Language of document : ECLI:EU:C:2015:848

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

Juliane Kokott

vom 23. Dezember 2015(1)

Rechtssache C‑358/14

Republik Polen

gegen

Europäisches Parlament

und

Rat der Europäischen Union

„Nichtigkeitsklage – Rechtsangleichung – Richtlinie 2014/40/EU – Herstellung, Aufmachung und Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen – Mentholzigaretten – Wahl von Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Subsidiaritätsprinzip“





I –    Einleitung

1.        Durfte der Unionsgesetzgeber den Verkauf von Mentholzigaretten auf dem Europäischen Binnenmarkt ab dem 20. Mai 2020 verbieten? Diese durchaus emotional aufgeladene Frage(2) ist im Kern das Rechtsproblem, das die Republik Polen im vorliegenden Fall mit ihrer Nichtigkeitsklage gegen die Richtlinie 2014/40/EU(3) an den Gerichtshof heranträgt. Diese Klage reiht sich ein in eine Serie von Rechtsstreitigkeiten, die im Lauf der Jahre an den verschiedenen auf Unionsebene erlassenen Regelungen über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen auf dem Europäischen Binnenmarkt entbrannt sind(4).

2.        Anders als in früheren Verfahren wird im vorliegenden Fall die Eignung von Art. 114 AEUV (ehemals Art. 95 EG oder Art. 100a EWG-Vertrag) als Rechtsgrundlage für die neue Richtlinie nicht grundsätzlich infrage gestellt, sondern nur hinsichtlich einiger Detailaspekte thematisiert. Dementsprechend spielt die Gesetzgebungskompetenz hier keine so zentrale Rolle mehr wie früher. Im Mittelpunkt des Interesses steht nun vielmehr die Frage, ob ein unionsweites Verbot von Mentholzigaretten mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist. Daneben geht es um die Anforderungen, die für eine Regelung wie die hier streitige aus dem Subsidiaritätsprinzip folgen.

3.        Hinter diesen Rechtsfragen, die allem Anschein nach speziell in Polen mit erheblichen wirtschaftlichen Interessen befrachtet sind und sich überdies auf das Leben von Millionen von Unionsbürgern tagtäglich auswirken, verbirgt sich letztlich eine sehr grundlegende Problematik: Welcher Spielraum verbleibt dem Unionsgesetzgeber, um sicherzustellen, dass Produkte unter einheitlichen Bedingungen unionsweit in den Verkehr gebracht werden können, ohne dass dabei das fundamentale Ziel eines hohen Gesundheitsschutzniveaus außer Acht gerät, welches im Primärrecht an prominenter Stelle verankert ist (Art. 9 AEUV, 114 Abs. 3 AEUV, 168 Abs. 1 AEUV und 35 Satz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union)?

4.        Neben der vorliegenden Nichtigkeitsklage Polens sind derzeit auch zwei Vorabentscheidungsverfahren anhängig, mit denen ein britisches Gericht den Gerichtshof zur Gültigkeit der Richtlinie 2014/40 befragt. Eines dieser Verfahren(5) ist ausschließlich der neuen Regelung über elektronische Zigaretten in Art. 20 der Richtlinie gewidmet; es wirft Rechtsfragen rund um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das Subsidiaritätsprinzip und die Unionsgrundrechte auf. Das andere(6) betrifft eine Vielzahl von Einzelbestimmungen der Richtlinie und thematisiert dabei insbesondere die Wahl von Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage, das Subsidiaritätsprinzip, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, Fragen zu den Unionsgrundrechten sowie Probleme im Zusammenhang mit den Art. 290 AEUV und 291 AEUV bezüglich der Delegierung von Rechtsetzungs- und Durchführungsbefugnissen an die Kommission. In beiden Fällen stelle ich ebenfalls heute meine Schlussanträge.

II – Die streitigen Bestimmungen der Richtlinie 2014/40

5.        Der Ausdruck „charakteristisches Aroma“ bezeichnet gemäß der Begriffsbestimmung, die in Art. 2 Nr. 25 der Richtlinie niedergelegt ist,

„einen von Tabakgeruch bzw. ‑geschmack unterscheidbaren Geruch oder Geschmack, der durch einen Zusatzstoff oder eine Kombination von Zusatzstoffen erzeugt wird – unter anderem Früchte, Gewürze, Kräuter, Alkohol, Süßigkeiten, Menthol oder Vanille – und der vor oder beim Konsum des Tabakerzeugnisses bemerkbar ist“.

6.        In Art. 6 der Richtlinie ist unter der Überschrift „Prioritätenliste der Zusatzstoffe und erweiterte Meldepflichten“ vorgesehen, dass für bestimmte Zusatzstoffe in Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen, die in einer von der Kommission festgelegten und aktualisierten Prioritätenliste aufgenommen sind, verschärfte Meldepflichten gelten. In diesem Zusammenhang ist in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie Folgendes bestimmt:

„(2)      Die Mitgliedstaaten verpflichten Hersteller und Importeure von Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen, die einen Zusatzstoff enthalten, der in der Prioritätenliste … genannt ist, umfassende Studien durchzuführen, bei denen geprüft wird, ob der Zusatzstoff

b)      ein charakteristisches Aroma erzeugt;

…“

7.        Art. 7 der Richtlinie enthält Vorschriften über die „Regelung der Inhaltsstoffe“ und lautet auszugsweise wie folgt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten verbieten das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen mit einem charakteristischen Aroma.

Die Mitgliedstaaten dürfen die Verwendung von Zusatzstoffen nicht verbieten, die für die Herstellung von Tabakerzeugnissen wesentlich sind, …

(2)      Mittels Durchführungsrechtsakten bestimmt die Kommission auf Antrag eines Mitgliedstaats oder aus eigener Initiative, ob ein Tabakerzeugnis in den Geltungsbereich von Absatz 1 fällt. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 25 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

(3)      Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Regeln für die Verfahren fest, mit denen bestimmt wird, ob ein Tabakerzeugnis in den Geltungsbereich von Absatz 1 fällt. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 25 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

(4)      Es wird ein unabhängiges Beratergremium auf Unionsebene eingerichtet. Die Mitgliedstaaten und die Kommission können dieses Gremium konsultieren, bevor sie Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels fassen. Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten Bestimmungen für die Einrichtung und die Arbeitsweise dieses Gremiums fest.

Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 25 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

(5)      Hat die Inhaltsmenge oder Konzentration bestimmter Zusatzstoffe oder deren Kombination in mindestens drei Mitgliedstaaten zu Verboten nach Absatz 1 dieses Artikels geführt, so ist die Kommission befugt, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 27 zu erlassen, um Höchstwerte für die Mengen dieser Zusatzstoffe oder dieser Zusatzstoffkombination, die das charakteristische Aroma erzeugen, festzusetzen.

(7)      Die Mitgliedstaaten verbieten das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen, die in irgendwelchen ihrer Bestandteile Aromastoffe enthalten, etwa in Filtern, Papieren, Packungen, Kapseln, oder die sonstige technische Merkmale enthalten, mit denen sich der Geruch oder Geschmack der betreffenden Tabakprodukte oder deren Rauchintensität verändern lassen. …

(12)      Tabakerzeugnisse mit Ausnahme von Zigaretten und von Tabak zum Selbstdrehen sind von den Verboten in den Absätzen 1 und 7 ausgenommen. Die Kommission erlässt gemäß Artikel 27 delegierte Rechtsakte zur Rücknahme dieser Ausnahme für eine bestimmte Erzeugniskategorie, falls es eine wesentliche Änderung der Umstände gibt, die in einem Kommissionsbericht festgestellt wird.

(13)      Die Mitgliedstaaten und die Kommission können bei den Herstellern und Importeuren von Tabakerzeugnissen angemessene Gebühren für die Feststellung erheben, ob ein Tabakerzeugnis ein charakteristisches Aroma hat, ob verbotene Zusatzstoffe oder Aromastoffe verwendet werden …

(14)      Im Fall von Tabakerzeugnissen mit einem charakteristischen Aroma, deren unionsweite Verkaufsmengen 3 % oder mehr einer bestimmten Erzeugniskategorie darstellen, gilt dieser Artikel ab 20. Mai 2020.

…“

8.        Zum „Erscheinungsbild der Erzeugnisse“ enthält Art. 13 der Richtlinie u. a. diese Bestimmung:

„(1) Die Kennzeichnung der Packung und der Außenverpackung sowie das Tabakerzeugnis selbst dürfen weder Elemente noch Merkmale aufweisen, die

c)      sich auf den Geschmack, Geruch, eventuelle Aromastoffe oder sonstige Zusatzstoffe oder auf deren Fehlen beziehen;

…“

III – Verfahren und Anträge der Parteien

9.        Mit Schriftsatz vom 22. Juli 2014 hat Polen, gestützt auf Art. 263 AEUV, die vorliegende Nichtigkeitsklage gegen das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union erhoben.

10.      Als Streithelfer wurden auf Seiten der Klägerin Rumänien und auf Seiten der Beklagten Irland, die Französische Republik, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie die Europäische Kommission zugelassen.

11.      Polen beantragt,

–        Art. 2 Nr. 25, Art. 6 Abs. 2 Buchst. b, Art. 7 Abs. 1 bis 5, Abs. 7 Satz 1 und Abs. 12 bis 14 sowie Art. 13 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2014/40 für nichtig zu erklären;

–        dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

12.      Rumänien ersucht den Gerichtshof, Art. 7 Abs. 1 bis 5, Abs. 7 Satz 1 und Abs. 12 bis 14 der Richtlinie 2014/40 für nichtig zu erklären.

13.      Das Parlament und der Rat beantragen ihrerseits jeweils,

–        die Klage abzuweisen und

–        Polen zur Kostentragung zu verurteilen.

14.      Die Kommission ersucht den Gerichtshof,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen und

–        die Klägerin zur Kostentragung zu verurteilen.

15.      Irland, Frankreich und das Vereinigte Königreich beantragen für ihren Teil jeweils, die Klage abzuweisen. Irland beantragt außerdem, Polen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

16.      Für den Fall, dass der Gerichtshof der Klage Polens stattgeben sollte, beantragen das Parlament, der Rat und Frankreich überdies hilfsweise, die Wirkungen der etwa für nichtig erklärten Bestimmungen der Richtlinie 2014/40 so lange aufrechtzuerhalten, bis innerhalb angemessener Frist eine neue Richtlinie in Kraft tritt.

17.      Vor dem Gerichtshof wurde über die Klage Polens schriftlich und, am 30. September 2015, mündlich verhandelt.

IV – Würdigung

A –    Zulässigkeit der Klage

18.      Bevor ich inhaltlich auf die von Polen erhobenen Rügen eingehe, ist eine kurze Erörterung der Zulässigkeit dieser Nichtigkeitsklage veranlasst. Erstens fragt sich, ob die Bestimmungen über charakteristische Aromen isoliert angegriffen werden können. Zweitens ist zu prüfen, ob das klägerische Vorbringen zu einzelnen der streitgegenständlichen Richtlinienbestimmungen hinreichend substantiiert ist. Und drittens ist auf die Kritik des Rates einzugehen, die Ausführungen Polens zum Grundsatz der Gleichbehandlung im Rahmen der zweiten Schriftsatzrunde – genauer: im Erwiderungsschriftsatz Polens – stellten einen unzulässigen, weil verspäteten, neuen Klagegrund dar.

1.      Zur Beschränkung der Nichtigkeitsklage auf einzelne Artikel der Richtlinie

19.      Polen beantragt – mit Unterstützung von Rumänien – nicht die Nichtigerklärung der Richtlinie 2014/40 in ihrer Gesamtheit, sondern greift lediglich einzelne Vorschriften dieser Richtlinie an, namentlich all jene, die charakteristische Aromen oder schlicht Aromen zum Gegenstand haben.

20.      Nach ständiger Rechtsprechung ist die teilweise Nichtigerklärung eines Unionsrechtsakts nur möglich, soweit sich die Teile, deren Nichtigerklärung beantragt wird, vom Rest des Rechtsakts trennen lassen (sogenanntes Erfordernis der Abtrennbarkeit)(7). An der Abtrennbarkeit fehlt es, wenn die teilweise Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts zur Folge hätte, dass sein Wesensgehalt sich verändert(8).

21.      Die hier angegriffenen Vorschriften der Richtlinie 2014/40 enthalten spezifische Bestimmungen über Tabakerzeugnisse mit charakteristischen Aromen, die unabhängig neben den sonstigen Vorschriften der Richtlinie bestehen. Vor unserem Gerichtshof sind keinerlei Anhaltspunkte dafür bekannt geworden, dass die in der Richtlinie enthaltenen Bestimmungen über solche Aromen und die sonstigen Bestimmungen der Richtlinie miteinander stehen und fallen sollten. Selbst wenn der Gerichtshof im vorliegenden Verfahren einzelne Bestimmungen mit Bezug auf Aromen für ungültig erklären sollte, hätten die übrigen in der Richtlinie enthaltenen Regelungen weiterhin ihre Daseinsberechtigung und würden sich in ihrer Tragweite nicht verändern.

22.      Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Bestimmungen über charakteristische Aromen einen abtrennbaren Teil der Richtlinie 2014/40 darstellen und ihre etwaige Nichtigerklärung nicht den Wesensgehalt dieser Richtlinie verändern würde.

23.      Aus denselben Gründen spräche – entgegen der Einlassung Polens in der mündlichen Verhandlung – rein theoretisch nichts dagegen, die Bestimmungen der Richtlinie 2014/40 über charakteristische Aromen ihrerseits nur teilweise für nichtig zu erklären, und zwar insoweit, als sich aus diesen Bestimmungen ein Verbot von Mentholzigaretten ergibt.

2.      Zur Frage der hinreichenden Substantiierung des klägerischen Vorbringens

24.      Auffällig ist, dass Polen zwar die Nichtigerklärung einer ganzen Reihe von Einzelbestimmungen der Richtlinie beantragt, jedoch zu einigen, namentlich zu Art. 6 Abs. 2 Buchst. b, zu Art. 7 Abs. 12 und 14 sowie zu Art. 13 Abs. 1 Buchst. c, keine näheren Ausführungen macht.

25.      Es ist daran zu erinnern, dass das Vorbringen des Klägers in seiner Klageschrift hinreichend substantiiert sein muss. Nach Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und der dazu ergangenen Rechtsprechung muss die Klageschrift den Streitgegenstand, die vorgebrachten Klagegründe und Argumente sowie eine kurze Darstellung dieser Klagegründe enthalten. Diese Angaben müssen so klar und deutlich sein, dass sie dem Beklagten die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gerichtshof die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglichen. Folglich müssen sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die eine Klage gestützt wird, zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben, und die Anträge in der Klageschrift müssen eindeutig formuliert sein, damit der Gerichtshof nicht ultra petita entscheidet oder eine Rüge übergeht(9).

26.      Im vorliegenden Fall enthält die Klageschrift keinerlei Erläuterungen, warum Polen speziell die Nichtigerklärung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. b, von Art. 7 Abs. 12 und 14 sowie von Art. 13 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie begehrt. Auch der Gesamtzusammenhang der von Polen erhobenen Nichtigkeitsklage gibt hierzu keinen Aufschluss.

