Language of document : ECLI:EU:F:2010:123

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION (Erste Kammer)

12. Oktober 2010(*)

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Ruhegehalt – Zahlung des Ruhegehalts – Verpflichtung, ein Bankkonto im Wohnsitzland zu eröffnen – Freier Dienstleistungsverkehr – Gesichtspunkt zwingenden Rechts – Gleichheitsgrundsatz“

In der Rechtssache F‑49/09

betreffend eine Klage nach den Art. 236 EG und 152 EA,

Eberhard Wendler, ehemaliger Beamter der Europäischen Kommission, wohnhaft in Laveno Mombello (Italien), vertreten durch Rechtsanwalt M. Müller-Trawinski,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch D. Martin und B. Eggers als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bauer und K. Zieleśkiewicz als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni sowie des Richters H. Kreppel (Berichterstatter) und der Richterin M. I. Rofes i Pujol,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2010

folgendes

Urteil

1        Mit Klageschrift, die am 12. Mai 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (Eingang der Urschrift am 15. Mai 2009), beantragt Eberhard Wendler, ehemaliger Beamter der Europäischen Kommission, die Aufhebung der Entscheidung, mit der die Kommission ihm aufgegeben hat, ihr eine Bankverbindung in seinem Wohnsitzland mitzuteilen, um sein Ruhegehalt dorthin überweisen zu können.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 82 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) sah in seiner Fassung vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 723/2004 des Rates vom 22. März 2004 am 1. Mai 2004 vor, dass die Versorgungsbezüge dem Berichtigungskoeffizienten für das Land innerhalb der Union unterliegen, in dem der Versorgungsberechtigte nachweislich seinen Wohnsitz hat.

3        Art. 82 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts in seiner seit dem 1. Mai 2004 geltenden Fassung sieht nunmehr vor, dass auf die Versorgungsbezüge kein Berichtigungskoeffizient angewandt wird.

4        Nach Art. 20 Abs. 1 des Anhangs XIII des Statuts, in dem die Übergangsmaßnahmen festgelegt sind, die durch das Inkrafttreten der Verordnung Nr. 723/2004 notwendig geworden sind, unterliegen die Versorgungsbezüge von Beamten, die vor dem 1. Mai 2004 in den Ruhestand getreten sind, jedoch weiterhin dem Berichtigungskoeffizienten für den Mitgliedstaat, in dem der Empfänger nachweislich seinen ersten Wohnsitz hat.

5        Art. 17 des Anhangs VII des Statuts über Dienstbezüge und Kostenerstattungen bestimmt in der Fassung der Verordnung Nr. 723/2004:

„(1)       Die einem Beamten zustehenden Bezüge werden an dem Ort und in der Währung des Landes gezahlt, in dem der Beamte seine Tätigkeit ausübt.

(2)       Nach Maßgabe einer von den Organen der Gemeinschaften im gegenseitigen Einvernehmen nach Stellungnahme des Statutsbeirats beschlossenen Regelung kann der Beamte einen Teil seiner Bezüge durch das Organ, dem er untersteht, regelmäßig in einen anderen Mitgliedstaat überweisen lassen.

Folgende Beträge können einzeln oder zusammen überwiesen werden:

a)       wenn Kinder eine Lehranstalt in einem anderen Mitgliedstaat besuchen, je unterhaltsberechtigtes Kind ein Höchstbetrag in Höhe der tatsächlich für dieses Kind bezogenen Erziehungszulage;

b)       gegen Vorlage gültiger Belege regelmäßige Beträge, die an jede andere, in dem betreffenden Mitgliedstaat niedergelassene Person, gegenüber der der Beamte Verpflichtungen aufgrund einer Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung zu erfüllen hat, zu zahlen sind.

Der Gesamtbetrag der unter Buchstabe b) genannten Überweisungen darf 5 % des Grundgehalts des Beamten nicht übersteigen.

(3)       Die Überweisungen nach Absatz 2 erfolgen auf der Grundlage der in Artikel 63 Absatz 2 des Statuts genannten Wechselkurse. Die überwiesenen Beträge werden mit einem Koeffizienten multipliziert, der sich aus der Differenz zwischen dem Berichtigungskoeffizienten, der für das Land, in das der Betrag überwiesen wird, im Sinne von Anhang XI Artikel 3 Absatz 5 Buchstabe b) des Statuts festgesetzt wird, und dem Berichtigungskoeffizienten, der auf das Gehalt des Beamten im Sinne von Anhang XI Artikel 3 Absatz 5 Buchstabe a) des Statuts angewandt wird, ergibt.

