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Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts (Österreich), eingereicht am 22. August 2023 – ÖBB-Infrastruktur AG und WESTbahn Management GmbH

(Rechtssache C-538/23, ÖBB-Infrastruktur et WESTBahn Management)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegendes Gericht

Bundesverwaltungsgericht

Parteien des Ausgangsverfahrens

Beschwerdeführerinnen: ÖBB-Infrastruktur AG, WESTbahn Management GmbH

Belangte Behörde: Schienen-Control Kommission

Vorlagefragen

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 32 der Richtlinie 2012/34/EU1 dahin auszulegen, dass eine Genehmigung der Marktaufschläge durch den Mitgliedstaat ex-ante vor Beginn (oder zumindest vor Ablauf) der betroffenen Netzfahrplanperiode, für welche die Marktaufschläge beantragt wurden, zu erfolgen hat; oder kann der Mitgliedstaat die Genehmigung der Marktaufschläge auch ex-post nach Ablauf der betroffenen Netzfahrplanperiode (gegebenenfalls Jahre später) genehmigen? Ist unter einer Genehmigung der Marktaufschläge durch den Mitgliedstaat im Sinne des Art. 32 der Richtlinie 2012/34/EU eine rechtskräftige Genehmigung zu verstehen?

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 32 Abs. 1 und Abs. 6 in Verbindung mit Art. 27 Abs. 4 der Richtlinie 2012/34/EU dahin auszulegen, dass – in zeitlicher Abfolge – die Marktaufschläge (bei Änderung wesentlicher Bestandteile) zuerst in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen (gegebenenfalls unter Genehmigungsvorbehalt) zu veröffentlichen und erst nach ihrer Veröffentlichung durch den Mitgliedstaat zu genehmigen sind? Liegt eine Änderung wesentlicher Bestandteile nach Art. 32 Abs. 6 der Richtlinie 2012/34/EU bereits vor, wenn „lediglich“ die Höhe der Marktaufschläge in Relation zur Netzfahrplanperiode des Vorjahres geändert wird?

(Bei Bejahung von Frage 2 erster Satz:) Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 32 Abs. 1 und Abs. 6 in Verbindung mit Art. 27 Abs. 2 und Abs. 4 der Richtlinie 2012/34/EU in Verbindung mit Anhang IV Rn. 2 der Richtlinie 2012/34/EU, – gelesen im Lichte des Transparenzgebots und der Planungssicherheit des Erwägungsgrundes 34 der Richtlinie 2012/34/EU – dahin auszulegen, dass Marktaufschläge vom Mitgliedstaat nicht genehmigt werden dürfen, wenn die Höhe der Marktaufschläge selbst nicht in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen für die betroffene Netzfahrplanperiode (für die diese Marktaufschläge zur Genehmigung beantragt wurden) veröffentlicht wurden? Vielmehr in diesen Schienennetz-Nutzungsbedingungen nur ein Gesamtentgelt pro gefahrenen Zugkilometer (als Summe der Entgelte für die direkt durch den Zugbetrieb angefallenen Kosten nach Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2012/34/EU und der Marktaufschläge nach Art. 32 der Richtlinie 2012/34/EU) für jedes Marktsegment veröffentlicht wurde; die Eisenbahnunternehmen somit aus diesen Schienennetz-Nutzungsbedingungen weder die Entgelte für die „direkten Kosten“ [im Sinne des Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2012/34/EU in Verbindung mit Art. 2 Ziff. 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/9091 ] noch die Marktaufschläge nach Art. 32 der Richtlinie 2012/34/EU, je Marktsegment, in Erfahrung bringen konnten.

