Language of document : ECLI:EU:T:2021:609

Rechtssache T169/20

Marina Yachting Brand Management Co. Ltd

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum

 Urteil des Gerichts (Neunte Kammer) vom 22. September 2021

„Unionsmarke – Verfahren für den Widerruf von Entscheidungen oder für die Löschung von Eintragungen – Löschung einer Eintragung im Register, die offensichtlich mit einem dem EUIPO anzulastenden Fehler behaftet ist – Von einem Insolvenzverfahren erfasste Marke – Eintragung der Übertragung der Marke – Wirkung eines Konkursverfahrens oder eines konkursähnlichen Verfahrens gegenüber Dritten – Zuständigkeit des EUIPO – Sorgfaltspflicht – Art. 20, 24, 27 und 103 der Verordnung (EU) 2017/1001 – Art. 3, 7 und 19 der Verordnung (EU) 2015/848“

1.      Unionsmarke – Unionsmarke als Gegenstand des Vermögens – Übertragung – Eintragung der Übertragung in das Register – Von einem Insolvenzverfahren erfasste Marke – Wirkung gegenüber Dritten – Zuständigkeit des EUIPO – Sorgfaltspflicht

(Verordnung 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates, Erwägungsgrund 36 sowie Art. 3, 7 und 19, und Verordnung 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 20, 24 und 27; Verordnung 2018/626 der Kommission, Art. 13)

(vgl. Rn. 58‑69, 71‑74, 84, 85)

2.      Unionsmarke – Unionsmarke als Gegenstand des Vermögens – Wirkung gegenüber Dritten – Konkursverfahren

(Verordnung 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 27)

(vgl. Rn. 100, 101)

3.      Unionsmarke – Verfahrensvorschriften – Löschung oder Widerruf – Voraussetzung – Offensichtlicher Fehler – Begriff – Unterlassene Eintragung eines den Inhaber einer Marke betreffenden Insolvenzverfahrens in das Register – Eintragung der Übertragung einer Marke in das Register ohne Berücksichtigung des Insolvenzverfahrens – Einbeziehung

(Verordnung 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 20, 24, 27 und 103)

(vgl. Rn. 110‑112, 114‑119)

Zusammenfassung

Am 28. September 2014 wurde die Unionswortmarke MARINA YACHTING für die Industries Sportswear Co. Srl eingetragen. Diese Gesellschaft wurde am 13. Oktober 2017 mit einem Urteil des Tribunale di Venezia (Gericht Venedig, Italien) für insolvent erklärt.

Am 18. Oktober 2017 wurde die Übertragung dieser Marke auf die Spring Holdings Sarl in das Register des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eingetragen. Am 25. Oktober 2017 teilte der bestellte Insolvenzverwalter von Industries Sportswear dem EUIPO mit, dass diese Gesellschaft für insolvent erklärt worden sei, und beantragte die Löschung der Eintragung der Übertragung der in Rede stehenden Marke auf Spring Holdings mit der Begründung, dass eine für insolvent erklärte Gesellschaft ab dem Zeitpunkt, zu dem sie für insolvent erklärt worden sei, nicht berechtigt sei, ihre Vermögenswerte zu verwalten. Das EUIPO unterrichtete den Insolvenzverwalter von der Annahme dieses Antrags, trug ihn aber nicht in seine Datenbank ein.

Am 16. April 2018 stellte die Marina Yachting Brand Management Co. Ltd, die von Mitgliedern der Familie geleitet wurde, die auch Industries Sportswear geleitet hatte, einen Antrag auf Eintragung der Übertragung der in Rede stehenden Marke zu ihren Gunsten. Die Marke sei am 26. Juni 2014 auf Spring Holdings und anschließend am 15. Dezember 2017 auf sie übertragen worden. Am selben Tag wurden die Eigentumsübertragungen in das Register des EUIPO eingetragen.

Der Insolvenzverwalter beantragte die Löschung der Eintragungen dieser Übertragungen, woraufhin die Registerabteilung des EUIPO am 30. Januar 2019 zwei Entscheidungen über die rückwirkende Löschung der Eintragungen dieser Übertragungen erließ. Die Beschwerdekammer bestätigte diese Entscheidungen und stellte fest, dass das EUIPO einen offensichtlichen Fehler begangen habe, als es die aufeinanderfolgenden Übertragungen der in Rede stehenden Marke in das Register eingetragen habe, obwohl ihm mitgeteilt worden sei, dass Industries Sportswear am 13. Oktober 2017 für insolvent erklärt worden sei.

