Language of document : ECLI:EU:T:2022:295

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

18. Mai 2022(*)

„Schutzmaßnahmen – Markt für Stahlerzeugnisse – Durchführungsverordnung (EU) 2019/159 – Nichtigkeitsklage – Rechtsschutzinteresse – Klagebefugnis – Zulässigkeit – Gleichbehandlung – Vertrauensschutz – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Sorgfaltspflicht – Gefahr eines ernsthaften Schadens – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Einleitung einer Schutzmaßnahmenuntersuchung – Zuständigkeit der Kommission – Verteidigungsrechte“

In der Rechtssache T‑245/19,

Uzina Metalurgica Moldoveneasca OAO, mit Sitz in Rîbniţa (Moldau), vertreten durch Rechtsanwältin P. Vander Schueren und Rechtsanwalt E. Gergondet,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Luengo und P. Němečková als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen, des Richters M. Jaeger (Berichterstatter) und der Richterin O. Porchia,

Kanzler: I. Pollalis, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

–        der am 10. April 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

–        der Einrede der Unzulässigkeit, die die Kommission nach Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts mit am 26. Juni 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem gesondertem Schriftsatz erhoben hat,

–        der von der Klägerin am 20. August 2019 eingereichten Stellungnahme zu dieser Einrede,

–        des Beschlusses vom 13. Februar 2020, die Entscheidung über die Unzulässigkeitseinrede dem Endurteil vorzubehalten,

auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2021

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Uzina Metalurgica Moldoveneasca OAO, die Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) 2019/159 der Kommission vom 31. Januar 2019 zur Einführung endgültiger Schutzmaßnahmen gegenüber den Einfuhren bestimmter Stahlerzeugnisse (ABl. 2019, L 31, S. 27, im Folgenden: angefochtene Verordnung), soweit sie die Klägerin betrifft.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerin, die in der Region Transnistrien in der Republik Moldau ansässig ist, stellt zwei Kategorien von Stahlerzeugnissen her, die Gegenstand der mit der angefochtenen Verordnung eingeführten Schutzmaßnahmen sind: die Warenkategorie Nr. 13 (Betonstabstahl) und die Warenkategorie Nr. 16 (Walzdraht aus nicht legiertem Stahl oder anderem legiertem Stahl).

3        Am 28. April 2016 nahm die Europäische Kommission angesichts der Lage der Stahlindustrie der Europäischen Union die Durchführungsverordnung (EU) 2016/670 zur Einführung einer vorherigen Überwachung der Einfuhren bestimmter Stahlerzeugnisse mit Ursprung in bestimmten Drittländern durch die Union (ABl. 2016, L 115, S. 37) an.

4        Am 23. März 2018 führten die Vereinigten Staaten von Amerika gemäß Abschnitt 232 des Trade Expansion Act (Gesetz zur Förderung des Handels) (im Folgenden: Abschnitt 232) Einfuhrzölle ein.

5        Am 26. März 2018 leitete die Kommission angesichts der statistischen Daten, die nach der Einführung der Überwachungsmaßnahmen erhoben wurden, eine Schutzmaßnahmenuntersuchung ein, um die Lage bei mehreren Kategorien von Stahlerzeugnissen zu untersuchen.

6        Da die Kommission aus ihrer Analyse der Daten den vorläufigen Schluss zog, dass der Stahlindustrie der Union in Bezug auf 23 der 26 Warenkategorien, für die am Ende der Untersuchung ein Anstieg der Einfuhren festgestellt wurde, eine ernsthafte Schädigung drohe, erließ sie die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1013 vom 17. Juli 2018 zur Einführung vorläufiger Schutzmaßnahmen betreffend die Einfuhren bestimmter Stahlerzeugnisse (ABl. 2018, L 181, S. 39, im Folgenden: vorläufige Verordnung).

