Language of document : ECLI:EU:T:2021:586

Image not foundURTEIL DES GERICHTS (Neunte erweiterte Kammer)

15. September 2021(*)

„Staatliche Beihilfen – Italienische Autobahnen – Verlängerung von Konzessionen zum Zweck der Ausführung von Bauarbeiten – Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse – Deckelung der Mautgebühren – Beschluss, keine Einwände zu erheben – Art. 106 Abs. 2 AEUV – Klagen von Wettbewerbern des Begünstigten – Aufgabe des Vorhabens der Beihilfegewährung durch den Mitgliedstaat – Vorhaben, das in der genehmigten Form nicht durchgeführt werden kann – Nichtigerklärung, die den Klägerinnen keinen Vorteil verschafft – Wegfall des Rechtsschutzinteresses – Erledigung“

In der Rechtssache T‑24/19,

INC SpA mit Sitz in Turin (Italien),

Consorzio Stabile Sis SCpA mit Sitz in Turin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H.‑G. Kamann, F. Louis und G. Tzifa,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Haasbeek, D. Recchia und S. Noë als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen einer Klage gemäß Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2018) 2435 final der Kommission vom 27. April 2018 über die für die Zwecke des Investitionsplans bezüglich der italienischen Autobahnen gewährte staatliche Beihilfe (Sachen SA.49335 [2017/N] und SA.49336 [2017/N])

erlässt

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. J. Costeira, des Richters D. Gratsias (Berichterstatter), der Richterin M. Kancheva, des Richters B. Berke und der Richterin T. Perišin,

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2020

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Mit zwei Schreiben vom 13. Oktober 2017 meldeten die italienischen Behörden bei der Europäischen Kommission eine Reihe von Maßnahmen betreffend einen Investitionsplan für die italienischen Autobahnen an.

2        Rund 5 800 Kilometer italienischer Autobahnen werden gegenwärtig von privaten Wirtschaftsteilnehmern auf der Grundlage von Konzessionen betrieben. Gemäß den entsprechenden Verträgen müssen die Konzessionsinhaber mit dem Betrieb der Autobahnen zusammenhängende Arbeiten oder Dienstleistungen erbringen. Die Konzessionsinhaber tragen die Risiken hinsichtlich des Baus und des Betriebs der Autobahnen und müssen eine Reihe von Verpflichtungen erfüllen, die mit der Bedeutung dieser Art von Infrastruktur für die Allgemeinheit zusammenhängen. Im Übrigen sieht der maßgebliche Regelungsrahmen mehrere Entgeltsysteme vor, die das finanzielle Gleichgewicht zwischen den Einnahmen aus den Konzessionen und den Kosten der von den Konzessionsinhabern getätigten Investitionen gewährleisten sollen.

3        In diesem Kontext erstellte die Italienische Republik einen Plan, der im Wesentlichen in der Verlängerung der Dauer bestimmter Konzessionen zum Zweck der Finanzierung zusätzlicher Investitionen bestand. In seiner anschließend geänderten Fassung betraf der in Rede stehende Plan, so wie er angemeldet wurde, sowohl unmittelbar als auch mittelbar, d. h. mittels Beteiligungen an Konsortien, von der Autostrade per l’Italia SpA und der Società Iniziative Autostradali e Servizi SpA betriebene Autobahnen.

 Angefochtener Beschluss

4        Mit dem Beschluss C(2018) 2435 final der Kommission vom 27. April 2018 über die für die Zwecke des Investitionsplans bezüglich der italienischen Autobahnen gewährte staatliche Beihilfe (Sachen SA.49335 [2017/N] und SA.49336 [2017/N]) (im Folgenden: angefochtener Beschluss) stellte die Kommission fest, dass bestimmte im Rahmen dieses Plans getroffene Maßnahmen staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 AEUV darstellten und gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar seien. Dementsprechend beschloss die Kommission, ohne das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, keine Einwände gegen diese Maßnahmen zu erheben (Kapitel 5 des angefochtenen Beschlusses).

5        Insbesondere betrifft der von den italienischen Behörden bei der Kommission angemeldete Plan sechzehn von Autostrade per l’Italia und zwei von der Società Iniziative Autostradali e Servizi betriebene Autobahnen. Dieser Plan beruht im Wesentlichen auf zwei Säulen. Die erste Säule betrifft von den Konzessionsinhabern vorzunehmende zusätzliche Investitionen. Die zweite betrifft die mit Modalitäten zur Deckelung der Mautgebühren auf einem angemessenen Niveau und zur Vermeidung der Gefahr einer Überkompensation der Konzessionsinhaber verbundene Verlängerung bestimmter Konzessionen (Rn. 12, 13 bis 16, 18 bis 21 und 34 des angefochtenen Beschlusses).

 Von Autostrade per l’Italia betriebene Autobahnen

6        Die Konzession für die sechzehn von Autostrade per l’Italia betriebenen Autobahnen mit einer Gesamtlänge von 2 857,50 Kilometern findet ihren Ursprung in den im Jahr 1968 dem Unternehmen Autostrade-Concessioni e Costruzioni Autostrade SpA gewährten Konzessionen. Dieses im Jahr 1999 privatisierte Unternehmen übertrug seine Tätigkeiten im Rahmen der Autobahnkonzessionen im Jahr 2003 auf Autostrade per l’Italia. Die streitige Konzession wurde insbesondere im Jahr 1997 geändert und in ihrer letzten Fassung im Jahr 2007 in Form einer „Einheitsvereinbarung“ (Convenzione Unica) unterzeichnet, die ihrerseits im Jahr 2013 mit einer „Zusatzvereinbarung“ (Atto Aggiuntivo) abgeändert wurde. Gemäß der Vertragsänderung von 1997 wurde die streitige Konzession für eine Dauer von 40 Jahren mit Ablauf am 31. Dezember 2038 geschlossen (Rn. 34, 35 und 136 des angefochtenen Beschlusses).

7        Die Italienische Republik hat indessen dargelegt, dass Autostrade per l’Italia noch Investitionen in das von ihr betriebene Autobahnnetz zu tätigen habe. Nach dem Erlass von Entscheidungen durch die zuständigen Behörden betreffend die Merkmale der in Rede stehenden Investitionen belaufen sich die geschätzten Investitionskosten auf rund 8 Mrd. Euro. Von diesem Betrag sind 4,908 Mrd. Euro bestimmt für Arbeiten, die als in der vor der streitigen Änderung geltenden Fassung des Konzessionsvertrags „bereits vorgesehen“ eingestuft werden, darunter die „Gronda di Genova“ (Umgehung von Genua) für 4,32 Mrd. Euro. Die verbleibenden 3,03 Mrd. Euro sind für „zusätzliche Arbeiten“ bestimmt, d. h. für Arbeiten, die in der vor der streitigen Änderung geltenden Fassung des Konzessionsvertrags nicht vorgesehen waren. Gemäß dem geltenden Konzessionsvertrag würde die Realisierung der fraglichen Investitionen eine Erhöhung der Mautgebühren auf ein für die Nutzer übermäßig hohes Niveau erforderlich machen. In diesem Kontext schlug die italienische Regierung vor, erstens die Dauer der Konzession zu verlängern, zweitens die Erhöhung der Mautgebühren zu deckeln und drittens einen bei Ablauf der Konzession von einem möglichen neuen Konzessionsinhaber an den Konzessionsinhaber zu zahlenden „Übernahmebetrag“ (takeover value) vorzusehen. Gemäß diesem Plan würde demnach die Dauer der Konzession um vier Jahre bis zum 31. Dezember 2042 verlängert, und jeder mögliche Konzessionsinhaber, der nach diesem Zeitpunkt auf den gegenwärtigen Konzessionsinhaber folgt, hätte ihm einen sich auf das 1,3- bis 1,5‑fache des Bruttobetriebsergebnisses belaufenden Übernahmebetrag zu zahlen (Rn. 36 bis 43 des angefochtenen Beschlusses).

