Language of document : ECLI:EU:T:2021:594

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

15. September 2021(*)

„Biozidprodukte – Wirkstoff PHMB (1415; 4.7) – Nichtgenehmigung für die Produktarten 1, 5 und 6 – Bedingte Genehmigung für die Produktarten 2 und 4 – Risiken für Mensch und Umwelt – Verordnung (EU) Nr. 528/2012 – Art. 6 Abs. 7 Buchst. a und b der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 – Harmonisierte Einstufung des Wirkstoffs aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 – Vorherige Konsultation der ECHA – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Analogiekonzept – Anspruch auf rechtliches Gehör“

In den Rechtssachen T‑337/18 und T‑347/18,

Laboratoire Pareva mit Sitz in Saint-Martin-de-Crau (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte K. Van Maldegem, S. Englebert, P. Sellar und M. Grunchard,

Klägerin in den Rechtssachen T‑337/18 und T‑347/18,

Biotech3D Ltd & Co. KG mit Sitz in Gampern (Österreich), Prozessbevollmächtigte: K. Van Maldegem, S. Englebert, P. Sellar und M. Grunchard,

Klägerin in der Rechtssache T‑347/18,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch R. Lindenthal und K. Mifsud-Bonnici als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch A.‑L. Desjonquères, J. Traband, E. Leclerc und W. Zemamta als Bevollmächtigte,

und durch

Europäische Chemikalienagentur (ECHA), vertreten durch M. Heikkilä, C. Buchanan und T. Zbihlej als Bevollmächtigte,

Streithelferinnen,

wegen Klagen gemäß Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung – in der Rechtssache T‑337/18 – des Durchführungsbeschlusses (EU) 2018/619 der Kommission vom 20. April 2018 zur Nichtgenehmigung von PHMB (1415; 4.7) als alten Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 1, 5 und 6 (ABl. 2018, L 102, S. 21) und – in der Rechtssache T‑347/18 – der Durchführungsverordnung (EU) 2018/613 der Kommission vom 20. April 2018 über die Genehmigung von PHMB (1415; 4.7) als alten Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 2 und 4 (ABl. 2018, L 102, S. 1)

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. da Silva Passos sowie der Richterin I. Reine (Berichterstatterin) und des Richters M. Sampol Pucurull,

Kanzler: A. Juhász-Tóth, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2020

folgendes

Urteil

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Verordnung Nr. 528/2012 und Delegierte Verordnung Nr. 1062/2014

1        Die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. 2012, L 167, S. 1) regelt u. a. die Erstellung einer auf Ebene der Europäischen Union gültigen Liste von Wirkstoffen, die in Biozidprodukten verwendet werden dürfen.

2        Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 wird ein Wirkstoff für einen Anfangszeitraum von höchstens zehn Jahren genehmigt, wenn angenommen werden kann, dass mindestens ein Biozidprodukt, das diesen Wirkstoff enthält, die Kriterien in Art. 19 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung erfüllt, wobei die Faktoren gemäß Art. 19 Abs. 2 und 5 der Verordnung berücksichtigt werden.

3        In Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 ist festgelegt, welche Mindestdaten in dem der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zur Begründung eines Genehmigungsantrags vorgelegten Dossier enthalten sein müssen. Nach Art. 6 Abs. 3 dieser Verordnung kann der Antragsteller aber vorschlagen, bestimmte als Teil der Dossiers verlangte Daten im Einklang mit Anhang IV der Verordnung anzupassen.

4        Außerdem sieht Art. 7 der Verordnung Nr. 528/2012, der die Einreichung und Validierung von Anträgen betrifft, u. a. vor:

„(1)      Der Antragsteller beantragt die Genehmigung eines Wirkstoffs oder die spätere Änderung der Bedingungen für die Genehmigung eines Wirkstoffs bei der [ECHA], teilt dieser den Namen der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats mit, die er für die Bewertung des Antrags vorschlägt, und legt eine schriftliche Bestätigung dafür vor, dass die zuständige Behörde dem zustimmt. Diese zuständige Behörde ist die bewertende zuständige Behörde.

(3)      Innerhalb von 30 Tagen nach Annahme eines Antrags durch die [ECHA] validiert die bewertende zuständige Behörde den Antrag, sofern die nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a und b und gegebenenfalls Buchstabe c [dieser Verordnung] verlangten Daten und etwaige Begründungen für die Anpassung von Datenanforderungen vorliegen.

(4)      Erachtet die bewertende zuständige Behörde einen Antrag als unvollständig, so teilt sie dem Antragsteller mit, welche zusätzlichen Angaben für die Validierung des Antrags erforderlich sind, und setzt eine angemessene Frist für die Übermittlung dieser Angaben. Diese Frist beträgt im Regelfall höchstens 90 Tage.

Die bewertende zuständige Behörde validiert innerhalb von 30 Tagen nach Eingang der zusätzlichen Angaben den Antrag, wenn sie feststellt, dass die vorliegenden zusätzlichen Angaben zur Erfüllung der Anforderung gemäß Absatz 3 [dieses Artikels] ausreichen.

Die bewertende zuständige Behörde lehnt den Antrag ab, wenn der Antragsteller die verlangten Angaben nicht fristgemäß übermittelt …“

5        Art. 8 der Verordnung Nr. 528/2012 lautet:

„(1)      Innerhalb von 365 Tagen nach der Validierung eines Antrags bewertet die bewertende zuständige Behörde diesen Antrag gemäß den Artikeln 4 und 5 [dieser Verordnung], gegebenenfalls einschließlich des etwaigen Vorschlags für die Abweichung von Datenanforderungen, der gemäß Artikel 6 Absatz 3 [dieser Verordnung] eingereicht wurde, und übermittelt der [ECHA] einen Bewertungsbericht und die Schlussfolgerungen ihrer Bewertung.

Bevor die bewertende zuständige Behörde der [ECHA] ihre Schlussfolgerungen übermittelt, gibt sie dem Antragsteller die Möglichkeit, innerhalb von 30 Tagen zu dem Bewertungsbericht und den Schlussfolgerungen der Bewertung schriftlich Stellung zu nehmen. Die bewertende zuständige Behörde trägt dieser Stellungnahme in der Endfassung ihrer Bewertung angemessen Rechnung.

(2)      Zeigt sich, dass für die Bewertung weitere Angaben erforderlich sind, so fordert die bewertende zuständige Behörde den Antragsteller auf, diese Angaben innerhalb einer vorgegebenen Frist zu übermitteln, und teilt dies der [ECHA] mit. Wie in Artikel 6 Absatz 2 Unterabsatz 2 [dieser Verordnung] vorgesehen, kann die bewertende zuständige Behörde gegebenenfalls verlangen, dass der Antragsteller ausreichende Daten vorlegt, damit festgestellt werden kann, ob ein Wirkstoff die Kriterien gemäß Artikel 5 Absatz 1 oder Artikel 10 Absatz 1 [dieser Verordnung] erfüllt. Die Frist von 365 Tagen gemäß Absatz 1 [dieses] Artikels wird von dem Tag, an dem diese Angaben angefordert werden, bis zu dem Tag, an dem sie vorliegen, ausgesetzt. Die Aussetzung beträgt insgesamt jedoch höchstens 180 Tage, es sei denn, die Art der angeforderten Angaben oder außergewöhnliche Umstände rechtfertigen eine längere Aussetzung.

(4)      Innerhalb von 270 Tagen nach Eingang der Schlussfolgerungen der Bewertung verfasst die [ECHA] eine Stellungnahme über die Genehmigung des Wirkstoffs, bei der sie die Schlussfolgerungen der bewertenden zuständigen Behörde berücksichtigt, und übermittelt sie der Kommission.“

6        In Art. 10 der Verordnung Nr. 528/2012, der die zu ersetzenden Stoffe betrifft, heißt es:

„(1)      Ein Wirkstoff wird als zu ersetzender Stoff eingestuft, wenn er mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt:

d)      Er erfüllt zwei der Kriterien, nach denen er gemäß Anhang XIII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 als [persistent, bioakkumulierbar und toxisch] einzustufen ist.

(4)      Abweichend von Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 12 Absatz 3 [dieser Verordnung] erfolgt die Genehmigung eines Wirkstoffs, der als zu ersetzender Stoff eingestuft wurde, und jede Verlängerung für höchstens sieben Jahre …“

7        Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012, der die Voraussetzungen für die Erteilung der Zulassung eines Biozidprodukts zum Gegenstand hat, bestimmt:

„Ein Biozidprodukt … wird zugelassen, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a)      Die Wirkstoffe sind in Anhang I [dieser Verordnung] aufgenommen oder sind für die betreffende Produktart genehmigt, und etwaige Bedingungen, die für diese Wirkstoffe genannt sind, werden eingehalten.

b)      Nach den gemeinsamen Grundsätzen des Anhangs VI [der Verordnung] für die Bewertung von Dossiers für Biozidprodukte wurde nachgewiesen, dass das Biozidprodukt bei einer der Zulassung entsprechenden Verwendung und unter Berücksichtigung der in Absatz 2 [dieses] Artikels genannten Faktoren die folgenden Kriterien erfüllt:

i)      Das Biozidprodukt ist hinreichend wirksam.

ii)      Das Biozidprodukt hat keine unannehmbaren Wirkungen auf die Zielorganismen und verursacht insbesondere keine unannehmbare Resistenz oder Kreuzresistenz bzw. bei Wirbeltieren keine unnötigen Leiden oder Schmerzen.

iii)      Das Biozidprodukt hat – weder selbst noch aufgrund seiner Rückstände – sofortige oder verzögerte unannehmbare Wirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier, einschließlich gefährdeter Gruppen, weder direkt noch über das Trinkwasser, über Lebens- oder Futtermittel oder über die Luft noch durch andere indirekte Effekte.

iv)      Das Biozidprodukt hat selbst oder aufgrund seiner Rückstände keine unannehmbaren Wirkungen auf die Umwelt …“

8        Die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 der Kommission vom 4. August 2014 über das Arbeitsprogramm zur systematischen Prüfung aller in Biozidprodukten enthaltenen alten Wirkstoffe gemäß der Verordnung Nr. 528/2012 (ABl. 2014, L 294, S. 1) regelt die Durchführung des genannten Arbeitsprogramms.

9        Insbesondere enthält Art. 6 Abs. 7 der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 in der auf den Sachverhalt anwendbaren Fassung folgende Regelung:

„Soweit angezeigt, unternimmt die bewertende zuständige Behörde nach dem Abschluss der Gefährdungsbewertung unverzüglich und spätestens zum Zeitpunkt der Einreichung des Bewertungsberichts gemäß Absatz 3 folgende Schritte:

a)      Sie legt der [ECHA] gemäß Artikel 37 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 einen Vorschlag vor, wenn sie der Auffassung ist, dass eines der in Artikel 36 Absatz 1 der Verordnung genannten Kriterien erfüllt ist und in Anhang VI Teil 3 der Verordnung nicht richtig behandelt wird;

b)      sie konsultiert die [ECHA], wenn sie der Auffassung ist, dass eines der Kriterien gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe d oder e der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 oder die Voraussetzung gemäß Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung erfüllt ist und in Anhang XIV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 oder in der in Artikel 59 Absatz 1 der Verordnung genannten Liste der für die Aufnahme in Anhang XIV infrage kommenden Stoffe nicht richtig behandelt wird.“

B.      Vorschriften über die Einstufung und die Kennzeichnung chemischer Stoffe

10      Mit der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. 2008, L 353, S. 1) sollen die Kriterien für die Einstufung von Stoffen und Gemischen sowie die Vorschriften über die Kennzeichnung und die Verpackung gefährlicher Stoffe und Gemische harmonisiert werden.

11      In Art. 36 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1272/2008 heißt es u. a.:

„(1)      Ein Stoff, der den Kriterien nach Anhang I in folgenden Punkten entspricht, unterliegt in der Regel den Bestimmungen betreffend die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung nach Artikel 37 [dieser Verordnung]:

c)      Karzinogenität, Kategorien 1A, 1B oder 2 (Anhang I Abschnitt 3.6),

(2)      Stoffe, bei denen es sich um Wirkstoffe im Sinne der … Richtlinie 98/8/EG handelt, unterliegen in der Regel den Bestimmungen betreffend die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung. Auf diese Stoffe finden die Verfahren nach Artikel 37 Absätze 1, 4, 5 und 6 [der Verordnung] Anwendung.“

12      Art. 37 der Verordnung Nr. 1272/2008, der das Harmonisierungsverfahren betrifft, sieht vor:

„(1)      Eine zuständige Behörde kann der [ECHA] einen Vorschlag für eine harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen … oder einen Vorschlag zu ihrer Überprüfung vorlegen …

(2)      Ein Hersteller, Importeur oder nachgeschalteter Anwender eines Stoffes kann der [ECHA] einen Vorschlag für eine harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung dieses Stoffes … vorlegen …

(4)      Der gemäß Artikel 76 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 eingesetzte Ausschuss für Risikobeurteilung der [ECHA] gibt zu Vorschlägen gemäß den Absätzen 1 oder 2 innerhalb von 18 Monaten nach Eingang des Vorschlags eine Stellungnahme ab und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Die [ECHA] leitet diese Stellungnahme sowie etwaige Bemerkungen an die Kommission weiter.

(5)      Gelangt die Kommission zu der Auffassung, dass eine Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung des betreffenden Stoffes angezeigt ist, unterbreitet sie unverzüglich einen Entwurf für eine Entscheidung über die Aufnahme dieses Stoffes zusammen mit den relevanten Einstufungs- und Kennzeichnungselementen in Anhang VI Teil 3 Tabelle 3.1 [der Verordnung] …

Bis zum 31. Mai 2015 erfolgt zu denselben Bedingungen ein entsprechender Eintrag in Anhang VI Teil 3 Tabelle 3.2.

…“

II.    Vorgeschichte des Rechtsstreits

13      Die Firma Laboratoire Pareva ist Herstellerin des Wirkstoffs Polyhexamethylenbiguanidhydrochlorid (im Folgenden: PHMB). Dieser Stoff wird zur Verwendung in Bioziden als Desinfektions- und Schutzmittel produziert.

14      Die Biotech3D Ltd & Co. KG ist eine Kundin von Laboratoire Pareva, die PHMB (1415; 4.7) bei der Herstellung von Biozidprodukten verwendet, die sie in der Union vertreibt.

15      Im Rahmen des durch die Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten (ABl. 1998, L 123, S. 1) aufgestellten Programms zur Bewertung alter Wirkstoffe meldete Laboratoire Pareva bei der Europäischen Kommission PHMB (1415; 4.7) im Zusammenhang mit verschiedenen Produktarten unter der CAS-Nummer 91403-50-8 (im Folgenden: Pareva-PHMB oder PHMB [1415; 4.7]) an.

16      Im Rahmen desselben Bewertungsprogramms meldete Lonza (vormals Arch Chemicals), die nicht mit Laboratoire Pareva verbunden ist, bei der Kommission PHMB (1600; 1.8) im Zusammenhang mit verschiedenen Produktarten unter den beiden CAS-Nummern 27083-27-8 und 32289-58-0 (im Folgenden: Lonza-PHMB) an.

17      Laboratoire Pareva und Lonza beabsichtigten, ein gemeinsames Dossier für PHMB einzureichen. Nach mehreren Treffen und einem Schriftverkehr unterrichtete Lonza mit Schreiben vom 12. Februar 2007 Laboratoire Pareva darüber, dass diesbezüglich eine umfassende Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht möglich sei, da sich kaum nachweisen lasse, dass die beiden Anmeldungen genau dieselbe Stoffspezifikation beträfen.