7        Da die Kommission zu der Überzeugung gelangte, dass der Stahlindustrie der Union eine ernsthafte Schädigung in Bezug auf 26 Kategorien von Stahlerzeugnissen drohe, erließ sie am 31. Januar 2019 die angefochtene Verordnung, mit der endgültige Schutzmaßnahmen für einen Zeitraum von drei Jahren in Form von kategorienspezifischen Zollkontingenten eingeführt wurden, deren mengenmäßige Obergrenze auf die durchschnittliche Einfuhrmenge der betroffenen Länder im Zeitraum 2015 bis 2017 zuzüglich 5 % festgesetzt wurde, um sicherzustellen, dass die traditionellen Handelsströme aufrechterhalten werden und die vorhandenen Verwender und die Einfuhrwirtschaft hinreichend geschützt sind.

8        Im Gegensatz zu der im Rahmen der vorläufigen Schutzmaßnahmen geltenden Regelung wurden mit der angefochtenen Verordnung länderspezifische Kontingente für Länder mit einem starken Lieferinteresse festgelegt (d. h. für Länder mit einem Anteil von über 5 % der Einfuhren in der betroffenen Warenkategorie). Zugleich wurde für die anderen Länder, die in das Gebiet der Union exportieren, ein „Restzollkontingent“ festgelegt. Die Kommission war ferner der Ansicht, dass ein Lieferland, wenn es sein spezifisches Zollkontingent ausgeschöpft hat, die Möglichkeit des Zugangs zum Restzollkontingent haben sollte, um die Aufrechterhaltung der traditionellen Handelsströme sicherzustellen, aber auch, um zu vermeiden, dass gegebenenfalls Teile des Restzollkontingents ungenutzt bleiben.

9        So haben Ausfuhrländer mit einem starken Lieferinteresse – wie Moldau in Bezug auf die Warenkategorien Nr. 13 und Nr. 16 – grundsätzlich die Möglichkeit, im Rahmen von zwei getrennten Systemen zu verfahren. In einer ersten Phase können sie ihren Handel bis zu der länderspezifischen Höchstmenge fortsetzen, die anhand ihrer eigenen traditionellen Handelsströme zwischen 2015 und 2017 zuzüglich 5 % festgelegt wurde, und sobald diese länderspezifische Höchstmenge ausgeschöpft ist, können sie in einer zweiten Phase weiterhin in die Union exportieren, sofern sie die Höchstmenge des für alle verfügbaren Restkontingents nicht überschreiten. Erst wenn beide Obergrenzen erreicht werden, gilt für solche Einfuhren der außerhalb des Kontingents geltende Zollsatz von 25 %.

10      Nach Auffassung der Kommission zielen die im vorliegenden Fall ergriffenen Maßnahmen einerseits darauf ab, die traditionellen Handelsströme von zusätzlichem Schutzmaßnahmen freizustellen, um ein ausreichendes Angebot und einen ausreichenden Wettbewerb auf dem Unionsmarkt zu gewährleisten, während die Höhe der Zollkontingente andererseits so festgelegt ist, dass eine Umlenkung der Handelsströme im Rahmen der nach Abschnitt 232 erlassenen Maßnahmen, die sich negativ auf den Wirtschaftszweig der Union auswirken könnte, verhindert wird. Somit sei der außerhalb des Kontingents geltende Zollsatz grundsätzlich nur dann anzuwenden, wenn eine Handelsumlenkung aufgrund der von den Vereinigten Staaten von Amerika ergriffenen Maßnahmen dazu führen sollte, dass eine Situation, in der eine ernsthafte Schädigung drohe, in eine solche übergehe, in der eine ernsthafte Schädigung stattfinde. In diesem Zusammenhang ist die Kommission der Ansicht, die in Anhang IV.1 der angefochtenen Verordnung aufgeführten länderspezifischen Zollkontingente seien so festgelegt worden, dass die Auswirkungen der Schutzmaßnahmen auf die traditionellen Handelsströme, u. a. aus der Republik Moldau, auf ein Minimum reduziert würden.

