Language of document : ECLI:EU:C:2018:960

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 28. November 2018(1)

Rechtssache C567/17

Bene Factum UAB,

Beteiligte:

Valstybinė mokesčių inspekcija prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos

(Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas [Oberster Verwaltungsgerichtshof, Litauen])

„Vorabentscheidungsverfahren – Verbrauchsteuer – Teilweise denaturierter Alkohol – Steuerbefreiungen – Nicht für den menschlichen Genuss bestimmte Erzeugnisse – Formale Zweckbestimmung von Erzeugnissen – Tatsächlicher Verbrauch – Befugnis des Empfangsstaats zur Rücknahme einer in einem anderen Mitgliedstaat gewährten Steuerbefreiung – Ernst zu nehmende Gefahr der Steuerflucht, der Steuerhinterziehung oder des Missbrauchs – Verfahren zur Nichtigerklärung einer Steuerbefreiung“






1.        Bestimmte Kosmetikerzeugnisse oder Mundwasser, die in Polen mit teilweise denaturiertem Alkohol hergestellt werden, sind dort von der in der Richtlinie 92/83/EWG(2) geregelten harmonisierten Verbrauchsteuer befreit. Das vorlegende Gericht fragt im Wesentlichen danach, ob diese Erzeugnisse verbrauchsteuerfrei bleiben, wenn sie, nachdem sie zum Zweck des Verkaufs nach Litauen transportiert wurden, dort von bestimmten Personen als alkoholische Getränke konsumiert werden.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

1.      Richtlinie 92/83

2.        Art. 27 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten befreien die von dieser Richtlinie erfassten Erzeugnisse von der harmonisierten Verbrauchsteuer nach Maßgabe von Bedingungen, die sie zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung solcher Steuerbefreiungen sowie zur Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen, sofern die betreffenden Erzeugnisse

b)      nach den Vorschriften eines Mitgliedstaats denaturiert worden sind und zur Herstellung eines nicht für den menschlichen Genuss bestimmten Erzeugnisses verwendet werden;

(5)      Stellt ein Mitgliedstaat fest, dass ein gemäß Absatz 1 Buchstabe a) oder b) befreites Erzeugnis zu Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch führt, so kann er die Befreiung versagen oder die bereits gewährte Befreiung zurückziehen. Der Mitgliedstaat unterrichtet unverzüglich die Kommission. Die Kommission leitet die Mitteilung binnen eines Monats nach Eingang an die anderen Mitgliedstaaten weiter. Eine endgültige Entscheidung wird nach dem Verfahren des Artikels 24 der Richtlinie 92/12/EWG getroffen. Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, eine solche Entscheidung rückwirkend anzuwenden.

…“

2.      Richtlinie 2008/118(3)

3.        Art. 2 lautet:

„Verbrauchsteuerpflichtige Waren werden verbrauchsteuerpflichtig mit

a)      ihrer Herstellung, gegebenenfalls einschließlich ihrer Förderung, innerhalb des Gebiets der Gemeinschaft;

b)      ihrer Einfuhr in das Gebiet der Gemeinschaft.“

4.        Art. 7 bestimmt:

„(1)      Der Verbrauchsteueranspruch entsteht zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr.

(2)      Als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr im Sinne dieser Richtlinie gilt

a)      die Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Entnahme, aus dem Verfahren der Steueraussetzung;

b)      der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung, wenn keine Verbrauchsteuer gemäß den geltenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und des einzelstaatlichen Rechts erhoben wurde;

c)      die Herstellung verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Herstellung, außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung;

d)      die Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren, einschließlich der unrechtmäßigen Einfuhr, es sei denn, die verbrauchsteuerpflichtigen Waren werden unmittelbar bei ihrer Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt.

…“

5.        In Art. 33 Abs. 1 heißt es:

„… [V]erbrauchsteuerpflichtige Waren, die in einem Mitgliedstaat bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind, [unterliegen,] sofern sie zu gewerblichen Zwecken in einem anderen Mitgliedstaat in Besitz gehalten und dort zur Lieferung oder Verwendung vorgesehen sind, der Verbrauchsteuer, die in diesem anderen Mitgliedstaat erhoben wird.

Als 'Besitz zu gewerblichen Zwecken‘ im Sinne dieses Artikels gilt der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren durch eine Person, die keine Privatperson ist, oder durch eine Privatperson, sofern diese die Waren nicht für den Eigenbedarf erworben und … selbst befördert hat.“

B.      Litauisches Recht

1.      Lietuvos Respublikos akcizų įstatymas (Verbrauchsteuergesetz)(4)

6.        Art. 27 Abs. 1 Nr. 1 sieht vor, dass „als denaturierter Ethylalkohol anerkannter Ethylalkohol, der von der Verbrauchsteuer befreit ist“, von der Verbrauchsteuer zu befreien ist.

7.        Nach Art. 28 Abs. 1 gilt „die Befreiung von der Verbrauchsteuer für gemäß den Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats denaturierten und zur Herstellung von anderen als Lebensmittelerzeugnissen verwendeten Ethylalkohol, der nach Art. 27 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke von der Verbrauchsteuer zu befreien ist“.

2.      Tarybos direktyvos 92/83/EEB dėl akcizų už alkoholį ir alkoholinius gėrimus struktūrų suderinimo 27 straipsnio 1 dalies b punkto taikymo Lietuvos Respublikoje taisyklės (Vorschriften zur Durchführung der Richtlinie 92/83)(5)

8.        In Nr. 3.3 heißt es:

„Denaturierter Ethylalkohol, der aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingeführt wird, ist nur dann von der Verbrauchsteuer zu befreien, wenn er … in anderen als Lebensmittelerzeugnissen enthalten ist und in dem Mitgliedstaat, aus dem diese Nicht-Lebensmittelerzeugnisse eingeführt werden, für diese Erzeugnisse verbrauchsteuerfrei verwendet werden darf.“

II.    Sachverhalt und Vorlagefragen

9.        Bene Factum ist eine in Litauen ansässige Gesellschaft, die dort Kosmetik- und sonstige Körperhygieneerzeugnisse herstellt und vertreibt.

10.      Von 2009 bis 2014 führte sie Mundwässer und kosmetischen Alkohol, die bzw. den sie von einem in Polen ansässigen und ausschließlich für Bene Factum produzierenden Unternehmen erworben hatte, unter verschiedenen Bezeichnungen zu gewerblichen Zwecken ein.

11.      Bene Factum gab die streitigen Erzeugnisse bei dem polnischen Unternehmen nicht nur in Auftrag, sondern kontrollierte auch das Herstellungsverfahren, indem sie über die Zusammensetzung, das Erscheinungsbild der Verpackungen und die Etiketten der Erzeugnisse entschied, die mit ihrer eigenen Marke „BF Cosmetics“ gekennzeichnet waren.

