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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ANTONIO TIZZANO

vom 11. September 2001(1)

Rechtssache C-43/00

Andersen og Jensen ApS

gegen

Skatteministeriet

(Vorabentscheidungsersuchen des Vestre Landsret)

„Richtlinie 90/434/EG - Einbringung von Unternehmensteilen - Teilbetrieb - Begriffe“

1.
    Das Vestre Landsret hat dem Gerichtshof mit Beschluss vom 9. Februar 2000 nach Artikel 234 EG vier Fragen nach der Auslegung von Artikel 2 Buchstaben c und i der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (im Folgenden: Richtlinie 90/434 oder Richtlinie)(2), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Rechtlicher Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht

2.
    Durch die Richtlinie 90/434 sollen steuerliche Behinderungen einer Fusion, Spaltung, Einbringung von Unternehmensteilen sowie eines Austauschs von Anteilen zwischen Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten durch nationale Rechtsvorschriften beseitigt werden. Nach den Begründungserwägungen der Richtlinie muss die gemeinsame steuerliche Regelung „eine Besteuerung anlässlich einer Fusion, Spaltung, Einbringung von Unternehmensteilen oder eines Austauschs von Anteilen vermeiden, unter gleichzeitiger Wahrung der finanziellen Interessen des Staates der einbringenden oder erworbenen Gesellschaft“.

3.
    Artikel 1 der Richtlinie lautet: „Jeder Mitgliedstaat wendet diese Richtlinie auf Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen an, wenn daran Gesellschaften aus zwei oder mehr Mitgliedstaaten beteiligt sind.“ Soweit hier von Bedeutung, bestimmt Artikel 2: „Im Sinne dieser Richtlinie ist:

...

c)    .Einbringung von Unternehmensteilen' der Vorgang, durch den eine Gesellschaft, ohne aufgelöst zu werden, ihren Betrieb insgesamt oder einen oder mehrere Teilbetriebe in eine andere Gesellschaft gegen Gewährung von Anteilen am Gesellschaftskapital der übernehmenden Gesellschaft einbringt;

...

i)    .Teilbetrieb' die Gesamtheit der in einem Unternehmensteil einer Gesellschaft vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die in organisatorischer Hinsicht einen selbständigen Betrieb, d. h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit, darstellen.“

4.
    Nach Artikel 9 der Richtlinie gilt Artikel 4 entsprechend für die Einbringung von Unternehmensteilen; in Artikel 4 heißt es:

„Die Fusion oder die Spaltung darf keine Besteuerung des Unterschieds zwischen dem tatsächlichen Wert und dem steuerlichen Wert des übertragenen Aktiv- und Passivvermögens auslösen. Dabei ist ... .steuerlicher Wert' der Wert, der für die Ermittlung des Einkommens, Gewinns oder Verlustes oder von Wertsteigerungen der einbringenden Gesellschaft zugrunde gelegt worden wäre, wenn das Vermögen gleichzeitig mit der Fusion oder der Spaltung, aber unabhängig davon, veräußert worden wäre ...“ (Absatz 1).

Das nationale Recht

5.
    § 15c des Fusionsskattelov (dänisches Fusionssteuergesetz) bestimmt:

„(1) Bei der Einbringung von Unternehmensteilen können die Gesellschaften nach § 15d besteuert werden, wenn sowohl die einbringende als auch die übernehmende Gesellschaft unter den Begriff der Gesellschaft eines Mitgliedstaats im Sinne von Artikel 3 der Richtlinie 90/434/EWG fallen. Diese Besteuerung setzt eine Genehmigung durch den Ligningsråd voraus. Der Ligningsråd kann die Genehmigung mit Auflagen erteilen.

(2) Unter Einbringung von Unternehmensteilen ist der Vorgang zu verstehen, durch den eine Gesellschaft, ohne aufgelöst zu werden, ihren Betrieb insgesamt oder einen oder mehrere Teilbetriebe in eine andere Gesellschaft gegen Gewährung von Anteilen am Gesellschaftskapital der übernehmenden Gesellschaft einbringt. Unter Teilbetrieb ist die Gesamtheit der in einem Unternehmensteil einer Gesellschaft vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter zu verstehen, die in organisatorischer Hinsicht einen selbständigen Betrieb, d. h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit, darstellen.“

6.
    Wie das vorlegende Gericht ausführt, bedeutet die in § 15d des Fusionsskattelov für die Einbringung von Unternehmensteilen vorgesehene Steuerregelung, dass „ein solcher Vorgang - im Einklang mit den materiell-rechtlichen Bestimmungen der Fusionssteuerrichtlinie - ohne Besteuerung des Kapitalzuwachses erfolgen kann, da die übernehmende Gesellschaft steuerrechtlich in die Stellung der einbringenden Gesellschaft eintritt“.

