Language of document : ECLI:EU:C:2012:249

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 26. April 2012(1)

Rechtssache C‑33/11

A Oy

(Vorabentscheidungsersuchen des Korkein hallinto-oikeus [Finnland])

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Befreiung nach Art. 15 Abs. 6 – Begriff der Luftfahrzeuge, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind – Lieferung von Luftfahrzeugen an Wirtschaftsteilnehmer, die nicht selbst im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, aber ein Luftfahrzeug einer Luftfahrtgesellschaft zur Nutzung überlassen – Luftfahrtgesellschaft, die im Charterflugverkehr tätig ist“






I –    Einleitung

1.        Der Korkein hallinto-oikeus (Oberster Verwaltungsgerichtshof Finnlands) legt dem Gerichtshof drei Fragen zur Auslegung der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie(2) im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuerbefreiung für Lieferungen von Luftfahrzeugen, „die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“, zur Vorabentscheidung vor.

2.        Die Auslegungszweifel des nationalen Gerichts beruhen im Wesentlichen auf drei tatsächlichen Umständen: Erstens handelt es sich bei der Gesellschaft, die die Flugzeuge erworben hat, zwar nicht um eine Luftfahrtgesellschaft im Sinne der streitigen Bestimmung, aber sie hat sie einer anderen Gesellschaft aufgrund eines Mietvertrags zur Nutzung überlassen, auf die diese Voraussetzung zutrifft, zweitens handelt es sich bei der fraglichen Luftfahrtgesellschaft um eine Charterfluggesellschaft, und schließlich besteht ein etwas komplexes Geflecht zwischen der natürlichen Person, die die Anteile der Eigentümerin des Flugzeugs hält, dieser selbst und der Luftfahrtgesellschaft.

3.        Die Anwendbarkeit der Befreiung nach Art. 15 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie ist unter den genannten Umständen eine Frage, mit der die Rechtsprechung noch nicht befasst war und die in Anbetracht des offenbar hohen Anteils von Mietflugzeugflotten im europäischen Luftfahrtsektor von beträchtlicher wirtschaftlicher Bedeutung ist. Nach den von der Klägerin vorgelegten Informationen sieht eine bedeutende Anzahl von Mitgliedstaaten in Fällen wie dem vorliegenden einen Anspruch auf die Befreiung vor, doch ist diese Frage alles andere als unumstritten. So hat sich die Kommission gegen eine solche weite Auslegung des Anwendungsbereichs der Befreiung ausgesprochen.

4.        Zudem möchte ich darauf hinweisen, dass die Umstände des vorliegenden Falls besonders komplex sind. Die verschiedenen vertraglichen und gesellschaftsrechtlichen Beziehungen, die den Erwerb und die Nutzung der Flugzeuge umgeben, könnten unter Umständen auf Betrug hinweisen, doch ist bereits an dieser Stelle festzuhalten, dass es allein Sache des nationalen Gerichts ist, diese tatsächlichen Umstände zu beurteilen.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Das Recht der Union: die Sechste Richtlinie

5.        Für die vorliegende Rechtssache sind die Bestimmungen der Sechsten Richtlinie maßgebend. Nach Art. 2 Abs. 1 unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt.

6.        Art. 15 der Sechsten Richtlinie lautet auszugsweise:

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

(6)      Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen von Luftfahrzeugen, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, sowie Lieferungen, Vermietungen, Instandsetzungen und Wartungen der in diese Luftfahrzeuge eingebauten Gegenstände oder der Gegenstände für ihren Betrieb.

…“

B –    Nationales Recht

7.        Die Sechste Richtlinie wurde in Finnland durch das Arvonlisäverolaki (Mehrwertsteuergesetz vom 20. Dezember 1993, im Folgenden: AVL) umgesetzt, dessen einschlägige Vorschriften in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung im Folgenden wiedergegeben werden.

8.        Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AVL ist an den Staat Mehrwertsteuer auf den in Finnland erfolgenden innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen im Sinne des § 26a zu entrichten. Nach § 2b AVL ist derjenige zur Entrichtung der Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 verpflichtet, der den Erwerb getätigt hat.

9.        Das 6. Kapitel des AVL (§§ 70 bis 72n) betrifft Steuerbefreiungen im Zusammenhang mit dem internationalen Handel. Nach § 70 Abs. 1 Nr. 6 AVL wird auf den Verkauf von Luftfahrzeugen, ihrer Ersatzteile und Ausrüstungsgegenstände zur Verwendung durch einen Gewerbetreibenden, der hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig ist, keine Steuer erhoben.

10.      § 72f Nr. 1 AVL bestimmt, dass auf den innergemeinschaftlichen Erwerb eines Gegenstands keine Steuer zu entrichten ist, wenn auf die Einfuhr des Gegenstands keine Steuer zu entrichten wäre. Nach § 94 Abs. 1 Nr. 9 AVL ist die Einfuhr von Wasserfahrzeugen im Sinne des § 58 Abs. 1 und von Luftfahrzeugen, Ersatzteilen und Ausrüstungsgegenständen im Sinne des § 70 Abs. 1 Nr. 6 AVL von der Steuer befreit.

III – Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11.      In den Jahren 2002 bzw. 2004 erwarb die finnische Gesellschaft A Oy bei ein und demselben französischen Hersteller zwei Strahlflugzeuge. A Oy wurde als Eigentümer der Flugzeuge eingetragen und die B Oy, die einen internationalen Charterflugverkehr betreibt, als ihr Nutzer angegeben. Das Kapital der A Oy wird vollständig von der natürlichen Person X gehalten. Die A Oy hält wiederum 25 % der Anteile an der C Oy, und die B Oy ist eine 78-prozentige Tochtergesellschaft der C Oy.

