Language of document : ECLI:EU:T:2012:543

BESCHLUSS DES GERICHTS (Zweite Kammer)

15. Oktober 2012 (*)

„Nichtigkeitsklage – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik –Restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Mängel der Klageschrift – Fehlender Nachweis der ordnungsgemäßen Ausstellung der Prozessvollmacht des Anwalts durch einen hierzu Berechtigten – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑107/12

Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt L. Hinz,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union,

Beklagter,

wegen Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1375/2011 des Rates vom 22. Dezember 2011 zur Durchführung des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 687/2011 (ABl. L 343, S. 10), soweit der Name der klagenden Partei auf der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften eingetragen bleibt, auf die die zur Bekämpfung des Terrorismus vorgesehene Einfrierung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen Anwendung findet,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter F. Dehousse (Berichterstatter) und J. Schwarcz,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt und Verfahren

1        Mit Klageschrift, die am 1. März 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden ist, hat Rechtsanwalt L. Hinz im Namen der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) (im Folgenden: klagende Partei) Klage auf Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1375/2011 des Rates vom 22. Dezember 2011 zur Durchführung des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 687/2011 (ABl. L 343, S. 10) erhoben, soweit der Name der klagenden Partei auf der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften eingetragen bleibt, auf die die zur Bekämpfung des Terrorismus vorgesehene Einfrierung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen Anwendung findet.

2        Mit Schreiben vom 9. März 2012 hat die Kanzlei des Gerichts zur Behebung von Mängeln der Klageschrift in folgenden Punkten aufgefordert:

–        Nachweis der Rechtspersönlichkeit der klagenden Partei (Art. 44 § 5 Buchst. a der Verfahrensordnung des Gerichts und Nr. 62 Buchst. b der Praktischen Anweisungen für die Parteien);

–        Prozessvollmacht der klagenden Partei (Art. 44 § 5 Buchst. b der Verfahrensordnung und Nr. 62 Buchst. c der Praktischen Anweisungen);

–        Nachweis, dass die Prozessvollmacht von einem hierzu Berechtigten ordnungsgemäß ausgestellt ist (Art. 44 § 5 Buchst. b der Verfahrensordnung und Nr. 62 Buchst. d der Praktischen Anweisungen);

–        ausreichende Zahl von Abschriften der im Verzeichnis aufgeführten Anlagen (Art. 43 § 1 Abs. 2 der Verfahrensordnung und Nr. 63 Buchst. e der Praktischen Anweisungen);

–        Einreichung eines Anlagenverzeichnisses (Art. 43 § 4 der Verfahrensordnung und Nr. 63 Buchst. f der Praktischen Anweisungen);

–        Paginierung der Anlagen (Nr. 63 Buchst. m der Praktischen Anweisungen);

–        Einreichung von beglaubigten Abschriften des Schriftsatzes (Art. 43 § 1 Abs. 2 der Verfahrensordnung und Nr. 63 Buchst. o der Praktischen Anweisungen).

3        Für die Behebung dieser Mängel ist eine Frist bis zum 26. März 2012 gesetzt worden.

4        Mit Schreiben vom 21. März 2012, das am 23. März 2012 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat die klagende Partei eine Reihe von Unterlagen eingereicht und im Hinblick auf die Rechtspersönlichkeit der LTTE darauf hingewiesen, dass es sich bei ihr um eine Befreiungsorganisation handele, die in Sri Lanka gegründet worden sei und nie eine formale Rechtspersönlichkeit erlangt habe. Sie sei von dem langjährigen Führer der LTTE, Herrn Prabakaran, gegründet und durch ein Zentralkomitee geführt worden; im Zuge der Offensive der sri-lankischen Streitkräfte gegen die LTTE im Jahr 2009 seien jedoch die Mitglieder des Führungsgremiums der LTTE getötet worden.

5        Die klagende Partei hat dargelegt, dass der Nachweis der Vollmacht des mutmaßlichen Vertreters der LTTE, Herr T. Sriravindranathan, nur indirekt durch die Vorlage von Bescheinigungen erbracht werden könne, da die Personen, die die Vertreter in den verschiedenen Ländern – darunter Deutschland – bestimmt hätten, gestorben seien.

6        Die klagende Partei hat angegeben, dass die entsprechenden Bescheinigungen später beim Gericht eingereicht würden.