12.      Der in diesen Erzeugnissen enthaltene Ethylalkohol wurde zu dem Zeitpunkt, zu dem die Erzeugnisse in Polen in den Verkehr gebracht wurden, nach den Vorschriften dieses Mitgliedstaats durch Zugabe von Isopropylalkohol denaturiert.

13.      Bene Factum unterließ es, die Einfuhr der besagten Waren in die Republik Litauen zu deklarieren, und entrichtete auf den enthaltenen und denaturierten Ethylalkohol keine Verbrauchsteuer.

14.      Die litauische Steuerinspektion führte eine Steuerprüfung durch, bei der festgestellt wurde, dass die von Bene Factum eingeführten und gelieferten Erzeugnisse an verschiedene Groß- und Einzelhandelsunternehmen (wie z. B. Kioske betreibende Unternehmen) veräußert wurden, die sie im Wesentlichen als alkoholische Getränke vertrieben.

15.      Die litauische Steuerinspektion entschied nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, dass die Erzeugnisse als alkoholische Getränke für den menschlichen Genuss bestimmt waren und dass der darin enthaltene Ethylalkohol folglich verbrauchsteuerpflichtig war. Sie stellte daher fest, dass Bene Factum als verbrauchsteuerpflichtiges Unternehmen zur Zahlung verpflichtet sei.

16.      Bene Factum focht ohne Erfolg die beiden aufeinanderfolgenden Bescheide der Steuerinspektion bei der Steuerstreitbeilegungskommission und beim Vilniaus apygardos administracinis teismas (Bezirksverwaltungsgericht Vilnius, Litauen) an, die diese Bescheide bestätigten.

17.      Gegen die erstinstanzliche Gerichtsentscheidung legte Bene Factum ein Rechtsmittel beim Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Litauen) ein. Für dieses Gericht steht fest, dass in Litauen bestimmte Personen (wie Alkoholabhängige, Arme oder Obdachlose) Erzeugnisse wie die hier in Rede stehenden zu Berauschungszwecken, d. h. als alkoholische Getränke, konsumieren.

18.      Das vorlegende Gericht sieht es als erwiesen an, dass Bene Factum bekannt war, dass die fraglichen Erzeugnisse von einer bestimmten Personengruppe als alkoholische Getränke konsumiert werden(6). Obwohl das Unternehmen die Erzeugnisse nicht direkt an die Endverbraucher verkauft habe, könnten u. a. die von ihm gewählte Etikettierung (z. B. Angabe des Alkoholgehalts in Prozent), die Zugabe von Aromen (Verwendung von Geschmacksstoffen), das Unterlassen der Denaturierung des Ethylalkohols nach den Rechtsvorschriften des litauischen Rechts und der niedrig angesetzte Preis als Anhaltspunkte dafür angesehen werden, dass diese Erzeugnisse als alkoholische Getränke konsumiert würden.

19.      Bene Factum habe nicht nur gewusst, dass die von ihr nach Litauen eingeführten Erzeugnisse (bzw. ein Teil davon) von bestimmten Personen als alkoholische Getränke konsumiert würden, sondern dies bei der Erteilung des Auftrags für die Herstellung dieser Erzeugnisse auch berücksichtigt(7).

20.      Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Erzeugnisse hauptsächlich (primär) dazu bestimmt seien, als Kosmetik- und Körperhygieneerzeugnisse verwendet zu werden. Ferner stehe es außer Frage, dass den Personen, die die Erzeugnisse zu Berauschungszwecken erwarben, bekannt gewesen sei, dass sie Kosmetik- und Körperhygieneerzeugnisse kauften und als alkoholische Getränke konsumierten(8). Jedoch habe Bene Factum, als sie den Auftrag für die Herstellung der Erzeugnisse erteilt und diese nach Litauen eingeführt habe, eindeutig gewusst, dass die Erzeugnisse von bestimmten Personen als alkoholische Getränke zur eigenen Berauschung konsumiert würden (werden könnten)(9).

21.      Nach einem Hinweis darauf, dass „dieser Standpunkt der Steuerinspektion bedeutet, dass in der vorliegenden Rechtssache nicht auf die in Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 92/83 vorgesehene Ausnahme abgestellt wird“, legt der Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Litauen) die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1.      Ist Art. 27 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/83 dahin auszulegen, dass er für alle Erzeugnisse gilt, die nach ihrem hauptsächlichen (unmittelbaren) Verwendungszweck (Genuss) nicht für den menschlichen Genuss bestimmt sind, auch wenn bestimmte Personen Kosmetik- und Körperhygieneerzeugnisse wie die im vorliegenden Fall fraglichen als alkoholische Getränke konsumieren, um sich zu berauschen?

2.      Ist es für die Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung, dass die Person, die die fraglichen Erzeugnisse aus einem Mitgliedstaat eingeführt hat, wusste, dass diese denaturierten Ethylalkohol enthaltenden Erzeugnisse, die in ihrem Auftrag hergestellt und in Litauen von Dritten an Endverbraucher geliefert (verkauft) wurden, von bestimmten Personen als alkoholische Getränke konsumiert werden, und die Erzeugnisse unter Berücksichtigung dieses Umstands mit dem Ziel hergestellt und etikettiert hat, möglichst viele davon abzusetzen?

III. Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

22.      Nach Ansicht von Bene Factum darf die Auslegung von Art. 27 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/83 und die Pflicht zur Zahlung der Verbrauchsteuer auf Alkohol nicht davon abhängen, dass am Rand der Gesellschaft stehende Personen Kosmetikerzeugnisse als Getränk konsumieren(10) und so ihren natürlichen Zweck verfälschen.

23.      Die Einstufung des vermarkteten Erzeugnisses hänge von objektiven Umständen ab, wie der vom Hersteller angegebenen Zweckbestimmung (gemäß den Informationen auf der Verpackung, den Angaben in den Werbematerialien und den während der Herstellung erfolgten Laboruntersuchungen), der mit den polnischen Steuerbehörden vereinbarten Befreiung von der Verbrauchsteuer sowie den Untersuchungen des litauischen Zolllabors. Nach den Untersuchungsergebnissen seien die Erzeugnisse in den KN‑Code 33 („Kosmetikerzeugnisse“) der Kombinierten Nomenklatur einzureihen(11).

24.      Eine Nichtgewährung der Steuerbefreiung verstoße gegen die in anderen Bereichen des Unionsrechts verankerten Begriffe der „Nahrungsmittel“ und der „Kosmetikmittel“, bei denen auf die Zweckbestimmung und nicht auf die tatsächliche Verwendung oder auf eine anderweitige als die beabsichtigte Verwendung abgestellt werde.

25.      Außerdem müsse eine in Polen gewährte Steuerbefreiung auch in den restlichen Mitgliedstaaten gültig sein, da das Ziel eine unionsweit einheitliche Anwendung der Richtlinie 92/83 sei.