11      Vom Inkrafttreten der angefochtenen Verordnung am 2. Februar 2019 bis zum 30. Juni 2021 sollten die Maßnahmen regelmäßig überprüft und in regelmäßigen Abständen schrittweise liberalisiert werden, um die quantitativen Schwellenwerte nach und nach zu erhöhen, damit sich der Wirtschaftszweig der Union anpassen kann.

 Anträge der Beteiligten

12      Die Klägerin beantragt,

–        die Klage für zulässig zu erklären,

–        die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären, soweit sie die Klägerin betrifft, und

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

13      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen,

–        hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen,

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zulässigkeit

14      Mit gesondertem Schriftsatz hat die Kommission die Zulässigkeit der Klage bestritten, weil die Klägerin weder die Voraussetzungen des Rechtsschutzinteresses noch die der Klagebefugnis erfülle.

 Zur nicht fristgerechten Einreichung der Einrede der Unzulässigkeit durch die Kommission

15      Die Klägerin ist zunächst der Ansicht, die Einrede der Unzulässigkeit sei zurückzuweisen, weil sie nach Ablauf der in Art. 81 der Verfahrensordnung vorgesehenen Frist eingereicht worden sei.

16      Sie ist der Auffassung, dass die Kommission ihren Antrag bis zum 25. Juni 2019 hätte einreichen müssen, um die für die Einreichung einer Einrede der Unzulässigkeit geltende Frist einzuhalten. Sie weist darauf hin, dass die Einrede der Unzulässigkeit erst am 26. Juni 2019 eingereicht worden sei.

17      Das Vorbringen der Klägerin ist zurückzuweisen, weil es auf einem falschen Verständnis der Regeln für die Berechnung der für das vorliegende Verfahren geltenden Fristen beruht.

18      Nach Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung muss ein Antrag auf Entscheidung des Gerichts über die Unzulässigkeit einer Klage nämlich innerhalb der in Art. 81 der Verfahrensordnung vorgesehenen Frist, d. h. innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Klageschrift, eingereicht werden.

19      Außerdem endet eine nach Monaten bemessene Frist nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. b der Verfahrensordnung mit Ablauf des Tages, der im letzten Monat dieselbe Zahl wie der Tag trägt, an dem die Handlung vorgenommen worden ist, von der an die Frist zu berechnen ist. Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 60 der Verfahrensordnung, dass die Verfahrensfristen um eine pauschale Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängert werden.

20      Im vorliegenden Fall ging die Klageschrift am 16. April 2019 bei der Kommission ein, wie aus den Akten hervorgeht. Nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. b der Verfahrensordnung lief die in Art. 81 der Verfahrensordnung vorgesehene Zweimonatsfrist somit bis zum 16. Juni 2019. Diese gemäß Art. 60 der Verfahrensordnung um die Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängerte Frist lief am 26. Juni 2019 ab.

21      Daher ist die Unzulässigkeitseinrede der Kommission, die am 26. Juni 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, nicht verspätet.

 Zum Rechtsschutzinteresse

22      Erstens bestreitet die Kommission das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses der Klägerin mit der Begründung, dass diese ihre Tätigkeiten nicht im Anwendungsbereich der angefochtenen Verordnung ausübe.

23      Die Kommission macht geltend, dass die angefochtene Verordnung in Moldau keine bindende Wirkung für den laufenden Betrieb oder das Tagesgeschäft der Klägerin entfalte. Sie ist nämlich der Auffassung, da die Klägerin lediglich eine außerhalb des Unionsgebiets ansässige Herstellerin sei, falle ihre Tätigkeit nicht unter die angefochtene Verordnung, deren Geltungsbereich auf das Gebiet der Zollunion beschränkt sei.

