Language of document : ECLI:EU:T:2023:398

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

12. Juli 2023(*)

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Abschlussbericht des OLAF über seine Untersuchung zur Erfüllung eines durch den EEF finanzierten Dienstleistungsvertrags – Verweigerung des Zugangs – Ausnahmeregelung zum Schutz des Entscheidungsprozesses – Ausnahmeregelung zum Schutz des Zwecks von Inspektions‑, Untersuchungs- und Audittätigkeiten – Allgemeine Vermutung – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑377/21,

Eurecna SpA mit Sitz in Venedig (Italien), vertreten durch Rechtsanwalt R. Sciaudone,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch C. Ehrbar und A. Spina als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten L. Truchot sowie der Richterinnen R. Frendo und T. Perišin (Berichterstatterin),

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und der Entscheidung gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV begehrt die Klägerin, die Eurecna SpA, die Nichtigerklärung des Beschlusses des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) vom 26. April 2021, mit dem dieses ihr nach Abschluss der Untersuchung OC/2019/0766/B4 den Zugang zu seinem Abschlussbericht und dessen Anhängen verweigert hat (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerin ist ein Unternehmen, das im Bereich der Erbringung von IT‑Dienstleistungen tätig ist.

3        Im April 2014 unterzeichnete die Vereinigung der überseeischen Länder und Gebiete der Europäischen Union (OCTA) mit der Klägerin als koordinierendem Unternehmen den Dienstleistungsvertrag FED/2014/341‑873 „Territoriale Innovationsstrategien (TIS)“ (im Folgenden: Vertrag) über einen ursprünglichen Betrag von 2 900 600 Euro und mit einer Laufzeit vom 29. April 2014 bis zum 28. April 2020. Dieser Vertrag wurde vom Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) finanziert und verfolgte die allgemeinen Ziele, die nachhaltige Entwicklung und wirtschaftliche Diversifizierung durch innovative Lösungen zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit der überseeischen Länder und Gebiete auf regionaler und globaler Ebene zu verbessern.

4        Zur Durchführung des Vertrags stellte die Klägerin mehrere Mitarbeiter ein, darunter einen Teamleiter und leitenden Sachverständigen Nr. 1.

5        Am 25. April 2019 übermittelte dieser Teamleiter ein Schreiben an die OCTA und die Europäische Kommission, in dem er diesen mitteilte, dass die Klägerin ihm seine Vergütung für die von 2015 bis 2018 geleistete Arbeit, d. h. 430 326,23 Euro, nicht gezahlt habe.

6        Im August 2019 benannte die Kommission eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: unabhängiger Prüfer), damit diese eine unabhängige Prüfung der Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit der von der Klägerin im Zeitraum vom 29. April 2014 bis zum 30. April 2019 übermittelten Berichte vornehme. Sie schaltete auch das OLAF ein, damit es in seine Zuständigkeit fallende Kontrollen in Bezug auf das etwaige Vorliegen von Betrug, Korruption und sonstigen rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union durchführe.

7        Am 15. Juni 2020 legte der unabhängige Prüfer seinen Abschlussbericht vor, in dem festgestellt wurde, dass der Betrag von 504 434,68 Euro für eine Finanzierung durch den EEF nicht in Betracht komme. Dieser Betrag entsprach zum einen einem Betrag von 2 034,68 Euro für verschiedene Kosten, für die die entsprechenden Belege fehlten oder unzureichend waren, und zum anderen einem Betrag von 502 400 Euro, der der fehlenden Abrechnung von Honoraren der Mitarbeiter der Klägerin und Unterschieden zwischen der Zahl der Arbeitsstunden, die einerseits von diesen Mitarbeitern und andererseits von der Klägerin bei der OCTA geltend gemacht wurden, entsprach.

8        Am 1. Juli 2020 kündigte das OLAF die Einleitung der Untersuchung mit dem Aktenzeichen OC/2019/0766/B4 gegen die Klägerin wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung des Vertrags an.

9        Mit Schreiben vom 4. Dezember 2020 teilte das OLAF der Klägerin mit, dass die Untersuchung OC/2019/0766/B4 abgeschlossen und der Abschlussbericht dieser Untersuchung der Staatsanwaltschaft Venedig (Italien) und der Generaldirektion (GD) Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung der Kommission übermittelt worden sei, damit folgende Maßnahmen ergriffen werden könnten: zum einen die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen etwaigen Betrugs, der durch fehlerhafte Ausgabenprüfberichte begangen worden sein könnte, um von der OCTA unrechtmäßige Zahlungen zu erlangen, und zum anderen die Rückforderung des Betrags in Höhe von 504 434,68 Euro, die Registrierung der Klägerin in der Datenbank des Früherkennungs- und Ausschlusssystems (EDES) und die Beurteilung der Zweckmäßigkeit wirtschaftlicher Sanktionen gemäß Art. 10 der für den Vertrag geltenden Allgemeinen Bedingungen.

10      Am 22. Januar 2021 stellte die Klägerin beim OLAF gemäß Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) einen Antrag auf Zugang zum Abschlussbericht der Untersuchung OC/2019/0766/B4 des OLAF und zu den Anhängen dieses Berichts (im Folgenden: angeforderte Dokumente).

