritt (Urteil vom 15. September 2017, Skareby/EAD, T‑585/16, EU:T:2017:613, Rn. 18).

55      Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Beschwerde und die Klage vor dem Gericht innerhalb der in den Art. 90 und 91 des Statuts vorgesehenen Fristen eingereicht wurden.

56      Sodann ist festzustellen, dass durch die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde weder der Sinn noch die Tragweite der Entscheidung vom 8. Dezember 2015 über die Versetzung der Klägerin in Urlaub im dienstlichen Interesse gemäß Art. 42c des Statuts geändert wird. Im Übrigen wird mit der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde die Begründung der Entscheidung vom 8. Dezember 2015 in Bezug auf die Beurteilung der Fähigkeit der Klägerin, neue Kompetenzen zu erwerben und sich an das sich wandelnde Arbeitsumfeld anzupassen, ergänzt und es werden im Rahmen dieser Beurteilung auch Tatsachen berücksichtigt, die am 8. Dezember 2015, dem Tag, an dem die Entscheidung über die Versetzung der Klägerin in Urlaub im dienstlichen Interesse ergangen ist, nicht bekannt waren. Dabei ist auf die Beurteilungen der Klägerin für die Jahre 2014 und 2015 zu verweisen, die nach den Ausführungen des Rates nach der Entscheidung vom 8. Dezember 2015, aber vor der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde erstellt wurden.

57      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Klägerin im vorliegenden Fall nur durch die Entscheidung vom 8. Dezember 2015 beschwert ist, mit der sie gemäß Art. 42c des Statuts in Urlaub im dienstlichen Interesse versetzt wird (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). Deren Rechtmäßigkeit wird jedoch unter Berücksichtigung der in der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde enthaltenen Begründung gewürdigt.

B.      Zum Aufhebungsantrag

58      Zur Begründung ihres Aufhebungsantrags trägt die Klägerin fünf Klagegründe vor. Mit dem ersten wendet sie die Rechtswidrigkeit von Art. 42c des Statuts ein, mit dem zweiten rügt sie einen Verstoß gegen diese Bestimmung und gegen die PM 71/15 sowie offensichtliche Beurteilungsfehler, mit dem dritten macht sie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, mit dem vierten eine Verletzung der Fürsorgepflicht und mit dem fünften einen Ermessensmissbrauch geltend.

1.      Zum ersten Klagegrund: Rechtswidrigkeit von Art. 42c des Statuts

a)      Vorbemerkungen

59      Nach Ansicht der Klägerin ist Art. 42c des Statuts rechtswidrig, da er gegen den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz und gegen das Verbot der Diskriminierung insbesondere wegen des Alters verstoße. Diese seien in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) und Art. 1d des Statuts verankert.

60      In diesem Zusammenhang macht die Klägerin geltend, dass Art. 42c des Statuts, da er für Beamte und sonstige Bedienstete ausdrücklich „[f]rühestens fünf Jahre vor Erreichen [ihres] Ruhestandsalters“ gelte, eine Ungleichbehandlung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 schaffe. Diese Ungleichbehandlung sei nicht objektiv und angemessen und nicht durch ein legitimes Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 gerechtfertigt. Doch selbst wenn anzunehmen wäre, dass Art. 42c des Statuts ein legitimes Ziel verfolge, wären die Mittel zu seiner Erreichung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 weder angemessen noch erforderlich.

61      Das Parlament, der Rat und die Kommission treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beantragen, den vorliegenden Klagegrund zurückzuweisen.

62      Zunächst sind die Bestimmungen festzulegen, anhand deren die von der Klägerin erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit zu prüfen ist.

63      Dabei ist zu beachten, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der in Art. 20 der Grundrechtecharta niedergelegt ist. Das Diskriminierungsverbot in Art. 21 Abs. 1 der Grundrechtecharta stellt eine besondere Ausprägung dieses Grundsatzes dar (Urteil vom 5. Juli 2017, Fries, C‑190/16, EU:C:2017:513‚ Rn. 29).

64      In Art. 51 Abs. 1 der Grundrechtecharta ist zudem bestimmt, dass diese Charta u. a. für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips gilt.

65      Daher ist die Rechtmäßigkeit von Art. 42c des Statuts, der durch die Verordnung Nr. 1023/2013 in das Statut aufgenommen wurde, anhand der höherrangigen Norm des Art. 21 Abs. 1 der Grundrechtecharta zu beurteilen, auf den das Vorbringen der Klägerin Bezug nimmt und wonach jede Diskriminierung u. a. wegen des Alters verboten ist.

66      Was die Berufung der Klägerin auf die Richtlinie 2000/78 anbelangt, so sind zunächst deren einschlägige Bestimmungen wiederzugeben.

67      Art. 1 („Zweck“) der Richtlinie 2000/78 sieht vor:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“

68      In Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/78 heißt es:

„(1)      Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)      Im Sinne des Absatzes 1

a)      liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b)      liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

i)      diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …“

69      Art. 6 („Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters“) der Richtlinie 2000/78 sieht in Abs. 1 vor:

„(1)      Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

a)      die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

b)      die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;

c)      die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.“

70      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV die Richtlinien für die Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind. Die Richtlinie 2000/78 ist somit, wie im Übrigen in deren Art. 21 festgestellt, an die Mitgliedstaaten und nicht an die Organe gerichtet. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie als solche den Organen bei der Ausübung ihrer Gesetzgebungs- oder Entscheidungsbefugnisse Verpflichtungen auferlegen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 9. September 2003, Rinke, C‑25/02, EU:C:2003:435, Rn. 24, und vom 24. Mai 2008, Belfass/Rat, T‑495/04, EU:T:2008:160, Rn. 43), und sie können als solche auch keine Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 42c des Statuts begründen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2011, Adjemian u. a./Kommission, T‑325/09 P, EU:T:2011:506, Rn. 52).

71      Selbst wenn die Richtlinie 2000/78 als solche keine Verpflichtungen der Organe der Union bei der Ausübung ihrer Gesetzgebungs- oder Entscheidungsbefugnisse im Hinblick auf die Regelung der dienstlichen Beziehungen zwischen ihnen und ihrem Personal begründen kann, so können die in dieser Richtlinie erlassenen oder entwickelten Regeln oder Grundsätze den Organen dennoch entgegengehalten werden, wenn sich darin nur die Grundregeln der Verträge und der allgemeinen Rechtsgrundsätze niederschlagen, die unmittelbar für die Organe gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2016, Todorova Androva/Rat u. a., T‑366/15 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:729, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Der Gerichtshof hat bereits anerkannt, dass mit der Richtlinie 2000/78 für den Bereich der Beschäftigung und des Berufs das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters konkretisiert wird, das einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. November 2014, Vital Pérez, C‑416/13, EU:C:2014:2371, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Folglich können die Bestimmungen der Richtlinie 2000/78 zwar als solche keine Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 42c des Statuts stützen, sie können aber Anhaltspunkte für die Bestimmung der Pflichten des Unionsgesetzgebers im Bereich des öffentlichen Dienstes der Union liefern, wobei dessen Besonderheiten Rechnung zu tragen ist. Das Gericht wird die Richtlinie 2000/78 im vorliegenden Fall auf diese Weise berücksichtigen.

74      Zur Berufung der Klägerin auf Art. 1d des Statuts ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung jede Diskriminierung u. a. aufgrund des Alters bei der Anwendung des Statuts verbietet. Sie wurde durch die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 723/2004 des Rates vom 22. März 2004 zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften (ABl. 2004, L 124, S. 1) in das Statut aufgenommen.

75      Da Art. 1d des Statuts in demselben Rechtsakt mit Verordnungscharakter enthalten ist wie Art. 42c des Statuts, nämlich im Statut, und somit in der Normenhierarchie den gleichen Rang wie dieser einnimmt, ist er keine Norm, anhand deren die Rechtmäßigkeit von Art. 42c des Statuts beurteilt werden könnte. Die Klägerin hat im Übrigen klargestellt, dass die Bezugnahme auf Art. 1d des Statuts nur insoweit erfolgt sei, als darin der allgemeine Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz und das Verbot der Diskriminierung u. a. aufgrund des Alters verankert seien.

76      Nach alledem ist die Rechtmäßigkeit von Art. 42c des Statuts anhand von Art. 21 Abs. 1 der Grundrechtecharta und – innerhalb der in Rn. 73 genannten Grenzen – unter Berücksichtigung der Richtlinie 2000/78 zu beurteilen.

77      Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 63), ist in Art. 21 Abs. 1 der Grundrechtecharta das Diskriminierungsverbot niedergelegt, das eine besondere Ausprägung des in Art. 20 der Grundrechtecharta verankerten Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellt.