7.
    Wie das vorlegende Gericht ferner betont, ergibt sich Folgendes aus den Vorarbeiten zum Fusionsskattelov:

„Zweck des Gesetzentwurfs ist es, die Änderungen in der dänischen Steuergesetzgebung durchzuführen, die zur Umsetzung der Fusionsrichtlinie erforderlich sind.

Zweck ist es auch, entsprechend den Bestimmungen der Fusionssteuerrichtlinie Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften betreffen, die in Dänemark ansässig sind, zu regeln.

...

Die .Einbringung von Unternehmensteilen' in § 15c Absatz 2 wird wie in Artikel 2 Buchstabe c der Fusionssteuerrichtlinie definiert. Betriebsteil wird wie in Artikel 2 Buchstabe i der Fusionssteuerrichtlinie definiert.“

Sachverhalt und Vorlagefragen

8.
    Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Aktiengesellschaft Randers Sport A/S (im Folgenden: Randers Sport), mit einem Gesellschaftskapital von 300 000 DKK Groß- und Einzelhandelsgeschäfte mit Sportartikeln tätigte. Um einen Generationswechsel im Betrieb dieser Gesellschaft vorzunehmen, der auch die Aufnahme zweier ihrer Mitarbeiter in die Geschäftsleitung umfassen sollte, beschlossen die Aktionäre von Randers Sport 1996 die Einbringung ihrer Unternehmensteile in eine neue Gesellschaft, nämlich die Randers Sport Nyt A/S (im Folgenden: Randers Sport Nyt), deren Kapital, abgesehen von der Einbringung durch Randers Sport, auch die beiden Mitarbeiter halten sollten.

9.
    Die Beschaffenheit von Randers Sport Nyt sollte insbesondere eine Aussonderung des über Jahre angewachsenen Eigenkapitals der einbringenden Gesellschaft zulassen und den beiden Mitarbeitern den Erwerb größerer Aktienpakete der neuen gering kapitalisierten Gesellschaft mit geringen Kosten ermöglichen. Zu diesem Zweck hatte Randers Sport ein Darlehen (in Höhe von 10 Mio. DKK) aufgenommen, dessen Kapital bei dieser Gesellschaft verbleiben sollte, während Randers Sport Nyt die entsprechende Verbindlichkeit zu tragen hätte, was zu einer erheblichen Verminderung des Wertes der übernehmenden Gesellschaft führen sollte. Um den Geschäftsbedarf an flüssigen Mitteln zu decken, bezog die übernehmende Gesellschaft einen Betriebskredit von einem Kreditinstitut, das hierfür ein Pfandrecht an den Aktien dieser Gesellschaft verlangte. Im Rahmen dieser komplexen Vorgänge sollte die einbringende Gesellschaft neben der Darlehenssumme noch ein kleineres Aktienpaket einer seinerzeit in Konkurs befindlichen Drittfirma behalten.

10.
    Mit Schreiben vom 6. Juni 1996 beantragte die Klägerin beim Ligningsråd (oberste dänische Verwaltungsbehörde für verschiedene steuerrechtliche Fragen) die Genehmigung für die geplante steuerfreie Einbringung gemäß § 15c und § 15d des dänischen Fusionssteuergesetzes. Mit Schreiben vom 20. November 1996 teilte der Ligningsråd mit, der Vorgang könnte nur unter folgenden Auflagen als „Einbringung von Unternehmensteilen“ im Sinne der genannten Vorschrift angesehen und von der Kapitalzuwachsbesteuerung ausgenommen werden:

i)    Das Darlehenskapital müsse mit der entsprechenden Darlehensschuld in der einbringenden Gesellschaft verbleiben, oder beide müssten zusammen auf die übernehmende Gesellschaft übertragen werden;

ii)    die einbringende Gesellschaft, ihre persönlichen Hauptaktionäre oder Dritte dürften keine Sicherheit in Form einer Kaution, eines Pfandrechts, einer Bürgschaft o. ä. zugunsten der übernehmenden Gesellschaft stellen.

