Language of document : ECLI:EU:F:2010:77

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Dritte Kammer)

7. Juli 2010

Verbundene Rechtssachen F-116/07, F-13/08 und F-31/08

Stanislovas Tomas

gegen

Europäisches Parlament

„Öffentlicher Dienst – Bedienstete auf Zeit – Art. 2 Buchst. c der BSB – Entlassung – Vertrauensverhältnis – Vorherige Konsultation der Personalvertretung des Parlaments – Fehlen“

Gegenstand: Klagen nach den Art. 236 EG und 152 EA auf im Wesentlichen Aufhebung der Entscheidung der zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigten Behörde des Parlaments vom 26. März 2007, den Kläger mit Wirkung vom 1. Juli 2007 zu entlassen, hilfsweise auf Aufhebung der Entscheidung derselben Behörde vom 10. Juli 2007, ihn mit Wirkung vom 16. Oktober 2007 zu entlassen, jedenfalls auf Verurteilung des Parlaments zur Zahlung von Schadensersatz zur Wiedergutmachung des materiellen und immateriellen Schadens, der ihm durch seine Entlassung entstanden sei

Entscheidung: Die Klagen in den Rechtssachen F‑116/07 und F‑13/08 werden abgewiesen. Das Parlament wird verurteilt, an den Kläger 1 000 Euro als Ersatz des von ihm erlittenen immateriellen Schadens zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage in der Rechtssache F‑31/08 abgewiesen. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit sämtlichen Klagen in den Rechtssachen F‑116/07, F‑13/08 und F‑31/08.

Leitsätze

1.      Beamte – Klage – Vorherige Verwaltungsbeschwerde – Unverzichtbarkeit – Vor der Zurückweisung der Beschwerde erhobene Klage – Unzulässigkeit

(Beamtenstatut, Art. 91 Abs. 2)

2.      Handlungen der Organe – Allgemeine Verpflichtung, die Adressaten über die Rechtsbehelfe und Fristen zu belehren – Fehlen

3.      Beamte – Bedienstete auf Zeit – Bedienstete auf Zeit im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten – Einer Fraktion des Parlaments zugewiesener Bediensteter auf Zeit – Entlassungsentscheidung

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Art. 47 Buchst. c Ziff. i)

4.      Beamte – Bedienstete auf Zeit – Bedienstete auf Zeit im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten – Einer Fraktion des Parlaments zugewiesener Bediensteter auf Zeit – Bruch des Vertrauensverhältnisses – Entlassungsentscheidung

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Art. 2 Buchst. c)

5.      Beamte – Bedienstete auf Zeit – Bedienstete auf Zeit im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten – Entlassungsentscheidung – Pflicht zur vorherigen Unterrichtung der Personalvertretung

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Art. 2 Buchst. c)

6.      Beamte – Bedienstete auf Zeit – Bedienstete auf Zeit im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten – Entlassungsentscheidung – Begründungspflicht

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Art. 2 Buchst. c)

7.      Beamte – Bedienstete auf Zeit – Bedienstete auf Zeit im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten – Notwendigkeit eines Verhältnisses gegenseitigen Vertrauens – Gerichtliche Überprüfung – Umfang

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Art. 2 Buchst. c)

8.      Beamte – Bedienstete auf Zeit – Verfahren zur Feststellung unzulänglicher fachlicher Leistungen – Nichtanwendung auf die sonstigen Bediensteten

(Beamtenstatut, Art. 51 Abs. 1)

9.      Beamte – Bedienstete auf Zeit – Kündigung eines Vertrags auf unbestimmte Dauer – Ermessen der Verwaltung

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Art. 47 Buchst. c und 49 Abs. 1)

10.    Beamte – Bedienstete auf Zeit – Fürsorgepflicht der Verwaltung – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Bedeutung – Pflicht, einen Bediensteten auf Zeit bei Unzulänglichkeit seiner fachlichen Leistungen einer neuen dienstlichen Verwendung zuzuführen – Fehlen

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Art. 2 Buchst. c)

11.    Beamte – Bedienstete auf Zeit – Kündigung eines Vertrags auf unbestimmte Dauer – Unanwendbarkeit von Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention

12.    Beamte – Bedienstete auf Zeit – Fürsorgepflicht der Verwaltung – Pflicht, eine Einzelentscheidung an einen Beamten oder einen Bediensteten auf Zeit in einer Sprache zu richten, in der er über gründliche Kenntnisse verfügt

13.    Beamte – Außervertragliche Haftung der Organe – Voraussetzungen – Amtsfehler

(Art. 236 EG)

1.      Jeder Klage gegen eine beschwerende Maßnahme der Anstellungsbehörde muss im Allgemeinen zwingend eine Verwaltungsbeschwerde vorausgehen, die ausdrücklich oder stillschweigend zurückgewiesen worden ist. Eine vor Abschluss dieses Vorverfahrens eingereichte Klage ist verfrüht und daher nach Art. 91 Abs. 2 des Statuts unzulässig.

