Language of document : ECLI:EU:C:2023:859

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

9. November 2023(*)

„Rechtsmittel – Unionsmarke – Zulassung von Rechtsmitteln – Art. 170b der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Antrag auf Zulassung, in dem die Bedeutsamkeit einer Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts nicht dargetan wird – Nichtzulassung des Rechtsmittels“

In der Rechtssache C‑443/23 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 13. Juli 2023,

Consulta GmbH mit Sitz in Cham (Schweiz), vertreten durch Rechtsanwältin S. Brandstätter sowie Rechtsanwälte S. Clotten und M. Kinkeldey,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),

Beklagter im ersten Rechtszug,

Mario Karlinger, wohnhaft in Sölden (Österreich),

Streithelfer im ersten Rechtszug,


erlässt

DER GERICHTSHOF (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Safjan und M. Gavalec (Berichterstatter),

Kanzler: A. Calot Escobar,

auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts A. Rantos

folgenden

Beschluss

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Consulta GmbH die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 17. Mai 2023, Consulta/EUIPO – Karlinger (ACASA) (T‑267/22, EU:T:2023:268) (im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 24. Januar 2022 (Sache R 487/2021-1) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Mario Karlinger und der Consulta GmbH abgewiesen hat.

 Zum Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels

2        Nach Art. 58a Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union entscheidet der Gerichtshof vorab über die Zulassung von Rechtsmitteln gegen eine Entscheidung des Gerichts, die eine Entscheidung einer unabhängigen Beschwerdekammer des EUIPO betrifft.

3        Gemäß Art. 58a Abs. 3 der Satzung wird ein Rechtsmittel nach den in der Verfahrensordnung des Gerichtshofs im Einzelnen festgelegten Modalitäten ganz oder in Teilen nur dann zugelassen, wenn damit eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen wird.

4        Art. 170a Abs. 1 der Verfahrensordnung sieht vor, dass der Rechtsmittelführer in den Fällen von Art. 58a Abs. 1 der Satzung seiner Rechtsmittelschrift einen Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels als Anlage beizufügen hat, in dem er die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage darlegt, die mit dem Rechtsmittel aufgeworfen wird, und der sämtliche Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über diesen Antrag zu entscheiden.

5        Nach Art. 170b Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels so rasch wie möglich durch mit Gründen versehenen Beschluss.

 Vorbringen der Rechtsmittelführerin

6        Die Rechtsmittelführerin stützt ihren Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels darauf, dass mit ihrem einzigen Rechtsmittelgrund eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen werde.

7        Erstens bestanstandet die Rechtsmittelführerin, das Gericht habe in den Rn. 52 und 53 des angefochtenen Urteils die Unterscheidungskraft der Marke „ACASA“ nicht in ihrer eingetragenen Form beurteilt, sondern der Marke Bestandteile hinzugefügt und sie somit in einen Gesamtzusammenhang gestellt, der nicht Gegenstand der Eintragung sei. Hierdurch habe es nicht nur gegen Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) verstoßen, sondern auch seiner früheren Rechtsprechung aus den Urteilen vom 16. März 2016, Schoeller Corporation/HABM – Sqope [SCOPE] (T‑90/15, EU:T:2016:153, Rn. 35), und vom 16. Februar 2017, Gruppe Nymphenburg Consult/EUIPO (Limbic® Map) (T‑513/15, EU:T:2017:84, Rn. 37 bis 40, widersprochen, nach der es unzulässig sei, bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft der Marke Bestandteile hinzuzufügen oder wegzulassen.

8        Des Weiteren habe das Gericht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Deutschland) missachtet, wonach bei der Prüfung der absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 des Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen das Zeichen ausschließlich in der angemeldeten oder eingetragenen Form zu berücksichtigen sei.

9        Zwar stelle die Unionsmarkenverordnung ein autonomes System dar, doch unterlägen das nationale Markenrecht und die darin geregelten Eintragungshindernisse einer Angleichung gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25). Daher sei es zur Gewährleistung der Einheit und der Kohärenz des Unionsrechts erforderlich, u. a. für die nationalen Gerichte und die nationalen Markenämter den Inhalt der Marke klarzustellen, der der Prüfung der absoluten Eintragungshindernisse zugrunde liegen solle.