11.
    Der Ligningsråd hat die erste Auflage damit begründet, dass zwischen dem betreffenden Vermögenswert und der entsprechenden Verbindlichkeit (also der Darlehenssumme und der Verpflichtung zur Darlehensrückzahlung) ein so enger tatsächlicher Zusammenhang bestehe, dass diese beiden Elemente nicht auf die einbringende und die übernehmende Gesellschaft aufgeteilt werden könnten; mit der zweiten Auflage habe sichergestellt werden sollen, dass die übernehmende Gesellschaft aus eigenen Mitteln funktionsfähig sei.

12.
    Randers Sport beanstandete die Entscheidung des Ligningsråd, führte jedoch die geplante Einbringung entsprechend den Auflagen dieser Behörde durch. Am 15. März 1997 erhob Randers Sport indessen beim Vestre Landsret Klage gegen das Skatteministeriet (Finanzministerium), um die Rechtswidrigkeit der vom Ligningsråd verfügten Auflagen feststellen zu lassen, die ihres Erachtens auf einer falschen Auslegung des Begriffes „Einbringung von Unternehmensteilen“ der Richtlinie 90/434 beruhe. Der Beklagte bestritt in seiner Klagebeantwortung die Zulässigkeit der Klage, da der Klägerin ein rechtliches Interesse an einer Entscheidung der Rechtssache fehle, nachdem sie die Auflagen des Ligningsråd erfüllt habe. Diese Einrede wurde mit Beschluss vom 27. März 1998 zurückgewiesen; das Vestre Landsret hatte indessen ernsthafte Zweifel bezüglich der Auslegung der Richtlinie 90/434, so dass es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:

1.    Ist die Richtlinie 90/434/EWG (Fusionssteuerrichtlinie) so zu verstehen, dass es gegen ihre Bestimmungen, insbesondere gegen ihren Artikel 2 Buchstaben c und i, verstößt, wenn die Behörden eines Mitgliedstaats es ablehnen, eine Maßnahme unter die Bestimmungen der Richtlinie über die Einbringung von Unternehmensteilen zu subsumieren, wenn im Rahmen des betreffenden Vorgangs das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der einbringenden Gesellschaft mit Ausnahme eines kleineren Aktienpakets und des Kapitals eines von der einbringenden Gesellschaft aufgenommenen Darlehens in eine andere Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft) eingebracht wird?

2.    Ist für die Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung, dass davon auszugehen ist, dass die einbringende Gesellschaft das betreffende Darlehen aufgenommen hat, um den Nettowert des in die übernehmende Gesellschaft einzubringenden Aktiv- und Passivvermögens zu verringern, weil das Darlehenskapital in der einbringenden Gesellschaft verbleiben soll, währenddie Darlehensschuld von der übernehmenden Gesellschaft getragen werden soll?

3.    Ist es für die Beantwortung der ersten Frage und/oder der zweiten Frage von Bedeutung, dass davon auszugehen ist, dass das betreffende Darlehen aufgenommen wurde, um für die bisherigen Mitarbeiter im Rahmen eines Generationswechsels im Unternehmen die Möglichkeit zu schaffen, die Zeichnung der Aktien der aufnehmenden Gesellschaft zu finanzieren?

4.    Sind die Bestimmungen der Fusionssteuerrichtlinie, insbesondere ihr Artikel 2 Buchstabe i, dahin auszulegen, dass es gegen diese Bestimmungen verstößt, wenn als Bedingung für die Subsumtion einer Maßnahme unter die Bestimmungen der Richtlinie über die Einbringung von Unternehmensteilen festgesetzt wird, dass von der einbringenden Gesellschaft, den persönlichen Hauptaktionären oder einem Dritten keine Sicherheiten zugunsten der übernehmenden Gesellschaft gestellt werden, weil angegeben worden ist, dass der zukünftige Liquiditätsbedarf der übernehmenden Gesellschaft durch einen Betriebskredit eines Kreditinstituts finanziert werden soll, das die Einräumung eines Pfandrechts an den Aktien der übernehmenden Gesellschaft wünscht?

13.
    Verfahrensbeteiligte vor dem Gerichtshof sind die Parteien des Ausgangsverfahrens sowie die niederländische Regierung und die Kommission, die schriftliche Erklärungen abgegeben und in der Sitzung mündliche Ausführungen gemacht haben.