(vgl. Randnr. 64)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: 18. Dezember 2008, Belgien und Kommission/Genette, T‑90/07 P und T‑99/07 P, Slg. 2008, II‑3859, Randnr. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung

2.      Es gibt keine unionsrechtliche Vorschrift, die eine ausdrückliche allgemeine Verpflichtung enthält, die Adressaten von Rechtsakten über die möglichen Rechtsbehelfe und die Fristen, in denen sie eingelegt werden können, zu belehren.

(vgl. Randnr. 87)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: 22. Dezember 2005, Gorostiaga Atxalandabaso/Parlament, T‑146/04, Slg. 2005, II‑5989, Randnr. 131; 11. November 2008, Speiser/Parlament, T‑390/07 P, Slg. ÖD 2008, I‑B‑1‑63 und II‑B‑1‑427, Randnr. 31

3.      Bei dem Verfahren der Beurteilung eines Bediensteten auf Zeit und dem Verfahren, das zu der Entscheidung führt, den Dienstvertrag dieses Bediensteten zu kündigen, handelt es sich um zwei verschiedene Verfahren.

Aus Art. 47 Buchst. c Ziff. i der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten ergibt sich, dass der Vertrag eines auf unbestimmte Zeit eingestellten Zeitbediensteten nach Ablauf der im Vertrag vorgesehenen Kündigungsfrist endet. In dieser Bestimmung wird keine wie auch immer geartete Pflicht erwähnt, die Kündigung des Vertrags des Betroffenen auf seine Beurteilungen zu stützen – anders als es bei einem Beamten der Fall ist, der nach Art. 51 des Statuts nur auf der Grundlage aufeinanderfolgender Beurteilungen, aus denen seine unzulänglichen fachlichen Leistungen hervorgehen, entlassen werden kann.

(vgl. Randnrn. 91 und 92)

4.      Die Wahrung der Verteidigungsrechte ist in allen gegen eine Person eingeleiteten Verfahren, die zu einer beschwerenden Maßnahme führen können, ein elementarer Grundsatz des Unionsrechts, der auch dann zu beachten ist, wenn eine Regelung für das betreffende Verfahren fehlt.

Nach diesem Grundsatz muss dem Betroffenen vor Erlass der an ihn gerichteten Entscheidung Gelegenheit gegeben worden sein, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der Tatsachen und Umstände, auf deren Grundlage diese Entscheidung ergangen ist, sachgerecht Stellung zu nehmen.

Wegen der besonderen Natur der bei einer Fraktion wahrgenommenen Aufgaben und der Notwendigkeit, in einem derartigen politischen Umfeld ein Verhältnis gegenseitigen Vertrauens zwischen der Fraktion und den zu ihr abgeordneten Beamten aufrechtzuerhalten, kann der Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, soweit es sich um die Entscheidung über die Entlassung eines Bediensteten auf Zeit handelt, der auf der Grundlage von Art. 2 Buchst. c der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten bei einer Fraktion des Parlaments eingestellt wurde.

Diese Ausnahme vom Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte gilt immer dann, wenn es um die Notwendigkeit geht, Vertrauensverhältnisse aufrechtzuerhalten.

(vgl. Randnrn. 98, 99 und 101)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 15. Juli 1970, Buchler/Kommission, 44/69, Slg. 1970, 733, Randnr. 9; 10. Juli 1986, Belgien/Kommission, 234/84, Slg. 1986, 2263, Randnr. 27; 3. Oktober 2000, Industrie des poudres sphériques/Rat, C‑458/98 P, Slg. 2000, I‑8147, Randnr. 99; 5. Oktober 2000, Deutschland/Kommission, C‑288/96, Slg. 2000, I‑8237, Randnr. 99; 9. November 2006, Kommission/De Bry, C‑344/05 P, Slg. 2006, I‑10915, Randnr. 37

Gericht erster Instanz: 28. Januar 1992, Speybrouck/Parlament, T‑45/90, Slg. 1992, II‑33, Randnr. 94

Gericht für den öffentlichen Dienst: 24. Februar 2010, P/Parlament, F‑89/08, Randnr. 32

5.      Nach Art. 10 Abs. 1 der Internen Regelung für die Einstellung von Beamten und sonstigen Bediensteten des Parlaments erfordert „[j]egliches Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vertrags eines in einer Fraktion angestellten Bediensteten auf Zeit … die vorherige Unterrichtung des Personalrates des Organs, der den Betroffenen anhören und bei der Anstellungsbehörde vorstellig werden kann“.