26.      Obwohl Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 92/83 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gebe, eine von einem anderen Mitgliedstaat gewährte Befreiung zu versagen, um Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch zu verhindern, sei im vorliegenden Fall das in dieser Vorschrift vorgesehene Verfahren nicht eingeleitet worden. Die litauische Steuerinspektion habe die Steuerbefreiung zurückgenommen, ohne sie der Kontrolle der restlichen Mitgliedstaaten und der Kommission zu unterziehen. Nur die Kommission sei zuständig, diesbezüglich eine endgültige Entscheidung zu fassen.

27.      Die griechische Regierung prüft die beiden in Art. 27 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/83 genannten Bedingungen. In Bezug auf die erste Bedingung (Denaturierung des Erzeugnisses) sei es bei Kosmetikerzeugnissen und Mundwasser wichtig, dass die Denaturierung auf der Grundlage von wenig aggressiven Substanzen mit geringer Toxizität und einem nicht abstoßenden Geruch erfolge, die keine allergischen oder irritativen Reaktionen hervorriefen. In diesem Zusammenhang sei eine Empfehlung zur Verwendung von Isopropylalkohol(12) zwecks minimaler Denaturierung des Ethylalkohols und entsprechender Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ausgesprochen worden. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall erfüllt worden.

28.      In Bezug auf die zweite Bedingung, dass das Erzeugnis nicht für den menschlichen Genuss bestimmt sein darf, stimmen die griechische und die tschechische Regierung im Wesentlichen darin überein, dass nicht nur die formale Bezeichnung, sondern auch die tatsächliche Verwendung des Erzeugnisses geprüft werden müsse. Für die Entscheidung, ob diese Voraussetzung erfüllt sei, komme es auf das Verhalten des Importeurs an. Beide Regierungen analysieren das Verhalten von Bene Factum und vertreten die Ansicht, dass die Erzeugnisse nicht von der Steuer befreit werden dürften.

29.      Die tschechische Regierung führt insbesondere aus, Bene Factum sei nicht mit anderen Herstellern von Kosmetikerzeugnissen, sondern mit den Herstellern von alkoholischen Getränken in Wettbewerb getreten. Indem das Unternehmen auf diese Weise eine Befreiung von der Verbrauchsteuer erzielt habe, sei gegen das allgemeine Ziel der Sicherstellung des freien Wettbewerbs, wonach Erzeugnisse derselben Art in derselben Höhe besteuert werden müssten, verstoßen worden.

30.      Nach Auffassung der litauischen Regierung kann Bene Factum angesichts der tatsächlichen Zweckbestimmung des Kosmetikerzeugnisses keine Steuerbefreiung in Anspruch nehmen. Die gegenseitige Anerkennung verlange zwar, dass die Steuerbefreiung in einem anderen Mitgliedstaat als dem, der sie gewährt habe, anerkannt werde, stehe jedoch nicht der Feststellung entgegen, dass ein formal gesehen nicht für den menschlichen Genuss bestimmtes Erzeugnis tatsächlich für den menschlichen Genuss verwendet werde und dass es sich um Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch handele.

31.      Zu diesem Zweck analysiert die litauische Regierung die Handlungen von Bene Factum und die Anhaltspunkte dafür, dass die streitigen Erzeugnisse beim Inverkehrbringen auf dem litauischen Markt als alkoholische Getränke für den menschlichen Genuss bestimmt waren.

32.      Für die portugiesische Regierung sind wesentliche Faktoren die Verwendung von denaturiertem Alkohol im vermarkteten Erzeugnis und die Bestimmung zu einem anderen Zweck als dem menschlichen Genuss. Daher müsse die Steuerbefreiung gewährt werden, obwohl bestimmte Personen das Erzeugnis als alkoholisches Getränk einnähmen, da diese Personen gewusst hätten oder hätten wissen müssen, dass es sich bei den von ihnen gekauften und konsumierten Erzeugnissen um Kosmetik- oder Körperpflegeerzeugnisse handele.

33.      Die Kommission prüft die beiden in Art. 27 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/83 aufgestellten Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung und zieht das Urteil des Gerichtshofs vom 7. Dezember 2000, Italien/Kommission(13), heran, demzufolge die Steuerbefreiung zu gewähren ist, obwohl die „tatsächliche Zweckbestimmung [des Erzeugnisses] nicht mit der ihm vom Marktteilnehmer gegebenen Bezeichnung übereinstimmt“.

34.      In Rn. 50 dieses Urteils werde jedoch darauf hingewiesen, dass „[b]ei den von Artikel 27 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 92/83 erfassten Erzeugnissen … die Steuerbefreiung die Regel und ihre Versagung die Ausnahme“ sei. Die den Mitgliedstaaten in Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 eingeräumte Befugnis, die Bedingungen „zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung solcher Steuerbefreiungen sowie zur Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch“ festzulegen, könne nicht die Unbedingtheit der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiungsverpflichtung in Frage stellen.

35.      Nach Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 92/83 könnten die Mitgliedstaaten eine Befreiung versagen oder eine bereits gewährte Befreiung zurückziehen, wenn diese zu Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch führe. Diese Maßnahmen unterlägen jedoch der Kontrolle anderer Mitgliedstaaten und der Kommission. Im Mai 2016 habe Litauen im Zusammenhang mit Erzeugnissen wie den hier in Rede stehenden das in der Vorschrift vorgesehene Verfahren eingeleitet, der Verbrauchsteuerausschuss habe jedoch entschieden, die Sache nicht zur Entscheidung vorzulegen.

36.      Die Kommission ist daher der Auffassung, dass unter den hier vorliegenden Umständen eine Steuerbefreiung nicht abgelehnt werden dürfe, wenn die Bedingungen des Art. 27 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/83 erfüllt seien, es sei denn, es läge ein Fall von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch vor, der nach dem Verfahren des Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie anerkannt worden sei.

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof

37.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 26. September 2017 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

38.      Bene Factum, die tschechische, die griechische, die portugiesische und die litauische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Nur die litauische Regierung und die Kommission haben an der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2018 teilgenommen.

V.      Würdigung

39.      Der Schwerpunkt der ersten Vorlagefrage liegt auf der Bedeutung des Ausdrucks „nicht für den menschlichen Genuss bestimmten Erzeugnisses“ in Art. 27 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/83. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob in objektiver und allgemeiner Hinsicht eine Befreiung von der in der Richtlinie geregelten harmonisierten Verbrauchsteuer versagt werden kann, wenn ein kosmetisches Erzeugnis, das denaturierten Alkohol enthält und grundsätzlich nicht für den menschlichen Genuss bestimmt ist, tatsächlich als alkoholisches Getränk eingenommen wird.

40.      Mit der zweiten Vorlagefrage wird die erste Vorlagefrage konkretisiert, indem als subjektives Element die Absicht des Unternehmens, das das Erzeugnis herstellt und vermarktet und es auf eine Weise präsentiert, die einen Genuss als alkoholisches Getränk begünstigt, hinzugefügt wird.