(4)       Neben den Überweisungen nach den Absätzen 1 bis 3 kann der Beamte beantragen, dass regelmäßig ein Betrag zum monatlichen Wechselkurs und ohne Anwendung eines Koeffizienten in einen anderen Mitgliedstaat überwiesen wird. Der so überwiesene Betrag darf 25 % des Grundgehalts des Beamten nicht übersteigen.“

6        Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts über die Versorgungsordnung lautet in der Fassung der Verordnung Nr. 723/2004:

„Versorgungsberechtigten mit Wohnsitz in der Europäischen Union werden die Versorgungsbezüge in Euro bei einer Bank des Wohnsitzmitgliedstaats gezahlt.“

 Sachverhalt

7        Der Kläger, der seit 1961 in Ispra (Italien) als Beamter tätig war, trat 1988 in den Ruhestand. Er begründete seinen Wohnsitz damals in Deutschland.

8        Während seiner aktiven Dienstzeit ließ der Kläger, der einen Zweitwohnsitz in Deutschland hatte, einen Teil seiner Bezüge auf ein in Deutschland bei der Badischen Beamtenbank eröffnetes Konto überweisen.

9        Ab seinem Eintritt in den Ruhestand wurde ihm sein Ruhegehalt auf das deutsche Bankkonto gezahlt.

10      Im Juni 2005 verlegte der Kläger seinen Wohnsitz nach Italien, sein Ruhegehalt wurde ihm jedoch weiterhin auf das Konto in Deutschland überwiesen.

11      Mit Schreiben vom 14. November 2005 teilte der Kläger der Kommission auf deren Bitte hin seine Bankverbindung in Italien mit. Er sprach sich jedoch dagegen aus, dass sein Ruhegehalt auf dieses Konto überwiesen werde, da er der Ansicht war, er könne nicht dazu gezwungen werden, auf die Zahlung des Ruhegehalts auf sein Konto in Deutschland zu verzichten.

12      Mit Schreiben vom 14. Februar 2008, bestätigt durch ein Schreiben vom 11. April 2008, forderte die Kommission den Kläger auf, ihr eine Bankverbindung in Italien, seinem Wohnsitzland, mitzuteilen, damit sie sein Ruhegehalt nach Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts dorthin überweisen könne. Diese Schreiben enthielten keinen Hinweis auf die Folgen einer Nichtbefolgung dieser Aufforderung.

13      Mit Schreiben vom 18. April 2008 erinnerte der Kläger die Kommission zunächst daran, dass er ihr bereits in seinem Schreiben vom 14. November 2005 eine Bankverbindung in Italien mitgeteilt hatte, wandte sich sodann jedoch gegen die Vorschrift des Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts und zeigte sich lediglich damit einverstanden, dass ein Drittel seines Ruhegehalts auf dieses in Italien eröffnete Konto gezahlt werde, während ihm der übrige Teil seines Ruhegehalts weiterhin auf sein Konto bei der Badischen Beamtenbank in Deutschland überwiesen werden solle.

14      Mit Schreiben vom 9. September 2008 (im Folgenden: streitige Entscheidung) antwortete die Kommission dem Kläger wie folgt:

„…

In den vergangenen Monaten habe ich zwei Schreiben an Sie gesandt, in denen Sie gebeten wurden, uns ein Bankkonto in Ihrem Wohnsitzland anzugeben, auf das Ihr Ruhegehalt gemäß Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts gezahlt werden soll.

Die Dienststellen meines Referats haben Ihr Schreiben erhalten, in dem Sie uns Ihre Weigerung bezüglich dieser Änderung der Bankverbindung mitteilen. Ich erlaube mir jedoch, Sie auf diese Verpflichtung aus dem Statut hinzuweisen.

Ein Bankkonto im Land des Hauptwohnsitzes zu unterhalten, ist als sehr wichtiger Anhaltspunkt für den Ort anerkannt worden, an dem der Ruhegehaltsempfänger den Hauptmittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Absicht begründet hat, diesem einen ständigen und dauerhaften Charakter zu verleihen.

Ich teile Ihnen daher mit, dass die Zahlung des Betrags, der sich aus der Anwendung des Berichtigungskoeffizienten auf Ihr Ruhegehalt ergibt, sofern keine positive Antwort von Ihnen eingeht, ab dem 1. November 2008 ausgesetzt wird. Die entsprechende Änderungsmitteilung wird Ihnen zu diesem Zeitpunkt zugesandt werden.