18      Am 31. Juli 2007 reichte Laboratoire Pareva ein Dossier im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 528/2012 zu dem Antrag auf Genehmigung von PHMB (1415; 4.7) für die Produktarten 1 (menschliche Hygiene), 2 (Desinfektionsmittel und Algenbekämpfungsmittel, die nicht für eine direkte Anwendung bei Menschen und Tieren bestimmt sind), 4 (Desinfektionsmittel für den Lebens- und Futtermittelbereich), 5 (Trinkwasser) und 6 (Schutzmittel für Produkte während der Lagerung) beim französischen Ministerium für Ökologie und nachhaltige Entwicklung in dessen Eigenschaft als bewertender zuständiger Behörde (im Folgenden: bewertende zuständige Behörde) ein. Laboratoire Pareva fügte einen Vermerk bei, in dem erläutert wurde, weshalb es nicht möglich gewesen sei, zusammen mit Lonza ein gemeinsames Dossier für PHMB vorzulegen.

19      Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 teilte die bewertende zuständige Behörde Laboratoire Pareva mit, das von ihr eingereichte Dossier sei nicht für ausreichend erachtet worden, um die Gefahren, die Risiken und die Wirksamkeit von PHMB (1415; 4.7) bewerten zu können.

20      Nach mehreren Treffen und Besprechungen zwischen der bewertenden zuständigen Behörde und Laboratoire Pareva übermittelte Letztere zusätzliche Angaben, darunter neue Berichte und Studien für die Produktarten 1, 2, 4, 5 und 6.

21      Im September 2015 erhielt Laboratoire Pareva eine neue CAS-Nummer für PHMB (1415; 4.7), nämlich die Nummer 1802181-67-4.

22      Am 3. Juni 2016 leitete die bewertende zuständige Behörde Laboratoire Pareva den Entwurf eines Bewertungsberichts für den Stoff PHMB (1415; 4.7) im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 für die Produktarten 1, 2, 4, 5 und 6 (im Folgenden: Entwurf des Bewertungsberichts vom Juni 2016) zu.

23      In einem Positionspapier vom 4. Juli 2016 mit dem Titel „Irrelevanz der Einstufung von PHMB als ‚persistenter‘ Stoff“ nahm Laboratoire Pareva zu der Persistenz- und Toxizitätsbewertung von PHMB (1415; 4.7) im Entwurf des Bewertungsberichts vom Juni 2016 Stellung (im Folgenden: Positionspapier vom 4. Juli 2016).

24      Am 13. Dezember 2016 übermittelte die bewertende zuständige Behörde gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 der ECHA ihren Bericht über die Bewertung von Pareva-PHMB nebst den Schlussfolgerungen ihrer Bewertung (im Folgenden: Bewertungsbericht vom Dezember 2016).

25      Am 3. März 2017 legte Laboratoire Pareva ein weiteres Dokument zur Ergänzung des Positionspapiers vom 4. Juli 2016 vor (im Folgenden: ergänzendes Positionspapier vom 3. März 2017).

26      Zwischen Mai und September 2017 traten die Arbeitsgruppen „Wirksamkeit“, „Umwelt“ und „Menschliche Gesundheit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte zusammen, um den Bewertungsbericht vom Dezember 2016 zu erörtern. Laboratoire Pareva nahm an diesen Sitzungen teil.

27      Am 3. und 4. Oktober 2017 tagte der ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte im Beisein von Laboratoire Pareva. Im Anschluss an dieses Treffen gab der Ausschuss einstimmig eine Stellungnahme zu Pareva-PHMB im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 528/2012 ab. Er war im Wesentlichen der Ansicht, dieses PHMB könne für die Produktarten 1, 5 und 6 nicht genehmigt werden, da unannehmbare Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt festgestellt worden seien. Hingegen war er der Meinung, dass dieser Stoff vorbehaltlich bestimmter Spezifikationen und Bedingungen für die Produktarten 2 und 4 genehmigt werden könne.

28      Außerdem befand der ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte, dass PHMB (1415; 4.7) ein besorgniserregender Stoff im Sinne von Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 528/2012 sei, da er als hautallergen der Kategorie 1B, als karzinogen der Kategorie 2, als spezifisch zielorgantoxisch bei einmaliger oder wiederholter inhalativer Exposition und als giftig für Wasserorganismen (Kategorie 1) eingestuft worden sei. Es handle sich um einen zu ersetzenden Stoff im Sinne von Art. 10 dieser Verordnung, da er sich als sehr persistent (vP) und toxisch (T) erwiesen habe.

29      Im November 2017 stellte die bewertende zuständige Behörde ihren Bericht über die Bewertung von PHMB (1415; 4.7) für die Produktarten 1, 2, 4, 5 und 6 unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterungen zu diesem Stoff im ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte fertig (im Folgenden: Bewertungsbericht vom November 2017).

30      Am 20. April 2018 erließ die Kommission den Durchführungsbeschluss (EU) 2018/619 zur Nichtgenehmigung von PHMB (1415; 4.7) als alten Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 1, 5 und 6 (ABl. 2018, L 102, S. 21, im Folgenden: angefochtener Beschluss). Ausweislich dieses Beschlusses war die Kommission im Einklang mit der Stellungnahme des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte der Ansicht, dass dieser Stoff für die genannten Produktarten nicht zu genehmigen sei, da er unannehmbare Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt mit sich bringe.

31      Ebenfalls am 20. April 2018 erließ die Kommission die Durchführungsverordnung (EU) 2018/613 über die Genehmigung von PHMB (1415; 4.7) als alten Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 2 und 4 (ABl. 2018, L 102, S. 1, im Folgenden: angefochtene Verordnung). Ausweislich des fünften Erwägungsgrundes dieser Verordnung war die Kommission der Ansicht, es könne davon ausgegangen werden, dass Biozidprodukte der Produktarten 2 und 4 die Kriterien in Art. 19 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 528/2012 erfüllten, sofern bestimmte im Anhang dieser Verordnung aufgeführte Spezifikationen und Bedingungen eingehalten würden. Überdies geht aus den Erwägungsgründen 7 und 8 dieser Verordnung hervor, dass Pareva-PHMB sich als sehr persistent (vP) und toxisch (T) erwiesen habe, so dass es die Kriterien erfülle, um als zu ersetzender Stoff im Sinne von Art. 10 dieser Verordnung eingestuft zu werden, und nur für einen Zeitraum von höchstens sieben Jahren genehmigt werden könne.

III. Verfahren und Anträge der Parteien

32      Mit Klageschriften, die am 1. Juni 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, hat Laboratoire Pareva die Klage in der Rechtssache T‑337/18 und zusammen mit Biotech3D die Klage in der Rechtssache T‑347/18 erhoben.

33      Mit gesondertem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Laboratoire Pareva in der Rechtssache T‑337/18 beantragt, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes den Vollzug des angefochtenen Beschlusses auszusetzen.

34      Am 5. Juni 2018 haben Laboratoire Pareva und Biotech3D in der Rechtssache T‑347/18 mit bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem gesonderten Schriftsatz beantragt, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes den Vollzug der angefochtenen Verordnung auszusetzen.

35      Mit Beschluss vom 24. August 2018, Laboratoire Pareva und Biotech3D/Kommission (T‑337/18 R und T‑347/18 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:587), hat der Präsident des Gerichts die in den obigen Rn. 33 und 34 genannten Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

36      Mit am 6. bzw. 26. September 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsätzen haben die ECHA und die Französische Republik beantragt, in den Rechtssachen T‑337/18 und T‑347/18 als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

37      Am 28. September 2018 hat Laboratoire Pareva bei der Kanzlei des Gerichts mit gesonderten Schriftsätzen zwei neue Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz in der Rechtssache T‑337/18 bzw. der Rechtssache T‑347/18 eingereicht, die auf das Vorliegen neuer Tatsachen im Sinne von Art. 160 der Verfahrensordnung des Gerichts gestützt waren.

38      Mit Beschlüssen vom 25. Oktober 2018, Laboratoire Pareva/Kommission (T‑337/18 R II, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:729), und vom 25. Oktober 2018, Laboratoire Pareva/Kommission (T‑347/18 R II, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:730), hat der Präsident des Gerichts die neuen Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

39      Mit Beschlüssen des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 3. Dezember 2018 ist die ECHA als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission in den Rechtssachen T‑337/18 und T‑347/18 zugelassen worden.

40      Mit Entscheidungen des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 6. Dezember 2018 ist die Französische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission in den Rechtssachen T‑337/18 und T‑347/18 zugelassen worden.

41      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung ist die Berichterstatterin der Siebten Kammer zugeteilt worden, der daraufhin die vorliegenden Rechtssachen zugewiesen worden sind.

42      Mit Entscheidung vom 4. Februar 2020 hat der Präsident der Siebten Kammer des Gerichts nach Anhörung der Parteien die Rechtssachen T‑337/18 und T‑347/18 gemäß Art. 68 Abs. 2 der Verfahrensordnung zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden.

43      Am 18. Februar 2020 hat das Gericht den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung Fragen gestellt. Die Parteien haben diese Fragen innerhalb der ihnen gesetzten Frist beantwortet.

44      Nachdem die ursprünglich für den 30. April 2020 vorgesehene mündliche Verhandlung verschoben worden ist, haben die Parteien in der Sitzung vom 24. September 2020 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

45      In der Rechtssache T‑337/18 beantragt Laboratoire Pareva,

–        die Klage für begründet und den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

46      In der Rechtssache T‑337/18 beantragt die Kommission,

–        den ersten Klagegrund als ins Leere gehend oder unbegründet zurückzuweisen;

–        die Klage im Übrigen als unbegründet abzuweisen;

–        Laboratoire Pareva die Kosten aufzuerlegen.

47      In der Rechtssache T‑337/18 beantragt die ECHA,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        Laboratoire Pareva die Kosten aufzuerlegen.

48      In der Rechtssache T‑347/18 beantragen Laboratoire Pareva und Biotech3D im Kern,

–        die Klage für begründet und die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären, soweit darin PHMB (1415; 4.7) als zu ersetzender Stoff eingestuft und seine Verwendung von der Einhaltung bestimmter Spezifikationen und Bedingungen abhängig gemacht wird;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

49      In der Rechtssache T‑347/18 beantragt die Kommission,

–        den ersten Klagegrund als ins Leere gehend oder unbegründet zurückzuweisen;

–        die Klage im Übrigen als unbegründet abzuweisen;

–        Laboratoire Pareva und Biotech3D die Kosten aufzuerlegen.

50      In der Rechtssache T‑347/18 beantragt die ECHA,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        Laboratoire Pareva und Biotech3D die Kosten aufzuerlegen.

51      In den Rechtssachen T‑337/18 und T‑347/18 beantragt die Französische Republik, die Klagen abzuweisen.

IV.    Entscheidungsgründe

A.      Verbindung der Rechtssachen T337/18 und T347/18 zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung

52      Nach Art. 19 Abs. 2 der Verfahrensordnung hat der Präsident der Siebten Kammer des Gerichts die in seine Zuständigkeit fallende Entscheidung über die Verbindung der Rechtssachen T‑337/18 und T‑347/18 zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung auf die Siebte Kammer des Gerichts übertragen.

53      Nach Anhörung der Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen zu einer etwaigen Verbindung sind die Rechtssachen T‑337/18 und T‑347/18 zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung zu verbinden, da sie miteinander in Zusammenhang stehen.

B.      Zulässigkeit der Klage in der Rechtssache T347/18

54      In der Rechtssache T‑347/18 macht die Kommission geltend, die Klage sei offensichtlich unzulässig, soweit sie von Biotech3D erhoben worden sei, da die angefochtene Verordnung diese weder unmittelbar noch individuell betreffe.

55      Dazu ist festzustellen, dass die Klagebefugnis von Laboratoire Pareva im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unbestritten ist. Laboratoire Pareva ist nämlich von der angefochtenen Verordnung unmittelbar betroffen, da diese sich zum einen auf ihre Rechtsstellung unmittelbar auswirkt und zum anderen ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt. Außerdem ist Laboratoire Pareva von dieser Verordnung individuell betroffen, da sie den Antrag auf Genehmigung eines Wirkstoffs gestellt und das Dossier eingereicht hatte sowie am Bewertungsverfahren beteiligt war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Probelte/Kommission, T‑67/18, EU:T:2019:873, Rn. 64).

56      Steht aber im Fall einer gemeinsamen Klage die Klagebefugnis eines Klägers fest, braucht die Klagebefugnis der anderen Kläger nicht mehr geprüft zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. März 1993, CIRFS u. a./Kommission, C‑313/90, EU:C:1993:111, Rn. 31, und vom 9. Juni 2011, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 36 und 37).

57      Folglich ist die Klage in der Rechtssache T‑347/18 für zulässig zu erklären, ohne dass es einer Prüfung der Klagebefugnis von Biotech3D bedarf.

C.      Begründetheit

58      Die Klägerinnen, Laboratoire Pareva und Biotech3D, stützen ihre Klagen auf vier Klagegründe, mit denen sie erstens eine Missachtung der für den Erlass des angefochtenen Beschlusses und der angefochtenen Verordnung erforderlichen Verfahrensschritte, zweitens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler wegen der Berücksichtigung unmaßgeblicher Faktoren, drittens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler wegen der Missachtung maßgeblicher Faktoren und viertens eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügen.

1.      Erster Klagegrund: Missachtung der für den Erlass des angefochtenen Beschlusses und der angefochtenen Verordnung erforderlichen Verfahrensschritte

59      Die Klägerinnen machen erstens geltend, die bewertende zuständige Behörde habe unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 7 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 der ECHA keinen Vorschlag für eine harmonisierte Einstufung von Pareva-PHMB vorgelegt. Zweitens habe diese Behörde unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 7 Buchst. b der Delegierten Verordnung von einer vorherigen Konsultation der ECHA zur Persistenz und Toxizität dieses Stoffes abgesehen.

a)      Erster Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 6 Abs. 7 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014

60      Die Klägerinnen tragen vor, die bewertende zuständige Behörde habe Pareva-PHMB in ihrem Bewertungsbericht vom Dezember 2016 als karzinogen der Kategorie 2 eingestuft. Daher hätte diese Behörde gemäß Art. 6 Abs. 7 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 vor der Übermittlung ihres Bewertungsberichts an die ECHA dieser einen Vorschlag für eine harmonisierte Einstufung dieses Stoffes im Sinne von Art. 36 und Art. 37 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1272/2008 vorlegen müssen. Das habe der Vorsitzende des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte im Übrigen eingeräumt.

61      Die Verpflichtung zur Vorlage des oben in Rn. 60 genannten Vorschlags könne nur entfallen, wenn es für den fraglichen Stoff bereits eine harmonisierte Einstufung im Sinne von Anhang VI Teil 3 der Verordnung Nr. 1272/2008 gebe. Eine solche harmonisierte Einstufung habe jedoch nur für Lonza-PHMB vorgelegen, das ein anderer Stoff als Pareva-PHMB sei.

62      Konkret unterscheide sich Pareva-PHMB von Lonza-PHMB im Hinblick auf vier zentrale Kriterien: erstens das durchschnittliche Molekulargewicht, zweitens die durchschnittliche Polydispersität, drittens das Verhältnis zwischen Biguanid und Guanidin sowie viertens die Verteilung und das Verhältnis der Endgruppen der Polymerkette. Diese Kriterien zeigten, dass Pareva-PHMB ein längeres Polymer mit einer breiteren Verteilungskette und einer anderen chemischen Zusammensetzung sei. Dies wirke sich auf die wesentlichen Eigenschaften der betreffenden PHMB-Quelle aus, wie z. B. der Karzinogenitätsindikator belege. Im Bewertungsbericht vom Dezember 2016 werde übrigens in keiner Weise erläutert, weshalb die Einstufung von PHMB in Anhang IV der Verordnung Nr. 1272/2008 auch auf Pareva-PHMB anwendbar sei.