78      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt der Gleichbehandlungsgrundsatz, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 5. Juli 2017, Fries, C‑190/16, EU:C:2017:513, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob Art. 42c des Statuts eine Ungleichbehandlung wegen des Alters schafft, und, falls das der Fall ist, in einem zweiten Schritt, ob diese Ungleichbehandlung dennoch mit Art. 21 Abs. 1 der Grundrechtecharta vereinbar ist, weil sie die in Art. 52 Abs. 1 genannten Kriterien erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 2017, Fries, C‑190/16, EU:C:2017:513, Rn. 35).

b)      Zum Bestehen einer Ungleichbehandlung wegen des Alters

80      Art. 42c des Statuts findet auf die betreffenden Beamten „frühestens fünf Jahre vor Erreichen des Ruhestandsalters“ Anwendung. Der Rat hat ausgeführt, dass diese Bestimmung auf Beamte in der Altersgruppe von 55 bis 66 Jahren anwendbar sei. Aus dem anwendbaren Rechtsrahmen und den Erläuterungen des Rates in seiner schriftlichen Antwort auf eine Frage des Gerichts geht hervor, dass diese Altersgruppe wie folgt festgelegt wird.

81      Im Fall von Beamten, die vor dem 1. Januar 2014 eingestellt wurden, ist Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 5 des Anhangs XIII des Statuts heranzuziehen, der vorsieht:

„Bei Beamten, die ihren Dienst vor dem 1. Januar 2014 angetreten haben, richtet sich das Ruhestandsalter, das bei allen Bezugnahmen auf das Ruhestandsalter in diesem Statut zugrunde zu legen ist, nach den vorgenannten Bestimmungen, soweit dies im Statut nicht anders geregelt ist.“

82      Dieses Ruhestandsalter variiert je nach dem Alter des Beamten am 1. Mai 2014 zwischen 60 und 65 Jahren, wie den ersten vier Unterabsätzen von Art. 22 Abs. 1 des Anhangs XIII des Statuts zu entnehmen ist.

83      Bei Beamten, die nach dem 1. Januar 2014 eingestellt wurden, beträgt das Ruhestandsalter gemäß Art. 52 Abs. 1 Buchst. a des Statuts 66 Jahre.

84      Somit betrifft die Versetzung in den Urlaub im dienstlichen Interesse, da sie auf Beamte mit zehn Dienstjahren angewendet werden kann, die höchstens noch fünf Jahre vom Ruhestandsalter entfernt sind, potenziell Beamte im Alter zwischen 55 Jahren (für diejenigen, die am 1. Mai 2014 60 Jahre alt oder älter waren und deren Ruhestandsalter somit 60 Jahre betrug) und 66 Jahren (für diejenigen, die nach dem 1. Januar 2014 eingestellt wurden und deren Ruhestandsalter somit 66 Jahre beträgt).

85      Da Art. 42c des Statuts nur für Beamte im Alter von 55 bis 66 Jahren und nicht für jüngere Beamte gilt, die nicht zu dieser Altersgruppe gehören, schafft diese Bestimmung eine Ungleichbehandlung wegen des Alters.

86      Der Rat bezweifelt, dass Art. 42c des Statuts unter den Begriff der Diskriminierung im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2000/78 fallen könne, da er sich nicht auf ein „bestimmtes Alter“ beziehe, sondern auf das Ruhestandsalter der betreffenden Beamten, das variieren könne. Es handele sich daher um eine Begleitmaßnahme zum Eintritt in den Ruhestand, um dessen „Fallbeil-Effekt“ abzumildern und nicht, um wegen eines bestimmten Alters im Vergleich zu einem anderen zu diskriminieren. Zur Stützung dieser Argumentation weist der Rat ferner darauf hin, dass die Anwendung von Art. 42c des Statuts einer zweiten – vom Alter unabhängigen Bedingung – unterliege, nämlich, dass ein Dienstalter von mindestens zehn Jahren bestehe.

87      Diese Argumentation des Rates betrifft die Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters, die in Art. 42c des Statuts enthalten ist, und stellt nicht das Bestehen dieser Ungleichbehandlung in Frage. Da Art. 42c des Statuts nur für Beamte gilt, die in eine besondere, klar definierte Altersgruppe fallen, wird mit ihr eine unmittelbar auf das Alter gestützte Ungleichbehandlung geschaffen, auch wenn die Altersgruppe nach Maßgabe des Ruhestandsalters der betreffenden Beamten bestimmt wird. Die Frage, ob diese Ungleichbehandlung eine nach Art. 21 der Grundrechtecharta verbotene Diskriminierung darstellt, ist eine andere Frage als die nach dem Bestehen einer unterschiedlichen Behandlung.

88      Ferner ist zu der in Rn. 86 angeführten Argumentation des Rates festzustellen, dass der Umstand, dass Art. 42c des Statuts andere, vom Alter unabhängige Bedingungen aufstellt wie beispielsweise das Dienstalter der betreffenden Beamten und das Bestehen eines „organisatorischen Bedarfs im Zusammenhang mit dem Erwerb neuer Kompetenzen“, nicht ausgleicht, dass, wenn diese Bedingungen erfüllt sind, Beamte, die in die entsprechende Altersgruppe fallen, anders behandelt werden als Beamte, die nicht in diese Altersgruppe fallen.

89      Nach der Rechtsprechung kann dem Unionsgesetzgeber die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nur dann vorgeworfen werden, wenn vergleichbare Sachverhalte ungleich behandelt und dadurch bestimmte Personen gegenüber anderen benachteiligt werden (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass im vorliegenden Fall zu prüfen ist, ob die durch Art. 42c des Statuts geschaffene Ungleichbehandlung wegen des Alters zu einer Benachteiligung von Beamten der betreffenden Altersgruppe im Vergleich zu Beamten führt, die nicht zu dieser Altersgruppe gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 2017, Fries, C‑190/16, EU:C:2017:513, Rn. 33).

90      Im vorliegenden Fall kann die dienstrechtliche Stellung von Beamten, die in die betreffende Altersgruppe fallen und daher potenziell der in Art. 42c des Statuts vorgesehenen Maßnahme ausgesetzt sind, gegen ihren Willen geändert werden, indem sie aus dem „aktiven Dienst“ im Sinne von Art. 36 des Statuts ausscheiden und in „Urlaub im dienstlichen Interesse“ versetzt werden. Darüber hinaus unterliegen diese Beamten keiner Entwicklung ihrer beruflichen Laufbahn mehr, da sie gemäß Art. 42c Abs. 6 Buchst. b des Statuts keinen Anspruch auf das Aufsteigen in eine höhere Dienstaltersstufe oder die Beförderung in eine höhere Besoldungsgruppe haben.

91      Beamten, auf die Art. 42c des Statuts nicht angewandt wird, entstehen für ihre berufliche Laufbahn keine solchen Nachteile.

92      Zudem müssen Beamte, die in Urlaub im dienstlichen Interesse versetzt werden, unbestreitbar einen Rückgang ihrer Erwerbseinkünfte hinnehmen, insbesondere dadurch, dass sie kein Grundgehalt mehr beziehen. Dieses wird durch eine Vergütung nach Art. 42c Abs. 7 des Statuts ersetzt. Gemäß dieser Bestimmung wird die Vergütung nach Anhang IV des Statuts berechnet, so dass die Beamten, die im dienstlichen Interesse in Urlaub versetzt werden, in den ersten drei Monaten der Anwendung der Maßnahme eine monatliche Vergütung in Höhe ihres Grundgehalts, vom vierten bis zum sechsten Monat der Anwendung der Maßnahme eine monatliche Vergütung in Höhe von 85 % des Grundgehalts und vom siebten Monat bis zum Ende der Beurlaubung, d. h. bis zum Erreichen des Ruhestandsalters, eine monatliche Vergütung in Höhe von 70 % des Grundgehalts erhalten. Nach Art. 42c Abs. 9 des Statuts wird auf die Vergütung kein Berichtigungskoeffizient angewandt. Darüber hinaus wird der dargestellte finanzielle Schaden potenziell dadurch verschärft, dass die betreffenden Beamten, wie bereits ausgeführt, keinen Anspruch auf das Aufsteigen in eine höhere Dienstaltersstufe oder die Beförderung in eine höhere Besoldungsgruppe haben.

93      Beamte, die nicht in die betreffende Altersgruppe fallen und auf die daher Art. 42c des Statuts nicht angewandt werden kann, erleiden die oben in Rn. 92 dargestellten finanziellen Einbußen nicht.

94      Nach alledem ist festzustellen, dass Art. 42c des Statuts eine Ungleichbehandlung wegen des Alters schafft.

c)      Zur Einhaltung der Kriterien nach Art. 52 Abs. 1 der Grundrechtecharta

95      Nach Art. 52 Abs. 1 der Grundrechtecharta muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

96      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die durch Art. 42c des Statuts geschaffene Ungleichbehandlung wegen des Alters im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Grundrechtecharta „gesetzlich“ vorgesehen ist, da diese Bestimmung ihren Ursprung in der Verordnung Nr. 1023/2013 hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 2017, Fries, C‑190/16, EU:C:2017:513‚ Rn. 37).