11      Am 3. März 2021 lehnte das OLAF den Zugang zu den angeforderten Dokumenten ab.

12      Am 10. März 2021 stellte die Klägerin auf der Grundlage von Art. 7 der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Zweitantrag auf Zugang zu den angeforderten Dokumenten.

13      Mit Vorabinformationsschreiben vom 11. März 2021 unterrichtete die Kommission die Klägerin über die Einleitung des Verfahrens zur Rückforderung eines Betrags von 417 234,68 Euro auf der Grundlage des Abschlussberichts des unabhängigen Prüfers und forderte sie auf, gegebenenfalls innerhalb einer Frist von 30 Tagen Stellung zu nehmen.

14      Am 26. April 2021 erließ das OLAF den angefochtenen Beschluss, mit dem es den oben in Rn. 12 genannten Zweitantrag ablehnte.

 Anträge der Parteien

15      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission aufzugeben, die angeforderten Dokumente vorzulegen;

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

16      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Antrag auf Nichtigerklärung

17      Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf sechs Klagegründe: erstens einen Rechtsfehler in Bezug auf die Folgen des Zugangs zu den angeforderten Dokumenten, zweitens einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 in Bezug auf die Ausnahmeregelung zum Schutz des Zwecks von Inspektions‑, Untersuchungs- und Audittätigkeiten, drittens einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 hinsichtlich der Ausnahmeregelung zum Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, viertens einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 betreffend den teilweisen Zugang zu den angeforderten Dokumenten, fünftens eine Verletzung der Begründungspflicht und sechstens einen Rechtsfehler, der sich daraus ergebe, dass das OLAF nicht anerkannt habe, dass ihren Verteidigungsrechten ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 zukomme.

18      Da nach ständiger Rechtsprechung eine fehlende oder unzureichende Begründung eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne des Art. 263 AEUV darstellt und ein Gesichtspunkt zwingenden Rechts ist, den der Unionsrichter gegebenenfalls von Amts wegen prüfen muss (vgl. Urteile vom 15. Juni 2017, Spanien/Kommission, C‑279/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:461, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 3. Mai 2018, Malta/Kommission, T‑653/16, EU:T:2018:241, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung), ist der fünfte Klagegrund zu prüfen, mit dem eine Verletzung der Begründungspflicht gerügt wird.

19      Mit diesem Klagegrund macht die Klägerin geltend, der angefochtene Beschluss sei unzureichend begründet, da das OLAF in den Rn. 4 und 5 dieses Beschlusses auf die Ausnahmeregelung in Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 zum Entscheidungsprozess des Organs Bezug nehme, ohne die Relevanz dieser spezifischen Ausnahmeregelung im Hinblick auf den Inhalt des OLAF‑Berichts zu erläutern. Somit sei es der Klägerin unmöglich, ihr Recht auszuüben, die Relevanz dieser Ausnahmeregelung in Frage zu stellen, und ebenso sei es dem Gericht unmöglich, die Gründe, die das OLAF dazu veranlasst hätten, sich auf Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 zu berufen, selbst zu prüfen.

20      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

21      Nach gefestigter Rechtsprechung muss die in Art. 296 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vorgeschriebene Begründung von Rechtsakten der Unionsorgane der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrolle durchführen kann. Das Begründungserfordernis ist anhand aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, insbesondere des Inhalts des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses, das die Adressaten des Rechtsakts oder andere unmittelbar und individuell von ihm betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV und des Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juni 2020, Ungarn/Kommission, C‑456/18 P, EU:C:2020:421, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 3. Mai 2018, Malta/Kommission, T‑653/16, EU:T:2018:241, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Gleichwohl kann das Fehlen einer Begründung unter Umständen selbst dann festgestellt werden, wenn der fragliche Beschluss bestimmte Begründungselemente enthält. So kommt eine in sich widersprüchliche oder unverständliche Begründung dem Fehlen einer Begründung gleich. Das Gleiche gilt, wenn die in dem fraglichen Beschluss enthaltenen Begründungselemente so lückenhaft sind, dass sie es dem Adressaten des Beschlusses im Kontext seines Erlasses in keiner Weise ermöglichen, die Erwägungen seines Urhebers nachzuvollziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2020, Kommission/Di Bernardo, C‑114/19 P, EU:C:2020:457, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Insbesondere muss ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle der Union, bei dem bzw. der der Zugang zu einem Dokument beantragt wurde, wenn es bzw. sie beschließt, diesen Antrag auf der Grundlage einer der Ausnahmen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 abzulehnen, grundsätzlich erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch diese Ausnahme geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte, wobei die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung bei vernünftiger Betrachtung absehbar sein muss und nicht rein hypothetisch sein darf (vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, MSD Animal Health Innovation und Intervet international/EMA, C‑178/18 P, EU:C:2020:24, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Hierzu ist festzustellen, dass ein Unionsorgan bei der Prüfung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten, die sich in seinem Besitz befinden, mehrere der in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 enthaltenen Ablehnungsgründe berücksichtigen kann (Urteil vom 28. Juni 2012, Kommission/Éditions Odile Jacob, C‑404/10 P, EU:C:2012:393, Rn. 113).

