Language of document : ECLI:EU:T:2018:715

Rechtssache T435/12

Bacardi Co. Ltd

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum

„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Unionsbildmarke 42 BELOW – Nicht eingetragene ältere nationale Bildmarke VODKA 42 – Relatives Eintragungshindernis – Art. 8 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 4 der Verordnung [EU] 2017/1001) – Benutzung im geschäftlichen Verkehr – Anwendung nationalen Rechts durch das EUIPO“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 24. Oktober 2018

1.      Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Kurze Darstellung der Klagegründe

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 76 Buchst. d)

2.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Zeichens – Voraussetzungen – Auslegung im Licht des Unionsrechts – Beurteilung nach den Kriterien des für das angeführte Zeichen geltenden nationalen Rechts

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 4)

3.      Unionsmarke – Beschwerdeverfahren – Klage beim Unionsrichter – Zuständigkeit des Gerichts – Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern erlassenen Entscheidungen – Erneute Prüfung tatsächlicher Umstände anhand von Beweisen, die nicht zuvor den Stellen des Amtes vorgelegt wurden – Ausschluss

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 65)

4.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Zeichens – Benutzung des Zeichens im geschäftlichen Verkehr – Zeitliches Kriterium

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 4 Buchst. a)

5.      Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Relative Nichtigkeitsgründe – Befugnis, die Benutzung der Marke aufgrund eines sonstigen älteren Rechts zu untersagen – Kontrolle hinsichtlich des anwendbaren nationalen Rechts durch die zuständigen Stellen des Amtes und durch das Gericht – Umfang

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 65 Abs. 1 und 2; Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Art. 1 Regel 37)

6.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Zeichens – Kennzeichen, das seinem Inhaber das Recht verleiht, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen – Beweislast

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 4 Buchst. b)

7.      Unionsmarke – Verfahrensvorschriften – Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen – Widerspruchsverfahren – Auf das Vorbringen beschränkte Prüfung – Würdigung der angeführten Tatsachen und der Beweiskraft der vorgelegten Beweisstücke durch das Amt –Umfang

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 76)

8.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Zeichens – Bildmarke 42 BELOW – Nicht eingetragene Bildmarke VODKA 42

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 4)

9.      Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer nicht eingetragenen Marke oder eines sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Zeichens – Voraussetzungen – Bestehen eines älteren Rechts, das nicht durch eine rechtskräftig gewordene gerichtliche Entscheidung für ungültig erklärt wurde

(Verordnung Nr. 207/2009 des Rates, Art. 8 Abs. 4)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 29)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 43-45, 59)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 52)

4.      Auf die Voraussetzung einer Benutzung des für den Widerspruch geltend gemachten Zeichens im geschäftlichen Verkehr ist dasselbe zeitliche Kriterium wie das in Art. 8 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 über die Unionsmarke für den Erwerb des Rechts an diesem Kennzeichen ausdrücklich verlangte anzuwenden, also der Tag der Anmeldung der Unionsmarke zu berücksichtigen.

(vgl. Rn. 60)

5.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 78-82)

6.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 84)

7.      Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) hat zu prüfen, ob in einem Widerspruchsverfahren die Voraussetzungen für das Vorliegen eines geltend gemachten Eintragungshindernisses erfüllt sind. In diesem Rahmen muss es die angeführten Tatsachen und die Beweiskraft der von den Beteiligten vorgelegten Beweisstücke würdigen. Das EUIPO kann veranlasst sein, insbesondere das nationale Recht des Mitgliedstaats zu berücksichtigen, in dem das ältere Zeichen geschützt ist, auf das der Widerspruch gestützt wird. In diesem Fall muss es sich von Amts wegen mit den ihm hierzu zweckdienlich erscheinenden Mitteln über das nationale Recht des betreffenden Mitgliedstaats informieren, soweit entsprechende Kenntnisse für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des fraglichen Eintragungshindernisses und vor allem für die Würdigung der vorgetragenen Tatsachen oder der Beweiskraft der vorgelegten Unterlagen erforderlich sind.

(vgl. Rn. 85)

8.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 89-105)

9.      Damit ein Widersprechender auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 über die Unionsmarke die Eintragung einer Unionsmarke verhindern kann, ist es nach der Rechtsprechung erforderlich und ausreichend, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) prüft, ob alle Voraussetzungen für den Widerspruch erfüllt sind, das Bestehen eines älteren Rechts geltend gemacht werden kann, das nicht durch eine unanfechtbar gewordene gerichtliche Entscheidung für ungültig erklärt wurde.

Unter diesen Umständen muss das Amt zwar, wenn es über einen auf Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 gestützten Widerspruch entscheidet, die Entscheidungen der Gerichte der betreffenden Mitgliedstaaten über die Gültigkeit oder die Qualifizierung der geltend gemachten älteren Rechte berücksichtigen, um sich zu vergewissern, dass diese immer noch die von dieser Bestimmung geforderte Wirkung haben, doch darf es nicht seine eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen der zuständigen nationalen Gerichte setzen, zumal ihm diese Befugnis von der Verordnung Nr. 207/2009 nicht verliehen wird.

Im Übrigen kann die Gültigkeit einer nationalen Marke nicht im Rahmen des Verfahrens der Eintragung einer Unionsmarke, sondern nur in einem im betreffenden Mitgliedstaat angestrengten Nichtigkeitsverfahren in Frage gestellt werden. Überdies hat das Amt zwar auf der Grundlage von Beweisen, die der Widersprechende vorlegen muss, das Bestehen der für den Widerspruch angeführten nationalen Marke zu überprüfen, nicht aber über einen Konflikt zwischen dieser Marke und einer anderen Marke auf nationaler Ebene zu entscheiden; die Entscheidung darüber fällt in die Zuständigkeit der nationalen Stellen.

Solange daher die ältere nationale Marke tatsächlich geschützt ist, ist die Existenz einer noch älteren nationalen eingetragenen Marke oder eines noch älteren anderen Rechts im Rahmen eines Widerspruchs gegen die Anmeldung einer Unionsmarke irrelevant, selbst wenn die angemeldete Marke mit einer nationalen Marke des die Anmeldung betreibenden Unternehmens oder einem anderen Recht identisch ist, die oder das älter ist als die nationale Widerspruchsmarke.

(vgl. Rn. 108-111)