Language of document : ECLI:EU:T:2022:503

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

7. September 2022(*)

„Staatliche Beihilfen – Beihilfe Belgiens zugunsten von JCDecaux Street Furniture Belgium – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird und ihre Rückforderung angeordnet wird – Vorteil – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑642/19,

JCDecaux Street Furniture Belgium mit Sitz in Brüssel (Belgien), vertreten durch Rechtsanwalt A. Winckler, Rechtsanwältin G. Babin und Rechtsanwalt B. Cambier,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Braga da Cruz, C. Georgieva und D. Recchia als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Clear Channel Belgium mit Sitz in Brüssel, vertreten durch Rechtsanwalt P. de Bandt, Rechtsanwältin M. Gherghinaru und Rechtsanwalt L. Panepinto,

Streithelferin,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen, des Richters M. Jaeger und der Richterin M. Stancu (Berichterstatterin),

Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, JCDecaux Street Furniture Belgium, vormals JCDecaux Belgium Publicité, die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2019) 4466 final der Kommission vom 24. Juni 2019 über die staatliche Beihilfe SA.33078 (2015/C) (ex 2015/NN) Belgiens zugunsten von JCDecaux Belgium Publicité (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Stadt Brüssel (Belgien) und die Klägerin schlossen zwei aufeinanderfolgende Verträge über die Bereitstellung mehrerer Stadtmöbel, die teilweise zu Werbezwecken genutzt werden konnten.

3        Der erste Vertrag vom 16. Juli 1984 (im Folgenden: Vertrag von 1984) mit einer Laufzeit von 15 Jahren sah vor, dass die Klägerin der Stadt Brüssel mit Werbeflächen versehene Buswartehäuschen und als „Mobiliers urbains pour l’information“ (City Information Panels, im Folgenden: CIP) bezeichnete Straßenmöbel bereitstellte und selbst betrieb, wobei diese Gegenstände unter folgenden Voraussetzungen in ihrem Eigentum blieben:

–        Die Klägerin hatte für die Buswartehäuschen und die CIP keine Miete, Nutzungs- oder Lizenzgebühren zu zahlen, musste aber der Stadt Brüssel bestimmte Sachleistungen erbringen: kostenlose Bereitstellung von Papierkörben, öffentlichen Toiletten und elektronischen Publikationen, Erstellung eines allgemeinen Stadtplans, eines Tourismus- und Hotelplans sowie eines Plans des Fußgängernetzes der Stadt Brüssel.

–        Als Gegenleistung für ihre Leistungen war die Klägerin berechtigt, die zur Verfügung gestellten Buswartehäuschen und CIP zu Werbezwecken zu nutzen.

–        Die einzelnen Vorrichtungen konnten ab dem im kontradiktorischen Protokoll festgestellten Bereitstellungszeitpunkt für eine Dauer von 15 Jahren betrieben werden.

4        Im Jahr 1995 beendete die Stadt Brüssel den Vertrag von 1984.

5        Im Jahr 1998 führte die Stadt Brüssel ein Ausschreibungsverfahren über die Herstellung, Lieferung, Aufstellung, Inbetriebnahme sowie die Wartung und Verwaltung von CIP, Bus-/Bahnwartehäuschen und Plakatstellen durch, die teilweise für Werbezwecke eingesetzt werden konnten.

6        Um ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag von 1984 zu wahren und um die Transparenz des Ausschreibungsverfahrens zu gewährleisten, listete die Stadt Brüssel in Anhang 10 des besonderen Lastenhefts des Ausschreibungsverfahrens (im Folgenden: Anhang 10) 282 Buswartehäuschen und 198 CIP auf, die unter den Vertrag von 1984 fallen (im Folgenden: in Anhang 10 aufgelistete Vorrichtungen), hinsichtlich derer das Nutzungsrecht der Klägerin nach den Bestimmungen des Vertrags von 1984 noch nicht ausgelaufen war; dabei wurde der Standort der Vorrichtungen angegeben sowie das Datum für das Auslaufen der jeweiligen Nutzung (im Folgenden: Termin).

7        Der zweite Vertrag, der am 14. Oktober 1999 geschlossen wurde (im Folgenden: Vertrag von 1999) und aus einer Auftragserteilung sowie dem oben in Rn. 6 genannten Lastenheft samt seinen Anhängen, einschließlich des Anhangs 10, bestand, wurde von der Klägerin nach deren erfolgreicher Teilnahme an dem Ausschreibungsverfahren unterzeichnet und ersetzte den Vertrag von 1984. Der Vertrag von 1999 enthielt die folgenden Bestimmungen:

–        Die Laufzeit des Vertrags betrug 15 Jahre.

–        Die Stadt Brüssel wurde gegen Zahlung eines Netto-Pauschalpreises pro geliefertem, vollständig ausgestattetem, aufgestelltem und betriebsbereitem Werbeträger Eigentümerin der bereitgestellten Stadtmöbel.

–        Für die Nutzung der vertragsgegenständlichen Stadtmöbel zu Werbezwecken hatte die Klägerin eine Monatsmiete zu zahlen.

8        Im Lauf der Durchführung des Vertrags von 1999 wurden einige in Anhang 10 aufgelistete Vorrichtungen vor dem in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin abgebaut, wohingegen andere Vorrichtungen über diese Termine hinaus weiter genutzt wurden. Für letztgenannte Vorrichtungen zahlte die Klägerin, anders als es für die vom Vertrag von 1999 erfassten Vorrichtungen vorgesehen war, keine Miete und keine Abgaben an die Stadt Brüssel. Diese Situation dauerte bis August 2011 an, als die letzten, in Anhang 10 aufgelisteten Vorrichtungen abgebaut wurden.

9        Am 19. April 2011 erhob die Streithelferin, Clear Channel Belgium, bei der Europäischen Kommission Beschwerde; darin vertrat sie die Auffassung, die Klägerin habe, indem sie einige in Anhang 10 aufgelistete Vorrichtungen über den für sie vorgesehenen Termin weiterbetreibe, ohne dafür an die Stadt Brüssel Miete oder Abgaben zu entrichten, eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe erhalten.

10      Am 24. März 2015 leitete die Kommission das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 108 AEUV ein.

11      Mit Urteil vom 29. April 2016 bestätigte die Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) das Urteil des Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (französischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel, Belgien) vom 13. Dezember 2010, worin festgestellt worden war, dass die Klägerin die in Anhang 10 für den Betrieb bestimmter, in diesem Anhang aufgelisteter Vorrichtungen vorgesehenen Termine nicht beachtet habe, dass sie von der Stadt Brüssel nicht die ausdrückliche Erlaubnis erhalten habe, eine „Umstellung“ der Werbeträger vorzunehmen, und dass sie daher diese Vorrichtungen im öffentlichen Raum der Stadt Brüssel ohne Rechtsgrund oder Berechtigung genutzt habe.

12      Mit Erlass des angefochtenen Beschlusses beendete die Kommission am 24. Juni 2019 das förmliche Prüfverfahren. Die Art. 1 und 2 dieses Beschlusses lauten:

„Artikel 1

Die staatliche Beihilfe in Höhe der nicht gezahlten Mieten und Abgaben für die im Rahmen des Vertrags von 1984 im Gebiet der Stadt Brüssel aufgestellten und über den in Anhang 10 des Vertrags von 1999 vorgesehenen Termin des Abbaus verbliebenen Werbeträger, die Belgien im Zeitraum vom 15. September 2001 bis zum 21. August 2010 unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 des [AEUV] zugunsten [der Klägerin] rechtswidrig gewährt hat, ist mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

Artikel 2

(1)      Belgien fordert die in Artikel 1 genannte Beihilfe vom Empfänger zurück.