Art. 10 Abs. 1 der Internen Regelung des Parlaments stellt somit die Regel auf, dass die Personalvertretung unterrichtet werden muss, beschränkt sich aber darauf, dass es sich um eine in Bezug auf das „Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vertrags eines … Bediensteten auf Zeit“ „vorherige“ Unterrichtung handeln muss, ohne der zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigten Behörde eine Frist zur Erfüllung dieser Pflicht aufzuerlegen. Die Bekanntgabe der Kündigung an den Betroffenen stellt einen wesentlichen Schritt des „Verfahrens mit dem Ziel der Auflösung des Vertrags eines Bediensteten auf Zeit“ dar. Nach dem Wortlaut der genannten Bestimmung muss die zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigte Behörde folglich die Personalvertretung vor der Bekanntgabe der Kündigung an den Betroffenen unterrichten.

Die Nichteinhaltung der von dem zuständigen Organ selbst festgelegten Verfahrensregeln für den Erlass einer Handlung stellt eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Art. 230 Abs. 2 EG dar, die vom Richter auch von Amts wegen geprüft werden kann. Die Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Art. 230 Abs. 2 EG, die für die Rechtssicherheit grundlegend sind, führt zur Aufhebung der fehlerhaften Handlung, ohne dass ein Schaden nachgewiesen zu werden braucht. Ein bloßer Verfahrensverstoß zieht hingegen die Aufhebung eines Rechtsakts nur dann nach sich, wenn nachgewiesen ist, dass dieser Rechtsakt ohne den Verstoß einen anderen Inhalt hätte haben können. Daher ist zu prüfen, ob die Nichterfüllung der Pflicht, die Personalvertretung von einem Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vertrags eines Bediensteten auf Zeit zu unterrichten, als Verletzung wesentlicher Formvorschriften oder als bloßer Verfahrensverstoß anzusehen ist.

Dem Wortlaut der fraglichen internen Bestimmung ist nicht zu entnehmen, dass die Stellungnahme der Personalvertretung eine Bedingung für die Gültigkeit der Entscheidungen über die Kündigung der Anstellungsverträge der Bediensteten auf Zeit wäre, die auf der Grundlage von Art. 2 Buchst. c der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten eingestellt worden sind. Wäre dies der Fall, müsste eine solche Bestimmung die Frist festlegen, binnen deren sich die Personalvertretung zu äußern hat. Es ist nämlich ausgeschlossen, dass die Personalvertretung mit einer ablehnenden Stellungnahme oder durch Untätigkeit die Kündigung eines Anstellungsvertrags verhindern kann, die im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 Buchst. a der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten steht.

Die Nichteinhaltung der in der vorherigen Unterrichtung der Personalvertretung bestehenden Förmlichkeit, die nach der Internen Regelung des Parlaments vorgesehen ist, ist zwar für das Parlament, das diese Regelung aus freien Stücken erlassen hat, bindend, doch kann sie nicht als Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift eingestuft werden, da sie zwar einen Amtsfehler darstellt, aber keine entscheidende Auswirkung auf den Ablauf des Verfahrens hätte haben können, das zur Kündigung des Anstellungsvertrags des Betroffenen geführt hat.

Die Verletzung der Pflicht zur vorherigen Unterrichtung der Personalvertretung kann nicht die Aufhebung der Entlassungsentscheidung nach sich ziehen. Ein solcher Verstoß stellt einen Amtsfehler dar, der die außervertragliche Haftung des Organs begründen kann.

(vgl. Randnrn. 106, 107, 112, 113, 118 bis 120, 122 und 124 bis 126)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 23. Februar 1988, Vereinigtes Königreich/Rat, 68/86, Slg. 1988, 855, Randnrn. 48 und 49; 6. April 2000, Kommission/ICI, C‑286/95 P, Slg. 2000, I‑2341, Randnr. 52

Gericht erster Instanz: 19. Mai 1994, Consorzio gruppo di azione locale „Murgia Messapica“/Kommission, T‑465/93, Slg. 1994, II‑361, Randnr. 56; 14. Juli 1997, B/Parlament, T‑123/95, Slg. ÖD 1997, I‑A‑245 und II‑697, Randnrn. 34 und 39; 6. März 2003, Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, T‑228/99 und T‑233/99, Slg. 2003, II‑435, Randnr. 143 und die dort angeführte Rechtsprechung