Das Gericht weist die Klage von Marina Yachting Brand Management ab und entscheidet über die Löschung der Eintragungen von Übertragungen einer Marke, die nach einer versäumten Eintragung eines Insolvenzeröffnungsurteils vorgenommen wurden.

Würdigung durch das Gericht

Erstens präzisiert das Gericht die Befugnisse des EUIPO im Rahmen der Eintragung der Übertragung einer Marke.

Das Gericht weist darauf hin, dass sich das EUIPO auf die Prüfung der formalen Voraussetzungen für die Gültigkeit eines Antrags auf Eintragung einer Übertragung einer Marke(1) beschränken muss, was keine Beurteilung der sich aus dem nationalen Recht ergebenden materiell-rechtlichen Fragen impliziert. Das EUIPO muss jedoch Tatsachen, die rechtliche Auswirkungen auf den Antrag auf Eintragung einer solchen Übertragung haben können, einschließlich des Vorliegens eines Insolvenzverfahrens, sorgfältig berücksichtigen.

Diese Sorgfaltspflicht ist umso zwingender, wenn das EUIPO vor dem Eingang eines Antrags auf Eintragung der Übertragung einer Marke durch einen früheren Eintragungsantrag(2) darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass die betreffende Marke von einem Insolvenzverfahren erfasst wurde. In einem solchen Fall muss das EUIPO das Ziel der „Gewährleistung der Wirksamkeit“ des Insolvenzverfahrens(3) berücksichtigen, insbesondere dann, wenn das Vorliegen, die Gültigkeit oder die richtige Datierung dieser Übertragung vom Insolvenzverwalter bestritten wird.

Übertragungen von Marken haben gegenüber Dritten nämlich grundsätzlich erst dann Wirkung, wenn sie in das Register eingetragen worden sind(4), woraus folgt, dass eine solche Eintragung keine Rückwirkung entfaltet. Im Übrigen richtet sich die Wirkung von Insolvenzverfahren gegenüber Dritten nach dem nationalen Recht(5). Nach dem anwendbaren italienischen Recht führte das fragliche Insolvenzverfahren indessen zur Unwirksamkeit der Formalitäten, die erforderlich waren, um die Wirkung von Handlungen des Schuldners gegenüber Dritten sicherzustellen, wenn sie nach der Insolvenzeröffnung erfolgt waren. Folglich hätte das EUIPO die Eintragung der in Rede stehenden Übertragungen aussetzen müssen.

Zweitens legt das Gericht dar, das die erforderlichen Voraussetzungen für die Löschung einer offensichtlich mit einem Fehler behafteten Eintragung(6) erfüllt waren. Insoweit weist es darauf hin, dass das EUIPO dadurch einen offensichtlichen Fehler begangen hat, dass es die streitigen Übertragungen am 16. April 2018 auf den Antrag der Klägerin hin eingetragen hat, nachdem es es unterlassen hatte, das die Inhaberin der in Rede stehenden Marke betreffende Insolvenzverfahren in das Register einzutragen. Er war daher verpflichtet, die Eintragungen vom 16. April 2018 schnellstmöglich zu löschen.

Im Übrigen stellt das Gericht fest, dass die Frist von einem Jahr ab dem Datum der Eintragung in das Register(7) ordnungsgemäß eingehalten wurde, als am 30. Januar 2019 die beiden Entscheidungen über die Löschung der am 16. April 2018 vorgenommenen Eintragungen der Übertragungen in das Register erlassen wurden.


1      Die in Art. 20 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) und in Art. 13 der Durchführungsverordnung (EU) 2018/626 der Kommission vom 5. März 2018 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung 2017/1001 und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/1431 (ABl. 2018, L 104, S. 37) genannt werden.


2      Nach Art. 24 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001.


3      Gemäß dem 36. Erwägungsgrund der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (ABl. 2015, L 141, S. 19, und Berichtigung, ABl. 2016, L 349, S. 6).


4      Nach Art. 27 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001.


5      Gemäß Art. 27 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001.


6      Nach Art. 103 der Verordnung 2017/1001.


7      Art. 103 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 sieht vor, dass die Löschung der Eintragung in das Register binnen eines Jahres ab dem Datum der Eintragung in das Register erfolgt.