Language of document : ECLI:EU:T:2009:416

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

28. Oktober 2009(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke RNAiFect – Ältere Gemeinschaftswortmarke RNActive – Relatives Eintragungshindernis – Keine Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EG] Nr. 207/2009)“

In der Rechtssache T‑80/08

CureVac GmbH mit Sitz in Tübingen (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt F. Graf von Stosch,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten zunächst durch M. Kicia, dann durch S. Schäffner als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Verfahrensbeteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

Qiagen GmbH mit Sitz in Hilden (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwalt E. Krings, dann Rechtsanwälte V. von Bomhard, A. Renck und T. Dolde,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 11. Dezember 2007 (Sache R 1219/2006‑1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der CureVac GmbH und der Qiagen GmbH

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro (Berichterstatterin) sowie der Richter N. Wahl und A. Dittrich,

Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 19. Februar 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 4. Juni 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 28. Mai 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2009

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 1. August 2003 meldete die Streithelferin, die Qiagen GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Die angemeldete Marke ist das Wortzeichen RNAiFect.

3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 1, 5 und 9 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 1:  „Chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke; chemische Produkte für industrielle und wissenschaftliche Zwecke zur Behandlung von Biopolymeren; biologische Wirkstoffe für Laboratorien zur Verwendung in Wissenschaft und Forschung, nämlich Puffer und Reagenzien, nämlich zur Einführung von Molekülen und Molekülaggregaten, nämlich Peptiden und/oder Nukleinsäuren, in Zellen, nämlich prokaryotische oder eukaryotische Zellen; chromatografische Materialien zur Verwendung in der Abtrennung, Reinigung und Isolation von Biopolymeren und Reagenzien und Lösungsmittel zur Ausführung chromatografischer Abtrennungen, Reinigungen und/oder Isolationsverfahren von Biopolymeren; Kits zur Einführung von Molekülen und Molekülaggregaten, nämlich Peptide und/oder Nukleinsäuren, in Zellen, nämlich prokaryotische oder eukaryotische Zellen; Transfektionsreagenzien“;

–        Klasse 5: „Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege“;

–        Klasse 9:  „Wissenschaftliche Apparate und Instrumente, insbesondere Instrumente und Apparate für Laborforschungs- und Testzwecke“.

4        Diese Anmeldung wurde am 27. September 2004 im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 39/2004 veröffentlicht.

5        Am 17. Dezember 2004 legte die Klägerin, die CureVac GmbH, gegen die angemeldete Marke Widerspruch ein und berief sich auf eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009).

6        Der Widerspruch wurde auf einen Teil der Waren gestützt, die von der am 29. November 2002 angemeldeten und am 28. Oktober 2004 unter der Nr. 2 953 768 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke RNActive erfasst sind, nämlich die folgenden Waren der Klassen 1 und 5:

–        Klasse 1:  „Chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke; Reagenzien zu Forschungszwecken“;

–        Klasse 5:  „Chemische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, insbesondere Chemotherapeutika zur Tumorbehandlung, Herzmittel und Präparate zur Behandlung von Asthmatikern, Rezeptoragonisten und Rezeptorantagonisten, Pharmazeutika zur Behandlung neurologischer Erkrankungen, zur Behandlung von Infektionserkrankungen; Präparate zur Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, insbesondere Substanzen zur Nahrungsergänzung; Desinfektionsmittel; Fungizide; Herbizide“.

7        Der Widerspruch richtete sich nur gegen die von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klassen 1 und 5, ausschließlich derjenigen der Klasse 9.

8        Mit Entscheidung vom 7. August 2006 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch wegen Fehlens von Verwechslungsgefahr im Gebiet der Gemeinschaft zurück.