25      So ist darauf hinzuweisen, dass bei Angabe mehrerer Gründe für eine angefochtene Handlung selbst ein mit einem Begründungsmangel behafteter Grund nicht zur Nichtigerklärung oder Aufhebung dieser Handlung führen kann, wenn der oder die übrigen Gründe für sich genommen eine ausreichende Begründung enthalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2019, Pethke/EUIPO, T‑169/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:135, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      In bestimmten Fallkonstellationen steht es dem betreffenden Organ bzw. der betreffenden Einrichtung oder sonstigen Stelle der Union jedoch frei, sich auf allgemeine Vermutungen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten, da für Anträge auf Verbreitung von Dokumenten gleicher Art vergleichbare allgemeine Erwägungen gelten können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Januar 2020, MSD Animal Health Innovation und Intervet international/EMA, C‑178/18 P, EU:C:2020:24, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Der Zweck solcher Vermutungen besteht somit darin, dem betreffenden Organ bzw. der betreffenden Einrichtung oder sonstigen Stelle der Union die Möglichkeit zu geben, sich unter Berufung auf solche allgemeinen Erwägungen auf den Standpunkt zu stellen, dass die Verbreitung bestimmter Kategorien von Dokumenten grundsätzlich das Interesse beeinträchtigt, das durch die von ihm bzw. ihr geltend gemachte Ausnahme geschützt wird, ohne dass es bzw. sie verpflichtet wäre, jedes der angeforderten Dokumente konkret und individuell zu prüfen (vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, MSD Animal Health Innovation und Intervet international/EMA, C‑178/18 P, EU:C:2020:24, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      So ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass ein Beschluss, mit dem die Verbreitung eines Dokuments mit der Begründung abgelehnt wird, dass dieses Dokument unter eine allgemeine Vertraulichkeitsvermutung falle, rechtlich hinreichend begründet ist, wenn der Adressat dieses Beschlusses der Begründung zum einen entnehmen kann, dass sich das betreffende Organ auf die Vertraulichkeit des in Rede stehenden Dokuments beruft, um seine Verbreitung abzulehnen, und zum anderen, dass es sich um ein Dokument handelt, das unter diese allgemeine Vertraulichkeitsvermutung fällt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Dezember 2019, EZB/Espírito Santo Financial (Portugal), C‑442/18 P, EU:C:2019:1117, Rn. 55, und vom 21. Oktober 2020, EZB/Estate of Espírito Santo Financial Group, C‑396/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:845, Rn. 62).

29      Der vorliegende Klagegrund ist im Licht der oben in den Rn. 21 bis 28 angeführten Grundsätze und der Rechtsprechung zu prüfen.

30      Im vorliegenden Fall wird der Hauptgrund des angefochtenen Beschlusses auf die allgemeine Vertraulichkeitsvermutung gestützt, unter die die im Zusammenhang mit den Untersuchungen des OLAF stehenden Dokumente nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 fallen. Aus dem angefochtenen Beschluss geht nämlich hervor, dass das OLAF der Auffassung war, die angeforderten Dokumente fielen unter die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahmeregelung, wonach die Organe den Zugang zu einem Dokument verweigern, durch dessen Verbreitung der Schutz des Zwecks von Inspektions‑, Untersuchungs- und Audittätigkeiten beeinträchtigt würde. Außerdem ist das OLAF davon ausgegangen, dass die angeforderten Dokumente unter die in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelte Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses und teilweise unter die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung vorgesehene Ausnahmeregelung fielen, wonach der Zugang verweigert wird, wenn durch die Verbreitung der Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen beeinträchtigt würde.

 Zur Begründung des angefochtenen Beschlusses, soweit er auf den Schutz des Zwecks von Inspektions, Untersuchungs- und Audittätigkeiten gestützt wird

31      Die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahmeregelung sieht vor, dass die Organe den Zugang zu einem Dokument verweigern, durch dessen Verbreitung der Schutz des Zwecks von Inspektions‑, Untersuchungs- und Audittätigkeiten beeinträchtigt würde.

32      Aus der Rechtsprechung geht insoweit hervor, dass sich das OLAF auf die allgemeine Vermutung der Beeinträchtigung der Ziele von Untersuchungs‑, Inspektions- und Audittätigkeiten berufen kann, um die Verbreitung von Dokumenten, die im Zusammenhang mit einer Untersuchung stehen, abzulehnen, wenn die Untersuchung noch läuft oder gerade abgeschlossen wurde und im letzteren Fall die zuständigen Behörden noch nicht innerhalb einer angemessenen Frist über das weitere Vorgehen in Bezug auf ihren Untersuchungsbericht entschieden haben (vgl. Urteil vom 1. September 2021, Homoki/Kommission, T‑517/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:529, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Verschiedene Untersuchungs‑ oder Inspektionshandlungen können nämlich auch noch unter die Ausnahme zum Schutz von Inspektions‑, Untersuchungs- und Audittätigkeiten fallen, solange die Untersuchungs‑ oder Inspektionstätigkeiten noch im Gang sind, selbst wenn die konkrete Untersuchung oder Inspektion, die Grundlage des Berichts ist, zu dem Zugang begehrt wird, beendet ist (vgl. Urteil vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission, T‑391/03 und T‑70/04, EU:T:2006:190, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Nähme man jedoch an, dass verschiedene mit Inspektions‑, Untersuchungs- und Audittätigkeiten im Zusammenhang stehende Dokumente so lange unter die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen fallen, wie die in diesen Verfahren zu ergreifenden Folgemaßnahmen nicht bestimmt wurden, würde man den Zugang zu diesen Dokumenten je nach der Schnelligkeit und Sorgfalt der befassten Verwaltungsstellen von einem zufälligen, künftigen und vielleicht fern liegenden Ereignis abhängig machen (Urteil vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission, T‑391/03 und T‑70/04, EU:T:2006:190, Rn. 111).