…“

 Anträge der Parteien

13      Die Klägerin beantragt,

–        Art. 1 des angefochtenen Beschlusses, soweit dieser zum Ergebnis kommt, dass in der Durchführung des Vertrags von 1984 eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe zu ihren Gunsten vorliegt, sowie die Art. 2 bis 4 dieses Beschlusses für nichtig zu erklären, soweit darin angeordnet wird, dass das Königreich Belgien diese Beihilfe von ihr zurückzufordern hat;

–        der Kommission und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

14      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

15      Die Streithelferin beantragt die Abweisung der Klage.

 Rechtliche Würdigung

16      Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin vier Gründe geltend. Im Rahmen des ersten Klagegrundes vertritt sie die Auffassung, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler sowie einen Rechtsfehler begangen habe, als sie angenommen habe, der Betrieb bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus stelle einen Vorteil dar. Im Rahmen ihrer hilfsweise vorgetragenen Klagegründe zwei bis vier macht die Klägerin geltend, dass eine hypothetische staatliche Beihilfe gemäß der Mitteilung der Kommission – Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (ABl. 2012, C 8, S. 15) und dem Beschluss 2012/21/EU der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind (ABl. 2012, L 7, S. 3) mit dem Binnenmarkt vereinbar gewesen sei (zweiter Klagegrund), dass die Kommission bei der Ermittlung der Höhe des zurückzufordernden Betrags gegen ihre Begründungspflicht verstoßen habe (dritter Klagegrund) und dass die im angefochtenen Beschluss festgestellte staatliche Beihilfe jedenfalls verjährt sei (vierter Klagegrund).

 Zum ersten Klagegrund, wonach die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler sowie einen Rechtsfehler begangen habe, als sie angenommen habe, dass der Betrieb bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen durch die Klägerin über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus einen Vorteil darstelle

17      Mit ihrem aus drei Teilen bestehenden ersten Klagegrund zielt die Klägerin im Wesentlichen darauf ab, die von der Kommission in den Erwägungsgründen 82 bis 96 des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Analyse des Begriffs „wirtschaftlicher Vorteil“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV in Frage zu stellen. Im ersten Teil macht sie geltend, die Kommission habe zu Unrecht den von der Stadt Brüssel zur Wahrung des wirtschaftlichen Gleichgewichts des Vertrags von 1984 angewendeten Ausgleichsmechanismus (im Folgenden: Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984) außer Acht gelassen. Im zweiten Teil bringt sie vor, die Kommission habe einen falschen Bewertungsstandard herangezogen, indem sie angenommen habe, dass für die in Anhang 10 aufgelisteten und nach dem in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin weiterbetriebenen Vorrichtungen Miete und Abgaben hätten verlangt werden müssen. Im dritten Teil rügt sie, die Kommission habe den Vertrag von 1984 zu Unrecht als „rein kommerziell“ eingestuft und deshalb die Anwendung der Kriterien der aus dem Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415), hervorgegangenen Rechtsprechung abgelehnt.

 Zum ersten Teil, wonach die Kommission den Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 zu Unrecht außer Acht gelassen habe

18      Im ersten Teil des ersten Klagegrundes macht die Klägerin Folgendes geltend: Erstens habe die Kommission, indem sie die Relevanz des Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 ausgeschlossen habe, die praktischen und rechtlichen Gegebenheiten von langfristigen gemeinwirtschaftlichen Verträgen in Belgien verkannt; zweitens schließe es dieser Ausgleichsmechanismus, der auf der Verpflichtung der Stadt Brüssel beruhe, das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags von 1984 zu wahren, zwingend aus, dass ihr ein Vorteil gewährt worden sei; drittens habe die Kommission rechtsfehlerhaft auf das Urteil vom 26. Oktober 2016, Orange/Kommission (C‑211/15 P, EU:C:2016:798), und die aus dem Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415), hervorgegangene Rechtsprechung Bezug genommen, ohne den Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 zu berücksichtigen; viertens habe die Kommission, indem sie die Relevanz dieses Mechanismus mit der Begründung ausgeschlossen habe, dass sie, die Klägerin, auf das Ersuchen der Stadt Brüssel „von sich aus“ dem Abbau bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen zugestimmt habe, den objektiven Charakter des Begriffs „staatliche Beihilfe“ verkannt; fünftens lasse das Fehlen von ergänzenden Dokumenten zum Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 weder den Schluss zu, dass sich die Stadt Brüssel nicht wie ein Wirtschaftsteilnehmer verhalten habe, noch lasse sich anhand dieses Fehlens der Nachweis für das Vorliegen eines Vorteils erbringen, denn ein solches Fehlen sei bei Verträgen des in Rede stehenden Typs üblich, und eine vorherige Formalisierung des Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 durch ein förmliches Schriftstück sei weder gesetzlich noch vertraglich vorgesehen.

19      Die Kommission und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

20      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Einstufung einer Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vier Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Es muss sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln, diese Maßnahme muss geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, dem Begünstigten muss durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden, und sie muss den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Zudem muss dieser Vorteil dem Staat zurechenbar sein (vgl. Urteil vom 25. Januar 2022, Kommission/European Food u. a., C‑638/19 P, EU:C:2022:50, Rn. 121 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Hinsichtlich des Begriffs „Beihilfe“ ist nach der Rechtsprechung zu beachten, dass dieser Begriff nicht nur positive Leistungen wie Subventionen erfasst, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Lasten verringern, die ein Unternehmen sonst zu tragen hätte, und die somit, ohne Subventionen im strengen Sinne des Wortes darzustellen, diesen nach Art und Wirkung gleichstehen (vgl. Urteil vom 11. September 2014, Griechenland/Kommission, T‑425/11, EU:T:2014:768, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      So ist entschieden worden, dass eine Maßnahme, mit der die staatlichen Stellen bestimmten Unternehmen eine Befreiung von wirtschaftlichen Belastungen gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten finanziell besserstellt als die übrigen Steuerpflichtigen, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV ist (vgl. entsprechend Urteil vom 11. September 2014, Griechenland/Kommission, T‑425/11, EU:T:2014:768, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV ist ein Vorteil jeder wirtschaftliche Vorteil, den ein Unternehmen unter normalen Marktbedingungen, also ohne staatlichen Eingriff, nicht hätte erhalten können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 1999, Spanien/Kommission, C‑342/96, EU:C:1999:210, Rn. 41).

24      Im Übrigen hat der Begriff des „Vorteils“, der der Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe innewohnt, unabhängig von den Beweggründen der Urheber der betreffenden Maßnahme objektiven Charakter. Somit sind die Art der Ziele und die Gründe einer staatlichen Maßnahme als solche unerheblich für deren Einstufung als staatliche Beihilfe. Art. 107 Abs. 1 AEUV unterscheidet nämlich nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen, sondern beschreibt diese nach ihren Wirkungen (vgl. Urteil vom 25. Januar 2022, Kommission/European Food u. a., C‑638/19 P, EU:C:2022:50, Rn. 122 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Hinsichtlich des Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 ist erstens festzustellen, dass der Umstand, dass mit dem Verbleib und Betrieb bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus ein angeblicher Nachteil ausgeglichen werden sollte, den die Klägerin aufgrund des von der Stadt Brüssel angeordneten vorzeitigen Abbaus einer bestimmten Anzahl von in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen erlitten haben soll, und dass dieser Ausgleichsmechanismus den praktischen und rechtlichen Gegebenheiten von langfristigen gemeinwirtschaftlichen Verträgen in Belgien entsprach, nicht bedeutet, dass dieser Mechanismus nicht eine staatliche Beihilfe darstellen könnte.

26      Denn wie aus der oben in Rn. 24 angeführten Rechtsprechung folgt, ist der Begriff der „staatlichen Beihilfe“ ein objektiver rechtlicher Begriff, der in Art. 107 Abs. 1 AEUV unmittelbar definiert ist und der nicht nach den Ursachen oder den Zielen staatlicher Maßnahmen unterscheidet, sondern der diese anhand ihrer Auswirkungen definiert. Deshalb kann auf der Grundlage des Umstands, dass das Ziel der staatlichen Maßnahme darin bestand, das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags von 1984 zu wahren, oder des Umstands, dass dieses Ziel mit den Grundsätzen des nationalen Rechts vereinbar war, die Einstufung einer solchen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

27      Gleiches gilt für das Vorbringen der Klägerin, wonach die Kommission, indem sie die Relevanz des Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 mit der Begründung ausgeschlossen habe, dass sie auf das Ersuchen der Stadt Brüssel „von sich aus“ dem Abbau bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen zugestimmt habe, den objektiven Charakter des Begriffs „staatliche Beihilfe“ verkannt habe.

28      Zweitens ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin der Umstand, dass der Betrieb bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus fortgesetzt wurde, ohne dafür Miete oder Abgaben an die Stadt Brüssel zu zahlen, zu einer Minderung ihrer ihr Budget belastenden Aufwendungen führte.