 Von der Società Iniziative Autostradali e Servizi betriebene Autobahnen

8        Bei den beiden von der Società Iniziative Autostradali e Servizi betriebenen Autobahnen, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses sind, handelt es sich um die SATAP A4 Torino‑Milano und die A33 Asti‑Cuneo. Die Konzession für den Bau und den Betrieb der Autobahn SATAP A4 Torino‑Milano wurde im Jahr 1989 erteilt und läuft nach in den Jahren 2007 und 2013 vorgenommenen Änderungen der sie regelnden rechtlichen Instrumente am 31. Dezember 2026 ab. Der Konzessionsvertrag für den Bau und den Betrieb der Autobahn A33 Asti‑Cuneo wurde nach Durchführung eines Vergabeverfahrens am 1. August 2007 unterzeichnet und sieht vor, dass die Konzession für eine Dauer von 27,5 Jahren erteilt wird, von denen vier Jahre für die Durchführung von Arbeiten und die restlichen, ab der Fertigstellung der Arbeiten berechneten 23,5 Jahre für die Verwaltung der Konzession vorgesehen sind. Im Hinblick auf diese letztgenannte Bestimmung ist die Kommission der Auffassung, dass diese Konzession im Jahr 2043 ablaufe (Rn. 19 und 20 des angefochtenen Beschlusses).

9        Die für die Autobahn A33 Asti‑Cuneo vorgesehenen Arbeiten sollen nicht fristgemäß fertiggestellt worden sein, wodurch es zu einer erheblichen Kostenerhöhung aus Gründen gekommen sein soll, die nach Auffassung der Italienischen Republik nicht der Società Iniziative Autostradali e Servizi als Konzessionsinhaberin für diese Autobahn angelastet werden konnten. Gleichzeitig habe der Umstand, dass nicht, wie ursprünglich vorgesehen, 99 Kilometer, sondern nur 55 Kilometer gebaut worden seien, zu einer Reduzierung der Einnahmen aus den Mautgebühren auf ein geringes Niveau geführt. Der Bau der fehlenden Autobahnabschnitte hätte daher eine übermäßige Erhöhung der Mautgebühren impliziert. In diesem Kontext schlug die Italienische Republik vor, dass der Konzessionsinhaber die Investitionen tätigt, die erforderlich sind, um eine funktionierende Verbindung zwischen den verschiedenen bereits fertiggestellten Teilen der Autobahn A33 Asti‑Cuneo herzustellen. Diese Investitionen bestehen im Bau von rund 13 Kilometern Autobahn mit Kosten in Höhe von 350 Mio. Euro anstatt der ursprünglich vorgesehenen restlichen 35 Kilometer, die Kosten in Höhe von 589 Mio. Euro verursacht hätten. Bei den in Rede stehenden Arbeiten wird davon ausgegangen, dass sie bereits in dem ursprünglichen Konzessionsvertrag vorgesehen waren. Im Übrigen sollen Investitionen in Höhe von insgesamt 153 Mio. Euro für die Autobahn SATAP A4 Torino‑Milano getätigt werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass von diesem Betrag 109 Mio. Euro Arbeiten betreffen, die bereits in dem ursprünglichen Konzessionsvertrag vorgesehen waren, und 44 Mio. Euro für zusätzliche Arbeiten anfallen. Alle diese Arbeiten sollten bis Ende 2022 fertiggestellt werden (Rn. 21 bis 23 des angefochtenen Beschlusses).

10      Was die Deckung der Kosten der in Rede stehenden Arbeiten anbelangt, schlug die Italienische Republik eine Querfinanzierung der die Autobahn A33 Asti‑Cuneo betreffenden Arbeiten aus den Einnahmen für die Autobahn SATAP A4 Torino‑Milano mit einer Deckelung der Mautgebühren bei den beiden in Rede stehenden Autobahnen vor. Nach Ansicht der Italienischen Republik führt diese Deckelung zu Einkommensverlusten bei den Konzessionsinhabern. Deshalb bekundete die Italienische Republik, ähnlich wie sie es im Hinblick auf die von Autostrade per l’Italia betriebenen Autobahnen vorgeschlagen hatte (vgl. oben, Rn. 7), ihre Absicht, erstens die Dauer dieser beiden Konzessionen neu zu regeln und zweitens einen vom möglichen neuen Konzessionsinhaber an den ausscheidenden Konzessionsinhaber zu zahlenden Übernahmebetrag vorzusehen, sollten die Konzessionen bei ihrem Ablauf nicht verlängert werden. Insbesondere sollte die Dauer der Konzession für die Autobahn SATAP A4 Torino‑Milano um weitere vier Jahre bis zum 31. Dezember 2030 verlängert werden, die Konzession für die Autobahn A33 Asti‑Cuneo dagegen zeitlich verkürzt und damit gleichfalls am 31. Dezember 2030 und nicht im Jahr 2043 enden (vgl. oben, Rn. 8). Diese Regelung würde einen neuen gemeinsamen Aufruf zum Wettbewerb betreffend die Konzession für die beiden Autobahnen für die Zeit ab dem 1. Januar 2031 ermöglichen. Im Übrigen würde der Übernahmebetrag auf das 1,4‑fache des an den gegenwärtigen Konzessionsinhaber von dem möglichen ihm ab dem 1. Januar 2031 nachfolgenden Konzessionsinhaber zu zahlenden Bruttobetriebsergebnisses begrenzt (Rn. 25 bis 31 des angefochtenen Beschlusses).

11      Sämtliche die Autobahnen betreffenden Maßnahmen, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses sind, sind mit Verpflichtungen verknüpft, mit bestimmten Arbeiten vor dem 1. Januar 2020 zu beginnen. Andere vorgesehene Verpflichtungen betreffen die Bekanntmachung der Konzessionsverträge, den Umstand, dass die für die Arbeiten vorgesehenen Kosten grundsätzlich stabil bleiben müssen, die Beachtung der unionsrechtlichen Vorschriften im Bereich der Änderung von Konzessionsverträgen, falls sich die Durchführung zusätzlicher Arbeiten als erforderlich erweist, die Anwendung von Sanktionen, falls es zu einer Verletzung der dem Konzessionsinhaber obliegenden Verpflichtungen kommt, die im Fall der Nichtdurchführung der Arbeiten vorgesehene, im Verhältnis hierzu stehende Verkürzung der Verlängerung, die Vorlage jährlicher und fünfjährlicher Berichte betreffend die Durchführung der Arbeiten und die Überwachung der berücksichtigten Parameter und schließlich die Überarbeitung des Übernahmebetrags, falls das Niveau des Verkehrsaufkommens das vorgesehene Niveau übersteigt oder Arbeiten nicht durchgeführt werden (Rn. 23, 44 und 47 bis 53 des angefochtenen Beschlusses).

 Beurteilung durch die Kommission

12      Nach Ansicht der Kommission kann der Umstand, dass Rechte zur Nutzung von öffentlichen Gütern gewährt werden, dazu führen, dass auf staatliche Mittel verzichtet wird und den mit diesen Rechten Begünstigten ein Vorteil zugewiesen wird. Im vorliegenden Fall hätte die Verlängerung der Dauer der Konzessionen um vier Jahre zur Folge, dass die Konzessionsinhaber während dieses Zeitraums den Ertrag aus den Gebühren vereinnahmten und dem Mitgliedstaat die Möglichkeit genommen würde, selbst diese Mittel für sich in Anspruch zu nehmen. Demnach sei festzustellen, dass zugunsten bestimmter privater Wirtschaftsteilnehmer auf staatliche Mittel verzichtet werde (Rn. 61 bis 63 des angefochtenen Beschlusses).