63      Die Verletzung der Verpflichtung aus Art. 6 Abs. 7 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 habe erhebliche Folgen gehabt, denn Laboratoire Pareva habe Studien vorgelegt, deren Ergebnisse die Behörden dazu hätten veranlassen können, eine andere harmonisierte Einstufung für PHMB (1415; 4.7) bezüglich der Karzinogenität vorzunehmen, die sich von derjenigen für Lonza-PHMB unterscheide, was die Bewertung der mit Pareva-PHMB verbundenen Risiken hätte beeinflussen können. Wenn Pareva-PHMB nicht als karzinogen der Kategorie 2 eingestuft worden wäre, was einen wesentlichen Unterschied zu Lonza-PHMB dargestellt hätte, wäre insbesondere jegliche Analogie zu letzterem Stoff ausgeschlossen gewesen. Entgegen Art. 37 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1272/2008 sei Laboratoire Pareva das Recht vorenthalten worden, sich zu dem Vorschlag für eine harmonisierte Einstufung zu äußern und vor dem ECHA-Ausschuss für Risikobeurteilung gehört zu werden.

64      Die Kommission tritt mit Unterstützung der ECHA und der Französischen Republik dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

65      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 528/2012 und die Delegierte Verordnung Nr. 1062/2014 die Bewertung und Genehmigung alter Wirkstoffe im Sinne dieser Verordnungen im Hinblick auf ihre Verwendung in Biozidprodukten regeln. Eine solche Genehmigung beruht auf der Bewertung der mit diesen Stoffen verbundenen Gefahren unter Berücksichtigung der Arten von Biozidprodukten, in denen sie verwendet werden sollen, sowie der vorgeschlagenen Verwendung dieser Produkte. Dagegen sollen mit der Verordnung Nr. 1272/2008 u. a. die Kriterien für die Einstufung von Stoffen und Gemischen sowie die Vorschriften über die Kennzeichnung und die Verpackung gefährlicher Stoffe und Gemische harmonisiert werden. Diese Verordnung gilt also für alle Stoffe oder Gemische, welche die in der Verordnung aufgestellten Kriterien für physikalische Gefahren, für Gesundheitsgefahren oder Gefahren für die Umwelt erfüllen, einschließlich der in Biozidprodukten verwendeten Wirkstoffe. Diese Verordnungen betreffen somit zwei verschiedene Sachgebiete und regeln zwei unterschiedliche Verfahren, die jeweils nach eigenen Regeln ablaufen.

66      Nach Art. 6 Abs. 7 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 hat die bewertende zuständige Behörde nach dem Abschluss ihrer Gefährdungsbewertung und gegebenenfalls spätestens bei Einreichung ihres Bewertungsberichts der ECHA gemäß Art. 37 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1272/2008 einen Vorschlag für eine harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung vorzulegen, wenn nach ihrer Auffassung erstens eines der in Art. 36 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Kriterien erfüllt ist und zweitens dieses Kriterium in Anhang VI Teil 3 dieser Verordnung nicht angemessen behandelt wird.

67      Aus Art. 6 Abs. 7 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 ergibt sich, dass die bewertende zuständige Behörde erst dann einen Vorschlag für eine harmonisierte Einstufung vorlegen muss, wenn sie den betreffenden alten Wirkstoff geprüft und auf der Grundlage des vom Antragsteller vorgelegten vollständigen Dossiers festgestellt hat, welche Wirkungen dieser Stoff hat und welche Gefahren von ihm unter Berücksichtigung der Produktarten, in denen er verwendet werden soll, und der vorgeschlagenen Verwendungsszenarien insbesondere für die menschliche Gesundheit und die Umwelt ausgehen.

68      Außerdem sehen die Verordnung Nr. 528/2012 und die Delegierte Verordnung Nr. 1062/2014 nicht vor, dass das Bewertungsverfahren für einen Wirkstoff bei Vorlage eines Vorschlags für eine harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung nach Art. 6 Abs. 7 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 ausgesetzt wird. Ganz allgemein deutet nichts in diesen Verordnungen darauf hin, dass der Gesetzgeber beabsichtigt hätte, das Genehmigungsverfahren für einen alten Wirkstoff vom Verfahren zur Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung eines solchen Stoffes im Sinne der Verordnung Nr. 1272/2008 abhängig zu machen.

69      Daraus ergibt sich im Gegenteil, dass die Verpflichtung der bewertenden zuständigen Behörde zur Vorlage eines Vorschlags für eine harmonisierte Einstufung eines als Biozid verwendeten Wirkstoffs eine Vorstufe zu dem in der Verordnung Nr. 1272/2008 geregelten Einstufungsverfahren darstellt. Wie oben in Rn. 65 dargelegt, unterscheidet sich ein solches Einstufungsverfahren aber von dem in der Verordnung Nr. 528/2012 vorgesehenen und in der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 näher geregelten Bewertungsverfahren, das die Genehmigung eines Wirkstoffs im Hinblick auf seine Verwendung in Biozidprodukten zum Gegenstand hat.

70      Selbst wenn das Vorbringen der Klägerinnen, die bewertende zuständige Behörde habe gegen Art. 6 Abs. 7 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 verstoßen, durchgreifen sollte, könnte ein solcher Verstoß somit nicht zur Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung und des angefochtenen Beschlusses führen. Dieses Vorbringen der Klägerinnen geht daher ins Leere.

71      Im Übrigen haben die Kommission, die Französische Republik und die ECHA in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass ein neuer Vorschlag für eine harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung des Stoffes PHMB (1415; 4.7) zu erwarten sei. Die Kommission hatte also in diesem Verfahren noch keinen Rechtsakt erlassen, so dass die Klägerinnen im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits – der den angefochtenen Beschluss und die angefochtene Verordnung zum Gegenstand hat, die ihrerseits die Bewertung und Genehmigung von PHMB (1415; 4.7) betreffen – nicht mit Erfolg rügen können, dass im Rahmen des Einstufungs- und Kennzeichnungsverfahrens ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.

72      Selbst wenn die bewertende zuständige Behörde hätte annehmen müssen, dass das Kriterium der Karzinogenität in Anhang VI Teil 3 der Verordnung Nr. 1272/2008 für Pareva-PHMB nicht richtig behandelt worden sei, weshalb sie einen Vorschlag für eine harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung nach Art. 6 Abs. 7 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 hätte vorlegen müssen, wäre jedenfalls noch zu prüfen, ob der angefochtene Beschluss und die angefochtene Verordnung ohne die Missachtung dieser Bestimmung inhaltlich hätten anders ausfallen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. September 2008, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑75/06, EU:T:2008:317, Rn. 203 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 9. September 2011, Dow AgroSciences u. a./Kommission, T‑475/07, EU:T:2011:445, Rn. 234), was die Klägerinnen nachzuweisen haben.

73      Insoweit machen die Klägerinnen im Kern geltend, Laboratoire Pareva hätte sich vor dem ECHA-Ausschuss für Risikobeurteilung äußern und diesbezüglich neue Studien vorlegen können. Dann hätte eine Einstufung von PHMB (1415; 4.7) als karzinogen der Kategorie 2 ausgeschlossen und somit festgestellt werden können, dass Pareva-PHMB ein anderer Stoff als Lonza-PHMB sei. Ein solcher Unterschied hätte folglich einer Analogie zu diesem Stoff entgegengestanden.

74      Erstens ist festzustellen, dass die Klägerinnen auf neue Studien verweisen, deren Ergebnisse den ECHA-Ausschuss für Risikobeurteilung angeblich dazu hätten veranlassen können, PHMB (1415; 4.7) nicht als karzinogen der Kategorie 2 einzustufen, jedoch weder die fraglichen Studien noch die darin enthaltenen konkreten Daten präzisieren, mit denen ihr Vorbringen belegt werden könnte.

75      Zwar haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, Laboratoire Pareva hätte dem ECHA-Ausschuss für Risikobeurteilung die nach den Leitlinien Nr. 453 der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für die Prüfung von Chemikalien durchgeführte Studie vorlegen können, um nachzuweisen, dass PHMB (1415; 4.7) kein karzinogener Stoff sei. Die Klägerinnen führen jedoch keine substanziierten Argumente aus dieser Studie an, die darauf hindeuten würden, dass der Ausschuss für Risikobeurteilung – anders als die bewertende zuständige Behörde und der ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte, die die Studie schon geprüft hatten – zu einer anderen Schlussfolgerung hinsichtlich der Karzinogenität von Pareva-PHMB hätte kommen können. Ganz allgemein legen die Klägerinnen nicht substanziiert dar, inwieweit die Einhaltung der Verpflichtung aus Art. 6 Abs. 7 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 die Kommission dazu hätte veranlassen können, diesen Stoff für die Produktarten 1, 5 und 6 zu genehmigen oder ihn unter weniger strengen Bedingungen, als sie in der angefochtenen Verordnung für die Produktarten 2 und 4 vorgesehen sind, zu genehmigen.

76      Was die neuen Studien zur Karzinogenität betrifft, auf die sich die Klägerinnen in ihrer Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen der ECHA und der Französischen Republik berufen, so ist festzustellen, dass diese Studien nicht Teil der dem Gericht unterbreiteten Akten sind und das Vorbringen der Klägerinnen zu den daraus abzuleitenden Erkenntnissen weder beziffert noch substanziiert ist.

77      Insoweit ist zu beachten, dass eine pauschale Bezugnahme auf den Entwurf eines Berichts der bewertenden zuständigen Behörde über die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung von Pareva- und Lonza-PHMB, der den Klagebeantwortungen als Anlage beigefügt ist, diesen Mangel an präzisen Angaben und Beweisen nicht beheben kann. Es ist nämlich nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Zweitens geht aus Abschnitt 4.7 des Bewertungsberichts vom Dezember 2016 in dem für die Produktarten 1, 2, 4, 5 und 6 gemeinsamen Teil hervor, dass die bewertende zuständige Behörde die Ergebnisse der oben in Rn. 75 erwähnten Studie und verschiedener In-vitro-Studien eingehend geprüft hat. Aufgrund der Prüfung dieser Ergebnisse und keineswegs rein automatisch hat die bewertende zuständige Behörde festgestellt, dass die alte Einstufung von PHMB als karzinogener Stoff der Kategorie 2 auch für Pareva-PHMB gelten könne. Die Klägerinnen können daher nicht mit Erfolg geltend machen, die bewertende zuständige Behörde habe nicht erklärt, weshalb die Einstufung von PHMB in Anhang VI Teil 3 der Verordnung Nr. 1272/2008 auf Pareva-PHMB anwendbar sei.

79      Außerdem beruhen der angefochtene Beschluss und die angefochtene Verordnung nicht ausschließlich auf der Einstufung von Pareva-PHMB als karzinogen der Kategorie 2, sondern auf einer Bewertung der mit diesem Stoff verbundenen Gefahren unter Berücksichtigung sämtlicher Wirkungen, die von ihm ausgehen können, sowie der Produktarten, für die er verwendet werden soll.

80      Zum einen ergibt sich aus dem fünften Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass bei Biozidprodukten der Produktarten 1, 5 und 6, die Pareva-PHMB enthalten, nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie die Anforderung gemäß Art. 19 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iv der Verordnung Nr. 528/2012 erfüllen, da sie u. a. unannehmbare Risiken für die menschliche Gesundheit mit sich bringen.

81      Wie die Kommission und die ECHA in der mündlichen Verhandlung ohne Widerspruch seitens der Klägerinnen erklärt haben, wurde die teratogene Wirkung als eine der für die menschliche Gesundheit besorgniserregenden Wirkungen von Pareva-PHMB ermittelt. Dabei wurde für diesen Stoff eine Konzentrationsstufe von 12 mg/kg/Tag festgelegt, was die niedrigste unter den Konzentrationsstufen ist, bei denen die anderen Wirkungen von Pareva-PHMB auftreten können. Diese Stufe wurde somit als Referenzdosis ohne erkennbare schädliche Wirkung ([no-observed-adverse-effect-level], im Folgenden: NOAEL) zur Berechnung der annehmbaren Stufen einer Exposition ([acceptable exposure levels], im Folgenden: AEL) gegenüber diesem Stoff für die Produktarten 1, 5 und 6 festgelegt, was die Klägerinnen ebenfalls weder in ihren Schriftsätzen noch in der mündlichen Verhandlung in Abrede gestellt haben.

82      Selbst wenn also der ECHA-Ausschuss für Risikobeurteilung im Licht der von Laboratoire Pareva vorgelegten Studien PHMB (1415; 4.7) möglicherweise nicht als karzinogen der Kategorie 2 eingestuft hätte, hätte deshalb weder ein unannehmbares Risiko für die menschliche Gesundheit ausgeschlossen noch eine Genehmigung von Pareva-PHMB erreicht werden können. Die gleiche Schlussfolgerung gilt für die von diesem Ausschuss vorgenommene Prüfung der Daten, die Laboratoire Pareva angeblich zur Sensibilisierung der Haut oder zur spezifischen Zielorgan-Toxizität vorgelegt hat, da diese Gefahren nicht zu denen zählen, die zur Bestimmung der Referenz-NOAEL herangezogen wurden.

83      Zum anderen haben die Klägerinnen zur Gefährdungsbewertung von Biozidprodukten der Produktarten 2 und 4, die Pareva-PHMB enthalten, nicht dargelegt, weshalb und inwiefern ein Vorschlag für eine harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung von Pareva-PHMB die Spezifikationen und Bedingungen im Anhang der angefochtenen Verordnung hätte ändern oder gar entfallen lassen können.

84      Zwar kann nach Art. 19 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 528/2012 die Einstufung eines Stoffes als krebserzeugend der Kategorie 2 dazu führen, dass ein diesen Soff enthaltendes Biozidprodukt nicht zur Bereitstellung auf dem Markt zwecks Verwendung durch die breite Öffentlichkeit zugelassen wird. Es lässt sich jedoch weder den Erklärungen der Klägerinnen noch den dem Gericht unterbreiteten Akten entnehmen, dass die mit der angefochtenen Verordnung auferlegten Spezifikationen und Bedingungen auf diese Bestimmung gestützt worden wären, die im Übrigen in dieser Verordnung nicht erwähnt ist. Darüber hinaus war, wie oben in Rn. 81 zu den Produktarten 1, 5 und 6 ausgeführt, die teratogene Wirkung die kritische Grenze, auf die zur Bestimmung der Referenzwerte für die Berechnung der AEL für Pareva-PHMB abgestellt wurde.

85      Zudem haben die Klägerinnen auch nicht dargetan, inwiefern bei einer unterbliebenen Einstufung von Pareva-PHMB als karzinogener Stoff der Kategorie 2 hätte verhindert werden können, dass er wegen seiner sehr persistenten (vP) und toxischen (T) Eigenschaften als zu ersetzender Wirkstoff im Sinne von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 eingestuft wurde.

86      Soweit die Klägerinnen drittens geltend machen, bei einer anderen Einstufung von Pareva-PHMB bezüglich der Karzinogenität wären alle Analogien zu Lonza-PHMB ausgeschlossen gewesen, ist festzustellen, dass die Klägerinnen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes die streitigen Analogien nicht näher bezeichnen. Sie erläutern auch nicht, inwiefern solche etwaigen Analogien einen entscheidenden Einfluss auf die Beurteilung der von Pareva-PHMB ausgehenden Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt gehabt hätten, so dass dieser Stoff möglicherweise anders bewertet worden wäre, als es in dem angefochtenen Beschluss bzw. der angefochtenen Verordnung geschehen ist.

87      Die Klägerinnen haben daher nicht nachgewiesen, dass das Ergebnis des Verfahrens zur Bewertung von Pareva-PHMB anders, als es in dem angefochtenen Beschluss bzw. der angefochtenen Verordnung festgehalten ist, hätte ausfallen können, wenn die bewertende zuständige Behörde der ECHA vor oder bei Übermittlung des Bewertungsberichts vom Dezember 2016 gemäß Art. 6 Abs. 7 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 einen Vorschlag für eine harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung vorgelegt hätte.