35      Dieses Ergebnis stünde im Widerspruch zu dem Ziel, den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten über eventuelle Unregelmäßigkeiten bei der Verwaltung der finanziellen Interessen zu gewährleisten, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, die Ausübung öffentlicher Gewalt wirksamer auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu kontrollieren (vgl. Urteil vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission, T‑391/03 und T‑70/04, EU:T:2006:190, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      So geht aus der Rechtsprechung hervor, dass die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit der im Zusammenhang mit den Untersuchungen des OLAF stehenden Dokumente so lange gilt, bis die Behörden, für die der Abschlussbericht der Untersuchung des OLAF bestimmt ist, über das weitere Vorgehen in Bezug auf diesen Bericht entscheiden, indem sie die Absicht bekunden, Rechtsakte zu erlassen, die die Betroffenen beschweren, oder keine derartigen Rechtsakte zu erlassen. Haben diese Behörden zu dem Zeitpunkt, an dem das mit einem Antrag auf Zugang befasste Organ diesen Antrag beantworten muss, jedoch keinerlei Absicht zum Ausdruck gebracht, darf die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit der im Zusammenhang mit den Untersuchungen des OLAF stehenden Dokumente eine angemessene Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem das OLAF ihnen diesen Bericht übermittelt hat, nicht überschreiten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Mai 2016, International Management Group/Kommission, T‑110/15, EU:T:2016:322, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. September 2021, Homoki/Kommission, T‑517/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:529, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Im Licht dieser Rechtsprechung ist zu prüfen, ob der angefochtene Beschluss, soweit er auf eine allgemeine Vermutung nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt wird, hinreichend begründet ist.

38      Insbesondere ist gemäß der oben in Rn. 28 angeführten Rechtsprechung zu bestimmen, ob die Klägerin der Begründung des angefochtenen Beschlusses zum einen entnehmen konnte, dass sich die Kommission auf die für die angeforderten Dokumente geltende Vertraulichkeit berufen hat, um deren Verbreitung abzulehnen, und zum anderen, ob es sich um Dokumente handelte, die unter diese allgemeine Vertraulichkeitsvermutung fielen.

39      Im vorliegenden Fall ist als Erstes festzustellen, dass in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt wird, dass das OLAF der Auffassung gewesen sei, die angeforderten Dokumente fielen aufgrund einer von der Rechtsprechung anerkannten allgemeinen Vermutung der Nichtzugänglichkeit zu Dokumenten, die im Zusammenhang mit den Untersuchungen des OLAF stünden, unter die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahmeregelung.

40      Somit konnte die Klägerin der Begründung des angefochtenen Beschlusses entnehmen, dass sich das OLAF – um die Verbreitung der angeforderten Dokumente abzulehnen – auf die allgemeine Vertraulichkeitsvermutung berufen hat, die für im Zusammenhang mit den Untersuchungen des OLAF stehende Dokumente nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gelten kann.

41      Als Zweites heißt es in dem angefochtenen Beschluss zwar, dass die angeforderten Dokumente Teil der Untersuchungsakte OC/2019/0766 des OLAF seien, doch beschränkt sich das OLAF in tatsächlicher Hinsicht in Rn. 3 des angefochtenen Beschlusses auf die Feststellung, dass diese Untersuchung im Dezember 2020 abgeschlossen worden sei und dass sein Abschlussbericht, dem Empfehlungen über etwaige Folgemaßnahmen beigefügt gewesen seien, an die Staatsanwaltschaft Venedig und die Kommission übermittelt worden sei. Ferner wird in Rn. 5 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die abschließende Empfehlung des OLAF den zuständigen Stellen der Kommission und den nationalen Justizbehörden übermittelt worden sei und dass diese Behörden, wenn sie beabsichtigten, eine Sanktion gegen eine von der Untersuchung betroffene Person zu verhängen, dieser Person Zugang zum Abschlussbericht des OLAF gewähren müssten, um ihr zu ermöglichen, ihre Verteidigungsrechte auszuüben.