Rechtliche Untersuchung

Zur Zulässigkeit

14.
    Die Zulässigkeit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens wurde von keinem Verfahrensbeteiligten bestritten; gleichwohl ist festzustellen, dass im Ausgangsverfahren nur die nationalen Vorschriften des dänischen Fusionssteuergesetzes und nicht die Bestimmungen der Richtlinie 90/434 anzuwenden sind, um die es sich bei den Vorlagefragen handelt. Wie bereits dargelegt, gilt die Richtlinie nämlich nur für Fusionen und Spaltungen sowie für die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften aus zwei oder mehr Mitgliedstaaten betreffen (Artikel 1); im vorliegenden Fall betrifft die streitige Einbringung dagegen zwei dänische Gesellschaften.

15.
    Dies kann zu Zweifeln an der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens führen; andererseits ist jedoch mit dem Vestre Landsret festzustellen, dass das dänische Fusionssteuergesetz, wie klar aus den entsprechenden Vorarbeiten hervorgeht, die Richtlinie 90/434 in die nationale Rechtsordnung umsetzt und dabei deren Regelungen auch auf rein innerstaatliche Sachverhalte ausdehnt. Wie dieKommission bemerkt, hat der Gerichtshof indessen bereits im Hinblick auf die Richtlinie 90/434 festgestellt, dass er „gemäß Artikel 177 EG-Vertrag für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zuständig ist, wenn dieses den fraglichen Sachverhalt nicht unmittelbar regelt, aber der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Bestimmungen einer Richtlinie in nationales Recht beschlossen hat, rein innerstaatliche Sachverhalte und Sachverhalte, die unter die Richtlinie fallen, gleichzubehandeln, und seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften deshalb an das Gemeinschaftsrecht angepasst hat“. Der Gerichtshof hat weiterhin ausgeführt: „Richten sich nationale Rechtsvorschriften zur Regelung rein innerstaatlicher Sachverhalte nach den im Gemeinschaftsrecht getroffenen Regelungen, um insbesondere zu verhindern, dass es zu Benachteiligungen der eigenen Staatsangehörigen oder ... zu Wettbewerbsverzerrungen kommt, so besteht ein klares Interesse der Gemeinschaft daran, dass die aus dem Gemeinschaftsrecht übernommenen Bestimmungen oder Begriffe unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden sollen, einheitlich ausgelegt werden, um künftige Auslegungsunterschiede so verhindern“. Er hat aber auch betont, dass es „in einem solchen Fall ... im Rahmen der in Artikel 177 vorgesehenen Verteilung der Rechtsprechungsaufgaben zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof allein Sache des nationalen Gerichts [ist], die genaue Tragweite dieser Verweisung auf das Gemeinschaftsrecht zu beurteilen; die Zuständigkeit des Gerichtshofes beschränkt sich auf die Prüfung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen“(3).

16.
    Angesichts dieser klaren Vorgabe der Rechtsprechung und der im Wesentlichen gleichen Sachverhalte kann das Vorabentscheidungsersuchen des Vestre Landsret meines Erachtens nicht als unzulässig angesehen werden.

Zu den ersten drei Fragen

17.
    Ich werde nun die ersten drei Vorlagefragen gemeinsam behandeln, da sie im Wesentlichen einem alleinigen Grundproblem zuzuordnen sind, nämlich ob Artikel 2 Buchstaben c und i der Richtlinie 90/434 eine Befreiung von der Besteuerung der Wertdifferenz nach Artikel 4 der Richtlinie zulässt, wenn eine Gesellschaft ihr gesamtes Vermögen in eine andere Gesellschaft einbringt, außer zum einen ein kleineres Aktienpaket und zum anderen das Kapital aus einem von der einbringenden Gesellschaft aufgenommenen Darlehen. Im Einzelnen soll auch geklärt werden, ob es in dieser Hinsicht von Bedeutung ist, dass durch den genannten Vorgang der Nettowert der Einbringung verringert werden soll, um einen Generationswechsel in der Unternehmensleitung zu erleichtern.

18.
    Hierbei ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass nach der Definition der Richtlinie unter Einbringung von Unternehmensteilen der „Vorgang“ zu verstehenist, „durch den eine Gesellschaft, ohne aufgelöst zu werden, ihren Betrieb insgesamt oder einen oder mehrere Teilbetriebe in eine andere Gesellschaft gegen Gewährung von Anteilen am Gesellschaftskapital der übernehmenden Gesellschaft einbringt“ (Artikel 2 Buchstabe c).