12.      Der französische Verkäufer der Flugzeuge meldete beide Umsätze als innergemeinschaftlichen Verkauf an. Die A Oy meldete den Erwerb der Flugzeuge in Finnland nicht als innergemeinschaftlichen Erwerb an. 2003 bzw. 2005 verkaufte die A Oy die Flugzeuge an ein in Zypern registriertes Unternehmen zu einem Preis, der unter dem Kaufpreis lag.

13.      Die B Oy war auf der Grundlage eines Vertrags mit der A Oy berechtigt, von dieser die Flugzeuge für ihre eigenen geschäftlichen Zwecke zu mieten, und stellte ihr die Wartung der Flugzeuge und Flüge in Rechnung(3). 

14.      Der gesamte Umsatz der A Oy im Bilanzzeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2002 und im Bilanzzeitraum 1. Januar 2003 bis 30. Juni 2004 ergab sich aus den Verkaufsbuchungen, die auf der Grundlage der an X gestellten Verkaufsrechnungen vorgenommen worden waren, abgesehen von einer Rechnung an das zyprische Unternehmen, das die Flugzeuge gekauft hatte. Die X, dem Eigentümer der A Oy, erteilten Rechnungen beruhten auf den Rechnungen der B Oy an die A Oy für die Benutzung der Flugzeuge. Die mit den Flugzeugen zusammenhängenden Ausgabenbuchungen betrafen hauptsächlich die Rechnungen der B Oy für die Wartung der Flugzeuge und für Flüge. Bei der Steuerprüfung wurde festgestellt, dass die Rechnungen an X weitgehend unverändert weitergegeben worden waren.

15.      Am 4. November 2005 erließ das zuständige Finanzamt zwei Nacherhebungsbescheide bezüglich der von der A Oy auf den innergemeinschaftlichen Erwerb der Flugzeuge zu entrichtenden Mehrwertsteuer. Zugleich wurde festgestellt, dass die A Oy keinen Anspruch auf Abzug oder Erstattung dieser Mehrwertsteuer habe.

16.      Mit Beschluss vom 26. Mai 2008 wies das Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki) die Beschwerde der A Oy zurück. Nach Ansicht des Gerichts handelte es sich bei dem Erwerb der Flugzeuge um einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen durch die A Oy, den diese nicht angegeben habe, und die A Oy sei nicht im internationalen Flugverkehr im Sinne des § 70 Abs. 1 Nr. 6 AVL tätig gewesen, sondern habe praktisch als Eigentümerin der C Oy gehandelt, die im internationalen Handel mit Mineralölerzeugnissen tätig sei. Aus einer Erklärung der B Oy ergebe sich, dass die Flugzeuge auch von dieser Gesellschaft nicht im Sinne des § 70 Abs. 1 Nr. 6 AVL im internationalen Flugverkehr verwendet worden seien. Die zwischen beiden Gesellschaften getroffene Regelung habe lediglich dazu gedient, Beförderungen von X für dessen persönlichen Bedarf sicherzustellen. Daher habe die A Oy keinen Anspruch auf Abzug oder Erstattung der auf den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen zu entrichtenden Mehrwertsteuer.

17.      A Oy hat diese Entscheidung beim Korkein hallinto-oikeus angefochten und vorgebracht, sie sei nicht verpflichtet, die auf den Erwerb der Flugzeuge entfallende Mehrwertsteuer zu entrichten, da sie von einer Luftfahrtgesellschaft, der B Oy, verwendet worden seien, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sei. Den finnischen Steuerbehörden zufolge sei dieser Umstand jedoch irrelevant, denn Erwerberin der Flugzeuge sei A Oy gewesen.

18.      Da er Zweifel an der Auslegung des in Art. 15 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie verwendeten Begriffs der „Luftfahrzeuge, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind,“ sowie daran hat, ob diese Bestimmung einer Mehrwertsteuerbefreiung zugunsten eines Käufers von Flugzeugen, die er nicht selbst im internationalen Verkehr nutzt, entgegensteht, hat der Korkein hallinto-oikeus das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass unter „Luftfahrtgesellschaften, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind,“ auch Geschäftsfluggesellschaften fallen, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Charterflugverkehr für den Bedarf von Unternehmen und Privatpersonen tätig sind?

2.      Ist Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Befreiung nur für Lieferungen von Luftfahrzeugen gilt, die unmittelbar an Luftfahrtgesellschaften, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, bewirkt werden, oder gilt diese Befreiung auch für die Lieferung von Luftfahrzeugen an Wirtschaftsteilnehmer, die nicht selbst im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, aber ein Luftfahrzeug einem in diesem Bereich tätigen Wirtschaftsteilnehmer zur Nutzung überlassen?

3.      Ist es für die Beantwortung der zweiten Frage von Bedeutung, dass die Eigentümerin der Luftfahrzeuge die Rechnung für die Benutzung der Luftfahrzeuge an eine Privatperson weitergibt, die Anteilseigner der Eigentümerin ist und die erworbenen Luftfahrzeuge hauptsächlich für ihre eigenen geschäftlichen und/oder privaten Zwecke nutzt, wenn man berücksichtigt, dass die Fluggesellschaft die Luftfahrzeuge auch für andere Flüge einsetzen konnte?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

19.      Der Vorlagebeschluss ist am 21. Januar 2011 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofs eingetragen worden.