27.      Im Gegenteil: Das Klagebegehren Polens richtet sich ausweislich der in der Klageschrift vorgebrachten Gründe und der mündlichen Erläuterungen Polens vor dem Gerichtshof allein gegen das unionsrechtliche Verbot von Mentholzigaretten. In den genannten Richtlinienbestimmungen ist jenes Verbot jedoch als solches gar nicht enthalten.

28.      Sicherlich lässt sich argumentieren, dass sich eine etwaige Aufhebung des Verbots von Mentholzigaretten durch den Gerichtshof notwendigerweise auch auf solche Richtlinienbestimmungen erstrecken muss, die mit jenem Verbot untrennbar verbunden sind. Von den genannten Vorschriften trifft dies jedoch allenfalls auf Art. 13 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie zu, der die Erwähnung von Geschmack, Geruch und Aromastoffen auf Zigarettenpackungen verbietet: Sollten Mentholzigaretten – wie von Polen und Rumänien gewünscht – auch in Zukunft verkauft werden dürfen, so müsste es erlaubt sein, auf der Verpackung dieser Zigaretten Menthol als Inhaltsstoff zu nennen. Wie sonst sollte der Verbraucher seine Wahl zwischen Mentholzigaretten und nicht aromatisierten Zigaretten treffen?

29.      Die anderen genannten Richtlinienbestimmungen weisen jedoch keine derart enge Verbindung mit dem Verbot von Mentholzigaretten auf, als dass sie mit diesem Verbot stehen und fallen müssten. So sollen nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie die Hersteller und Importeure von Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen zur Durchführung bestimmter Studien verpflichtet werden; mit einem Verbot von Mentholzigaretten hat dies nicht unmittelbar etwas zu tun. Gleiches gilt für Art. 7 Abs. 12 der Richtlinie, der Ausnahmen vom Verbot des Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen mit einem charakteristischen Aroma normiert. Was schließlich Art. 7 Abs. 14 der Richtlinie anbelangt, so enthält er ebenfalls kein Verbot von Mentholzigaretten, sondern schiebt lediglich den Beginn bestimmter Verbote einschließlich des Mentholverbots bis zum 20. Mai 2020 auf.

30.      Folglich ist die Klage Polens wegen mangelnder Substantiierung insoweit unzulässig, als sie sich gegen Art. 6 Abs. 2 Buchst. b sowie gegen Art. 7 Abs. 12 und 14 der Richtlinie richtet.

3.      Zum behaupteten Vorliegen eines neuen, verspäteten Klagegrundes in Bezug auf den Grundsatz der Gleichbehandlung

31.      Der Rat rügt, gestützt auf Art. 127 Abs. 1 der Verfahrensordnung, Polen habe in der zweiten Schriftsatzrunde – genauer gesagt im Erwiderungsschriftsatz – einen neuen, verspäteten Klagegrund vorgebracht, mit dem es einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung geltend mache, der darauf beruhen soll, dass die Richtlinie Mentholzigaretten trotz objektiv bestehender Unterschiede genauso behandle wie andere aromatisierte Tabakerzeugnisse.

32.      Diese Rüge des Rates beruht erkennbar auf einer unzutreffenden Lesart des klägerischen Vorbringens im schriftlichen Verfahren. Zwar betont Polen in der Tat an verschiedenen Stellen seiner schriftlichen Ausführungen die vermeintlichen Unterschiede zwischen Mentholzigaretten und anderen aromatisierten Tabakerzeugnissen. Bei diesem Vorbringen handelt es sich jedoch – wie auch die mündliche Verhandlung eindeutig ergab – nicht um einen gesonderten Klagegrund, sondern vielmehr um Argumente, die zur Stützung der drei eigentlichen, von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe ins Feld geführt werden. Schon im Klageschriftsatz wurden derartige Argumente erstmals angeführt. Wie sich darüber hinaus klar aus dem Erwiderungsschriftsatz ergibt, antwortet Polen in der zweiten Schriftsatzrunde mit der ausführlicheren Version dieser Argumentation lediglich auf ein spezifisches Vorbringen des Parlaments und des Rates und bemüht sich, den mit der Klage definierten Streitgegenstand näher zu erläutern. Ein derartiges Vorgehen ist ohne Weiteres zulässig.

33.      Somit ist diese Rüge des Rates zurückzuweisen.

4.      Zwischenergebnis

34.      Die Klage Polens ist mangels Substantiierung unzulässig, soweit sie Art. 6 Abs. 2 Buchst. b sowie Art. 7 Abs. 12 und 14 der Richtlinie angreift. Im Übrigen ist die Klage zulässig.

B –    Begründetheit der Klage

35.      Die Nichtigkeitsklage der Republik Polen richtet sich gegen eine Reihe von Einzelbestimmungen der Richtlinie 2014/40, die allesamt mit der Verwendung von charakteristischen Aromen in Tabakerzeugnissen zu tun haben. Ziel dieser Klage Polens ist es, das Verbot des Inverkehrbringens von Mentholzigaretten auf dem Europäischen Binnenmarkt zu Fall zu bringen, das gemäß Art. 7 Abs. 14 der Richtlinie ab dem 20. Mai 2020 gelten soll(10).

36.      Zu diesem Zweck werden drei Klagegründe geltend gemacht: Erstens meint Polen, das Verbot von Mentholzigaretten hätte nicht auf Art. 114 AEUV gestützt werden dürfen. Zweitens rügt Polen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Und drittens hält Polen das Subsidiaritätsprinzip für verletzt.

1.      Zur Wahl von Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage (erster Klagegrund)

37.      Mit seinem ersten Klagegrund macht Polen geltend, Art. 114 AEUV komme nicht als Rechtsgrundlage für ein unionsweites Verbot von Mentholzigaretten in Betracht.

38.      Dazu ist anzumerken, dass ein auf diese Vorschrift gestützter Rechtsakt zum einen Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten umfassen und zum anderen die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben muss(11). Außerdem müssen solche Binnenmarkt-Harmonisierungsmaßnahmen nach Art. 114 AEUV tatsächlich das Ziel verfolgen, die Bedingungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern(12).

39.      Zu diesem Zweck gestattet Art. 114 AEUV dem Unionsgesetzgeber nach gefestigter Rechtsprechung, das Inverkehrbringen eines bestimmten Erzeugnisses auf dem gesamten Europäischen Binnenmarkt zu verbieten, sofern dies dem Abbau von Handelshemmnissen für eine Gruppe von Erzeugnissen dient oder auch nur der Entstehung solcher Handelshemmnisse vorbeugen soll(13).

40.      Am Beispiel der hier in Rede stehenden Tabakerzeugnisse lässt sich dies so veranschaulichen: Das unionsrechtliche Verbot bestimmter Darreichungsformen von Tabak dient der Schaffung einheitlicher Handelsbedingungen für alle Tabakerzeugnisse in der gesamten Europäischen Union. Damit ist das unionsweite Verbot von Tabakerzeugnissen, die mit einem charakteristischen Aroma versetzt sind, gewissermaßen der Preis für die freie Zirkulationsfähigkeit „normaler“ Tabakerzeugnisse, die den Bedingungen der Richtlinie entsprechen, auf dem Europäischen Binnenmarkt unter gleichzeitiger Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus(14). Anders ausgedrückt, dürfen fortan Tabakerzeugnisse in der Europäischen Union zwar grundsätzlich in den Verkehr gebracht werden, aber nur ohne charakteristische Aromen.

41.      Dementsprechend scheint Polen im vorliegenden Fall auch gar nicht in Zweifel zu ziehen, dass Art. 114 AEUV grundsätzlich eine geeignete Rechtsgrundlage für Binnenmarkt-Harmonisierungsmaßnahmen in Bezug auf Tabakerzeugnisse sein kann, bis hin zum Verbot der Vermarktung einiger Erzeugnisse aus einer größeren Gruppe von Tabakerzeugnissen.

42.      Speziell im Hinblick auf Mentholzigaretten bestand aber nach Ansicht Polens zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie weder eine Divergenz zwischen den nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften (erster Teil des ersten Klagegrundes, siehe dazu sogleich in Abschnitt a), noch war eine unterschiedliche Entwicklung jener Vorschriften zu erwarten (zweiter Teil des ersten Klagegrundes, siehe dazu unten in Abschnitt b). Daraus schließt Polen, dass das streitgegenständliche Verbot von Mentholzigaretten nicht auf Art. 114 AEUV gestützt werden durfte(15).

a)      Zum Abbau bestehender Handelshemmnisse (erster Teil des ersten Klagegrundes)

43.      Der erste Teil des ersten Klagegrundes ist im Kern auf den Vorwurf gestützt, die streitgegenständlichen Rechtsvorschriften in der Richtlinie seien nicht geeignet, bestehende Handelshemmnisse abzubauen, sondern würden im Gegenteil zum Aufbau neuer Handelshemmnisse führen.

i)      Zur Divergenz der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften

44.      Nach gefestigter Rechtsprechung kann der Unionsgesetzgeber Art. 114 AEUV u. a. im Fall von Unterschieden zwischen den nationalen Regelungen heranziehen, wenn diese Unterschiede geeignet sind, die Grundfreiheiten zu beeinträchtigen, und sich damit unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarkts auswirken(16) oder zu spürbaren Wettbewerbsverzerrungen führen können(17).

45.      Polen macht mit Unterstützung Rumäniens geltend, zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie hätten gar keine Divergenzen zwischen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Mentholzigaretten bestanden.

46.      Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Denn es basiert erkennbar auf der irrigen Annahme, dass der Unionsgesetzgeber nur dann nach Art. 114 AEUV zum Erlass von Regelungen über die Verwendung von Menthol als charakteristischem Aroma in Tabakerzeugnissen befugt gewesen wäre, wenn speziell in Bezug auf Mentholzigaretten Unterschiede zwischen den mitgliedstaatlichen Regelungen bestanden hätten.

47.      Eine derartige „Salamitaktik“, die jedes in einer Binnenmarkt-Harmonisierungsmaßnahme mitgeregelte Marktsegment und womöglich sogar einzelne Produktbestandteile gesondert in den Blick nimmt, ist abzulehnen. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Richtlinie insgesamt auf Art. 114 AEUV gestützt werden kann.

–       Es gab keinen Anlass für eine isolierte Betrachtung von Mentholzigaretten

48.      Eine isolierte Betrachtung von Mentholzigaretten, wie sie Polen und Rumänien vorschwebt, wäre allenfalls dann denkbar, wenn Mentholzigaretten im Vergleich zu anderen aromatisierten Tabakerzeugnissen eine Sonderstellung zukäme.

49.      Zugegebenermaßen hat Polen im Verfahren vor dem Gerichtshof versucht, genau eine solche Sonderstellung für Mentholzigaretten in Anspruch zu nehmen. Überzeugend ist eine solche Argumentation indes nicht. Vielmehr bestehen zwischen Mentholzigaretten einerseits und sonstigen aromatisierten Zigaretten andererseits hinreichend Gemeinsamkeiten, um dem Unionsgesetzgeber eine einheitliche Herangehensweise in der Richtlinie zu gestatten.

50.      Dies folgt aus einem Vergleich der beiden Zigarettensorten unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände. Dabei ist sowohl zu berücksichtigen, dass die beiden Erzeugnisse sich in ihren objektiven Eigenschaften ähneln(18), als auch, dass sie sich mit Blick auf die Ziele der in Rede stehenden Regelungen in einer vergleichbaren Lage befinden(19).

51.      Betrachtet man zunächst die körperliche Beschaffenheit der verschiedenen Zigarettenarten, so lassen sich zwischen Mentholzigaretten und sonstigen aromatisierten Zigaretten keine nennenswerten Unterschiede feststellen. Die Art, sie zu konsumieren, ist ebenfalls die gleiche: In allen Fällen wird Tabak verbrannt und der Rauch gepafft oder inhaliert(20).

52.      Nennenswerte Unterschiede ergeben sich auch dann nicht, wenn man Mentholzigaretten und andere aromatisierte Zigaretten im Hinblick auf das übergreifende Ziel der Richtlinie 2014/40 vergleicht, welches darin besteht, die Zirkulationsfähigkeit von Tabakerzeugnissen auf dem Europäischen Binnenmarkt zu gewährleisten und dabei ein hohes Gesundheitsschutzniveau sicherzustellen(21). Denn alle charakteristischen Aromen – gleichviel, ob es sich um Menthol oder um andere Aromen handelt – können grundsätzlich dazu führen, den in der Regel recht herben, ja sogar beißenden Geschmack von Tabakrauch abzumildern oder zu übertünchen. Dadurch entsteht die ernsthafte Gefahr, dass aromatisierte Zigaretten Nichtrauchern den Einstieg in den Tabakkonsum erleichtern(22) sowie gewohnheitsmäßigen Rauchern – jedenfalls einigen unter ihnen – den Ausstieg aus der Nikotinabhängigkeit erschweren(23).

53.      Ohne Erfolg wendet Polen in diesem Zusammenhang ein, Mentholzigaretten seien ein „traditionelles“ Produkt, das eine langjährige Präsenz auf dem Markt vorweisen könne und für Jugendliche sowie junge Erwachsene weniger attraktiv sei als andere aromatisierte Zigaretten(24).

54.      Denn zum einen besteht kein sachlicher Grund, für vermeintlich „traditionelle“ und auf dem Markt etablierte Produkte geringere Maßstäbe in Bezug auf den Gesundheitsschutz walten zu lassen als bei neuartigen Produkten. Zwar kann es gegebenenfalls gerechtfertigt sein, bestimmte Produkte speziell wegen ihrer Neuartigkeit strenger zu behandeln als andere oder für sie eine Sonderregelung vorzusehen(25). Daraus darf aber nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass für die auf dem Markt bereits etablierten Produkte im Normalfall laxere Vorschriften gelten müssten als für neuartige.

55.      Zum anderen blendet die Argumentation Polens völlig aus, dass sich das mit der Richtlinie verfolgte Ziel eines hohen Gesundheitsschutzniveaus im Europäischen Binnenmarkt keineswegs im Schutz von Jugendlichen und jungen Erwachsenen erschöpft, mag auch der Schwerpunkt der Richtlinie auf dieser Personengruppe liegen(26). Wie soeben erwähnt(27), zielt die Richtlinie nämlich auch ganz allgemein auf einen hohen Schutz der menschlichen Gesundheit ab (vgl. z. B. Art. 1 der Richtlinie), was durchaus einschließt, den Ausstieg von gewohnheitsmäßigen Rauchern aus der Nikotinabhängigkeit zu fördern.

56.      Vor diesem Hintergrund ist es somit nicht entscheidend, ob sich das streitige Verbot von Mentholzigaretten speziell auf die Gesundheit von jungen Menschen positiv auswirkt. Denn selbst wenn dies nicht in nennenswertem Umfang der Fall sein sollte, könnte das Verbot von Mentholzigaretten bei anderen Gruppen von Verbrauchern Wirkungen entfalten(28) und auf diese Weise insgesamt zu einer Verbesserung des Gesundheitsschutzniveaus im Europäischen Binnenmarkt beitragen. Dies allein rechtfertigt bereits den Erlass eines einheitlichen Verbots des Inverkehrbringens von Mentholzigaretten und anderen aromatisierten Zigaretten in der Richtlinie.