(Bei Bejahung von Frage 2 erster Satz:) Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 32 Abs. 1 und Abs. 6 in Verbindung mit Art. 27 Abs. 4 der Richtlinie 2012/34/EU – gelesen im Lichte des Transparenzgebots und der Planungssicherheit des Erwägungsgrundes 34 der Richtlinie 2012/34/EU – dahin auszulegen, dass die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen für die betroffene Netzfahrplanperiode veröffentlichten Marktaufschläge Bindungswirkung für die Genehmigung durch den Mitgliedstaat entfalten? Resultiert aus dieser Bindungswirkung, dass der Mitgliedstaat keine höheren Marktaufschläge je Marktsegment genehmigen darf, als in den zugehörigen Schienennetz-Nutzungsbedingungen veröffentlicht wurden? Oder besteht nur insoweit eine Bindungswirkung, als die genehmigten Gesamtentgelte (das sind die Entgelte für die „direkten Kosten“ nach Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2012/34/EU in Verbindung mit Art. 2 Ziff. 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/909 zuzüglich Marktaufschläge nach Art. 32 der Richtlinie 2012/34/EU) nicht höher als in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen veröffentlicht sein dürfen, die Marktaufschläge selbst hingegen schon höher als in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen veröffentlicht genehmigt werden dürfen? Ist auch eine höhenmäßige Bindungswirkung des an den Mitgliedstaat ursprünglich gestellten Genehmigungsantrages hinsichtlich der Marktaufschläge gegeben, und falls ja, in welcher Richtung (keine Erhöhung, keine Senkung mehr zulässig)? Gibt es eine andere Form der Bindungswirkung?

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34/EU dahin auszulegen, dass zur Bestimmung der grundsätzlichen Zulässigkeit von Marktaufschlägen (abseits der zu prüfenden Marktragefähigkeit) – also zum Zwecke der vollen Deckung der Kosten des Infrastrukturbetreibers – nicht von einem dem Eisenbahninfrastrukturbetreiber durch den Mitgliedstaat vorgegebenen zu erzielenden Gesamterlös („Erlösziel“), bestehend aus der Summe der Entgelte für die direkt durch den Zugbetrieb angefallenen Kosten nach Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2012/34/EU und der Marktaufschläge nach Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34/EU, auszugehen ist; sondern die Kosten zur vollen Deckung zu ermitteln und festzustellen sind, um auf deren Boden beurteilen zu können, ob und in welcher Höhe gegebenenfalls Marktaufschläge genehmigt werden können? Sind bei dieser Bestimmung der grundsätzlichen Zulässigkeit von Marktaufschlägen (abseits der zu prüfenden Marktragefähigkeit) auch staatliche Zuschüsse des Mitgliedstaates an das Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu berücksichtigen; falls ja, in welcher Form hat dies zu geschehen? Sind diese staatlichen Zuschüsse gegebenenfalls von den benötigten Kosten zur vollen Deckung (neben den Entgelten für die direkt durch den Zugbetrieb anfallenden Kosten) abzuziehen? Ist in diesem Zusammenhang das Unionsrecht, insbesondere Art. 32 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2012/34/EU dahin auszulegen, dass der Mitgliedstaat neben den Entgelten für die direkt durch den Zugbetrieb anfallenden Kosten und allenfalls zu berücksichtigenden staatlichen Zuschüssen – alle weiteren Gewinne des Eisenbahninfrastrukturunternehmens aus anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten und alle von diesem aus privater Quelle erhaltenen nicht rückzahlbaren Zuschüsse – zu bestimmen und in die Beurteilung der Frage der Zulässigkeit von Marktaufschlägen einzubeziehen hat; falls ja, in welcher Form hat dies zu geschehen, gegebenenfalls gleichermaßen durch deren Abzug von den benötigten Kosten zur vollen Deckung? Sind weitere vom Eisenbahninfrastrukturunternehmen eingehobene Entgelte – wie Entgelte für die Nutzung von Personenbahnsteigen („Stationsentgelte“) und Entgelte für die Nutzung von Versorgungseinrichtungen für Fahrstrom – sowie weitere betriebswirtschaftliche Positionen des Eisenbahninfrastrukturunternehmens in diese Beurteilung miteinzubeziehen?

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1 Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (ABl. 2012, L 343, S. 32).

1 Durchführungsverordnung (EU) 2015/909 der Kommission vom 12. Juni 2015 über die Modalitäten für die Berechnung der Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen (ABl. 2015, L 148, S. 17).