97      Außerdem ist festzustellen, dass sich die genannte Ungleichbehandlung auf eine Frage mit begrenzter Tragweite im Rahmen des öffentlichen Dienstes der Union bezieht, nämlich die Frage der Versetzung bestimmter Beamter, die eine Reihe von Bedingungen erfüllen – darunter auch solche bezüglich des Alters – in Urlaub im dienstlichen Interesse. Folglich „achtet“ diese unterschiedliche Behandlung „den Wesensgehalt“ des Diskriminierungsverbots im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Grundrechtecharta (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 2017, Fries, C‑190/16, EU:C:2017:513‚ Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

98      Zur Bestätigung dieser Feststellung ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 42c Abs. 2 des Statuts die Gesamtzahl der Beamten, die pro Jahr in Urlaub im dienstlichen Interesse versetzt werden, 5 % der Anzahl der Beamten aller Organe, die im Vorjahr in den Ruhestand getreten sind, nicht übersteigen darf. Somit ist in Anbetracht dieser Obergrenze und der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 42c des Statuts, die im ersten Absatz dieser Bestimmung vorgesehen sind, die Zahl der Beamten, die pro Jahr in Urlaub im dienstlichen Interesse versetzt werden können, sehr gering, wie sich auch aus den schriftlichen Antworten des Parlaments, des Rates und der Kommission auf eine Frage des Gerichts ergibt. So hat der Rat beispielsweise mitgeteilt, dass bei ihm in den Jahren 2015, 2016 und 2017 von insgesamt 2 757 Beamten, die am 31. Dezember 2017 im Dienst des Rates standen, jeweils vier Beamte in Urlaub im dienstlichen Interesse versetzt wurden.

99      Das Gericht wird prüfen, ob die beiden verbleibenden Voraussetzungen von Art. 52 Abs. 1 der Grundrechtecharta, die eine Rechtfertigung der durch Art. 42c des Statuts geschaffenen unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters zulassen, im vorliegenden Fall erfüllt sind. Bei diesen Voraussetzungen handelt es sich um das Bestehen einer von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung, der die Ungleichbehandlung entspricht, und die Verhältnismäßigkeit.

1)      Zu der Frage, ob die durch Art. 42c des Statuts geschaffene Ungleichbehandlung wegen des Alters einer von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung entspricht

100    Der Rat macht, unterstützt vom Parlament und von der Kommission, im Wesentlichen geltend, dass mit der durch Art. 42c des Statuts geschaffenen unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters im Rahmen der Personalpolitik drei dem Gemeinwohl dienende Zielsetzungen verfolgt würden. Erstens werde mit dieser Ungleichbehandlung das Ziel verfolgt, die Investitionen der Organe in die berufliche Bildung zu optimieren, indem es ihnen ermöglicht werde, diese Investitionen auf die Beamten zu konzentrieren, die vor dem Eintritt in den Ruhestand noch eine angemessene Beschäftigungsdauer hätten. Zweitens werde mit der Ungleichbehandlung das Ziel verfolgt, kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand stehende Beamte zu unterstützen, die nicht in der Lage seien, neue Kompetenzen zu erwerben und sich an das sich wandelnde Arbeitsumfeld der Organe anzupassen. Drittens werde mit der genannten Ungleichbehandlung im Wesentlichen das Ziel verfolgt, eine ausgewogene Altersstruktur zwischen jungen und älteren Beamten aufrechtzuerhalten, die ihrerseits die Einstellung und Beförderung junger Beamter, den Austausch von Erfahrungen, Innovation und die geografische Vielfalt fördere.

101    Die Klägerin bestreitet, dass es diese drei Zielsetzungen gebe. Mit Art. 42c des Statuts werde allein das Ziel verfolgt, die Kosten und den Personalbestand der Organe dadurch zu verringern, dass sie sich derjenigen Beamten „entledigten“, die dem Ruhestand am nächsten seien und hohe Gehälter bezögen. Dieses Ziel sei jedoch kein rechtmäßiges Ziel „aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78, das die durch Art. 42c des Statuts geschaffene Ungleichbehandlung wegen des Alters rechtfertige.

102    Als Erstes ist zu prüfen, ob die von den Organen geltend gemachten Zielsetzungen vorliegen. Dabei ist Art. 42c des Statuts und gegebenenfalls sein allgemeiner Kontext zu berücksichtigen, der die Feststellung des Ziels ermöglicht, das hinter der durch ihn geschaffenen Ungleichbehandlung wegen des Alters steht (vgl. entsprechend Urteile vom 16. Oktober 2007, Palacios de la Villa, C‑411/05, EU:C:2007:604, Rn. 56 und 57; vom 21. Juli 2011, Fuchs und Köhler, C‑159/10 und C‑160/10, EU:C:2011:508, Rn. 39, und vom 6. November 2012, Kommission/Ungarn, C‑286/12, EU:C:2012:687, Rn. 58).

103    Zum ersten angeführten Ziel, der Optimierung der Investitionen in die berufliche Bildung, ist zunächst festzustellen, dass die Anwendung von Art. 42c des Statuts voraussetzt, dass „ein organisatorischer Bedarf im Zusammenhang mit dem Erwerb neuer Kompetenzen“ besteht. Der Verweis auf den „Erwerb neuer Kompetenzen“ weist auf den Zusammenhang zwischen Art. 42c des Statuts und der beruflichen Bildung hin.

104    Ferner geht aus den Akten und insbesondere aus den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 7. und 8. Februar 2013 hervor, dass die Verordnung Nr. 1023/2013 und damit Art. 42c des Statuts vor dem Hintergrund ergangen sind, dass die europäische öffentliche Verwaltung Haushaltseinsparungen vornehmen musste, dass die Mitgliedstaaten bestrebt waren, deren Effizienz und Leistung zu steigern, und dass der Personalbestand der Organe schrittweise um 5 % für den Zeitraum 2013/2017 abgebaut werden sollte.

105    Zudem weisen die Ausführungen in den Erwägungsgründen 1, 3, 7 und 12 der Verordnung Nr. 1023/2013 auf folgende Gesichtspunkte hin: erstens auf die Notwendigkeit, dass die Union weiterhin über einen hochwertigen öffentlichen Dienst verfügen sollte (erster Erwägungsgrund), der trotz der Verringerung des Personalbestands in der Lage ist, die den Organen übertragenen Aufgaben zu erfüllen (dritter Erwägungsgrund), zweitens auf die Notwendigkeit, dass eine optimale Personalverwaltungspolitik sichergestellt wird (siebter Erwägungsgrund) und drittens – unter Verweis auf die oben genannten Schlussfolgerungen des Europäischen Rates – auf die Notwendigkeit, die Effizienz und die Effektivität zu steigern und sich an das sich wandelnde wirtschaftliche Umfeld anzupassen sowie auf die Bemühungen um Kosteneffizienz (zwölfter Erwägungsgrund).

106    Die angeführten Erwägungsgründe der Verordnung Nr. 1023/2013 zeigen den Willen des Unionsgesetzgebers, das Ziel einer effizienten Verwaltung der Ausgaben für den europäischen öffentlichen Dienst im Hinblick auf Kosteneffizienz zu verfolgen, um so die hohe Qualität dieses Dienstes zu erhalten und letztlich die Union in die Lage zu versetzen, ihre Ziele zu erreichen, ihre Politik umzusetzen und ihre Aufgaben vor dem Hintergrund von Haushaltseinsparungen und Personalabbau bei den Organen zu erfüllen. Demnach ist unter Berücksichtigung der Ausführungen oben in Rn. 103 festzustellen, dass das Ziel der Optimierung der Investitionen in die berufliche Bildung von Beamten, das vom Unionsgesetzgeber mit der durch Art. 42c des Statuts geschaffenen Ungleichbehandlung wegen des Alters verfolgt wird, dargetan ist.

107    Ohne dass überprüft werden müsste, ob die beiden anderen von den Organen angeführten Ziele bestehen, ist als Zweites zu prüfen, ob das erste angeführte Ziel, dessen Bestehen dargetan wurde, eine „von der Union [anerkannte] dem Gemeinwohl [dienende]“ Zielsetzung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Grundrechtecharta ist.

108    Das erste angeführte Ziel besteht im Wesentlichen in der kosteneffizienten Verwaltung öffentlicher Gelder vor dem Hintergrund von Haushaltseinsparungen und Personalabbau bei den Organen. Insoweit ist anzumerken, dass gemäß Art. 310 Abs. 5 AEUV der Haushaltsplan der Union entsprechend dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung ausgeführt wird. Zudem ist in Art. 30 Abs. 1 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1) bestimmt, dass die Mittel nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung, d. h. im Einklang mit den Grundsätzen der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Wirksamkeit, zu verwenden sind. Nach Art. 30 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 966/2012 betrifft der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit die optimale Relation zwischen den eingesetzten Mitteln und den erzielten Ergebnissen. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass das Ziel des Unionsgesetzgebers, durch die mit Art. 42c des Statuts geschaffene Ungleichbehandlung wegen des Alters die Optimierung der Ausgaben der Organe für die berufliche Bildung zu gewährleisten, eine „von der Union anerkannte dem Gemeinwohl dienende“ Zielsetzung ist.