Gericht für den öffentlichen Dienst: 16. April 2008, Doktor/Rat, F‑73/07, Slg. ÖD 2008, I‑A‑1‑91 und II‑A‑1‑479, Randnr. 88

6.      Wird einem Bediensteten, der mit einem Vertrag auf unbestimmte Dauer eingestellt wurde, gekündigt, ist es von besonderer Bedeutung, dass die Gründe, auf denen eine solche Maßnahme beruht, im Allgemeinen schriftlich, vorzugsweise im Text der betreffenden Entscheidung selbst, klar angegeben werden. Denn nur in dieser Maßnahme, für deren Rechtmäßigkeit auf den Zeitpunkt ihres Erlasses abzustellen ist, materialisiert sich die Entscheidung des Organs.

Die Verpflichtung zur Angabe der Kündigungsgründe kann jedoch auch als erfüllt angesehen werden, wenn der Betroffene im Rahmen von Gesprächen mit seinen Vorgesetzten über diese Gründe gebührend informiert wurde und die Entscheidung der zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigten Behörde kurze Zeit nach diesen Gesprächen ergangen ist. Die Behörde kann diese Begründung gegebenenfalls auch im Stadium der Beantwortung der Beschwerde des Betroffenen ergänzen.

(vgl. Randnr. 133)

Verweisung auf:

Gericht für den öffentlichen Dienst: 26. Oktober 2006, Landgren/ETF, F‑1/05, Slg. ÖD 2006, I‑A‑1‑123 und II‑A‑1‑459, Randnr. 79

7.      Die Fraktion des Parlaments ist allein dafür zuständig, die Bedingungen festzulegen, die ihrer Ansicht nach für den Fortbestand des Verhältnisses gegenseitigen Vertrauens erforderlich sind, das für die Einstellung eines Bediensteten auf Zeit auf der Grundlage von Art. 2 Buchst. c der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten ausschlaggebend war.

Ein solches Vertrauensverhältnis beruht nicht auf objektiven Gesichtspunkten und entzieht sich aufgrund seines Wesens der gerichtlichen Überprüfung. Diese Unmöglichkeit, das Vorliegen oder den Verlust einer Vertrauensbeziehung zu überprüfen, gilt zum Teil auch für die Überprüfung der Begründung, die für das Fehlen oder den Verlust dieses Vertrauens gegeben wurde.

(vgl. Randnrn. 147 bis 149)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: B/Parlament, Randnr. 73; 17. Oktober 2006, Bonnet/Gerichtshof, T‑406/04, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑213 und II‑A‑2‑1097, Randnrn. 50 und 51

8.       Die Vorschriften des Statuts, die für die sonstigen Bediensteten entsprechend gelten, sind in den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten ausdrücklich erwähnt. Keine Bestimmung der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten sieht jedoch vor, dass Art. 51 Abs. 1 des Statuts, der das Verfahren bei unzulänglichen fachlichen Leistungen betrifft, für Bedienstete auf Zeit entsprechend gilt.

(vgl. Randnrn. 154 und 155)

9.       Selbst im Fall eines Dienstvergehens, das die Entlassung eines Bediensteten auf Zeit aus disziplinarischen Gründen rechtfertigen kann, ist die zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigte Behörde durch nichts verpflichtet, ein Disziplinarverfahren gegen den Betroffenen einzuleiten, statt von der Möglichkeit der einseitigen Beendigung des Vertrags nach Art. 47 Buchst. c der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten Gebrauch zu machen. Nur wenn die Behörde beabsichtigt, einen Bediensteten auf Zeit wegen schweren Verstoßes gegen seine Verpflichtungen fristlos zu entlassen, ist nach Art. 49 Abs. 1 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten das in Anhang IX des Statuts geregelte Disziplinarverfahren, das für Bedienstete auf Zeit entsprechend gilt, einzuleiten.

(vgl. Randnr. 158)

Verweisung auf:

Gericht für den öffentlichen Dienst: 24. April 2008, Longinidis/Cedefop, F‑74/06, Slg. ÖD 2008, I‑A‑1‑125 und II‑A‑1‑655, Randnr. 116; 7. Oktober 2009, Y/Kommission, F‑29/08, Slg. ÖD 2009, I‑A‑1‑393 und II‑A‑1‑2099, Randnr. 111

10.    Die Fürsorgepflicht der Verwaltung gegenüber ihren Bediensteten spiegelt das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten wider, die das Statut in den Beziehungen zwischen der Behörde und den öffentlichen Bediensteten geschaffen hat. Diese Pflicht sowie der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung erfordern insbesondere, dass die Behörde bei der Entscheidung über die Stellung eines Beamten alle Gesichtspunkte berücksichtigt, die geeignet sind, sie in ihrer Entscheidung zu leiten, und dabei nicht nur das dienstliche Interesse, sondern auch dasjenige des betroffenen Beamten berücksichtigt.