19.
    Für einen solchen Vorgang müssen also drei Voraussetzungen erfüllt sein:

-    Die einbringende Gesellschaft darf nicht aufgelöst sein;

-    die Einbringung muss den gesamten Betrieb oder einen oder mehrere Teilbetriebe der einbringenden Gesellschaft betreffen;

-    die einbringende Gesellschaft muss als Gegenleistung für die Einbringung Anteile am Gesellschaftskapital der übernehmenden Gesellschaft erhalten.

20.
    Im vorliegenden Fall ergeben sich bezüglich der ersten Voraussetzung keine besonderen Probleme, da die einbringende Gesellschaft zweifellos nicht aufgelöst wurde. Schwieriger ist dagegen die Feststellung, ob im vorliegenden Fall tatsächlich der gesamte Betrieb oder ein oder mehrere Teilbetriebe der einbringenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft übertragen wurden.

21.
    Nach Ansicht der Klägerin des Ausgangsverfahrens wird der Betrieb einer Gesellschaft insgesamt eingebracht, wenn das auf die übernehmende Gesellschaft übertragene Aktiv- und Passivvermögen eine selbständige wirtschaftliche Einheit darstellt, die aus eigenen Mitteln funktionsfähig ist. Ohne Bedeutung sei es hierbei aber, wenn bestimmte Aktiva, wie im vorliegenden Fall die Darlehenssumme, bei der einbringenden Gesellschaft verblieben; andererseits, so führt die Klägerin weiter aus, würde man gegen Sinn und Zweck der Richtlinie verstoßen, durch die solche Vorgänge gefördert werden sollten, wobei steuerrechtliche Behinderungen durch innerstaatliche Rechtsvorschriften nach Möglichkeit auszuräumen seien. Nach Ansicht der übrigen Verfahrensbeteiligten hingegen ist die betreffende Voraussetzung nicht erfüllt, wenn ein einheitlicher, aus aktiven und passiven Elementen bestehender Vermögensteil, wie gerade das von Randers Sport aufgenommene Darlehen, künstlich auf die einbringende und die übernehmende Gesellschaft aufgeteilt wird.

22.
    Die letztgenannte Auffassung erscheint mir überzeugender. Nach Artikel 2 Buchstabe i der Richtlinie ist nämlich bei der Einbringung eines Teilbetriebs „die Gesamtheit der in einem Unternehmensteil einer Gesellschaft vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die in organisatorischer Hinsicht einen selbständigen Betrieb, d. h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit, darstellen“ (Hervorhebung von mir), zu übertragen. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat es also in einem solchen Fall für erforderlich gehalten, dass die aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die zu einem bestimmten Betrieb gehören, der bestimmte Selbständigkeitsmerkmale aufweist, im Ganzen eingebracht werden. Wird ein zu diesem Betrieb gehörendes aktives Wirtschaftsgut nicht übertragen, so kanndemnach der Vorgang nicht als Einbringung eines Teilbetriebs im Sinne von Artikel 2 der Richtlinie angesehen werden, und dementsprechend kann mit der Einbringung eines Teilbetriebs im Sinne von Artikel 2 der Richtlinie nicht die Übertragung eines passiven Wirtschaftsguts verbunden sein, das zu einem anderen Betrieb gehört, der bei der einbringenden Gesellschaft verbleibt.

23.
    Die Klägerin des Ausgangsverfahrens wendet hiergegen sein, im vorliegenden Fall sei kein Teilbetrieb, sondern der gesamte Betrieb der einbringenden Gesellschaft übertragen worden, wofür nicht ausdrücklich verlangt werde, dass „die Gesamtheit der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter“ übergehe. Muss diese Voraussetzung indessen im Fall der Übertragung eines Teilbetriebs erfüllt sein, so ist sie meines Erachtens umso mehr geboten, wenn der betreffende Vorgang den gesamten Betrieb der einbringenden Gesellschaft erfasst; wird das genannte Erfordernis im letzteren Fall nicht ausdrücklich vorausgesetzt, so ist dies meiner Auffassung nach darauf zurückzuführen, dass es sich von selbst ergibt.