88      Infolgedessen ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als ins Leere gehend und jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

b)      Zweiter Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 6 Abs. 7 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014

89      Die Klägerinnen tragen vor, die bewertende zuständige Behörde habe nach Art. 6 Abs. 7 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 die ECHA zu konsultieren, wenn sie der Auffassung sei, dass die Voraussetzung gemäß Art. 10 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 528/2012 erfüllt sei und in Anhang XIV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1) oder in der in Art. 59 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Liste von Stoffen nicht richtig behandelt werde. Da im vorliegenden Fall beide Kriterien nach dieser Bestimmung erfüllt gewesen seien, hätte die bewertende zuständige Behörde vor der Übermittlung ihres Bewertungsberichts vom Dezember 2016 an die ECHA das Pareva-PHMB der ECHA-Expertengruppe für persistente, bioakkumulierbare und toxische Stoffe (im Folgenden: PBT‑Stoffe) zur Beurteilung vorlegen müssen. Diese Konsultation sei aber unterblieben.

90      Wäre die „PBT“-Expertengruppe der ECHA mit der Sache befasst worden, hätte das Verfahren möglicherweise einen anderen Ausgang genommen, da Laboratoire Pareva ihren Standpunkt vor diesen Experten hätte verteidigen können, um nachzuweisen, dass PHMB (1415; 4.7) die Kriterien für eine Einstufung als PBT‑Stoff nicht erfülle. Insbesondere hätte sie ihnen die Ergebnisse mehrerer Studien unterbreiten können, aus denen hervorgehe, dass dieser Stoff je nachdem, ob der Test unter Standardbedingungen oder unter natürlichen Bedingungen durchgeführt werde, eine ganz unterschiedliche Toxizität aufweise, wie sich aus ihren Äußerungen ergebe, die sie im Juli 2016 und März 2017 der bewertenden zuständigen Behörde zugeleitet habe. Außerdem gehe die Bedeutung der Stellungnahme der „PBT“-Expertengruppe der ECHA ausdrücklich aus dem Kommissionsdokument CA-Sept13-Doc.8.3 – Final mit dem Titel „Review Programme of active substances: establishment of a work programme to meet the 2024 deadline“ (Programm zur Überprüfung von Stoffen: Erstellung eines Arbeitsprogramms zur Einhaltung des Termins 2024) hervor.

91      Die Kommission und die ECHA treten dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

92      Ein Stoff gilt als zu ersetzender Stoff, wenn er eine der in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 genannten Voraussetzungen erfüllt. Gemäß Buchst. d dieser Bestimmung ist das bei Stoffen der Fall, die zwei der Kriterien erfüllen, nach denen sie gemäß Anhang XIII der Verordnung Nr. 1907/2006 als PBT‑Stoffe einzustufen sind.

93      In Bezug auf Pareva-PHMB ergibt sich aus dem Bewertungsbericht vom Dezember 2016, dass die bewertende zuständige Behörde diesen Stoff zum einen als sehr persistent (vP) und zum anderen als toxisch (T) eingestuft hat. Pareva-PHMB erfüllte daher nach Ansicht dieser Behörde die Kriterien eines zu ersetzenden Stoffes im Sinne von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012.

94      Darüber hinaus bestreiten die Kommission und die ECHA nicht, dass Pareva-PHMB zum Zeitpunkt der Übermittlung des Bewertungsberichts vom Dezember 2016 an die ECHA weder im Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe gemäß Anhang XIV der Verordnung Nr. 1907/2006 noch in der von der ECHA erstellten Liste von Stoffen nach Art. 59 Abs. 1 dieser Verordnung aufgeführt war.

95      Folglich war Art. 6 Abs. 7 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 im vorliegenden Fall anwendbar.

96      Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen verlangt diese Bestimmung jedoch von der bewertenden zuständigen Behörde nicht, die ECHA zu konsultieren, bevor sie ihren Bewertungsbericht einreicht. Eine solche Konsultation hat spätestens zum Zeitpunkt der Einreichung dieses Berichts zu erfolgen.

97      Außerdem verpflichtet Art. 6 Abs. 7 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 die bewertende zuständige Behörde lediglich zur Konsultation der ECHA, macht aber keine Angaben dazu, ob Letztere sich an ihre „PBT“-Expertengruppe wenden muss, um über die Persistenz, Bioakkumulierbarkeit und Toxizität eines Wirkstoffs im Sinne der Verordnung Nr. 1907/2006 zu befinden. Mangels spezifischer Angaben in dieser Verordnung ist eine solche Klarstellung daher Sache der internen Organisation dieser Agentur. Insoweit ist auf das in der obigen Rn. 90 erwähnte Kommissionsdokument CA-Sept13-Doc.8.3 – Final zu verweisen. In Nr. 4.3 Buchst. b dieses Dokuments heißt es, eine solche Konsultation sei äußerst wünschenswert und werde dringend empfohlen. Das Dokument geht jedoch nicht so weit, eine diesbezügliche allgemeine Verpflichtung aufzuerlegen. Deshalb ist anzuerkennen, dass die ECHA aufgrund dieser Regelung über ein gewisses Ermessen verfügt, soweit es sich darum handelt, ob die „PBT“-Expertengruppe befasst werden soll, wenn eine bewertende zuständige Behörde um eine Stellungnahme nach Art. 6 Abs. 7 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 ersucht.

98      Wie die Kommission und die ECHA erklärt haben, wird – um die Arbeiten im Rahmen der Bewertung eines Wirkstoffs nicht unnötig zu verzögern – die „PBT“-Expertengruppe der ECHA, bei der es sich im Übrigen um eine informelle Gruppe handelt, nur in den Fällen eingeschaltet, in denen kein Konsens über die PBT‑Eigenschaften des Stoffes besteht. Dieses Vorgehen steht auch in Einklang mit dem in Nr. 3 des Kommissionsdokuments CA-Sept13-Doc.8.3 – Final genannten Ziel, nämlich eine möglichst wirksame Umsetzung der Rahmenregelung für Biozidprodukte zu gewährleisten.

99      Im vorliegenden Fall bestand ausweislich der Akten aber im ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte ein Konsens über die sehr persistente (vP) und die toxische (T) Eigenschaft von PHMB (1415; 4.7), obwohl Laboratoire Pareva das Positionspapier vom 4. Juli 2016 und das ergänzende Positionspapier vom 3. März 2017 eingereicht hatte, um diese Eigenschaften in Zweifel zu ziehen.

100    Insbesondere geht aus den Protokollen über die Sitzungen der Arbeitsgruppe „Umwelt“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte, an denen Laboratoire Pareva teilgenommen hat, hervor, dass in diesen Sitzungen erörtert wurde, ob das Positionspapier vom 4. Juli 2016 und das ergänzende Positionspapier vom 3. März 2017 berücksichtigt werden sollten, obwohl sie zu spät vorgelegt worden seien. So willigte die ECHA ein, eine der von Laboratoire Pareva vorgelegten neuen Studien zur Toxizität zu berücksichtigen. Ferner wurde das Vorbringen von Laboratoire Pareva zur Abbaubarkeit von PHMB (1415; 4.7), wonach dieser Stoff sehr schnell an Trägersubstanzen binde, einer Prüfung unterzogen.

101    Des Weiteren geht aus dem Protokoll über die Sitzung des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vom 3. und 4. Oktober 2017 hervor, dass das Vorbringen der bei dieser Sitzung anwesenden Laboratoire Pareva zur Notwendigkeit einer Konsultation der „PBT“-Expertengruppe mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass es erstens innerhalb der Arbeitsgruppe „Umwelt“ dieses Ausschusses einen eindeutigen Konsens über den sehr persistenten (vP) und toxischen (T) Charakter von Pareva-PHMB gebe, dass zweitens in der Praxis kein Bedarf an einer Konsultation der „PBT“-Expertengruppe bestehe, wenn eine solche überflüssig sei, und dass drittens die Arbeitsgruppe „Umwelt“ über große Erfahrung in dieser Frage verfüge.

102    Wie aus der obigen Rn. 29 hervorgeht, hat die bewertende zuständige Behörde den Bewertungsbericht vom Dezember 2016 geändert, um die Ergebnisse der Erörterungen im ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte zu berücksichtigen. Die Stellungnahme der ECHA zum sehr persistenten (vP) und toxischen (T) Charakter von PHMB (1415; 4.7) kommt daher im Bewertungsbericht vom November 2017 zum Ausdruck, wie er der Kommission vor Erlass des angefochtenen Beschlusses und der angefochtenen Verordnung zugegangen ist.

103    Soweit Laboratoire Pareva im Übrigen behauptet, zur Einstufung von PHMB (1415; 4.7) als sehr persistenter (vP) und toxischer (T) Stoff nicht gehört worden zu sein, ergibt sich aus den dem Gericht im vorliegenden Verfahren übermittelten Angaben, dass sie sich zum Entwurf des Bewertungsberichts vom Juni 2016, und zwar auch zur Persistenz, Bioakkumulierbarkeit und Toxizität von PHMB (1415; 4.7), äußern konnte, bevor dieser Bericht der ECHA vorgelegt wurde.

104    Auch nach der Übermittlung des Bewertungsberichts vom Dezember 2016 an die ECHA hatte Laboratoire Pareva die Möglichkeit, sich im Rahmen der Sitzungen der Arbeitsgruppen des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte zur Persistenz und Toxizität von PHMB (1415; 4.7) zu äußern. Gemäß Art. 75 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 528/2012 hat dieser Ausschuss und nicht die „PBT“-Expertengruppe die Stellungnahmen der ECHA zur Bestimmung der zu ersetzenden Wirkstoffe auszuarbeiten.

105    Unter diesen Umständen liegt kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 7 Buchst. b der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 vor.

106    Daher sind der zweite Teil des ersten Klagegrundes sowie der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2.      Zweiter Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler wegen der Berücksichtigung unmaßgeblicher Faktoren und Begründungsmangel

107    Die Klägerinnen machen geltend, der angefochtene Beschluss und die angefochtene Verordnung wiesen einen offensichtlichen Beurteilungsfehler auf, da die bewertende zuständige Behörde, der ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte und die Kommission im Rahmen ihrer Bewertung von Pareva-PHMB zahlreiche Analogien zu Lonza-PHMB gezogen hätten, obwohl es sich um zwei verschiedene Stoffe handele. Außerdem seien diese Analogien zu Lonza-PHMB nicht hinreichend begründet.

a)      Erster Teil des zweiten Klagegrundes: zahlreiche Analogien zu Lonza-PHMB

108    Nach Ansicht der Klägerinnen haben sich die bewertende zuständige Behörde, der ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte und die Kommission bei der Bewertung von Pareva-PHMB damit begnügt, systematisch die Ergebnisse der Prüfung von Lonza-PHMB zu übernehmen. Hierbei handle es sich um zwei verschiedene Stoffe, was u. a. an ihren unterschiedlichen CAS-Nummern sowie ihrem unterschiedlichen zahlenmittleren Molekulargewicht (Mn) und Polydispersitätsindex (PDI) zu erkennen sei. Die ECHA habe übrigens eingeräumt, dass mindestens ein Parameter für die beiden fraglichen Stoffe als nicht identisch anzusehen sei. Der angefochtene Beschluss und die angefochtene Verordnung beruhten somit weitgehend und entscheidend auf Daten, die einen anderen Stoff beträfen.

109    Auch wenn die Analogien nur für einen Indikator verwendet worden seien, der sich auf die Inhalationstoxizität beziehe, habe dies die Bewertung von PHMB (1415; 4.7) negativ beeinflusst. Verfügbare Studien zur Inhalationstoxizität zeigten ganz klare Unterschiede zwischen Pareva- und Lonza-PHMB. Darüber hinaus enthalte das von Laboratoire Pareva vorgelegte Dossier eine Studie zur wiederholten oralen Verabreichung, die zur Vermeidung eines Standardwerts hätte herangezogen werden können.

110    Die Kommission tritt mit Unterstützung der ECHA und der Französischen Republik dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

1)      Vorbemerkungen

111    Die Verordnung Nr. 528/2012 zielt ausweislich ihres dritten Erwägungsgrundes darauf ab, den freien Verkehr von Biozidprodukten innerhalb der Union zu verbessern und gleichzeitig ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten. Diese Verordnung beruht auf dem Vorsorgeprinzip, um sicherzustellen, dass die Herstellung und Bereitstellung auf dem Markt von Wirkstoffen und Biozidprodukten keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben.

112    Damit die Kommission das ihr gesetzte Ziel wirksam verfolgen kann und im Hinblick darauf, dass sie komplexe technische Beurteilungen vorzunehmen hat, wenn sie im Rahmen der Prüfung von Anträgen auf Genehmigung von Wirkstoffen nach der Verordnung Nr. 528/2012 die mit der Verwendung dieser Stoffe verbundenen Gefahren bewertet, ist ihr ein weites Ermessen zuzuerkennen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 22. Dezember 2010, Gowan Comércio Internacional e Serviços, C‑77/09, EU:C:2010:803, Rn. 55).

113    Die Ausübung dieses Ermessens ist jedoch nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Der Unionsrichter muss nämlich im Rahmen dieser Kontrolle feststellen, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt von der Kommission zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 22. Dezember 2010, Gowan Comércio Internacional e Serviços, C‑77/09, EU:C:2010:803, Rn. 56).

114    Insbesondere hat der Unionsrichter bei der Prüfung, ob das zuständige Organ einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, zu kontrollieren, ob dieses Organ sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht hat, auf die die daraus gezogenen Schlussfolgerungen gestützt sind (Urteil vom 22. Dezember 2010, Gowan Comércio Internacional e Serviços, C‑77/09, EU:C:2010:803, Rn. 57).

115    Im Licht dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob die Bewertung von Pareva-PHMB auf systematischen Analogien zu Lonza-PHMB beruht und ob der angefochtene Beschluss und die angefochtene Verordnung aus diesem Grund einen offensichtlichen Beurteilungsfehler aufweisen.

2)      Systematische Anwendung von Analogien zu Lonza-PHMB

116    Die Klägerinnen führen eine nicht abschließende Zahl von Beispielen für Verweise auf Lonza-PHMB in den dem Gericht unterbreiteten Akten an, die sie als unzulässige Analogien zu diesem Stoff bezeichnen. Diese Analogien fänden ihren Niederschlag erstens darin, dass Pareva-PHMB in dem Bewertungsbericht vom Dezember 2016 als karzinogener Stoff der Kategorie 2 eingestuft worden sei, zweitens in den Werten, die zur Bestimmung der annehmbaren Konzentration einer Exposition ([acceptable exposure concentration] im Folgenden „AEC“) bei Inhalation von Pareva-PHMB verwendet worden seien, drittens in der Diskussionstabelle für die Ad-hoc-Folgesitzung der Arbeitsgruppe „Umwelt“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vom 26. Juni 2017 zur Bestimmung der abgeschätzten Nicht-Effekt-Konzentration ([predicted no-effect concentration] PNEC) auf Sedimenten, viertens in den die AEL betreffenden Diskussionen in der Ad-hoc-Folgesitzung der Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vom 5. Juli 2017 und fünftens in einer Liste in der Anlage zu jeder der beiden Klageschriften.

117    Nachstehend ist jeder der von den Klägerinnen angeführten Beispielsfälle zu prüfen. Auch wenn diese Beispielsfälle den Klägerinnen zufolge nicht erschöpfend sind, braucht das Gericht die ihm unterbreiteten Akten nicht danach zu durchforsten, ob sie weitere Analogien zu Lonza-PHMB etwa in den Unterlagen des Verwaltungsverfahrens enthalten, das zum Erlass der angefochtenen Rechtsakte geführt hat. Wie sich nämlich aus der obigen Rn. 77 ergibt, ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion.

i)      Einstufung von Pareva-PHMB als karzinogener Stoff der Kategorie 2

118    Zunächst hat die bewertende zuständige Behörde in dem für die Produktarten 1, 2, 4, 5 und 6 gemeinsamen Teil ihres Bewertungsberichts vom Dezember 2016 tatsächlich festgestellt, dass Anhang I der Verordnung Nr. 1272/2008 eine harmonisierte Einstufung von PHMB enthielt. Laut dieser Einstufung wurde PHMB als karzinogener Stoff der Kategorie 2 angesehen. Im Anschluss an diese Feststellung hat die bewertende zuständige Behörde jedoch geprüft, ob eine solche Einstufung in Anbetracht der Daten und Studien, die Laboratoire Pareva in dem Dossier gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 vorgelegt hatte, auch für PHMB (1415; 4.7) gelten konnte.