109    Da sich das erste angeführte Ziel auf die Berufsbildungspolitik der Organe bezieht, fällt es auch in den Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78, in dem unter den rechtmäßigen Zielen, die durch nationale Maßnahmen geschaffene Ungleichbehandlungen wegen des Alters rechtfertigen können, das Ziel der beruflichen Bildung genannt wird. Demnach stellt das erste angeführte Ziel auch auf der Grundlage der Richtlinie 2000/78, die im vorliegenden Fall für die Bestimmung der Pflichten des Unionsgesetzgebers Anhaltspunkte liefert (siehe oben, Rn. 73), eine „von der Union anerkannte dem Gemeinwohl dienende“ Zielsetzung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Grundrechtecharta dar (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Juli 2017, Fries, C‑190/16, EU:C:2017:513, Rn. 42 und 43).

110    Nach alledem ist festzustellen, dass die durch Art. 42c des Statuts geschaffene Ungleichbehandlung wegen des Alters mindestens einer von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Grundrechtecharta entspricht.

111    Diese Feststellung wird nicht durch das oben in Rn. 101 dargestellte Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt. Unabhängig von der darin aufgeworfenen Frage, ob das Ziel der Verringerung der Kosten und des Personals der Organe als solches eine von der Union anerkannte dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung darstellen kann, ist festzustellen, dass die Klägerin nicht nachweist, dass es das einzige Ziel ist, das mit Art. 42c des Statuts verfolgt wird. Es wurde insoweit mindestens ein weiteres vom Unionsgesetzgeber verfolgtes legitimes Ziel, das Ziel der Optimierung der Investitionen in die berufliche Bildung von Beamten, dargetan.

112    Da die durch Art. 42c des Statuts geschaffene Ungleichbehandlung wegen des Alters mindestens einer von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung entspricht, ist zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Grundrechtecharta wahrt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 2017, Fries, C‑190/16, EU:C:2017:513, Rn. 39).

2)      Verhältnismäßigkeit

113    Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der durch Art. 42c des Statuts geschaffenen Ungleichbehandlung wegen des Alters umfasst die Prüfung, ob diese Ungleichbehandlung geeignet ist, das verfolgte Ziel zu erreichen, und nicht über das hierfür Erforderliche hinausgeht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 2017, Fries, C‑190/16, EU:C:2017:513, Rn. 44).

114    In Entsprechung zu dem weiten Ermessen des nationalen Gesetzgebers bei der Festlegung der Maßnahmen zur Verwirklichung eines bestimmten Ziels im Bereich der Sozial- und Beschäftigungspolitik (Urteile vom 16. Oktober 2007, Palacios de la Villa, C‑411/05, EU:C:2007:604‚ Rn. 68, vom 5. März 2009, Age Concern England, C‑388/07, EU:C:2009:128‚ Rn. 51, und vom 9. September 2015, Unland, C‑20/13, EU:C:2015:561‚ Rn. 57), ist dem Unionsgesetzgeber bei der Festlegung der Maßnahmen, mit denen im Rahmen der Personalpolitik eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung verfolgt werden kann, ein weites Ermessen einzuräumen. In Anbetracht dieses weiten Ermessens bezieht sich die Überprüfung durch das Gericht im vorliegenden Fall auf die Frage, ob es nicht unvernünftig erscheint, dass der Unionsgesetzgeber die durch Art. 42c des Statuts geschaffene Ungleichbehandlung wegen des Alters für geeignet und erforderlich hält, um das angeführte legitime Ziel zu erreichen (vgl. entsprechend Urteile vom 16. Oktober 2007, Palacios de la Villa, C‑411/05, EU:C:2007:604, Rn. 72, vom 12. Januar 2010, Petersen, C‑341/08, EU:C:2010:4, Rn. 70, und vom 9. September 2015, Unland, C‑20/13, EU:C:2015:561, Rn. 65).

115    Zum ersten angeführten Ziel der Optimierung der Investitionen in die berufliche Bildung ist darauf hinzuweisen, dass Art. 42c des Statuts vor dem Hintergrund von Haushaltseinsparungen und Personalabbau bei den Organen erlassen wurde. Wie den Akten zu entnehmen ist, handelt es sich um einen schrittweisen Abbau des Personals um 5 % für den Zeitraum 2013–2017, der für alle Organe, Einrichtungen und Agenturen der Union gilt. Art. 42c des Statuts wurde auch in dem Bestreben erlassen, die Effizienz und Leistung der europäischen öffentlichen Verwaltung im Hinblick auf Kosteneffizienz zu steigern, wie insbesondere aus dem zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1023/2013 hervorgeht.

116    Der Rat hat ausgeführt, dass die Organe vor diesem Hintergrund und um sicherzustellen, dass das sich zahlenmäßig verringernde Personal wandelnde Aufgaben erfülle, gezwungen gewesen seien, ihre Arbeitsmethoden zu ändern und von den Beamten zu verlangen, sich anzupassen und regelmäßig neue Kompetenzen zu erwerben. Hinzu kämen noch die Möglichkeiten, die sich aus der Computerisierung und Digitalisierung von Verfahren ergäben, wodurch der Bedarf an weniger qualifizierten Arbeitsplätzen sinke. All dies verpflichte die Organe dazu, massiv in die Weiterbildung ihrer Beamten zu investieren.

117    Nach Ansicht des Rates erlaubt es Art. 42c des Statuts aus diesen Gründen den Organen, die Investitionen in die berufliche Bildung auf Beamte zu konzentrieren, die vor dem Eintritt in den Ruhestand noch eine angemessene Beschäftigungszeit haben, und den Beamten am Ende ihrer Laufbahn eine Form der Frühpensionierung anzubieten.

118    In der Tat kann nicht bestritten werden, dass durch die Beurlaubung von Beamten, die sich dem Ruhestandsalter nähern, vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, dass die Beamten neue Kompetenzen erwerben müssen und die Organe daher in die berufliche Bildung investieren müssen, sowie von Haushaltseinsparungen und Personalabbau die Mittel für ihre berufliche Bildung frei würden und für die berufliche Bildung jüngerer Beamte verwendet werden könnten, die noch eine längere berufliche Laufbahn in den Organen vor sich haben. Daraus folgt, dass diese Beurlaubung zur Optimierung der Investitionen in die berufliche Bildung beiträgt, da sie der Verbesserung des Verhältnisses zwischen den Kosten für diese Investitionen und dem Nutzen für die Organe dient. Es ist somit festzustellen, dass angesichts des weiten Ermessens, über das der Unionsgesetzgeber verfügt (siehe oben, Rn. 114), die durch Art. 42c des Statuts geschaffene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ein geeignetes Mittel ist, um das erste Ziel des Unionsgesetzgebers zu erreichen.

119    Für die Beurteilung, ob die fragliche Ungleichbehandlung über das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche hinausgeht, ist sie in dem Regelungskontext zu betrachten, in den sie sich einfügt, und sind sowohl die Nachteile, die sie für die betreffenden Beamten bewirken kann, als auch die Vorteile zu berücksichtigen, die sie insbesondere für die Organe bedeutet (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 5. Juli 2017, Fries, C‑190/16, EU:C:2017:513, Rn. 53).

120    Zu den Vorteilen für die Organe ist festzustellen, dass die Optimierung der Investitionen in die berufliche Bildung als eines der Ziele, die mit der Ungleichbehandlung wegen des Alters verfolgt werden, dazu beiträgt, dass die Organe vor dem Hintergrund von Haushaltseinsparungen und Personalabbau ihre Aufgaben letztlich weiterhin erfüllen können.

121    Darüber hinaus ist bei Betrachtung der fraglichen Ungleichbehandlung im Kontext von Art. 42c des Statuts und des Statuts allgemein anzumerken, dass die Versetzung in Urlaub im dienstlichen Interesse letztlich ein den Organen zur Verfügung stehendes Instrument der Personalverwaltung darstellt, da es sich um eine zusätzliche dienstrechtliche Stellung handelt, in die Beamte versetzt werden können und die zu den anderen dienstrechtlichen Stellungen hinzutritt, bei denen es sich gemäß Art. 35 des Statuts um den aktiven Dienst, die Abordnung, den Urlaub aus persönlichen Gründen, den einstweiligen Ruhestand, die Beurlaubung zum Wehrdienst, den Elternurlaub und den Urlaub aus familiären Gründen handelt.

122    Zudem gibt es im Statut keine Bestimmungen, die eine „Alternative“ zu der in Art. 42c des Statuts vorgesehenen Maßnahme darstellen. Soweit die Klägerin auf Art. 51 des Statuts verweist, in dem es um unzulängliche fachliche Leistungen geht, ist darauf hinzuweisen, dass er die Feststellung und Ahndung einer nicht zufriedenstellenden Erledigung von Aufgaben durch einen Beamten zum Gegenstand hat und unabhängig von Erwägungen des dienstlichen Interesses gilt, während die nach Art. 42c des Statuts erlassene Maßnahme im dienstlichen Interesse wirkt.