57.      Insgesamt ist folglich die These Polens und Rumäniens zurückzuweisen, dass Mentholzigaretten eine Sonderstellung einnehmen, die sie von anderen Zigaretten mit charakteristischen Aromen unterscheidet und die nach einer Ausnahme von dem in der Richtlinie verhängten unionsweiten Vermarktungsverbot für diese Gruppe von Tabakerzeugnissen verlangt(29).

–       Es bestanden hinreichend Divergenzen zwischen den nationalen Regelungen

58.      Entscheidend für den Rückgriff auf Art. 114 AEUV ist also einzig und allein, ob zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie im Hinblick auf die Verwendung charakteristischer Aromen in Tabakerzeugnissen – gleichviel ob Menthol oder andere Aromen – Unterschiede zwischen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten auszuräumen waren, die sich als Handelshemmnisse auf dem Europäischen Binnenmarkt auswirken konnten.

59.      Wie insbesondere der Rat und das Vereinigte Königreich im Verfahren vor dem Gerichtshof ausführlich und unwidersprochen dargelegt haben, hatten seinerzeit eine Reihe von Mitgliedstaaten die Verwendung von charakteristischen Aromen bereits reglementiert, andere hingegen nicht. Dort, wo nationale Vorschriften bestanden, gingen sie inhaltlich weit auseinander und betrafen nicht notwendigerweise die gleichen Aromen(30). Durch diesen Flickenteppich nationaler Regelungen konnte es zu erheblichen Handelshemmnissen auf dem Binnenmarkt für Tabakerzeugnisse kommen, der durch einen regen grenzüberschreitenden Handel geprägt ist(31).

60.      Selbst wenn speziell in Bezug auf Mentholzigaretten keine nennenswerten Handelshemmnisse bestanden haben sollten, wäre dies für die Heranziehung von Art. 114 AEUV unschädlich gewesen. Denn die Anwendung von Art. 114 AEUV setzt nicht voraus, dass in jeder Detailregelung einer auf diese Rechtsgrundlage gestützten Binnenmarkt-Harmonisierungsmaßnahme die Antwort auf konkrete Divergenzen zwischen den nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften enthalten sein muss. Vielmehr kommt es maßgeblich auf die Betrachtung der Gesamtregelung an(32).

61.      Wie die beklagten Unionsorgane und einige ihrer Streithelfer zu Recht anmerken, durfte der Unionsgesetzgeber im vorliegenden Fall auch in Rechnung stellen, dass das Verbot von Zigaretten mit charakteristischen Aromen einen deutlich geringeren Beitrag zur Erzielung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus geleistet hätte, wenn für aktuelle oder potenzielle Konsumenten aromatisierter Tabakerzeugnisse auf dem Binnenmarkt weiterhin Mentholzigaretten als Ausweichoption verfügbar geblieben wären(33).

62.      Abgesehen davon bestand zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie in mindestens zwei Mitgliedstaaten – Belgien und Deutschland – sogar schon ein Verbot bestimmter Mentholkapseln in Zigaretten, so dass dort jedenfalls diese konkrete Variante von Mentholzigaretten nicht in den Verkehr gebracht werden durfte(34). Hingegen bestanden vergleichbare Verbote in anderen Mitgliedstaaten, soweit ersichtlich, seinerzeit nicht. Der Vorwurf Polens, es habe an Divergenzen zwischen den nationalen Regelungen speziell in Bezug auf Mentholzigaretten gefehlt, ist also nicht nur allgemein wenig zielführend im Hinblick auf die Funktionsweise von Art. 114 AEUV, sondern auch im konkreten Fall sachlich unzutreffend.

63.      In diesem Zusammenhang sei noch der Hinweis erlaubt, dass die Zahl der Mitgliedstaaten, die zum Zeitpunkt des Vorschlags der Kommission im betreffenden Bereich gesetzgeberisch tätig waren oder tätig werden wollten, als solche nicht entscheidend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Heranziehung von Art. 114 AEUV durch den Unionsgesetzgeber sein kann, wenn die Voraussetzungen für eine Heranziehung dieser Vorschrift zum Zeitpunkt des Erlasses des in Rede stehenden Rechtsakts erfüllt waren(35).

64.      Denn die Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Unionsgesetzgebers nach Art. 114 AEUV sind nicht quantitativer, sondern qualitativer Art. Für den Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme kommt es nicht so sehr darauf an, ob und in wie vielen Mitgliedstaaten ein bestimmtes Erzeugnis Gegenstand von Regelungen oder gar von Verboten ist. Jede bestehende oder konkret zu erwartende Störung des Handels auf dem Binnenmarkt kann eine Harmonisierungsmaßnahme rechtfertigen, vorausgesetzt, die allgemeinen Grundsätze für die Ausübung der Harmonisierungsbefugnisse – insbesondere die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 3 und 4 EUV)(36) – werden gewahrt(37).

65.      Folglich ist die erste Rüge Polens im Rahmen dieses ersten Teils des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

ii)    Zum behaupteten Aufbau neuer Handelshemmnisse

66.      Des Weiteren rügt Polen mit Unterstützung Rumäniens im Rahmen dieses ersten Teils des ersten Klagegrundes, der sachliche Anwendungsbereich des Verbots des Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen mit einem charakteristischen Aroma werde in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie nicht hinreichend genau bestimmt, da dort keine Liste der erlaubten oder verbotenen aromarelevanten Substanzen enthalten sei. Dies führt, so Polen, nicht zum Abbau etwa bestehender Handelshemmnisse, sondern im Gegenteil zum Aufbau neuer Handelshemmnisse, weil zu befürchten sei, dass die Mitgliedstaaten ihre Umsetzungsspielräume in diesem Punkt in unterschiedlicher Weise nutzen werden.

67.      Auch diese Rüge überzeugt jedoch nicht.

68.      Zum einen liegt es in der Natur der Sache, dass in Rechtsvorschriften unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden. Dies gilt erst recht für Vorschriften in Richtlinien, die stets der Umsetzung in das nationale Recht bedürfen (vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUV). Dabei verfügt der Unionsgesetzgeber über einen Ermessensspielraum hinsichtlich der zur Erreichung eines angestrebten Ergebnisses am besten geeigneten Angleichungstechnik(38).

69.      Zum anderen ist es ohnehin nur schwer vorstellbar, inwieweit ein Verbot aller Tabakerzeugnisse mit charakteristischen Aromen, wie es Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie unionsweit vorgibt, zu derart bedeutsamen Unstimmigkeiten bei der Umsetzung in den Mitgliedstaaten führen soll, dass neue Handelshemmnisse ernsthaft zu befürchten sind.

70.      Selbst wenn aber diesbezüglich Unstimmigkeiten auftreten sollten, hätte der Unionsgesetzgeber zu ihrer Vermeidung in der Richtlinie hinreichend Vorsorge getroffen. So ermöglicht es Art. 7 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie der Europäischen Kommission, unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen zur Ausräumung etwa noch verbleibender Unklarheiten Durchführungsrechtsakte und delegierte Rechtsakte zu erlassen.

71.      Der von Polen als Alternative zu Art. 7 der Richtlinie ins Spiel gebrachte Erlass einer Liste der erlaubten oder verbotenen aromarelevanten Substanzen auf Unionsebene (einer Art „Positivliste“ bzw. „Negativliste“) hätte den entscheidenden Nachteil gehabt, dass eine solche Regelungstechnik schwerfällig und umgehungsanfällig wäre und die Liste überdies mit Blick auf die schnelle Entwicklung dieses Sektors stetiger Aktualisierung bedürfte. Auch würde eine solche Vorgehensweise die verbleibenden Handlungsspielräume der nationalen Stellen im Widerspruch zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 4 EUV) über Gebühr einschränken.

72.      Damit ist der erste Teil des ersten Klagegrundes insgesamt unbegründet.

b)      Zur Gefahr einer künftigen unterschiedlichen Entwicklung der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften (zweiter Teil des ersten Klagegrundes)

73.      Mit dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes macht Polen geltend, es sei „höchst unwahrscheinlich“, dass in Zukunft auf dem Europäischen Binnenmarkt Handelshemmnisse infolge einzelstaatlicher Verbote von Mentholzigaretten auftreten werden.

74.      Dieser Problematik wende ich mich nachfolgend nur hilfsweise zu. Denn aus meiner Erörterung des ersten Teils des ersten Klagegrundes ergibt sich ohnehin, dass bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie angesichts der seinerzeit bestehenden Divergenzen zwischen den mitgliedstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu Tabakerzeugnissen mit charakteristischen Aromen nennenswerte Handelshemmnisse bestanden. Damit erledigt sich eigentlich die Frage nach dem Entstehen künftiger Handelshemmnisse.

75.      Außerdem scheint mir, dass Polen sich widerspricht. Seine Behauptung im Rahmen dieses zweiten Teils des ersten Klagegrundes, eine unterschiedliche Entwicklung der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften sei nicht zu erwarten, lässt sich kaum mit der zuvor im ersten Teil des ersten Klagegrundes geäußerten Befürchtung vereinbaren, es werde zu unterschiedlichen nationalen Vorgehensweisen bei der Umsetzung des Verbots charakteristischer Aromen kommen(39).

76.      Wie dem auch sei: Nach ständiger Rechtsprechung kann Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage herangezogen werden, um der Entstehung neuer Hindernisse für den Handel infolge einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorzubeugen, sofern das Entstehen solcher Hindernisse wahrscheinlich ist und die getroffene Harmonisierungsmaßnahme ihre Vermeidung bezweckt(40).

77.      Genauso verhält es sich hier, insbesondere, wenn man als internationalen Kontext die Arbeiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit in die Überlegungen einbezieht.

78.      Die beklagten Unionsorgane und einige ihrer Streithelfer haben überzeugend dargelegt, dass die Union und ihre Mitgliedstaaten nach dem WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums(41) aufgerufen waren, die Verwendung von Inhaltsstoffen in Tabakerzeugnissen, die deren Geschmack verbessern können, zu begrenzen oder zu verbieten – auch die Verwendung von Menthol. Zugegebenermaßen ergibt sich dies zwar nicht aus dem Wortlaut des Rahmenübereinkommens selbst, es folgt aber aus den Leitlinien zur Umsetzung seiner Art. 9 und 10, welche vor einigen Jahren von der Konferenz der Vertragsparteien angenommen wurden(42).

79.      Mögen diese Leitlinien auch als solche nicht rechtsverbindlich sein, so haben sie doch weltweit Empfehlungscharakter für die Umsetzung des WHO-Rahmenübereinkommens durch dessen Vertragsparteien(43). Sie dienen folglich auch den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die jenes Rahmenübereinkommen mit abgeschlossen haben, als Orientierungshilfe.

80.      Bei dieser Sachlage durfte der Unionsgesetzgeber unterstellen, dass es auf nationaler Ebene alsbald zum Erlass von Regelungen über den Gebrauch von Menthol und anderen charakteristischen Aromen in Tabakerzeugnissen kommen würde, sollte auf Unionsebene keine einheitliche Regelung getroffen werden. Irland und Frankreich haben dies im Verfahren vor dem Gerichtshof mit Blick auf ihre jeweilige nationale Praxis eindrucksvoll bestätigt. Die von Polen hervorgehobene Tatsache, dass in Wirklichkeit diesbezüglich über einen längeren Zeitraum hinweg kaum nationale Regelungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlassen wurden, dürfte allein dem Umstand geschuldet sein, dass die Kommission(44) unionsintern bereits mehr oder weniger zeitgleich mit dem Erscheinen der WHO-Leitlinien das Gesetzgebungsverfahren zum Erlass der angefochtenen Richtlinie vorbereitet und initiiert hatte(45).

81.      Darüber hinaus konnte der Unionsgesetzgeber vernünftigerweise von der Annahme ausgehen, dass sich etwaige nationale Regelungen zur Umsetzung des WHO-Rahmenübereinkommens von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterscheiden und somit zur Entstehung neuer Handelshemmnisse auf dem Binnenmarkt führen würden, wenn nicht eine Harmonisierungsmaßnahme auf Unionsebene erlassen würde. Denn jene Leitlinien geben den Vertragsparteien des Übereinkommens keine konkreten Maßnahmen vor, sondern räumen ihnen einen denkbar weiten Spielraum ein; insbesondere lassen sie ihnen die Wahl zwischen Verboten und bloßen Einschränkungen hinsichtlich der Verwendung von Geschmackszutaten in Tabakerzeugnissen und enthalten nur Beispiele für solche Inhaltsstoffe.

82.      Unter diesen Umständen ist auch der zweite Teil des ersten Klagegrundes unbegründet.

c)      Zwischenergebnis

83.      Somit ist der erste Klagegrund in seiner Gesamtheit zurückzuweisen.

2.      Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (zweiter Klagegrund)

84.      Der zweite Klagegrund ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewidmet. Polen bringt vor, die streitgegenständlichen Rechtsvorschriften der Richtlinie seien mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wie er in Art. 5 Abs. 4 EUV verankert ist, nicht vereinbar.

a)      Allgemeine Erwägungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

85.      Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört nach ständiger Rechtsprechung zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts und ist speziell mit Blick auf die Kompetenzausübung der Unionsorgane in Art. 5 Abs. 4 EUV verankert. Er verlangt, dass die Handlungen der Unionsorgane zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist(46). Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die auferlegten Belastungen in einem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen(47).

86.      Bei der gerichtlichen Überprüfung von Unionsrechtsakten auf ihre Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass der Gestaltungsspielraum des Unionsgesetzgebers anhand einer Reihe von Gesichtspunkten eingeschränkt sein kann, wenn Grundrechtseingriffe in Rede stehen. Zu diesen Gesichtspunkten gehören u. a. der betroffene Bereich, das Wesen des jeweiligen Grundrechts, Art und Schwere des Eingriffs sowie dessen Zweck(48).

87.      Im vorliegenden Fall ist das Grundrecht der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 der Charta der Grundrechte) betroffen. Die unternehmerische Freiheit darf nach ständiger Rechtsprechung einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden, die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können(49), wobei dem Unionsgesetzgeber ein weites Ermessen zusteht, wenn es sich um einen Bereich handelt, der sowohl politische als auch wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen erfordert und in dem komplexe Prüfungen und Beurteilungen vorzunehmen sind(50).

88.      Dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 2014/40 mit eben solchen komplexen Fragestellungen wirtschaftlicher, sozialer und politischer Art konfrontiert war, ist unbestreitbar und wird im Übrigen auch von keinem der Verfahrensbeteiligten ernsthaft in Zweifel gezogen. Dementsprechend war dem Unionsgesetzgeber in Bezug auf die der Richtlinie zugrunde liegenden Beurteilungen ein weites Ermessen zuzubilligen, nicht zuletzt mit Blick auf die Maßnahmen, mit denen das im Europäischen Binnenmarkt vorgeschriebene hohe Gesundheitsschutzniveau (Art. 9 AEUV, 114 Abs. 3 AEUV, 168 Abs. 1 AEUV und 35 Satz 2 der Charta der Grundrechte) am besten erreicht werden kann. Dies gilt auch deshalb, weil Prognosen über das künftige Marktgeschehen naturgemäß allenfalls auf ihre Plausibilität geprüft werden können.