29      Denn die Parteien stimmen darin überein, dass die Klägerin nach dem Abschluss des Vertrags von 1999 auf dem Gebiet der Stadt Brüssel Stadtmöbel nur im Rahmen der in diesem Vertrag vorgesehenen Voraussetzungen, wonach sie zur Zahlung von Miete und Abgaben verpflichtet war, aufstellen und betreiben konnte. Nach Anhang 10 konnten als Ausnahme von den Bestimmungen des Vertrags von 1999 die in diesem Anhang aufgelisteten Vorrichtungen von der Klägerin unter den im Vertrag von 1984 vorgesehenen Voraussetzungen weiter genutzt werden, d. h. ohne dafür Miete oder Abgaben zu zahlen, wobei diese Regelung aber nur bis zu den in diesem Anhang vorgesehenen Terminen galt. Nach diesen Terminen mussten diese Vorrichtungen durch neue, unter den Vertrag von 1999 fallende Vorrichtungen ersetzt werden, so dass ab diesen Terminen Abgaben und Miete zu zahlen waren.

30      Daraus folgt, dass es der Umstand, bestimmte, in Anhang 10 aufgelistete Vorrichtungen entsprechend den Bedingungen des Vertrags von 1984 nach den in diesem Anhang vorgesehenen Terminen weiterzubetreiben, der Klägerin ermöglichte, die Aufstellung und den Betrieb neuer, im Vertrag von 1999 vorgesehener Vorrichtungen und infolgedessen die Zahlung von Miete und Abgaben zu vermeiden, die sie nach dem letztgenannten Vertrag hätte zahlen müssen. Im Übrigen folgt aus dem 49. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass der Betrieb bestimmter in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus ohne die Genehmigung durch die Stadt Brüssel nicht fortgesetzt werden konnte.

31      Im Übrigen ist festzustellen, dass, wie sich oben aus Rn. 11 ergibt, die Cour d’appel de Bruxelles in ihrem Urteil vom 29. April 2016 entschieden hat, dass die Klägerin die in Anhang 10 vorgesehenen Termine für bestimmte, in diesem Anhang aufgelistete Vorrichtungen nicht beachtet hatte, dass sie nicht die ausdrückliche Erlaubnis der Stadt Brüssel erhalten hatte, eine „Umstellung“ der Werbeträger vorzunehmen, und dass sie daher diese Vorrichtungen im öffentlichen Raum der Stadt Brüssel ohne Rechtsgrund oder Berechtigung betrieben hatte.

32      Zwar vertritt die Klägerin die Auffassung, dass das Urteil der Cour d’appel de Bruxelles vom 29. April 2016 im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht berücksichtigt werden könne, da die Stadt Brüssel nicht Partei dieses Verfahrens sei, und dass sie daher vor dem nationalen Gericht das Bestehen des Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 nicht habe bestätigen können.

33      Diesem Vorbringen kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn wie die Kommission zu Recht – und ohne dass ihr die Klägerin widersprochen hätte – vorträgt, folgt aus der Lektüre des Urteils der Cour d’appel de Bruxelles vom 29. April 2016, dass der Stadt Brüssel der Streit verkündet worden war und dass diese die Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt hatte. Im Übrigen hat die Stadt Brüssel, wie aus dem angefochtenen Beschluss folgt, im vorgerichtlichen Verfahren keine Einwände gegen die Folgen dieses Urteils vorgebracht.

34      Drittens macht die Klägerin zu Unrecht geltend, die Kommission habe sich in den Erwägungsgründen 87 bis 89 des angefochtenen Beschlusses nicht auf die Rn. 41 bis 44 des Urteils vom 26. Februar 2015, Orange/Kommission (T‑385/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:117), stützen können, weil sich die aus diesem Urteil folgenden Schlussfolgerungen des Gerichts spezifisch auf den Sachverhalt des Rechtstreits bezögen.

35      In Rn. 43 des Urteils vom 26. Februar 2015, Orange/Kommission (T‑385/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:117), wurde nämlich festgestellt, dass eine staatliche Maßnahme nur dann nicht unter Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt, wenn sie nach den im Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415), aufgestellten Kriterien als Ausgleich anzusehen ist, der die Gegenleistung für Leistungen bildet, die von mit gemeinwirtschaftlichen Diensten betrauten Unternehmen zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden. Mithin wollte das Gericht die Tragweite dieser Erwägungen nicht auf den diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt begrenzen. Zudem hat das Vorbringen, wonach im vorliegenden Fall eine vertragliche Anpassung berücksichtigt werden müsse, keine tatsächliche Grundlage, da, wie oben aus Rn. 31 hervorgeht, die Cour d’appel de Bruxelles in ihrem Urteil vom 29. April 2016 entschieden hat, dass die Klägerin von der Stadt Brüssel nicht die ausdrückliche Erlaubnis der Stadt Brüssel erhalten hatte, eine „Umstellung“ der Werbeträger vorzunehmen.

36      Dieses Ergebnis lässt sich auch nicht auf der Grundlage der Argumentation der Klägerin in Frage stellen, wonach der Vergleich mit der aus dem Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415), hervorgegangenen Rechtsprechung ins Leere gehe, da sie nicht zur Zahlung von Abgaben und Mieten verpflichtet sei und somit keine Übertragung von staatlichen Mitteln im Raum stehen könne. Die Kommission nahm nämlich in den Erwägungsgründen 87 bis 89 des angefochtenen Beschlusses auf die aus dem Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415), hervorgegangene Rechtsprechung nur hinsichtlich der Begründung eines Vorteils Bezug, nicht aber, um eine Übertragung von staatlichen Mitteln zu prüfen. Im Übrigen beruft sich die Klägerin im dritten Teil des ersten Klagegrundes selbst auf diese Rechtsprechung, indem sie ausführt, dass die darin aufgestellten Voraussetzungen auf den vorliegenden Fall anwendbar seien.

37      Was viertens den Umstand anbelangt, dass die Klägerin die Schlussfolgerung der Kommission in den Erwägungsgründen 94 und 95 des angefochtenen Beschlusses in Frage stellt, wonach der Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 nicht als ein normales Verhalten eines Marktteilnehmers erachtet werden könne, ist, selbst bei der Annahme, dass das Verhalten der Stadt Brüssel einer Prüfung unterzogen werden kann, darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung bei der Bestimmung, ob eine staatliche Maßnahme eine Beihilfe darstellt, zu prüfen ist, ob ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsteilnehmer von vergleichbarer Größe wie die Einrichtungen des öffentlichen Sektors unter den gleichen Umständen hätte veranlasst werden können, einen ähnlichen Beschluss zu erlassen, d. h. im vorliegenden Fall, einen einem Vertragspartner angeblich bei der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten zugefügten Schaden in ähnlicher Weise auszugleichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2018, Ryanair und Airport Marketing Services/Kommission, T‑165/15, EU:T:2018:953, Rn. 140). Darüber hinaus muss aus objektiven und nachprüfbaren Nachweisen eindeutig hervorgehen, dass der betreffende Mitgliedstaat vor oder gleichzeitig mit der Gewährung des wirtschaftlichen Vorteils die Entscheidung getroffen hat, mit der tatsächlich durchgeführten Maßnahme einen einem Vertragspartner angeblich bei der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten zugefügten Schaden auszugleichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 82 und 83).

38      Insoweit ist in einem ersten Schritt festzustellen, dass keiner der vor der Kommission vorgebrachten Umstände den Schluss zulässt, dass von der Stadt Brüssel geprüft wurde, ob der Klägerin ein mit dem vorzeitigen Abbau bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen zusammenhängender effektiver Gewinn entgangen ist, den der Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 ausgleichen sollte, und ob der Verbleib der anderen in diesem Anhang aufgeführten Vorrichtungen einen Vorteil begründete.

39      In einem zweiten Schritt ist festzustellen, dass aus keinem Dokument in den Akten hervorgeht, dass die Stadt Brüssel den Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 weiter durchführte. Dementsprechend wiesen auch die belgischen Behörden im Prüfverfahren vor der Kommission darauf hin, dass zwischen der Zahl der in Anhang 10 aufgelisteten Vorrichtungen, die vorzeitig abgebaut worden seien, und der Zahl der nach dem in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin verbliebenen Vorrichtungen ein Missverhältnis bestanden habe und dass der angeblich mittels des Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 vorgenommene Ausgleich über das hinausgegangen sei, was für einen Ausgleich des angeblich von der Klägerin erlittenen Nachteils erforderlich gewesen sei (Erwägungsgründe 85 und 89 des angefochtenen Beschlusses).