123    Als zusätzliches Instrument zur Verwaltung des Personals ist Art. 42c des Statuts schon allein dadurch für die Organe von Vorteil.

124    Hinsichtlich der Nachteile für die betreffenden Beamten ist auf die Ausführungen oben in den Rn. 90 bis 92 zu verweisen.

125    Zugleich werden diese Beamten, wie auch der Rat zu Recht ausführt, zu angemessenen finanziellen Bedingungen in Urlaub im dienstlichen Interesse versetzt. Insbesondere erhalten sie bis zum Ende der Beurlaubung eine monatliche Vergütung, deren oben in Rn. 92 dargestellte Berechnung vom Gericht nicht als unangemessen angesehen wird. Zudem können die betreffenden Beamten nach Art. 42c Abs. 8 des Statuts weiterhin Beiträge zum Versorgungssystem leisten und so ihr Ruhegehalt weiterhin erhöhen. Die in Art. 42c des Statuts vorgesehene Voraussetzung der zehnjährigen Dienstzugehörigkeit trägt ebenfalls zur Verhältnismäßigkeit der in dieser Bestimmung vorgesehenen Maßnahme bei, indem sie, wie das Parlament zu Recht ausführt, die Anwendung dieser Maßnahme letztlich auf Beamte beschränkt, deren Dienstbezüge und Ruhegehaltsansprüche so hoch sind, dass die finanziellen Nachteile der Beurlaubung abgemildert werden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 42c des Statuts vorgesehene Maßnahme erstens an eine Reihe von Bedingungen geknüpft ist, die in Abs. 1 festgelegt sind, zweitens, dass die Organe nicht verpflichtet sind, sie anzuwenden, und hinsichtlich ihrer Anwendung über ein weites Ermessen verfügen, und drittens, dass die Gesamtzahl der Beamten, die pro Jahr von ihr betroffen sein können, auf 5 % der Anzahl der Beamten aller Organe, die im Vorjahr in den Ruhestand getreten sind, begrenzt ist (siehe oben, Rn. 98).

126    In Anbetracht aller Erwägungen oben in den Rn. 120 bis 125 erscheint es nicht unvernünftig, dass der Unionsgesetzgeber es für erforderlich hält, die Versetzung in Urlaub im dienstlichen Interesse nur für die Beamten vorzusehen, die in die fragliche Altersgruppe fallen, und nicht für die nicht in diese Gruppe fallenden Beamten, um das legitime Ziel der Optimierung der Investitionen in die berufliche Bildung zu erreichen. Daher ist festzustellen, dass die durch Art. 42c des Statuts geschaffene Ungleichbehandlung wegen des Alters zum ersten angeführten legitimen Ziel nicht außer Verhältnis steht.

127    Da die Verhältnismäßigkeit der Ungleichbehandlung wegen des Alters für das erste angeführte legitime Ziel dargetan wurde, ist im Ergebnis festzuhalten, dass diese durch Art. 42c des Statuts geschaffene Ungleichbehandlung nicht gegen Art. 21 Abs. 1 der Grundrechtecharta verstößt, da sie die in Art. 52 Abs. 1 dieser Charta aufgestellten Kriterien erfüllt. Die gegen Art. 42c des Statuts erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit ist somit zurückzuweisen.

2.      Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 42c des Statuts und gegen die PM 71/15 sowie offensichtliche Beurteilungsfehler

128    Die Klägerin trägt vor, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen Art. 42c des Statuts und gegen die PM 71/15 und beruhe auf offensichtlichen Beurteilungsfehlern. Sie macht in diesem Zusammenhang u. a. geltend, der Rat habe das dienstliche Interesse, dem er damit habe dienen wollen, dass er Art. 42c des Statuts auf sie angewendet habe, nicht nachgewiesen und den tatsächlichen organisatorischen Bedarf, der den Erwerb neuer Kompetenzen erfordere, und die neuen Kompetenzen, die sie nicht erwerben könne, nicht benannt. Vielmehr habe er u. a. auf ihre angeblich negativen Beurteilungen und ihr Verhalten im Dienst abgestellt, und damit auf Gesichtspunkte, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 42c des Statuts fielen. Die Klägerin wendet sich auch gegen die Feststellung in der angefochtenen Entscheidung, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, sich an die sich wandelnden Arbeitsanforderungen anzupassen.

129    Der Rat tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beantragt, den vorliegenden Klagegrund zurückzuweisen.

a)      Zur Bestimmung des im vorliegenden Fall anwendbaren Rechtsrahmens

130    Art. 42c des Statuts sieht ausdrücklich vor, dass die Versetzung der betreffenden Beamten in Urlaub im dienstlichen Interesse erfolgt. Er sieht außerdem als Voraussetzung für seine Anwendung einen „organisatorischen Bedarf im Zusammenhang mit dem Erwerb neuer Kompetenzen innerhalb der Organe“ vor.

131    Der Generalsekretär des Rates hat mit der PM 71/15 darüber informiert, wie der Rat Art. 42c des Statuts durchführen wird (siehe oben, Rn. 8), wobei er insbesondere klargestellt hat, was in Bezug auf den Rat unter dem „organisatorischen Bedarf im Zusammenhang mit dem Erwerb neuer Kompetenzen innerhalb der Organe“ zu verstehen ist. Aus dieser Mitteilung und den in der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde enthaltenen Angaben (siehe u. a. Rn. 44 und 64 dieser Entscheidung) geht hervor, dass der Rat bei der Anwendung von Art. 42c des Statuts die folgenden beiden Gesichtspunkte berücksichtigt: zum einen den „organisatorischen Bedarf im Zusammenhang mit dem Erwerb neuer Kompetenzen“ innerhalb des Organs, indem er prüft, ob es einen solchen Bedarf gibt, der den Erwerb neuer Kompetenzen durch die betreffenden Beamten erfordert, und zum anderen die Fähigkeit dieser Beamten, solche Kompetenzen zu erwerben und sich an das sich wandelnde Arbeitsumfeld anzupassen.

132    In Rn. 44 der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde und in der Klagebeantwortung vor dem Gericht hat der Rat weiter ausgeführt, dass die Beurteilung des zweiten oben in Rn. 131 genannten Gesichtspunkts zwangsläufig ein prognostisches Element in dem Sinne enthalte, dass es darum gehe, anhand der Informationen, über die die Anstellungsbehörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung verfüge, zu beurteilen, ob vernünftigerweise davon auszugehen sei, dass es den betreffenden Beamten in Zukunft schwer fallen werde, sich an die Veränderungen des Arbeitsumfelds und die zukünftigen Arbeitsanforderungen anzupassen.

133    Aus dem Rechtsrahmen, der im vorliegenden Fall aus Art. 42c des Statuts besteht, wie dies in der – den Rat bindenden – PM 71/15 klargestellt wurde, ergibt sich, dass die Bewertung der beiden oben in Rn. 131 genannten Gesichtspunkte eine vorausschauende Bewertung ist, wie der Rat im Übrigen in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung einer Frage des Gerichts eingeräumt hat.

134    Die Klägerin stellt die Rechtmäßigkeit der Auslegung von Art. 42c des Statuts durch den Rat in Abrede. Sie trägt zum einen vor, der Rat habe diese Bestimmung durch die PM 71/15 verfälscht, indem er vorgesehen habe, dass die Versetzung in Urlaub im dienstlichen Interesse auf Beamte angewendet werde, „die Schwierigkeiten haben, neue Kompetenzen zu erwerben und sich an das sich wandelnde Arbeitsumfeld anzupassen“. Zum anderen macht sie geltend, dass die Argumentation des Rates in Rn. 76 der Klagebeantwortung, wonach es darum gehe, „die Fähigkeit eines Beamten zum Erwerb neuer Kompetenzen und zur Anpassung an das sich wandelnde Arbeitsumfeld zu bewerten“, aufgrund dieser rechtswidrigen Verfälschung auch deshalb zurückzuweisen sei, weil sie sich auf nicht vom Wortlaut von Art. 42c des Statuts gedeckte Annahmen stütze.

135    Aufgrund dieses Vorbringens der Klägerin ist es geboten, die Vereinbarkeit des Ansatzes des Rates, wie er in der PM 71/15 beschrieben und in der Entscheidung über die Ablehnung der Beschwerde und in seinen Schriftsätzen vor dem Gericht weiter ausgeführt wurde, mit der übergeordneten Norm des Art. 42c des Statuts zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2015, Barnett/EWSA, F‑20/14, EU:F:2015:107, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

136    In Art. 42c des Statuts wird insoweit ausdrücklich auf das „dienstliche Interesse“ Bezug genommen. Wie der Rat in seiner schriftlichen Antwort auf eine Frage des Gerichts klargestellt hat, handelt es sich bei dem in diesem Artikel ebenfalls genannten „organisatorischen Bedarf im Zusammenhang mit dem Erwerb neuer Kompetenzen“ um einen spezifischen Aspekt des dienstlichen Interesses.