13      Was das Vorliegen eines Vorteils betrifft, kam die Kommission unter Berücksichtigung der den Konzessionsinhabern auferlegten Investitions- und Verwaltungspflichten zu dem Schluss, dass die angemeldeten Maßnahmen im Licht der vier vom Gerichtshof im Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415), aufgestellten kumulativen Kriterien geprüft werden müssten, nämlich: Vorliegen gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, vorherige, objektive und transparente Aufstellung der Parameter für den Ausgleich, Festlegung des Ausgleichs in einer Höhe, die die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und einen angemessenen Gewinn deckt, und schließlich Analyse der jeweiligen Kosten und des jeweiligen Gewinns. Zu diesem letztgenannten Punkt merkte die Kommission an, dass die italienischen Behörden keine Analyse der Kosten vorgelegt hätten, die einem durchschnittlichen und gut geführten Unternehmen, das so angemessen ausgestattet sei, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen könne, für die Erfüllung dieser Verpflichtungen entstanden wären. Demzufolge sei, auch angesichts des Umstands, dass den streitigen Konzessionen kein Vergabeverfahren vorausgegangen sei, das vierte Altmark-Kriterium nicht erfüllt. In Anbetracht der internationalen Dimension des Marktes des Baus und des Betriebs von Autobahnen sowie des Ausschließlichkeitscharakters von Konzessionsverträgen könnten die gewährten Vorteile zudem den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Deshalb stelle die streitige Maßnahme eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dar (Rn. 64 bis 73 des angefochtenen Beschlusses).

14      Die Kommission war allerdings der Auffassung, dass die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt anhand von Art. 106 Abs. 2 AEUV und, damit zusammenhängend, anhand der Mitteilung der Kommission – Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (2011) (ABl. 2012, C 8, S. 15, im Folgenden: Mitteilung über Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen) geprüft werden müsse (Rn. 75 bis 77 des angefochtenen Beschlusses).

15      In diesem Kontext vertrat die Kommission die Auffassung:

–        erstens, dass der Bau und die Bereitstellung von Autobahn‑Infrastrukturen zu für die Nutzer erschwinglichen Kosten eine echte Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV darstelle, so dass die Voraussetzungen von Abschnitt 2.2 der Mitteilung über Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen erfüllt seien;

–        zweitens, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse den betreffenden Konzessionsinhabern mit Rechtsakten übertragen würden, die Dauer und Gegenstand der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die übernommenen Verpflichtungen, die Art der ausschließlichen Rechte, eine Beschreibung des Ausgleichsmechanismus und die maßgeblichen Parameter sowie Maßnahmen zur Vermeidung und Rückforderung jeglicher etwaigen Überkompensation anführten. Daher seien die Voraussetzungen von Abschnitt 2.3 der Mitteilung über Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen erfüllt (Rn. 85 bis 90 des angefochtenen Beschlusses);

–        drittens, dass die Dauer der Verlängerungen dazu führe, dass der vorgeschlagene Plan unter angemessener Berücksichtigung der Deckelung der Mautgebühren, der Kosten der durchzuführenden Arbeiten, der Vergütung der Konzessionsinhaber und des Übernahmebetrags in ein finanzielles Gleichgewicht gebracht werde. Infolgedessen seien die Voraussetzungen von Abschnitt 2.4 der Mitteilung über Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen erfüllt (Rn. 92 bis 95 des angefochtenen Beschlusses);

–        viertens, dass die angemeldeten Maßnahmen nicht gegen die Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen (ABl. 2006, L 318, S. 17) verstießen, so dass die Voraussetzungen von Abschnitt 2.5 der Mitteilung über Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen erfüllt seien (Rn. 96 bis 99 des angefochtenen Beschlusses);

–        fünftens, dass die angemeldeten Maßnahmen im Einklang mit der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 1) und insbesondere mit Art. 43 dieser Richtlinie über Vertragsänderungen während der Vertragslaufzeit stünden;

–        sechstens, dass die Grundsätze, Ziele, Parameter und Methoden der Berechnung der an die Konzessionsinhaber gezahlten Ausgleichsleistungen nicht gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstießen, so dass auch die Voraussetzungen von Abschnitt 2.7 der Mitteilung über Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen erfüllt seien (Rn. 142 und 143 des angefochtenen Beschlusses);

–        siebtens, dass die sich aus der Änderung der Konzessionsverträge ergebende Ausgleichsleistung im Einklang mit Abschnitt 2.8 der Mitteilung über Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen nicht über das hinausgehe, was erforderlich sei, um die Nettokosten für die Erfüllung der Verpflichtungen zur Erbringung von öffentlichen Dienstleistungen einschließlich eines angemessenen Gewinns zu decken;

–        achtens, dass jegliche Bedenken hinsichtlich möglicher verbleibender Wettbewerbsverfälschungen im Sinne von Abschnitt 2.9 der Mitteilung über Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen beseitigt worden seien (Rn. 167 bis 171 des angefochtenen Beschlusses).

16      In diesem Kontext beschloss die Kommission nach Prüfung der von der Italienischen Republik im Einklang mit Abschnitt 2.10 der Mitteilung über Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen übernommenen Verpflichtungen im Bereich der Transparenz und der von Drittparteien vorgebrachten Argumente, keine Einwände zu erheben und die Beihilfe nach Art. 106 Abs. 2 AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären (Rn. 178 bis 186 und Kapitel 5 des angefochtenen Beschlusses).

 Verfahren und Anträge der Parteien

17      Mit am 11. Januar 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichter Klageschrift haben die Klägerinnen, die INC SpA und die Consorzio Stabile Sis SCpA, die vorliegende Klage erhoben. Die Kommission hat am 29. April 2019 ihre Klagebeantwortung eingereicht. Die Erwiderung und die Gegenerwiderung sind am 18. Juli bzw. am 18. Oktober 2019 eingereicht worden.

18      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung des Gerichts ist der Berichterstatter der Neunten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache daher zugewiesen worden ist.

19      Auf Vorschlag der Neunten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung beschlossen, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

20      Die Klägerinnen beantragen,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

21      In ihrer Klagebeantwortung beantragt die Kommission,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

22      Das Gericht (Neunte erweiterte Kammer) hat auf Vorschlag des Berichterstatters beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen. Ferner hat es die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 89 der Verfahrensordnung ersucht, bestimmte Dokumente vorzulegen, und hat ihnen schriftliche Fragen zur Beantwortung in der mündlichen Verhandlung gestellt.

23      Die Parteien haben dem Gericht mit Schreiben vom 3. November 2020 geantwortet.

24      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission das Gericht über die Entscheidung der italienischen Behörden in Kenntnis gesetzt, die Maßnahmen, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses sind, zumindest in Bezug auf die Società Iniziative Autostradali e Servizi nicht durchzuführen.

25      In diesem Kontext hat das Gericht die Kommission ersucht, es schriftlich über mögliche Entscheidungen der italienischen Behörden betreffend die Durchführung der streitigen Maßnahmen sowohl hinsichtlich der Società Iniziative Autostradali e Servizi als auch hinsichtlich der Autostrade per l’Italia in Kenntnis zu setzen. Dieses Ersuchen ist im Sitzungsprotokoll vermerkt worden.

26      Mit Schreiben vom 14. Dezember 2020 hat die Kommission dem Gericht ein vom italienischen Ministerium für Infrastruktur und Verkehr an sie gerichtetes Schreiben vom 10. Dezember 2020 übermittelt. Zum Inhalt dieses Schreibens führt die Kommission aus, dass die Maßnahmen, hinsichtlich deren sie gemäß dem angefochtenen Beschluss keine Einwände erhoben habe, von den italienischen Behörden nicht durchgeführt werden könnten und nicht durchgeführt würden, so dass die Klägerinnen kein Rechtsschutzinteresse mehr hätten.

27      Die Klägerinnen haben mit Schreiben vom 27. Januar 2021 Stellung genommen und geltend gemacht, dass sie ein Interesse an der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses behielten.