20.      A Oy, Finnland und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

21.      In der Sitzung vom 8. Februar 2012 haben der Vertreter von A Oy, der Kommission und der Republik Finnland mündliche Ausführungen gemacht.

V –    Untersuchung der Vorlagefragen

22.      Aus systematischen Gründen ziehe ich es vor, die erste Vorlagefrage zuletzt zu beantworten.

A –    Zweite Vorlagefrage

23.      Mit der zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Art. 15 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Befreiung nur für Lieferungen von Luftfahrzeugen gilt, die unmittelbar an Luftfahrtgesellschaften, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, bewirkt werden, oder auch gilt, wenn die Lieferung an Wirtschaftsteilnehmer erfolgt, die nicht selbst in diesem Verkehr tätig sind, aber ein Luftfahrzeug einer dort tätigen Luftfahrtgesellschaft zur Nutzung überlassen.

24.      Eine erste Untersuchung des Wortlauts der in Rede stehenden Vorschrift ermöglicht es nicht, diese Frage vollständig zu beantworten, denn während im größeren Teil der Sprachfassungen der Sechsten Richtlinie die Befreiung ausdrücklich auf das Kriterium der „Verwendung“ des Luftfahrzeugs durch eine Luftfahrtgesellschaft, die im internationalen Verkehr tätig ist(4), abstellt, bezieht sich die finnische Fassung auf die Lieferung an Luftfahrtgesellschaften, ohne das genannte Kriterium zu verwenden, so dass sie die Annahme zulässt, dass die Befreiung subjektiven Charakter hat und ausschließlich Anwendung findet, wenn eine Luftfahrtgesellschaft, die im internationalen Verkehr tätig ist, das Flugzeug unmittelbar erwirbt(5). 

25.      Angesichts dieser Divergenz muss die Befreiung nach ständiger Rechtsprechung nach dem allgemeinen Aufbau und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört(6).

26.      Es kann bereits vorausgeschickt werden, dass eine teleologische Auslegung der Bestimmung zu dem Ergebnis führt, dass die Befreiung stets anzuwenden ist, wenn das Flugzeug von einer Luftfahrtgesellschaft eingesetzt wird, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig ist, egal ob sie es unmittelbar erwirbt oder ob der Erwerb durch einen Wirtschaftsteilnehmer mit dem Ziel erfolgt, es ihr zur Nutzung zu überlassen (1). Die Grundprinzipien, auf denen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht, und insbesondere der Grundsatz der „Wettbewerbsneutralität“, sprechen für diese Schlussfolgerung (2), ohne dass dem die etwas engere Rechtsprechung in den Urteilen vom 26. Juni 1990, Velker International Oil Company(7), und vom 14. September 2006, Elmeka(8), entgegensteht (3).

1.      Die teleologische Auslegung der Befreiung

27.      Bekanntermaßen stellen dem Gerichtshof zufolge die in der Sechsten Richtlinie geregelten Befreiungen autonome Begriffe des Gemeinschaftsrechts dar, die im Gesamtzusammenhang des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu sehen sind. Soweit sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt, sind sie eng auszulegen. Dies bedeutet aber nicht, dass die zur Umschreibung der Befreiungen verwendeten Begriffe so ausgelegt werden müssen, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen. Ihre Auslegung muss in erster Linie mit den Zielen im Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen(9).

28.      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass der Zweck der in Art. 15 der Sechsten Richtlinie „vorgesehenen Befreiungen … darin besteht, bei Ausfuhren, gleichgestellten Umsätzen und grenzüberschreitenden Beförderungen den Grundsatz zu beachten, dass die betreffenden Gegenstände oder Dienstleistungen an ihrem Bestimmungsort besteuert werden“(10).

29.      In Übereinstimmung mit diesem Zweck hat die Rechtsprechung beispielsweise festgestellt, dass die in Art. 15 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie geregelte Befreiung für eine Teilvercharterung von im internationalen Schiffsverkehr eingesetzten Hochseeschiffen gilt (Urteil Navicon, Randnr. 30), nicht aber für die Vermietung eines Schiffes an Mieter, die es als Endverbraucher zu ausschließlich privaten Zwecken nutzen wollen (Urteil Feltgen und Bacino Charter Company, Randnr. 17).

30.      Im konkreten Fall der Steuerbefreiungen, die den internationalen Transport betreffen, ist davon auszugehen, dass es sich um Umsätze handelt, die den Ausfuhrumsätzen gleichgestellt sind, die dieselbe steuerliche Behandlung erfahren, weil der Verbrauch im Ausland zu erwarten ist(11).

31.      Dies bestätigt meiner Ansicht nach, dass mit den Befreiungen nach Art. 15 ein funktioneller Zweck verfolgt wird, der darauf gerichtet ist, die gesamte Kette von Umsätzen im Zusammenhang mit internationalen Transportmitteln bis zum Endverbraucher von der Steuer zu befreien. Dieser funktionelle Charakter ist mit dem subjektiven Element, das die Kommission und die Regierung Finnlands in die Auslegung der Befreiung einfließen lassen wollen, kaum vereinbar.