9        Am 15. September 2006 erhob die Klägerin gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung Beschwerde.

10      Mit Entscheidung vom 11. Dezember 2007 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer die Beschwerde zurück. Die Beschwerdekammer schloss sich der von der Widerspruchsabteilung getroffenen Feststellung an, dass die zu vergleichenden Waren identisch oder hochgradig ähnlich seien. Die beiden Zeichen seien zwar kennzeichnungsschwach, da der Bestandteil „RNA“ die Abkürzung des englischen Wortes „ribonucleid acid“ (im Deutschen Ribonukleinsäure) sei, doch seien beide Marken unterschiedlich, und kein Markeninhaber dürfe die Abkürzung „RNA“ monopolisieren oder anderen Unternehmen verbieten, sie zu gebrauchen oder in Marken einzugliedern, vor allem im Bereich der pharmazeutischen Erzeugnisse. Die Verbraucher verstünden die Bedeutung der Abkürzung „RNA“ und würden nicht denken, dass alle Marken, die mit dieser Abkürzung anfingen, auf denselben Ursprung deuteten. Ihre Aufmerksamkeit werde eher auf das unterscheidungskräftigere Wortende gelenkt. Die zwischen „iFect“ und „ctive“ bestehenden Unterschiede erlaubten es, jede Verwechslungsgefahr auszuschließen.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

11      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        die Eintragung der angemeldeten Marke RNAiFect zurückzuweisen;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

12      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

13      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin sämtliche Kosten aufzuerlegen.

14      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt, sie nehme ihren zweiten Klageantrag zurück. Diese Erklärung ist in das Sitzungsprotokoll aufgenommen worden.

 Rechtliche Würdigung

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

15      Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 geltend.

16      Sie trägt vor, dass bestimmte von der älteren Marke erfasste Waren und die in der Markenanmeldung benannten Waren nicht als teilweise hochgradig ähnlich anzusehen seien, sondern vielmehr identisch seien, da Letztere in ihren eigenen Waren enthalten seien und so in identischer Weise von den sich gegenüberstehenden Marken erfasst würden.

17      Die Marke RNActive sei als jedenfalls durchschnittlich unterscheidungskräftig anzusehen, weil sie als Gemeinschaftsmarke eingetragen worden sei. Da sich beide Marken an einen Durchschnittsverbraucher richteten, dem die Bedeutung des Kürzels „RNA“ nicht bekannt sei, habe die ältere Marke zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

18      Die Zeichen seien zudem schriftbildlich ähnlich, da der Anfang der Wörter identisch sei. Bei Wortmarken sei neben der eingetragenen auch jede andere verkehrsübliche Wiedergabeform vom Schutzgegenstand erfasst, was insbesondere für Groß- und Kleinschreibung gelte. Überdies sei die klangliche Ähnlichkeit der Zeichen außergewöhnlich, und zwar wegen der Identität der ersten drei Buchstaben und weil sich die Lautfolgen am Ende nur geringfügig unterschieden. Auch bei einem begrifflichen Vergleich der Zeichen gebe es eine außergewöhnliche Ähnlichkeit, weil die ältere Marke RNActive den deutschen Begriff „aktiv“ enthalte, der als ein Synonym des deutschen Begriffs „effektiv“ oder „einen Effekt aufweisend“ angesehen werden könne. Dieser Begriff sei in der angemeldeten Marke RNAiFect enthalten.

19      Aufgrund der Warenidentität, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke und des Grades der schriftbildlichen, klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit bestehe also für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen.

20      Das HABM und die Streithelferin beantragen, den Klagegrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

21      Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 ist auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn „wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird“.

22      Ältere Marken sind nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 207/2009) Gemeinschaftsmarken sowie in einem Mitgliedstaat eingetragene Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke.

23      Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn die Öffentlichkeit glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. September 2008, Boston Scientific/HABM – Terumo [CAPIO], T‑325/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch entsprechend Urteile des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 29, und vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, Slg. 1999, I‑3819, Randnr. 17).