10      Zweitens macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe in den Rn. 54 und 55 des angefochtenen Urteils Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 falsch ausgelegt, indem es festgestellt habe, dass die Marke „ACASA“ eine herkömmliche Werbeaussage darstelle, die nicht geeignet sei, beim italienischsprachigen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise einen Denkprozess auszulösen oder einen Interpretationsaufwand zu fordern. Um den behaupteten anpreisenden Charakter dieser Marke wahrzunehmen, müssten die italienischsprachigen Verkehrskreise der Marke „ACASA“ jedoch Bestandteile hinzufügen, die in der Anmeldemarke nicht enthalten seien und sie somit in einen Gesamtzusammenhang stelle. Dies zeuge von einem Denkprozess, der ausreiche, um dieser Marke Unterscheidungskraft zu verleihen.

11      Um die Einheit und Kohärenz des absoluten Eintragungshindernisses nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 zu gewährleisten, sei es daher erforderlich, klare Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke, die aus einem Werbeslogan bestehe, festzulegen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

12      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des Rechtsmittelführers ist, darzutun, dass die mit seinem Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 20, und vom 11. Juli 2023, EUIPO/Neoperl, C‑93/23 P, EU:C:2023:601, Rn. 18).

13      Außerdem muss, wie sich aus Art. 58a Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 170b Abs. 4 der Verfahrensordnung ergibt, der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels sämtliche Angaben enthalten, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über die Zulassung des Rechtsmittels zu entscheiden und im Fall der teilweisen Zulassung des Rechtsmittels dessen Gründe oder Teile zu bestimmen, auf die sich die Rechtsmittelbeantwortung beziehen muss. Da der Mechanismus der vorherigen Zulassung von Rechtsmitteln nach Art. 58a der genannten Satzung die Kontrolle durch den Gerichtshof auf die Fragen beschränken soll, die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind, sind vom Gerichtshof nämlich nur die Gründe im Rahmen des Rechtsmittels zu prüfen, die solche Fragen aufwerfen; diese Gründe müssen vom Rechtsmittelführer dargetan worden sein (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 21, und vom 11. Juli 2023, EUIPO/Neoperl, C‑93/23 P, EU:C:2023:601, Rn. 19).

14      Daher muss ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in jedem Fall klar und genau die Gründe angeben, auf die das Rechtsmittel gestützt wird, ebenso genau und klar die von jedem Rechtsmittelgrund aufgeworfene Rechtsfrage benennen, erläutern, ob diese Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam ist, und klar darlegen, warum diese Frage im Hinblick auf das geltend gemachte Kriterium bedeutsam ist. Was insbesondere die Rechtsmittelgründe betrifft, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels nähere Angaben zu der Bestimmung des Unionsrechts oder der Rechtsprechung enthalten, gegen die durch das angefochtene Urteil verstoßen worden sein soll, in gedrängter Form darlegen, worin der vom Gericht angeblich begangene Rechtsfehler besteht, und Ausführungen dazu machen, inwieweit sich dieser Fehler auf das Ergebnis des angefochtenen Urteils ausgewirkt hat. Ist der gerügte Rechtsfehler das Ergebnis einer Verkennung der Rechtsprechung, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in gedrängter Form, aber klar und genau darlegen, erstens, wo der behauptete Widerspruch zu finden ist, indem sowohl die Randnummern des mit dem Rechtsmittel angefochtenen Urteils oder Beschlusses, die der Rechtsmittelführer in Frage stellt, als auch die Randnummern der Entscheidung des Gerichtshofs oder des Gerichts angegeben werden, die missachtet worden sein sollen, und zweitens die konkreten Gründe, aus denen ein solcher Widerspruch eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 22, und vom 11. Juli 2023, EUIPO/Neoperl, C‑93/23 P, EU:C:2023:601, Rn. 20).

15      Ein Antrag auf Zulassung, der die in der vorstehenden Randnummer angeführten Angaben nicht enthält, ist nämlich von vornherein nicht geeignet, zu belegen, dass das Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft, die seine Zulassung rechtfertigt (Beschlüsse vom 24. Oktober 2019, Porsche/EUIPO, C‑613/19 P, EU:C:2019:905, Rn. 16, und vom 17. Juli 2023, Canai Technology/EUIPO, C‑280/23 P, EU:C:2023:596, Rn. 12).