28      Mit prozessleitenden Maßnahmen vom 8. Februar und vom 11. März 2021 hat das Gericht die Kommission um die Mitteilung ergänzender Informationen ersucht, die von dieser mit Schreiben vom 26. Februar und vom 29. März 2021 übermittelt worden sind. Auf der Grundlage dieser Informationen, die von den italienischen Behörden stammten, hat die Kommission erneut geltend gemacht, dass das Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen an der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses entfallen sei.

29      Mit Schreiben vom 28. April 2021 haben die Klägerinnen zu den letztgenannten Schreiben Stellung genommen und erneut geltend gemacht, dass sie aufgrund der in ihrem Schreiben vom 27. Januar 2021 (vgl. oben, Rn. 27) dargestellten Gründe ein Interesse an der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses behielten.

30      Am 29. April 2021 ist das mündliche Verfahren abgeschlossen worden und das Gericht ist in die Beratung über die Rechtssache eingetreten.

31      Nach dem Tod des Richters B. Berke am 1. August 2021 haben die drei Richter, deren Unterschrift das vorliegende Urteil trägt, gemäß Art. 22 und Art. 24 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Beratungen fortgesetzt.

 Rechtliche Würdigung

32      Zur Stützung ihrer Klagen machen die Klägerinnen, die unmittelbare Wettbewerber von Autostrade per l’Italia und der Società Iniziative Autostradali e Servizi in den Sektoren des Baus von Autobahnen und der Konzession für Autobahnen sind, zwei Klagegründe geltend.

33      Der erste Klagegrund betrifft die Maßnahmen hinsichtlich der von Autostrade per l’Italia betriebenen Autobahnen. Insoweit tragen die Klägerinnen vor, die Würdigung durch die Kommission, wonach die Maßnahmen betreffend die von Autostrade per l’Italia betriebenen Autobahnen den Kriterien der Mitteilung über Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen entsprächen und daher mit dem Binnenmarkt vereinbar seien, beruhe auf drei irrigen Prämissen. Die erste Prämisse sei die Einstufung der Bauarbeiten an der „Gronda di Genova“ als bereits vorgesehene Arbeiten, die zu einem Vorhaben gehörten, für das die Konzession bereits im Jahr 2002 an Autostrade per l’Italia vergeben worden sei, obwohl es sich in Wirklichkeit um ein im Verhältnis zu den gegenwärtig geltenden Konzessionen völlig neues Vorhaben handle, das ein neues Vergabeverfahren erforderlich mache. Nach der zweiten Prämisse sei Autostrade per l’Italia im Rahmen einer einheitlichen Konzession Konzessionsinhaberin, während dieses Unternehmen in Wirklichkeit Inhaberin eines Bündels unterschiedlicher Konzessionen sei. Nach der dritten Prämisse seien die Kosten für die Durchführung der Arbeiten, die die streitige Verlängerung gerechtfertigt hätten, von Autostrade per l’Italia und den italienischen Behörden richtig berechnet worden, obwohl das nicht der Fall gewesen sei. Im Übrigen machen die Klägerinnen, unabhängig von der Analyse in Bezug auf diese Prämissen, geltend, dass die Beurteilung der Kommission in Bezug auf die Vereinbarkeit der streitigen Maßnahmen mit den Abschnitten 2.2 bis 2.10 der Mitteilung über Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (vgl. oben, Rn. 15) fehlerhaft sei.

34      Der zweite Klagegrund bezieht sich auf die Maßnahmen hinsichtlich der von der Società Iniziative Autostradali e Servizi betriebenen Autobahnen. Insoweit tragen die Klägerinnen vor, dass die Würdigung durch die Kommission, wonach die Maßnahmen, die die von der Società Iniziative Autostradali e Servizi betriebenen Autobahnen A33 Asti‑Cuneo und SATAP A4 Torino‑Milano beträfen, den Kriterien der Mitteilung über Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen entsprächen und daher mit dem Binnenmarkt vereinbar seien, auf vier irrigen Prämissen beruhe. Nach der ersten Prämisse seien die elfjährige Verzögerung bei der Durchführung der Arbeiten an der Autobahn A33 Asti‑Cuneo und die daraus folgende Kostenerhöhung nicht der Società Iniziative Autostradali e Servizi, der Inhaberin der Konzession für diese Autobahn, zuzurechnen. Nach der zweiten Prämisse seien die in Rede stehenden Kosten von der Società Iniziative Autostradali e Servizi und den italienischen Behörden richtig berechnet worden, obwohl das nicht der Fall sei. Nach der dritten Prämisse sei für die Änderungen, die an dem Vorhaben des Baus dieser Autobahn vorgenommen worden seien, kein neues Vergabeverfahren erforderlich. Nach der vierten Prämisse stelle die Begrenzung der Dauer der erneuerten Konzessionen für zwei andere Autobahnen, nämlich die Autobahn SATAP A21, die Turin mit Brescia verbinde, und die Autobahn Torino‑Ivrea‑Valle d’Aosta, bis 2030, um eine gemeinsame Ausschreibung für vier Autobahnen, nämlich die A33 Asti‑Cuneo, die SATAP A4 Torino‑Milano, die SATAP A21 und die Autobahn Torino‑Ivrea‑Valle d’Aosta, zu ermöglichen, eine Verpflichtung dar, die die wettbewerbswidrigen Wirkungen der streitigen Beihilfe begrenze. Im Übrigen machen die Klägerinnen, unabhängig von der Analyse in Bezug auf diese Prämissen, geltend, dass die Beurteilung der Kommission in Bezug auf die Vereinbarkeit der streitigen Maßnahmen mit den Abschnitten 2.2 bis 2.10 der Mitteilung über Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (vgl. oben, Rn. 15) fehlerhaft sei.

35      Mit diesen Klagegründen machen die Klägerinnen geltend, die Kommission hätte ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit der geprüften Maßnahmen mit dem Binnenmarkt haben und demzufolge das förmliche Prüfverfahren nach Art. 4 Abs. 4 und Art. 6 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] (ABl. 2015, L 248, S. 9) eröffnen müssen. Damit habe die Kommission die Verfahrensrechte verletzt, die den Klägerinnen gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 zustünden.

36      Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur zulässig, wenn diese ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse, das eine wesentliche Grundvoraussetzung jeder vor Gericht erhobenen Klage ist, setzt voraus, dass die Nichtigerklärung dieser Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 55 und 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Das Rechtsschutzinteresse eines Klägers muss bestehend und gegenwärtig sein. Es darf sich nicht auf eine zukünftige und hypothetische Situation beziehen (Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 56). Betrifft das vom Kläger geltend gemachte Interesse eine zukünftige Rechtssituation, so muss er nachweisen, dass die Beeinträchtigung dieser Rechtssituation bereits feststeht (Urteil vom 14. April 2005, Sniace/Kommission, T‑141/03, EU:T:2005:129, Rn. 26, und Beschluss vom 26. März 2012, Cañas/Kommission, T‑508/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:152, Rn. 49).

38      Was insbesondere die Vorschriften über staatliche Beihilfen anbelangt, muss dieses Interesse im Hinblick auf den Klagegegenstand bei Klageerhebung gegeben sein – andernfalls ist die Klage unzulässig – und bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung weiter vorliegen, andernfalls ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 57). Die Frage der Erledigung der Hauptsache wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses kann von den Unionsgerichten von Amts wegen geprüft werden (Urteil vom 6. September 2018, Bank Mellat/Rat, C‑430/16 P, EU:C:2018:668, Rn. 49).

39      In diesem Kontext haben die Wettbewerber des durch eine Beihilfe Begünstigten ein Interesse, die Nichtigerklärung eines Beschlusses zu beantragen, mit dem die Kommission diese Beihilfe, ohne das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt.

40      Ein solches Interesse besteht, da die Kommission im Fall der betreffenden Nichtigerklärung nach Art. 4 Abs. 4 der Verordnung 2015/1589 das förmliche Prüfverfahren eröffnen und gemäß Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung die Wettbewerber des durch die Maßnahme Begünstigten als „Beteiligte“ im Sinne von Art. 1 Buchst. h dieser Verordnung zur Stellungnahme auffordern müsste (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Februar 2009, Deutsche Post und DHL International/Kommission, T‑388/03, EU:T:2009:30, Rn. 62).