32.      Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel daran, dass die in Art. 15 Abs. 6 vorgesehene Befreiung auf die Vermietung des Flugzeugs durch A Oy an B Oy Anwendung findet, da es sich bei der Mieterin um eine Luftfahrtgesellschaft handelt, die das Flugzeug der genannten Vorschrift entsprechend nutzen wird. Dieselbe Logik ist daher auch auf den Verkauf des Flugzeugs durch einen Zwischenhändler anzuwenden, dessen steuerliche Befreiung mit der der Vermietung ohne Weiteres vereinbar ist.

2.      Der Grundsatz der „Wettbewerbsneutralität“

33.      Für die Auslegung, die ich für den Umfang der in Rede stehenden Befreiung vorschlage, sprechen auch die Anforderungen des dem allgemeinen Mehrwertsteuersystem innewohnenden Grundsatzes der steuerlichen Neutralität.

34.      Nach ständiger Rechtsprechung beruht das allgemeine Mehrwertsteuersystem insbesondere auf zwei Grundsätzen: „Zum einen wird die Mehrwertsteuer auf jede Dienstleistung und jede Lieferung von Gegenständen erhoben, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt ausführt. Zum anderen lässt es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht zu, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden.“(12) Tatsächlich entsprechen, worauf in der Lehre hingewiesen wurde, diese beiden Gedanken den beiden Aspekten oder Hauptanwendungen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität(13).

35.      Hier ist der zweite Aspekt bzw. die zweite Bedeutung des Grundsatzes von Interesse, der bzw. die nichts anderes als die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Bereich der Mehrwertsteuer darstellt(14). Wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz allgemein bedeutet, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre(15), so verbietet seine Ausprägung im Bereich der Mehrwertsteuer „insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Leistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln“(16). Es handelt sich schlussendlich um eine „Wettbewerbsneutralität“, deren Verletzung „nur zwischen konkurrierenden Wirtschaftsteilnehmern in Betracht gezogen werden kann“, während ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung „im Steuerbereich durch andere Arten der Diskriminierung gekennzeichnet sein [kann], die Wirtschaftsteilnehmer betreffen, die nicht zwangsläufig miteinander konkurrieren, aber sich trotzdem in einer in anderer Beziehung vergleichbaren Situation befinden“(17).

36.      Die „Wettbewerbsneutralität“ ist bei der Auslegung der Mehrwertsteuerbefreiungen zu wahren und zu berücksichtigen. Insbesondere muss vermieden werden, dass bei der Anwendung dieser Befreiungen Lieferungen von Waren bzw. Dienstleistungen, die einander ähnlich sind und daher miteinander konkurrieren, mehrwertsteuerlich ungleich behandelt werden.

37.      Es ist offensichtlich, dass die Gefahr einer solchen Ungleichbehandlung von miteinander konkurrierenden Tätigkeiten in einem Fall wie dem vorliegenden besteht. Eine „subjektive“ Auslegung der Befreiung würde zu einer Begünstigung von Luftfahrtgesellschaften führen, die Flugzeuge unmittelbar kaufen, während Unternehmen, die keine Luftfahrtgesellschaften sind, die im internationalen Verkehr tätig sind, und ein Flugzeug kaufen und es an eine Gesellschaft vermieten, die dieser Tätigkeit nachgeht, benachteiligt würden.

38.      Im Hinblick auf die Feststellung einer Ungleichbehandlung trifft es zwar zu, dass eine Erwerberin, die keine Luftfahrtgesellschaft ist, wenn sie die Befreiung nicht in Anspruch nehmen könnte und die Mehrwertsteuer abführen müsste, durch nichts daran gehindert wäre, später gemäß Art. 28f Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d der Sechsten Richtlinie ihre Erstattung zu verlangen. Ungeachtet einer solchen Erstattung impliziert die Abführung der Mehrwertsteuer jedoch einen Liquiditätsvorschuss, der angesichts des unter Umständen hohen Betrags bedeutende finanzielle Auswirkungen haben kann. Daher ist die Alternative zwischen der Anwendung der Befreiung und der Besteuerung des Umsatzes bei späterer Anerkennung des Erstattungsanspruchs wirtschaftlich nicht gleichgültig; die Ungleichbehandlung kommt in den möglichen Kosten der Finanzierung des Liquiditätsvorschusses zum Ausdruck.

39.      Zum Bestehen einer „Wettbewerbssituation“ zwischen den Vergleichskriterien könnte vorgebracht werden, dass der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da die Ungleichbehandlung im Hinblick auf zwei Gesellschaften (die Eigentümerin des Flugzeugs und die Luftfahrtgesellschaft) erfolge, die nicht derselben Tätigkeit nachgingen und nicht miteinander im Wettbewerb stünden. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass der Eigentümer des Flugzeugs die Finanzierungskosten eines eventuellen Liquiditätsvorschusses, den die Mehrwertsteuer darstellt, abwälzt, indem er die Miete für das Flugzeug erhöht. Dadurch könnten Luftfahrtgesellschaften, die ihre gesamte Flotte oder einen Teil hiervon mieten, gegenüber solchen, die Eigentümerin ihrer Flugzeuge sind, aus rein fiskalischen Gründen, die mit der unterschiedlichen Ausgestaltung und den unterschiedlichen finanziellen Folgen, die die rechtmäßige und freiwillige Wahl zwischen einem Kauf und einer Anmietung nach sich ziehen kann, in keinem Zusammenhang stehen, benachteiligt werden.