89.      Jenes Ermessen bringt es mit sich, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seitens des Unionsgesetzgebers nur dann anzunehmen ist, wenn der betreffende Unionsrechtsakt offensichtlich unverhältnismäßig ist, d. h., wenn er zur Erreichung der verfolgten legitimen Ziele offensichtlich ungeeignet ist, offensichtlich über das zur Verwirklichung dieser Ziele Erforderliche hinausgeht oder aber Nachteile mit sich bringt, die offensichtlich außer Verhältnis zu jenen Zielen stehen(51). Unerheblich ist hingegen, ob die in dem Rechtsakt getroffene Maßnahme die einzig denkbare oder auch nur die zweckmäßigste ist.

90.      Mit dieser Maßgabe ist im Folgenden die Verhältnismäßigkeit der streitgegenständlichen Richtlinienbestimmungen einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen.

b)      Eignung und Erforderlichkeit eines Verkaufsverbots (erster und zweiter Teil des zweiten Klagegrundes)

91.      Mit den ersten beiden Teilen dieses zweiten Klagegrundes rügt Polen, ein Verbot von Mentholzigaretten sei weder geeignet noch erforderlich, um das vom Unionsgesetzgeber mit der Richtlinie angestrebte hohe Gesundheitsschutzniveau zu erreichen.

i)      Vorbemerkung zum Vorsorgeprinzip

92.      Vorab ist anzumerken, dass keiner der Verfahrensbeteiligten die mit dem Rauchen verbundenen Gesundheitsgefahren leugnet(52). Auch die Erkenntnis, dass charakteristische Aromen das Rauchen erleichtern oder unterstützen und deshalb Gesundheitsgefahren mit sich bringen können(53), wird im Grundsatz von allen Parteien geteilt.

93.      Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen zwischen den Parteien ist aber die Frage, wie sich ein Verbot von Mentholzigaretten auf das Konsumverhalten aktueller und potenzieller Raucher auswirken wird. Beide Seiten stützen sich mit ihren Thesen auf wissenschaftliche Studien und werfen jeweils der Gegenseite vor, deren Ausführungen seien wissenschaftlich nicht hinreichend fundiert.

94.      Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Richtlinie 2014/40 und insbesondere der Verhältnismäßigkeit der streitgegenständlichen Bestimmungen kommt es jedoch gar nicht darauf an, ob sich die vom Unionsgesetzgeber ins Feld geführten Gesundheitserwägungen rund um Mentholzigaretten – Erwägungen, die mir persönlich sehr plausibel erscheinen – beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft mit hinreichender Genauigkeit belegen lassen.

95.      Denn der Unionsgesetzgeber hatte beim Erlass der Richtlinie das Vorsorgeprinzip zu beachten(54). Gerade dann, wenn es sich als unmöglich erweist, das Bestehen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unzureichend, nicht schlüssig oder ungenau sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die öffentliche Gesundheit jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintritt, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen, sofern diese Maßnahmen objektiv und nicht diskriminierend sind(55).

96.      Auch der im Rahmen der WHO erarbeitete Aufruf, weltweit die Verwendung von Inhaltsstoffen in Tabakerzeugnissen, die deren Geschmack verbessern können, zu begrenzen oder zu verbieten, darunter auch die Verwendung von Menthol(56), ist nichts anderes als ein Ausdruck des Vorsorgeprinzips.

97.      Sicherlich verlangt das Vorsorgeprinzip, dass der Unionsgesetzgeber seine Entscheidungen stets unter Berücksichtigung der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung trifft(57) (in diesem Sinne auch Art. 114 Abs. 3 AEUV). Weder Polen noch Rumänien hat jedoch ernsthaft infrage gestellt, dass der Unionsgesetzgeber dieser Pflicht im vorliegenden Fall nachgekommen ist(58). Die Parteien sind lediglich darüber uneinig, welche Schlüsse aus den gesichteten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ziehen waren. Insoweit kam jedoch dem Unionsgesetzgeber ein weites Ermessen zu, dessen Grenzen er hier in keiner Weise überschritten hat.

98.      Vor diesem Hintergrund war es nach dem Vorsorgeprinzip gut vertretbar und möglicherweise sogar geboten, für die Verwendung von charakteristischen Aromen in Tabakerzeugnissen generell strenge Regeln vorzusehen, zumal nach den primärrechtlichen Vorgaben ein hohes Gesundheitsschutzniveau anzustreben war (Art. 9 AEUV, 114 Abs. 3 AEUV, 168 Abs. 1 AEUV und 35 Satz 2 der Charta der Grundrechte).

ii)    Eignung eines Verkaufsverbots (erster Teil des zweiten Klagegrundes)

99.      Die Eignung des Verbots des Inverkehrbringens von Mentholzigaretten zur Erreichung der mit der Richtlinie bezweckten Steigerung des Gesundheitsschutzes wird – vor allem in Bezug auf junge Menschen – von Polen mit drei Argumenten bestritten: Erstens handle es sich bei Mentholzigaretten um ein „traditionelles“ Produkt, das für junge Menschen weniger attraktiv sei als andere aromatisierte Tabakerzeugnisse. Zweitens sei nicht objektiv erwiesen, dass ein Verbot von Mentholzigaretten überhaupt geeignet wäre, weniger junge Menschen zum Rauchen zu verleiten oder allgemein die Zahl der Raucher zu verringern. Und drittens werde der Schwarzmarkt für Mentholzigaretten in Europa aufblühen.

–       Zum Gesundheitseffekt eines Verbots von Mentholzigaretten

100. Was die ersten beiden Argumente Polens betrifft, so habe ich bereits weiter oben im Zusammenhang mit Art. 114 AEUV ausgeführt, dass kein sachlicher Grund besteht, für vermeintlich „traditionelle“ und auf dem Markt etablierte Produkte geringere Maßstäbe in Bezug auf den Gesundheitsschutz anzulegen als bei neuartigen Produkten(59). Wie Frankreich sehr zu Recht anmerkt, rechtfertigt der traditionelle Charakter eines Produkts nicht seinen Verbleib auf dem Markt, wenn dadurch die Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus erschwert wird.

101. Darüber hinaus erscheint mir die Argumentation Polens verfehlt, wonach die Unionsorgane objektiv nachweisen müssten, dass bei einem Verbot von Mentholzigaretten weniger junge Menschen zu Rauchern werden oder dass die Zahl der Raucher insgesamt abnehmen wird.

102. Denn es kommt, wie bereits erwähnt, für die Beurteilung der Eignung der streitgegenständlichen Bestimmungen gar nicht so sehr darauf an, ob sich die vom Unionsgesetzgeber unterstellten Auswirkungen eines Verbots charakteristischer Aromen auf das Konsumverhalten von (aktuellen oder potenziellen) Rauchern mit hinreichender Genauigkeit wissenschaftlich belegen lassen. Prognosen über die künftige Entwicklung des Marktgeschehens sind naturgemäß keinem Beweis im eigentlichen Sinne zugänglich, sondern können allenfalls auf ihre Plausibilität geprüft werden.

103. Plausibel erscheint es durchaus, dass ein Verbot von Mentholzigaretten und anderen aromatisierten Zigaretten, wie vom Unionsgesetzgeber angenommen, den Einstieg in den Tabakkonsum für Jugendliche und junge Erwachsene weniger attraktiv macht und zugleich gewohnheitsmäßigen Rauchern – jedenfalls einigen unter ihnen – den Ausstieg aus der Nikotinsucht erleichtert. Kurz gesagt gilt: Wenn charakteristische Aromen das Rauchen erleichtern oder unterstützen, weil sie den in der Regel recht herben, ja sogar beißenden Geschmack von Tabakrauch abmildern oder übertünchen können, dann liegt die Annahme nicht fern, dass der Verzicht auf solche Aromen die umgekehrte Wirkung haben und so zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beitragen kann.

104. Auf keinen Fall kann ein Verbot charakteristischer Aromen in Tabakerzeugnissen als offensichtlich ungeeignet angesehen werden, das genannte Ziel zu erreichen und so zu einem hohen Gesundheitsschutzniveau auf dem Europäischen Binnenmarkt beizutragen. Dies gilt umso mehr, wenn man das Vorsorgeprinzip sowie den weiten Ermessensspielraum bedenkt, der dem Unionsgesetzgeber in Bezug auf die Wahl der Maßnahmen zusteht, mit denen das im Binnenmarkt vorgeschriebene hohe Gesundheitsschutzniveau am besten erreicht werden kann.

–       Zum behaupteten Aufblühen des Schwarzmarkts für Mentholzigaretten

105. Was das von Polen vorhergesagte Aufblühen des Schwarzmarkts für Mentholzigaretten anbelangt, so handelt es sich um nicht mehr als eine bloße Behauptung, die überdies in wenig substantiierter Form vorgetragen wird.

106. Die beklagten Unionsorgane und einige ihrer Streithelfer versuchen dieser Behauptung vor allem durch einen Verweis auf die neuen Bestimmungen in den Art. 15 und 16 der Richtlinie zu begegnen, wo detaillierte Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit von Zigarettenpackungen sowie an die auf diesen Packungen anzubringenden Sicherheitsmerkmale aufgestellt werden.

107. Zwar ist Polen zuzugestehen, dass derartige Vorkehrungen als solche nicht geeignet sind, den etwaigen Schmuggel mit Mentholzigaretten aus Drittstaaten sowie den Verkauf illegal eingeführter oder kommerzialisierter Mentholzigaretten auf dem Schwarzmarkt innerhalb der Europäischen Union sicher zu unterbinden.

108. Meines Erachtens kann es aber auch gar nicht darauf ankommen, ob sich der Schmuggel und der Handel auf dem Schwarzmarkt auf diese Weise wirksam verhindern lassen(60). Entscheidend ist vielmehr zweierlei: Zum einen werden illegale Aktivitäten durch die Art. 15 und 16 der Richtlinie erschwert und ihre Aufdeckung erleichtert. Zum anderen – und vor allem – wird es für Konsumenten schwieriger, sich nach dem Inkrafttreten eines Verbots des Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen mit charakteristischen Aromen noch mit Mentholzigaretten und anderen aromatisierten Zigaretten einzudecken. Dieser Umstand allein rechtfertigt schon die Annahme, dass ein solches Verbot seinen Beitrag zur Gewährleistung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus nicht verfehlen wird. Dass Verbote womöglich vereinzelt unterlaufen werden, spricht nicht grundsätzlich gegen ihre Eignung zur Erreichung des angestrebten Zieles.

109. Folglich ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes unbegründet.

iii) Erforderlichkeit eines Verkaufsverbots (zweiter Teil des zweiten Klagegrundes)

110. Des Weiteren bestreitet Polen, dass ein Verbot des Inverkehrbringens von Mentholzigaretten erforderlich sei, um das mit der Richtlinie angestrebte hohe Gesundheitsschutzniveau auf dem Europäischen Binnenmarkt zu erreichen.

111. Die Argumente, die Polen in diesem Zusammenhang vorträgt, lassen sich zwei Themenkreisen zuordnen: Einerseits geht es um die Frage, ob ein generelles Verbot aller charakteristischen Aromen unter Einschluss von Menthol erforderlich war, und andererseits um die Frage, ob dem Unionsgesetzgeber nicht mildere, weniger einschneidende Mittel als ein Verbot zur Verfügung gestanden hätten.

–       Zur Erforderlichkeit eines generellen Verbots aller charakteristischen Aromen

112. Was den ersten dieser Themenkreise anbelangt, so habe ich bereits weiter oben – im Zusammenhang mit Art. 114 AEUV – dargelegt, dass die Argumente Polens zur vermeintlichen Sonderstellung von Mentholzigaretten im Marktsegment der aromatisierten Zigaretten wenig überzeugend sind(61).

113. Insbesondere ist der von Polen behauptete „traditionelle“ Charakter von Mentholzigaretten im Vergleich zu anderen aromatisierten Zigarettensorten, selbst wenn man ihn als wahr unterstellt, nicht geeignet, irgendwelche Abstriche am insgesamt anzustrebenden hohen Gesundheitsschutzniveau auf dem Binnenmarkt für Tabakerzeugnisse zu rechtfertigen.

114. Mit dem Verbot aller charakteristischen Aromen folgt die Richtlinie, wie sich nicht zuletzt aus ihrem Art. 1 und aus ihrer Präambel(62) ergibt, den im Rahmen der WHO erarbeiteten Vorgaben(63).

115. Bei einem Verzicht des Unionsgesetzgebers auf die Einbeziehung von Menthol in das Verbot charakteristischer Aromen hätte die Richtlinie einen deutlich geringeren Beitrag zur Erzielung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus leisten können. Denn für aktuelle oder potenzielle Konsumenten aromatisierter Tabakerzeugnisse wären dann auf dem Binnenmarkt weiterhin Mentholzigaretten als Ausweichoption verfügbar geblieben, was Jugendlichen und jungen Erwachsenen den Einstieg in den Tabakkonsum erleichtern und zugleich gewohnheitsmäßigen Rauchern den Ausstieg aus der Nikotinsucht erschweren könnte(64).

116. Außerdem hätte sich die Europäische Union womöglich einem Prozessrisiko im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) ausgesetzt, wenn sie nicht Mentholzigaretten in gleicher Weise verboten hätte wie andere aromatisierte Zigaretten. So sah es das Streitbeilegungsorgan der WTO in einem 2012 ergangenen Bericht als einen Verstoß gegen die WTO-Regeln an, dass die Vereinigten Staaten von Amerika den Verkauf von Zigaretten mit Nelkenaroma untersagten, wohingegen dort Mentholzigaretten weiter vermarktet werden durften(65). Entgegen der Auffassung Polens erscheint es keineswegs als ausgeschlossen, sondern liegt sogar sehr nahe, diesen WTO-Bericht auf die hier interessierende Problematik zu übertragen, zumal in dem Bericht ausdrücklich von einer Vergleichbarkeit zwischen Zigaretten mit Nelkenaroma und solchen mit Mentholaroma (als sogenannten „gleichartigen Waren“ im Sinne des WTO-Übereinkommens über technische Handelshemmnisse) ausgegangen wird.

117. Berücksichtigt man diese Umstände, so lässt sich die Erforderlichkeit eines Verbots aller charakteristischen Aromen unter Einschluss von Menthol nicht ernsthaft in Zweifel ziehen(66). Auf jeden Fall geht ein solches generelles Verbot nicht offensichtlich über dasjenige hinaus, was zur Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus auf dem Europäischen Binnenmarkt erforderlich ist.

–       Zu den von Polen ins Feld geführten, vermeintlich milderen Mitteln

118. Was den zweiten der genannten Themenkreise betrifft, so führt Polen im Wesentlichen drei Alternativen ins Treffen, die seiner Meinung nach als mildere Mittel im Vergleich zu einem kompletten Verbot von Mentholzigaretten in Betracht zu ziehen wären: die Einführung von Altersgrenzen für den Verkauf solcher Zigaretten, die Anbringung von besonderen Warnhinweisen auf ihrer Verpackung sowie gezielte Aufklärungskampagnen.