Die Verwaltung ist nicht verpflichtet, einem Bediensteten auf Zeit, dessen fachliche Leistungen für unzulänglich befunden werden, eine andere dienstliche Verwendung vorzuschlagen. Hätte die Fürsorgepflicht zur Folge, dass sich die Möglichkeit, den Betroffenen einem anderen Dienstposten zuzuweisen, zu einer dahin gehenden Pflicht wandelt, würde das vom Statut in den Beziehungen zwischen der Behörde und den öffentlichen Bediensteten geschaffene Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten dadurch geändert, obwohl das Statut dieses Gleichgewicht widerspiegeln soll.

Diese Feststellung ist im Fall der Kündigung eines Vertrags im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten wegen Verlusts des Vertrauens geboten, da das gegenseitige Vertrauen nach der Rechtsprechung ein wesentliches Element eines solchen Vertrags ist.

Außerdem verfügt die Verwaltung bei der Festlegung der Fähigkeiten, die sie für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten im dienstlichen Interesse für erforderlich hält, über ein weites Ermessen, und dieses Ermessen ist im Fall der Verträge im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten umso größer.

(vgl. Randnrn. 165, 166 und 168)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 4. Februar 1987, Maurissen/Rechnungshof, 417/85, Slg. 1987, 551, Randnr. 12

Gericht für den öffentlichen Dienst: Doktor/Rat, Randnr. 41

11.    Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention legt schon nach seinem Wortlaut den Grundsatz der Unparteilichkeit im gerichtlichen Verfahren nieder, ohne sich zur Anwendung dieses Grundsatzes im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zu äußern.

Ein Organ der Union ist kein „Gericht“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Konvention. Folglich ist Art. 6 Abs. 1 auf die Entscheidung, mit der die die zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigte Behörde den Vertrag eines Bediensteten auf Zeit kündigt, nicht anwendbar.

(vgl. Randnrn. 172 bis 174)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 7

Gericht erster Instanz: 14. Mai 1998, Enso Española/Kommission, T‑348/94, Slg. 1998, II‑1875, Randnr. 56

12.    Zwar regelt das Statut nicht die Frage, welcher Sprachen sich die Organe bei an ihr Personal gerichteten Entscheidungen bedienen, doch obliegt es den Organen aufgrund der Fürsorgepflicht, eine Einzelentscheidung an einen Beamten oder einen Bediensteten auf Zeit in einer Sprache zu richten, in der er über gründliche Kenntnisse verfügt. Diese Pflicht gilt umso mehr, wenn die Entscheidung des Organs Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis dieses Beamten oder Bediensteten auf Zeit haben kann.

(vgl. Randnr. 199)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: 23. März 2000, Rudolph/Kommission, T‑197/98, Slg. ÖD 2000, I‑A‑55 und II‑241, Randnr. 46

13.    Die Begründetheit einer Schadensersatzklage nach Art. 236 EG hängt von der Erfüllung mehrerer Voraussetzungen ab, nämlich von der Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, dem tatsächlichen Vorliegen eines Schadens und dem Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden.

Der Verstoß des Parlaments gegen seine Pflicht, vor Erlass der Entscheidung über die Entlassung eines Zeitbediensteten die Personalvertretung davon zu unterrichten, dass ein Verfahren mit dem Ziel der Beendigung des Dienstverhältnisses eingeleitet werde, rechtfertigt zwar nicht die Aufhebung der Entlassungsentscheidung; der Verfahrensverstoß stellt aber einen Amtsfehler dar, der die Haftung des Organs begründen kann.

Dieser Amtsfehler hat bei dem Bediensteten zwangsläufig das Gefühl hervorgerufen, die Chance verloren zu haben, dass sich die Personalvertretung für ihn einsetzt, und ihm daher einen gewissen immateriellen Schaden zugefügt.

(vgl. Randnrn. 213 bis 215)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 1. Juni 1994, Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., C‑136/92 P, Slg. 1994, I‑1981, Randnr. 42; 21. Februar 2008, Kommission/Girardot, C‑348/06 P, Slg. 2008, I‑833, Randnr. 52

Gericht erster Instanz: B/Parlament, Randnr. 39