24      Zudem ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr für das Publikum unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. Urteil CAPIO, oben in Randnr. 23 angeführt, Randnr. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. entsprechend Urteile des Gerichtshofs vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, Slg. 1997, I‑6191, Randnr. 22, und vom 22. Juni 2000, Marca Mode, C‑425/98, Slg. 2000, I‑4861, Randnr. 40).

25      Diese umfassende Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2007, Il Ponte Finanziaria/HABM, C‑234/06 P, Slg. 2007, I‑7333, Randnr. 48, und Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Matratzen Concord/HABM – Hukla Germany [MATRATZEN], T‑6/01, Slg. 2002, II‑4335, Randnr. 25). Die Wechselbeziehung zwischen diesen Faktoren kommt im siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 40/94 zum Ausdruck, wonach der Begriff der Ähnlichkeit im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen ist, deren Beurteilung von zahlreichen Faktoren abhängt, u. a. vom Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt, der gedanklichen Verbindung, die zwischen ihr und dem benutzten oder eingetragenen Zeichen hergestellt werden kann, und dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen sowie zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen (vgl. Urteil CAPIO, oben in Randnr. 23 angeführt, Randnr. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Ferner ist bei der umfassenden Beurteilung der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Aus dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94, der darauf abstellt, dass „für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen … besteht“, geht nämlich hervor, dass es für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr entscheidend darauf ankommt, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der fraglichen Art von Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke aber regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil CAPIO, oben in Randnr. 23 angeführt, Randnr. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch entsprechend Urteile SABEL, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnr. 23, und Lloyd Schuhfabrik Meyer, oben in Randnr. 23 angeführt, Randnr. 25).

27      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf einen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren abzustellen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sich dem Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern dass er sich auf das unvollkommene Bild verlassen muss, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat. Zu bedenken ist ferner, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (Urteile des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Oberhauser/HABM – Petit Liberto [Fifties], T‑104/01, Slg. 2002, II‑4359, Randnr. 28, und vom 30. Juni 2004, BMI Bertollo/HABM – Diesel [DIESELIT], T‑186/02, Slg. 2004, II‑1887, Randnr. 38; vgl. entsprechend Urteil Lloyd Schuhfabrik Meyer, oben in Randnr. 23 angeführt, Randnr. 26).

28      Im vorliegenden Fall ist die Widerspruchsmarke eine Gemeinschaftsmarke. Wie die Beschwerdekammer in Randnr. 14 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, ist die Prüfung auf die Europäische Union zu erstrecken.

29      Wie die Widerspruchsabteilung auf S. 4 ihrer Entscheidung vom 7. August 2006 ausführt und wie sich aus Randnr. 17 der angefochtenen Entscheidung ergibt, bestehen die maßgeblichen Verkehrskreise aus den Verbrauchern der verfahrensgegenständlichen Waren. Die Waren der Klasse 5 richten sich insbesondere an Apotheker und an angemessen informierte, aufmerksame und verständige Endverbraucher (Urteil des Gerichts vom 5. April 2006, Madaus/HABM – Optima Healthcare [ECHINAID], T‑202/04, Slg. 2006, II‑1115, Randnr. 23), die gleichwohl einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad zeigen und bei ihrer Produktwahl von hoch qualifizierten Fachleuten unterstützt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 26. April 2007, Alcon/HABM, C‑412/05 P, Slg. 2007, I‑3569, Randnr. 61, und Urteil ECHINAID, Randnr. 33). Die chemischen Waren der Klasse 1 richten sich an ein Fachpublikum (vor allem Chemiker und Labormitarbeiter), das einen noch höheren Aufmerksamkeitsgrad zeigen wird.

30      Die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung der Gefahr von Verwechslungen zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen ist im Licht der vorstehenden Erwägungen zu prüfen.