41.      Ich erinnere im Folgenden an den Sachverhalt und die rechtliche Würdigung des vorlegenden Gerichts:

–        Bene Factum verkaufte ihre Erzeugnisse in Litauen, nachdem sie von einem polnischen Unternehmen in ihrem Auftrag und nach ihren Anweisungen, zu denen es gehörte, gemäß den polnischen Rechtsvorschriften denaturalisierten Alkohol zu verwenden(14), hergestellt worden waren. Die Erzeugnisse wurden in Polen, wo die Steuerbefreiung gewährt wurde, in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt und anschließend nach Litauen transportiert, um sie dort, ohne dass Verbrauchsteuer gezahlt worden wäre, zu vermarkten.

–        Die in Litauen verkauften Erzeugnisse wurden von bestimmten Verbrauchern eingenommen, um sich zu geringen Kosten zu berauschen(15). Bene Factum war sich dessen nicht nur bewusst, sondern begünstigte es(16).

42.      Bei den zwei Vorlagefragen geht es jedoch nicht um Probleme im Zusammenhang mit der Befugnis der Mitgliedstaaten zur Rücknahme bereits gewährter Verbrauchsteuerbefreiungen, wenn „Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch“ festgestellt wird. Das vorlegende Gericht hebt ausdrücklich hervor, dass die Steuerinspektion die Steuerbefreiung nicht unter Berufung auf diese Vorschrift abgelehnt habe und daher auch nicht um deren Auslegung ersucht werde(17). Ich bin jedoch der Auffassung, dass einer Bezugnahme auf die Vorschrift in der Beantwortung der Vorlagefrage nichts entgegensteht(18).

A.      Alkohol als verbrauchsteuerpflichtiges Erzeugnis

43.      Nach Art. 2 der Richtlinie 2008/118 wird Alkohol verbrauchsteuerpflichtig mit seiner Herstellung oder seiner Einfuhr. Der Verbrauchssteueranspruch und damit die Verpflichtung zur Entrichtung der Steuer entsteht jedoch nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 zum Zeitpunkt der „Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr“(19).

44.      Da Verbrauchsteuern auf den Verbrauch der verbrauchsteuerpflichtigen Erzeugnisse erhoben werden (neunter Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118), wird die Verbrauchsteuer auf Alkohol logischerweise auf Alkohol erhoben, der zur Verwendung in alkoholhaltigen Getränken bestimmt ist.

45.      Aus diesem Grund und im Umkehrschluss sieht die Richtlinie 92/83 (Art. 27 Abs. 1) eine Reihe von Steuerbefreiungen für Alkohol vor, der nicht zum Genuss als Getränk bestimmt ist. Zu diesen Ausnahmen gehört die Verwendung von denaturiertem Alkohol.

46.      Dieser Art. 27 Abs. 1 sieht zwei Fälle der Steuerbefreiung vor:

–      Vollständig denaturierter Alkohol (Abs. 1 Buchst. a) mit entsprechender vollständiger Veränderung von Geruch, Geschmack und Farbe. Wenn die Erzeugnisse in Form von Alkohol zum Vertrieb kommen, der durch die Zugabe bestimmter Substanzen vollständig denaturiert wurde, müssen diese Substanzen durch die Vorschriften eines Mitgliedstaats genehmigt worden sein. Es handelt sich um eine grundlegende Umwandlung, die sich nach einer relativen Harmonisierung richtet, da die von den einzelnen Mitgliedstaaten genehmigten Substanzen in der gesamten Europäischen Union anerkannt sind(20).

–      Teilweise denaturierter Alkohol (Abs. 1 Buchst. b). In anderen Fällen ist aus Produktionsgründen die Verwendung von vollständig denaturiertem Alkohol nicht angebracht, und es muss weniger stark denaturierter Alkohol verwendet werden, damit nur der Geruch oder der Geschmack betroffen sind(21). Für diese Fälle ist keine Harmonisierung erfolgt, so dass die einzelnen Mitgliedstaaten die vorgesehenen Denaturierungsmittel in ihren eigenen Rechtsvorschriften regeln.

B.      Zur Steuerbefreiung nach Art. 27 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/83

47.      Diese Steuerbefreiung setzt voraus, dass alle nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind:

–      Der Alkohol wurde nach den Vorschriften eines Mitgliedstaats denaturiert.

–      Der (teilweise denaturierte) Alkohol wurde zur Herstellung eines Erzeugnisses verwendet.

–      Das auf diese Weise hergestellte Erzeugnis ist nicht für den menschlichen Genuss bestimmt.

48.      Die Fassung der Vorschrift deutet auf das Zusammentreffen von Faktoren objektiver Art hin, und diese Auslegung vertritt auch der Gerichtshof:

–      Der Gerichtshof hat festgestellt: „Wurde der in einem nicht für den menschlichen Genuss bestimmten Erzeugnis enthaltene Alkohol … nach einer mitgliedstaatlich genehmigten Methode denaturiert, ist die Steuerbefreiung nach Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe b anzuwenden“(22).

–      Zur Verwendung des Erzeugnisses hat der Gerichtshof ausgeführt, dass „es gegen die Richtlinie 92/83 [verstieße], ein Erzeugnis, das die Bedingungen gemäß Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe b dieser Richtlinie erfüllt, nur deshalb nicht von der Steuer zu befreien, weil festgestellt wurde, dass seine tatsächliche Zweckbestimmung nicht mit der ihm vom Marktteilnehmer gegebenen Bezeichnung übereinstimmt“(23).

49.      Die Erwägungsgründe 1 bis 3 der Richtlinie 92/83 beziehen sich auf verbrauchsteuerpflichtige Waren und weisen darauf hin, dass für alle diese Erzeugnisse gemeinsame Definitionen festgelegt werden sollten. Der 4. Erwägungsgrund lautet: „Zweckmäßigerweise stützen sich diese Definitionen auf die am Tage der Annahme dieser Richtlinie geltende Fassung der Kombinierten Nomenklatur.“ Art. 20 der Richtlinie 92/83 bezieht sich für die Definition von „Ethylalkohol“ auf die KN.

50.      In Übereinstimmung mit diesen Vorgaben ist eine Erinnerung an die Kriterien des Gerichtshofs für die korrekte Einordnung der Erzeugnisse in die KN angebracht.

51.      Im Urteil Sachsenmilch hat der Gerichtshof bestätigt, dass „[n]ach ständiger Rechtsprechung … im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen [ist], wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind“(24). Nach Überzeugung des Gerichtshofs ist ausschlaggebend, ob ein Erzeugnis „ein oder mehrere neue objektive Beschaffenheitsmerkmale, insbesondere in der Zusammensetzung, dem Aussehen und dem Geschmack, erlangt“, wobei es Sache des vorlegenden Gerichts ist, festzustellen, ob diese Bedingungen erfüllt sind(25).

52.      Diese Rechtsprechung, nach der das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wird im Urteil Siebrand(26) angeführt. Dort heißt es:

–        Die Merkmale, die den wesentlichen Charakter bestimmen, können je nach Art der Ware variieren und sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur sein(27).