7        Sie hat darauf hingewiesen, dass dieser Punkt bislang nicht problematisiert worden sei, da die Vertretung der tamilischen Tiger durch Herrn Sriravindranathan nach einer ausdrücklichen Mitteilung des Rates der Europäischen Union im Verwaltungsverfahren auf keinen Einwand gestoßen sei, nachdem hierzu nähere Ausführungen gemacht worden seien. Sie sei daher davon ausgegangen, dass die Vertretungsbefugnis von Herrn Sriravindranathan im gerichtlichen Verfahren nicht in Frage gestellt werde.

8        Die klagende Partei hat angekündigt, dass sie die benötigten Bescheinigungen, da sie noch nicht erstellt worden seien und sich eine der beteiligten Personen in Strafhaft befinde, erst mit einer gewissen Verzögerung einreichen könne, und hat eine Verlängerung der Frist für die Behebung der Mängel der Klageschrift beantragt.

9        Mit Schreiben vom 26. März 2012, das am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden ist, hat die klagende Partei dem Gericht eine auf ihren Anwalt ausgestellte Prozessvollmacht übermittelt, die mit einer Unterschrift versehen ist, die nach den Angaben des Anwalts von Herrn T. Sriravindranathan stammt.

10      Da die von der klagenden Partei am 23. März 2012 zur Behebung der Mängel eingereichten Kopien der Anlagen nicht mit den Anlagen übereinstimmten, die mit der Klageschrift eingereicht worden waren, hat es der Kanzler des Gerichts mit Entscheidung vom 13. April 2012 abgelehnt, sie zu den Akten zu nehmen, und sie an die klagende Partei zurückgeschickt.

11      Mit Schreiben vom 13. April 2012 hat der Kanzler des Gerichts der klagenden Partei eine zweite Aufforderung zur Behebung der Mängel der Klageschrift übersandt, zum einen in Bezug auf den Nachweis der ordnungsgemäßen Ausstellung der Prozessvollmacht durch einen hierzu Berechtigten und zum anderen in Bezug auf die Anlagen zur Klageschrift (ausreichende Zahl von Abschriften, Einreichung eines Anlagenverzeichnisses, Paginierung der Anlagen).

12      Für die Behebung dieser Mängel ist eine Frist bis zum 30. April 2012 gesetzt worden.

13      In ihrer auf den 24. April 2012 datierten Antwort, die am 30. April 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die klagende Partei die Mängel der Klageschrift in Bezug auf den Nachweis der ordnungsgemäßen Ausstellung der Prozessvollmacht durch einen hierzu Berechtigten nicht behoben, sondern eine Verlängerung der Frist für die Erbringung dieses Nachweises beantragt, und zwar mit der Begründung, dass er nach deutschem Recht vor einem Notar erstellt werden müsse. Die mit dieser Antwort eingereichten Kopien der Anlagen sind wegen fehlender Übereinstimmung mit den Anlagen, die mit der Klageschrift eingereicht worden waren, nicht zu den Akten genommen und von der Kanzlei an die klagende Partei zurückgeschickt worden.

14      Mit Schreiben vom 14. Mai 2012 hat der Kanzler des Gerichts der klagenden Partei eine dritte Aufforderung zur Behebung der Mängel der Klageschrift übermittelt, die dieselben Punkte betraf wie die zweite Aufforderung zur Mängelbehebung.

15      Für die Behebung der Mängel ist eine Frist bis zum 29. Mai 2012 gesetzt worden. In dem entsprechenden Schreiben hat der Kanzler der klagenden Partei mitgeteilt, dass diese Frist grundsätzlich nicht verlängert werde, und sie auf Art. 44 § 6 und Art. 90 Buchst. a der Verfahrensordnung hingewiesen.

16      In ihrer auf den 24. Mai 2012 datierten Antwort, die am 29. Mai 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die klagende Partei keinen Nachweis der Ausstellung der Prozessvollmacht durch einen hierzu Berechtigten vorgelegt und diese Frage nicht einmal erwähnt. Die mit dieser Antwort eingereichten Kopien der Anlagen sind wegen fehlender Übereinstimmung mit der Klageschrift und den mit ihr eingereichten Anlagen nicht zu den Akten genommen und von der Kanzlei an die klagende Partei zurückgeschickt worden.

17      Mit Schreiben vom 16. Juli 2012 hat der Kanzler des Gerichts der klagenden Partei eine vierte Aufforderung zur Behebung der Mängel der Klageschrift übersandt, die dieselben Punkte wie die zweite und die dritte Aufforderung zur Mängelbehebung betraf.