41      Dieses Interesse kann jedoch nur dann als bis zur Verkündung der gerichtlichen Entscheidung fortbestehend angesehen werden, wenn es zum Zeitpunkt einer etwaigen Entscheidung über die Nichtigerklärung des Beschlusses, keine Einwände zu erheben, immer noch ein Vorhaben zur Gewährung einer Beihilfe gibt, das vom anmeldenden Mitgliedstaat durchgeführt und somit Gegenstand eines förmlichen Prüfverfahrens sein kann.

42      Aus Art. 108 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit den Art. 2, 4 und 9 der Verordnung 2015/1589 ergibt sich nämlich, dass sich das förmliche Prüfverfahren auf ein Vorhaben zur Gewährung einer Beihilfe bezieht.

43      Das Vorliegen eines solchen Vorhabens kann zwar aufgrund des bloßen Umstands vermutet werden, dass es von dem Mitgliedstaat zum Zweck seiner Genehmigung durch die Kommission gemäß dem in der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Verfahren angemeldet wurde, was umso mehr gilt, als der Mitgliedstaat gemäß Art. 10 dieser Verordnung die Anmeldung zurücknehmen kann, bevor der Beschluss nach Art. 4 dieser Verordnung, mit dem die vorläufige Prüfung abgeschlossen wird, erlassen wird.

44      Doch schließt der Umstand, dass die Anmeldung nicht zurückgenommen wurde, es nicht aus, dass der Mitgliedstaat das Vorhaben endgültig aufgeben kann, nachdem die Kommission ihren Beschluss, keine Einwände zu erheben, erlassen hat. Zum einen kann nämlich, wie sich aus Art. 10 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 ergibt, die Anmeldung förmlich nur zurückgenommen werden, solange die Kommission keinen Beschluss nach Art. 4 dieser Verordnung erlassen hat. Zum anderen sind die Mitgliedstaaten zwar nach Art. 108 Abs. 3 AEUV verpflichtet, ihre Vorhaben im Bereich staatlicher Beihilfen vor deren Durchführung bei der Kommission anzumelden; dieser Artikel schreibt ihnen hingegen nicht die Gewährung einer Beihilfe vor, auch wenn sie durch einen Beschluss dieses Organs genehmigt wurde. Ein solcher Beschluss bezweckt und bewirkt lediglich, ein Beihilfevorhaben für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären und damit zu genehmigen, nicht aber, dem betreffenden Mitgliedstaat seine Durchführung vorzuschreiben (vgl. Beschluss vom 6. Mai 2020, Blumar u. a., C‑415/19 bis C‑417/19, EU:C:2020:360, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Der Umstand, dass ein Mitgliedstaat das Vorhaben endgültig aufgibt, das Gegenstand des Beschlusses der Kommission, keine Einwände zu erheben, war, kann sich indessen auf das Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses, wie es oben in Rn. 40 beschrieben wird, auswirken.

46      Insbesondere ist in einem solchen Fall die Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission, keine Einwände zu erheben, grundsätzlich nicht mehr geeignet, der Klagepartei den von ihr begehrten Verfahrensvorteil zu verschaffen, nämlich die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens und die Möglichkeit, in diesem Verfahren Stellung zu nehmen, was ihr Rechtsschutzinteresse entfallen lässt und, je nach Fallgestaltung, zur Unzulässigkeit der Klage oder zur Erledigung der Hauptsache führt (vgl. oben, Rn. 38).

47      Insoweit folgt zunächst aus Art. 108 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit den Art. 2, 4 und 9 der Verordnung 2015/1589, dass sich das förmliche Prüfverfahren auf ein Vorhaben zur Gewährung einer Beihilfe bezieht. Daraus folgt, dass der Umstand, dass der anmeldende Mitgliedstaat nach dem Erlass eines Beschlusses der Kommission, keine Einwände zu erheben, dieses Vorhaben aufgibt, die praktische Wirksamkeit dieses Beschlusses entfallen lässt und insbesondere dazu führt, dass das förmliche Prüfverfahren, das die Kommission nach der Nichtigerklärung dieses Beschlusses eröffnen müsste, von vornherein gegenstandslos wird.

48      Entsprechend gibt es sodann in Ermangelung eines Vorhabens zur Gewährung einer Beihilfe keinen „Begünstigten“ mehr und auch keinen „Wettbewerber“ dieses Begünstigten und – infolgedessen – keinen „Beteiligten“ im Sinne von Art. 1 Buchst. h der Verordnung 2015/1589, der in einem möglichen förmlichen Prüfverfahren nach Abs. 6 Abs. 1 dieser Verordnung zur Stellungnahme aufgefordert würde. Daraus folgt, dass unter diesen Umständen die Nichtigerklärung des Beschlusses, keine Einwände zu erheben, grundsätzlich nicht geeignet ist, der Klagepartei den Vorteil zu verschaffen, der in der Möglichkeit besteht, im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens Stellung zu nehmen.

49      Schließlich gilt diese Schlussfolgerung umso mehr, wenn sich aus den Umständen des Falls ergibt, dass der anmeldende Mitgliedstaat nicht mehr die Möglichkeit hat, sich auf den Beschluss der Kommission, keine Einwände zu erheben, zu stützen, wenn er sich dazu entschließen sollte, nach seiner Entscheidung über die Aufgabe des streitigen Beihilfevorhabens diese Entscheidung zurückzunehmen und das fragliche Beihilfevorhaben schlussendlich doch durchzuführen. Denn in einem solchen Fall kann die Nichtigerklärung dieses Beschlusses der Klagepartei als Wettbewerberin des Begünstigten keinen gesonderten Vorteil verschaffen, der darin besteht, dass diesem Mitgliedstaat diese Möglichkeit genommen wird.

50      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Rn. 61 bis 63 des angefochtenen Beschlusses, dass die Kommission den Einsatz staatlicher Mittel im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV allein mit dem Verweis auf die Verlängerung der streitigen Konzessionen begründet hat (vgl. oben, Rn. 12). Im Übrigen ergibt sich aus den Rn. 64 bis 73 des angefochtenen Beschlusses, dass die Beurteilung des Vorliegens eines Vorteils im Sinne dieser Bestimmung durch die Kommission auf der Prämisse beruht, dass die in Rede stehende Verlängerung zu Einnahmen führt, die im Licht der von den italienischen Behörden bereitgestellten Informationen nicht mit Kosten verglichen werden können, die einem durchschnittlichen und gut geführten Unternehmen, das so angemessen ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Durchführung der in Rede stehenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstanden wären (vgl. oben, Rn. 13).

51      In dem an die Kommission gerichteten und von dieser am 14. Dezember 2020 vorgelegten Schreiben vom 10. Dezember 2020 (vgl. oben, Rn. 25 und 26) hat das italienische Ministerium für Infrastruktur und Verkehr indessen ausgeführt:

„… [es] wird bestätigt, dass die in dem Beschluss der Kommission in Betracht gezogenen möglichen Änderungen der Konzessionsverhältnisse … heute in vollem Umfang überholt sind und durch andere Lösungen ersetzt wurden, die keine Verlängerung der Dauer der Konzessionen vorsehen.

Was insbesondere [die Autobahnen Asti‑Cuneo und SATAP A4 Torino‑Milano] anbelangt, wurde eine neue Möglichkeit zur Änderung der Finanzpläne vorbereitet [und] mit Beschluss des [Comitato interministeriale per la programmazione economica (Interministerieller Ausschuss für Wirtschaftsplanung)] vom 14. Mai 2020 genehmigt …

Das Unternehmen Autostrade per l’Italia hat einen neuen Vorschlag für eine Änderung der Konzession vorbereitet, der keine Verlängerung der Konzessionsdauer vorsieht und derzeit geprüft wird.“

52      Im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme vom 8. Februar 2021 hat das Gericht die Kommission ersucht, sich, gegebenenfalls nach Konsultierung der italienischen Behörden, dazu zu äußern, ob die Feststellungen in dem Schreiben vom 10. Dezember 2020 dahin zu verstehen sind, dass die Verlängerung der Konzession für Autostrade per l'Italia endgültig aufgegeben wurde, auch wenn der neue Vorschlag dieses Konzessionsinhabers noch geprüft wird.