40      Hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, wonach das Fehlen von zusätzlichen Dokumenten betreffend den Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 nicht den Schluss zulasse, dass sich die Stadt Brüssel nicht wie ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsteilnehmer verhalten habe, und wonach aufgrund dieses Fehlens auch nicht nachgewiesen werden könne, dass ein Vorteil bestehe, da ein solches Fehlen bei dem in Rede stehenden Vertragstyp üblich und eine vorherige Formalisierung des Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 durch ein förmliches Schriftstück weder gesetzlich noch vertraglich vorgesehen gewesen sei, genügt in einem dritten Schritt die Feststellung, dass, wie oben in Rn. 31 festgestellt worden ist, die Cour d’appel de Bruxelles in ihrem Urteil vom 29. April 2016 entschieden hat, dass die Klägerin die Termine nicht beachtet hatte, die in Anhang 10 für bestimmte, in diesem Anhang aufgelistete Vorrichtungen vorgesehen waren, dass sie von der Stadt Brüssel nicht die ausdrückliche Erlaubnis erhalten hatte, eine „Umstellung“ der Werbeträger vorzunehmen, und dass sie daher diese Vorrichtungen im öffentlichen Raum der Stadt Brüssel ohne Rechtsgrund oder Berechtigung betrieben hatte.

41      Außerdem ist, wie die Kommission zu Recht ausführt, jedenfalls festzustellen, dass, unabhängig von der Frage, ob eine schriftliche Formalisierung des Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 nach belgischem Recht oder gemäß diesem Vertrag erforderlich war, die nationale Verwaltung aufgrund des Ausgleichsmechanismus nicht davon befreit war, vor der Einrichtung dieses Ausgleichsmechanismus das Vorliegen und den Umfang eines etwaigen Schadens, den die Klägerin aufgrund des vorzeitigen Abbaus bestimmter, in Anhang 10 vorgesehener Vorrichtungen erlitten hatte und den dieser Mechanismus zur Wahrung des wirtschaftlichen Gleichgewichts des Vertrags von 1984 ausgleichen sollte, zu prüfen. Eine solche Beurteilung war nämlich notwendig, um zu prüfen, ob die von der nationalen Verwaltung gewährte Maßnahme den unionsrechtlichen Anforderungen und insbesondere jenen von Art. 107 Abs. 1 AEUV entsprach.

42      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass die Kommission zu Recht annahm, dass der Verbleib und der Betrieb bestimmter in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen durch die Klägerin über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus einen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, auch wenn dieser Verbleib ein Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 gewesen sei.

43      Der erste Teil des ersten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil, wonach die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Rechtsfehler begangen habe, indem sie angenommen habe, der Klägerin sei ein Vorteil in Form von Ersparnissen bei Miete und Abgaben entstanden

44      In diesem Teil beanstandet die Klägerin im Wesentlichen den 132. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, in dem die Kommission die Auffassung vertrat, dass die Berechnung der Höhe der unvereinbaren Beihilfe für jeden Werbeträger des Anhangs 10, der über seinen Termin nach dem 15. September 2001 hinaus aufgestellt geblieben sei, erfolgen müsse, wobei als Referenz die gemäß dem Vertrag von 1999 fälligen Mieten und allgemein auf Werbeträger anwendbaren Abgaben zwischen dem von Anhang 10 vorgesehenen Termin (wenn dieser Termin nach dem 15. September 2001 liege) oder dem 15. September 2001 (wenn der ursprünglich vorgesehene Termin vor dem 15. September 2001 liege) und dem Datum des tatsächlichen Abbaus dienen sollten. Im Hinblick auf den letztgenannten Gesichtspunkt wies die Kommission darauf hin, dass die Berechnung auf der Grundlage der Art. 3 bis 5 der Abgabenverordnung der Stadt Brüssel vom 17. Oktober 2001, der Art. 4 bis 7 der Abgabenverordnung der Stadt Brüssel vom 18. Dezember 2006 und der Art. 4 bis 6 der Abgabenverordnungen der Stadt Brüssel vom 17. Dezember 2007, vom 15. Dezember 2008, vom 9. November 2009, vom 20. Dezember 2010 und vom 5. Dezember 2011 erfolgen müsse.

–       Zur Rüge betreffend die nicht erhobenen Mieten

45      Hinsichtlich der nicht erhobenen Mieten macht die Klägerin geltend, dass die in Anhang 10 aufgelisteten und über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus verbliebenen Vorrichtungen unter die Bedingungen des Vertrags von 1984 fielen, da der Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 von der Stadt Brüssel mit dem Ziel eingerichtet worden sei, das wirtschaftliche Gleichgewicht dieses Vertrags zu wahren. Da der Vertrag von 1984 weder eine Miete noch ein Nutzungsentgelt oder Gebühren vorsehe, seien der Stadt Brüssel keine Einnahmeverluste hinsichtlich der Mieten entstanden.

46      In ihren Erklärungen betreffend den Streithilfeschriftsatz fügt die Klägerin hinzu, dass, auch wenn angenommen werde, dass die Stadt Brüssel für die Nutzung ihrer öffentlichen Flächen eine bestimmte Zahlung verlangen könne, die einzige geltende rechtliche Regelung die Abgabenverordnung vom 17. Oktober 2001 gewesen sei, die insbesondere die Fälle von Stadtmöbeln regle, die ohne Genehmigung auf öffentlichen Verkehrsflächen zu Werbezwecken platziert würden. Deshalb sei für keine der in Anhang 10 aufgelisteten und über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus verbliebenen Vorrichtungen eine Miete zu entrichten gewesen; vielmehr sei für diese Vorrichtungen eine jährliche Gebühr für die Nutzung des öffentlichen Raums – in unbedeutender Höhe (223,20 Euro je Möbel) – zu zahlen gewesen.

47      Die Kommission und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

48      Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Klägerin, wie oben in den Rn. 29 und 30 dargestellt worden ist, nach dem Inkrafttreten des Vertrags von 1999 auf dem Gebiet der Stadt Brüssel Stadtmöbel, einschließlich solcher, die zu Werbezwecken betrieben werden konnten, nur unter den Bedingungen dieses Vertrags, wonach Mieten und Abgaben zu entrichten waren, aufstellen und betreiben durfte.

49      In Anbetracht der oben in Rn. 22 angeführten Rechtsprechung ist die Kommission, da eine der Bedingungen des Vertrags von 1999 darin bestand, eine Miete zu zahlen, zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Betrieb bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen durch die Klägerin über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus, ohne dafür an die Stadt Brüssel eine Miete zu entrichten, einen aus staatlichen Mitteln erwachsenen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dargestellt habe.

50      Mithin ist diese Rüge als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zur Rüge betreffend die nicht erhobenen Abgaben

51      Hinsichtlich der nicht erhobenen Abgaben macht die Klägerin geltend, die Kommission habe ein unrichtiges Bezugssystem eingerichtet. In diesem Zusammenhang bringt sie mehrere Argumente vor. Erstens könnten die von der Stadt Brüssel erlassenen Abgabenverordnungen kein Bezugssystem darstellen, da es auf nationalem Gebiet und auch auf dem Gebiet der Region Brüssel-Hauptstadt kein einheitliches Abgabensystem gebe. Deshalb würde der Umstand, dass die Klägerin für die im Gebiet der Stadt Brüssel zu Werbezwecken genutzten Stadtmöbel keine Abgaben habe zahlen müssen, nur dann einen Vorteil darstellen, wenn nachgewiesen würde, dass die Streithelferin in allen anderen Gemeinden Belgiens, in denen sie Stadtmöbel zu Werbezwecken betreibe, auf diese Möbel Abgaben zum selben Satz entrichte und für alle zu Werbezwecken genutzten Stadtmöbel zahle. Zweitens gelte die Abgabenverordnung vom 17. Oktober 2001 nicht für die Verträge von 1984 und von 1999. Insoweit führt die Klägerin zwei Urteile des Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (französischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel) vom 4. November 2016 an, die bestätigten, dass sie hinsichtlich des Vertrags von 1999 keine kommunalen Abgaben für den Werbebereich zahlen müsse. Drittens sei auf die Verträge von 1984 und von 1999 der Grundsatz der Gegenseitigkeit anwendbar.

52      Die Kommission und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

53      Erstens ist das Vorbringen der Klägerin zu dem auf den vorliegenden Fall anwendbaren Bezugssystem zurückzuweisen, wenn es dahin auszulegen sein sollte, dass dabei auf den selektiven Charakter der Maßnahme Bezug genommen wird, da, wenn es sich dabei wie im vorliegenden Fall um eine individuelle Maßnahme handelt, ein selektiver Charakter des wirtschaftlichen Vorteils angenommen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juni 2015, Kommission/MOL, C‑15/14 P, EU:C:2015:362, Rn. 60).