119    Die bewertende zuständige Behörde hat insbesondere die Ergebnisse der von Laboratoire Pareva vorgelegten Studie analysiert, die nach den Leitlinien Nr. 453 der OECD für die Prüfung von Chemikalien durchgeführt worden war. Sie hat festgestellt, diese Studie mache u. a. wegen der in der Leber von Ratten beobachteten hepatozellulären Hamartome und Adenome das karzinogene Potenzial von Pareva-PHMB deutlich. Daraus zog sie den Schluss, dass die Ergebnisse dieser Studie die alte Einstufung von PHMB als karzinogener Stoff der Kategorie 2 nicht in Frage stellten, so dass diese Einstufung auch für Pareva-PHMB gelte.

120    Die Klägerinnen haben auch eingeräumt, dass die alte Einstufung von PHMB in Anhang I der Verordnung Nr. 1272/2008 auf einen Vorschlag der bewertenden zuständigen Behörde zur Einstufung von PHMB zurückging, der auf Studien nicht nur zu Lonza-PHMB, sondern in gewissem Umfang auch zu Pareva-PHMB beruhte.

121    Es kann daher nicht behauptet werden, dass die bewertende zuständige Behörde ausschließlich auf die Ergebnisse von zu Lonza-PHMB durchgeführten Studien abgestellt und keine spezifischen Daten zu Pareva-PHMB geprüft hätte, um diesen Stoff als karzinogen der Kategorie 2 einzustufen.

122    Im Übrigen wurde ganz allgemein die in Anhang I der Verordnung Nr. 1272/2008 enthaltene alte Einstufung von PHMB keineswegs ungeprüft als solche auf Pareva-PHMB angewandt. Aus dem für die Produktarten 1, 2, 4, 5 und 6 jeweils gemeinsamen Teil der Bewertungsberichte vom Dezember 2016 und November 2017 geht vielmehr hervor, dass die bewertende zuständige Behörde die Eigenschaften von Pareva-PHMB unter Berücksichtigung der verfügbaren Studien und der von Laboratoire Pareva übermittelten Daten eingehend geprüft hat.

123    Infolgedessen ist das Vorbringen der Klägerinnen, die Einstufung von Pareva-PHMB als karzinogener Stoff der Kategorie 2 beruhe auf einer bloßen systematischen Übernahme der Daten zu Lonza-PHMB, nicht begründet.

ii)    Bestimmung der AECWerte bei Inhalation

124    Die Kommission und die ECHA haben eingeräumt, dass im Rahmen der Bewertung von Pareva-PHMB zur Bestimmung der AEC‑Werte bei Inhalation tatsächlich auf eine Analogie zu Lonza-PHMB zurückgegriffen worden sei, da es für Pareva-PHMB keine entsprechende Studie gegeben habe.

125    Im vorliegenden Fall geht erstens aus dem Sitzungsprotokoll der Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte hervor, dass Laboratoire Pareva im Rahmen ihrer Äußerungen zum Entwurf des Bewertungsberichts vom Juni 2016, also in einem weit fortgeschrittenen Stadium des Bewertungsverfahrens, neue Szenarien für die Verwendung der Produktarten 2 und 4, insbesondere als Sprays, vorgestellt hatte. In diesem Kontext beschloss die Arbeitsgruppe, dass ein spezifischer Referenzwert für die Inhalationstoxizität festgelegt werden sollte, damit sie die Risiken bei solchen Verwendungsszenarien bewerten konnte. Da es im Dossier insoweit an einer Studie fehlte, entschloss sich die Arbeitsgruppe, in einer Ad-hoc-Folgesitzung die Anwendung einer Analogie zu Lonza-PHMB zu prüfen.

126    Dazu geht aus dem Dossier hervor, dass Laboratoire Pareva der bewertenden zuständigen Behörde zwar eine Vorstudie zur subakuten Toxizität bei Inhalation vorgelegt hatte, dass diese Studie jedoch wegen der fehlenden Validierung der verwendeten Analysemethoden als unzuverlässig eingestuft worden war. Laboratoire Pareva hatte daraufhin angegeben, dass eine weitere Studie in Arbeit sei, der bewertenden zuständigen Behörde letztlich jedoch keinen Bericht über diese Studie vorgelegt. Das Dossier enthielt daher keine spezifische Studie zur Inhalationstoxizität von Pareva-PHMB, was die Klägerinnen nicht bestreiten.

127    Was die Studie zur wiederholten oralen Verabreichung einer Dosis anbelangt, die angeblich zur Ableitung des Referenzwerts für die Inhalationstoxizität hätte benutzt werden können, so ist festzustellen, dass diese Studie nicht die wiederholte Verabreichung einer Dosis durch Inhalation betrifft. Wie sich aber aus Nr. 4 des Sitzungsprotokolls der Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte ergibt, sind die Werte für eine orale, eine dermale und eine inhalative Absorption nicht identisch. Zudem hat die Kommission, ohne dass ihr die Klägerinnen insoweit widersprochen hätten, erklärt, die AEC‑Werte würden im Rahmen von Bewertungen festgelegt, bei denen auf den jeweiligen Verabreichungsweg abgestellt werde.

128    Zweitens haben zwar sowohl die bewertende zuständige Behörde als auch der ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte Lonza- und Pareva-PHMB als getrennte Stoffe betrachtet.

129    Die Tatsache, dass Pareva- und Lonza-PHMB keine identischen Stoffe sind, bedeutet jedoch keineswegs, dass sie nicht gewisse relevante Eigenschaften und ein ähnliches toxikologisches Profil aufweisen könnten. Im Übrigen war ursprünglich auch Laboratoire Pareva dieser Ansicht, denn sie hatte beabsichtigt, mit Lonza ein gemeinsames Dossier zur Genehmigung von PHMB einzureichen.

130    Zu den vier Kriterien für die Unterscheidung zwischen Pareva- und Lonza-PHMB – nämlich dem durchschnittlichen Molekulargewicht, der durchschnittlichen Polydispersität, dem Verhältnis zwischen Biguanid und Guanidin sowie der Verteilung und dem Verhältnis der Endgruppen der Polymerkette – liefern die Klägerinnen keine substantiierte Erklärung, um darzutun, weshalb diese beiden Stoffe bei Anwendung dieser Kriterien zur Bestimmung der AEC bei Inhalation offensichtlich unterschiedliche Werte hätten aufweisen sollen.

131    Wie aus dem Sitzungsprotokoll der Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte hervorgeht, hat die bewertende zuständige Behörde außerdem dargelegt, dass eine durch Einatmen hervorgerufene lokale Wirkung von Pareva-PHMB nicht ausgeschlossen werden könne, da zum einen die Einstufung „akute Toxizität bei Inhalation“ in Anhang I der Verordnung Nr. 1272/2008 auf Daten aus beiden PHMB-Quellen beruhten und zum anderen die Vorstudie von Laboratoire Pareva zur subakuten Toxizität bei Inhalation bereits eine Reizung der Atemwege aufgezeigt habe. Deswegen billigte die Arbeitsgruppe mehrheitlich die Anwendung einer Analogie zum AEC‑Wert für Lonza-PHMB. Die Arbeitsgruppe folgte daher nicht dem Vorbringen von Laboratoire Pareva, wonach ihr eigenes PHMB und Lonza-PHMB ein so unterschiedliches toxikologisches Profil aufwiesen, dass eine solche Analogie ausgeschlossen sei.

132    Das Vorbringen, mit dem die Klägerinnen der bewertenden zuständigen Behörde und der ECHA wegen Anwendung einer Analogie zu Lonza-PHMB einen offensichtlichen Beurteilungsfehler vorwerfen, ist daher unbegründet.

133    Jedenfalls wurde, wie sich aus der obigen Rn. 81 ergibt, die teratogene Wirkung als eine der für die menschliche Gesundheit besorgniserregenden Wirkungen von Pareva-PHMB ermittelt. Dabei wurde für diesen Stoff eine Konzentrationsstufe von 12 mg/kg/Tag festgelegt, was die niedrigste unter den Konzentrationsstufen ist, bei denen die anderen Wirkungen von Pareva-PHMB auftreten können. Diese Stufe wurde somit als Referenz-NOAEL zur Berechnung der AEL gegenüber diesem Stoff festgelegt, was die Klägerinnen weder in ihren Schriftsätzen noch in der mündlichen Verhandlung in Abrede gestellt haben. Für die Bewertung der von Pareva-PHMB für die menschliche Gesundheit ausgehenden unannehmbaren Risiken kommt es somit entscheidend auf die teratogene Wirkung, nicht aber auf die subakute Toxizität bei Inhalation an.

134    Selbst wenn also das Vorbringen, mit dem die Klägerinnen die Anwendung der streitigen Analogie beanstanden, begründet wäre, könnte damit nicht das Ergebnis der Bewertung von Pareva-PHMB in Frage gestellt werden, so dass dieses Vorbringen auch als ins Leere gehend zurückgewiesen werden kann.

iii) Diskussionstabelle für die Ad-hoc-Folgesitzung der Arbeitsgruppe „Umwelt“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vom 26. Juni 2017

135    Aus der Diskussionstabelle für die Ad-hoc-Folgesitzung der Arbeitsgruppe „Umwelt“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vom 26. Juni 2017 zur Bestimmung der abgeschätzten Nicht-Effekt-Konzentration auf Sedimenten geht hervor, dass Laboratoire Pareva eine neue Studie zur Spezies Lumbriculus variegatus vorgelegt hatte, die von der Arbeitsgruppe entgegengenommen worden war. Gemäß Anhang VI Nrn. 39 ff. der Verordnung Nr. 528/2012 schlug die Arbeitsgruppe vor, auf die Ergebnisse dieser Studie angesichts der Testdauer und der untersuchten Spezies einen Extrapolationsfaktor anzuwenden, um der Unsicherheit bei der Extrapolation der für eine begrenzte Anzahl von Spezies ermittelten Testdaten auf die reale Umwelt Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Fall handelte es sich um den Faktor 100.

136    Insoweit wurde zwar betont, dass der verwendete Extrapolationsfaktor mit dem Faktor übereinstimme, der zuvor im Bewertungsdossier zu Lonza-PHMB verwendet worden sei. Dieser Faktor ist jedoch nicht mit den Daten aus der von Laboratoire Pareva vorgelegten Studie gleichzusetzen, die speziell PHMB (1415; 4.7) betreffen und auf die er angewandt wird.

137    Im Übrigen ergibt sich aus der fraglichen Diskussionstabelle, dass Laboratoire Pareva in einem zusammen mit der Studie zur Spezies Lumbriculus variegatus übermittelten Dokument vorgeschlagen hatte, den Referenzwert für die Konzentration ohne erkennbare Wirkung zu standardisieren, um dem Gehalt an organischem Kohlenstoff Rechnung zu tragen. Eine solche Standardisierung wurde jedoch abgelehnt, weil sie in der Praxisanleitung der ECHA zur Verordnung über Biozidprodukte nicht empfohlen werde. In diesem Kontext wurde informationshalber hinzugefügt, eine solche Standardisierung sei auch für Lonza-PHMB nicht durchgeführt worden. Aus Gründen der Kohärenz wurde daher vorgeschlagen, von einer Anwendung dieses Faktors bei Pareva-PHMB abzusehen.

138    Infolgedessen geht aus der fraglichen Diskussionstabelle keineswegs hervor, dass die Ergebnisse der Studien zu Lonza-PHMB als solche zur Berechnung der Referenzwerte für Pareva-PHMB übernommen worden wären. Das Vorbringen, mit dem die Klägerinnen einen diesbezüglichen offensichtlichen Beurteilungsfehler rügen, ist daher unbegründet.

iv)    In der Ad-hoc-Folgesitzung der Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vom 5. Juli 2017 erörterte AEL

139    Das für die Ad-hoc-Folgesitzung der Arbeitsgruppe „Umwelt“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vom 5. Juli 2017 angefertigte Dokument enthält eine Zusammenfassung der von dieser Arbeitsgruppe zu entscheidenden Fragen sowie der zu berücksichtigenden wichtigsten Argumente und Zahlenangaben aus dem Dossier. Konkret werden in dem Dokument Daten aus dem von Laboratoire Pareva eingereichten Dossier zur Teratogenität untersucht, um den NOAEL-Wert für Pareva-PHMB zu bestimmen. Mithilfe dieses Wertes sollten sich dann die AEL für diesen Stoff errechnen lassen, die zur Bewertung der mit ihm für die menschliche Gesundheit verbundenen Risiken erforderlich sind.

140    So enthält Seite 5 dieses Dokuments zwar tatsächlich die Bemerkung, dass „die [AEL für Pareva-PHMB] die gleiche Größenordnung aufweisen wie diejenigen im Dossier von Lonza (0,0057 mg/kg Körpergewicht/Tag)“; diese Feststellung beruht jedoch auf den Daten, die speziell das von Laboratoire Pareva vorgelegte Dossier betreffen.

141    Aus der fraglichen Feststellung geht daher nicht hervor, dass die bewertende zuständige Behörde oder die ECHA die AEL für Pareva-PHMB auf die Daten für Lonza-PHMB gestützt hätte.

v)      Andere in Anlage A 36 zur Klageschrift in der Rechtssache T337/18 und in Anlage A 40 zur Klageschrift in der Rechtssache T347/18 angeführte Beispiele von Analogien zu Lonza-PHMB

142    Die übrigen in Anlage A 36 zur Klageschrift in der Rechtssache T‑337/18 und Anlage A 40 zur Klageschrift in der Rechtssache T‑347/18 angeführten Beispiele von Analogien zu Lonza-PHMB belegen nicht, dass die Daten zu Lonza-PHMB anstelle der im Dossier von Laboratoire Pareva enthaltenen Daten verwendet worden wären.

143    Was erstens die Beispiele aus den Dokumenten mit der Bezeichnung „RCOM vom 31. März 2017“ und „von der bewertenden zuständigen Behörde ergänzter RCOM“ anbelangt, so ist festzustellen, dass diese Dokumente nicht Teil der dem Gericht unterbreiteten Akten sind, so dass die darauf bezogenen Beispiele nicht belegt sind. Jedenfalls handelt es sich bei diesen Auszügen offensichtlich um Kommentare, Fragen und Vorschläge der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Bewertung von Pareva-PHMB durch den ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte. Sie lassen keine Entscheidung dieses Ausschusses erkennen, tatsächlich auf eine Analogie zu Lonza-PHMB zurückzugreifen.

144    Zweitens beziehen sich die Auszüge aus dem Dokument mit dem Titel „Diskussionstabelle für die Arbeitsgruppe ‚Umwelt‘ der ECHA“ auf Kommentare oder Fragen eines Mitgliedstaats, die dem endgültigen Standpunkt des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte nicht vorgreifen, sowie auf eine Antwort der bewertenden zuständigen Behörde zu den Absorptionseigenschaften von PHMB. Mit dieser Antwort soll nur die Kohärenz der bei der Bewertung von Pareva- und Lonza-PHMB angewandten Methoden sichergestellt werden, ohne dass darin erklärt würde, dass die Daten zu Lonza-PHMB anstelle der Daten aus dem Genehmigungsdossier für Pareva-PHMB verwendet worden wären.