137    Da der „organisatorische Bedarf“ mit dem „Erwerb neuer Kompetenzen“ im Zusammenhang steht und im Rahmen von Art. 42c des Statuts nur einen spezifischen Aspekt des dienstlichen Interesses darstellt, hindert der Wortlaut dieser Bestimmung den Rat nicht daran, bei der Beurteilung des „organisatorischen Bedarfs im Zusammenhang mit dem Erwerb neuer Kompetenzen“ zu berücksichtigen, ob die betreffenden Beamten in der Lage sind, „neue Kompetenzen zu erwerben und sich an das sich wandelnde Arbeitsumfeld anzupassen“, wie dies in der PM 71/15 formuliert ist.

138    Eine spezifische Eigenschaft der betreffenden Beamten zu berücksichtigen, verstößt auch nicht gegen Sinn und Zweck von Art. 42c des Statuts. Da festgestellt wurde, dass mit dieser Bestimmung die Investitionen der Organe in die berufliche Bildung im Hinblick auf Kosteneffizienz optimiert werden sollen, erscheint es nämlich mit diesem Ziel vereinbar, dass der Rat bei der Ermittlung der Kosten für Investitionen in die berufliche Bildung die Fähigkeit der betreffenden Beamten berücksichtigt, neue Kompetenzen zu erwerben und sich an das sich wandelnde Arbeitsumfeld anzupassen. Eine spezifische Eigenschaft der betreffenden Beamten zu berücksichtigen, erscheint auch dadurch gerechtfertigt, dass die Anwendung von Art. 42c des Statuts für sie nachteilige Folgen hat und gegen ihren Willen erfolgt (siehe oben, Rn. 90 bis 92). Die Berücksichtigung einer spezifischen Eigenschaft der betreffenden Beamten hat somit zur Folge, dass Art. 42c des Statuts auf sie weniger streng angewandt wird.

139    Demnach ist festzustellen, dass die vom Rat vorgenommene Bewertung der Fähigkeit der betreffenden Beamten, neue Kompetenzen zu erwerben und sich an das sich wandelnde Arbeitsumfeld anzupassen, mit Art. 42c des Statuts vereinbar ist.

140    Da zudem diese Bewertung der Verfolgung des dienstlichen Interesses dient, muss sie sich zwangsläufig auf die künftige Fähigkeit der betreffenden Beamten zum Erwerb neuer Kompetenzen und zur Anpassung an das sich wandelnde Arbeitsumfeld beziehen und somit ein prognostisches Element enthalten, wie der Rat zu Recht geltend macht. Andernfalls diente diese Bewertung nicht der Verfolgung des dienstlichen Interesses. Daher ist auch das prognostische Element in der Bewertung des zweiten oben in Rn. 131 genannten Gesichtspunkts mit Art. 42c des Statuts vereinbar.

141    Nach alledem ist das oben in Rn. 134 angeführte Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

142    Aus dem rechtlichen Rahmen, der aus Art. 42c des Statuts und der PM 71/15 besteht, geht hervor, dass der Rat im vorliegenden Fall im Hinblick auf den „organisatorischen Bedarf im Zusammenhang mit dem Erwerb neuer Kompetenzen“ zwei Gesichtspunkte zu bewerten hatte, nämlich erstens den künftigen organisatorischen Bedarf des Organs, der den Erwerb neuer Kompetenzen erfordern würde, und zweitens die Fähigkeit der Klägerin, die im ersten Schritt ermittelten neuen Kompetenzen zu erwerben, um letztlich die Kosteneffizienz der Investitionen in ihre berufliche Bildung im Einklang mit dem Ziel, das mit Art. 42c des Statuts verfolgt wird, zu bewerten.

b)      Bewertung des künftigen organisatorischen Bedarfs im vorliegenden Fall

143    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Rat in seinen Schriftsätzen vor dem Gericht unter Bezugnahme auf den neunten Erwägungsgrund Buchst. c der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, dass die Anstellungsbehörde im vorliegenden Fall nicht nur die Änderungen in der Dienststelle, der die Klägerin zugewiesen war, sondern auch den organisatorischen Bedarf des Organs, nämlich des GSR, als Ganzes berücksichtigt habe und dass dieser Ansatz nicht gegen Art. 42c des Statuts verstoße und keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler aufweise. Die Klägerin bestreitet, dass der Rat die Bewertung, die er nach seinem Vortrag durchgeführt hat, tatsächlich vorgenommen hat.

144    Daher ist zu prüfen, ob der Rat im vorliegenden Fall eine tatsächliche vorausschauende Bewertung des organisatorischen Bedarfs der Dienststelle, der die Klägerin zugewiesen war, und ebenfalls des Organs als Ganzes vorgenommen hat, wie er behauptet.

145    Da die Bewertung des organisatorischen Bedarfs mit der Bewertung des dienstlichen Interesses im Zusammenhang steht, ist dem Rat für diese Beurteilung ein weites Ermessen einzuräumen, dessen Anwendung das Gericht nur im Fall eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers, einer sachlichen Unrichtigkeit oder eines Ermessensmissbrauchs in Frage stellen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Dezember 2000, Dejaiffe/HABM, T‑223/99, EU:T:2000:292, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 16. Mai 2018, Barnett/EWSA, T‑23/17, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2018:271, Rn. 36 und 38).

146    Für die in der vorliegenden Rechtssache auszuübende gerichtliche Kontrolle, auch wenn sie begrenzt ist, ist es jedoch erforderlich, dass der Rat, der die angefochtene Entscheidung erlassen hat, in der Lage ist, vor dem Gericht zu belegen, dass er beim Erlass des Rechtsakts sein Ermessen tatsächlich ausgeübt hat, was voraussetzt, dass alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation berücksichtigt worden sind (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 7. September 2006, Spanien/Rat, C‑310/04, EU:C:2006:521, Rn. 122, und vom 11. Juli 2007, Wils/Parlament, F‑105/05, EU:F:2007:128, Rn. 75).

147    Der Rat muss demnach zumindest in der Lage sein, die grundlegenden Gegebenheiten, die bei der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu berücksichtigen waren und von denen die Ausübung seines Ermessens abhing, zu benennen und klar und eindeutig darzulegen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 7. September 2006, Spanien/Rat, C‑310/04, EU:C:2006:521, Rn. 123, und vom 11. Juli 2007, Wils/Parlament, F‑105/05, EU:F:2007:128, Rn. 76).

148    Da der Rat die Kosteneffizienz der Investitionen in die berufliche Bildung der Klägerin zu bewerten hatte, schlossen die grundlegenden Gegebenheiten unweigerlich solche hinsichtlich der Art und des Umfangs der künftigen Reformen ein.

149    Im vorliegenden Fall geht erstens aus den Akten hervor, dass die Klägerin in ihrem Schreiben vom 1. Dezember 2015 (siehe oben, Rn. 13) u. a. geltend gemacht hat, die Anstellungsbehörde habe nicht nachgewiesen, dass es einen „organisatorischen Bedarf im Zusammenhang mit dem Erwerb neuer Kompetenzen“ gegeben habe, der ihre Beurlaubung gegen ihren Willen gerechtfertigt habe, und die neuen Kompetenzen, die zu erwerben gewesen seien, nicht benannt.

150    Zweitens ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass sich nur der neunte Erwägungsgrund Buchst. a und c mit der Bewertung des künftigen organisatorischen Bedarfs befasst.

151    Im neunten Erwägungsgrund Buchst. a der angefochtenen Entscheidung hat die Anstellungsbehörde darauf hingewiesen, dass das Referat [vertraulich], dem die Klägerin zugewiesen gewesen sei, seine Arbeitsmethoden entsprechend den Reformen, die auch in den anderen Dienststellen der Direktion [vertraulich] durchgeführt worden seien, angepasst habe. Sie hat diese Reformen allgemein benannt, u. a. als Umsetzung „neuer flexibler Verfahren“ und „Tätigkeiten“, „Digitalisierung der Arbeitsabläufe“ und „Übernahme interinstitutioneller IT‑Lösungen“, und erklärt, dass die Durchführung dieser Reformen vom Personal ein angemessenes Fachwissen und ein gewisses Maß an Flexibilität verlange.

152    Das Gericht ist der Ansicht, dass der Inhalt des neunten Erwägungsgrundes Buchst. a der angefochtenen Entscheidung nicht belegt, dass die Anstellungsbehörde eine tatsächliche vorausschauende Bewertung des organisatorischen Bedarfs sowohl auf der Ebene des Referats [vertraulich] als auch auf der Ebene der Direktion [vertraulich] vorgenommen hat. Die darin enthaltenen Informationen belegen nämlich weder, dass die genannten Reformen in der Zukunft liegen, noch, dass die Art und der Umfang dieser Reformen berücksichtigt wurden. Mit anderen Worten belegen diese Informationen nicht, dass der Rat den künftigen organisatorischen Bedarf berücksichtigt hat, wie er es entsprechend seinem zukunftsorientierten Ansatz hätte tun müssen, und auch nicht, dass der Rat die Art und den Umfang dieser Reformen bewertet hat, um die Kosteneffizienz des Schulungsbedarfs der Klägerin beurteilen zu können.

