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Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation (Frankreich), eingereicht am 22. August 2023 – Societa Italiana Lastre SpA/Agora

(Rechtssache C-537/23, Societa Italiana Lastre)

Verfahrenssprache: Französisch

Vorlegendes Gericht

Cour de cassation

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kassationsbeschwerdeführerin: Societa Italiana Lastre SpA (SIL)

Kassationsbeschwerdegegnerin: Agora SARL

Vorlagefragen

Ist bei einer asymmetrischen Gerichtsstandsklausel, die nur einer der Parteien die Möglichkeit bietet, sich für ein anderes als das in dieser Klausel genannte, nach den allgemeinen Rechtsvorschriften zuständige Gericht ihrer Wahl zu entscheiden, wenn die andere Partei geltend macht, dass diese Klausel wegen ihrer Ungenauigkeit und/oder ihrer Unausgewogenheit rechtswidrig sei, diese Frage anhand der eigenständigen Regeln von Art. 25 Abs. 1 der Brüssel-Ia-Verordnung1 und des mit dieser Verordnung verfolgten Ziels der Vorhersehbarkeit und der Rechtssicherheit zu beantworten oder ist hierfür das Recht des in dieser Klausel bezeichneten Mitgliedstaats anzuwenden? Mit anderen Worten: Fällt diese Frage im Sinne dieser Vorschrift unter die materielle Gültigkeit der Klausel? Oder ist vielmehr davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die materielle Gültigkeit der Klausel restriktiv auszulegen sind und nur materielle Nichtigkeitsgründe – im Wesentlichen Betrug, Irrtum, Arglist, Gewalt und Geschäftsunfähigkeit – betreffen?

Falls die Frage der Ungenauigkeit oder der Unausgewogenheit der Klausel anhand eigenständiger Regeln zu entscheiden ist, ist Art. 25 Abs. 1 der Brüssel-Ia-Verordnung dann dahin auszulegen, dass eine Klausel anzuwenden ist, die einer Partei die Anrufung nur eines einzigen Gerichts, der anderen aber darüber hinaus die Anrufung jedes nach den allgemeinen Rechtsvorschriften zuständigen Gerichts erlaubt, oder dahin, dass diese Klausel nicht angewendet werden darf?

Falls die Asymmetrie einer Klausel eine materielle Voraussetzung betrifft, wie ist diese Bestimmung und insbesondere die Bezugnahme auf das Recht des Staates des bezeichneten Gerichts auszulegen, wenn in der Klausel mehrere Gerichte bezeichnet werden oder wenn die Klausel ein Gericht bezeichnet, einer der Parteien aber die Möglichkeit lässt, ein anderes Gericht zu wählen, und diese Wahl bis zum Tag der Klageerhebung noch nicht getroffen wurde:

–    Handelt es sich beim anzuwendenden nationalen Recht um das des einzigen ausdrücklich bezeichneten Gerichts, unabhängig davon, ob auch andere Gerichte angerufen werden könnten?

–    Kann das Recht des tatsächlich angerufenen Gerichts herangezogen werden, wenn in der Klausel mehrere Gerichte bezeichnet werden?

–    Betrifft die Bezugnahme auf das Recht des bezeichneten Mitgliedstaats angesichts des 20. Erwägungsgrundes der Brüssel-Ia-Verordnung die materiellen Rechtsvorschriften dieses Staates oder dessen Kollisionsnormen?

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1     Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).