24      Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

25      Um dieses Argument zurückzuweisen, genügt der Hinweis darauf, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, dass aus den im schriftlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen hervorgehe, dass die Tätigkeit der Klägerin die Ausfuhr bestimmter Kategorien der betroffenen Ware in die Union umfasse.

26      Zweitens ist die Kommission der Auffassung, dass die Klägerin aus einem Erfolg ihrer Klage keinen persönlichen Vorteil ziehen könne, weil die Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung den von ihr geltend gemachten Schaden nicht beseitigen könne. Insoweit verneint die Kommission ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse der Klägerin, weil die angefochtene Verordnung die Ausfuhr der betreffenden Ware aus Moldau in die Union nicht verhindere.

27      Zur Stützung ihres Vorbringens weist die Kommission zum einen darauf hin, dass der außerhalb des Kontingents geltende Zollsatz von 25 % nur dann Anwendung finde, wenn sowohl das länderspezifische Zollkontingent als auch das Restkontingent ausgeschöpft seien. Zum anderen führt sie aus, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung die quantitative Komponente der mit der angefochtenen Verordnung für die Warenkategorien Nr. 13 und Nr. 16 eingeführten Kontingente, soweit sie Moldau betreffe, nicht ausgeschöpft gewesen sei. Folglich könne die Klägerin aus der Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung keinen Vorteil ziehen, weil diese ihr gegenüber noch keine Rechtswirkung entfaltet habe.

28      Ferner fügt die Kommission hinzu, es handele sich um ein spekulatives Argument, wenn die Klägerin zum Nachweis eines Rechtsschutzinteresses die bloße Möglichkeit der Erhebung eines außerhalb des Kontingents geltenden Zollsatzes geltend mache. Hierzu trägt die Kommission vor, aufgrund der in der angefochtenen Verordnung vorgesehenen Überprüfungen der Höchstmengen sei nicht einmal gewiss, dass sich eine solche Möglichkeit verwirklichen werde, obwohl dies eine von der Rechtsprechung geforderte Voraussetzung sei, wenn das vom Kläger geltend gemachte Interesse eine zukünftige Rechtssituation betreffe.

29      Schließlich ist die Kommission der Auffassung, nach der einschlägigen Rechtsprechung könne eine persönliche Rechtsfolge der angefochtenen Verordnung nur für die Rechtssubjekte festgestellt werden, die den Durchführungsmaßnahmen zur Umsetzung der angefochtenen Verordnung unterlägen, d. h. für einen in der Union ansässigen Einführer der betreffenden Ware, dem die Behörden eines Mitgliedstaats den außerhalb des Kontingents geltenden Zollsatz von 25 % in Rechnung stellten. Daher sei es nicht die Klägerin, die bei der Einfuhr der betreffenden Ware in die Union den außerhalb des Kontingents geltenden Zollsatz zu entrichten hätte.

30      Folglich kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Klägerin aus einem Erfolg ihrer Klage keinen Vorteil erlangen würde, der darin bestünde, die Rechtsfolgen der angefochtenen Verordnung zu beseitigen, die sich aus der Ausschöpfung der in diesem Rechtsakt festgelegten Höchstmenge ergäben.

31      Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

32      Nach ständiger Rechtsprechung ist das Rechtsschutzinteresse die wesentliche und erste Voraussetzung jeder Klage. Eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person ist somit nur zulässig, soweit die klagende Partei ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Das Rechtsschutzinteresse einer klagenden Partei setzt voraus, dass die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann, dass also die Klage der Partei, die sie erhoben hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann und dass diese ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung nachweist (vgl. Urteil vom 12. November 2015, HSH Investment Holdings Coinvest-C und HSH Investment Holdings FSO/Kommission, T‑499/12, EU:T:2015:840, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Aus dem mit der angefochtenen Verordnung eingeführten Mechanismus geht jedoch hervor, dass die für die Ausfuhr der Waren der Klägerin in die Union geltende rechtliche Regelung weniger günstig ist als diejenige, die vor dem Erlass dieser Verordnung für die Klägerin galt.