119. Dazu ist anzumerken, dass im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung etwaige mildere Mittel zu der vom Unionsgesetzgeber getroffenen Maßnahme nur dann Berücksichtigung finden können, wenn sie gleich geeignet sind, das mit dem fraglichen Unionsrechtsakt verfolgte Ziel zu erreichen(67).

120. Dies ist bei den besagten Altersgrenzen nicht der Fall. Wie nämlich die am Verfahren beteiligten Unionsorgane und mehrere beteiligte Mitgliedstaaten überzeugend dargelegt haben, lassen sich Altersgrenzen im Handel leicht umgehen, und ihre Einhaltung ist äußerst schwer zu kontrollieren.

121. Einerseits besteht die Möglichkeit, dass sich Minderjährige von volljährigen Personen aus ihrer Familie oder ihrem Freundes- und Bekanntenkreis mit aromatisierten Zigaretten versorgen lassen. Andererseits kann selbst durch ein Erfordernis der Volljährigkeit für den Kauf von aromatisierten Zigaretten nicht sichergestellt werden, dass junge Konsumenten, die kürzlich erst die entsprechende Altersgrenze überschritten haben, angemessen vor den Gefahren des Nikotinkonsums geschützt werden. Wie aber im Verfahren vor dem Gerichtshof überzeugend vorgetragen wurde, sind nicht nur Minderjährige, sondern auch junge Erwachsene über der Volljährigkeitsgrenze (insbesondere die Altersgruppe zwischen 18 und 25 Jahren) in besonderem Maße gefährdet, weil häufig auch noch in der Phase bis zum 25. Lebensjahr der Einstieg in den Konsum nikotinhaltiger Produkte erfolgen kann und beobachtet wird.

122. Ebenso wenig kann eine Verpflichtung der Hersteller und Importeure zur Anbringung von Warnhinweisen auf der Verpackung von Mentholzigaretten mit Blick auf das Ziel eines hohen Gesundheitsschutzniveaus als gleich geeignet angesehen werden wie ein Vermarktungsverbot aller Tabakerzeugnisse mit charakteristischen Aromen. Denn selbst wenn man spezielle Warnhinweise mit der Botschaft entwerfen würde, dass aromatisierte Zigaretten nicht minder gefährlich sind als nicht aromatisierte, würde dies nichts an der fortdauernden Verfügbarkeit dieser Erzeugnisse für die Verbraucher ändern. Der Verkauf von Zigaretten mit charakteristischen Aromen könnte sich also weiter als Hemmschuh für die Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus auf dem Europäischen Binnenmarkt auswirken. Mehr noch: Wie Irland zutreffend ausführt, könnten spezifische aromenbezogene Warnhinweise sogar kontraproduktiv sein, weil sie womöglich – einer Werbebotschaft nicht unähnlich – in besonderer Weise und mehr als eine bloße Inhaltsangabe die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf das Vorhandensein von charakteristischen Aromen lenken.

123. Dasselbe gilt für die von Polen lancierte Idee von Aufklärungskampagnen über die Gefährlichkeit von Tabakerzeugnissen mit charakteristischen Aromen. Ohnehin wären solche Aufklärungskampagnen, wie die Kommission sehr zu Recht anmerkt, gar nicht geeignet, im Sinne von Art. 114 AEUV bestehende Handelshemmnisse aufgrund divergierender nationaler Regelungen über die Verwendung charakteristischer Aromen abzubauen oder ihr Entstehen zu verhindern.

124. Folglich haben die ersten beiden Teile dieses zweiten Klagegrundes keine Aussicht auf Erfolg.

c)      Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (dritter Teil des zweiten Klagegrundes)

125. Mit dem dritten Teil dieses zweiten Klagegrundes thematisiert Polen die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Es werden wirtschaftliche und soziale Härten beklagt, die nach der Ansicht von Polen wegen des Verbots von Mentholzigaretten auf diesen Mitgliedstaat zukommen werden, und dies in weit größerem Ausmaß als auf andere Mitgliedstaaten. Außerdem rügt Polen hier, der Unionsgesetzgeber habe keine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt, jedenfalls keine, die spezifisch auf Mentholzigaretten ausgerichtet gewesen wäre.

126. Anders als das Vereinigte Königreich meint, ist die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne eine eigenständige dritte Stufe im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Sie besagt, wie bereits eingangs erwähnt, dass die mit einem Unionsrechtsakt verbundenen Belastungen in einem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen(68). Deshalb hat sich der Unionsgesetzgeber stets zu vergewissern, ob die mit der gewählten Maßnahme verfolgten Ziele nachteilige wirtschaftliche Folgen, und seien sie beträchtlich, für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen können(69) (vgl. auch – für Entwürfe von Gesetzgebungsakten – Art. 5 letzter Satz des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit(70)).

127. Im vorliegenden Fall konnten sich Parlament und Rat in ihrer Eigenschaft als gesetzgebende Organe der Union insbesondere auf die von der Kommission durchgeführte Folgenabschätzung(71) stützen, in der auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der mit der Richtlinie eingeführten Maßnahmen erörtert werden(72).

128. Da den Mentholzigaretten im Marktsegment der aromatisierten Zigaretten, wie schon erwähnt, keine Sonderstellung zukommt(73), war eine auf dieses spezifische Produkt zugeschnittene Folgenabschätzung entgegen der Auffassung Polens nicht vonnöten.

129. Es mag sein, dass das Verschwinden von Mentholzigaretten vom Markt als Folge des unionsrechtlichen Vermarktungsverbots für Tabakerzeugnisse mit charakteristischen Aromen vorübergehend negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation bestimmter im Tabakanbau tätiger Landwirte und bestimmter in der Herstellung und im Vertrieb von Tabakerzeugnissen tätiger Unternehmen haben und schlimmstenfalls sogar zum Verlust einiger Arbeitsplätze führen kann.

130. Zu bedenken ist allerdings, dass dem Schutz der menschlichen Gesundheit in der Werteordnung des Unionsrechts ein ungleich höherer Stellenwert zukommt als solchen im Wesentlichen wirtschaftlichen Interessen (vgl. dazu Art. 9 AEUV, Art. 114 Abs. 3 AEUV, Art. 168 Abs. 1 AEUV sowie Art. 35 Satz 2 der Charta der Grundrechte), so dass der Gesundheitsschutz negative wirtschaftliche Folgen selbst beträchtlichen Ausmaßes für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen kann(74).

131. Dass die polnische Wirtschaft vom Verbot der Mentholzigaretten womöglich härter getroffen wird als die Wirtschaft in anderen Mitgliedstaaten, macht übrigens das Verbot charakteristischer Aromen in der Richtlinie nicht unverhältnismäßig. Angesichts der Unterschiede in den Wirtschaftsstrukturen der Mitgliedstaaten ist kaum ein Fall denkbar, in dem ein Unionsgesetzgebungsakt sich auf alle Mitgliedstaaten in exakt der gleichen Weise auswirkt(75). Wie die am Verfahren vor dem Gerichtshof beteiligten Unionsorgane zu Recht unterstreichen, wäre die Rechtsangleichung auf dem Europäischen Binnenmarkt weitgehend ihres Sinnes entleert, wenn sie nur in solchen Fällen zum Tragen kommen dürfte, in denen ohnehin schon weitgehend ähnliche Verhältnisse in allen Mitgliedstaaten bestehen.

132. Im Übrigen erscheinen die von Polen prognostizierten Einbußen in der Landwirtschaft und im Tabakhandel jenes Mitgliedstaats(76) – ihre Richtigkeit unterstellt – vergleichsweise moderat und verkraftbar, zumal es sich offenbar um bloße Umsatzrückgänge und nicht etwa um Netto-Gewinneinbußen handelt.

133. Abgesehen davon werden etwaige wirtschaftliche und soziale Härten, die mit dem Verbot von Mentholzigaretten einhergehen mögen, durch die großzügig bemessene Übergangsfrist bis zum 20. Mai 2020 – also einen Zeitraum von vier Jahren über die Umsetzungsfrist der Richtlinie hinaus – abgemildert. Was speziell die betroffenen Landwirte angeht, so können diese überdies gegebenenfalls im Rahmen der Gemeinsamen Landwirtschaftspolitik Einkommensbeihilfen erhalten.

134. Alles in allem war es somit seitens des Unionsgesetzgebers gut vertretbar – und jedenfalls nicht offensichtlich unverhältnismäßig –, beim Erlass der Richtlinie dem angestrebten hohen Gesundheitsschutzniveau Vorrang vor wirtschaftlichen und sozialen Überlegungen zu gewähren, wie sie im vorliegenden Verfahren von Polen ins Spiel gebracht werden.

135. Folglich ist auch der dritte Teil dieses zweiten Klagegrundes unbegründet.

d)      Zwischenergebnis

136. Insgesamt hat also der zweite Klagegrund keine Aussicht auf Erfolg.

3.      Zum Subsidiaritätsprinzip (dritter Klagegrund)

137. Der dritte und letzte Klagegrund Polens stützt sich auf das Subsidiaritätsprinzip, wie es in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EUV in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 EUV verankert ist.

138. Nach diesem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind (Art. 5 Abs. 3 EUV).

139. Da die Union über keine allgemeine Kompetenz zur Regelung des Binnenmarkts verfügt(77) und der Binnenmarkt in den Bereich der zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten geteilten Zuständigkeiten fällt (Art. 4 Abs. 2 Buchst. a AEUV), findet auf Harmonisierungsmaßnahmen gemäß Art. 114 AEUV – so auch auf die vorliegende Richtlinie – das Subsidiaritätsprinzip Anwendung(78).

140. Die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips unterliegt der rechtlichen Kontrolle der Unionsgerichte(79). Diese Kontrolle umfasst insbesondere zwei Gesichtspunkte: zum einen die inhaltliche Vereinbarkeit von Unionsrechtsakten mit dem Subsidiaritätsprinzip (vgl. dazu sogleich in Abschnitt a) und zum anderen ihre Begründung mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip (vgl. dazu unten, Abschnitt b). Beide Gesichtspunkte spricht Polen im Rahmen seines dritten Klagegrundes an.

a)      Inhaltliche Vereinbarkeit der Richtlinie mit dem Subsidiaritätsprinzip

141. Als Erstes bemängelt Polen, mit Unterstützung Rumäniens, der Unionsgesetzgeber habe vor Erlass der Richtlinie keinen „Test der vergleichenden Effizienz“ durchgeführt.

142. Damit spielt Polen auf den zweistufigen Test an, der gemäß Art. 5 Abs. 3 EUV für die praktische Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips maßgeblich ist:

–        Zum einen haben sich die Unionsorgane zu vergewissern, dass sie nur tätig werden, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können (negative Komponente des Tests).

–        Zum anderen ist ein Tätigwerden der Union nur zulässig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind (positive Komponente des Tests).

Mit diesen beiden Komponenten des Subsidiaritätstests wird letztlich aus zwei verschiedenen Blickwinkeln ein und dieselbe Frage erörtert, nämlich, ob zur Verwirklichung der in Aussicht genommenen Ziele auf Unionsebene oder auf mitgliedstaatlicher Ebene gehandelt werden soll.

143. Entgegen der Auffassung der am Verfahren beteiligten Unionsorgane ist dieser Test keineswegs immer schon dann erfüllt, wenn die Voraussetzungen für einen Rückgriff auf Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage zum Erlass von Binnenmarkt-Harmonisierungsmaßnahmen vorliegen. Zwar trifft es zu, dass ein großer Teil der im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 EUV anzustellenden Erwägungen denjenigen ähnelt, die im Rahmen von Art. 114 AEUV ebenfalls eine Rolle spielen. Völlig deckungsgleich sind sie hingegen nicht.

144. Denn Art. 114 AEUV gibt Auskunft darüber, ob der Union überhaupt eine Kompetenz zum Erlass von Binnenmarkt-Harmonisierungsmaßnahmen zusteht. Hingegen bestimmt sich nach dem Subsidiaritätsprinzip gemäß Art. 5 Abs. 3 EUV, ob und in welcher Weise die Union von dieser Kompetenz im konkreten Fall Gebrauch macht. Mit anderen Worten richtet sich die Kompetenzverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten nach Art. 114 AEUV, wohingegen das Subsidiaritätsprinzip den Unionsorganen rechtlich verbindliche Leitlinien für ihre Kompetenzausübung vorgibt (Art. 5 Abs. 1 EUV).

145. Die Prüfung der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips ist grundsätzlich für die gesamte Richtlinie und nicht für jede ihrer Bestimmungen einzeln durchzuführen(80). Dabei sind, wie schon der Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 EUV suggeriert, die in der Richtlinie enthaltenen Maßnahmen unter Berücksichtigung der mit ihnen verfolgten Ziele zu würdigen. Dementsprechend ist im vorliegenden Fall die Subsidiaritätsfrage nicht allein mit Blick auf Mentholzigaretten zu erörtern, denn das Verbot dieser spezifischen Zigarettensorte kann – wie bereits weiter oben ausführlich dargelegt(81) – nicht als eigenständige und gesonderte Maßnahme im Verhältnis zum Verbot aller Tabakerzeugnisse mit charakteristischen Aromen angesehen werden.

146. Steht vor den Unionsgerichten im Streit, ob die inhaltlichen Vorgaben des Subsidiaritätsprinzips bei der Anwendung von Art. 114 AEUV beachtet wurden, so ist zu bedenken, dass die Kompetenzausübung der Unionsorgane beim Erlass von Binnenmarkt-Harmonisierungsmaßnahmen sowohl politische als auch wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen erfordert, in deren Rahmen komplexe Prüfungen und Beurteilungen vorzunehmen sind. Deren Kontrolle spielt sich in erster Linie auf der politischen Ebene unter Beteiligung der nationalen Parlamente ab, wofür der Vertrag von Lissabon mit dem Protokoll Nr. 2 eigens bestimmte Verfahren eingeführt hat. Gerichtlich sind hingegen solche Erwägungen, wie ich schon im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgeführt habe(82), nur eingeschränkt nachprüfbar.

147. Der Gerichtshof kann sinnvollerweise nur kontrollieren, ob sich die politischen Organe der Union bei der Ausübung ihrer Kompetenzen im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip in den Grenzen des ihnen eingeräumten Beurteilungsspielraums gehalten haben. Dazu prüft der Unionsrichter, ob diese Organe ihre Einschätzung zur Subsidiaritätsfrage im konkreten Fall auf eine ausreichende Tatsachengrundlage stützen konnten und ob ihnen dabei ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist(83).

148. Eine strengere gerichtliche Subsidiaritätskontrolle mag erforderlich werden, wenn ein Unionsrechtsakt ausnahmsweise einmal Fragen der nationalen Identität der Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 2 EUV) berühren sollte(84). Im vorliegenden Fall bestehen dafür aber keinerlei Anhaltspunkte, so dass es beim Prüfungsmaßstab des offensichtlichen Beurteilungsfehlers bleiben kann.

i)      Negative Komponente des Subsidiaritätstests: Maßnahmen, die auf nationaler Ebene nicht ausreichend verwirklicht werden können

149. Was zunächst die negative Komponente des Subsidiaritätstests anbelangt, so ist zu erörtern, ob die Ziele der zu treffenden Maßnahmen bezüglich der Herstellung, der Aufmachung und des Verkaufs von Tabakerzeugnissen auf mitgliedstaatlicher Ebene ausreichend hätten verwirklicht werden können.