24.
    Unabhängig davon bin ich jedoch keineswegs überzeugt, dass es sich um die Übertragung des gesamten Betriebes der einbringenden Gesellschaft handelt. Das nicht unerhebliche Darlehen (mehr als dreißig Mal höher als das Gesellschaftskapital) wurde nämlich bereits vor der Einbringung in der Absicht aufgenommen, dass der betreffende Kapitalzufluss als Vermögenswert bei der einbringenden Gesellschaft verbleibt, so dass er nicht zur Finanzierung des später auf Randers Sport Nyt übertragenen Sportartikelvertriebs und auch nicht zur Gewinnausschüttung an die Gesellschafter (wobei er ordnungsgemäß hätte versteuert werden müssen) bestimmt war. Ungeachtet des Verwendungszwecks der aufgenommenen Darlehenssumme (auch wenn es sich gegebenenfalls nur um einen rein finanziellen Zweck handelt) war der genannte Betrag zweifellos für einen anderen Betrieb bestimmt als denjenigen, der auf die übernehmende Gesellschaft überging, so dass er zumindest potenziell einem unterschiedlichen Teilbetrieb zuzuordnen ist, der bei der einbringenden Gesellschaft verblieb. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass der gesamte Betrieb von Randers Sport auf die übernehmende Gesellschaft übergehen sollte. Die Anomalie des vorliegenden Falles liegt darin, dass der übernehmenden Gesellschaft der Sportartikelvertrieb zusammen mit der Verpflichtung übertragen werden sollte, ein Kapital zu tilgen, das für einen anderen Betrieb bestimmt war, der - bereinigt von dem entsprechenden Passivvermögen - hingegen bei der einbringenden Gesellschaft verbleiben sollte.

25.
    Aufgrund der besonderen Merkmale des in Rede stehenden Vorgangs ist somit auszuschließen, dass dieser eine Einbringung von Unternehmensteilen im Sinne von Artikel 2 der Richtlinie darstellt, da der aktive und passive Vermögenswert aus der Kapitalaufnahme der einbringenden Gesellschaft auf diese und auf die übernehmende Gesellschaft aufgeteilt werden soll. Dieser Ausschluss ergibt sich aus den strukturellen und objektiven Merkmalen des Vorgangs ungeachtet des damit verfolgten Zweckes, wodurch unerheblich wird, ob durch dieOperation eine Wertverringerung des auf Randers Sport Nyt übergehenden Betriebes erreicht werden soll, um einen Generationswechsel zu erleichtern.

26.
    Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass nach Ansicht der Kommission auch die dritte der oben genannten Voraussetzungen des Artikels 2 der Richtlinie nicht erfüllt ist, wonach als Gegenleistung für die Einbringung Anteile am Gesellschaftskapital der übernehmenden Gesellschaft zu übertragen sind. Die übernehmende Gesellschaft habe nämlich, so führt die Kommission aus, im Gegenzug die Schulden für das von der einbringenden Gesellschaft aufgenommene Darlehen übernehmen müssen, so dass der Vorgang praktisch aus einer Art Kauf bestehe, der als solcher nicht unter die Definition des Artikels 2 der Richtlinie falle. Hierbei lässt die Kommission indessen wohl außer Acht, dass Randers Sport im Austausch gegen die verschiedenen bei Randers Sport Nyt eingebrachten Aktiv- und Passivwerte ausschließlich Aktien der übernehmenden Gesellschaft erhalten sollte; somit ist nicht ersichtlich, worin das von der Kommission erwähnte Kaufgeschäft liegen soll.

27.
    Vor Abschluss der Untersuchung der ersten drei Vorlagefragen möchte ich noch kurz auf den - vom vorlegenden Gericht ausdrücklich erwähnten - Umstand eingehen, dass der einbringenden Gesellschaft noch ein kleineres Aktienpaket einer Drittfirma verbleibt; ich befasse mich damit, um festzustellen, ob dies die Frage der Qualifizierung des Vorgangs als Einbringung von Unternehmensteilen im Sinne von Artikel 2 der Richtlinie beeinflussen kann. Hierbei kann ich mich indessen auf den Hinweis beschränken, dass der Verbleib einer Aktienbeteiligung bei der einbringenden Gesellschaft zwar der Übertragung ihres gesamten Betriebes auf die übernehmende Gesellschaft entgegenstehen kann, dass dies jedoch nicht zutrifft, wenn nur ein Teilbetrieb übertragen wird, der mit der genannten Aktienbeteiligung nichts zu tun hat.