34      Nach alledem – und ohne dass über den Beweiswert der von den Streitparteien vorgelegten Zahlen zur Ausschöpfung der Kontingente entschieden zu werden braucht – ist somit festzustellen, dass die teilweise Aufhebung der angefochtenen Verordnung durch eine für die Klägerin günstige Entscheidung als solche geeignet wäre, Rechtswirkungen zu entfalten und der Klägerin im Ergebnis einen Vorteil zu verschaffen, so dass diese ein Rechtsschutzinteresse hat.

 Zur Klagebefugnis

35      Nach ständiger Rechtsprechung sieht Art. 263 Abs. 4 AEUV zwei Fälle vor, in denen einer natürlichen oder juristischen Person die Befugnis zuerkannt wird, gegen einen nicht an sie gerichteten Rechtsakt Klage zu erheben. Zum einen kann eine derartige Klage erhoben werden, wenn diese Handlung die Person unmittelbar und individuell betrifft. Zum anderen kann eine solche Person gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, klagen, sofern dieser Rechtsakt sie unmittelbar betrifft (vgl. Urteile vom 16. Mai 2019, Pebagua/Kommission, C‑204/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:425, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 11. Juli 2019, Air France/Kommission, T‑894/16, EU:T:2019:508, Rn. 24).

36      Im vorliegenden Fall ist die Klägerin im Wesentlichen der Ansicht, von der angefochtenen Verordnung unmittelbar und individuell betroffen zu sein, weil sie als einzige moldauische ausführende Herstellerin der betreffenden Ware naturgemäß zu der begrenzten Gruppe von Händlern gehöre, die zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung identifiziert oder identifizierbar gewesen seien.

37      Die Kommission ist der Ansicht, dass die Klägerin von der angefochtenen Verordnung weder unmittelbar noch individuell betroffen sei und folglich davon auszugehen sei, dass sie keine Klage auf Nichtigerklärung dieser Verordnung auf der Grundlage von Art. 263 Abs. 4 AEUV erheben könne.

–       Unmittelbare Betroffenheit

38      Die Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Maßnahme unmittelbar betroffen sein muss, verlangt, dass zwei kumulative Kriterien erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung dieser Person auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt (vgl. Urteil vom 3. Dezember 2020, Changmao Biochemical Engineering/Distillerie Bonollo u. a., C‑461/18 P, EU:C:2020:979, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Die Kommission macht geltend, dass die Situation der Klägerin im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer unmittelbaren Betroffenheit nicht erfülle.

40      Als Erstes stützt sich die Kommission zum Nachweis der fehlenden Auswirkung der angefochtenen Verordnung auf die Rechtslage der Klägerin auf vier Argumente: Erstens könne sich aus dieser Verordnung keine Rechtswirkung ergeben, sofern und solange ihre Kontingentierungskomponente noch nicht ausgeschöpft und der außerhalb des Kontingents geltende Zollsatz noch nicht erhoben worden sei. Zweitens wäre die Klägerin selbst dann, wenn sich eine solche Rechtswirkung aus der bloßen Existenz dieser Verordnung ergäbe, rechtlich nicht betroffen, weil dieser Rechtsakt keine Rechtswirkung in Moldau, sondern nur in der Union entfalte. Drittens könnten die Rechtswirkungen, die sich aus der angefochtenen Verordnung ergäben, nur aus einer Durchführung dieser Verordnung durch die Zollbehörden der Mitgliedstaaten resultieren und träten daher nur auf der Ebene des Einführers ein, dem die Höhe der Zollschuld mitgeteilt werde. Viertens habe die Klägerin die betreffenden Warenkategorien während der Untersuchung jedenfalls nicht tatsächlich ausgeführt, sondern sei lediglich als Herstellerin dieser Waren aufgetreten, was eine unmittelbare rechtliche Betroffenheit ausschließe.