Die Aussetzung des Berichtigungskoeffizienten wird aufgehoben, sobald das beigefügte Bankverbindungsformular mit Angabe des neuen Bankkontos in Ihrem Wohnsitzland, in dem Sie Ihr Ruhegehalt beziehen werden, eingeht. Der Berichtigungskoeffizient wird Ihnen rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Aussetzung erneut gezahlt werden.

…“

15      Mit Schreiben vom 22. Oktober 2008 teilte der Kläger der Kommission mit, dass er mit der Überweisung seines Ruhegehalts auf das Konto in Italien, das er bereits in seinem Schreiben vom 14. November 2005 angegeben habe, einverstanden sei. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2008 legte er gleichwohl Beschwerde gegen die streitige Entscheidung ein und stellte erneut die Vorschrift des Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts in Frage.

16      Mit Entscheidung vom 19. Februar 2009 wies die Kommission die Beschwerde zurück.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten und Verfahren

17      Die Klage ist am 12. Mai 2009 erhoben worden.

18      Der Kläger beantragt,

–        die streitige Entscheidung aufzuheben;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

19      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

20      Mit Schriftsatz, der am 30. Juni 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rat der Europäischen Union beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

21      Mit Beschluss des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichts vom 10. September 2009 ist der Rat in der vorliegenden Rechtssache als Streithelfer zugelassen worden.

22      Mit Schreiben, das am 27. November 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rat mitgeteilt, dass er auf die Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes verzichte und sich den Anträgen und Ausführungen der Kommission in ihrer Klagebeantwortung in vollem Umfang anschließe.

23      Mit einer prozessleitenden Maßnahme hat das Gericht die Verfahrensbeteiligten aufgefordert, sich zu den Auswirkungen des Urteils des Gerichtshofs vom 25. Juni 2009, Kommission/Österreich (C‑356/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), auf den vorliegenden Rechtsstreit zu äußern. Die Verfahrensbeteiligten haben dem Folge geleistet.

 Rechtliche Würdigung

24      Zur Stützung seiner Klage macht der Kläger im Wege einer Einrede die Rechtswidrigkeit des Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts geltend, in dem es heißt: „Versorgungsberechtigten mit Wohnsitz in der Europäischen Union werden die Versorgungsbezüge … bei einer Bank des Wohnsitzmitgliedstaats gezahlt“. Nach Ansicht des Klägers verstößt diese Bestimmung gegen das Diskriminierungsverbot (erster Klagegrund) und beeinträchtigt die Kapitalverkehrs- und die Niederlassungsfreiheit sowie ganz allgemein die allgemeine Handlungsfreiheit (zweiter Klagegrund).

 Zum Klagegrund einer Beeinträchtigung der Kapitalverkehrs- und der Niederlassungsfreiheit sowie ganz allgemein der allgemeinen Handlungsfreiheit

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

25      Der Kläger trägt zunächst vor, Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts beeinträchtige dadurch die „allgemeine Handlungsfreiheit“, insbesondere die Kapitalverkehrs- und die Niederlassungsfreiheit, dass den pensionierten Beamten vorgeschrieben werde, sich ihr Ruhegehalt auf ein Konto in ihrem Wohnsitzland überweisen zu lassen.

26      In der Klageschrift macht er ferner geltend, dass Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts „auch dem Grundgedanken des Binnenmarktes [widerspricht,] nach dem auch für Bankdienstleistungen Konkurrenzangebote der Geldinstitute gemeinschaftsweit möglich sein sollen“.

27      Die Vorschrift des Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts habe ihn gezwungen, auf die Zahlung seines Ruhegehalts auf sein Konto bei der Badischen Beamtenbank zu verzichten, obwohl ihm diese Bank günstigere Konditionen biete als er bei einer Bank mit Sitz in Italien erhalten könne.

28      Schließlich trägt der Kläger vor, dass die Vorschrift des Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII in keiner Weise gerechtfertigt sei, da die Berichtigungskoeffizienten, denen die Ruhegehälter unterlegen hätten, mit Wirkung vom 1. Mai 2009 aufgehoben worden seien, und dass Überweisungen in die Mitgliedstaaten nunmehr gleich schnell eingerichtet und ausgeführt seien und dasselbe kosteten.