–        Insbesondere „können zur Ermittlung ihres Charakters mehrere objektive Merkmale und Eigenschaften berücksichtigt werden“, und „[n]ach ständiger Rechtsprechung kann … der Geschmack ein objektives Merkmal und eine objektive Eigenschaft des Erzeugnisses sein“(28).

–        Neben den vorstehenden Faktoren kann der Verwendungszweck des Erzeugnisses „ein objektives Tarifierungskriterium sein …, sofern er der Ware innewohnt; ob Letzteres zutrifft, muss sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware beurteilen lassen“(29).

53.      Aus den genannten Urteilen lässt sich die allgemeine Regel ableiten, dass die Steuerbefreiung gewährt werden muss, wenn die Tatbestandsmerkmale vorliegen, die die Steuerbefreiung objektiv definieren. Danach hätte die von Polen beschlossene Steuerbefreiung Bestand, da die streitigen Erzeugnisse zur Kategorie der kosmetischen Mittel im Sinne der Verordnung Nr. 1223/2009(30) gehören, bei deren Herstellung denaturierter Alkohol verwendet wurde und die als solche nicht für den menschlichen Genuss bestimmt sind.

54.      Diese Eigenschaft wurde sogar von den im Auftrag der Steuerbehörden handelnden Fachleuten des litauischen Zolllabors anerkannt und von der litauischen Staatlichen Steuerinspektion für Nichtlebensmittel bestätigt(31).

55.      Im Übrigen stellt das vorlegende Gericht ausdrücklich fest, dass es „keinen Zweifel daran [hat], dass die besagten Erzeugnisse hauptsächlich (primär) dazu bestimmt sind, als Kosmetik- und Körperhygieneerzeugnisse verwendet zu werden“(32).

C.      Zur innergemeinschaftlichen Beförderung von teilweise denaturierten Alkohol enthaltenden Erzeugnissen und zur Kontrolle der Steuerbefreiung

56.      Ethylalkohol kann in dem Mitgliedstaat, in dem er hergestellt wird, verwendet oder in einen anderen Mitgliedstaat befördert werden, wie es vorliegend der Fall ist (die Ware wurde von Polen nach Litauen befördert).

57.      Dabei kann der denaturierte Alkohol in Reinform oder als Zusatz zu einem bereits hergestellten Erzeugnis transportiert werden. Im vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich um einen Zusatz zu einem bereits hergestellten Erzeugnis, da die Kosmetikerzeugnisse und Mundwasser der Marke BF in Polen mit Alkohol hergestellt wurden, der nach den polnischen Vorschriften denaturiert worden war.

58.      Obwohl die Beförderung der hergestellten Erzeugnisse zu gewerblichen Zwecken nach Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 zu einer Übertragung der Besteuerungsbefugnis von Polen auf Litauen führt, ist die Steuerbefreiung hiervon grundsätzlich nicht betroffen, da nach den litauischen Rechtsvorschriften eine in einem anderen Mitgliedstaat gewährte Steuerbefreiung in Litauen anzuwenden ist(33).

59.      Diese Anerkennung steht im Einklang mit dem Urteil Repertoire Culinaire, in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass „[d]ie einheitliche Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 92/83 [es mit sich] bringt …, dass der Umstand, dass ein Erzeugnis in einem Mitgliedstaat der Verbrauchsteuer unterliegt oder nicht oder von ihr befreit ist, grundsätzlich von den übrigen Mitgliedstaaten anzuerkennen ist. … Eine gegenteilige Auslegung liefe der Verwirklichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels zuwider und wäre geeignet, den freien Warenverkehr zu behindern“(34).

60.      Diese Feststellung muss jedoch relativiert werden, da den in Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 92/83 angeführten Steuerbefreiungsfällen ein einleitender Abschnitt vorangestellt ist, demzufolge bei der Anwendung der Steuerbefreiung „Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch“ vermieden werden sollen(35).

61.      Der Gerichtshof hat diese Grenzen im Urteil Repertoire Culinaire berücksichtigt, als er ausgeführt hat, dass „ein Mitgliedstaat … weder durch die fehlerhafte Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 92/83 durch einen anderen Mitgliedstaat gebunden sein [kann], noch darf ihm die durch den 22. Erwägungsgrund und Art. 27 dieser Richtlinie anerkannte Möglichkeit genommen werden, durch den Erlass von Maßnahmen Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch im Zusammenhang mit Steuerbefreiungen gegebenenfalls zu bekämpfen und deren korrekte und einfache Anwendung sicherzustellen“(36). Allerdings müsse „die Feststellung einer solchen fehlerhaften Anwendung oder der Erlass solcher Maßnahmen auf konkreten, objektiven und nachprüfbaren Anhaltspunkten beruhen“(37).

62.      Entsprechend diesem Grundsatz hat der Gerichtshof festgestellt, dass in einem Fall, in dem bestimmte Erzeugnisse, die nach der Richtlinie 92/83 von der Verbrauchsteuer befreit und im Mitgliedstaat der Herstellung in den steuerrechtlich freien Verkehr gebracht worden sind, „zur Vermarktung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt sind, dieser die Erzeugnisse in seinem Hoheitsgebiet gleichbehandeln muss, es sei denn, konkrete, objektive und nachprüfbare Anhaltspunkte deuten darauf hin, dass … nach Art. 27 Abs. 1 dieser Richtlinie der Erlass von Maßnahmen gerechtfertigt ist, um Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch im Zusammenhang mit Steuerbefreiungen zu verhindern“(38).

63.      Es lässt sich somit feststellen, dass die litauischen Behörden die Befugnis haben, die in Polen gewährte Steuerbefreiung nachträglich zu überprüfen. Es sind jedoch noch die Fragen hinsichtlich der Kriterien und des Verfahrens für diese Überprüfung zu klären. Die angeführte Rechtsprechung enthält keine näheren Hinweise darauf, wann und wie ein Mitgliedstaat die Steuerbefreiung zurücknehmen darf, insbesondere in Fällen, in denen die Erzeugnisse, für die in einem anderen Mitgliedstaat die Steuerbefreiung in Anspruch genommen wird, in den Bestimmungsmitgliedstaat importiert wurden und dieser Staat Gründe für eine Ablehnung der Steuerbefreiung anführt.

D.      Zu den Kriterien, die eine Rücknahme der Steuerbefreiung rechtfertigen

1.      Die „tatsächliche“ Zweckbestimmung des Erzeugnisses

64.      Das vorlegende Gericht betont den Unterschied zwischen der formalen Beschreibung des in Polen hergestellten und anschließend nach Litauen transportierten Erzeugnisses (Kosmetik- oder Körperpflegeerzeugnis) und seinem tatsächlichen Verbrauch als alkoholisches Getränk durch bestimmte Personen in Litauen. Es fragt, ob dies für die Feststellung ausreicht, dass es sich um ein „nicht für den menschlichen Genuss bestimmtes Erzeugnis“ handelt, was zu einer Rücknahme der gewährten Steuerbefreiung führen würde.