54      Jedenfalls ist festzustellen, dass die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie die Abgabenverordnungen der Stadt Brüssel als Bezugssystem heranzog, da die belgischen Behörden im vorgerichtlichen Verfahren nicht in Abrede stellten, dass diese Verordnungen das abgabenrechtliche Bezugssystem für die Besteuerung des Betriebs von Werbeträgern im Gebiet der Stadt Brüssel darstellten.

55      Zweitens unterlag der Betrieb bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus entgegen dem Vorbringen der Klägerin der Abgabenverordnung vom 17. Oktober 2001; die Nichtzahlung von Abgaben führte zu einer Entlastung ihres Budgets.

56      Aus den maßgeblichen Bestimmungen der in dem angefochtenen Beschluss angeführten Abgabenverordnungen der Stadt Brüssel folgt nämlich, dass die Abgabenverordnung vom 17. Oktober 2001 für den Besteuerungszeitraum 2002 bis 2006 eine Steuer auf temporäre Werbeanzeigen im und über den öffentlichen Raum einführte. Diese Verordnung sah auch eine Freistellung von Abgaben für die Anzeigen der Stadt Brüssel oder der von ihr geschaffenen, von ihr finanzierten oder ihr unterstellten Einrichtungen vor. Später erließ die Stadt Brüssel die Abgabenverordnung vom 18. Dezember 2006, die dieselbe Steuer und dieselbe Freistellung für den Besteuerungsjahr 2007 vorsah. Mit Wirkung ab dem Besteuerungsjahr 2008 führte die Stadt Brüssel gemäß den Abgabenverordnungen vom 17. Dezember 2007, vom 15. Dezember 2008, vom 9. November 2009, vom 20. Dezember 2010 und vom 5. Dezember 2011 eine besondere Steuer auf Werbeträger ein.

57      Aus dem angefochtenen Beschluss geht ebenfalls hervor, dass die belgischen Behörden in ihren schriftlichen Erklärungen vom 20. Juni 2016, mit denen sie auf die Fragen der Kommission in deren Schreiben vom 15. April 2016 antworteten, ausführten, dass die Stadt Brüssel anfänglich angenommen habe, dass auf die vom Vertrag von 1999 erfassten und zu Werbezwecken genutzten Stadtmöbel gemäß der von der Abgabenverordnung vom 17. Oktober 2001 für Anzeigen der Stadt Brüssel vorgesehenen Freistellung keine Abgaben erhoben werden könnten, da sich die Stadtmöbel im Eigentum der Stadt Brüssel befänden. Deshalb habe sie im Besteuerungszeitraum 2002 bis 2009 im Zusammenhang mit diesen Abgaben keine Zahlungen verlangt.

58      Aus den schriftlichen Erklärungen der belgischen Behörden vom 20. Februar 2017 in ihrer Antwort auf die ergänzenden Fragen der Kommission vom 14. Februar 2017 geht jedoch hervor, dass die Stadt Brüssel zu keinem Zeitpunkt Stadtmöbel zu Werbewecken selbst betrieb und ihr nur jene Stadtmöbel gehörten, die unter den Vertrag von 1999 fielen.

59      Darüber hinaus wiesen die belgischen Behörden darauf hin, dass die Stadt Brüssel später zu dem Schluss gekommen sei, dass eine Abgabenfreistellung der zu Werbezwecken genutzten Stadtmöbel allein aus dem Grund, dass sie im Eigentum der Stadt Brüssel stünden, obwohl sie nicht von ihr selbst betrieben würden, dazu führen könnte, dass Betreiber anderer Werbeträger unfair behandelt würden. Sie beschloss daher, Abgaben auf die Stadtmöbel zu erheben, die zu Werbezwecken genutzt wurden und unter den Vertrag von 1999 fielen, wobei die ersten Abgabenerhebungen 2011 erfolgten und diese den Besteuerungszeitraum 2009 betrafen.

60      Alle diese Umstände machen deutlich, dass die von der Stadt Brüssel vorgenommene Abgabenfreistellung der in Anhang 10 aufgelisteten und über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus verbliebenen Vorrichtungen die Folge dessen war, dass die Abgabenfreistellung, die ihre Abgabenverordnungen für die Anzeigen der Stadt Brüssel vorsahen, auf diese Vorrichtungen angewendet wurde, auch wenn sie selbst weder Betreiberin noch Eigentümerin dieser Vorrichtungen war.

61      Deshalb kam die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis, dass die von der Stadt Brüssel seit 2001 erlassenen Abgabenverordnungen auf die in Anhang 10 aufgelisteten und über ihren Termin hinaus an Ort und Stelle belassenen Vorrichtungen anzuwenden seien und dass die Freistellung durch die Stadt Brüssel vor dem Besteuerungsjahr 2009 eine Abweichung vom Bezugssystem darstelle, der einen von der Stadt Brüssel aus öffentlichen Mitteln finanzierten Vorteil zur Folge habe.

62      Wie die belgischen Behörden selbst ausführten, war eine solche Freistellung, auch wenn es tatsächlich gerechtfertigt sein konnte, für Werbezwecke genutzte Stadtmöbel, die von der Stadt Brüssel für ihre eigenen Zwecke oder für Zwecke der von ihr geschaffenen oder ihr unterstehenden Einrichtungen genutzt wurden, von Abgaben freizustellen, nicht anwendbar, wenn diese Möbel von einem Dritten und insbesondere von einem im Bereich der Außenwerbung tätigen Wirtschaftsunternehmen zu denselben Zwecken betrieben wurden.

63      Zu den zwei Urteilen des Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (französischsprachiges Gericht Erster Instanz von Brüssel) vom 4. November 2016, die bestätigten, dass die Klägerin hinsichtlich des Vertrags von 1999 keine kommunalen Abgaben für den Werbebereich zahlen musste, ist festzustellen, dass diese Urteile für die Einstufung des Betriebs bestimmter in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen, die über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus verblieben waren, als staatliche Beihilfe nicht von Belang sind. Denn wie oben in Rn. 24 festgestellt worden ist, unterscheidet Art. 107 Abs. 1 AEUV bei der Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen, sondern definiert diese anhand ihrer Wirkungen. Im Übrigen ist bereits entschieden worden, dass eine Maßnahme, mit der die staatlichen Stellen bestimmten Unternehmen eine Steuerbefreiung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten finanziell besserstellt als die übrigen Steuerpflichtigen, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV ist (vgl. Urteil vom 11. September 2014, Griechenland/Kommission, T‑425/11, EU:T:2014:768, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Drittens ist zu dem Vorbringen der Klägerin zur Gegenseitigkeit der Verträge von 1984 und von 1999 im Fall einer Anwendung von Abgaben in Übereinstimmung mit den von der Kommission zu Recht getroffenen Feststellungen festzuhalten, dass der Grundsatz der Gegenseitigkeit nicht bedeuten kann, dass die Stadt Brüssel den Vertrag von 1984 überprüfen muss. Dieser Vertrag sieht nämlich in seinem Art. 7.2 ausdrücklich vor, dass es im Fall der Änderung der Betriebsbedingungen, einschließlich neuer fiskalischer Maßnahmen, Sache der Klägerin ist, eine Überprüfung der vertraglich festgelegten Bedingungen zu verlangen, und nicht Sache der Stadt Brüssel, eine solche Überprüfung von Amts wegen vorzunehmen. Die Klägerin hat aber nicht nachgewiesen, dass sie eine Überprüfung des Vertrags von 1984 beantragt hat.

65      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie annahm, dass der Klägerin ein Vorteil in Form von Ersparnissen bei der Miete und den Abgaben entstanden sei. Der zweite Teil des ersten Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil, wonach die Verträge von 1984 und von 1999 nicht „rein kommerziell“ und die Voraussetzungen der aus dem Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C280/00, EU:C:2003:415), hervorgegangenen Rechtsprechung im vorliegenden Fall erfüllt seien

66      Im Rahmen des dritten Teils des ersten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass im vorliegenden Fall die Verträge von 1984 und von 1999 nicht „rein kommerziell“ seien und dass der Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 die vier Voraussetzungen der aus dem Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415), hervorgegangenen Rechtsprechung erfülle. Insoweit führt die Klägerin weiter aus, dass sie mit klar definierten öffentlichen Dienstleistungen betraut sei, dass die Parameter zur Berechnung dieses Ausgleichsmechanismus vorab objektiv und transparent aufgestellt worden seien, dass der Ausgleich nicht über das hinausgehe, was erforderlich sei, um die Kosten für die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zu decken, und dass die Verträge von 1984 und von 1999 auf der Grundlage eines offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibungsverfahrens an sie vergeben worden seien.