40.      Wenn die „Nutzung“ des konkreten Flugzeugs gleichgültig und für die Befreiung einzig und allein die Tätigkeit des erwerbenden Unternehmens entscheidend wäre, es also für die Inanspruchnahme der Befreiung ausreichen würde, dass das Flugzeug von einer Luftfahrtgesellschaft gekauft wird, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig ist, ist darüber hinaus ein Sachverhalt vorstellbar, in dem diese Ungleichbehandlung im Hinblick auf zwei Gesellschaften erfolgt, die beim Kauf eines Flugzeugs letztendlich als „Zwischenhändler“ handeln. So könnte beispielsweise ein Finanzinstitut, das ein Flugzeug kauft, um es an eine Luftfahrtgesellschaft zu vermieten, die Befreiung nicht in Anspruch nehmen, während eine im internationalen Verkehr tätige Luftfahrtgesellschaft A, die ein Luftfahrzeug nicht zur eigenen Verwendung kauft, sondern um es einer anderen Luftfahrtgesellschaft B entgeltlich zu überlassen, in ihren Genuss käme. Das Finanzinstitut und die Luftfahrtgesellschaft A würden Umsätze durchführen, die zwar in jeder Hinsicht vergleichbar sind(18), aber einer unterschiedlichen Besteuerung unterliegen, die infolge eines irrigen „subjektiven“ Konzepts der Befreiung für Ersteres nachteiliger wäre.

3.      Die Rechtsprechung zu Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen für Schiffe

41.      Abschließend gehe ich auf die Urteile Velker und Elmeka ein, die allerdings nicht geeignet sind, das Ergebnis der teleologischen Auslegung der Befreiung und des Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität zu widerlegen.

42.      Die Frage des Korkein hallinto-oikeus weist auf den ersten Blick zweifellos eine Verbindung mit den Fragen auf, die in diesen Urteilen behandelt wurden. In beiden Fällen ging es um die Lieferung von Schiffstreibstoff. In der Rechtssache Velker wurde der Gerichtshof zunächst gefragt, ob Art. 15 Nr. 4 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass als „Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung“ der in dieser Vorschrift umschriebenen Schiffe auch die Lieferungen an einen Unternehmer, der die Gegenstände nicht selbst zur Versorgung von Schiffen verwendet, sie jedoch an einen anderen Unternehmer liefert, der sie in diesem Sinne verwendet, anzusehen sind (und damit der Befreiung nach dieser Vorschrift unterliegen). In der Rechtssache Elmeka stellte sich dieselbe Frage, allerdings im Zusammenhang mit der in Art. 15 Abs. 8 geregelten Befreiung von Dienstleistungen, „die für den unmittelbaren Bedarf der [in Abs. 5] bezeichneten Seeschiffe … bestimmt sind“(19). In beiden Fällen stellte der Gerichtshof fest, dass die genannten Befreiungen nur für Lieferungen von Gegenständen an einen Betreiber von Schiffen gelten, der diese Gegenstände zur Versorgung der Schiffe verwendet, und sich deshalb nicht auf Lieferungen von Gegenständen erstrecken können, „die auf einer vorhergehenden Handelsstufe erfolgen“(20). 

43.      Die Kommission und die Regierung Finnlands haben sich im vorliegenden Fall für eine entsprechende Anwendung dieser Rechtsprechung ausgesprochen. Ich bin jedoch der Auffassung, dass eine solche entsprechende Anwendung nicht statthaft ist, da keines der beiden wesentlichen Argumente, auf die in diesen Urteilen die restriktive Auslegung der dort in Rede stehenden Befreiungen gestützt wird, ohne Weiteres auf den Kontext des Art. 15 Abs. 6 übertragen werden kann.

44.      Das erste Argument betrifft die praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung der entgegengesetzten Lösung: „Die Erstreckung der Steuerbefreiung auf die der endgültigen Lieferung der Gegenstände an den Betreiber der Schiffe vorausgehenden Handelsstufen würde von den Mitgliedstaaten verlangen, dass sie Kontroll- und Überwachungsmechanismen einführten, um sich der endgültigen Bestimmung der unter Steuerbefreiung gelieferten Gegenstände zu vergewissern.“ Diese Mechanismen „würden für die Mitgliedstaaten und für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer Zwänge schaffen, die mit einer ‚korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen‘ im Sinne von Art. 15 Satz 1 der Sechsten Richtlinie unvereinbar wären“(21).

45.      Diese Einwände verlieren ziemlich an Gewicht, wenn es wie im vorliegenden Fall nicht um Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen zur Versorgung oder für den unmittelbaren Bedarf von Schiffen oder Flugzeugen geht, sondern um den Verkauf des Schiffs oder Luftfahrzeugs an sich. Es darf nicht vergessen werden, dass der Betrieb eines Luftfahrzeugs für den Transport von Lasten oder Passagieren eine Reihe von spezifischen Genehmigungen erfordert, die die Feststellung, ob es tatsächlich von einer Luftfahrtgesellschaft genutzt werden soll, vereinfachen(22). Aus dieser Perspektive ist die Lieferung von Kraftstoff (die Gegenstand der Urteile Velker und Elmeka war) oder anderer Gegenstände zur Versorgung des Schiffs, deren Verwendung in der Tat kaum einfach und effizient kontrolliert werden kann, schwerlich mit der Lieferung eines Flugzeugs oder Schiffs vergleichbar.