150. Generell können im Rahmen dieser negativen Komponente des Subsidiaritätstests insbesondere folgende drei Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein.

151. Erstens kommt es auf die technischen und finanziellen Fähigkeiten der Mitgliedstaaten an. Gibt es Mitgliedstaaten, die gar nicht in der Lage sind, die erforderlichen Maßnahmen zur Lösung eines Problems zu treffen, so ist dies ein Anzeichen dafür, dass der negativen Komponente des Subsidiaritätstests Genüge getan ist.

152. Zweitens ist zu fragen, ob nationale, regionale oder lokale Besonderheiten inmitten stehen. Ist dies der Fall, so spricht dies eher für ein Tätigwerden auf der mitgliedstaatlichen Ebene und die Befassung von Stellen, die sich durch ihre größere Nähe und Sachkunde mit Blick auf die zu treffenden Maßnahmen auszeichnen.

153. Drittens ist zu prüfen, ob das zu lösende Problem eine rein lokale bzw. regionale Dimension hat oder ob es im Gegenteil grenzüberschreitende Ausmaße annimmt, die auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene naturgemäß nicht wirksam angegangen werden können. Das Vorliegen grenzüberschreitender Probleme ist eines der wichtigsten Indizien dafür, dass die negative Komponente des Subsidiaritätstests erfüllt ist(85).

154. Der Abbau von Hemmnissen für den grenzüberschreitenden Handel auf dem Europäischen Binnenmarkt, wie er bei Art. 114 AEUV im Mittelpunkt des Interesses steht, ist ein Paradebeispiel für Maßnahmen, die auf mitgliedstaatlicher Ebene in aller Regel nicht ausreichend verwirklicht werden können(86). Denn abgesehen von dem höchst unwahrscheinlichen Fall, in dem alle betroffenen Mitgliedstaaten in angemessener Zeit eine Parallelgesetzgebung mit im Wesentlichen gleichem Inhalt erlassen, führt ein Vorgehen auf der nationalen, regionalen oder lokalen Ebene sehr häufig zu einem Flickenteppich disparater Vorschriften, mit denen Handelshemmnisse nicht ausgeräumt, sondern allenfalls verschärft werden(87).

155. Im vorliegenden Fall versucht Polen gleichwohl, das Vorliegen eines Problems mit grenzüberschreitender Dimension durch einen Verweis auf die unterschiedlichen Verbrauchergewohnheiten und die unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen in den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Abrede zu stellen. Da Mentholzigaretten nur in drei Mitgliedstaaten – namentlich in Polen, der Slowakei und Finnland – vergleichsweise hohe Marktanteile erzielen, können gesundheitspolitische Maßnahmen in Bezug auf die Verwendung von Menthol als charakteristischem Aroma in Tabakerzeugnissen nach Ansicht von Polen auf der nationalen Ebene getroffen werden.

156. Dieses Argument ist aus zwei Gründen nicht stichhaltig.

157. Zum einen verkennt Polen die eigentliche Zielsetzung der beschlossenen Maßnahmen. Weder die Richtlinie im Allgemeinen noch das streitige Verbot von Mentholzigaretten im Besonderen ist rein gesundheitspolitischer Natur. Vielmehr wird damit der Abbau von Handelshemmnissen für Tabakerzeugnisse unter gleichzeitiger Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus bezweckt. Wie bereits erwähnt(88), ist das Verbot aller charakteristischen Aromen der Preis für die Zirkulationsfähigkeit von Tabakerzeugnissen auf dem Binnenmarkt unter gleichzeitiger Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus. Wo aber eine Richtlinie, wie hier, zwei Ziele zugleich verfolgt, zwischen denen überdies eine Wechselwirkung besteht, können diese Ziele im Rahmen des Subsidiaritätstests nicht getrennt betrachtet werden, sondern sind gemeinsam zu würdigen(89).

158. Zum anderen ist der Umstand allein, dass sich die Marktgegebenheiten von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterscheiden, nicht geeignet, das Vorliegen eines Problems mit grenzüberschreitender Dimension auszuschließen. In den seltensten Fällen wird die Marktsituation in allen Mitgliedstaaten vor dem Erlass einer Binnenmarkt-Harmonisierungsmaßnahme die gleiche sein. Darauf kommt es im Übrigen auch gar nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob auf dem jeweiligen Sektor ein nennenswerter grenzüberschreitender Handel zu verzeichnen oder zu erwarten ist und ob die für diesen Handel bestehenden oder zu erwartenden Hemmnisse durch die Mitgliedstaaten allein wirksam gelöst werden können.

159. Im vorliegenden Fall steht fest, dass sich der Markt für Tabakerzeugnisse durch einen regen grenzüberschreitenden Handel auszeichnet(90), dass die in den Mitgliedstaaten geltenden Regelungen über die Verwendung charakteristischer Aromen weit auseinandergehen und dass weitere Divergenzen zu erwarten sind(91).

160. Unter diesen Umständen kann dem Unionsgesetzgeber kein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorgeworfen werden, wenn er annimmt, es liege ein Problem mit grenzüberschreitender Dimension vor, welches allein durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht gelöst werden könne(92).

ii)    Positive Komponente des Subsidiaritätstests: Maßnahmen, die wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind

161. Was sodann die positive Komponente des Subsidiaritätstests betrifft, so ist zu prüfen, ob die Ziele der zu treffenden Maßnahmen bezüglich der Herstellung, der Aufmachung und des Verkaufs von Tabakerzeugnissen wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Unionsebene verwirklicht werden konnten.

162. Es geht also bei dieser zweiten Etappe des Subsidiaritätstests um die Frage, ob ein Handeln der Unionsorgane einen Mehrwert in dem Sinne mit sich bringt, dass dem Allgemeininteresse der Union mit einer Maßnahme auf Unionsebene besser gedient sein kann als mit Maßnahmen, die auf mitgliedstaatlicher Ebene getroffen werden(93).

163. Letztlich sind damit die politischen Unionsorgane vor dem Erlass eines jedes Rechtsakts, der nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fällt, aufgerufen, sich auf die Regelung bedeutsamer Fragen zu beschränken, die im gemeinsamen europäischen Interesse stehen.

164. Zwar existiert eine starke Vermutung für einen Mehrwert des Handelns auf Unionsebene, wenn der in Rede stehende Unionsrechtsakt die Lösung von Problemen mit grenzüberschreitender Dimension, insbesondere die Ausräumung von Handelshemmnissen und damit die Verbesserung des Funktionierens des Europäischen Binnenmarkts, zum Ziel hat (Art. 26 Abs. 1 AEUV). Jedoch darf ein Binnenmarktbezug nicht automatisch zu der Annahme verleiten, dass die positive Komponente des Subsidiaritätstests notwendigerweise als erfüllt angesehen wird. Ansonsten wäre das Subsidiaritätsprinzip in Binnenmarktangelegenheiten eines Großteils seiner praktischen Wirksamkeit beraubt.

165. Ob das Handeln der Unionsorgane einen Mehrwert in dem beschriebenen Sinne hat, sollte vielmehr – nicht zuletzt in Binnenmarktangelegenheiten – sowohl quantitativ als auch qualitativ beurteilt werden. In quantitativer Hinsicht ist der Mehrwert eines Tätigwerdens auf Unionsebene umso offensichtlicher, je mehr Unionsbürger oder Marktteilnehmer betroffen sind und je größer das erfasste Handelsvolumen sich darstellt. In qualitativer Hinsicht ist die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Bedeutung der zu regelnden Materie mit Blick auf die Ziele der Union zu beurteilen, wie sie in Art. 3 EUV niedergelegt sind, unter Berücksichtigung der grundlegenden Werte, auf denen sich die Union gemäß Art. 2 EUV gründet. Auch die Neuartigkeit eines Produkts, für das mangels einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen noch überhaupt kein Markt besteht, kann für ein Tätigwerden auf Unionsebene sprechen(94).

166. All diese Überlegungen sind stets mit Blick auf das Allgemeininteresse der Union anzustellen; die Situation des einen oder anderen Mitgliedstaats für sich betrachtet ist dabei – entgegen der Auffassung von Polen – im Normalfall nicht ausschlaggebend(95). Etwas anderes mag ausnahmsweise dann gelten, wenn die in Aussicht genommenen Maßnahmen der Unionsorgane die nationale Identität eines Mitgliedstaats (Art. 4 Abs. 2 EUV) oder seine grundlegenden Interessen berühren. Im vorliegenden Fall liegen jedoch dafür keinerlei Anhaltspunkte vor. Es wäre auch mehr als überraschend, wollte man die Problematik rund um die Herstellung, den Verkauf und den Konsum von Mentholzigaretten ernsthaft als eine Frage des nationalen Interesses ansehen.

167. Abgesehen davon lässt sich nicht abstreiten, dass die Herstellung, die Aufmachung und der Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen einen Markt mit einem erheblichen Handelsvolumen betreffen und sich auf das tägliche Leben von Millionen Unionsbürgern auswirken. Außerdem dreht es sich beim Handel mit Tabakerzeugnissen auch in qualitativer Hinsicht über Staatsgrenzen hinweg um ein bedeutsames Thema, nicht zuletzt wegen der mit dem Rauchen verbundenen Gesundheitsrisiken, so dass hier ein gemeinsames europäisches Interesse ohne jeden Zweifel angenommen werden kann.

168. Unter diesen Umständen kann dem Unionsgesetzgeber kein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorgeworfen werden, wenn er annimmt, es liege hier ein Problem mit grenzüberschreitender Dimension vor, das besser auf Unionsebene als auf mitgliedstaatlicher Ebene gelöst werden kann(96).

169. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man in die Überlegungen das WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums mit einbezieht. Als Vertragspartei dieses Übereinkommens war die Union verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zu dessen Umsetzung beizutragen, wobei sie auch die Empfehlungen zu bedenken hatte, die sich aus den Leitlinien zur Umsetzung der Art. 9 und 10 jenes Übereinkommens ergaben(97). Eine solche internationale Verpflichtung ist bei der Frage mit zu berücksichtigen, ob und in welcher Weise die Unionsorgane die ihnen zustehenden Kompetenzen ausüben.

170. Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass selbst bei Vorliegen eines gemeinsamen europäischen Interesses und gewisser internationaler Verpflichtungen nicht sämtliche Aspekte der Herstellung, der Aufmachung und des Verkaufs von Tabakerzeugnissen oder verwandten Erzeugnissen zum gegenwärtigen Zeitpunkt notwendigerweise einer unionsrechtlichen Regelung bedürfen. So handelt es sich bei der Umsetzung der getroffenen Regelungen, der Überwachung ihrer Einhaltung vor Ort sowie bei der Verhängung etwaiger Sanktionen um Fragen, bei denen die Union regelmäßig davon ausgehen darf, dass sie besser von den innerstaatlichen Stellen unter Beachtung der nationalen, regionalen und lokalen Besonderheiten gelöst werden können. Dementsprechend überlässt auch die hier streitige Richtlinie solche Aufgaben weitestgehend den Mitgliedstaaten.

171. Insgesamt lässt sich somit in Bezug auf die Richtlinie – wie schon in Bezug auf ihre Vorläuferin(98) – kein inhaltlicher Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip feststellen. Diese Schlussfolgerung wird im Übrigen nicht dadurch infrage gestellt, dass während des Gesetzgebungsverfahrens eine Reihe nationaler Parlamente begründete Stellungnahmen im Sinne von Art. 6 des Protokolls Nr. 2 abgegeben haben(99). Denn einerseits waren die in jenen Stellungnahmen enthaltenen Subsidiaritätsrügen nicht zahlreich genug, um das Verfahren der „gelben Karte“ nach Art. 7 Abs. 2 des Protokolls Nr. 2 auszulösen, und andererseits beruhen solche Rügen weniger auf einer rechtlichen als vielmehr auf einer politischen Bewertung des von der Kommission vorgelegten Entwurfs eines Gesetzgebungsakts.

b)      Hinreichende Begründung der Richtlinie mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip

172. Als Zweites rügt Polen, die Subsidiaritätsanforderungen seien in der Präambel der Richtlinie nicht hinreichend gewürdigt worden. Damit macht Polen letztlich geltend, dass die Richtlinie mit einem Begründungsmangel behaftet ist.

173. Nach ständiger Rechtsprechung muss die gemäß Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Unionsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann(100).

174. Steht die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips auf dem Prüfstand, so muss aus der Begründung des Unionsrechtsakts erkennbar werden, ob sich der Unionsgesetzgeber hinreichend mit den Fragen auseinandergesetzt hat, die im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip von Relevanz sind, und wenn ja, zu welchen Schlussfolgerungen er mit Blick auf die Subsidiarität gelangt ist.

175. Diesbezüglich bemängelt Polen, in der Präambel der Richtlinie finde sich nur ein einziger Erwägungsgrund zum Subsidiaritätsprinzip, und zwar der Erwägungsgrund 60, der überdies lediglich eine Standardformulierung enthalte.

176. In der Tat beschränkt sich besagter Erwägungsgrund 60 auf die lapidare Festsstellung, dass „die Ziele dieser Richtlinie, nämlich die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind“, und schlussfolgert daraus, dass „die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden [kann]“.

177. Eine solche Formulierung, die letztlich textbausteinartig den bloßen Wortlaut der einschlägigen Bestimmung aus dem EU-Vertrag reproduziert, ist nicht gerade ein leuchtendes Beispiel für die viel beschworene Technik der „besseren Rechtsetzung“, die sich die Unionsorgane seit geraumer Zeit auf die Fahnen geschrieben haben.

178. Sicherlich sollte die bloße Existenz einer derartigen Standardformulierung in der Präambel eines Unionsrechtsakts nicht zu voreiligen Schlüssen bezüglich der Einhaltung der Begründungserfordernisse führen. Gleichwohl legt eine solche Formulierung nahe, dass die Begründung jenes Rechtsakts mangelhaft ist. Zwar lässt sich ihr immerhin entnehmen, dass der Unionsgesetzgeber selbst von der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips überzeugt war, aber es wird aus ihr nicht klar erkennbar, welche Erwägungen genau er zur Subsidiaritätsproblematik angestellt hat und wie intensiv er sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat.

179. Zur Nichtigerklärung des angefochtenen Unionsrechtsakts muss eine derart floskelartige Formulierung, wie sie im vorliegenden Fall Erwägungsgrund 60 der Richtlinie enthält, allerdings nicht notwendigerweise führen. Relevante Gesichtspunkte zur Subsidiaritätsthematik können sich auch in anderen Erwägungsgründen der Präambel finden, selbst wenn dort nicht ausdrücklich auf das Subsidiaritätsprinzip Bezug genommen wird(101).