–       Zur Warenähnlichkeit

31      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen diesen Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Dazu gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl. Urteil CAPIO, oben in Randnr. 23 angeführt, Randnr. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sind die fraglichen Waren, wie die Beschwerdekammer unter Verweis auf die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung in Randnr. 15 der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt hat, nicht alle identisch, sondern teilweise identisch und teilweise ähnlich. So sind z. B. die „Kits zur Einführung von Molekülen und Molekülaggregaten“ und die „chemischen Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ hochgradig ähnlich, können aber nicht als identisch angesehen werden.

33      Demnach ist die angefochtene Entscheidung in ihrer Beurteilung der Warenähnlichkeit zu bestätigen.

–       Zur Zeichenähnlichkeit

34      Wie bereits oben in Randnr. 26 dargelegt, ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. Urteile des Gerichts vom 14. Oktober 2003, Phillips-Van Heusen/HABM – Pash Textilvertrieb und Einzelhandel [BASS], T‑292/01, Slg. 2003, II‑4335, Randnr. 47, und CAPIO, oben in Randnr. 23 angeführt, Randnr. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. entsprechend Urteil SABEL, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnr. 23).

35      Der Rechtsprechung ist ebenfalls zu entnehmen, dass zwei Marken ähnlich sind, wenn sie aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise hinsichtlich eines oder mehrerer relevanter Aspekte mindestens teilweise übereinstimmen (Urteile MATRATZEN, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 30, und CAPIO, oben in Randnr. 23 angeführt, Randnr. 89).

36      Die Beschwerdekammer hat in Randnr. 17 der angefochtenen Entscheidung angenommen, dass trotz der aus der Identität der ersten drei Buchstaben der Zeichen resultierenden Ähnlichkeit die Unterschiede zwischen den Endungen „iFect“ und „ctive“ so groß seien, dass eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden könne.

37      Zu vergleichen sind folgende Zeichen:

Ältere Marke

Angemeldete Marke

RNActive

RNAiFect


38      Was erstens den bildlichen Vergleich angeht, ist festzustellen, dass die Zeichen beide aus einem einzigen Wort mit jeweils acht Buchstaben bestehen, von denen die ersten drei groß geschrieben und identisch sind. Die fünf folgenden Buchstaben der älteren Marke sind in Kleinbuchstaben geschrieben, ebenso wie bei der angemeldeten Marke mit Ausnahme des fünften Buchstabens „F“.

39      Die Ähnlichkeiten, die durch die Identität der ersten drei Buchstaben entstehen, werden aber durch die letzten fünf Buchstaben der Zeichen deutlich abgeschwächt, die, obwohl vier von ihnen in beiden Zeichen vorkommen, nicht in derselben Reihenfolge stehen, was eine sehr unterschiedliche bildliche Wahrnehmung der Zeichen entstehen lässt. Damit ergeben sich nach dem Gesamteindruck der Zeichen bildliche Unterschiede.

40      Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen, dass die Beschwerdekammer sich damit begnügt hätte, die Zeichen in Einzelbestandteile zu zerlegen, ohne das Gesamtbild zu beurteilen. Auch wenn es nämlich zu bedauern ist, dass die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt nicht sehr deutlich ist, hat die Beschwerdekammer mit ihrer Überlegung in Randnr. 17 der angefochtenen Entscheidung, dass trotz des gemeinsamen Bestandteils „RNA“ die Aufmerksamkeit eher auf das unterscheidungskräftigere Wortende gelenkt werde, und mit der Schlussfolgerung, dass es dieser große Unterschied erlaube, jegliche Verwechslungsgefahr auszuschließen, die Zeichen umfassend beurteilt.

41      Selbst wenn man annähme, wie dies die Klägerin vorträgt, dass die Zeichen beide groß oder klein geschrieben würden, wäre die bildliche Ähnlichkeit jedenfalls nicht stärker ausgeprägt, da es die Unterschiedlichkeit, die sich aus der Positionierung der letzten fünf Buchstaben ergibt, noch immer erlaubt, die Ähnlichkeit aufgrund der Identität der ersten drei Buchstaben zu kompensieren.