42      Erstens ist jedoch festzustellen, dass in der Begründung des angefochtenen Beschlusses der oben in Rn. 13 angeführte Umstand nicht erwähnt wird, dass die Kommission der Klägerin vor dem Erlass dieses Beschlusses am 11. März 2021 ein Vorabinformationsschreiben zur Rückforderung eines Betrags von 417 234,68 Euro übersandte und sie aufforderte, gegebenenfalls innerhalb einer Frist von 30 Tagen Stellung zu nehmen.

43      Die nach der Übermittlung des OLAF‑Berichts erfolgte Einleitung des Verfahrens zur Rückforderung des überwiegenden Teils der gezahlten und auf der Grundlage des Abschlussberichts des unabhängigen Prüfers für nicht förderfähig befundenen Beträge durch die Kommission gegen die Klägerin kann als Folgemaßnahme einer der Empfehlungen aus dem OLAF‑Bericht und damit als eine Entscheidung angesehen werden, mit der die Untersuchung im Sinne der oben in Rn. 32 angeführten Rechtsprechung abgeschlossen wird.

44      In Anbetracht des Schweigens des angefochtenen Beschlusses zu dieser Frage kann vermutet werden, dass das OLAF der Auffassung war, dass das am 11. März 2021 an die Klägerin übersandte Vorabinformationsschreiben den Abschluss der Untersuchung weder bezweckt noch bewirkt habe.

45      Die Gründe für eine solche Auslegung gehen jedoch nicht aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses hervor.

46      So hat die Kommission in dem angefochtenen Beschluss nicht klargestellt, ob sie das an die Klägerin übersandte Vorabinformationsschreiben als eine Folgemaßnahme des OLAF‑Untersuchungsberichts ansah und, wenn ja, aus welchen Gründen die Übermittlung dieses Berichts an die Staatsanwaltschaft Venedig eine Verlängerung der diesen Bericht umfassenden allgemeinen Vertraulichkeitsvermutung zur Folge hatte.

47      Zweitens kann nach der oben in Rn. 44 wiedergegebenen Auslegung des angefochtenen Beschlusses vermutet werden, dass das OLAF davon ausging, dass die Behörden, für die sein Abschlussbericht bestimmt war, zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses noch nicht innerhalb einer angemessenen Frist über das weitere Vorgehen in Bezug auf diesen Untersuchungsbericht entschieden hätten.

48      Allerdings hat das OLAF in dem angefochtenen Beschluss das genaue Datum der Übermittlung seines Abschlussberichts an die Kommission und die Staatsanwaltschaft Venedig nicht angegeben.

49      Es trifft zu, dass die Klägerin, wie sich oben aus Rn. 9 ergibt, von dieser Übermittlung durch ein Schreiben der Kommission vom 4. Dezember 2020 unterrichtet wurde.

50      Nach der oben in Rn. 32 angeführten Rechtsprechung gilt für Dokumente, die im Zusammenhang mit einer soeben abgeschlossenen Untersuchung des OLAF stehen, zwar die allgemeine Vertraulichkeitsvermutung nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, wenn die zuständigen Behörden noch nicht über das weitere Vorgehen in Bezug auf den entsprechenden Untersuchungsbericht entschieden haben, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beschluss über die Ablehnung der Verbreitung dieser Dokumente erlassen wird, die seit der Übermittlung des OLAF‑Berichts an die zuständigen Behörden verstrichene Zeit nicht als unangemessen angesehen werden kann.

51      Um die Klägerin darauf hinzuweisen, dass die angeforderten Dokumente zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses unter die allgemeine Vertraulichkeitsvermutung fielen, die für im Zusammenhang mit den Untersuchungen des OLAF stehende Dokumente gelten kann, hätte das OLAF somit im vorliegenden Fall in der Begründung dieses Beschlusses zu der Frage Stellung nehmen müssen, ob die zwischen dem Zeitpunkt der Übermittlung seines Berichts an die Kommission und die Staatsanwaltschaft Venedig und dem Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses verstrichene Zeit als angemessen anzusehen war.

52      Im Übrigen kann zwar vermutet werden, dass das OLAF im vorliegenden Fall die seit der Übermittlung seines Abschlussberichts an die Kommission und die Staatsanwaltschaft Venedig verstrichene Zeit nicht als unangemessen erachtet hat, doch gehen die Gründe für eine solche Auslegung nicht aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses hervor.

53      Mangels der oben in den Rn. 41 bis 52 genannten Informationen konnte die Klägerin dem angefochtenen Beschluss daher nicht entnehmen, aus welchen Gründen das OLAF zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses der Ansicht war, dass die angeforderten Dokumente unter die allgemeine Vertraulichkeitsvermutung fielen, die für im Zusammenhang mit den Untersuchungen des OLAF stehende Dokumente gelten kann.

54      Als Drittes ermöglicht es der angefochtene Beschluss angesichts der Lückenhaftigkeit seiner Begründungselemente dem Gericht nicht, die Begründetheit des zweiten Klagegrundes zu prüfen, mit dem ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gerügt wird, und demzufolge auch nicht, seine Rechtmäßigkeitskontrolle auszuüben, wobei diese Bestimmung den maßgeblichen Grund für den angefochtenen Beschluss darstellt.