18      Für die Behebung der Mängel ist eine Frist bis zum 21. August 2012 gesetzt worden. In dem entsprechenden Schreiben hat der Kanzler der klagenden Partei mitgeteilt, dass diese Frist nicht verlängert werde, und sie auf Art. 44 § 6 und Art. 90 Buchst. a der Verfahrensordnung hingewiesen.

19      Die klagende Partei hat auf diese Aufforderung zur Mängelbehebung nicht geantwortet.

 Rechtliche Würdigung

20      Gemäß Art. 111 der Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn es mit einer Klage befasst wird, die offensichtlich unzulässig ist oder der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt, ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluss entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist.

21      Im vorliegenden Fall beschließt das Gericht in Anwendung dieses Artikels, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

22      Nach Art. 44 § 6 der Verfahrensordnung setzt der Kanzler, wenn die Klageschrift nicht den §§ 3 bis 5 dieses Artikels entspricht, dem Kläger eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels oder zur Beibringung der vorgeschriebenen Unterlagen. Kommt der Kläger dieser Aufforderung vor Ablauf der Frist nicht nach, so entscheidet das Gericht, ob die Nichtbeachtung dieser Formvorschriften die Unzulässigkeit der Klage zur Folge hat.

23      Nach Art. 44 § 5 Buchst. b der Verfahrensordnung haben juristische Personen des Privatrechts mit der Klageschrift den Nachweis vorzulegen, dass die Prozessvollmacht ihres Anwalts von einem hierzu Berechtigten ordnungsgemäß ausgestellt ist.

24      Die Befugnis, im Namen einer Organisation, die wie die klagende Partei auf einer Liste betreffend die Einfrierung von Geldern eingetragen ist, Klage zu erheben, setzt den Nachweis voraus, dass die betreffende Organisation tatsächlich die Absicht hat, die Klage zu erheben, und dass den Anwälten, die als ihre Vertreter auftreten, hierzu tatsächlich Vollmacht erteilt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat, C‑229/05 P, Slg. 2007, I‑439, Randnr. 113).

25      Die Bestimmungen der Satzung des Gerichtshofs, insbesondere Art. 21, der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, insbesondere Art. 38, und der Verfahrensordnung des Gerichts, insbesondere Art. 44, sind nicht mit Blick auf den Fall der Erhebung von Klagen durch Organisationen ohne Rechtspersönlichkeit wie die klagende Partei abgefasst worden. In diesem Ausnahmefall sind die Verfahrensvorschriften über die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage bei ihrer Anwendung im erforderlichen Maß den Umständen des konkreten Falls anzupassen. Es gilt, einen übertriebenen Formalismus zu vermeiden, der darauf hinausliefe, dass jede Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage ausgeschlossen wäre, auch wenn die betreffende Körperschaft Gegenstand restriktiver Gemeinschaftsmaßnahmen war (Urteil PKK und KNK/Rat, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnr. 114).

26      Im vorliegenden Fall hat der Anwalt der klagenden Partei mit Schreiben vom 21. März 2012 auf die erste Aufforderung zur Mängelbehebung hin die Einreichung von Bescheinigungen zum Nachweis dessen angekündigt, dass der Unterzeichner der oben in Randnr. 9 genannten Prozessvollmacht, Herr T. Sriravindranathan, zur Vertretung der klagenden Partei berechtigt war.

27      Die klagende Partei hat diese angekündigten Unterlagen aber weder innerhalb der Frist eingereicht, die mit der zweiten Aufforderung zur Mängelbehebung gesetzt wurde, noch innerhalb der Fristen, die mit der dritten und dann mit der vierten Aufforderung zur Mängelbehebung gesetzt wurden.

28      Unter diesen Umständen ist die Klage, da innerhalb der von der Kanzlei des Gerichts festgesetzten angemessenen Fristen kein hinreichender Nachweis der ordnungsgemäßen Ausstellung der Prozessvollmacht des Anwalts durch einen hierzu Berechtigten erbracht wurde, als offensichtlich unzulässig abzuweisen.

 Kosten

29      Da der vorliegende Beschluss vor einer Zustellung der Klageschrift an den Beklagten ergangen ist und diesem keine Kosten entstehen konnten, ist nach Art. 87 § 1 der Verfahrensordnung nur zu entscheiden, dass die klagende Partei ihre eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) tragen ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 15. Oktober 2012

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       N. J. Forwood


* Verfahrenssprache: Deutsch.