153    Zum neunten Erwägungsgrund Buchst. c der angefochtenen Entscheidung ist festzustellen, dass sich der Rat auf den Hinweis beschränkt, dass sich die Dienststellen des GSR „fortlaufend an die Art und die Zunahme der Sitzungen, die [er] ausrichten muss, und an die sich ändernde Dynamik des Gesetzgebungsverfahrens anpassen“. Diese Äußerungen belegen jedoch nicht, dass der Rat eine vorausschauende Bewertung des organisatorischen Bedarfs des GSR als Ganzes vorgenommen hat, wie er behauptet (siehe oben, Rn. 143). Selbst wenn der Rat eine solche Bewertung vorgenommen hätte, ist nicht nachgewiesen, dass dabei die Art und der Umfang der zukünftigen Reformen berücksichtigt wurden. Die Ausführungen im neunten Erwägungsgrund Buchst. c der angefochtenen Entscheidung scheinen nämlich die Prüfung des Mobilitätspotenzials der Klägerin zu betreffen, wie sich aus dem ersten und dem letzten Satz dieses Erwägungsgrundes ergibt.

154    Die übrigen Bestimmungen im neunten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, in denen die Anwendung von Art. 42c des Statuts auf die Klägerin begründet wird, betreffen nicht die Bewertung des künftigen organisatorischen Bedarfs. Der neunte Erwägungsgrund Buchst. b der angefochtenen Entscheidung gibt Auskunft über die Laufbahn der Klägerin und enthält eine Bewertung ihrer Anpassungsfähigkeit auf der Grundlage der Gegebenheiten ihrer beruflichen Entwicklung bis zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung. Im neunten Erwägungsgrund Buchst. d und e der angefochtenen Entscheidung wird das Mobilitätspotenzial der Klägerin bewertet und, unter Buchst. e, der Schluss gezogen, dass es nicht vorhanden sei. Die Bewertung dieses Potenzials stellt jedoch keine Bewertung des künftigen organisatorischen Bedarfs dar, da sie die Frage betrifft, ob die Klägerin auf eine andere Dienststelle versetzt werden konnte, und nicht die Frage, ob ihre berufliche Bildung mit dem Ziel der Anpassung an die später stattfindenden Reformen unter dem Gesichtspunkt der Kosteneffizienz gerechtfertigt ist. Jedenfalls geht aus dem Vermerk der Personalabteilung vom 17. November 2015 (siehe oben, Rn. 11), auf dessen Grundlage das Mobilitätspotenzial der Klägerin bewertet wurde, hervor, dass dieses Potenzial auch durch die persönlichen Entscheidungen der Klägerin beeinflusst wurde, die laut diesem Vermerk einige freie Stellen abgelehnt hatte. Eine Bewertung des künftigen organisatorischen Bedarfs war in diesem Vermerk nicht enthalten.

155    Drittens hat die Klägerin in ihrer Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung u. a. erneut bestritten, dass es eine Reform gebe, deren Art es rechtfertige, Art. 42c des Statuts auf sie anzuwenden. Die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde geht auf diese Behauptung der Klägerin jedoch nicht ein und enthält generell keinen Nachweis dafür, dass der Rat eine tatsächliche vorausschauende Bewertung des organisatorischen Bedarfs vorgenommen hat. Er hat seine Analyse auf die Bewertung der Fähigkeit der Klägerin beschränkt, neue Kompetenzen zu erwerben und sich an das sich wandelnde Arbeitsumfeld anzupassen, und seine Schlussfolgerung, ihr fehle diese Fähigkeit, auf die in Nr. 33 der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde zusammengefasste Argumentation gestützt, dass „jemand, der Schwierigkeiten hat, seine normale Arbeit zu verrichten, nicht in der Lage ist, die Anstrengungen zu unternehmen, die eine Anpassung an sich wandelnde Gegebenheiten erfordert“.

156    Viertens beschränkt sich der Rat in seiner Klagebeantwortung vor dem Gericht als Entgegnung auf das Vorbringen der Klägerin, der tatsächliche organisatorische Bedarf, der den Erwerb neuer Kompetenzen erfordere, sei nicht dargelegt (siehe oben, Rn. 128), unter Bezugnahme auf den neunten Erwägungsgrund Buchst. c der angefochtenen Entscheidung auf die Aussage, dass „die Änderungen der Arbeitsmethoden innerhalb des GSR und der daraus resultierende erhöhte Bedarf an Anpassungsfähigkeit des Personals, auch der Beamten der Funktionsgruppe AST, … nicht rein hypothetisch [sind], sondern … eine Tatsache [darstellen], der die Anstellungsbehörde Rechnung tragen muss“. Diese bloße Behauptung des Rates belegt in keiner Weise, dass eine tatsächliche vorausschauende Bewertung des organisatorischen Bedarfs vorgenommen wurde, und fügt der im neunten Erwägungsgrund Buchst. c der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Information, die für einen solchen Beleg selbst unzureichend ist, keine wesentliche Information hinzu (siehe oben, Rn. 153). Auch die Argumentation des Rates in der Gegenerwiderung beschränkt sich auf eine Darstellung des neunten Erwägungsgrunds der angefochtenen Entscheidung.

157    Ferner liefert der Verweis des Rates vor dem Gericht auf den Vermerk des Leiters des Referats [vertraulich] vom 26. Oktober 2015 (siehe oben, Rn. 11), in dem es um eine Umstrukturierung der Dienststelle [vertraulich] geht, die 2014 nach der Ankunft eines neuen [vertraulich] erfolgt ist, keine sachdienlichen Informationen zu der Frage, ob eine tatsächliche vorausschauende Bewertung des organisatorischen Bedarfs dieser Dienststelle, des Referats [vertraulich] oder des GSR als Ganzes vorgenommen wurde. Wie nämlich im Übrigen aus dem oben angeführten Vermerk vom 26. Oktober 2015 hervorgeht und vom Rat in der Gegenerwiderung bestätigt wurde, diente der Verweis auf eine Umstrukturierung, die in der Vergangenheit stattgefunden hatte, nur dazu, die Aussage zu stützen, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, neue Kompetenzen zu erwerben und sich an das sich wandelnde Arbeitsumfeld anzupassen.

158    Fünftens ist im Hinblick auf das Vorbringen des Rates in Rn. 42 der Gegenerwiderung, das dahin verstanden werden könnte, dass er bei der Bewertung des künftigen organisatorischen Bedarfs im vorliegenden Fall den von ihm verlangten Personalabbau berücksichtigt hat, darauf hinzuweisen, dass der Rat im Anschluss an eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Im Übrigen ergibt sich weder aus dem Inhalt der angefochtenen Entscheidung noch aus dem Inhalt der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde, dass er die Verringerung des Personalbestands berücksichtigt hat.

159    Nach alledem ist festzustellen, dass der Rat nicht dargetan hat, dass er beim Erlass der angefochtenen Entscheidung sein Ermessen hinsichtlich des Bestehens eines künftigen organisatorischen Bedarfs, der den Erwerb neuer Kompetenzen durch die Klägerin erforderte, tatsächlich ausgeübt hat, da er nicht nachgewiesen hat, dass er eine vorausschauende Bewertung vorgenommen hat und dass er sowohl die Art und den Umfang der durchzuführenden Reformen als auch den organisatorischen Bedarf des Organs als Ganzes berücksichtigt hat, wie er behauptet. Aus den Akten geht vielmehr hervor, dass der Rat die angefochtene Entscheidung in Wirklichkeit ausschließlich auf die Bewertung der Fähigkeit der Klägerin, neue Kompetenzen zu erwerben, gestützt hat. Da in diese Bewertung jedoch keine tatsächliche vorausschauende Bewertung des organisatorischen Bedarfs eingeflossen ist, hat der Rat Art. 42c des Statuts fehlerhaft angewandt, der verlangt, dass das betreffende Organ objektive Gesichtspunkte für seinen „organisatorischen Bedarf“ berücksichtigt. Fehlt es daran, besteht nämlich die Gefahr, dass die Versetzung in Urlaub nach Art. 42c des Statuts für die von dieser Maßnahme betroffenen Beamten zu einer Disziplinarmaßnahme wird.

160    Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass der Rat die Grenzen des weiten Ermessens, über das er im vorliegenden Fall verfügte, überschritten hat und dass dem zweiten Klagegrund auf dieser Grundlage stattzugeben ist. Somit ist die angefochtene Entscheidung, mit der die Klägerin in Urlaub im dienstlichen Interesse versetzt wurde, aufzuheben, ohne dass die anderen Klagegründe der Klägerin zu prüfen wären.

C.      Zum Antrag auf Schadensersatz

161    Die Klägerin trägt vor, sie habe durch die angefochtene Entscheidung einen materiellen und einen immateriellen Schaden erlitten.

162    Der materielle Schaden bestehe im Wesentlichen in einem Einkommensverlust. Der Rat müsse alle Konsequenzen aus der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde ziehen.