46.      Folglich bestehen in diesen Fällen keine Einwände gegen eine Anwendbarkeit der Steuerbefreiung, sofern zum Zeitpunkt des Kaufs des Flugzeugs bekannt ist, dass es von einer Luftfahrtgesellschaft im Sinne von Art. 15 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie genutzt werden soll und dieser Umstand den nationalen Steuerbehörden nachgewiesen wird(23). Ein solcher Vorbehalt stünde meiner Meinung nach der „korrekten und einfachen Anwendung der … Befreiungen“, die Art. 15 Satz 1 der Sechsten Richtlinie verlangt, nicht entgegen und wäre im Hinblick auf die Verhütung von Steuerhinterziehungen jedenfalls eine verhältnismäßigere Lösung als das Vorenthalten der Befreiung.

47.      Die Urteile Velker und Elmeka bedienen sich eines zweiten Arguments, das die allgemeine Anwendung der Mehrwertsteuer und die sich daraus ergebende enge Auslegung der Steuerbefreiungen betrifft(24). Es ist offenkundig, dass diese Imperative jedenfalls grundsätzlich auf die Befreiung des Art. 15 Abs. 6 anwendbar sind. Die Rechtsprechung verlangt jedoch auch, worauf bereits hingewiesen wurde, dass die Auslegung der Mehrwertsteuerbefreiungen mit den mit ihnen verfolgten Zwecken vereinbar sein und dem Grundsatz der Steuerneutralität entsprechen muss. Beide Gesichtspunkte führen im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Befreiung zu einem Ergebnis, das zu den Urteilen Velker und Elmeka im Gegensatz steht.

4.      Antwort auf die zweite Vorlagefrage

48.      Angesichts der vorstehenden Ausführungen bin ich der Ansicht, dass der Wortlaut der Bestimmung (der im Großteil der Sprachfassungen ausdrücklich auf die „Nutzung“ des Luftfahrzeugs abstellt), die Zwecke der Befreiung und der Grundsatz der Mehrwertsteuerneutralität im vorliegenden Fall eine finalistische Auslegung der Befreiung erforderlich machen. Art. 15 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie ist daher dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Befreiung auch für die Lieferung von Luftfahrzeugen an Wirtschaftsteilnehmer, die nicht selbst im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, aber ein Luftfahrzeug einem dort tätigen Wirtschaftsteilnehmer zur Nutzung überlassen, gilt.

B –    Dritte Vorlagefrage

49.      Gewissermaßen ergänzend zur vorhergehenden Frage möchte das vorlegende Gericht mit seiner dritten Frage wissen, ob einige der tatsächlichen Gesichtspunkte des vorliegenden Falls bei der Beantwortung der zweiten Frage relevant sein können, insbesondere die Tatsache, dass die Gesellschaft, die Eigentümerin der Flugzeuge ist (A Oy), die Rechnungen für ihre Nutzung an eine Privatperson (X) weitergibt, die die Anteile am Kapital der Eigentümerin hält und die die erworbenen Flugzeuge vornehmlich für ihre eigenen wirtschaftlichen und/oder privaten Zwecke nutzt, da die Luftfahrtgesellschaft die Flugzeuge auch für andere Flüge verwenden könnte.

50.      Die Klägerin hat diese Sachverhaltsdarstellung bestritten. Unabhängig davon bin ich der Ansicht, dass diese im Vorlagebeschluss angeführten Tatsachen für die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage irrelevant sind und grundsätzlich der Anwendbarkeit der hier in Rede stehenden Befreiung auf einen Wirtschaftsteilnehmer, der das erworbene Flugzeug einer im internationalen Verkehr tätigen Luftfahrtgesellschaft zur Nutzung überlässt, nicht entgegenstehen.

51.      Wie ich bereits ausgeführt habe, ergibt sich aus Art. 15 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie, dass das einzige Kriterium zur Feststellung der Anwendbarkeit dieser Befreiung in der Nutzung des Flugzeugs durch eine Luftfahrtgesellschaft besteht, die im Wesentlichen im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig ist. Soweit der Erwerber des Flugzeugs nachweisen kann, dass es tatsächlich von einer solchen Luftfahrtgesellschaft wirtschaftlich eingesetzt werden soll, dürften die möglichen kommerziellen oder sonstigen Beziehungen zwischen der Gesellschaft, die Eigentümerin des Flugzeugs ist, ihrem Mehrheitsgesellschafter und der Luftfahrtgesellschaft selbst keine Auswirkungen auf die Mehrwertbesteuerung haben. Zwar wird das Flugzeug teilweise vom Eigentümer genutzt, der bestimmte Kosten übernimmt, und die gesamte Operation ist aus der Sicht anderer Steuern als der Mehrwertsteuer für ihn möglicherweise vorteilhaft, doch ist dies für die Befreiung ohne Relevanz, wenn die Gesellschaft das Flugzeug im Rahmen ihrer gewöhnlichen Tätigkeit wirtschaftlich einsetzt.

52.      Nur wenn festgestellt würde, dass das Flugzeug in Wirklichkeit nicht der wirtschaftlichen Nutzung durch die Luftfahrtgesellschaft dient, sondern allein der privaten Nutzung – letztendlich dem Endverbrauch – durch eine natürliche oder juristische Person, kann die Befreiung abgelehnt werden, weil die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie nicht vorliegen. Die Prüfung all dieser Umstände ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Ausgangsverfahren befasst ist.

C –    Erste Vorlagefrage

53.      Mit seiner ersten Frage fragt der Korkein hallinto-oikeus den Gerichtshof, ob der Begriff der „Luftfahrtgesellschaften, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“ in Art. 15 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie auch Fluggesellschaften umfasst, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Charterflugverkehr tätig sind.