55      Mit dem zweiten Klagegrund hat die Klägerin nämlich geltend gemacht, dass das OLAF das Bestehen einer Vermutung der Vertraulichkeit der angeforderten Dokumente auf der Grundlage der in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmeregelung nicht nachgewiesen habe und dass es ihr angesichts der im Vorabinformationsschreiben vom 11. März 2021 zum Ausdruck gebrachten Absicht der Kommission, den Betrag von 417 234,68 Euro – angeblich zu Unrecht – zurückzufordern, den Zugang zu den angeforderten Dokumenten hätte gewähren müssen.

56      In der Klagebeantwortung hat die Kommission dem Vorbringen der Klägerin widersprochen und insbesondere geltend gemacht, dass die allgemeine Vertraulichkeitsvermutung, unter die die Abschlussberichte des OLAF fielen, so lange gelte, wie Folgemaßnahmen der Untersuchungen des OLAF im Gang seien, und dass die italienischen Justizbehörden zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses wahrscheinlich solche Folgemaßnahmen durchgeführt hätten.

57      Wie sich jedoch aus den Rn. 41 bis 46 des vorliegenden Urteils ergibt, geht aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht hervor, dass das OLAF beim Erlass dieses Beschlusses davon ausgegangen wäre, dass die Empfehlungen des Abschlussberichts der Untersuchung zu Folgemaßnahmen sowohl seitens der Kommission als auch seitens der Staatsanwaltschaft Venedig geführt hätten. Der angefochtene Beschluss erwähnt nämlich weder das Vorabinformationsschreiben vom 11. März 2021 noch die etwaige Einleitung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft Venedig.

58      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es weder ein Recht der Unionsorgane gibt, ihre unzulänglich begründeten Beschlüsse vor dem Unionsrichter nachzubessern, noch eine Pflicht des Unionsrichters, ergänzende Erläuterungen, die der Urheber des fraglichen Rechtsakts erst im Lauf des gerichtlichen Verfahrens vorgebracht hat, bei der Prüfung, ob die Begründungspflicht erfüllt wurde, zu berücksichtigen. Eine derartige Rechtslage brächte nämlich die Gefahr mit sich, die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Verwaltung und dem Unionsrichter aufzuweichen, die Rechtmäßigkeitskontrolle zu schwächen und die Ausübung des Rechts auf Einlegung von Rechtsbehelfen zu beeinträchtigen (Urteil vom 11. Juni 2020, Kommission/Di Bernardo, C‑114/19 P, EU:C:2020:457, Rn. 58).

59      Im Übrigen ist – selbst wenn eingeräumt wird, dass die von der Kommission im Lauf des Verfahrens beigebrachten zusätzlichen Erläuterungen nicht als ergänzende Begründung des angefochtenen Beschlusses, sondern als notwendige Klarstellung angesehen werden können, um die der Begründung des OLAF zugrunde liegende Analyse in Anbetracht des Vorbringens der Klägerin vollständig nachzuvollziehen – gleichwohl festzustellen, dass die Kommission weder zu der Frage Stellung genommen hat, ob das Vorabinformationsschreiben vom 11. März 2021 eine den Abschluss der Untersuchung mit sich bringende Folgemaßnahme darstellte, noch, falls dies zu bejahen sein sollte, die Gründe dargelegt hat, aus denen die bloße Übermittlung des OLAF‑Berichts an die Staatsanwaltschaft Venedig eine Verlängerung der allgemeinen Vertraulichkeitsvermutung zur Folge hatte. Schließlich hat die Kommission in ihren Schriftsätzen auch nicht zu der Frage Stellung genommen, ob zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses eine angemessene Zeit seit der Übermittlung der angeforderten Dokumente an die Kommission und die Staatsanwaltschaft Venedig verstrichen war.

60      Folglich ist das Gericht nicht in der Lage, zu beurteilen, ob sich das OLAF zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses auf die allgemeine Vertraulichkeitsvermutung stützen durfte, unter die im Zusammenhang mit den Untersuchungen des OLAF stehende Dokumente nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 fallen können.

61      Nach alledem ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss, soweit er auf die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahmeregelung gestützt wird, nicht hinreichend begründet ist.

 Zur Begründung des angefochtenen Beschlusses, soweit er auf den Schutz des Entscheidungsprozesses gestützt wird

62      Was die Ausnahmeregelung zum Schutz des Entscheidungsprozesses anbelangt, sieht Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vor, dass „[d]er Zugang zu einem Dokument, das von einem Organ für den internen Gebrauch erstellt wurde oder bei ihm eingegangen ist und das sich auf eine Angelegenheit bezieht, in der das Organ noch keinen Beschluss gefasst hat, … verweigert [wird], wenn eine Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung“.

63      Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmt, dass „[d]er Zugang zu einem Dokument mit Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen innerhalb des betreffenden Organs … auch dann, wenn der Beschluss gefasst worden ist, verweigert [wird], wenn die Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung“.

64      Nur für einen Teil der Dokumente für den internen Gebrauch, nämlich für diejenigen, die Stellungnahmen für den internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen innerhalb des betreffenden Organs enthalten, ermöglicht somit Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 auch dann, wenn der Beschluss gefasst worden ist, die Zugangsverweigerung, sofern ihre Verbreitung den Entscheidungsprozess dieses Organs ernstlich beeinträchtigen würde (vgl. Urteile vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. Januar 2013, Strack/Kommission, T‑392/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:8, Rn. 235).