29      Die Kommission tritt dem entgegen und ersucht das Gericht, den Klagegrund zurückzuweisen.

30      Sie macht insbesondere geltend, dass die Ruhegehälter von Beamten, die vor dem 1. Mai 2004 in den Ruhestand getreten seien, entgegen dem Vorbringen des Klägers weiterhin einem Berichtigungskoeffizienten unterlägen und dass die Höhe dieses Berichtigungskoeffizienten von dem Land abhänge, in dem die Ruhegehaltsempfänger ihren ständigen Wohnsitz hätten. Daher sei es für die Anwendung des Berichtigungskoeffizienten gerechtfertigt, den pensionierten Beamten vorzuschreiben, dass ihr Ruhegehalt auf ein Konto bei einer Bank des Wohnsitzlands überwiesen werde, denn der Umstand, dass eine Person ihr Konto in einem Mitgliedstaat führe, sei ein Indiz dafür, dass sie sich dort dauerhaft ihren Lebensmittelpunkt eingerichtet habe.

31      Auch wenn die Leistungen, die den pensionierten Beamten zustünden, insbesondere die Ruhegehälter, keinem Berichtigungskoeffizienten unterlägen, könne nicht angenommen werden, dass Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts in die allgemeine Handlungsfreiheit und insbesondere in die Kapitalverkehrsfreiheit eingreife. Die pensionierten Beamten, denen die Ruhegehälter auf ein Konto in ihrem Wohnsitzland überwiesen würden, hätten nämlich stets die Möglichkeit, ihr Kapital von diesem Land in einen anderen Mitgliedstaat zu transferieren.

32      Schließlich bemerken die Kommission und der Rat auf die vom Gericht im Rahmen prozessleitender Maßnahmen an sie gerichtete Frage nach den Auswirkungen des oben genannten Urteils Kommission/Österreich auf den vorliegenden Rechtsstreit, dass der Kläger in der Klageschrift nicht geltend gemacht habe, dass Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoße.

33      In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eingeräumt, den Klagegrund des Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit in seiner Klageschrift nicht ausdrücklich geltend gemacht zu haben. Ein derartiger Klagegrund stelle aber jedenfalls einen Gesichtspunkt zwingenden Rechts dar, den das Gericht von Amts wegen zu prüfen habe und auf den sich die Beteiligten in jeder Lage des Verfahrens berufen könnten.

34      Im Übrigen hat der Kläger eingeräumt, in seiner Klageschrift irrtümlich ausgeführt zu haben, dass die Berichtigungskoeffizienten, denen die Ruhegehälter unterlägen, mit Wirkung vom 1. Mai 2009 aufgehoben worden seien. Dass diese Berichtigungskoeffizienten zumindest für die Beamten, die vor dem 1. Mai 2004 in den Ruhestand getreten seien, beibehalten worden seien, mache die Bestimmungen des Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts jedoch nicht rechtmäßig.

 Würdigung durch das Gericht

35      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen des Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts den Beamten im Ruhestand, der nach Eingang seines Ruhegehalts auf einem Konto bei einer Bank seines Wohnsitzlands beabsichtigt, dieses Ruhegehalt auf ein Konto bei einer Bank eines anderen Mitgliedstaats zu transferieren, keinen Beschränkungen unterwerfen. Daher kann der Kläger nicht behaupten, dass diese Bestimmungen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstießen.

36      Soweit der Kläger zweitens geltend macht, die Bestimmungen des Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts beeinträchtigten die Niederlassungsfreiheit, ist diese Rüge ebenso wenig begründet. Zwar schließen diese Bestimmungen aus, dass das Ruhegehalt eines Beamten im Ruhestand an eine Bank mit Sitz außerhalb seines Wohnsitzlands überwiesen wird, doch sind sie weder darauf gerichtet noch haben sie zur Folge, die Niederlassung von zunächst in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Banken im Wohnsitzland des Beamten im Ruhestand weniger attraktiv zu machen.

37      Drittens macht der Kläger geltend, die nach Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts bestehende Verpflichtung jedes Beamten im Ruhestand, sich sein Ruhegehalt auf eine Bank seines Wohnsitzlands überweisen zu lassen, habe ihn gezwungen, auf die günstigen Konditionen zu verzichten, von denen er aufgrund der Zahlung seines Ruhegehalts auf sein in Deutschland bei der Badischen Beamtenbank geführtes Konto profitiert habe. Er legt jedoch nichts dafür vor, dass er bei einer Bank mit Sitz in Italien nicht zumindest gleichwertige Konditionen erhalten könnte.