65.      Schwierigkeiten bereitet die Prüfung, aus welchen Faktoren die litauische Steuerbehörde (und das deren Entscheidungen überprüfende Gericht) schließen kann, dass die materiellen Aspekte die Grenzen einer bloß formalen Angabe der Zweckbestimmung des Erzeugnisses überschreiten.

66.      Die nationale Behörde muss bei der Beurteilung der Gesamtheit der Elemente, Merkmale und objektiven Eigenschaften für die korrekte Einstufung des Erzeugnisses dessen Zweckbestimmung, d. h. die Bestimmung, die mit seiner Art und seinen Eigenschaften untrennbar zusammenhängt, prüfen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich die polnischen Behörden bei der Einordnung der streitigen Erzeugnisse in die Kategorie der Kosmetikerzeugnisse nicht nach diesem Kriterium gerichtet haben.

67.      Der Gerichtshof scheint im Urteil Repertoire Culinaire(39) anzuerkennen, dass – über die Fälle von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch hinaus – die fehlerhafte Einstufung eines Erzeugnisses durch einen Mitgliedstaat (zum Zweck der fraglichen Steuerbefreiung) von einem anderen Mitgliedstaat korrigiert werden kann(40). Im vorliegenden Fall machen die litauischen Behörden allerdings nicht geltend, dass die polnischen Behörden einen Fehler begangen hätten, als sie die Erzeugnisse von Bene Factum als Kosmetikerzeugnisse und nicht als Lebensmittel einordneten.

68.      Die litauischen Behörden und das vorlegende Gericht selbst erkennen außerdem an, dass die Erzeugnisse hauptsächlich zur Verwendung als Kosmetikerzeugnisse bestimmt seien. Allerdings bestehe die Geschäftsstrategie von Bene Factum darin, sie verbrauchsteuerbefreit mit dem Ziel zu verkaufen, dass eine bestimmte Bevölkerungsgruppe sie als Getränk konsumiere und das Unternehmen so einen Umsatzzuwachs erziele.

69.      Meiner Ansicht nach reicht dieser eher soziologische Faktor nicht aus, um die für die Erzeugnisse in Polen gewährte Steuerbefreiung zurückzuziehen. Dem Urteil Kommission/Italien zufolge „verstieße es gegen die Richtlinie 92/83, ein Erzeugnis, das die Bedingungen gemäß Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe b dieser Richtlinie erfüllt, nur deshalb nicht von der Steuer zu befreien, weil festgestellt wurde, dass seine tatsächliche Zweckbestimmung nicht mit der ihm vom Marktteilnehmer gegebenen Bezeichnung übereinstimmt“(41).

70.      Eine andere Entscheidung würde zu Rechtsunsicherheit bei der innergemeinschaftlichen Beförderung und damit zu Marktverzerrungen führen, da die gleichen Erzeugnisse in einigen Mitgliedstaaten steuerpflichtig und in anderen Mitgliedstaaten steuerbefreit verkauft würden. Eine Prüfung, wann und in welchem Umfang eine Zweckbestimmung von nicht für den menschlichen Genuss bestimmten Erzeugnissen de facto und in der Praxis durch eine Bestimmung für den menschlichen Genuss ersetzt wird, würde von wechselnden, sich nach dem Zeitpunkt und nach den Ländern (oder sogar deren Regionen) richtenden Faktoren abhängen, was der von der Richtlinie 92/83 angestrebten Steuerharmonisierung zuwiderliefe.

2.      Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch

71.      Eine bereits gewährte Steuerbefreiung kann jedoch zurückgezogen werden, wenn „der betreffende Mitgliedstaat … konkrete Anhaltspunkte anführt, die für das Vorliegen einer ernst zu nehmenden Gefahr von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch sprechen“(42), was den Blickpunkt der Debatte auf die Anwendung von Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 92/83 verschiebt.

72.      Ich schließe nicht aus, dass sich das Verhalten von Bene Factum, so wie es vom vorlegenden Gericht beschrieben wird, gegebenenfalls unter eine dieser Kategorien subsumieren lässt(43). Nach der Vorlageentscheidung selbst(44) haben sich die litauischen Behörden bei der Rücknahme der für die Erzeugnisse von Bene Factum gewährten Steuerbefreiung jedoch nicht auf diese Vorschrift berufen. Auch keine der beiden Vorlagefragen bezieht sich auf die Auslegung von Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 92/83.

73.      Wenn dem so sein sollte, was nur das vorlegende Gericht feststellen kann, ist kaum ersichtlich, wie dieser Grund für die Rücknahme der Steuerbefreiung greifen kann. Dies würde, wie bereits ausgeführt, voraussetzen, dass der betreffende Mitgliedstaat diesen Grund geltend macht und „die konkreten, objektiven und nachprüfbaren Anhaltspunkte [anführt], die für das Vorliegen einer ernst zu nehmenden Gefahr von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch sprechen“.

74.      Die nachfolgenden Erwägungen lege ich daher hilfsweise für den Fall dar, dass der Gerichtshof dennoch eine Bezugnahme auf Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 92/83 für angebracht halten sollte, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Beurteilungsgrundlage zu bieten, obwohl es seine Fragen zumindest nicht direkt darauf bezogen hat.

E.      Zum Verfahren für die Rücknahme der Steuerbefreiung aufgrund einer ernst zu nehmenden Gefahr von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch

75.      Aus der Fassung von Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 92/83 folgert die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen, dass eine Steuerbefreiung nur dann aufgrund von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch abzulehnen sei, wenn die Steuerflucht, die Steuerhinterziehung oder der Missbrauch nach dem in Abs. 5 vorgesehenen Verfahren festgestellt worden sei.

76.      Diese Schlussfolgerung ist teils richtig und teils unzutreffend.

77.      Sie ist insoweit richtig, als der in Art. 27 Abs. 5 vorgesehene Mechanismus die Mitgliedstaaten, die eine Steuerbefreiung versagen oder eine bereits gewährte Steuerbefreiung zurückziehen, verpflichtet, das dort vorgesehene Verfahren einzuleiten. Wenn sie die Kommission nicht gemäß Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 92/83 unterrichten, machen sie den Zweck der Vorschrift zunichte und verstoßen gegen ihre Pflicht zur Einhaltung des Unionsrechts.

78.      Die Schlussfolgerung ist jedoch insoweit teilweise unzutreffend, als sie zu verlangen scheint, dass die Entscheidung des Mitgliedstaats auf jeden Fall nach der Entscheidung der Kommission erfolgen muss.

79.      Tatsächlich lässt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht ableiten, dass der Ablehnung (Versagung oder Rücknahme) der Steuerbefreiung ein Verfahren unter Beteiligung der Kommission vorhergehen muss. Im Gegenteil, diese Vorschrift verleiht den Mitgliedstaaten die Befugnis, selbst sicherzustellen, dass die Steuerbefreiungen korrekt angewandt werden, und Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch zu verhindern(45).