65      Daher setzt die Anwendung von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 durch ein Organ, das mit einem Antrag auf Zugang zu einem Dokument befasst ist, voraus, dass das Organ die besonderen Gründe erläutert, weswegen es der Ansicht ist, dass der Abschluss des Verwaltungsverfahrens es nicht ausschließt, dass die Zugangsverweigerung im Hinblick auf die Gefahr einer ernstlichen Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses gerechtfertigt bleibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66      Im vorliegenden Fall wird in dem angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass das Gericht in seiner jüngeren Rechtsprechung eine allgemeine Vermutung der Nichtzugänglichkeit zu Dokumenten anerkannt habe, die zu den Akten des OLAF gehörten, und festgestellt habe, dass die Tatsache, dass im Zusammenhang mit den Untersuchungen des OLAF stehende Dokumente der Öffentlichkeit gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 zugänglich gemacht würden, geeignet sei, die Ziele von Untersuchungstätigkeiten und den Entscheidungsprozess der Kommission ernstlich zu gefährden.

67      So würde nach der Begründung des angefochtenen Beschlusses die Verbreitung der angeforderten Dokumente den Entscheidungsprozess des OLAF ernstlich beeinträchtigen, da sie die volle Unabhängigkeit seiner künftigen Untersuchungen und der Ziele dieser Untersuchungen dadurch ernstlich gefährden würde, dass seine Strategie und Arbeitsmethoden offengelegt würden.

68      Hierzu ist zum einen festzustellen, dass in der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht angegeben wird, welche Entscheidung der Kommission die Annahme erlaubt, dass das Verwaltungsverfahren, auf das sich die angeforderten Dokumente beziehen, abgeschlossen war.

69      Insbesondere wird in dem angefochtenen Beschluss nicht angegeben, ob die Entscheidung, mit der das Verfahren zur Ausarbeitung der angeforderten Dokumente abgeschlossen wurde, dem Schreiben vom 4. Dezember 2020 entspricht, mit dem das OLAF der Klägerin die Übermittlung dieser Dokumente an die Staatsanwaltschaft Venedig und die GD Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung der Kommission mitteilte, oder dem Erlass einer der im Abschlussbericht des OLAF empfohlenen Folgemaßnahmen durch die Kommission, wie der Einleitung des Verfahrens zur Rückforderung des Betrags von 504 434,68 Euro oder der Registrierung der Klägerin in der Datenbank des EDES.

70      Zum anderen ist festzustellen, dass die oben in den Rn. 66 und 67 wiedergegebenen Gründe des angefochtenen Beschlusses in keiner Weise durch detaillierte Angaben in Bezug auf den konkreten Inhalt der angeforderten Dokumente untermauert werden, anhand deren sich nachvollziehen ließe, weshalb ihre Verbreitung den Entscheidungsprozess der Kommission ernstlich hätte beeinträchtigen können.

71      Schließlich kann angenommen werden, dass die Kommission die in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahmeregelung als Folge der allgemeinen Vertraulichkeitsvermutung geltend machen wollte, die sich aus Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich dieser Verordnung ergibt und unter die im Zusammenhang mit den Untersuchungen des OLAF stehende Dokumente fallen können.

72      In einem solchen Fall wäre der angefochtene Beschluss jedoch, da er – wie oben aus Rn. 61 hervorgeht – nicht hinreichend begründet ist, soweit er auf die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahmeregelung gestützt wird, folglich ebenfalls nicht hinreichend begründet, soweit er auf die Ausnahmeregelung des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt wird.

73      Nach alledem ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss nicht hinreichend begründet ist, soweit er auf die in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahmeregelung gestützt wird.

 Zur Begründung des angefochtenen Beschlusses, soweit er auf den Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen gestützt wird

74      Was die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahmeregelung zum Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen betrifft, geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass dieser Grund gegenüber dem in diesem Beschluss enthaltenen Hauptgrund, der auf die allgemeine Vertraulichkeitsvermutung gestützt wird, unter die im Zusammenhang mit den Untersuchungen des OLAF stehende Dokumente fallen können, akzessorisch und begrenzt ist. Somit rechtfertigt dieser Grund zwar den Standpunkt des OLAF, wonach die angeforderten Dokumente nicht vollständig verbreitet werden dürften, doch ermöglicht er es nicht, zu prüfen, warum das OLAF einen teilweisen Zugang zu diesen Dokumenten verweigert hat.

75      Folglich reicht die auf die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahmeregelung zum Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen gestützte Begründung des angefochtenen Beschlusses für sich genommen nicht aus, um darauf die Verweigerung des Zugangs zu den angeforderten Dokumenten zu stützen.

76      Nach alledem liefert keiner der im angefochtenen Beschluss angeführten Gründe eine hinreichende Rechtfertigung, die die Nichtigerklärung dieses Beschlusses verhindern könnte, so dass dem vorliegenden Klagegrund stattzugeben ist, ohne dass die übrigen von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe geprüft zu werden brauchen.