42      Was zweitens den klanglichen Vergleich betrifft, ist festzustellen, dass zwar beide Zeichen mit den drei Buchstaben „R“, „N“ und „A“ beginnen, ihre Endungen es jedoch ermöglichen, sie recht deutlich voneinander zu unterscheiden. Die beiden Zeichen werden demnach ganz anders ausgesprochen, so dass, angenommen, es bestünde eine Ähnlichkeit, diese zumindest als äußerst schwach angesehen werden müsste. Sollten ferner die maßgeblichen Verkehrskreise eine Verbindung zwischen den Vokalen „a“ und „i“ der angemeldeten Marke herstellen, wäre der klangliche Unterschied noch deutlicher. Unter normalen Umständen ist es hingegen wenig wahrscheinlich, dass der Verbraucher einerseits den Vokal „a“ der älteren Marke verdoppelt, um das Zeichen „r-n-a-active“ auszusprechen, obwohl das Zeichen nur ein „a“ enthält, und derselbe Verbraucher andererseits die Aussprache des „i“ der angemeldeten Marke unterlässt, um sie „r-n-a-fect“ auszusprechen. Im Übrigen würden selbst in einem solchen Fall die Zeichen dadurch keinesfalls klanglich ähnlich.

43      Was drittens den begrifflichen Vergleich angeht, trifft es zu, dass in Anbetracht der betreffenden Waren die angesprochenen Verkehrskreise entweder – insbesondere was das Fachpublikum anbelangt – die ersten drei Buchstaben als Verweis auf die englische Abkürzung der Ribonukleinsäure (ribonucleid acid) wahrnehmen werden oder – was das breite Publikum anbelangt – annehmen werden, dass diese Anfangsbuchstaben zumindest auf eine medizinische oder chemische Komponente verweisen, auch wenn die genaue Bedeutung nicht bekannt ist. Wie das HABM und die Streithelferin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, kommt es auf dem betreffenden Gebiet nicht selten vor, dass die Hersteller auf chemische und molekulare Verbindungen anspielen, um die behauptete Wirksamkeit eines zum Verkauf angebotenen pharmazeutischen Produkts hervorzuheben.

44      Die jeweiligen Endungen der Zeichen („ctive“ und „iFect“), die eine unterschiedliche Bedeutung haben, gleichen die aus dem gemeinsamen Bestandteil „RNA“ resultierende Ähnlichkeit aus. Die Argumentation der Klägerin, die sie insbesondere in der mündlichen Verhandlung entwickelt hat, wonach der deutsche Verbraucher eine Verbindung zwischen „iFect“ und dem englischen Wort „effect“ herstellen könne, das er also mit dem Wort „active“ in Verbindung bringen werde, weil beide Wörter auf den Begriff der Wirksamkeit oder das Wort „effektiv“ hinwiesen, verlangt vom betreffenden Verbraucher zu große Anstrengungen bei der Zeichendekonstruktion, um eine Verbindung zwischen den beiden Zeichen herzustellen, und erscheint somit als zu unwahrscheinlich, als dass ihm gefolgt werden könnte.

45      Wenn eine gewisse begriffliche Ähnlichkeit der Zeichen besteht, so ergibt sie sich daraus, dass der Bestandteil „RNA“ in beiden Zeichen vorkommt, und wird durch die unterschiedliche Bedeutung, die sich aus den jeweiligen Endungen ergibt, ausgeglichen.

–       Zur Verwechslungsgefahr

46      Verwechslungsgefahr besteht, wenn bei kumulativer Betrachtung die Ähnlichkeit der betreffenden Marken und zugleich die Ähnlichkeit der mit dieser Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen hinreichend hoch sind (Urteil MATRATZEN, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 45).

47      Im vorliegenden Fall ist oben in Randnr. 32 bereits festgestellt worden, dass die Waren teilweise identisch und teilweise hochgradig ähnlich sind.