145    Drittens kommt in den Auszügen aus dem Dokument mit dem Titel „Diskussionstabelle für die ECHA-Arbeitsgruppe ‚Menschliche Gesundheit‘“ sowie aus dem Sitzungsprotokoll der ECHA-Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“, dem Sitzungsprotokoll der ECHA-Arbeitsgruppe „Umwelt“ und dem Dokument mit dem Titel „Diskussion im Rahmen des Ad-hoc-Monitoring zur ‚Umwelt‘“ nicht zum Ausdruck, dass diese Arbeitsgruppen beschlossen hätten, auf Pareva-PHMB die für Lonza-PHMB ermittelten Daten anzuwenden. Diese Auszüge zeigen nur, dass die Mitglieder der Arbeitsgruppen gewillt waren, die Kohärenz der bei der Bewertung von Pareva- und Lonza-PHMB angewandten Methoden sicherzustellen. Das Dokument mit dem Titel „Diskussion im Rahmen des Ad-hoc-Monitoring zur ‚Umwelt‘“ ist im Übrigen nicht Teil der dem Gericht unterbreiteten Akten, so dass dieses Beispiel jedenfalls nicht belegt ist.

146    Viertens beziehen sich die beiden Auszüge aus dem Dokument mit dem Titel „Diskussionen im Rahmen des Ad-hoc-Monitoring zur ‚Toxizität‘“ auf die Anwendung einer Analogie zu Lonza-PHMB im Hinblick auf die Bestimmung der AEC bei Inhalation. Das Vorbringen der Klägerinnen zu einem offensichtlichen Beurteilungsfehler bezüglich dieser Analogie wurde bereits in den obigen Rn. 124 bis 132 geprüft und zurückgewiesen.

147    Somit lässt keines der von den Klägerinnen in der Anlage zur jeweiligen Klageschrift aufgelisteten Beispiele einer Analogie zu Lonza-PHMB den Schluss zu, dass sich die bewertende zuständige Behörde, der ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte und die Kommission systematisch auf die Ergebnisse der Prüfung von Lonza-PHMB gestützt oder Lonza-PHMB betreffende Daten zu Unrecht analog angewandt hätten. Das Vorbringen, mit dem die Klägerinnen insoweit einen offensichtlichen Beurteilungsfehler rügen, ist daher unbegründet.

148    Infolgedessen haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen, dass die mit der Bewertung von PHMB (1415; 4.7) betrauten Behörden einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hätten, indem sie nicht sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Umstände des vorliegenden Falles geprüft hätten, oder dass sie durch Anwendung des Analogiekonzepts ihre Beurteilungsbefugnis offensichtlich überschritten hätten. Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist deshalb zurückzuweisen.

b)      Zweiter Teil des zweiten Klagegrundes: Mangelnde Begründung der Anwendung von Analogien

149    Die Klägerinnen machen geltend, die Analogien zu Lonza-PHMB seien nur zulässig, wenn zugleich eine ausreichende und aussagekräftige Dokumentation über die angewandte Methode gemäß Anhang IV Nr. 1.5 der Verordnung Nr. 528/2012 vorgelegt werde. Dieses Erfordernis sei ein besonderer Ausdruck der Begründungspflicht nach Art. 296 AEUV.

150    Das Dokument des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vom 27. September 2017 mit dem Titel „Offene Fragen“ und das Positionspapier der bewertenden zuständigen Behörde zu PHMB, das für die Diskussionen der Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“ dieses Ausschusses erstellt und von Laboratoire Pareva kommentiert worden sei (im Folgenden: Positionspapier zur Toxizität), enthielten jedoch keine ausreichende und aussagekräftige Dokumentation über die für die Analogien zu Lonza-PHMB angewandte Methode. Außerdem sei dieses Positionspapier vor den Sitzungen der betreffenden Arbeitsgruppe Laboratoire Pareva nicht übermittelt worden; es habe auch keine Möglichkeit bestanden, über die nach den geltenden Verfahrensregeln anzuwendende Methode zu diskutieren.

151    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

152    Ausweislich des einleitenden ersten Absatzes des Anhangs IV der Verordnung Nr. 528/2012 in Verbindung mit deren Art. 6 Abs. 3 sind in diesem Anhang die Vorschriften festgelegt, die einzuhalten sind, wenn ein Antragsteller vorschlägt, die Datenanforderungen in dieser Verordnung anzupassen. In diesem Zusammenhang sieht Anhang IV Nr. 1.5 Abs. 5 dieser Verordnung vor, dass der Antragsteller, wenn er die Anwendung von Analogien für Stoffe vorschlägt, die als Stoffgruppe betrachtet werden können, eine ausreichende und aussagekräftige Dokumentation über die angewandte Methode vorzulegen hat.

153    Somit ergibt sich aus Art. 6 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang IV der Verordnung Nr. 528/2012, dass die in diesem Anhang vorgesehene und von den Klägerinnen angeführte Verpflichtung, im Fall von Analogien eine ausreichende und aussagekräftige Dokumentation über die angewandte Methode vorzulegen, nicht für die mit der Bewertung eines Wirkstoffs betrauten Behörden gilt.

154    Gleichwohl kann daraus nicht geschlossen werden, dass die mit der Bewertung eines Wirkstoffs betrauten Behörden, wenn sie beschließen, Mängel in dem von einem Antragsteller vorgelegten Dossier durch Anwendung des Analogiekonzepts zu beheben, von der Pflicht aus Art. 296 AEUV befreit wären, dies angemessen und hinreichend zu begründen. Eine solche Begründung muss die Überlegungen der betreffenden Behörden so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass der Antragsteller ihr die Gründe für die angewandten Analogien entnehmen und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann.

155    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der vorstehenden Prüfung des ersten Teils des zweiten Klagegrundes, dass die bewertende zuständige Behörde und der ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte nur auf eine einzige Analogie zu Lonza-PHMB-Werten zurückgegriffen haben, und zwar zur Bestimmung des AEC‑Werts bei Inhalation, da das Genehmigungsdossier für Pareva-PHMB keine entsprechende Studie enthielt.

156    Insoweit enthält zwar das Dokument des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vom 27. September 2017 mit dem Titel „Offene Fragen“ keine ausführliche Begründung für die Verwendung der fraglichen Analogie.

157    Im Positionspapier zur Toxizität wird jedoch speziell die Frage einer Analogie zwischen Pareva- und Lonza-PHMB zur Bestimmung des AEC‑Werts bei Inhalation geprüft. So enthält dieses Papier mehrere Tabellen, in denen die Ergebnisse der verfügbaren Studien zur akuten Toxizität, zur Genotoxizität bzw. zur Toxizität bei wiederholter Verabreichung bei Pareva- und Lonza-PHMB miteinander verglichen werden. Es heißt dort, dass diese beiden Stoffe aus physikalisch-chemischer Sicht strukturell ähnlich seien und ihre Toxizitätsprofile bezüglich der akuten oralen Toxizität und der Augenreizung nur geringfügig voneinander abwichen.

158    Im Positionspapier zur Toxizität heißt es außerdem, die Einstufung von PHMB in Anhang I der Verordnung Nr. 1272/2008 beruhe bezüglich der Inhalationstoxizität auf Daten zu Pareva- und Lonza-PHMB. Diesem Papier ist auch zu entnehmen, dass beide Stoffe nach wiederholter Exposition ein ähnliches Toxizitätsprofil aufwiesen und dass in der von Laboratoire Pareva vorgelegten Vorstudie zur subakuten Toxizität bei Inhalation eine Reizung der Atemwege beobachtet worden sei, was die Klägerinnen nicht bestreiten.

159    Wie sich aus dem Sitzungsprotokoll der Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte ergibt, wurde der Inhalt des Positionspapiers zur Toxizität innerhalb dieser Arbeitsgruppe im Beisein von Laboratoire Pareva erörtert. Die auf die Feststellungen in der obigen Rn. 158 gestützte Anwendung der fraglichen Analogie war Gegenstand einer Ad-hoc-Folgesitzung, an der Laboratoire Pareva teilnahm, und wurde von der Arbeitsgruppe in dieser Sitzung mehrheitlich gebilligt.

160    Laboratoire Pareva war somit in der Lage, zu verstehen, aus welchen Gründen der ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte auf eine Analogie zu Lonza-PHMB zurückgriff. Aus diesen Gründen geht klar und eindeutig hervor, weshalb das Analogiekonzept angewandt wurde, so dass Laboratoire Pareva die Gründe für die ergriffene Maßnahme erkennen konnte und das Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann.

161    Dabei spielt der Umstand, dass das Positionspapier zur Toxizität nicht vor der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte, die vom 29. Mai bis zum 2. Juni 2017 stattfand, Laboratoire Pareva zugeleitet worden war, keine Rolle für die Prüfung der Begründung der Anwendung der Analogie zu Lonza-PHMB. Es ist nämlich unstreitig, dass Laboratoire Pareva das Positionspapier kurz nach dieser ersten Sitzung und damit lange vor Erlass des angefochtenen Beschlusses und der Verordnung erhalten hat.

162    Folglich ist die Rüge unbegründet, mit der geltend gemacht wird, dass die Anwendung einer Analogie zu Lonza-PHMB nicht begründet worden sei.

163    Der zweite Klagegrund ist daher in vollem Umfang zurückzuweisen.

3.      Dritter Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler wegen der Missachtung maßgeblicher Faktoren

164    Die Klägerinnen machen geltend, der angefochtene Beschluss und die angefochtene Verordnung seien mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet, weil die bewertende zuständige Behörde und der ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte mehrere von Laboratoire Pareva vorgelegte maßgebliche Studien und Unterlagen nicht berücksichtigt hätten.

165    Die bewertende zuständige Behörde und der ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte hätten bei der Prüfung von Pareva-PHMB Analogien zu Lonza-PHMB herangezogen, und zwar als Standardmethode. Die Missachtung der für Pareva-PHMB spezifischen Daten habe zur Festsetzung ungünstiger niedriger Referenzwerte geführt, wie aus einem Positionspapier eines unabhängigen externen Beraters hervorgehe.

166    Mit ihrer Entscheidung, die von Laboratoire Pareva in gutem Glauben vorgelegten Daten willkürlich außer Acht zu lassen, habe die bewertende zuständige Behörde widersprüchlich gehandelt, weder eine aussagekräftige noch eine angemessene Begründung geliefert und es abgelehnt, neue Studien zu berücksichtigen, die die im Genehmigungsdossier für Pareva-PHMB vorgelegten und nicht akzeptierten Studien hätten ersetzen sollen.

167    Indem sich der ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte auf die Methodik und die Ergebnisse von Studien gestützt habe, die zwei Jahre vor der Prüfung von Pareva-PHMB für Lonza-PHMB verwendet worden seien, sei er von der irrigen Prämisse ausgegangen, dass sich die Meinungen und Methoden von Experten nicht ändern sollten.

168    Die Kommission tritt mit Unterstützung der ECHA dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

a)      Vorbemerkungen

169    Das in Kapitel II der Verordnung Nr. 528/2012 geregelte Verfahren für die Genehmigung von Wirkstoffen beruht auf der Einreichung eines Genehmigungsantrags. Dabei obliegt es dem Antragsteller nach Art. 6 dieser Verordnung, der bewertenden zuständigen Behörde ein vollständiges Dossier vorzulegen, anhand dessen die Behörde prüfen kann, ob der betreffende Stoff die Kriterien für die Genehmigung eines Wirkstoffs im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips erfüllt.

170    Gemäß Art. 7 Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 528/2012 kann die bewertende zuständige Behörde nach Annahme eines Genehmigungsantrags, wenn sie das Dossier für unvollständig erachtet, dem Antragsteller eine zusätzliche Frist von im Regelfall höchstens 90 Tagen für die Übermittlung der fehlenden Informationen einräumen. Der nach Ablauf dieser Frist unvollständig gebliebene Antrag kann nicht validiert werden und wird daher abgelehnt.

171    Sind hingegen die nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 528/2012 verlangten Daten übermittelt worden und wird das Dossier folglich für vollständig erachtet, validiert die bewertende zuständige Behörde den Antrag.

172    Innerhalb von 365 Tagen nach der Validierung eines Antrags bewertet die bewertende zuständige Behörde den Antrag auf der Grundlage des Dossiers des Antragstellers. Zu diesem Zweck kann sie nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 528/2012 den Antragsteller noch zur Übermittlung zusätzlicher Daten auffordern, die zur Klärung des Dossiers erforderlich sind.

173    Die Verordnung Nr. 528/2012 und die Delegierte Verordnung Nr. 1062/2014 bieten dem Antragsteller jedoch nicht die Möglichkeit, sein Dossier nach der Validierung seines Antrags – aus welchen Gründen auch immer – auf eigene Initiative zu vervollständigen. Diese Verordnungen sehen auch nicht vor, dass der Antragsteller neue Informationen vorlegen kann, nachdem die bewertende zuständige Behörde ihm den Entwurf ihres Bewertungsberichts zur Stellungnahme übermittelt hat.

174    Gleichwohl geht aus den Leitlinien des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vom 20. Januar 2016 zur Übermittlung neuer Informationen während des Peer-Review-Verfahrens für die Genehmigung eines Wirkstoffs (im Folgenden: ECHA-Leitlinien zur Übermittlung neuer Informationen) hervor, dass der Ausschuss in der Praxis bisweilen zusätzliche Informationen für dieses Prüfverfahren einzuholen hat. Neue Informationen können in dieser Phase des Bewertungsverfahrens aber nur unter vier Bedingungen vorgelegt werden. Erstens kann die der ECHA für die Abgabe ihrer Stellungnahme gesetzte Frist von 270 Tagen eingehalten werden; zweitens sieht es im Laufe des Verfahrens so aus, als ob sich die Ergebnisse der Bewertung durch die bewertende zuständige Behörde möglicherweise erheblich änderten; drittens sind die neuen Informationen bereits verfügbar und können unmittelbar nach der Sitzung der betreffenden Arbeitsgruppe vorgelegt werden; viertens hat diese Arbeitsgruppe die neuen Informationen für erforderlich erachtet und genau definiert.

175    Daher ist im Rahmen der Bewertung eines Wirkstoffs gemäß der Verordnung Nr. 528/2012 und der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 weder die bewertende zuständige Behörde noch die ECHA verpflichtet, neue Studien oder zusätzliche Daten entgegenzunehmen, die ein Antragsteller ihnen auf eigene Initiative vorlegen möchte, nachdem sein Dossier von der bewertenden zuständigen Behörde für vollständig erachtet und somit validiert wurde.

176    Im Übrigen eröffnet die bloße Behauptung, dass sich der Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse seit der Anmeldung geändert habe, den Parteien, die einen Wirkstoff angemeldet und mit einer Entscheidung über die Nichtgenehmigung dieses Wirkstoffs oder einer Verordnung über die Genehmigung unter Auflagen zu rechnen haben, nicht die Möglichkeit, neue Studien und Daten vorzulegen, solange Zweifel an der Unbedenklichkeit dieses Wirkstoffs bestehen. Eine derartige Auslegung liefe dem der Verordnung Nr. 528/2012 zugrunde liegenden Ziel eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt insofern zuwider, als damit der Partei, die den Antrag für den Wirkstoff gestellt hat und ihn am besten kennt, ein Vetorecht gegen den Erlass einer etwaigen Entscheidung, den Wirkstoff nicht zu genehmigen, eingeräumt würde (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 3. September 2009, Cheminova u. a./Kommission, T‑326/07, EU:T:2009:299, Rn. 169).

177    Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass unter besonderen Umständen vom Antragsteller vorgelegte neue Dokumente oder Daten berücksichtigt werden müssen, die zum Zeitpunkt der Validierung des von ihm eingereichten Dossiers nicht verfügbar waren. Wie sich aus der obigen Rn. 174 ergibt, sehen die ECHA-Leitlinien zur Übermittlung neuer Informationen diese Möglichkeit übrigens vor.