54.      Die Zweifel im Hinblick auf die Auslegung der Bestimmung scheinen erneut auf die Unterschiede zwischen den verschiedenen Sprachfassungen der Sechsten Richtlinie zurückzugehen.

55.      Denn in einigen Fassungen der Sechsten Richtlinie wird eine Terminologie verwendet, die möglicherweise vermuten lässt, dass es sich um Linienfluggesellschaften handeln muss. Dies ist beispielsweise der Fall bei der englischen Fassung, in der von „international routes“ die Rede ist, eine Terminologie, die auf Linienflugrouten und Linienflüge hinweisen könnte. Der Großteil der Sprachfassungen stellt jedoch darauf ab, dass die Luftfahrtgesellschaft, die das Flugzeug nutzt, hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig ist, ohne mittelbar oder unmittelbar darauf Bezug zu nehmen, ob diese Tätigkeit durch Charterflüge oder durch Linienflüge ausgeübt wird.

56.      Die Rechtsprechung bestätigt eindeutig diese weite Auslegung. Das Urteil Cimber Air(25), das einzige bislang zur Befreiung des Art. 15 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie ergangene Urteil, befasste sich mit dem Problem der Anwendbarkeit dieser Befreiung auf Lieferungen von Flugzeugen, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, diese Flugzeuge aber auch für Inlandsflüge einsetzen. In dem Urteil hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass für die Anwendbarkeit der Befreiung die Natur der Tätigkeiten, die die Luftfahrtgesellschaft, die das Flugzeug einsetzt, „hauptsächlich“ ausübt, entscheidend ist, und nicht der konkrete Verwendungszweck des jeweiligen Flugzeugs.

57.      Folgerichtig muss der Charakter der Flüge für die Anwendbarkeit der Befreiung ebenfalls unerheblich sein.

58.      Diese Lösung entspricht letztendlich auch eher dem Grundsatz der Steuerneutralität, denn es ist kein objektiver Grund dafür ersichtlich, zwei im internationalen Verkehr tätige Fluggesellschaften aufgrund dessen, dass eine von ihnen hauptsächlich Charterflüge, die andere hingegen Linienflüge durchführt oder dass das in Rede stehende Flugzeug für die eine oder andere Art von Flügen eingesetzt wird, mehrwertsteuerrechtlich ungleich zu behandeln.

59.      Infolgedessen bin ich der Ansicht, dass Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass unter „Luftfahrtgesellschaften, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“ auch Geschäftsfluggesellschaften fallen, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Charterflugverkehr für den Bedarf von Unternehmen und Privatpersonen tätig sind.

VI – Ergebnis

60.      Aufgrund dessen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Korkein hallinto-oikeus (Finnland) wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie ist dahin auszulegen, dass unter „Luftfahrtgesellschaften, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“ auch Geschäftsfluggesellschaften fallen, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Charterflugverkehr für den Bedarf von Unternehmen und Privatpersonen tätig sind.

2.      Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie ist dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Befreiung nicht nur für Lieferungen von Luftfahrzeugen gilt, die unmittelbar an Luftfahrtgesellschaften, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, bewirkt werden, sondern auch für die Lieferung von Luftfahrzeugen an Wirtschaftsteilnehmer, die nicht selbst im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, aber das Luftfahrzeug einer Luftfahrtgesellschaft zur Nutzung überlassen, die in diesem Bereich tätig ist.

3.      Die Tatsache, dass die Eigentümerin der Luftfahrzeuge die Rechnung für die Benutzung der Luftfahrzeuge an eine Privatperson weitergibt, die Anteilseigner der Eigentümerin ist und die erworbenen Luftfahrzeuge hauptsächlich für ihre eigenen geschäftlichen und/oder privaten Zwecke nutzt, ändert, auch wenn man berücksichtigt, dass die Fluggesellschaft die Luftfahrzeuge auch für andere Flüge einsetzen konnte, nichts an der Antwort auf die zweite Vorlagefrage, sofern nicht anhand dieser Umstände erkennbar wird, dass das Flugzeug in Wirklichkeit nicht der wirtschaftlichen Nutzung durch die Luftfahrtgesellschaft dient, sondern allein der privaten Nutzung durch eine natürliche oder juristische Person. Dies zu beurteilen ist Sache des nationalen Gerichts.


1 – Originalsprache: Spanisch.


2 –      Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).


3 – In ihrem Schriftsatz hat die A Oy ausgeführt, dass die B Oy „nicht nur im eigenen Namen die mit diesen Flugzeugen erbrachten Transportdienstleistungen vermarktet und verkauft, sondern auch die Verwaltung, die Wartung und die Reparaturen [sicherstellt], sich um das Boden- und das Bordpersonal kümmert und für die erforderlichen Genehmigungen und die entsprechenden Unterlagen sowie die Flugpläne verantwortlich ist“. Neben den beiden Flugzeugen betreibe die B Oy eine große Zahl von Flugzeugen, die Teil ihrer Flotte seien und auf internationalen Flügen eingesetzt würden.


4 – So heißt es in der spanischen Fassung „aeronaves utilizadas por las compañías de navegación aérea“, in der französischen „utilisés par des compagnies de navigation aérienne“, in der englischen „used by airlines“, in der deutschen „die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden“, in der italienischen „usati da compagnie di navigazione aerea“ oder in der niederländischen „die worden gebruikt door luchtvaartmaatschappijen“.