38      Daraus folgt, dass der Klagegrund, soweit er auf eine Beeinträchtigung der Kapitalverkehrs- und der Niederlassungsfreiheit sowie ganz allgemein der allgemeinen Handlungsfreiheit gestützt ist, zurückzuweisen ist.

39      Im Übrigen hat der Kläger in seinen auf die prozessleitenden Maßnahmen eingereichten Erklärungen zwar vorgetragen, die Bestimmungen des Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts seien auch unvereinbar mit dem freien Dienstleistungsverkehr; in der mündlichen Verhandlung hat er jedoch eingeräumt, dass er diese Rüge in seiner Klageschrift nicht ausdrücklich geltend gemacht habe. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass der Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit – anders als die Unzuständigkeit des Urhebers einer Handlung (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 2000, Salzgitter/Kommission, C‑210/98 P, Slg. 2000, I‑5843, Randnr. 56; Urteil des Gerichts vom 18. September 2007, Botos/Kommission, F‑10/07, Slg. ÖD 2007, I‑A‑1‑243 und II‑A‑1‑1345, Randnr. 78), das Fehlen einer Begründung (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 3. Oktober 2006, Nijs/Rechnungshof, T‑171/05, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑195 und II‑A‑2‑999, Randnr. 31) oder die Verkennung des Geltungsbereichs des Gesetzes (Urteil des Gerichts vom 23. September 2009, Neophytou/Kommission, F‑22/05 RENV, Slg. ÖD 2009, I‑A‑1‑327 und II‑A‑1‑1723, Randnrn. 56 und 57) – nicht zu den Gesichtspunkten zählt, die zwingendes Recht sind und infolgedessen in jeder Lage des Verfahrens berücksichtigt werden können. Unter diesen Umständen ist die Rüge als unzulässig zurückzuweisen, da sie nicht in der Klageschrift geltend gemacht worden ist.

 Zum Klagegrund des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

40      Der Kläger weist zunächst darauf hin, dass die im aktiven Dienst befindlichen Beamten nach Art. 17 Abs. 4 des Anhangs VII des Statuts zumindest bis zur Höhe von 25 % des Grundgehalts die freie Wahl hätten, sich ihre Bezüge auf ein Konto in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer dienstlichen Verwendung überweisen zu lassen. Dagegen verfügten die pensionierten Beamten, obgleich sie sich in einer vergleichbaren Situation befänden, nicht über eine solche Möglichkeit, da ihre gesamten Versorgungsbezüge, insbesondere das Ruhegehalt, nach Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts auf ein Konto in ihrem Wohnsitzland überwiesen werden müssten. Daher enthalte diese Bestimmung, da sie den pensionierten Beamten nicht dieselbe Möglichkeit einräume wie den aktiven Beamten, eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung und sei damit rechtswidrig.

41      Die Kommission tritt der Behauptung entgegen, Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts habe eine Diskriminierung der Beamten im Ruhestand gegenüber den Beamten im aktiven Dienst geschaffen, und macht insbesondere geltend, dass die Situation der Erstgenannten mit derjenigen der Letztgenannten nicht vergleichbar sei.

 Würdigung durch das Gericht

42      Nach ständiger Rechtsprechung verbietet der Grundsatz der Gleichbehandlung, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln, sofern eine solche unterschiedliche bzw. gleiche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteil des Gerichts vom 19. Juni 2007, Davis u. a./Rat, F‑54/06, Slg. ÖD 2007, I‑A‑1‑165 und II‑A‑1‑911, Randnr. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Gleiche gilt für das Diskriminierungsverbot, das nur eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes ist und gemeinsam mit diesem eines der Grundrechte darstellt, deren Wahrung die Unionsgerichte zu sichern haben (vgl. Urteil des Gerichts vom 23. Januar 2007, Chassagne/Kommission, F‑43/05, Slg. ÖD 2007, I‑A‑1‑27 und II‑A‑1‑139, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Beamten im Ruhestand und die Beamten im aktiven Dienst unterschiedlich behandelt werden, was die Zahlung ihrer Bezüge betrifft. Während nämlich nach Art. 45 Abs. 3 des Anhangs VIII des Statuts die gesamten Versorgungsbezüge des Beamten im Ruhestand, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, an eine Bank des Wohnsitzmitgliedstaats zu zahlen sind, sind von der entsprechenden, für die Beamten im aktiven Dienst geltenden Regelung des Art. 17 Abs. 1 des Anhangs VII des Statuts, wonach die Bezüge des aktiven Beamten an dem Ort, in dem er seine Tätigkeit ausübt, gezahlt werden, zwei Abweichungen zulässig. Zum einen sieht Art. 17 Abs. 2 des Anhangs VII des Statuts für den Beamten im aktiven Dienst die Möglichkeit vor, einen Teil seiner Bezüge durch das Organ, dem er untersteht, in einen anderen Mitgliedstaat überweisen zu lassen, nämlich einen Betrag in Höhe der Erziehungszulage, die er für ein unterhaltsberechtigtes Kind, das eine Lehranstalt in diesem anderen Mitgliedstaat besucht, tatsächlich bezieht, und Beträge in Höhe der regelmäßigen Beträge, die an jede andere, in diesem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Person zu zahlen sind, gegenüber der er nachweislich Verpflichtungen aufgrund einer Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung zu erfüllen hat. Zum anderen kann der aktive Beamte neben den durch Art. 17 Abs. 2 des Anhangs VII des Statuts eröffneten Möglichkeiten nach Art. 17 Abs. 4 des Anhangs VII des Statuts beantragen, dass von seinen Bezügen regelmäßig ein Betrag bis zur Höhe von 25 % seines Grundgehalts ohne Anwendung eines Koeffizienten in einen anderen als den Mitgliedstaat, in dem er seine Tätigkeit ausübt, überwiesen wird.