53      Mit Schreiben vom 26. Februar 2021 übermittelte die Kommission dem Gericht insbesondere eine E‑Mail des italienischen Ministeriums für Infrastruktur und Verkehr vom 10. Februar 2021 (vgl. oben, Rn. 28). Diese E‑Mail hat folgenden Wortlaut:

„Hiermit bestätige ich, dass die Möglichkeit einer Verlängerung der Konzession von [Autostrade per l’Italia] überholt ist und stattdessen derzeit ein neuer Vorschlag geprüft wird, mit dem der ursprünglich für 2038 vorgesehene Ablauf bestätigt wird.“

54      Im Übrigen wird in dieser E‑Mail bestätigt, dass für die Autobahnen A33 Asti‑Cuneo und SATAP A4 Torino‑Milano ein neuer Konzessionsvertrag unterzeichnet worden ist.

55      Schließlich hat die Kommission auf eine weitere prozessleitende Maßnahme mit Schreiben vom 29. März 2021 dem Gericht ein Schreiben des Ministeriums für nachhaltige Infrastrukturen und Mobilität vom 26. März 2021 übermittelt (vgl. oben, Rn. 28). In diesem Schreiben führt dieses Ministerium insbesondere aus, dass die zusätzlichen Rechtsakte betreffend die Konzessionen für die Autobahnen SATAP A4 Torino‑Milano und Asti‑Cuneo fertiggestellt worden seien und dass deren Bestimmungen die Umstände, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses seien, gegenstandslos machten. In diesem Schreiben wird ferner festgestellt, dass diese zusätzlichen Rechtsakte keine Verlängerung der in Rede stehenden Konzessionen für die beiden in Rede stehenden Autobahnen vorsähen, sondern vielmehr „bestätigen“, dass die erste Konzession am 31. Dezember 2026 auslaufe und das Ende der zweiten Konzession „wieder“ auf den 31. Dezember 2031 „festgesetzt“ worden sei.

56      Was die von Autostrade per l’Italia betriebenen Autobahnen anbelangt, wird in dem fraglichen Schreiben ausgeführt, dass die betreffenden Stellen in abgestimmter Weise den Vorschlag eines Finanzplans, mit dem der Ablauf der Konzession am 31. Dezember 2038 bestätigt werde, prüften und dass in diesem Vorschlag eine Verlängerung des Konzessionsvertrags über diesen Zeitpunkt hinaus ausgeschlossen werde, was den angefochtenen Beschluss insoweit gegenstandslos mache.

57      Aus den oben in den Rn. 51 bis 56 dargestellten Umständen ergibt sich, dass die Italienische Republik das Vorhaben einer Verlängerung der streitigen Konzessionen endgültig aufgegeben hat, wobei diese Verlängerung die Grundlage dafür bildete, dass die Kommission die Maßnahmen, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses waren, als staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft hat (vgl. oben, Rn. 12 und 13).

58      Aus den von der Italienischen Republik zu den von der Società Iniziative Autostradali e Servizi betriebenen Autobahnen bereitgestellten Informationen ergibt sich nämlich, dass eine Zusatzvereinbarung, die keine Verlängerung vorsieht, bereits unterzeichnet wurde und in Kraft getreten ist. Gemäß dieser Zusatzvereinbarung wird die Konzession für die Autobahn SATAP A4 Torino‑Milano am 31. Dezember 2026, mithin zum ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt, ablaufen. Ferner ist in dieser Zusatzvereinbarung vorgesehen, dass die Konzession für die Autobahn Asti‑Cuneo am 31. Dezember 2031, d. h. deutlich vor ihrem ursprünglichen Endtermin (vgl. oben, Rn. 8), ablaufen wird.

59      Was die von Autostrade per l’Italia betriebenen Autobahnen anbelangt, hat die Italienische Republik dargelegt, dass die Vorlage eines auf einen Ablauf der Konzession am 31. Dezember 2038 gestützten Änderungsvorschlags jegliche Verlängerung dieser Konzession über diesen ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt (vgl. oben, Rn. 6) hinaus ausschließe.

60      Da die Italienische Republik das streitige Beihilfevorhaben endgültig aufgegeben hat, würde eine etwaige Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses durch das Gericht die Kommission demzufolge nur verpflichten, ein förmliches Prüfverfahren zu eröffnen, das von vornherein gegenstandslos wäre, was auch die Abgabe von Stellungnahmen der Klägerinnen zu einem Vorhaben, das nicht mehr durchgeführt werden kann, gegenstandslos macht (vgl. oben, Rn. 47 und 48).

61      Darüber hinaus ist festzustellen, dass sich, wie die Kommission in ihrem Schreiben vom 14. Dezember 2020 anmerkt, aus den Rn. 23, 44 und 50 des angefochtenen Beschlusses ergibt, dass die Feststellung der Vereinbarkeit der streitigen Maßnahmen mit dem Binnenmarkt unter der Voraussetzung steht, dass mit bestimmten beabsichtigten Arbeiten spätestens am 1. Januar 2020 begonnen wird. Denn nach Fn. 30 zu den Ausführungen in Rn. 50 des angefochtenen Beschlusses sahen die geplanten Vereinbarungen vor, dass, wenn mit den Arbeiten an der Autobahn A33 Asti‑Cuneo nicht vor dem 1. Januar 2020 begonnen werde, der die von der Società Iniziative Autostradali e Servizi betriebenen Autobahnen betreffende Plan vollständig aufgegeben werde. In ähnlicher Weise sollte nach derselben Fußnote die Verlängerung der Konzession für Autostrade per l’Italia aufgegeben werden, wenn mit den Bauarbeiten an der „Gronda di Genova“ und den Verbindungen der Autobahnen A7/A10/A12 nicht vor dem 1. Januar 2020 begonnen wird.

62      Diese Bestimmungen erklären sich aus dem Umstand, dass, wie sich insbesondere aus den Rn. 44, 147, 151 und 152 des angefochtenen Beschlusses ergibt, das finanzielle Gleichgewicht des streitigen Vorhabens u. a. von der Berechnung bestimmter Investitionsrenditen und der Berücksichtigung der jeweils aktuellen makroökomischen Bedingungen abhängt. Diese Faktoren beruhen ihrerseits auf Daten, die sich im Lauf der Zeit ändern können. Deshalb stellt, wie sich aus Rn. 160 des angefochtenen Beschlusses ergibt, die automatische Aufgabe der Verlängerung der streitigen Konzessionen unter den in Rn. 50 dieses Beschlusses vorgesehenen Voraussetzungen (vgl. oben, Rn. 61) eine zur Vermeidung einer Überkompensation der Konzessionsinhaber erforderliche Maßnahme dar.

63      Die Kommission, die gemäß Rn. 51 Buchst. a zweiter Gedankenstrich des angefochtenen Beschlusses vom Fortgang der Arbeiten in Kenntnis zu setzen war, weist indessen in ihrem Schreiben vom 14. Dezember 2020 darauf hin, dass die Arbeiten, mit deren Ausführung spätestens am 1. Januar 2020 begonnen werden musste, noch nicht aufgenommen worden waren, was von den Klägerinnen nicht bestritten wird.