5 – Dies wurde in der finnischen Fassung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) geändert, deren Art. 148 bereits in sämtlichen Fassungen das Kriterium der „Nutzung“ des Luftfahrzeugs beinhaltet.


6 –      Siehe z. B. Urteil vom 27. Oktober 1977, Bouchereau (30/77, Slg. 1977, 1999, Randnr. 14).


7 –      Rechtssache C‑185/89, Slg. 1990, I‑2561, im Folgenden: Velker.


8 –      Verbundene Rechtssachen C‑181/04 bis C‑183/04, Slg. 2006, I‑8167.


9 –      Urteile vom 13. Juli 2006, United Utilities (C‑89/05, Slg. 2006, I‑6813, Randnrn. 21 f.), vom 8. Juni 2006, L.u.P. (C‑106/05, Slg. 2006, I‑5123, Randnr. 24), vom 18. November 2004, Temco Europe (C‑284/03, Slg. 2004, I‑11237, Randnr. 17), vom 14. Juni 2007, Horizon College (C‑434/05, Slg. 2007, I‑4793, Randnr. 16), vom 18. Oktober 2007, Navicon (C‑97/06, Slg. 2007, I‑8755, Randnr. 22), und vom 28. Januar 2010, Eulitz (C‑473/08, Slg. 2010, I‑907, Randnr. 27).


10 – Urteile Navicon, Randnr. 29, und vom 22. Dezember 2010, Feltgen und Bacino Charter Company (C‑116/10, Slg. 2010, I‑14187, Randnr. 16).


11 – Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Lenz vom 2. Mai 1990 in der Rechtssache Velker.


12 –      Urteil Navicon, Randnr. 21.


13 – In diesem Sinne Martínez Muñoz, Y., „El principio de neutralidad en el IVA en la doctrina del TJCE“, Revista española de Derecho Financiero, 145, Januar-März 2010, S. 182. Vgl. auch Guichard, M., „‚LʼEsprit des Lois‘ communautaires en matière de TVA: du principe de neutralité“, Revue de Droit Fiscal, Nr. 36, Jahrgang 2001, S. 1205, und Vanistendael, F., „Neutrality and the limits of VAT“, Selected issues in European tax law, 1999, S. 13.


14 –      Urteil vom 8. Juni 2006, L.u.P.


15 –      Siehe z. B. das Urteil vom 12. April 1984, Unifrex/Rat und Kommission (281/82, Slg. 1984, 1969, Randnr. 30).


16 –      Urteile vom 7. September 1999, Gregg (C‑216/97, Slg. 1999, I‑4947, Randnr. 20), vom 11. Oktober 2001, Adam (C‑267/99, Slg. 2001, I‑7467, Randnr. 36), vom 10. September 2002, Kügler (C‑141/00, Slg. 2002, I‑6833, Randnr. 40), vom 23. Oktober 2003, Kommission/Deutschland (C‑109/02, Slg. 2003, I‑12691, Randnr. 20), vom 26. Mai 2005, Kingscrest Associates und Montecello (C‑498/03, Slg. 2005, I‑4427, Randnr. 41), vom 12. Januar 2006, Turn- und Sportunion Waldburg (C‑246/04, Slg. 2006, I‑589), vom 4. Mai 2006, Abbey National (C‑169/04, Slg. 2006, I‑4027, Randnr. 56), L.u.P., Randnr. 32, und vom 16. September 2008, Isle of Wight Council u. a. (C‑288/07, Slg. 2008, I‑7203, Randnr. 42).


17 –      Urteil vom 10. April 2008, Marks & Spencer (C‑309/06, Slg. 2008, I‑2283, Randnr. 49).


18 – Nach ständiger Rechtsprechung „sind die Identität des Dienstleistungserbringers und die Rechtsform, in der er seine Tätigkeiten ausübt, für die Prüfung der Gleichartigkeit der Waren oder Dienstleistungen grundsätzlich nicht von Bedeutung“. Vgl. Urteile vom 17. Februar 2005, Linneweber und Akritidis (C‑453/02 und C‑462/02, Slg. 2005, I‑1131, Randnrn. 24 und 25), sowie Turn- und Sportunion Waldburg, Randnr. 34.


19 – Der wiederum auf Abs. 4 Buchst. a und b verweist.


20 –      Urteil Velker, Randnr. 22.


21 –      Urteile Velker, Randnr. 24, und Elmeka, Randnr. 23.


22 – A Oy nimmt in ihrem Schriftsatz auf das sogenannte AOC (Air Operation Certificate) Bezug und weist auf die hohen Kosten seiner Erlangung und Aufrechterhaltung hin (A Oy zufolge sind damit zusätzliche jährliche Kosten von 138 000 bis 195 000 Euro verbunden). Es sei unwahrscheinlich, dass das Zertifikat in betrügerischer Absicht erworben werde, da es nicht erforderlich sei, wenn das Flugzeug für private Zwecke genutzt werde.


23 – A Oy führt in ihrem Schriftsatz aus, die belgischen Behörden hätten in ihren internen Verwaltungsbestimmungen einen derartigen Vorbehalt aufgenommen und den niederländischen reiche eine vom Käufer unterzeichnete Erklärung über die beabsichtigte Nutzung des Flugzeugs aus.


24 –      Urteile Velker, Randnr. 19, und Elmeka, Randnr. 15.


25 –      Urteil vom 16. September 2004, Candolin u. a. (C‑382/02, Slg. 2004, I‑8379).