44      Die unterschiedliche Behandlung von Beamten im Ruhestand und Beamten im aktiven Dienst, die sich aus den in der vorstehenden Randnummer dargestellten Rechtsvorschriften ergibt, kann jedoch nicht zu einer rechtswidrigen Diskriminierung führen, da sich diese beiden Kategorien von Beamten in objektiv unterschiedlichen Situationen befinden. Während nämlich die Beamten im Ruhestand ihren Wohnsitzstaat frei wählen können, haben die Beamten im aktiven Dienst nach Art. 20 des Statuts am Ort ihrer dienstlichen Verwendung oder in solcher Entfernung von diesem Ort Wohnung zu nehmen, dass sie in der Ausübung ihres Amtes nicht behindert sind. Daher wird von den Beamten im aktiven Dienst – mit Ausnahme derjenigen, deren Dienstort in dem Mitgliedstaat, dem sie angehören, liegt – vermutet, dass sie Verbindungen in mindestens zwei verschiedenen Mitgliedstaaten haben, nämlich dem Mitgliedstaat, dem sie angehören, und dem Mitgliedstaat ihres Dienstorts. Dagegen können sich die Beamten im Ruhestand, da sie ihren Wohnsitz frei wählen können, nicht auf eine solche Vermutung berufen, auch wenn ihnen die persönliche Entscheidung freisteht, in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, dem sie angehören, zu wohnen und – falls sie vor dem 1. Mai 2004 in den Ruhestand getreten sind – von dem Berichtigungskoeffizienten für diesen Wohnsitzstaat zu profitieren.

45      Daraus folgt, dass der Klagegrund des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot zurückzuweisen ist.

46      Da beide geltend gemachten Klagegründe zurückgewiesen worden sind, ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass über die Einrede der Unzulässigkeit entschieden zu werden braucht, mit der geltend gemacht wird, der Kläger habe kein Rechtsschutzinteresse an einer Aufhebung der streitigen Entscheidung.

 Kosten

47      Nach Art. 87 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei vorbehaltlich der übrigen Bestimmungen des achten Kapitels des zweiten Titels der Verfahrensordnung auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Art. 87 Abs. 2 kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit entscheiden, dass eine unterliegende Partei zur Tragung nur eines Teils der Kosten oder gar nicht zur Tragung der Kosten zu verurteilen ist.

48      Aus den oben ausgeführten Gründen ergibt sich, dass der Kläger die unterliegende Partei ist. Zudem hat die Kommission ausdrücklich beantragt, ihn zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Umstände des vorliegenden Falls die Anwendung von Art. 87 Abs. 2 der Verfahrensordnung nicht rechtfertigen, sind dem Kläger neben seinen eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

49      Gemäß Art. 89 Abs. 4 der Verfahrensordnung trägt der Rat als Streithelfer seine eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage von Herrn Wendler wird abgewiesen.

2.      Herr Wendler trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Der Rat der Europäischen Union trägt seine eigenen Kosten.

Gervasoni

Kreppel

Rofes i Pujol

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Oktober 2010.

Die Kanzlerin

 

       Der Präsident

W. Hakenberg

 

       S. Gervasoni


* Verfahrenssprache: Deutsch.