28.
    Abschließend schlage ich vor, die ersten drei Fragen dahin zu beantworten, dass keine Einbringung von Unternehmensteilen im Sinne von Artikel 2 Buchstaben c und i der Richtlinie 90/434 vorliegt, wenn das Kapital eines von der einbringenden Gesellschaft aufgenommenen Darlehens bei dieser verbleibt und die entsprechende Schuldverpflichtung auf die übernehmende Gesellschaft übertragen wird; dies gilt ungeachtet des Zweckes, der mit einer derartigen Aufteilung des aktiven und passiven Vermögenswerts des Darlehens verfolgt wird. Eine Einbringung von Unternehmensteilen im Sinne von Artikel 2 Buchstaben c und i der Richtlinie ist hingegen denkbar, wenn die einbringende Gesellschaft bei der Übertragung eines Teilbetriebs eine selbständige Aktienbeteiligung an einer dritten Gesellschaft behält.

Zur vierten Frage

29.
    Mit der vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob es Artikel 2 Buchstaben c und i der Richtlinie 90/434 den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ermöglicht, zu bestimmen, dass die in Artikel 4 derRichtlinie vorgesehene Befreiung von der Besteuerung des Kapitalzuwachses entfällt, wenn die einbringende Gesellschaft oder Dritte eine Sicherheit zugunsten der übernehmenden Gesellschaft stellen, da in diesem Fall Zweifel an der Selbständigkeit der übernehmenden Gesellschaft bestünden.

30.
    Alle Verfahrensbeteiligten stimmen wohl im Wesentlichen darin überein, dass die übernehmende Gesellschaft im Sinne von Artikel 2 der Richtlinie wirtschaftlich selbständig und aus eigenen Mitteln funktionsfähig sein muss. Sie gelangen jedoch insbesondere in Anbetracht einer unterschiedlichen Wertung der betreffenden Auflage des Ligningsråd zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen im Hinblick auf den in Rede stehenden Fall.

31.
    Insbesondere die dänische Regierung hält eine derartige Auflage für begründet, da der Umstand, dass die einbringende Gesellschaft die Aktien der übernehmenden Gesellschaft verpfänden müsse, um den von dieser aufgenommenen Betriebskredit zu sichern, zeige, dass die übernehmende Gesellschaft nicht aus eigenen Mitteln funktionsfähig sei. Ohne speziell auf die Auflage des Ligningsråd einzugehen, betont die niederländische Regierung in demselben Sinne, dass die Selbständigkeit der übernehmenden Gesellschaft zu verneinen sei, wenn diese in Anbetracht der Einbringungsmodalitäten (hier auch angesichts einer erheblichen Schuldverpflichtung zu Lasten der übernehmenden Gesellschaft) ohne Sicherheitsleistung der einbringenden Gesellschaft, die ihr die Aufnahme eines Betriebskredits ermögliche, nicht funktionsfähig sei. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens und die Kommission vertreten hingegen die Auffassung, dass der Ligningsråd nicht ohne weiteres zu der betreffenden Auflage befugt sei, ohne eine spezifische Überprüfung bezüglich der tatsächlichen Selbständigkeit der übernehmenden Gesellschaft vorzunehmen.

32.
    Ich bin ebenfalls der Meinung, dass die übernehmende Gesellschaft von der einbringenden Gesellschaft unabhängig zu sein hat und über geeignete Mittel für die eigene Geschäftstätigkeit verfügen muss, wobei sie gegebenenfalls einen Kredit unter marktüblichen Bedingungen beziehen kann. Dies ist ausdrücklich in Artikel 2 Buchstabe i der Richtlinie unter Bezugnahme auf die Einbringung eines Teilbetriebs vorgesehen, der, wie bereits gezeigt wurde, eine „aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit“ darstellen muss; zu demselben Ergebnis - und zwar umso mehr - muss man auch gelangen, wenn es sich um die Übertragung des Gesamtbetriebs einer Gesellschaft handelt. Ich stimme jedoch mit der Klägerin des Ausgangsverfahrens, der Kommission und der niederländischen Regierung in dem Sinne überein, dass die nationalen Behörden hierbei eine Beurteilung des Einzelfalls vornehmen müssen, um den entsprechenden Besonderheiten Rechnung zu tragen. Insbesondere wenn die einbringende Gesellschaft Sicherheit für einen von der übernehmenden Gesellschaft bezogenen Kredit leistet, müssen die nationalen Behörden beurteilen, ob diese Sicherheit unerlässlich ist, um der übernehmenden Gesellschaft die eigene Geschäftstätigkeit zu ermöglichen. Ist dies der Fall, so ist davon auszugehen, dass diese Gesellschaft nicht aus eigenen Mitteln funktionsfähig ist und der Vorgang daher nicht als Einbringung vonUnternehmensteilen im Sinne von Artikel 2 Buchstaben c und i der Richtlinie angesehen werden kann.