64      Aus diesen Feststellungen folgt, dass sich die Italienische Republik nicht auf die in den Rn. 151 bis 165 des angefochtenen Beschlusses (vgl. oben, Rn. 15 siebter Gedankenstrich) wiedergegebenen Schlussfolgerungen der Kommission insbesondere zur Angemessenheit des sich aus den streitigen Maßnahmen ergebenden Gewinns und zum Nichtvorliegen einer Überkompensation berufen kann, wenn sie in Zukunft trotz ihrer Bekundung, es aufgegeben zu haben, beschließen sollte, das streitige Vorhaben durchzuführen. Da die Voraussetzung, dass mit den oben in Rn. 61 genannten Arbeiten vor dem 1. Januar 2020 begonnen wird, nicht erfüllt ist, würde es sich bei einem solchen Vorhaben nämlich nicht um das Vorhaben handeln, gegen das die Kommission gemäß dem angefochtenen Beschluss keine Einwände erhoben hat.

65      Deshalb wäre, wenn eine von der Italienischen Republik später in Betracht gezogene Maßnahme zur Gewährung einer staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV führen sollte, gemäß Art. 2 der Verordnung 2015/1589 eine neue Anmeldung bei der Kommission erforderlich, hinsichtlich der die Kommission ihre Befugnisse gemäß Art. 4 dieser Verordnung ausüben müsste.

66      Deshalb macht die Kommission in ihrem Schreiben vom 14. Dezember 2020 zu Recht geltend, dass das streitige Vorhaben von der Italienischen Republik nicht in der genehmigten Form durchgeführt werden kann und wird.

67      Die Klägerinnen tragen ihrerseits zur Stützung ihres Vorbringens, wonach sie weiterhin ein Interesse daran haben, die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses weiterzuverfolgen, im Wesentlichen vier Argumente vor.

68      Insbesondere bringen die Klägerinnen erstens vor, dass der neue Vorschlag von Autostrade per l’Italia von den italienischen Behörden noch nicht gebilligt worden sei.

69      Insoweit ist zum Ersten festzustellen, dass die Italienische Republik in Anbetracht der oben in den Rn. 51 bis 56 dargestellten Umstände vorträgt, dass der Umstand, dass Autostrade per l’Italia einen neuen, auf den Ablauf ihrer Konzession am 31. Dezember 2038 gestützten Vorschlag eingebracht habe, eine Verlängerung dieser Konzession über diesen Zeitpunkt hinaus ausschließe. Zum Zweiten folgt der Ausschluss dieser Verlängerung jedenfalls aus dem Umstand, dass mit den Arbeiten an der „Gronda di Genova“ und der Autobahn A33 Asti‑Cuneo nicht am 1. Januar 2020 begonnen wurde (vgl. oben, Rn. 61 bis 63), was von den Klägerinnen nicht bestritten wird.

70      Zweitens machen die Klägerinnen geltend, die italienischen Behörden hätten zu den neuen Finanzplänen, mit denen die mit dem angefochtenen Beschluss genehmigten Maßnahmen ersetzt werden sollten, keine detaillierte Erklärung geliefert. Insbesondere hätten die italienischen Behörden lediglich darauf verwiesen, dass die neuen Pläne keine Verlängerung der streitigen Konzessionen vorsähen, ohne die Finanzierung der Autobahn A33 Asti‑Cuneo aus den Einnahmen aus der Autobahn SATAP A4 Torino‑Milano oder den möglicherweise beim Ablauf der Konzessionen vom möglichen neuen Konzessionsinhaber an die Konzessionsinhaber zu zahlenden Übernahmebetrag zu erläutern und ohne zu gewährleisten, dass sie in der Zukunft das Vorhaben einer Verlängerung der streitigen Konzessionen nicht „wiederbeleben“ würden. Unter diesen Umständen würde eine Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses die Kommission daran hindern, die mit der streitigen Klage aufgedeckten Fehler zu wiederholen, wenn die neuen Finanzpläne Beihilfemaßnahmen enthielten, deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt von Beurteilungen abhinge, die jenen entsprächen, die dem angefochtenen Beschluss zugrunde lägen.

71      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission, um die in Rede stehenden Maßnahmen als Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen, auf die Verlängerung der streitigen Konzessionen gestützt hat. Insbesondere stellen die Einnahmen, die in dem dieser Verlängerung entsprechenden Zeitraum erzielt würden, nach Auffassung der Kommission staatliche Mittel dar, die den gegenwärtigen Konzessionsinhabern einen Vorteil gewähren würden (vgl. oben, Rn. 12, 13 und 50). Was im Übrigen insbesondere die Finanzierung der Arbeiten an der Autobahn A33 Asti‑Cuneo anbelangt, ist festzustellen, dass diese Arbeiten durch die aufgrund der Verlängerung der Konzession für die Autobahn SATAP A4 Torino‑Milano erzielten Einnahmen finanziert würden und dass der Übernahmebetrag auf der Grundlage dieser Einnahmen berechnet würde (vgl. oben, Rn. 10, 11 und 15 dritter Gedankenstrich).

72      Daraus folgt, dass aufgrund der Aufgabe der Verlängerung der streitigen Konzessionen die Würdigung der Kommission in dem angefochtenen Beschluss sowohl in Bezug auf die Natur der in Rede stehenden Maßnahmen als staatliche Beihilfen als auch in Bezug auf ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt auf der Grundlage von Art. 106 Abs. 2 AEUV automatisch gegenstandslos geworden ist.

73      In diesem Zusammenhang kann die Frage, ob die neuen Finanzpläne Maßnahmen darstellen, die eine Gewährung staatlicher Beihilfen gleich welcher Art implizieren, nur im Rahmen eines neuen Verfahrens geprüft werden, das die Kommission gegebenenfalls nach einer neuen Anmeldung durch die Italienische Republik gemäß Art. 108 AEUV und Art. 4 der Verordnung 2015/1589 einleiten müsste. Im Rahmen eines solchen Verfahrens würde die Kommission die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Maßnahmen mit dem Binnenmarkt unter Berücksichtigung aller ihrer maßgeblichen Merkmale prüfen und beurteilen, ob die Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 4 Abs. 4 und Art. 6 der Verordnung 2015/1589 erforderlich ist.

74      Das Argument, die Italienische Republik könne von dem angefochtenen Beschluss profitieren, indem sie das Vorhaben einer Verlängerung der streitigen Konzessionen nach der Beendigung des vorliegenden Verfahrens wieder aufnehme, ist aus den oben in den Rn. 61 bis 65 dargestellten Gründen zurückzuweisen.

75      Drittens machen die Klägerinnen geltend, die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses würde die Kommission verpflichten, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen und damit ihre Verfahrensrechte zu wahren. Jedoch muss dieses Argument aus den oben in den Rn. 47 bis 60 dargestellten Gründen zurückgewiesen werden.

76      Viertens machen die Klägerinnen geltend, dass der angefochtene Beschluss in Kraft bleibe und damit hinsichtlich eines jeden die „gegenwärtigen Beihilfemaßnahmen“ oder künftige Maßnahmen betreffenden Rechtsstreits verbindlich sei, da lediglich der Parameter betreffend die Verlängerung der streitigen Konzessionen verändert worden sei.

77      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass aus den oben in den Rn. 71 und 72 dargestellten Gründen die Verlängerung der streitigen Maßnahmen keinen bloßen Parameter der im Rahmen des angefochtenen Beschlusses geprüften Maßnahmen, sondern den Umstand darstellt, der es nach Ansicht der Kommission rechtfertigt, diese Maßnahmen als staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen. Somit führt die Aufgabe der in Rede stehenden Verlängerung zu einem Entfallen der „gegenwärtigen Beihilfemaßnahmen“, wie sie von der Kommission geprüft wurden. Im Übrigen schließt es die Natur des angefochtenen Beschlusses, die darin besteht, dass die geprüften Maßnahmen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden, aus, dass dieser Umstand eine irgendwie geartete verbindliche Wirkung gegenüber anderen Beihilfemaßnahmen, die Gegenstand eines neuen Verfahrens sein müssen, entfaltet (vgl. oben, Rn. 73).