180. So verhält es sich hier: Die Unzulänglichkeiten eines Vorgehens auf nationaler Ebene sowie die Vorzüge des Erlasses einer Binnenmarkt-Harmonisierungsmaßnahme auf Unionsebene werden nicht zuletzt in den Erwägungsgründen 4 bis 7, 15, 16 und 36 der Richtlinie thematisiert. Wenngleich die dortigen Ausführungen in erster Linie auf die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage gemünzt sind, lassen sie sich doch zugleich auch im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip fruchtbar machen. Wie bereits erwähnt(102), überschneiden sich nämlich zu einem bedeutenden Teil die Erwägungen, die der Unionsgesetzgeber im Rahmen von Art. 114 AEUV und von Art. 5 Abs. 3 EUV anzustellen hat.

181. Abgesehen davon ist zu bedenken, dass die Begründung eines Unionsrechtsakts nach ständiger Rechtsprechung ohnehin nicht sämtliche rechtlich oder tatsächlich erheblichen Gesichtspunkte enthalten muss. Überdies ist die Beachtung der Begründungspflicht nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen, sondern auch anhand seines Kontexts und sämtlicher Rechtsvorschriften, die das betreffende Gebiet regeln(103). Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – der Erlass von Vorschriften mit allgemeiner Geltung bezweckt wird, deren Begründung sich auf eine eher allgemeine Beschreibung der Grundzüge der jeweiligen Regelung sowie der mit ihr verfolgten Ziele beschränken darf(104).

182. Im vorliegenden Fall ist von Belang, dass sich der Unionsgesetzgeber zum einen auf die Begründung des Richtlinienvorschlags der Kommission(105) sowie zum anderen auf eine umfassende Ausarbeitung der Kommissionsdienststellen im Rahmen der Folgenabschätzung(106) zu der nunmehr angefochtenen Richtlinie stützen konnte. Nicht nur in den speziell dem Subsidiaritätsprinzip gewidmeten Passagen, sondern auch in zahlreichen anderen Teilen dieser beiden Texte werden die Nachteile disparater innerstaatlicher Regelungen sowie die Vorzüge eines Vorgehens auf Unionsebene eingehend erörtert.

183. Damit ist hinreichend dokumentiert, dass den gesetzgebenden Organen umfassendes Material zur Verfügung stand, auf das sie ihre Einschätzung zur Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips stützen konnten.

184. Auch aus Art. 5 des Protokolls Nr. 2 lässt sich übrigens nicht folgern, dass die „detaillierten Angaben“, die der Vertrag von Lissabon in Subsidiaritätsfragen neuerdings zur Voraussetzung für die Gesetzgebung auf Unionsebene macht, notwendigerweise in der Präambel des vom Europäischen Parlament und vom Rat letztlich angenommenen Rechtsakts selbst enthalten sein müssten. Angesichts der Komplexität der zu diesem Zweck anzustellenden Erwägungen wäre dies auch kaum praktikabel und könnte leicht den Umfang einer solchen Präambel sprengen.

185. Entscheidend ist vielmehr, dass die in Art. 5 des Protokolls Nr. 2 eingeforderten „detaillierten Angaben“, wie im vorliegenden Fall völlig unstreitig geschehen, während des Gesetzgebungsverfahrens den zuständigen Unionsorganen wie auch den nationalen Parlamenten als Grundlage für ihre jeweilige Entscheidungsfindung zur Verfügung stehen. Dies lässt sich bei näherer Betrachtung sogar dem Wortlaut von Art. 5 des Protokolls Nr. 2 entnehmen: Jene Vorschrift bezieht sich nämlich allein auf die Entwürfe von Gesetzgebungsakten, nicht hingegen auf die von Parlament und Rat verabschiedeten Endprodukte ihrer gesetzgeberischen Tätigkeit.

186. Vor diesem Hintergrund ist der Vorwurf eines Begründungsmangels der Richtlinie im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip insgesamt nicht stichhaltig.

c)      Zwischenergebnis

187. Alles in allem kann also weder in materieller noch in formeller Hinsicht ein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip festgestellt werden. Folglich bleibt auch der dritte Klagegrund Polens ohne Erfolg.

188. Gleichwohl ist dem Unionsgesetzgeber dringend anzuraten, in Zukunft von floskelartigen Formulierungen, wie sie hier im Erwägungsgrund 60 der Richtlinie enthalten sind, abzusehen und statt dessen die Präambel des betreffenden Unionsrechtsakts mit hinreichend substanziellen und stärker auf die jeweiligen Maßnahmen zugeschnittenen Ausführungen zum Subsidiaritätsprinzip aufzuwerten.

C –    Zusammenfassung

189. Da keiner der von Polen – streckenweise mit Unterstützung Rumäniens – geltend gemachten Klagegründe durchgreift, ist die Klage in ihrer Gesamtheit abzuweisen, und zwar teilweise als unzulässig(107) und teilweise als unbegründet.

V –    Kosten

190. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da nach der von mir vorgeschlagenen Lösung Polen mit seinem Vorbringen unterlegen ist und das Parlament und der Rat entsprechende Anträge gestellt haben, sind Polen die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

191. Abweichend davon tragen Irland, Frankreich, Rumänien, das Vereinigte Königreich und die Kommission als Streithelfer gemäß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung jeweils ihre eigenen Kosten.

VI – Ergebnis

192. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1)       Die Klage wird abgewiesen.

2)      Irland, die Französische Republik, Rumänien, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie die Europäische Kommission tragen jeweils ihre eigenen Kosten. Im Übrigen trägt die Republik Polen die Kosten des Rechtsstreits.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – In den Medien wurde beispielsweise darüber berichtet, wie der inzwischen verstorbene ehemalige deutsche Bundeskanzler einst angesichts des drohenden Aus für Mentholzigaretten Vorsorge traf: „Drohendes EU-Verbot: Helmut Schmidt hortet angeblich 200 Stangen Mentholzigaretten“ (Spiegel Online – Politik – 9. Juli 2013).


3 – Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. L 127, S. 1, im Folgenden: die Richtlinie).


4 – Vgl. dazu insbesondere die Urteile Deutschland/Parlament und Rat (C‑376/98, EU:C:2000:544), British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741), Arnold André (C‑434/02, EU:C:2004:800), Swedish Match (C‑210/03, EU:C:2004:802), Deutschland/Parlament und Rat (C‑380/03, EU:C:2006:772) und Kommission/Dänemark (C‑468/14, EU:C:2015:504).


5 – Rechtssache C‑477/14 (Pillbox 38).


6 – Rechtssache C‑547/14 (Philip Morris Brands u. a.).


7 – Urteile Jamet/Kommission (37/71, EU:C:1972:57, Rn. 11), Kommission/Verhuizingen Coppens (C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 38), Kommission/Parlament und Rat (C‑427/12, EU:C:2014:170, Rn. 16) und Kommission/Rat (C‑425/13, EU:C:2015:483, Rn. 94).


8 – Urteile Frankreich/Parlament und Rat (C‑244/03, EU:C:2005:299, Rn. 13), Kommission/Verhuizingen Coppens (C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 38), Kommission/Parlament und Rat (C‑427/12, EU:C:2014:170, Rn. 16) und Kommission/Rat (C‑425/13, EU:C:2015:483, Rn. 94); im selben Sinne bereits Urteil Frankreich u. a./Kommission (C‑68/94 und C‑30/95, EU:C:1998:148, Rn. 257 bis 259).


9 – Ständige Rechtsprechung, vgl., statt vieler, Urteile Kommission/Parlament und Rat (C‑411/06, EU:C:2009:518, Rn. 27), Vereinigtes Königreich/Rat (C‑209/13, EU:C:2014:283, Rn. 30) und Parlament/Rat (C‑540/13, EU:C:2015:224, Rn. 9).


10 – Der Termin 20. Mai 2020 ergibt sich aus Art. 7 Abs. 14 der Richtlinie, da die unionsweiten Verkaufsmengen von Mentholzigaretten nach den übereinstimmenden Angaben der Verfahrensbeteiligten 3 % übersteigen.


11 – Urteil Vereinigtes Königreich/Rat und Parlament (C‑270/12, EU:C:2014:18, Rn. 100).


12 – Urteile British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 60), Vodafone u. a. (C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 32) und Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission (C‑398/13 P, EU:C:2015:535, Rn. 26).


13 – Urteile Arnold André (C‑434/02, EU:C:2004:800, Rn. 34 und 35) und Swedish Match (C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 33 und 34). Auch dem jüngst ergangenen Urteil Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission (C‑398/13 P, EU:C:2015:535) lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem Art. 95 EG (nunmehr Art. 114 AEUV) als Rechtsgrundlage für das Verbot der Vermarktung von Erzeugnissen auf dem Europäischen Binnenmarkt diente.


14 – Vgl. auch Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie.


15 – Soweit Polen die gleichen Argumente auch im Rahmen des zweiten Klagegrundes mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend macht, werden sie im Folgenden von mir mitbehandelt, und ich werde weiter unten nicht erneut auf sie eingehen.


16 – Urteile Deutschland/Parlament und Rat (C‑380/03, EU:C:2006:772, Rn. 37), Vodafone u. a. (C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 32) und Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission (C‑398/13 P, EU:C:2015:535, Rn. 26).


17 – Urteile Deutschland/Parlament und Rat (C‑376/98, EU:C:2000:544, Rn. 84 und 106), Vodafone u. a. (C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 32) und Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission (C‑398/13 P, EU:C:2015:535, Rn. 26).


18 – Urteile Rewe-Zentrale des Lebensmittel-Großhandels (45/75, EU:C:1976:22, Rn. 12), John Walker (243/84, EU:C:1986:100, Rn. 11), Arnold André (C‑434/02, EU:C:2004:800, Rn. 69) und Swedish Match (C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 71).


19 – Urteile Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 25 und 26), Association belge des Consommateurs Test-Achats u. a. (C‑236/09, EU:C:2011:100, Rn. 29), Ziegler/Kommission (C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 167) und Feakins (C‑335/13, EU:C:2014:2343, Rn. 51).


20 – Insoweit stellt sich der vorliegende Fall grundlegend anders dar als die Rechtssache Pillbox 38 (C‑477/14, vgl. meine Schlussanträge vom heutigen Tage in jener Rechtssache, Rn. 47 bis 49), in der nicht verschiedene Typen herkömmlicher Tabakerzeugnisse untereinander zu vergleichen sind, sondern eine Gegenüberstellung zwischen herkömmlichen Tabakerzeugnissen einerseits und elektronischen Zigaretten andererseits vorzunehmen ist, was dort erhebliche Unterschiede zutage fördert.


21 – Vgl. insbesondere Art. 1 am Ende sowie Erwägungsgründe 5, 6, 8 und 36 der Richtlinie.


22 – Vgl. dazu auch Erwägungsgrund 16 der Richtlinie.


23 – Vgl. dazu den Hinweis auf die Konsumgewohnheiten in Erwägungsgrund 16 der Richtlinie.


24 – Daraus schließt Polen, dass junge Menschen durch Mentholzigaretten nicht in nennenswertem Umfang zum Einstieg in den Tabakkonsum verleitet werden.


25 – Urteile Arnold André (C‑434/02, EU:C:2004:800, Rn. 69) und Swedish Match (C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 71).


26 – Art. 1 am Ende sowie Erwägungsgründe 8 und 19 der Richtlinie.


27 – Vgl. oben, Rn. 40 und 52 dieser Schlussanträge.


28 – Vgl. dazu die Folgenabschätzung („Impact Assessment“), von den Kommissionsdienststellen vorgelegt am 19. Dezember 2012, Dok. SWD (2012) 452 endgültig, dort insbesondere Teil 1, S. 101. Darin heißt es im Zusammenhang mit dem geplanten Verbot charakteristischer Aromen: „… a certain impact is also expected for established smokers“.


29 – Im selben Sinne der Bericht des Ständigen Berufungsgremiums der WTO vom 4. April 2012 (WT/DS406/AB/R, „United States – Measures affecting the production and sale of clove cigarettes“, abrufbar auf der Internetseite der WTO unter www.wto.org), wo von der Vergleichbarkeit zwischen Zigaretten mit Nelkenaroma und solchen mit Mentholaroma ausgegangen wird (vgl. insbesondere die Schlussfolgerungen in Rn. 298 jenes Berichts).


30 – Beispielsweise untersagte Deutschland die Verwendung aller aromatisierten Kapseln in Zigaretten, Belgien hingegen nur die Verwendung von Mentholkapseln. Frankreich sah Grenzwerte für die Verwendung von Zusatzstoffen vor, die einen süßlichen oder säuerlichen Geschmack verleihen. Litauen wiederum verbot bestimmte Aromen komplett, so etwa all jene, die einen Vanille- oder Nelkengeschmack erzeugen. Ein Gesamtüberblick zu dieser Thematik findet sich in der von den Kommissionsdienststellen am 19. Dezember 2012 vorgelegten Folgenabschätzung („Impact Assessment“), Dok. SWD (2012) 452 endgültig, dort insbesondere Teil 1, S. 34, und Teil 4,S. 6.


31 – Erwägungsgrund 6 der Richtlinie; im selben Sinne bereits die Urteile British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 64), Arnold André (C‑434/02, EU:C:2004:800, Rn. 39) und Swedish Match (C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 38).


32 – Um es mit den Worten des Gerichtshofs zu sagen, setzt der Rückgriff auf Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage nicht voraus, dass in jeder der Situationen, die von einem auf diese Grundlage gestützten Rechtsakt erfasst werden, ein tatsächlicher Zusammenhang mit dem freien Verkehr zwischen Mitgliedstaaten besteht. Entscheidend ist vielmehr, dass der auf Art. 114 AEUV gestützte Rechtsakt insgesamt tatsächlich die Bedingungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts verbessern soll (vgl. Urteil Deutschland/Parlament und Rat, C‑380/03, EU:C:2006:772, Rn. 80).


33 – Vgl. dazu auch den Erwägungsgrund 16 der Richtlinie, aus dem sich schließen lässt, dass die besondere Besorgnis des Unionsgesetzgebers charakteristischen Aromen gilt, die geeignet sind, die Konsumgewohnheiten zu beeinflussen.


34 – Vgl. dazu die Nachweise in der Folgenabschätzung („Impact Assessment“), von den Kommissionsdienststellen vorgelegt am 19. Dezember 2012, Dok. SWD (2012) 452 endgültig, dort insbesondere Teil 1, S. 34.


35 – Urteil Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission (C‑398/13 P, EU:C:2015:535, Rn. 24). Im selben Sinne Urteile Arnold André (C‑434/02, EU:C:2004:800, Rn. 38) und Swedish Match (C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 37).


36 – Vgl. dazu meine Ausführungen im Zusammenhang mit dem zweiten und dem dritten Klagegrund.


37 – Siehe meine Schlussanträge in der Rechtssache Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission (C‑398/13 P, EU:C:2015:190, Rn. 51).


38 – Urteile Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat (C‑66/04, EU:C:2005:743, Rn. 45), Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat (C‑217/04, EU:C:2006:279, Rn. 43) und Vodafone u. a. (C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 35).


39 – Vgl. dazu oben, Rn. 66 dieser Schlussanträge.