80.      Dem Aufbau von Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 92/83 lässt sich entnehmen, dass das Verfahren wie folgt abläuft:

–        Das Verfahren wird dadurch eingeleitet, dass der Mitgliedstaat einen Bescheid über die Versagung der Steuerbefreiung oder die Rücknahme einer bereits gewährten Befreiung erlässt.

–        Anschließend setzt dieser Mitgliedstaat „die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis“, und die Kommission „leitet die Mitteilung binnen eines Monats nach Eingang an die anderen Mitgliedstaaten weiter“.

–        Schließlich wird eine endgültige Entscheidung nach dem genannten Verfahren (Art. 24 der Richtlinie 92/12/EWG) getroffen(46).

81.      Das Urteil Italien/Kommission verweist auf die Kontrolle, die die anderen Mitgliedstaaten und die Gemeinschaftsorgane über die von anderen Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch „einseitig erlassenen“ Maßnahmen (gegen Steuerbefreiungen) ausüben. Diese Kontrolle erfolgt logischerweise, nachdem die Maßnahme, die, wie betont werden muss, einseitigen Charakter hat, vom betroffenen Mitgliedstaat erlassen wurde(47).

82.      Der letzte Satz von Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 92/83 bestätigt diese Auffassung, indem er festlegt, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, die endgültige Entscheidung der Kommission rückwirkend anzuwenden. Mit anderen Worten nimmt die Entscheidung der Kommission, die zuvor die Stellungnahme des Verbrauchsteuerausschusses eingeholt hat, für sich genommen dem vorhergehenden einseitigen Bescheid des Mitgliedstaats nicht seine Wirksamkeit(48).

83.      Die Kommission hat ihren Standpunkt in der mündlichen Verhandlung allerdings relativiert. Obwohl der Mitgliedstaat zur Einleitung des Verfahrens nach Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 92/83 verpflichtet sei, seien die Behörden dieses Staates zur einseitigen Rücknahme der Steuerbefreiung befugt, wenn sie Steuerhinterziehung oder Missbrauch feststellten. Der entsprechende Bescheid habe sofortige Wirkung, bis die Kommission ihre endgültige Entscheidung erlasse.

84.      Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung außerdem zusätzliche Informationen zu dem 2016 von Litauen eingeleiteten Verfahren vorgelegt(49). Die Mitteilung habe sich zwar auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse bezogen, ihr Umfang sei tatsächlich aber noch weitreichender gewesen, da sie auch das Verfahren der teilweisen Denaturierung in Frage gestellt habe. Deshalb sei das Verfahren noch nicht abgeschlossen worden(50).

85.      Nach diesen Erläuterungen ist von Folgendem auszugehen:

–      Die litauischen Behörden haben, wenn auch mit einer gewissen Verzögerung, das Verfahren nach Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 92/83 eingeleitet, so dass ihre Nichtanerkennung der bereits gewährten Steuerbefreiung grundsätzlich wirksam ist.

–      Die litauischen Behörden sind für die Zukunft(51) an die Entscheidung, die die Kommission am Ende dieses Verfahrens erlässt, gebunden, sofern sie diese nicht, weil sie ihre Interessen beeinträchtigt, vor dem Gerichtshof anfechten(52) und dieser die Entscheidung aufhebt.

86.      Aus dem Blickwinkel des Unionsrechts kann das vorlegende Gericht somit auf der Grundlage der nur von ihm festzustellenden Umstände des konkreten Falls prüfen, ob die Steuerbefreiung aufgrund von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch bei der Vermarktung der streitigen Erzeugnisse in Litauen zurückzuziehen war.

VI.    Ergebnis

87.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Litauen) wie folgt zu beantworten:

1.      Die Steuerbefreiung nach Art. 27 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/83/EWG vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke gilt für Kosmetikerzeugnisse, die denaturierten Ethylalkohol enthalten und nach ihrem hauptsächlichen (unmittelbaren) Verwendungszweck nicht für den menschlichen Genuss bestimmt sind, und zwar unabhängig davon, ob bestimmte Personen sie als alkoholische Getränke konsumieren.

2.      Dies ist auch dann der Fall, wenn der Importeur oder Vermarkter der Erzeugnisse in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Erzeugnisse hergestellt werden und deren Behörden die Steuerbefreiung gewähren, weiß, dass die Erzeugnisse von bestimmten Personen im Bestimmungsland als alkoholische Getränke konsumiert werden, und die Herstellung und Etikettierung unter Berücksichtigung dieses Umstands mit dem Ziel in Auftrag gibt, möglichst viele davon abzusetzen.

3.      Wenn die litauischen Behörden der Überzeugung sind, dass vor diesem Hintergrund eine Steuerflucht, eine Steuerhinterziehung oder ein Missbrauch vorliegt, können sie unter Einhaltung des in Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 92/83 vorgesehenen Verfahrens eine Steuerbefreiung versagen oder eine bereits gewährte Befreiung zurückziehen.


1      Originalsprache: Spanisch.


2      Richtlinie des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. 1992, L 316, S. 21).


3      Richtlinie des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12).


4      Gesetz Nr. XI 722 vom 1. April 2010.


5      Vorschriften zur Durchführung von Art. 27 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke in Litauen, Beschluss Nr. 902 der Regierung der Republik Litauen vom 13. Juni 2002.


6      Vorlageentscheidung, Rn. 12.


7      Ebd., Rn. 13 und 14.


8      Ebd., Rn. 27.


9      Ebd., Rn. 28.


10      Im Rahmen dieser Schlussanträge ist „konsumieren“ als „einnehmen“ zu verstehen.


11      Die Kombinierte Nomenklatur (im Folgenden: KN) ist in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) enthalten.


12      Es wird die Empfehlung ITEG/R/3/2014 der Projektgruppe Fiscalis (FPG/013) zitiert.


13      Rechtssache C‑482/98, EU:C:2000:672, Rn. 42.


14      Hierfür wurde Isopropylalkohol verwendet, bei dem es sich nach den Erklärungen der Parteien um eines der weniger toxischen Denaturierungsmittel handelt.


15      Die Vorlageentscheidung nennt u. a. Alkoholabhängige und Arme.


16      Das vorlegende Gericht stützt sich insoweit u. a. auf folgende Tatsachen: a) Auf der Etikettierung wurde der Alkoholgehalt in Prozent angegeben, was bei Kosmetikerzeugnissen irrelevant und unüblich ist; b) es wurden Aromen und Geschmacksstoffe hinzugegeben; c) die Denaturierung erfolgte nicht nach den in Litauen anerkannten Verfahren; und d) der Verkaufspreis war besonders niedrig.


17      Rn. 30 der Vorlageentscheidung.


18      „[Der Gerichtshof ist] dadurch nicht gehindert …, diesem Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei dieser Fragestellung darauf Bezug genommen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Mai 2017, Chavez-Vilchez u. a., C‑133/15, EU:C:2017:354, Rn. 48, sowie vom 14. November 2017, Lounes, C‑165/16, EU:C:2017:862, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung)“, Urteil vom 5. Juni 2018, Coman u. a. (C‑673/16, EU:C:2018:385, Rn. 22).