163    Insbesondere müsse der Rat der Klägerin erstens für den Zeitraum von Januar bis März 2016 die Differenz zwischen ihrem Nettogehalt (Grundgehalt und Zulagen) und der gemäß Art. 42c des Statuts gezahlten Vergütung (wie sie in Anhang IV des Statuts festgesetzt sei) und zweitens ab dem 1. April 2016 die Differenz zwischen ihrem Nettogehalt (Grundgehalt und Zulagen) und ihrem Ruhegehalt zahlen. Bei diesen Berechnungen sei der Beeinträchtigung ihrer Laufbahnentwicklung Rechnung zu tragen, nicht nur im Hinblick auf das Erreichen neuer Dienstaltersstufen, sondern auch im Hinblick auf die Chance einer Beförderung vor dem Eintritt in den Ruhestand mit 65 Jahren. Schließlich müssten auf alle diese Beträge Verzugszinsen zum Zinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) zuzüglich 2 Prozentpunkte erhoben werden. Nach Ansicht der Klägerin beläuft sich der Schaden auf 121 101,72 Euro, worin u. a. noch keine Verzugszinsen und auch nicht das Erreichen zweier neuer Dienstaltersstufen zum 1. April 2018 und 1. April 2020 und keine Laufbahnentwicklung durch Beförderung berücksichtigt seien.

164    Hinsichtlich des materiellen Schadens verweist die Klägerin auch auf finanzielle Schwierigkeiten, die durch die beiden Entscheidungen entstanden seien. [vertraulich] Die Klägerin schätzt den sich aus diesen Gesichtspunkten ergebenden materiellen Schaden vorbehaltlich einer Ergänzung auf 30 000 Euro.

165    [vertraulich]

166    [vertraulich]

167    [vertraulich]

168    [vertraulich]

169    Die Klägerin ist der Auffassung, dass dem erlittenen immateriellen Schaden nicht allein durch das Aufhebungsurteil abgeholfen werden könne. Sie beziffert den Schaden nach billigem Ermessen auf 70 000 Euro.

170    Der Rat, der von der Kommission unterstützt wird, beantragt die Zurückweisung des Schadensersatzantrags und macht hilfsweise geltend, dass die von der Klägerin verlangten Schadensersatzbeträge überhöht erschienen und auf ein vertretbareres Maß zu verringern seien.

171    Nach ständiger Rechtsprechung hängt im Rahmen der Schadensersatzklage eines Beamten oder Bediensteten die Haftung der Union vom Vorliegen einer Reihe von Voraussetzungen ab, nämlich davon, dass das den Organen vorgeworfene Verhalten rechtswidrig war, dass tatsächlich ein Schaden eingetreten ist und dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden besteht (vgl. Urteil vom 12. Juli 2012, Kommission/Nanopoulos, T‑308/10 P, EU:T:2012:370, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung).

172    Die Klägerin hat im vorliegenden Fall geltend gemacht, ihr sei ein materieller und ein immaterieller Schaden entstanden.

1.      Zum materiellen Schaden

173    Der von der Klägerin geltend gemachte materielle Schaden besteht aus zwei Komponenten: dem Einkommensverlust durch ihre Versetzung in Urlaub im dienstlichen Interesse und den finanziellen Folgen, die sich daraus ergäben, dass sie ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen könne.

174    Hinsichtlich der ersten Komponente macht die Klägerin geltend, dass „der Beklagte … alle Konsequenzen aus der Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen ziehen [muss]“. Sie erläutert sodann diese Konsequenzen.

175    Demnach deckt sich der von der Klägerin begehrte Ersatz des materiellen Schadens mit den Verpflichtungen, die sich für den Rat nach Art. 266 AEUV aus der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ergeben.

176    Nach Art. 266 AEUV hat das Organ, dem ein von einem Unionsgericht für nichtig erklärtes Handeln zur Last fällt, die sich aus der Aufhebungsentscheidung ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, um die Folgen des von ihm begangenen Rechtsverstoßes wiedergutzumachen. Somit muss die Verwaltung den betreffenden Beamten grundsätzlich genau in die Lage versetzen, in der er sich heute ohne den festgestellten Rechtsverstoß befände. Hierzu kann die Verwaltung, um die Folgen dieses Rechtsverstoßes für die Vergangenheit zu berichtigen und unter der Voraussetzung, dass das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet wird, einen Rechtsakt mit Rückwirkung erlassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2011, AA/Kommission, F‑101/09, EU:F:2011:133, Rn. 41).

177    Da sich der von der Klägerin begehrte Ersatz der ersten Komponente des materiellen Schadens mit den Verpflichtungen des Rates deckt, die sich aus der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ergeben, ist der Antrag der Klägerin verfrüht und ihm daher nicht stattzugeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. November 2017, Teeäär gegen EZB, T‑555/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:817, Rn. 59).

178    Zur zweiten Komponente ist zum einen festzustellen, dass die Klägerin nicht nachweist, dass ihr finanzieller Schaden tatsächlich und sicher ist. [vertraulich] Mit diesen Ausführungen wird jedoch kein sicherer, sondern ein hypothetischer Schaden dargetan.

179    Zum anderen ist anzumerken, dass nach ständiger Rechtsprechung der Schaden nur dann ersatzfähig ist, wenn er sich mit hinreichender Unmittelbarkeit aus dem gerügten Verhalten ergibt (Urteile vom 4. Oktober 1979, Dumortier u. a./Rat, 64/76, 113/76, 167/78, 239/78, 27/79, 28/79 und 45/79, EU:C:1979:223, Rn. 21, vom 25. Juni 1997, Perillo/Kommission, T‑7/96, EU:T:1997:94, Rn. 41, und vom 27. Juni 2000, Meyer/Kommission, T‑72/99, EU:T:2000:170, Rn. 49). Die Beweislast für das Vorliegen des Kausalzusammenhangs trägt der Kläger (Urteile vom 18. September 1995, Blackspur u. a./Rat und Kommission, T‑168/94, EU:T:1995:170‚ Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 14. Oktober 2004, I/Gerichtshof, T‑256/02, EU:T:2004:306‚ Rn. 49). Im vorliegenden Fall weist die Klägerin jedoch nicht nach, dass ein hinreichend unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Einkommensrückgang aufgrund der angefochtenen Entscheidung und dem Umstand besteht, dass sie ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann. Dafür können mehrere Faktoren ursächlich sein, die nicht im Einflussbereich des Rates liegen, z. B. die Art und Weise, wie die Klägerin ihre Finanzen verwaltet, für die der Rat nicht haftbar gemacht werden kann.

180    Nach alledem ist der Antrag der Klägerin auf Ersatz des materiellen Schadens zurückzuweisen.

2.      Zum immateriellen Schaden

181    Der Unionsrichter hat entschieden, dass die Aufhebung einer rechtswidrigen Maßnahme als solche eine angemessene und grundsätzlich hinreichende Wiedergutmachung des gesamten immateriellen Schadens sein kann, den diese Maßnahme möglicherweise verursacht hat, sofern der Kläger nicht nachweist, dass er einen von der Rechtswidrigkeit, auf der die Aufhebung beruht, abtrennbaren immateriellen Schaden erlitten hat, der durch die Aufhebung nicht in vollem Umfang wiedergutgemacht werden kann (vgl. Urteil vom 31. März 2004, Girardot/Kommission, T‑10/02, EU:T:2004:94, Rn. 131 und die dort angeführte Rechtsprechung).

182    Im vorliegenden Fall stehen die oben in den Rn. 166 und 167 dargestellten Gesichtspunkte, die nach dem Vortrag der Klägerin einen immateriellen Schaden verursachen, mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung im Zusammenhang. Insoweit ist das Gericht der Ansicht, dass die Aufhebung dieser Entscheidung im vorliegenden Fall eine angemessene Wiedergutmachung des geltend gemachten immateriellen Schadens darstellt.

183    Der oben in Rn. 165 angeführte immaterielle Schaden weist keinen Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung auf [vertraulich].

184    Zum oben in Rn. 168 angeführten immateriellen Schaden ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin keinen hinreichend unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem sich aus der angefochtenen Entscheidung ergebenden Einkommensrückgang und [vertraulich] dartut.

185    Nach alledem ist auch der Antrag der Klägerin auf Ersatz des immateriellen Schadens zurückzuweisen. Daher ist ihr Antrag auf Schadensersatz insgesamt zurückzuweisen.

IV.    Kosten

186    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

187    Da der Rat unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

188    Das Parlament und die Kommission tragen nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung vom 8. Dezember 2015, mit der FV in Urlaub im dienstlichen Interesse versetzt wurde, wird aufgehoben.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Der Rat der Europäischen Union trägt seine eigenen Kosten und die FV entstandenen Kosten.

4.      Das Europäische Parlament und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

Prek

Buttigieg

Schalin

Berke

 

      Costeira

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Dezember 2018.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis




*      Verfahrenssprache: Französisch.


1      Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.