178    Jedoch hat der Antragsteller nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung eines Wirkstoffs erfüllt sind, wohingegen die Kommission nicht nachzuweisen hat, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, um die Genehmigung verweigern zu können (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 17. Mai 2018, BASF Agro u. a./Kommission, T‑584/13, EU:T:2018:279, Rn. 86 und 88). Angesichts dieser Verteilung der Beweislast hat ein Antragsteller, wenn er meint, nach der Validierung seines Dossiers vorgelegte neue Daten oder Studien hätten bei der Bewertung des betreffenden Stoffes berücksichtigt werden müssen, den Nachweis zu erbringen, dass diese Daten oder Studien vor der Validierung seines Dossiers nicht vorgelegt werden konnten, dass sie erforderlich sind und dass sie das Ergebnis des Bewertungsverfahrens offensichtlich in Frage stellen.

b)      Bei der Bewertung von Pareva-PHMB angeblich außer Acht gelassene Unterlagen

179    Als Dokumente und Studien, die bei der Bewertung von Pareva-PHMB angeblich unberücksichtigt blieben, führen die Klägerinnen das Positionspapier vom 4. Juli 2016, das ergänzende Positionspapier vom 3. März 2017, mehrere der Arbeitsgruppe „Umwelt“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vorgelegte Studien, die Äußerungen zum Positionspapier zur Toxizität sowie eine Vorstudie zur subakuten Toxizität bei Inhalation und einen Bericht eines externen Beraters vom Juli 2017 über die Ableitung der Werte für die AEL, die akute Referenzdosis und die zulässige Tagesdosis (im Folgenden: Bericht des externen Beraters) an. Sie verweisen auch auf sieben neue Studien, die der Arbeitsgruppe „Wirksamkeit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vorgelegt worden waren.

1)      Positionspapier vom 4. Juli 2016, ergänzendes Positionspapier vom 3. März 2017 und Liste der der Arbeitsgruppe „Umwelt“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vorgelegten neuen Studien

180    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass Laboratoire Pareva nach Anhang V der Verordnung (EG) Nr. 2032/2003 der Kommission vom 4. November 2003 über die zweite Phase des Zehn-Jahres-Arbeitsprogramms gemäß Artikel 16 Absatz 2 der Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1896/2000 (ABl. 2003, L 307, S. 1) spätestens am 31. Juli 2007 ein vollständiges Dossier für PHMB (1415; 4.7) einreichen musste. Die bewertende zuständige Behörde hat dieses Dossier jedoch erst im Januar 2016 für vollständig erachtet. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte Laboratoire Pareva alle Studien und Dokumente einreichen, die der bewertenden zuständigen Behörde eine Bewertung von Pareva-PHMB ermöglichen sollten.

181    Aus den dem Gericht unterbreiteten Akten geht hervor, dass Laboratoire Pareva das Positionspapier vom 4. Juli 2016 im Rahmen ihrer Äußerungen zum Entwurf des Bewertungsberichts vom Juni 2016 der bewertenden zuständigen Behörde übermittelt hat. Diesem Positionspapier war eine Liste von Studien beigefügt, die sich in einem Vorbereitungsstadium befanden und nach den Leitlinien Nrn. 303A, 201, 212, 222, 208 bzw. 225 der OECD für die Prüfung von Chemikalien durchgeführt werden sollten. Am 3. März 2017 legte Laboratoire Pareva das ergänzende Positionspapier vor, das die Ergebnisse der angekündigten neuen Studien enthielt.

182    Zur Liste der Studien in der Anlage zu jeder der beiden Klageschriften ist festzustellen, dass darin zum einen die oben in Rn. 181 genannten Studien und zum anderen eine von der École supérieure de physique et de chimie industrielles de la ville de Paris (ESPCI) (Hochschule für angewandte Physik und Chemie der Stadt Paris) durchgeführte Studie vom Mai 2016 mit dem Titel „Studie zum PHMBG-Verhalten (HPLC)“, eine Studie ebenfalls vom Mai 2016 mit dem Titel „Mikroskopische Oberflächenbeobachtung (Biophy-R)“ und eine nach den Leitlinien Nr. 218 der OECD für die Prüfung von Chemikalien im Jahr 2015 durchgeführte Studie zur Toxizität von PHMB für Sedimentorganismen mit dem Titel „Tox to sediment-Dwelling Phase Midge“ genannt sind.

183    Erstens ist unstreitig, dass die bewertende zuständige Behörde ihren Bewertungsbericht vom Dezember 2016 an die ECHA übermittelt hat, ohne die Ergebnisse der oben in Rn. 181 genannten Studien abzuwarten, die in dem Begleitdokument zum Positionspapier vom 4. Juli 2016 angekündigt waren. Die bewertende zuständige Behörde hat sich auch nicht der von Laboratoire Pareva in diesem Dokument geäußerten Ansicht angeschlossen, die das Vorgehen bei der Bewertung der Persistenz von PHMB (1415; 4.7) in Frage stellt.

184    Allerdings enthält das Positionspapier vom 4. Juli 2016 nicht nur eine Stellungnahme zum Entwurf des Bewertungsberichts vom Juni 2016 im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 528/2012. Mit diesem Positionspapier soll vielmehr, wie es in seiner Einleitung heißt, geklärt werden, wie die Persistenz von Pareva-PHMB zu bewerten ist. Insoweit wird insbesondere auf die Ergebnisse der Studie der ESPCI mit dem Titel „Studie zum PHMBG-Verhalten (HPLC)“ und der Studie mit dem Titel „Mikroskopische Oberflächenbeobachtung (Biophy-R)“ verwiesen, die beide aus dem Jahr 2016 stammen, d. h. aus einer Zeit nach der Validierung des Genehmigungsdossiers für Pareva-PHMB. Weder aus den dem Gericht unterbreiteten Akten noch aus dem Vorbringen der Parteien geht jedoch hervor, dass diese Studien von der bewertenden zuständigen Behörde nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 528/2012 angefordert worden wären.

185    Wie in der obigen Rn. 175 dargelegt, war die bewertende zuständige Behörde keineswegs verpflichtet, nach Validierung des Genehmigungsdossiers für Pareva-PHMB eingereichte zusätzliche Daten und Studien entgegenzunehmen, geschweige denn, die Ergebnisse dieser Studien abzuwarten, bevor sie der ECHA ihren Bewertungsbericht innerhalb der in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 vorgesehenen Frist übermittelte.

186    Zweitens geht aus den dem Gericht unterbreiteten Akten hervor, dass das Positionspapier vom 4. Juli 2016 sowie die angekündigten neuen Studien, die im zusätzlichen Positionspapier vom 3. März 2017 geprüft wurden, in den Sitzungen der Arbeitsgruppe „Umwelt“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte erörtert worden sind. Diese Arbeitsgruppe hat untersucht, ob die von Laboratoire Pareva nach Validierung des Genehmigungsdossiers für PHMB (1415; 4.7) vorgelegten neuen Umweltstudien im Hinblick auf die Bedingungen in den ECHA-Leitlinien zur Übermittlung neuer Informationen berücksichtigt werden konnten.

187    Die Arbeitsgruppe „Umwelt“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte kam jedoch nach Anhörung der Argumente von Laboratoire Pareva zu dem Schluss, dass lediglich eine neue Studie zu den Sedimenten zu berücksichtigen sei. Die Bedeutung der Ergebnisse dieser zusätzlichen Studie wurde in einer Ad-hoc-Folgesitzung dieser Arbeitsgruppe analysiert.

188    Ferner wurden in der oben in Rn. 187 erwähnten Ad-hoc-Folgesitzung die Ergebnisse der nach den Leitlinien Nr. 218 der OECD für die Prüfung von Chemikalien durchgeführten Studie zur Toxizität von PHMB für Sedimentorganismen mit dem Titel „Tox to sediment-Dwelling Phase Midge“ sowie das Vorbringen von Laboratoire Pareva zur Interpretation dieser Ergebnisse erörtert.

189    Die Arbeitsgruppe „Umwelt“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte hat auch die Persistenz von Pareva-PHMB unter Berücksichtigung des Vorbringens von Laboratoire Pareva zur Abbaubarkeit von PHMB (1415; 4.7) geprüft.

190    Zwar hat die Arbeitsgruppe „Umwelt“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte befunden, einige der von Laboratoire Pareva vorgeschlagenen neuen Studien könnten angesichts der bei der Bewertung von Lonza-PHMB geführten Diskussionen nicht akzeptiert werden. Selbst wenn eine solche Vorgehensweise unzulässig sein sollte, ändert das aber nichts daran, dass diese Studien verspätet vorgelegt worden waren – was die Klägerinnen nicht bestreiten –, so dass sie jedenfalls nicht entgegengenommen werden mussten.

191    Außerdem ist das Vorbringen zurückzuweisen, mit dem die Klägerinnen rügen, indem die ECHA auf die Kohärenz der bei der Prüfung der beiden PHMB-Stoffe angewandten Methode abgestellt habe, um bestimmte neue Studien auszuklammern, sei sie von der irrigen Prämisse ausgegangen, dass sich die Meinungen und Methoden von Experten nicht ändern sollten. Die Klägerinnen machen nämlich keine Angaben dazu, inwiefern sich die Methoden, auf denen die fraglichen Studien beruhen, nach der Validierung des Genehmigungsdossiers für Pareva-PHMB geändert haben sollten.

192    Drittens haben die Klägerinnen in keiner Weise dargelegt, warum die oben in Rn. 181 genannten Studien, die nach der Validierung des Genehmigungsdossiers für Pareva-PHMB eingereicht wurden, nicht früher vorgelegt werden konnten. Sie tragen auch nicht substanziiert vor, weshalb diese Studien und Dokumente erforderlich waren und offensichtlich die Möglichkeit einer anderen Bewertung von Pareva-PHMB eröffneten, so dass dieser Stoff hätte genehmigt, zumindest aber unter gewissen, weniger strengen Bedingungen genehmigt werden müssen.

193    Die Klägerinnen erklären zwar u. a., dass die fraglichen neuen Studien und Dokumente vorgelegt worden seien, um die von der bewertenden zuständigen Behörde verworfenen Studien zu ersetzen, und dass die Daten zur Umweltverträglichkeitsprüfung im Genehmigungsdossier für Pareva-PHMB wegen der Nichtbeachtung dieser neuen Studien und Dokumente lückenhaft seien; sie versäumen es jedoch, die betreffenden Lücken zu benennen und substanziiert darzulegen, dass die Schlussfolgerungen der bewertenden zuständigen Behörde und der ECHA in Anbetracht der Ergebnisse dieser Studien offensichtlich fehlerhaft waren.

194    Die Klägerinnen können sich insoweit zur Begründung ihres Vorbringens nicht auf eine pauschale Bezugnahme auf das Dokument eines externen Beraters zum Risikoquotienten beschränken. Wie sich nämlich aus der obigen Rn. 77 ergibt, ist es nicht Sache des Gerichts, die Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion.

195    Daher ist das Vorbringen zurückzuweisen, mit dem die Klägerinnen geltend machen, es sei ein offensichtlicher Beurteilungsfehler begangen worden, weil das Positionspapier vom 4. Juli 2016, das ergänzende Positionspapier vom 3. März 2017 und die der Arbeitsgruppe „Umwelt“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vorgelegten neuen Studien nicht berücksichtigt worden seien.

2)      Äußerungen von Laboratoire Pareva zum Positionspapier zur Toxizität und Vorstudie zur subakuten Toxizität bei Inhalation

196    Das Positionspapier zur Toxizität enthält eine Zusammenfassung des Standpunkts der bewertenden zuständigen Behörde u. a. zu der Möglichkeit, Analogien zwischen Lonza- und Pareva-PHMB heranzuziehen, sowie zu der Notwendigkeit, eine solche Analogie anzuwenden, um die AEC‑Indikatorwerte bei Inhalation für Pareva-PHMB zu bestimmen. In diesem Papier sind auch die Einwände von Laboratoire Pareva gegen die Anwendung einer solchen Analogie aufgeführt, einschließlich ihres Vorbringens zur möglichen Verwendung der Vorstudie zur subakuten Toxizität bei Inhalation, die sie der bewertenden zuständigen Behörde vorgelegt hatte.

197    Wie aus obiger Rn. 126 hervorgeht, hat die Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte die von Laboratoire Pareva vorgelegte Vorstudie zur subakuten Toxizität bei Inhalation geprüft und wegen der fehlenden Validierung der verwendeten Analysemethoden als unzuverlässig eingestuft, was die Klägerinnen nicht bestreiten. Selbst wenn sich aus dieser Studie ergeben haben sollte, dass Pareva-PHMB wesentlich weniger toxisch ist als Lonza-PHMB, kann es der ECHA also nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie diese Ergebnisse nicht berücksichtigt hat.

198    Wie oben in Rn. 131 erwähnt, ist ferner das Vorbringen, mit dem sich Laboratoire Pareva gegen die Anwendung einer Analogie zu Lonza-PHMB zur Bestimmung der AEC‑Indikatorwerte bei Inhalation gewandt hatte, von der Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte nicht aufgegriffen worden, die eine Analogie zu Lonza-PHMB gebilligt hat.

199    Im Übrigen haben die Klägerinnen, wie sich aus der obigen Rn. 132 ergibt, nicht nachgewiesen, dass die bewertende zuständige Behörde und die ECHA bei der Anwendung der Analogie zu Lonza-PHMB zur Bestimmung der AEC‑Werte bei Inhalation einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hätten.

200    Daher ist das Vorbringen zurückzuweisen, mit dem die Klägerinnen geltend machen, es liege ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vor, weil die Äußerungen von Laboratoire Pareva zum Positionspapier zur Toxizität bei der Bewertung von PHMB (1415; 4.7) nicht berücksichtigt worden seien.

3)      Bericht des externen Beraters

201    Der Bericht des externen Beraters richtet sich gegen die Berechnung der NOAEL- und AEL-Werte, die von der bewertenden zuständigen Behörde aufgrund einer von Laboratoire Pareva vorgelegten Studie zur pränatalen Entwicklungstoxizität bei Kaninchen vorgeschlagen worden war. In diesem Bericht werden insbesondere die von Laboratoire Pareva aktualisierten Ergebnisse dieser Studie untersucht.

202    Zum einen wurde der Bericht des externen Beraters von Laboratoire Pareva der ECHA im Juli 2017 vorgelegt, nachdem mehrere ECHA-Arbeitsgruppensitzungen zum Genehmigungsantrag für PHMB (1415; 4.7) stattgefunden hatten, also in einem weit fortgeschrittenen Stadium des Bewertungsverfahrens für diesen Stoff. Wie sich aus der obigen Rn. 175 ergibt, war die ECHA nicht verpflichtet, einen solchen Bericht entgegenzunehmen, den sie nach den dem Gericht vorliegenden Informationen auch nicht angefordert hatte.

203    Außerdem haben die Klägerinnen nicht erklärt, warum der Bericht des externen Beraters nicht früher vorgelegt werden konnte.

204    Zum anderen geht aus den dem Gericht unterbreiteten Akten hervor, dass die Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte in einer Sitzung im September 2017 die Änderungen sehr wohl geprüft hat, die Laboratoire Pareva an den Ergebnissen der Studie zur pränatalen Entwicklungstoxizität bei Kaninchen vorgenommen hatte und die speziell im Bericht des externen Beraters behandelt werden. Die Arbeitsgruppe kam jedoch zu dem Schluss, diese Änderungen hätten keinen Einfluss auf die NOAEL-Werte. Überdies wurde in der betreffenden Sitzung vereinbart, dass die bewertende zuständige Behörde in ihrem abschließenden Bewertungsbericht diese Änderungen erwähnen werde.

205    Daher ist das Vorbringen zurückzuweisen, mit dem die Klägerinnen geltend machen, es liege ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vor, weil der Bericht des externen Beraters bei der Bewertung von PHMB (1415; 4.7) nicht berücksichtigt worden sei.