 Zum Antrag auf Vorlage der angeforderten Dokumente durch die Kommission

77      Die Klägerin ersucht das Gericht, der Kommission gemäß Art. 91 Buchst. c und Art. 104 seiner Verfahrensordnung aufzugeben, den Abschlussbericht des OLAF vorzulegen, um insbesondere zu überprüfen, ob die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahmeregelung die Verweigerung des auch nur teilweisen Zugangs zu den angeforderten Dokumenten rechtfertige.

78      Insoweit bestimmt Art. 91 Buchst. c der Verfahrensordnung, dass als Beweismittel u. a. die Aufforderung zur Vorlage von Schriftstücken, in die ein Organ die Einsicht verweigert hat, in einem Verfahren zur Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Verweigerung zulässig ist.

79      Außerdem wird gemäß Art. 104 der Verfahrensordnung, wenn ein Schriftstück, in das ein Organ die Einsicht verweigert hat, dem Gericht infolge einer Beweiserhebung nach Art. 91 Buchst. c der Verfahrensordnung in einem Verfahren zur Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Verweigerung vorgelegt worden ist, dieses Schriftstück den übrigen Parteien nicht bekannt gegeben.

80      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass es allein Sache des Gerichts ist, zu entscheiden, ob die ihm in den Rechtssachen, mit denen es befasst ist, vorliegenden Informationen der Ergänzung bedürfen (vgl. Urteil vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission, C‑127/13 P, EU:C:2014:2250, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung), und dass es ihm obliegt, die Sachdienlichkeit eines Antrags auf Beweisaufnahme im Hinblick auf den Streitgegenstand und die Erforderlichkeit dieser Beweisaufnahme zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juli 2019, PT/EIB, T‑573/16, EU:T:2019:481, Rn. 111 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Wenn ein Kläger die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses in Zweifel zieht, mit dem ihm der Zugang zu einem Dokument gemäß einer der in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmeregelungen verweigert wird, und er vorbringt, die von dem betreffenden Organ geltend gemachte Ausnahme sei auf das angeforderte Dokument nicht anwendbar, ist das Gericht zwar grundsätzlich verpflichtet, zur Wahrung des gerichtlichen Rechtsschutzes dieses Klägers die Vorlage dieses Dokuments anzuordnen und es zu prüfen. Würde es nicht selbst Einsicht in dieses Dokument nehmen, wäre das Gericht nämlich nicht in der Lage, konkret zu beurteilen, ob dieses Organ dem Kläger den Zugang wirksam auf der Grundlage der geltend gemachten Ausnahme verweigern konnte, und es wäre daher nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses zu prüfen, mit dem der Zugang zu diesem Dokument verweigert wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. November 2013, Jurašinović/Rat, C‑576/12 P, EU:C:2013:777, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Im vorliegenden Fall ergibt sich jedoch aus dem Vorbringen der Klägerin, dass das Gericht die Beweisaufnahme anordnen müsste, um zu prüfen, ob die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahmeregelung die Verweigerung des auch nur teilweisen Zugangs zu den angeforderten Dokumenten nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 rechtfertigt.

83      Nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 werden, wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der Ausnahmen unterliegen, die übrigen Teile des Dokuments freigegeben.

84      Jedoch sind nach der Rechtsprechung, wenn allgemeine Vermutungen der Vertraulichkeit für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten, die unter diese Kategorien fallenden Dokumente nicht von der Verpflichtung zur vollständigen oder teilweisen Verbreitung ihres Inhalts erfasst (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. März 2019, AlzChem/Kommission, C‑666/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:196, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 26. April 2016, Strack/Kommission, T‑221/08, EU:T:2016:242, Rn. 168 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85      Somit müsste das Gericht nur dann, wenn die Klägerin die Begründetheit des zweiten Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gerügt wird, nachgewiesen hätte, die Frage beantworten, ob die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung vorgesehene Ausnahmeregelung die Verweigerung des auch nur teilweisen Zugangs zu den angeforderten Dokumenten rechtfertigt.

86      Wie sich jedoch oben aus Rn. 60 ergibt, ist das Gericht angesichts der unzureichenden Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht in der Lage, zu beurteilen, ob das OLAF berechtigt war, sich auf die allgemeine Vertraulichkeitsvermutung nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 zu berufen, oder nicht.

87      Da das Gericht die Frage, ob die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahmeregelung die Verweigerung des auch nur teilweisen Zugangs zu den angeforderten Dokumenten rechtfertigt, nicht beantworten kann, würde die Anordnung der von der Klägerin beantragten Beweisaufnahme folglich grundlos erfolgen, so dass der vorliegende Antrag nur zurückgewiesen werden kann.

 Kosten

88      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

89      Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss vom 26. April 2021, mit dem das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) der Eurecna SpA nach Abschluss der Untersuchung OC/2019/0766/B4 den Zugang zu seinem Abschlussbericht und dessen Anhängen verweigert hat, wird für nichtig erklärt.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

Truchot

Frendo

Perišin

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Juli 2023.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.