48      Die beiden Zeichen sind in der Tat auf dem gemeinsamen Bestandteil „RNA“ aufgebaut. Wie die Nichtigkeitsabteilung festgestellt hat, ohne dass die Beschwerdekammer dies in den Randnrn. 16 und 17 der angefochtenen Entscheidung in Zweifel gezogen hätte, hat dieser Bestandteil jedoch allenfalls eingeschränkte Kennzeichnungskraft, auch wenn ein Teil der Verbraucher die Bedeutung der Abkürzung nicht genau kennt, sondern von einem indirekten Hinweis insbesondere auf eine chemische oder molekulare Verbindung ausgeht.

49      Zudem ist zwar richtig, dass der Verbraucher üblicherweise dem Wortanfang größere Bedeutung zumisst, weil er stärker betont ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. Februar 2008, Citigroup/HABM – Link Interchange Network [WORLDLINK], T‑325/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 82), doch trifft es ebenso zu, dass das Publikum einen beschreibenden oder kennzeichnungsschwachen Bestandteil einer komplexen Marke im Allgemeinen nicht als unterscheidungskräftiges und dominierendes Merkmal des Gesamteindrucks dieser Marke ansehen wird (vgl. Urteil ECHINAID, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Wie bereits festgestellt, ermöglicht der den beiden Zeichen gemeinsame Bestandteil „RNA“ aufgrund seiner allenfalls eingeschränkten Kennzeichnungskraft keine Unterscheidung der Waren nach ihrer betrieblichen Herkunft. Die Beschwerdekammer hat deshalb in Randnr. 17 der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Endsilben der einander gegenüberstehenden Zeichen „ctive“ und „iFect“ als die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente angesehen, die die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf sich ziehen werden, weil sie unterscheidungskräftiger sind als der Anfangsbestandteil „RNA“ (vgl. in diesem Sinne Urteil ECHINAID, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnr. 55).

51      Wie oben in Randnr. 44 ausgeführt und wie das HABM zutreffend festgestellt hat, ist überdies die Annahme, die jeweiligen Endungen der Zeichen würden im Wege der Assoziation als identisch wahrgenommen, nicht richtig, denn das deutsche Wort „aktiv“ ist keineswegs ein Synonym für „effektiv“, wodurch eine Unterscheidung der Marken möglich wird. Diese Unterschiede in der Bedeutung werden es daher den betreffenden Verbrauchern erlauben, die Zeichen zu unterscheiden.

52      Obwohl der gemeinsame Bestandteil der beiden Zeichen „RNA“ an erster Stelle steht, führt diese Übereinstimmung also nicht zu einer Verwechslungsgefahr, da er eingeschränkte Kennzeichnungskraft hat, so dass sich die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Endung der beiden Zeichen richten wird, die bei umfassender Beurteilung bildlich, klanglich und begrifflich unterschiedlich sind. Die beiden Zeichen rufen also einen unterschiedlichen Eindruck hervor.

53      Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die Warenidentität oder hochgradige Warenähnlichkeit durch die schwache Zeichenähnlichkeit und die geringe Kennzeichnungskraft bzw. den sogar beschreibenden Charakter der Abkürzung „RNA“ ausgeglichen wird, so dass jede Gefahr von Verwechslungen für die angesprochenen Verkehrskreise auszuschließen ist. Daher hat die Beschwerdekammer zu Recht angenommen, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen keine Gefahr der Verwechslung der beiden Marken besteht.

54      Im Übrigen könnte, selbst wenn, wie dies die Klägerin geltend macht, alle Waren identisch wären, die oben in den Randnrn. 34 bis 53 vorgenommene Prüfung zu keinem anderen Ergebnis als dem Fehlen einer Verwechslungsgefahr führen.

55      Nach alledem ist der einzige Klagegrund zurückzuweisen. Folglich ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

56      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die CureVac GmbH trägt die Kosten.

Martins Ribeiro

Wahl

Dittrich

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. Oktober 2009.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.