67      Die Kommission und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

68      Vorab ist festzustellen, dass sich, da der angefochtene Beschluss ausschließlich den Verbleib bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus betrifft, die Prüfung der Voraussetzungen der aus dem Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415) hervorgegangenen Rechtsprechung nur auf diesen Verbleib bezieht; mithin geht das Vorbringen der Klägerin zum Vertrag von 1999 ins Leere.

69      Hinsichtlich der Voraussetzungen, die in der aus dem Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415), hervorgegangenen Rechtsprechung aufgestellt wurden, ist daran zu erinnern, dass gemäß dieser Rechtsprechung eine staatliche Maßnahme nicht unter Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt, die als Ausgleich für eine Gegenleistung für Leistungen anzusehen ist, die von den Unternehmen, denen sie zugutekommt, zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden, so dass diese Unternehmen in Wirklichkeit keinen finanziellen Vorteil erhalten und die genannte Maßnahme somit nicht bewirkt, dass sie gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen in eine günstigere Wettbewerbsstellung gelangen.

70      Damit ein solcher Ausgleich in einem konkreten Fall nicht als staatliche Beihilfe eingestuft wird, müssen jedoch die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:

–        Erstens ist das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut worden, und diese Verpflichtungen sind klar definiert worden;

–        zweitens sind die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufgestellt worden;

–        drittens geht der Ausgleich nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken;

–        viertens ist die Höhe des erforderlichen Ausgleichs, wenn die Wahl des mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betrauten Unternehmens nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt, auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt worden, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit Transportmitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen zu tragen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.

71      Aus der mit dem Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415), begründeten Rechtsprechung geht hervor, dass die erste Voraussetzung im Wesentlichen zum Ziel hat, zu bestimmen, ob erstens das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut wurde und ob zweitens diese Verpflichtungen im nationalen Recht klar definiert sind. Mit dieser Voraussetzung wird ein Ziel der Transparenz und der Rechtssicherheit verfolgt, das die Erfüllung von Mindestkriterien erfordert, die vom Vorliegen eines oder mehrerer Hoheitsakte abhängen, die hinreichend genau zumindest die Art, die Dauer und die Tragweite der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen definieren, die den mit der Erfüllung dieser Verpflichtungen betrauten Unternehmen obliegen (Urteil vom 20. Dezember 2017, Comunidad Autónoma del País Vasco u. a./Kommission, C‑66/16 P bis C‑69/16 P, EU:C:2017:999, Rn. 72 und 73).

72      Im vorliegenden Fall ist zunächst festzuhalten, dass aus keinem der von der Klägerin vorgelegten Dokumente hervorgeht, dass die belgischen Behörden die Aufstellung und den Betrieb der Stadtmöbel, die vom Vertrag von 1984 erfasst werden, als eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse definiert hätten. Sodann konnte sich die Klägerin, wie sich aus der oben in den Rn. 31 bis 33 vorgenommenen Untersuchung ergibt, nicht darauf berufen, dass der Verbleib und der Betrieb bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus von der Stadt Brüssel ausdrücklich genehmigt wurde. Folglich gibt es keinen hoheitlichen Rechtsakt, durch den die Klägerin damit beauftragt worden wäre, in Ausführung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse den Abbau bestimmter Stadtmöbel vorzunehmen.

73      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie zu dem Schluss kam, dass der Vertrag von 1984 ein rein kommerzieller Vertrag sei, so dass die erste Voraussetzung der aus dem Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415), hervorgegangenen Rechtsprechung nicht erfüllt sei.

74      Nach ständiger Rechtsprechung müssen die vier Voraussetzungen der aus dem Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415), hervorgegangenen Rechtsprechung kumulativ erfüllt werden, damit der Ausgleich für auferlegte gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen nicht als staatliche Beihilfe eingestuft wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2017, Frankreich/Kommission, T‑366/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:135, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung). Deshalb genügt der Umstand, dass eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt wird, um auf das Vorliegen eines Vorteils und damit auf eine Einstufung des in Rede stehenden Ausgleichs als Beihilfe schließen zu können (Urteil vom 11. Juli 2018, Buonotourist/Kommission, T‑185/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:430, Rn. 132).

75      Nach alledem ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

76      Angesichts dieser Umstände ist festzustellen, dass die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie annahm, dass der Verbleib und der Betrieb bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen über den in diesem Anhang für sie festgelegten Termin hinaus einen Vorteil darstellten, und dass der erste Klagegrund unbegründet ist.

 Zum zweiten Klagegrund, wonach eine hypothetische staatliche Beihilfe gemäß der Mitteilung der Kommission über den Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen und dem Beschluss 2012/21 mit dem Binnenmarkt vereinbar gewesen sei

77      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe einen Rechtsfehler und einen Beurteilungsfehler begangen, da sie, selbst wenn der Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 tatsächlich als eine staatliche Beihilfe eingestuft werden könnte, angesichts der ihr übertragenen weiten Untersuchungsbefugnisse verpflichtet gewesen sei, die volle Wirksamkeit von Art. 106 Abs. 2 AEUV zu gewährleisten.

78      Die Kommission und die Streithelferin treten diesem Vorbringen der Klägerin entgegen.

79      Vorab ist festzustellen, dass die Klägerin mit ihrem zweiten Klagegrund darauf abzielt, die Analyse der Kommission zur Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt zu beanstanden. Sie macht geltend, dass die Kommission entgegen den Ausführungen im 126. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Anwendbarkeit von Art. 106 Abs. 2 AEUV auf die in Rede stehende Maßnahme von Amts wegen hätte prüfen müssen; da sie dies nicht getan habe, habe sie einen Rechtsfehler und einen Beurteilungsfehler begangen.

80      Insoweit ist festzustellen, dass es bei der Prüfung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt dem betroffenen Mitgliedstaat und den Beteiligten unbenommen bleibt, der vorläufigen Einschätzung der Kommission hierzu im förmlichen Prüfverfahren zu widersprechen. Der Mitgliedstaat und – in geringerem Maß – die Beteiligten sind normalerweise eher in der Lage, darzutun, dass mit der fraglichen Maßnahme ein Ziel von allgemeinem Interesse verfolgt worden sei, dessentwegen diese Maßnahme ganz oder teilweise für binnenmarktkonform erklärt werden könne (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2019, UPF/Kommission, T‑747/17, EU:T:2019:271, Rn. 128).

81      Da die belgischen Behörden ausweislich der Feststellungen im 126. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu keinem Zeitpunkt im Prüfverfahren vor der Kommission ein Argument vorgebracht haben, um nachzuweisen, dass die Ausnahmebestimmungen gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV im vorliegenden Fall Anwendung finden, kann folglich die Klägerin der Kommission nicht vorwerfen, dass sie die Vereinbarkeit des Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 mit diesem Artikel nicht von Amts wegen geprüft habe.

82      Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten hat, dass die Ausnahmebestimmung nach Art. 106 Abs. 2 AEUV nicht geltend gemacht werden könne. Der zweite Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund, wonach die Kommission hinsichtlich der Ermittlung der Höhe des zurückzufordernden Betrags gegen die Begründungspflicht verstoßen habe

 Zur ersten Teil, wonach die Kommission nicht ausreichend zu den von den Parteien geltend gemachten Gesichtspunkten Stellung nehme, die Höhe der zurückzufordernden Beihilfe in ihrer Pressemitteilung vorwegnehme und ihre internen Verfahrensregeln verletze

83      Im ersten Teil des dritten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe ihre Begründungspflicht verletzt, da sie angenommen habe, die Höhe der zurückzufordernden Beihilfe betrage rund 2 Mio. Euro, was dem von der Streithelferin vorgetragenen Betrag entspreche, ungeachtet des Umstands, dass die Klägerin, wie auch die belgischen Behörden, dargetan habe, dass die Schätzungen der Streithelferin unrichtig seien. Zudem habe die Kommission die Höhe der zurückzufordernden Beihilfe in ihrer Pressemitteilung vom 24. Juni 2019 vorweggenommen, ohne dass dieser Betrag jedoch in dem angefochtenen Beschluss genannt worden sei. Die Kommission hätte begründen müssen, weshalb sie sich dafür entschieden habe, dem Vorschlag der Streithelferin zu folgen. Dass sie dies nicht getan habe, stelle einen Begründungsmangel des angefochtenen Beschlusses und ein Abweichen von ihrem eigenen Verfahrenshandbuch für den Bereich der staatlichen Beihilfen dar, worin darauf hingewiesen werde, dass bei Punkten, über die zwischen den Parteien Uneinigkeit bestehe, von einem strengeren Begründungserfordernis auszugehen sei.