16      Erstens ist zu dem in Rn. 7 des vorliegenden Beschlusses wiedergegebenen Vorbringen, dass das Gericht gegen seine eigene Rechtsprechung verstoße, darauf hinzuweisen, dass ein solches Vorbringen entsprechend der Beweislast, die dem Urheber eines Antrags auf Zulassung des Rechtsmittels obliegt, für sich genommen nicht als Nachweis dafür ausreicht, dass das Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft. Der Antragsteller muss nämlich hierfür sämtliche in Rn. 13 des vorliegenden Beschlusses angeführten Anforderungen erfüllen. Jedoch ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin zwar die beanstandeten Randnummern des angefochtenen Urteils und die Randnummern der Entscheidungen des Gerichts angibt, die missachtet worden sein sollen, aber hinsichtlich der Gleichartigkeit der Situationen, um die es in diesen Entscheidungen ging, keine hinreichenden Ausführungen macht, die die Feststellung ermöglichen würden, dass der geltend gemachte Widerspruch tatsächlich vorliegt (vgl. entsprechend Beschluss vom 13. Juli 2023, Hecht Pharma/EUIPO, C‑142/23 P, EU:C:2023:600, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Zu dem in Rn. 8 des vorliegenden Beschlusses wiedergegebenen Vorbringen zur Missachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Hinweis, dass die Unionsregelung für Marken ein autonomes System ist, das aus einer Gesamtheit von ihm eigenen Zielsetzungen und Vorschriften besteht, so dass seine Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist. Folglich lässt der Umstand, dass ein nationales Gericht bei der Anwendung einer Bestimmung des nationalen Rechts zu einem anderen Ergebnis gelangt ist als dem, zu dem das Gericht bei der Anwendung einer Bestimmung des Unionsrechts gelangt ist, für sich genommen keineswegs erkennen, dass eine für die Einheit und die Kohärenz des Unionsrechts bedeutsame Frage vorliegt (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 28. Mai 2020, Billa/EUIPO, C‑61/20 P, EU:C:2020:408, Rn. 20).

18      Außerdem beschränkt sich, was das in Rn. 9 des vorliegenden Beschlusses wiedergegebene Vorbringen angeht, die Rechtsmittelführerin darauf, vorzutragen, dass zur Gewährleistung der Einheit und der Kohärenz des Unionsrechts eine Entscheidung des Gerichtshofs erforderlich sei, um den Inhalt der Marke klarzustellen, der im Hinblick auf die Angleichung der nationalen Markenrechtsvorschriften der Prüfung der absoluten Eintragungshindernisse zugrunde liegen soll, ohne dass sie jedoch speziell darlegt, warum diese Klarstellung eine für die Einheit und die Kohärenz des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft.

19      Zweitens ist zu dem in den Rn. 10 und 11 des vorliegenden Beschlusses wiedergegebenen Vorbringen betreffend die Notwendigkeit, klare Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke festzulegen, die aus einem Werbeslogan besteht, festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin zwar die Rechtsfehler bezeichnet, die das Gericht begangen haben soll, sie aber weder hinreichend erläutert noch jedenfalls dartut, inwiefern solche Rechtsfehler, ihr Vorliegen unterstellt, für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Fragen aufwerfen, die die Zulassung des Rechtsmittels rechtfertigen würden (vgl. entsprechend Beschluss vom 11. Mai 2023, Heinze/L’Oréal und EUIPO, C‑15/23 P, EU:C:2023:407, Rn. 18). Daher ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin nicht alle in Rn. 13 des vorliegenden Beschlusses genannten Anforderungen erfüllt hat.

20      Somit hat die Rechtsmittelführerin in ihrem Antrag nicht dargetan, dass mit dem Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen wird.

21      Nach alledem ist das Rechtsmittel nicht zuzulassen.

 Kosten

22      Nach Art. 137 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, wird über die Kosten in dem das Verfahren beendenden Beschluss entschieden.

23      Da der vorliegende Beschluss ergeht, bevor die Rechtsmittelschrift den anderen Parteien des Verfahrens zugestellt worden ist und ihnen Kosten entstehen konnten, ist zu entscheiden, dass die Rechtsmittelführerin ihre eigenen Kosten trägt.


Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln) beschlossen:

1.      Das Rechtsmittel wird nicht zugelassen.

2.      Die Consulta GmbH trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 9. November 2023

Der Kanzler

      Der Präsident der Kammer
            für die Zulassung von 
      

Rechtsmitteln

A. Calot Escobar

 

      L. Bay Larsen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.