78      Daraus folgt, dass die vorliegende Rechtssache von den von den Klägerinnen geltend gemachten Rechtssachen unterschieden werden muss, in denen das Gericht das Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses unter wesentlich anders gelagerten Umständen festgestellt hat.

79      Es handelt sich zum Ersten um Fälle, in denen das förmliche Prüfverfahren, das die Kommission nach der Nichtigerklärung eines nach einer Vorprüfung erlassenen Beschlusses eröffnen muss, anders als im vorliegenden Fall nicht gegenstandslos geworden ist, weil von der streitigen Maßnahme in keinerlei Hinsicht Abstand genommen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Juni 2019, Ja zum Nürburgring/Kommission, T‑373/15, EU:T:2019:432, Rn. 15, 83 und 90 bis 92, und vom 19. Juni 2019, NeXovation/Kommission, T‑353/15, EU:T:2019:434, Rn. 14, 67 und 72 bis 74). Unter diesen Umständen kann die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts nämlich zur Folge haben, dass die Kommission verpflichtet wird, die Beteiligten zur Stellungnahme im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens aufzufordern, das, anders als im vorliegenden Fall, nicht gegenstandslos geworden ist.

80      Zum Zweiten muss die vorliegende Rechtssache von Fällen unterschieden werden, in denen die auf die Nichtigerklärung eines gegenstandslos gewordenen Beschlusses gerichtete Klage die Rechtmäßigkeit oder die Auslegung von Vorschriften in Frage stellt, auf deren Grundlage der angefochtene Rechtsakt erlassen wurde und die künftig im Rahmen von Verfahren Anwendung finden können, in denen eine Beteiligung der Klagepartei wahrscheinlich ist. In einem solchen Fall kann die Klagepartei ihr Interesse an der Nichtigerklärung einer Handlung ebenfalls behalten, um verhindern zu können, dass sich der behauptete ihr anhaftende Rechtsverstoß in Zukunft wiederholt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. März 1979, Simmenthal/Kommission, 92/78, EU:C:1979:53, Rn. 32, und vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 45 bis 60).

81      Dieses Rechtsschutzinteresse kann jedoch gemäß den Feststellungen in der Rechtsprechung nur gegeben sein, wenn sich der behauptete Rechtsverstoß „unabhängig von den Umständen der Rechtssache, die zur Klageerhebung [durch die Klagepartei] geführt haben“ (Urteil vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 52), oder „unabhängig von den besonderen Umständen der in Rede stehenden Rechtssache“ (Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission, C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 48) in Zukunft wiederholen kann.

82      Somit kann das Rechtsschutzinteresse in Anbetracht des gegenwärtigen und nicht hypothetischen Charakters, den es aufweisen muss (vgl. oben, Rn. 37), als nachgewiesen angesehen werden, wenn mit der Klage die Gültigkeit oder die Auslegung der beim Erlass des angefochtenen Rechtsakts angewandten Vorschriften in Frage gestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. März 1979, Simmenthal/Kommission, 92/78, EU:C:1979:53, Rn. 32, vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 54 bis 59, und vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission, C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 49 bis 52).

83      Im vorliegenden Fall machen die Klägerinnen jedoch ein Interesse an der Weiterverfolgung ihres auf die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses gerichteten Antragsbegehrens geltend, damit so vermieden werden kann, dass die Kommission neuerlich die angeblichen Beurteilungsfehler begeht, die sie dazu veranlasst haben sollen, die streitigen Maßnahmen ohne Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären. In Anbetracht der Tragweite der zur Stützung der Klage geltend gemachten Klagegründe (vgl. oben, Rn. 32 bis 35) betreffen die in Rede stehenden angeblichen Fehler die von der Kommission vorgenommenen Beurteilungen, auf deren Grundlage die streitigen Maßnahmen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurden, wobei diese Beurteilungen gerade die besonderen Umstände des vorliegenden Falls zum Gegenstand haben. Daher beziehen sich die geltend gemachten Beurteilungsfehler offensichtlich nicht auf Rechtsverstöße, die sich in dem oben in den Rn. 81 und 82 dargestellten Sinn „unabhängig von den Umständen der Rechtssache, die zur Klageerhebung geführt haben“, wiederholen können.

84      Wenn man davon ausginge, dass dieses Argument geeignet ist, den Fortbestand des Rechtsschutzinteresses unter Umständen wie denen des vorliegenden Falls zu rechtfertigen, würde zudem das Erfordernis des gegenwärtigen und nicht hypothetischen Charakters dieses Interesses (vgl. oben, Rn. 37) seine Bedeutung verlieren. In diesem Fall könnte das im Rahmen einer Klage vorgebrachte Interesse an der Vermeidung der Wiederholung eines jeden angeblichen Rechtsverstoßes nämlich sachgerecht unter allen Umständen geltend gemacht werden, auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts der Klagepartei keinen Vorteil bringen würde (vgl. unten, Rn. 87).

85      Die vorliegende Rechtssache muss drittens und letztens von Fällen unterschieden werden, in denen der angefochtene Rechtsakt keineswegs hinfällig geworden ist, sondern verbindliche Wirkungen entfaltet hat, denen die Klagepartei als dessen Adressatin nachgekommen ist, wobei das beklagte Organ diese Wirkungen nach Maßgabe der Gründe für die Nichtigerklärung dieses Rechtsakts wird beseitigen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. März 1999, Gencor/Kommission, T‑102/96, EU:T:1999:65, Rn. 40 bis 42, vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission, T‑22/97, EU:T:1999:327, Rn. 55 bis 64, und vom 28. September 2004, MCI/Kommission, T‑310/00, EU:T:2004:275, Rn. 44 bis 55).

86      Im vorliegenden Fall schließt es jedoch zum einen die Aufgabe der streitigen Maßnahmen vor ihrer Durchführung aus, dass sie Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation der Klägerinnen entfaltet haben (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 27. April 1995, ASPEC u. a./Kommission, T‑435/93, EU:T:1995:79, Rn. 29 und 30, und vom 27. April 1995, Casillo Grani/Kommission, T‑443/93, EU:T:1995:81, Rn. 7 und 8). Zum anderen besteht, wie oben in den Rn. 39 und 40 dargestellt, das Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen nicht in der Aufhebung von verbindlichen Auswirkungen des angefochtenen Beschlusses, die die Klägerinnen angeblich zu tragen haben, sondern in der Wahrung von Verfahrensrechten, die sie nach der Nichtigerklärung dieses Beschlusses ausüben könnten. Aus den oben in den Rn. 50 bis 66 dargestellten Gründen kann indessen die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses den Klägerinnen den von ihnen angestrebten Vorteil, nämlich die Möglichkeit, im Rahmen eines förmlichen Prüfverfahrens Stellung zu nehmen, nicht verschaffen.

87      Nach alledem kann die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses den Klägerinnen im Ergebnis keinen Vorteil verschaffen.

88      Daher ist die Klage in der Hauptsache erledigt (vgl. oben, Rn. 36 bis 38).

 Kosten

89      Nach Art. 137 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht, wenn die Hauptsache für erledigt erklärt wird, über die Kosten nach freiem Ermessen. In Anbetracht des Umstands, dass die Kommission die hauptsächlichen Informationen betreffend die Aufgabe des streitigen Vorhabens zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, obwohl sie über diese Informationen bereits in einem früheren Stadium verfügte, ist zu entscheiden, dass dieses Organ neben seinen eigenen Kosten die Hälfte der Kosten der Klägerinnen zu tragen hat und dass diese die Hälfte ihrer eigenen Kosten zu tragen haben.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die von der INC SpA und der Consorzio Stabile Sis SCpA erhobene Klage ist in der Hauptsache erledigt.

2.      Die Europäische Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die Hälfte der Kosten von INC und Consorzio Stabile Sis.

3.      INC und Consorzio Stabile Sis tragen die Hälfte ihrer eigenen Kosten.

Costeira

Gratsias

Kancheva

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. September 2021.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.