84      Die Kommission und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

85      Es ist festzustellen, dass die Ausführungen der Klägerin hinsichtlich des Umstands, dass die Kommission einen Betrag der zurückzufordernden Beihilfe von rund 2 Mio. Euro annahm, indem sie sich die von der Streithelferin vorgetragene Einschätzung zu eigen mache, auf einer fehlerhaften Lektüre des angefochtenen Beschlusses beruhen.

86      Es geht nämlich aus dem angefochtenen Beschluss klar hervor, dass der Betrag von 2 Mio. Euro im Zusammenhang mit den von der Streithelferin und den belgischen Behörden vorgetragenen Schätzungen der zurückzufordernden Beihilfe genannt wurde und dass die Kommission durch die Nennung dieses Betrags nicht ihre Beurteilung dieses Betrags stützen wollte.

87      Im Übrigen folgt aus dem angefochtenen Beschluss ohne Zweifel, dass die Kommission die zurückzufordernde Beihilfe nicht quantifizierte, sondern lediglich eine Methode zur Berechnung des Betrags dieser Beihilfe festlegte. Denn sie wies insoweit darauf hin, dass die Berechnung für jeden in Anhang 10 aufgelisteten Werbeträger, der über seinen Termin nach dem 15. September 2001 hinaus aufgestellt geblieben sei, erfolgen müsse, wobei als Referenz die gemäß dem Vertrag von 1999 fälligen Mieten und allgemein auf Werbeträger anwendbaren Abgaben zwischen dem ursprünglich in Anhang 10 vorgesehenen Termin des Abbaus (wenn dieser Termin nach dem 15. September 2001 liege) oder dem 15. September 2001 (wenn der ursprünglich vorgesehene Termin des Abbaus vor dem 15. September 2001 liege) und dem Datum des tatsächlichen Abbaus dienen sollten, ohne dass dabei der Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 zu berücksichtigen sei.

88      Nach alledem ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin, wonach sich die Kommission den von der Streithelferin vorgetragenen Betrag der Beihilfe zu eigen gemacht habe, ohne ihre Entscheidung, dem Vorschlag der Streithelferin zu folgen, zu begründen, unbegründet ist.

89      Der erste Teil des dritten Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil, wonach eine Quantifizierung des Betrags einer hypothetischen staatlichen Beihilfe nicht möglich sei und ein Hindernis für ihre Rückforderung darstelle

90      Mit dem zweiten Teil des dritten Klagegrundes beanstandet die Klägerin die von der Kommission in den Erwägungsgründen 52, 119, 137 und 144 des Beschlusses vorgenommene Analyse. Erstens habe die Kommission die Schätzungen der belgischen Behörden zurückgewiesen und den von der Streithelferin vorgeschlagenen Betrag der Beihilfe übernommen. Zweitens sei es jedenfalls praktisch nicht möglich, den ihr angeblich zuteilgewordenen Vorteil zu quantifizieren, da entsprechend seiner finanziellen Struktur der Vertrag von 1984, der die in Anhang 10 aufgelisteten Vorrichtungen regle, keine Zahlung von Miete, Nutzungsentgelt oder Gebühren vorsehe, und dieser Vertrag auf die in Anhang 10 aufgelisteten und nach dem für sie vorgesehenen Termin an Ort und Stelle verbliebenen Vorrichtungen anwendbar gewesen sei. Drittens habe die Kommission, selbst wenn angenommen würde, dass der Ausgleich zwischen den Vorrichtungen, die vor dem in Anhang 10 für sie vorgesehenen Termin abgebaut wurden, und den Vorrichtungen, die über ihren Termin hinaus verblieben, zu einem Ungleichgewicht hätte führen können, was nicht der Fall gewesen sei, den sich daraus ergebenden Vorteil nicht zurückfordern können, da die Wahrung der Verteidigungsrechte der Stadt Brüssel aufgrund der fehlenden Möglichkeit, eine angemessene Bewertung des angeblichen Vorteils vorzunehmen, ein Hindernis für seine Rückforderung gemäß Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV (ABl. 2015, L 248, S. 9) hätte darstellen können.

91      Zum letztgenannten Punkt fügt die Klägerin in ihrer Erwiderung hinzu, dass der in der Klageschrift geltend gemachte Begründungsmangel des angefochtenen Beschlusses ihr die Möglichkeit nehme, die der Bewertung des Betrags der Beihilfe zugrunde liegenden rechtlichen und tatsächlichen Umstände präzise zu beanstanden. Der Umstand, dass es unmöglich sei, die Höhe des ihr angeblich erwachsenen hypothetischen Vorteils zu bewerten, führe in Verbindung mit diesem Begründungsmangel des angefochtenen Beschlusses zu einer Verletzung ihrer Verteidigungsrechte und behindere die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle.

92      Die Kommission und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen. In diesem Rahmen macht die Kommission in ihrer Gegenerwiderung geltend, dass die in der Erwiderung erhobene, auf die Verletzung ihrer Verteidigungsrechte bezogene Rüge der Klägerin unzulässig sei, da sie im Stadium der Klage davon ausgehe, dass die Stadt Brüssel diese Verletzung erlitten habe. Nach Auffassung der Kommission ist dieser neue Klagegrund gemäß Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts als unzulässig zurückzuweisen.

93      Hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, wonach die Kommission die Schätzungen der belgischen Behörden zurückgewiesen und den von der Streithelferin vorgeschlagenen Betrag der Beihilfe übernommen habe, ist zum einen daran zu erinnern, dass oben in den Rn. 87 und 88 festgestellt worden ist, dass die Kommission die zurückzufordernde Beihilfe nicht quantifiziert, sondern lediglich die Methode zur Berechnung des Betrags dieser Beihilfe festgelegt hatte, ohne sich den von der Streithelferin vorgetragenen Beihilfebetrag zu eigen zu machen. Zum anderen ist festzustellen, dass die Kommission erläuterte, weshalb nach ihrer Auffassung der der Klägerin erwachsene Vorteil höher war als der von den belgischen Behörden angenommene Betrag. So wies die Kommission darauf hin, dass nach ihrem Dafürhalten die von diesen Behörden vorgetragene Schätzung, nach der dieser Vorteil mit 200 000 Euro zu bewerten sei, der Grundlage entbehre, da dieser Berechnung eine fehlerhafte Berücksichtigung des Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 zugrunde gelegen habe.

94      Was die angebliche Unmöglichkeit einer Quantifizierung des der Klägerin vorgeblich erwachsenen Vorteils und die angebliche daraus folgende Verletzung der Verteidigungsrechte anbelangt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich das Vorbringen der Klägerin auf eine Verletzung der Begründungspflicht stützt, die in Art. 41 Abs. 1 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als Verteidigungsrecht vorgesehen ist. Zu einer Rüge zwingenden Rechts ist festzustellen, dass eine solche Rüge auch im Stadium der Erwiderung erhoben werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Juli 2017, Badica und Kardiam/Rat, T‑619/15, EU:T:2017:532, Rn. 42).