19      Die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr steht in Verbindung mit dem „Verfahren der Steueraussetzung“, d. h. dem in der Richtlinie 2008/118 vorgesehenen Verfahren zur Verzögerung der Entstehung des Steueranspruchs und zur Aufschiebung der Besteuerung. Der Begriff der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr wird in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 anhand der vier Fälle definiert, die das Verfahren der Steueraussetzung vorsieht.


20      Diese Substanzen sind in der Verordnung (EG) Nr. 3199/93 der Kommission vom 22. November 1993 über die gegenseitige Anerkennung der Verfahren zur vollständigen Denaturierung von Alkohol für Zwecke der Verbrauchsteuerbefreiung (ABl. 1993, L 288, S. 12) aufgelistet.


21      Die Denaturierungsmittel, die bei der vollständigen Denaturierung eingesetzt werden, sind meist aufgrund ihres Geruchs oder ihres Geschmacks sehr aggressiv und ungeeignet für Erzeugnisse, die, wie z. B. Kosmetikerzeugnisse oder Mundwasser, auf den Körper aufgetragen werden.


22      Urteil vom 7. Dezember 2000, Italien/Kommission (C‑482/98, EU:C:2000:672, Rn. 41).


23      Ebd., Rn. 42.


24      Urteil vom 8. Juni 2006, Sachsenmilch (C‑196/05, EU:C:2006:383, Rn. 22). In dieser Rechtssache ging es um die Veränderungen eines Käses während seiner Lagerung.


25      Ebd., Tenor.


26      Urteil vom 7. Mai 2009 (C‑150/08, EU:C:2009:294, Rn. 24). In jener Rechtssache ging es um Getränke auf Basis von gegorenem Alkohol, die mehrere Stoffe enthielten, und es war zu klären, welcher Stoff ihnen ihren wesentlichen Charakter verlieh.


27      Das Urteil nennt „Art und Beschaffenheit des Stoffes oder der Bestandteile, aus seinem Umfang, seiner Menge, seinem Gewicht, seinem Wert oder aus der Bedeutung des Stoffes in Bezug auf die Verwendung der Ware“ (Rn. 34).


28      Ebd., Rn. 35 und 36.


29      Ebd., Rn. 38.


30      Verordnung (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. 2009, L 342, S. 59).


31      Nach den schriftlichen Erklärungen von Bene Factum (Rn. 10 bis 12) wurden die Erzeugnisse in den Berichten der von den litauischen Behörden bestellten amtlichen Zollsachverständigen in Kapitel 33 Unterpositionen 33 04 99 00 (Zubereitete Schönheitsmittel oder Erzeugnisse zum Schminken und Zubereitungen zur Hautpflege) und 33 06 90 00 (Zubereitete Zahn- und Mundpflegemittel) der KN eingestuft.


32      Vorlageentscheidung, Rn. 27.


33      Nr. 3.3 der Vorschriften zur Durchführung von Art. 27 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/83 in Litauen.


34      Urteil vom 9. Dezember 2010 (C‑163/09, EU:C:2010:752, Rn. 41 und 42).


35      Die Vorschrift spiegelt somit den Inhalt des 22. Erwägungsgrunds wider, d. h. die Vorgabe, dass den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit genommen werden darf, „Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch im Zusammenhang mit Steuerbefreiungen gegebenenfalls zu bekämpfen“.


36      Urteil vom 9. Dezember 2010 (C‑163/09, EU:C:2010:752, Rn. 43). Die spanische Sprachfassung des Urteils verweist auf den 27. Erwägungsgrund, obwohl es sich, wie in anderen Sprachfassungen richtig angeführt, um den 22. Erwägungsgrund handelt.


37      Ebd., Rn. 44.


38      Ebd., Rn. 45 und Tenor.


39      Urteil vom 9. Dezember 2010 (C‑163/09, EU:C:2010:752, Rn. 43).


40      Logischerweise unter Durchführung des komplexen Verfahrens, auf das ich mich nachstehend beziehen werde.


41      Urteil vom 7. Dezember 2000, Italien/Kommission (C‑482/98, EU:C:2000:672, Rn. 42, Hervorhebung nur hier).


42      Ebd., Rn. 52. Auch nach dem Urteil vom 9. Dezember 2010, Repertoire Culinaire (C‑163/09, EU:C:2010:752, Rn. 52), obliegt es dem betreffenden Mitgliedstaat „die konkreten, objektiven und nachprüfbaren Anhaltspunkte anzuführen, die für das Vorliegen einer ernst zu nehmenden Gefahr von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch sprechen“.


43      Theoretisch ließe sich geltend machen, dass das Gesetz umgangen werde, wenn ein Unternehmen eine Gesetzesvorschrift in Anspruch nimmt, die die Befreiung von nicht zum menschlichen Genuss bestimmten Erzeugnissen von der Verbrauchsteuer regelt, und dabei tatsächlich das gegenteilige Ergebnis, nämlich dass dieses Erzeugnis als alkoholisches Getränk konsumiert wird, verfolgt, begünstigt oder fördert.


44      Rn. 30.


45      Dies wird durch den 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 92/83 bestätigt, nach dem den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit genommen werden darf, Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch zu bekämpfen.


46      Richtlinie vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. 1992, L 76, S. 1). Der Verweis ist heute als Verweis auf die Art. 43 und 44 der Richtlinie 2008/118, die die Richtlinie 92/12/EWG ersetzt hat, zu verstehen.


47      Urteil vom 7. Dezember 2000, Italien/Kommission (C‑482/98, EU:C:2000:672, Rn. 51).


48      Seine Wirksamkeit hängt aus dem Blickwinkel des innerstaatlichen Rechts von den nationalen Vorschriften ab, nach denen sich die Kontrolle des Verwaltungshandelns richtet.


49      Vgl. Nr. 35 der vorliegenden Schlussanträge.


50      Der Wortlaut der Mitteilung habe dazu geführt, dass der Verbrauchsteuerausschuss, der zur Entscheidung über die Harmonisierung der Verfahren zur teilweisen Denaturierung nicht befugt sei, keine Entscheidung getroffen habe. Das Verfahren sei jedoch noch nicht abgeschlossen. Bei der nächsten Sitzung des Verbrauchsteuerausschusses im November 2018 werde vorgeschlagen, dass Litauen seinen Antrag konkretisiere, damit er für diese spezifischen Erzeugnisse relevant sei, ohne die Denaturierungsverfahren als solche in Frage zu stellen.


51      Dies gilt unabhängig davon, ob die Vorschriften zur Regelung des nationalen Verwaltungsverfahrens eine Rückwirkung der Entscheidung der Kommission vorsehen.


52      Wie in der Rechtssache Kommission/Italien (Urteil vom 7. Dezember 2000, C‑482/98, EU:C:2000:672).