40 – Urteile Alliance for Natural Health u. a. (C‑154/04 und C‑155/04, EU:C:2005:449, Rn. 29), Deutschland/Parlament und Rat (C‑380/03, EU:C:2006:772, Rn. 38 und 41) und Irland/Parlament und Rat (C‑301/06, EU:C:2009:68, Rn. 64).


41 – Genehmigt durch Beschluss 2004/513/EG des Rates vom 2. Juni 2004 (ABl. L 213, S. 8).


42 – Vgl. dazu die „Partiellen Leitlinien für die Umsetzung der Artikel 9 und 10“, beschlossen von der Konferenz der Vertragsparteien des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs anlässlich ihrer vierten Sitzung in Punta del Este (2010), FCTC/COP/4(10), und geändert anlässlich ihrer fünften Sitzung in Seoul (2012), FCTC/COP/5(6), im Folgenden auch: Leitlinien oder WHO-Leitlinien. In Ziff. 3.1.2.2 jener Leitlinien, die sich ausdrücklich auch auf Menthol als Geschmackszutat bezieht, heißt es: „Parties should regulate, by prohibiting or restricting, ingredients that may be used to increase palatability in tobacco products“.


43 – Ebd., Ziff. 1.1.


44 – Der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, KOM(2012) 788 endgültig, wurde am 19. Dezember 2012 vorgelegt. Die internen Vorbereitungen und die Anhörungen der Kommission fanden dementsprechend schon früher statt.


45 – Im selben Sinne meine Schlussanträge in der Rechtssache Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission (C‑398/13 P, EU:C:2015:190, Rn. 34, letzter Satz).


46 – Urteile Maizena u. a. (137/85, EU:C:1987:493, Rn. 15), Vereinigtes Königreich/Rat (C‑84/94, EU:C:1996:431, Rn. 57), British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 122), Digital Rights Ireland (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 46) und Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 67).


47 – Urteile Schräder HS Kraftfutter (265/87, EU:C:1989:303, Rn. 21), Jippes u. a. (C‑189/01, EU:C:2001:420, Rn. 81) und ERG u. a. (C‑379/08 und C‑380/08, EU:C:2010:127, Rn. 86); im selben Sinne auch Urteil Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 91).


48 – Urteil Digital Rights Ireland (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 47).


49 – Urteil Sky Österreich (C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 46).


50 – Urteile British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 123), S.P.C.M. u. a. (C‑558/07, EU:C:2009:430, Rn. 42), Vodafone u. a. (C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 52) und Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 67).


51 – Urteil Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 74, 81 und 91); im selben Sinne bereits Urteile Vodafone u. a. (C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 52), S.P.C.M. u. a. (C‑558/07, EU:C:2009:430, Rn. 42) und Afton Chemical (C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 46).


52 – Der Gerichtshof erkennt seinerseits an, dass das in Tabakerzeugnissen enthaltene Nikotin zur Abhängigkeit führt und seine Giftigkeit außer Frage steht (Urteile Arnold André, C‑434/02, EU:C:2004:800, Rn. 50, und Swedish Match, C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 52).


53 – Vgl. dazu oben, Rn. 52 dieser Schlussanträge.


54 – Vgl. in diesem Sinne das Urteil Alliance for Natural Health u. a. (C‑154/04 und C‑155/04, EU:C:2005:449, Rn. 68), in dem der Gerichtshof betont, dass der Unionsgesetzgeber „das Vorsorgeprinzip zu beachten hat, wenn er im Rahmen der Binnenmarktpolitik Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit erlässt“.


55 – Urteile Vereinigtes Königreich/Kommission (C‑180/96, EU:C:1998:192, Rn. 99), Kommission/Dänemark (C‑192/01, EU:C:2003:492, Rn. 52 und 53), Kommission/Frankreich (C‑333/08, EU:C:2010:44, Rn. 93), Afton Chemical (C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 60 bis 62) und Acino/Kommission (C‑269/13 P, EU:C:2014:255, Rn. 57).


56 – Vgl. dazu oben, Rn. 77 bis 79 dieser Schlussanträge.


57 – Urteile Kommission/Dänemark (C‑192/01, EU:C:2003:492, Rn. 51), Kommission/Frankreich (C‑333/08, EU:C:2010:44, Rn. 92) und Afton Chemical (C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 60); vgl. auch Urteil Monsanto Agricoltura Italia u. a. (C‑236/01, EU:C:2003:431, Rn. 113).


58 – Auch die WHO-Leitlinien (oben in Fn. 41 angeführt), an denen sich der Unionsgesetzgeber ausweislich von Art. 1 und Erwägungsgrund 7 der Richtlinie orientiert hat, beruhen auf den „besten verfügbaren wissenschaftlichen Nachweisen und Erfahrungen der Vertragsparteien“ (vgl. dazu Ziff. 1.1 jener Leitlinien).


59 – Vgl. oben, Rn. 53 dieser Schlussanträge.


60 – Im selben Sinne Urteil British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 129). Ein ähnlicher Gedanke findet sich überdies in meinen Schlussanträgen in den Rechtssachen CHEZ Razpredelenie Bulgaria (C‑83/14, EU:C:2015:170, Rn. 123) und Belov (C‑394/11, EU:C:2012:585, Rn. 107 und 108).


61 – Vgl. dazu oben, Rn. 48 bis 57 dieser Schlussanträge.


62 – Erwägungsgrund 7 der Richtlinie.


63 – Vgl. dazu oben, Rn. 77 bis 79 sowie Rn. 96 dieser Schlussanträge.


64 – Dem steht nicht entgegen, dass Menthol gemäß einer von Polen zitierten Studie der am wenigsten häufig genannte Grund sein soll, warum Personen mit dem Rauchen anfangen. Denn die Eliminierung jeder noch so kleinen Ursache ist geeignet, zur Verwirklichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus auf dem Binnenmarkt für Tabakerzeugnisse beizutragen.


65 – Bericht des Ständigen Berufungsgremiums der WTO vom 4. April 2012 (WT/DS406/AB/R, „United States – Measures affecting the production and sale of clove cigarettes“, abrufbar auf der Internetseite der WTO unter www.wto.org), dort insbesondere Rn. 298.


66 – Vgl. im selben Sinne – in Bezug auf das Verbot der Vermarktung von Tabakerzeugnissen zum oralen Gebrauch – Urteile Arnold André (C‑434/02, EU:C:2004:800, Rn. 47) und Swedish Match (C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 49).


67 – Urteile Arnold André (C‑434/02, EU:C:2004:800, Rn. 55) und Swedish Match (C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 56).


68 – Urteile Schräder HS Kraftfutter (265/87, EU:C:1989:303, Rn. 21), Jippes u. a. (C‑189/01, EU:C:2001:420, Rn. 81) und ERG u. a. (C‑379/08 und C‑380/08, EU:C:2010:127, Rn. 86); im selben Sinne auch Urteil Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 91).


69 – Urteile Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 59), Vodafone u. a. (C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 53) und Luxemburg/Parlament und Rat (C‑176/09, EU:C:2011:290, Rn. 63).


70 – Protokoll Nr. 2 zum EU-Vertrag und zum AEU-Vertrag (im Folgenden: Protokoll Nr. 2).


71 – „Impact Assessment“, von den Kommissionsdienststellen vorgelegt am 19. Dezember 2012, Dok. SWD (2012) 452 endgültig, dort insbesondere Teil 1, S. 98 ff., 120 ff.


72 – Auch der Gerichtshof schenkt bei der Prüfung der Gültigkeit von Unionsrechtsakten bisweilen einer solchen Folgenabschätzung der Kommission Beachtung (vgl. etwa Urteil Vodafone u. a., C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 55 und 65).


73 – Vgl. oben, Rn. 48 bis 57 dieser Schlussanträge.


74 – Im selben Sinne Urteil Nelson u. a. (C‑581/10 und C‑629/10, EU:C:2012:657, Rn. 81), bezogen auf den Verbraucherschutz.


75 – So wirken sich etwa unionsrechtliche Umweltschutzvorgaben für Autos stärker auf diejenigen Mitgliedstaaten aus, in denen die Automobilwirtschaft eine wichtige Rolle spielt. Ebenso würden sich Unionsrechtsakte über die Herstellung und Vermarktung von Bier stärker in jenen Mitgliedstaaten auswirken, die über eine nennenswerte Produktion dieses Getränks verfügen und in denen der Verbrauch dieses Getränks am höchsten ist.


76 – In der Klage wird darauf hingewiesen, dass Polen zu den Mitgliedstaaten gehört, in denen Mentholzigaretten in der Produktion wie auch im Verbrauch ein vergleichsweise hoher Anteil zukommt. Im Fall eines Verbots von Mentholzigaretten geht Polen von einem Umsatzrückgang pro Tabak erzeugendem Landwirt von 400 Euro bis 500 Euro im Jahr aus. Außerdem sieht Polen einen Umsatzrückgang bei den zumeist kleinen und mittelständischen Verkaufsstellen für Tabakerzeugnisse als wahrscheinlich an, ohne diesen jedoch zu beziffern.


77 – Urteil Deutschland/Parlament und Rat (C‑376/98, EU:C:2000:544, Rn. 83).


78 – So auch schon die bisherige, auf die Zeit vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon bezogene Rechtsprechung; vgl. Urteile British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 179) und Vodafone u. a. (C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 75).


79 – Vgl. insbesondere Urteile Deutschland/Parlament und Rat (C‑233/94, EU:C:1997:231, Rn. 23 bis 29), Niederlande/Parlament und Rat (C‑377/98, EU:C:2001:523, Rn. 30 bis 34), British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 177 bis 185), Vodafone u. a. (C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 72 bis 79) und Estland/Parlament und Rat (C‑508/13, EU:C:2015:403, Rn. 44 bis 55).


80 – In diesem Sinne auch Urteil Estland/Parlament und Rat (C‑508/13, EU:C:2015:403, Rn. 51).


81 – Vgl. oben, Rn. 48 bis 57 dieser Schlussanträge.


82 – Vgl. dazu oben, Rn. 89 und 90 dieser Schlussanträge.


83 – In diesem Sinne einige in der jüngeren Rechtsprechung verwendete Formulierungen; vgl. einerseits das Urteil Estland/Parlament und Rat (C‑508/13, EU:C:2015:403, Rn. 54: „…sofern der Unionsgesetzgeber … auf der Grundlage detaillierter Angaben und ohne Beurteilungsfehler davon ausgegangen ist, dass dem Allgemeininteresse der Union mit einer Maßnahme auf Unionsebene besser gedient sein könne“) und andererseits Urteil Vodafone u. a. (C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 78, wo erörtert wird, ob der Unionsgesetzgeber „berechtigterweise annehmen durfte“, dass der Erlass bestimmter Regelungen auf Unionsebene notwendig war).


84 – Insoweit lohnt sich ein Blick auf die Rechtsprechung zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die je nach dem betroffenen Sachgebiet oder Grundrecht einen mehr oder weniger strengen gerichtlichen Kontrollmaßstab zugrunde legt (vgl. etwa einerseits Urteil Digital Rights Ireland, C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 47, und andererseits Urteil Sky Österreich, C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 46).


85 – In diesem Sinne bereits das „Gesamtkonzept für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips“, beschlossen vom Europäischen Rat auf seiner Tagung in Edinburgh am 11. und 12. Dezember 1992 (vgl. dazu die Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Teil A, Anlage 1, Abschnitt II Ziff. ii, abgedruckt in Bull.EG Nr. 12/1992), wo von „transnationalen Aspekten“ die Rede ist.


86 – Urteil Niederlande/Parlament und Rat (C‑377/98, EU:C:2001:523, Rn. 32).


87 – In diesem Sinne auch Urteile British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 182 und 183) sowie Alliance for Natural Health u. a. (C‑154/04 und C‑155/04, EU:C:2005:449, Rn. 106 und 107).


88 – Vgl. oben, Rn. 40 dieser Schlussanträge.


89 – In diesem Sinne Urteil Estland/Parlament und Rat (C‑508/13, EU:C:2015:403, Rn. 46 bis 48).


90 – Erwägungsgrund 6 der Richtlinie; im selben Sinne bereits die Urteile British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 64), Arnold André (C‑434/02, EU:C:2004:800, Rn. 39) und Swedish Match (C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 38).


91 – Vgl. oben, Rn. 59 und 62 dieser Schlussanträge.


92 – Vgl. dazu insbesondere Erwägungsgrund 60 der Richtlinie.


93 – Urteil Estland/Parlament und Rat (C‑508/13, EU:C:2015:403, Rn. 54).


94 – Siehe dazu meine Schlussanträge in der Rechtssache Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission (C‑398/13 P, EU:C:2015:190, Rn. 52).


95 – Vgl. nochmals Urteil Estland/Parlament und Rat (C‑508/13, EU:C:2015:403, Rn. 53 und 54).


96 – Vgl. dazu insbesondere Erwägungsgrund 60 der Richtlinie.


97 – Vgl. dazu oben, Rn. 78 und 79 dieser Schlussanträge.


98 – Vgl. dazu Urteil British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 181 bis 185).


99 – Auf der Grundlage des Richtlinienentwurfs der Kommission sind begründete Stellungnahmen der Parlamente Bulgariens, der Tschechischen Republik, Dänemarks, Griechenlands, Italiens, Portugals, Rumäniens und Schwedens eingegangen. Kaum eine dieser Stellungnahmen enthielt jedoch substanzielle Ausführungen zu dem hier streitigen Verbot von Mentholzigaretten.


100 – Urteile Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u. a. (II) (C‑466/93, EU:C:1995:370, Rn. 16), AJD Tuna (C‑221/09, EU:C:2011:153, Rn. 58) und Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 70).


101 – In diesem Sinne Urteile Deutschland/Parlament und Rat (C‑233/94, EU:C:1997:231, Rn. 25 bis 29) und Niederlande/Parlament und Rat (C‑377/98, EU:C:2001:523, Rn. 33).


102 – Vgl. oben, Rn. 143 dieser Schlussanträge.


103 – Vgl. nochmals Urteile Atlanta Fruchthandelsgesellschaft u. a. (II) (C‑466/93, EU:C:1995:370, Rn. 16), AJD Tuna (C‑221/09, EU:C:2011:153, Rn. 58) und Gauweiler u. a. (C‑62/14, EU:C:2015:400, Rn. 70), ferner Urteil Estland/Parlament und Rat (C‑508/13, EU:C:2015:403, Rn. 58, 59 und 61).


104 – In diesem Sinne Urteile Vereinigtes Königreich/Rat (C‑150/94, EU:C:1998:547, Rn. 25 und 26), AJD Tuna (C‑221/09, EU:C:2011:153, Rn. 59) und Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission (C‑398/13 P, EU:C:2015:535, Rn. 29).


105 – KOM(2012) 788 endgültig, von der Kommission vorgelegt am 19. Dezember 2012.


106 – „Impact Assessment“, von den Kommissionsdienststellen vorgelegt am 19. Dezember 2012, Dok. SWD (2012) 452 endgültig.


107 – Zu den unzulässigen Teilen dieser Klage vgl. oben, Rn. 24 bis 30 und 34 dieser Schlussanträge.