4)      Sieben der Arbeitsgruppe „Wirksamkeit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vorgelegte neue Studien

206    Zunächst ist unbestritten, dass Laboratoire Pareva die sieben neuen Wirksamkeitsstudien der Arbeitsgruppe „Wirksamkeit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte nach der Validierung des Genehmigungsdossiers für PHMB (1415; 4.7) vorgelegt hat. Weder den dem Gericht unterbreiteten Akten noch dem Parteivorbringen ist aber zu entnehmen, dass diese Studien von der bewertenden zuständigen Behörde gemäß Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 528/2012 oder vom ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte angefordert worden wären.

207    Wie sich aus der obigen Rn. 175 ergibt, war die ECHA somit nicht verpflichtet, die betreffenden neuen Berichte entgegenzunehmen.

208    Sodann haben die Klägerinnen und die ECHA in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts erklärt, die Arbeitsgruppe „Wirksamkeit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte habe dennoch geprüft, ob die fraglichen sieben neuen Studien berücksichtigt werden könnten. Insoweit geht aus den dem Gericht unterbreiteten Akten hervor, dass diese Arbeitsgruppe geprüft hat, ob die Bedingungen der oben in Rn. 174 erwähnten ECHA-Leitlinien zur Übermittlung neuer Informationen erfüllt waren, und zu dem Schluss gekommen ist, die in Rede stehenden Informationen seien für die Bewertung der Wirksamkeit des fraglichen Stoffes nicht erforderlich.

209    Schließlich haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie hätten die fraglichen sieben neuen Studien erst nach der Validierung des Genehmigungsdossiers für Pareva-PHMB vorgelegt, weil die ursprünglich in diesem Dossier enthaltenen Wirksamkeitsstudien nicht akzeptiert worden seien. Wie sich aber aus den obigen Rn. 169 und 178 ergibt, hat der Antragsteller ein vollständiges Dossier einzureichen, aus dem hervorgeht, dass sein Wirkstoff die Kriterien der Verordnung Nr. 528/2012 erfüllt, damit er genehmigt werden kann. Reicht ein Antragsteller bei der bewertenden zuständigen Behörde unzuverlässige oder unvollständige Studien ein, kann er nicht das Recht in Anspruch nehmen, nach der Validierung seines Dossiers zeitlich unbegrenzt neue Studien vorzulegen, da er sich sonst de facto das Recht anmaßen würde, dieses Bewertungsverfahren endlos zu verlängern, ohne dass eine Entscheidung über die Risiken des bewerteten Stoffes getroffen werden könnte, obwohl der Stoff sich bis zum Erlass dieser Entscheidung auf dem Unionsmarkt befindet.

210    Die Klägerinnen erklären auch nicht, warum diese Studien, mittels deren der Risikoquotient verbessert werden sollte, nicht früher vorgelegt werden konnten.

211    Das Vorbringen der Klägerinnen, es liege ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vor, weil die sieben neuen Wirksamkeitsstudien bei der Bewertung von PHMB (1415; 4.7) nicht berücksichtigt worden seien, ist daher zurückzuweisen.

212    Infolgedessen haben die bewertende zuständige Behörde und die ECHA bei ihrer Entscheidung, nicht alle neuen Daten und Studien zu berücksichtigen, die Laboratoire Pareva nach der Validierung des Genehmigungsdossiers für PHMB (1415; 4.7) vorgelegt hatte, diese neuen Daten und Studien nicht willkürlich außer Acht gelassen, sondern geprüft, ob die in den ECHA-Leitlinien zur Übermittlung neuer Informationen festgelegten Bedingungen erfüllt waren.

213    Die Klägerinnen haben somit nicht nachgewiesen, dass die bewertende zuständige Behörde und die ECHA es unterlassen hätten, alle relevanten Umstände des vorliegenden Falles sorgfältig und unparteiisch zu prüfen, weshalb der Klagegrund, mit dem ein entsprechender offensichtlicher Beurteilungsfehler gerügt wird, unbegründet ist.

214    Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen in Frage gestellt, mit dem die Klägerinnen der bewertenden zuständigen Behörde und der ECHA vorwerfen, sich bei der Bewertung von Pareva-PHMB mit einer systematischen Übernahme der Daten zu Lonza-PHMB begnügt zu haben, denn aus der obigen Rn. 148 ergibt sich, dass dieses Vorbringen unbegründet ist. Die Klägerinnen können daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass die bewertende zuständige Behörde und die ECHA die von Laboratoire Pareva vorgelegten neuen Daten und Studien zugunsten der Daten zu Lonza-PHMB außer Acht gelassen hätten.

215    Daher ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

4.      Vierter Klagegrund: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

216    Die Klägerinnen behaupten, Laboratoire Pareva habe nicht die Gelegenheit erhalten, ihren Standpunkt in dem Verfahren, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses und der angefochtenen Verordnung geführt habe, ordnungsgemäß und sachdienlich darzulegen.

217    Erstens sei Laboratoire Pareva das Positionspapier zur Toxizität erst am 7. Juni 2017 – nach den Sitzungen der mit seiner Prüfung betrauten Arbeitsgruppe des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte – übermittelt worden. Zweitens sei keine der sieben neuen Wirksamkeitsstudien zur Ergänzung der Bewertung für die Produktarten 5 und 6 berücksichtigt worden; auch seien mehrere Umweltstudien ohne eindeutige oder fundierte Begründung verworfen worden. Das Positionspapier vom 4. Juli 2016 und das ergänzende Positionspapier vom 3. März 2017 seien ebenfalls unberücksichtigt geblieben.

218    Die oben in Rn. 217 genannten Studien und Dokumente hätten jedoch die Ergebnisse der Bewertung von PHMB (1415; 4.7) und die Diskussionen in den Arbeitsgruppen des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte insofern beeinflussen können, als sie eventuell zur Feststellung anderer Referenzwerte (insbesondere hinsichtlich der abgeschätzten Nicht-Effekt-Konzentration) und damit zu einer Änderung der Ergebnisse der Gefährdungsbewertung für die vorgeschlagenen Produktarten geführt hätten.

219    Die Kommission tritt mit Unterstützung der ECHA dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

220    Nach ständiger Rechtsprechung ist die Wahrung der Verteidigungsrechte in allen Verfahren, die zu einer beschwerenden Maßnahme führen können, ein elementarer Grundsatz des Unionsrechts, der auch dann zu beachten ist, wenn eine Regelung für das betreffende Verfahren fehlt. Dieser Grundsatz gebietet es, dass die Adressaten von Entscheidungen, die deren Interessen spürbar beeinträchtigen, in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt in sachdienlicher Weise vorzutragen. Das Recht auf Anhörung im Rahmen eines eine bestimmte Person betreffenden Verwaltungsverfahrens folgt aus den Verteidigungsrechten (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2014, Xeda International/Kommission, T‑269/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1069, Rn. 107 und 108 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

221    Bei Rechtsakten mit allgemeiner Geltung hingegen verlangen nach den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, wie dem Anspruch auf Anhörung, Konsultierung und Information, weder der Prozess ihrer Ausarbeitung noch diese Rechtsakte selbst die Beteiligung der betroffenen Personen. Anders verhält es sich dann, wenn eine ausdrückliche Bestimmung des Rechtsrahmens, der den Erlass dieses Rechtsakts regelt, einer betroffenen Person ein solches Verfahrensrecht verleiht (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2019, Probelte/Kommission, T‑67/18, EU:T:2019:873, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

222    Im vorliegenden Fall enthält der angefochtene Beschluss eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung, mit der es abgelehnt wird, PHMB (1415; 4.7) als alten Wirkstoff zur Verwendung in den Produktarten 1, 5 und 6 zu genehmigen. Die angefochtene Verordnung enthält Maßnahmen mit allgemeiner Geltung, die zum einen die Voraussetzungen für die Genehmigung dieses Stoffes für die Produktarten 2 und 4 und zum anderen die Aufnahme dieses Stoffes in die Liste der zu ersetzenden Stoffe betreffen.

223    Laboratoire Pareva standen folglich im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für PHMB (1415; 4.7) die Verfahrensrechte zu, die in der Verordnung Nr. 528/2012 und in der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 ausdrücklich vorgesehen sind.

224    Aus Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 528/2012 und Art. 6 Abs. 4 der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 folgt, dass die bewertende zuständige Behörde, bevor sie der ECHA ihre Schlussfolgerungen übermittelt, dem Antragsteller die Möglichkeit gibt, innerhalb von 30 Tagen zu dem Bewertungsbericht und zu den Schlussfolgerungen der Bewertung schriftlich Stellung zu nehmen. Die bewertende zuständige Behörde trägt dieser Stellungnahme in der Endfassung ihres Berichts gebührend Rechnung.

225    Insoweit geht aus den dem Gericht unterbreiteten Akten hervor, dass Laboratoire Pareva nach der Übermittlung des Entwurfs des Bewertungsberichts vom Juni 2016 über eine Frist von 30 Tagen verfügte, um sich zu diesem Entwurf zu äußern. In diesem Zusammenhang hat Laboratoire Pareva das Positionspapier vom 4. Juli 2016 vorgelegt.

226    Laboratoire Pareva hat somit von ihrem Recht auf Stellungnahme zum Entwurf des Bewertungsberichts der bewertenden zuständigen Behörde gemäß Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 528/2012 und Art. 6 Abs. 4 der Delegierten Verordnung Nr. 1062/2014 Gebrauch gemacht.

227    Außerdem hat Laboratoire Pareva unstreitig an den Sitzungen der Arbeitsgruppen des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte, in denen die mit PHMB (1415; 4.7) verbundenen Risiken erörtert wurden, und an der Sitzung des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vom 3. und 4. Oktober 2017, in der die Stellungnahme dieses Ausschusses verabschiedet wurde, teilgenommen. Aus einem Verzeichnis der Kontakte zwischen der ECHA und Laboratoire Pareva, das die Kommission als Anlage zu den jeweiligen Klagebeantwortungen vorgelegt hat und das von den Klägerinnen nicht angezweifelt wurde, geht ferner hervor, dass Laboratoire Pareva mehrfach Gelegenheit hatte, im Verfahren zur Bewertung von PHMB (1415; 4.7) durch den ECHA-Ausschuss für Biozidprodukte ihren Standpunkt darzulegen.

228    In Bezug auf die Studien und Dokumente, die von der bewertenden zuständigen Behörde und der ECHA angeblich nicht berücksichtigt wurden, ist daran zu erinnern, dass, wie oben in Rn. 173 ausgeführt, weder die Verordnung Nr. 528/2012 noch die Delegierte Verordnung Nr. 1062/2014 dem Antragsteller die Möglichkeit einräumen, der bewertenden zuständigen Behörde, geschweige denn der ECHA, neue Daten und Studien vorzulegen, nachdem sein Dossier von der bewertenden zuständigen Behörde validiert worden ist.

229    Es steht aber außer Streit, dass die im Positionspapier vom 4. Juli 2016 und im ergänzenden Positionspapier vom 3. März 2017 enthaltenen neuen Daten, die bei der Arbeitsgruppe „Umwelt“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte eingereichten neuen Studien und die sieben neuen Wirksamkeitsstudien von Laboratoire Pareva nach der Validierung des Genehmigungsdossiers für PHMB (1415; 4.7) vorgelegt wurden, ohne dass die bewertende zuständige Behörde oder die ECHA sie angefordert hätte. Der Anspruch von Laboratoire Pareva auf rechtliches Gehör kann daher nicht wegen der angeblichen Missachtung dieser Daten und Studien verletzt worden sein.

230    Was das Positionspapier zur Toxizität betrifft, so räumt die Kommission ein, dass dieses Dokument Laboratoire Pareva erst nach der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vom 31. Mai 2017 übermittelt wurde. Diese erste Sitzung war jedoch nicht die einzige Gelegenheit für Laboratoire Pareva, um sich zu der in diesem Positionspapier vertretenen Ansicht der bewertenden zuständigen Behörde zu äußern.

231    Aus dem Sitzungsprotokoll der Arbeitsgruppe „Menschliche Gesundheit“ des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte geht nämlich hervor, dass die Fragen im Zusammenhang mit der Analogie zu Lonza-PHMB zur Bestimmung der AEC‑Werte bei Inhalation in einer Ad-hoc-Folgesitzung behandelt wurden. Darüber hinaus erhielt Laboratoire Pareva erneut die Gelegenheit, zur Inhalationstoxizität von PHMB (1415; 4.7) in der Sitzung des ECHA-Ausschusses für Biozidprodukte vom 3. und 4. Oktober 2017 Stellung zu nehmen.

232    Ganz allgemein haben die Klägerinnen kein Dokument, keine Studie und keine Daten angeführt, auf die sich die bewertende zuständige Behörde oder die ECHA bei der Bewertung von Pareva-PHMB gestützt hätte, ohne Laboratoire Pareva die Möglichkeit gegeben zu haben, sich dazu sachdienlich zu äußern. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, vergingen zwischen der Einreichung des Genehmigungsdossiers für PHMB (1415; 4.7) durch Laboratoire Pareva und der Vorlage des Bewertungsberichts bei der ECHA im Dezember 2016 fast zehn Jahre. Während dieses Zeitraums, der angesichts der in der Verordnung Nr. 528/2012 vorgesehenen Fristen für die Validierung eines Dossiers und die Bewertung eines Wirkstoffs auf der Grundlage dieses Dossiers besonders lang war, gab die bewertende zuständige Behörde Laboratoire Pareva mehrmals die Gelegenheit, ihr Genehmigungsdossier zu vervollständigen. Wie namentlich oben in Rn. 100 dargelegt, erklärte sich die ECHA ferner bereit, eine von Laboratoire Pareva vorgelegte neue Studie zu berücksichtigen, obwohl diese zu spät vorgelegt worden war.

233    Der vierte Klagegrund ist folglich unbegründet.

234    Nach alledem sind die Klagen abzuweisen.

V.      Kosten

235    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

236    Da Laboratoire Pareva in der Rechtssache T‑337/18 unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen, einschließlich derjenigen, die in den unter den Aktenzeichen T‑337/18 R und T‑337/18 R II in das Register eingetragenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind.

237    Da Laboratoire Pareva und Biotech3D in der Rechtssache T‑347/18 unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen, einschließlich derjenigen, die in dem unter dem Aktenzeichen T‑347/18 R in das Register eingetragenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind. Laboratoire Pareva sind antragsgemäß auch die Kosten in dem unter dem Aktenzeichen T‑347/18 R II in das Register eingetragenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

238    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Verfahrensordnung bezeichnet der Begriff „Organe“ die in Art. 13 Abs. 1 EUV genannten Organe der Union und die Einrichtungen oder sonstigen Stellen, die durch die Verträge oder einen zu deren Durchführung erlassenen Rechtsakt geschaffen worden sind und die in Verfahren vor dem Gericht Partei sein können. Gemäß Art. 100 der Verordnung Nr. 1907/2006 ist die ECHA eine Einrichtung der Union. Daher haben die Französische Republik und die ECHA jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Rechtssachen T337/18 und T347/18 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

2.      Die Klagen werden abgewiesen.

3.      In der Rechtssache T337/18 trägt Laboratoire Pareva ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission, einschließlich derjenigen, die in den unter den Aktenzeichen T337/18 R und T337/18 R II in das Register eingetragenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind.

4.      In der Rechtssache T347/18 tragen Laboratoire Pareva und Biotech3D Ltd & Co. KGihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission, einschließlich derjenigen, die in dem unter dem Aktenzeichen T347/18 R in das Register eingetragenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind. Laboratoire Pareva trägt auch die Kosten, die in dem unter dem Aktenzeichen T347/18 R II in das Register eingetragenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind.

5.      Die Französische Republik und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

da Silva Passos

Reine

Sampol Pucurull

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. September 2021.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.