33.
    Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, anhand der Umstände des konkreten Falles zu beurteilen, ob der Ligningsråd diese Wertung tatsächlich vorgenommen hat und ob das Ergebnis, zu dem er gelangt ist, zutrifft. Soweit hier von Bedeutung, möchte ich mich auf die Feststellung beschränken, dass es für diese Beurteilung wichtig sein kann, anhand der nationalen Rechtsvorschriften zu klären, ob mit der Intervention der einbringenden Gesellschaft (die ein Pfandrecht an den Aktien der übernehmenden Gesellschaft eingeräumt hat, um dieser den Bezug eines Betriebskredits zu ermöglichen) deren Haftung gegenüber dem Kreditinstitut verbunden war; dies könnte nämlich bedeuten, dass die übernehmende Gesellschaft ohne diese Intervention nicht in der Lage gewesen wäre, sich auf dem Markt die nötigen Mittel zu beschaffen, um ihrer Geschäftstätigkeit in üblicher Weise nachzugehen. Wie ich erneut betonen möchte, obliegt die Beurteilung dieser Frage jedoch dem vorlegenden Gericht.

34.
    Abschließend schlage ich vor, die vierte Frage dahin zu beantworten, dass die übernehmende Gesellschaft im Fall der Einbringung von Unternehmensteilen im Sinne von Artikel 2 Buchstaben c und i der Richtlinie 90/434 von der einbringenden Gesellschaft unabhängig sein und über geeignete Mittel für die eigene Geschäftstätigkeit verfügen muss, wobei sie gegebenenfalls einen Kredit unter marktüblichen Bedingungen beziehen kann. Leistet die einbringende Gesellschaft Sicherheit für einen von der übernehmenden Gesellschaft bezogenen Kredit, müssen die nationalen Behörden beurteilen, ob diese Sicherheit unerlässlich ist, um der übernehmenden Gesellschaft die eigene Geschäftstätigkeit zu ermöglichen; ist dies der Fall, ist davon auszugehen, dass diese Gesellschaft nicht aus eigenen Mitteln funktionsfähig ist.

Ergebnis

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorabentscheidungsfragen des Vestre Landsret wie folgt zu beantworten:

Es liegt keine Einbringung von Unternehmensteilen im Sinne von Artikel 2 Buchstaben c und i der Richtlinie 90/343/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, vor, wenn das Kapital eines von der einbringenden Gesellschaft aufgenommenen Darlehens bei dieser verbleibt und die entsprechende Schuldverpflichtung auf die übernehmende Gesellschaft übertragen wird; dies gilt ungeachtet des Zweckes, der mit einer derartigen Aufteilung des aktiven und passiven Vermögenswerts des Darlehens verfolgt wird. Eine Einbringung von Unternehmensteilen im Sinne von Artikel 2 Buchstaben c und i der Richtlinie ist hingegen denkbar, wenn die einbringende Gesellschaft bei derÜbertragung eines Teilbetriebs eine selbständige Aktienbeteiligung an einer dritten Gesellschaft behält.

Um einen Vorgang als Einbringung von Unternehmensteilen im Sinne von Artikel 2 Buchstaben c und i der Richtlinie 90/434 ansehen zu können, muss die übernehmende Gesellschaft von der einbringenden Gesellschaft unabhängig sein und über geeignete Mittel für die eigene Geschäftstätigkeit verfügen, wobei sie gegebenenfalls einen Kredit unter marktüblichen Bedingungen beziehen kann. Leistet die einbringende Gesellschaft Sicherheit für einen von der übernehmenden Gesellschaft bezogenen Kredit, müssen die nationalen Behörden beurteilen, ob diese Sicherheit unerlässlich ist, um der übernehmenden Gesellschaft die eigene Geschäftstätigkeit zu ermöglichen; ist dies der Fall, ist davon auszugehen, dass diese Gesellschaft nicht aus eigenen Mitteln funktionsfähig ist.


1: -     Originalsprache: Italienisch.


2: -     ABl. L 225, S. 1.


3: -     Urteil vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-28/95 (Leur-Bloem, Slg. 1997, I-4161, Randnrn. 32 bis 34).