95      Sodann ist festzustellen, dass die Argumente der Klägerin im Hinblick auf die angebliche Unmöglichkeit einer Quantifizierung des ihr vorgeblich erwachsenen Vorteils und die angebliche Verletzung ihrer Verteidigungsrechte und jener der Stadt Brüssel auf einer unrichtigen Prämisse beruhen. Die Klägerin vertritt nämlich im Wesentlichen die Auffassung, dass der einzige Vorteil, der gegebenenfalls berücksichtigt werden könnte, jener sei, der sich aus einem Ungleichgewicht ergebe zwischen der Anzahl der in Anhang 10 aufgelisteten und frühzeitig vor dem für sie vorgesehenen Termin abgebauten Vorrichtungen und der Anzahl der Vorrichtungen, die als Ausgleich über den in Anhang 10 für sie vorgesehenen Termin hinaus aufgestellt geblieben seien. Ihres Erachtens stellt der Verbleib bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen nur dann einen Vorteil dar, wenn dieser Verbleib über das hinausgeht, was durch den Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 ausgeglichen wird. Diese – im Übrigen im vorgerichtlichen Verfahren von den belgischen Behörden geltend gemachte und von der Kommission zurückgewiesene – Prämisse ist jedoch unrichtig. Wie oben in den Rn. 25 bis 42 dargestellt worden ist, stellt nämlich der Verbleib und der Betrieb bestimmter, in Anhang 10 aufgelisteter Vorrichtungen über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus einen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Wie die Kommission in dem angefochtenen Beschluss zu Recht feststellt, hätte die Berechnung deshalb für jede Vorrichtung vorgenommen werden müssen, die in Anhang 10 aufgeführt ist und die über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin nach dem 15. September 2001 beibehalten wurde; dabei hätten als Referenz die gemäß dem Vertrag von 1999 fälligen Mieten und allgemein auf Werbeträger anwendbaren Abgaben zwischen dem ursprünglich in Anhang 10 vorgesehenen Termin (wenn dieser Termin nach dem 15. September 2001 liegt) oder dem 15. September 2001 (wenn der ursprünglich in Anhang 10 vorgesehene Termin vor dem 15. September 2001 liegt) und dem Datum des tatsächlichen Abbaus dienen müssen, ohne dass dabei der Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 zu berücksichtigen war.

96      Was diese in dem angefochtenen Beschluss festgelegte Berechnungsmethode anbelangt, ist klarzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Kommission nicht verpflichtet ist, bei der Anordnung der Rückzahlung einer für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärten Beihilfe den genauen Betrag der zu erstattenden Beihilfe festzusetzen. Es genügt, dass die Entscheidung der Kommission Angaben enthält, die es ihrem Adressaten ermöglichen, diesen Betrag ohne übermäßige Schwierigkeiten selbst zu bestimmen (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014, Mediaset, C‑69/13, EU:C:2014:71, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es reicht daher nach der Rechtsprechung aus, dass die Kommission eine hinreichend verlässliche Methode zur Berechnung der zurückzuzahlenden Beihilfe angibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2007, Kommission/Frankreich, C‑441/06, EU:C:2007:616, Rn. 41); dies ist vorliegend der Fall.

97      Nach alledem ist der zweite Teil des dritten Klagegrundes und damit der dritte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund, wonach die in dem angefochtenen Beschluss festgestellte staatliche Beihilfe jedenfalls verjährt sei

98      Im vierten Klagegrund beanstandet die Klägerin die Erwägungsgründe 66 und 67 des angefochtenen Beschlusses und bringt vor, dass der Anfangszeitpunkt für die Berechnung der Gewährung einer Beihilfe im vorliegenden Fall nicht der Zeitpunkt sei, ab dem jede in Anhang 10 aufgeführte Vorrichtung, die über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus beibehalten worden sei, habe beseitigt werden müssen, sondern der Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung gefasst worden sei, nach dem vorzeitigen Abbau einzelner dieser Vorrichtungen auf Ersuchen der Stadt Brüssel einen Ausgleich vorzunehmen. Da der Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 schon seit dem 31. Juli 2000 gegolten habe, sei die Entscheidung, diesen Mechanismus anzuwenden, unabhängig davon, von welchem genauen Zeitpunkt auszugehen sei, jedenfalls vor dem 15. September 2001 gefasst worden. Die Rückforderung jedweder Beihilfe sei daher verjährt, da das erste von der Kommission an die belgischen Behörden gerichtete Auskunftsersuchen vom 15. September 2011 datiere.

99      Die Kommission und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

100    Nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 gelten die Befugnisse der Kommission zur Rückforderung von Beihilfen für eine Frist von zehn Jahren. Art. 17 Abs. 2 dieser Verordnung bestimmt, dass die Verjährungsfrist mit dem Tag zu laufen beginnt, an dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger entweder als Einzelbeihilfe oder im Rahmen einer Beihilferegelung gewährt wird, und dass jede Maßnahme, die die Kommission oder ein Mitgliedstaat auf Antrag der Kommission bezüglich der rechtswidrigen Beihilfe ergreift, eine Unterbrechung der Verjährungsfrist darstellt.

101    Nach der Rechtsprechung ist die Bestimmung des Zeitpunkts der Beihilfegewährung nach Maßgabe der Natur der in Rede stehenden Beihilfe veränderlich. So kann im Fall einer mehrjährigen Regelung, die sich in Zahlungen oder in der regelmäßig wiederkehrenden Gewährung von Vorteilen äußert, zwischen dem Zeitpunkt des Erlasses eines Rechtsakts, der die Rechtsgrundlage der Beihilfe bildet, und dem Zeitpunkt, zu dem die Unternehmen tatsächlich in den Genuss der Beihilfe kommen, eine erhebliche Zeit liegen. Dann gilt die Beihilfe für die Zwecke der Berechnung der Verjährungsfrist als dem Empfänger erst zu dem Zeitpunkt gewährt, zu dem sie tatsächlich an ihn vergeben wurde (Urteil vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission, C‑81/10 P, EU:C:2011:811, Rn. 82).

102    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die von der Kommission als staatliche Beihilfe erachtete staatliche Maßnahme darin besteht, dass bestimmte, in Anhang 10 aufgelistete Vorrichtungen zwischen dem in diesem Anhang vorgesehenen Termin und dem Zeitpunkt des tatsächlichen Abbaus aufgestellt bleiben und von der Klägerin betrieben werden, ohne dass sie Miete zahlt und Abgaben entrichtet.

103    Angesichts dieses Merkmals der in Rede stehenden Beihilfe ist festzustellen, dass, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Entscheidung über den angeblichen Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 vor dem 31. Juli 2000 getroffen wurde, der Zeitpunkt, ab dem der Klägerin der Vorteil, der darin bestand, dass sie für die in Anhang 10 aufgelisteten und über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus beibehaltenen Vorrichtungen keine Mieten und keine Abgaben zahlte, tatsächlich zuteilwurde, genau der Zeitpunkt ist, in dem diese Vorrichtungen hätten abgebaut werden müssen. Dementsprechend stellt dieser Zeitpunkt den Zeitpunkt dar, in dem die Beihilfe der Klägerin im Sinne von Art. 17 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 gewährt wurde und ab dem die Verjährungsfrist zu laufen beginnt.

104    Außerdem ist festzustellen, dass die Beihilfe im vorliegenden Fall in einer periodischen Gewährung von Vorteilen bestand, da die Abgaben und Mieten für die in Anhang 10 aufgelisteten und über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus beibehaltenen und betriebenen Vorrichtungen bis zu ihrem endgültigen Abbau periodisch zu zahlen waren.

105    Schließlich wäre, da das erste Auskunftsersuchen der Kommission an die belgischen Behörden am 15. September 2011 erfolgte, jede etwaige der Klägerin vor dem 15. September 2001 gewährte Beihilfe jedenfalls verjährt.

106    Folglich ist die von der Kommission festgelegte Methode zur Berechnung des Betrags der Beihilfe zutreffend, nach der die Berechnung für jede in Anhang 10 aufgeführte und über den in diesem Anhang für sie vorgesehenen Termin hinaus nach dem 15. September 2001 verbliebene Vorrichtung vorzunehmen ist, wobei als Referenz die gemäß dem Vertrag von 1999 fälligen Mieten und die allgemein auf Werbeträger anwendbaren Abgaben zwischen dem ursprünglich in Anhang 10 vorgesehenen Termin (wenn dieser Termin nach dem 15. September 2001 liegt) oder dem 15. September 2001 (wenn der ursprünglich vorgesehene Termin vor dem 15. September 2001 liegt) und dem Datum des tatsächlichen Abbaus dienen sollen, ohne dass dabei der Ausgleichsmechanismus des Vertrags von 1984 zu berücksichtigen ist.

107    Daher ist der angefochtene Beschluss entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht mit einer Rechtswidrigkeit behaftet, soweit die Kommission annahm, dass die von ihr festgestellte staatliche Beihilfe nicht verjährt sei.

108    Nach alledem ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

109    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

110    Da die Klägerin mit ihren Anträgen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen. Da die Streithelferin nicht beantragt hat, die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen, sind ihr ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      JCDecaux Street Furniture Belgium trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Clear Channel Belgium trägt ihre eigenen Kosten.

Kanninen

Jaeger

Stancu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. September 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.