41      Als Zweites macht die Kommission zum Nachweis des Vorliegens von Durchführungsmaßnahmen zum einen geltend, dass es irrelevant sei, ob diese Maßnahmen automatisch erfolgten oder nicht, und zum anderen, dass im Bereich der Anwendung der gemeinsamen Handelspolitik das Vorliegen von Durchführungsmaßnahmen von besonderer Bedeutung sei, weil die Auswirkungen der angefochtenen Verordnung nur durch diese Maßnahmen konkretisiert würden. Sie fügt hinzu, dass die natürliche oder juristische Person die Maßnahme daher vor den nationalen Gerichten anfechten könne.

42      Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

43      Erstens sind alle Argumente der Kommission, mit denen sie geltend macht, dass die Klägerin aufgrund ihrer ausschließlichen Eigenschaft als Herstellerin nicht unmittelbar betroffen sein könne, aus den oben in Rn. 25 dargelegten Gründen zurückzuweisen.

44      Zweitens entfaltet die angefochtene Verordnung unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Klägerin. Sie legt nämlich den rechtlichen Rahmen und die Bedingungen fest, unter denen die Klägerin sowohl in Bezug auf die Menge als auch auf den Preis die Möglichkeit hat, in die Union zu exportieren, weil ihre Waren nunmehr einem Kontingentierungssystem unterliegen und nicht mehr einer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der Union, der weder eine Mengenzuteilung noch eine Genehmigung durch die Kommission erfordert.  In einem solchen Kontingentierungssystem hängt die Möglichkeit der Klägerin, das zollfreie Kontingent in Anspruch zu nehmen, von der Zuteilung eines solchen Kontingents für ihre Waren durch die Kommission ab.

45      Schließlich ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis eines Rechtsakts, der keine Durchführungsmaßnahmen enthält, nicht mit der Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit verwechselt werden darf (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 4. Dezember 2013, Forgital Italy/Rat, T‑438/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:648, Rn. 54), und zum anderen darauf, dass im Rahmen der Prüfung der unmittelbaren Betroffenheit das bloße Vorhandensein von Durchführungsmaßnahmen nicht ausreicht, um diese Betroffenheit auszuschließen, weil das maßgebliche rechtliche Kriterium darin besteht, dass den Adressaten des in Rede stehenden Rechtsakts, die mit dessen Durchführung betraut sind, kein Ermessen eingeräumt wird (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 14. Januar 2015, SolarWorld u. a./Kommission, T‑507/13, EU:T:2015:23, Rn. 40).

46      Im vorliegenden Fall räumt die angefochtene Verordnung den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats bei der Durchführung der Schutzmaßnahmen keinerlei Ermessensspielraum ein (vgl. entsprechend Urteile vom 3. Dezember 2020, Changmao Biochemical Engineering/Distillerie Bonollo u. a., C‑461/18 P, EU:C:2020:979, Rn. 59, und vom 12. Dezember 2014, Crown Equipment [Suzhou] und Crown Gabelstapler/Rat, T‑643/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1076, Rn. 28), weil die zuständigen Behörden verpflichtet sind, nach Ausschöpfung der Zollkontingente einen Zusatzzoll in Höhe von 25 % zu erheben (vgl. Art. 49 bis 54 der Durchführungsverordnung [EU] 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung [EU] Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union [ABl. 2015, L 343, S. 558] sowie Art. 1 und 3 der angefochtenen Verordnung).

47      Daher ist festzustellen, dass die Klägerin von der angefochtenen Verordnung unmittelbar betroffen ist.

–       Individuelle Betroffenheit

48      Da die Voraussetzungen der unmittelbaren und der individuellen Betroffenheit kumulativ sind (Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 76), muss die Klägerin auch als von der angefochtenen Verordnung individuell betroffen anzusehen sein, damit ihre Klage zulässig ist.

49      Die Kommission macht geltend, dass die Situation der Klägerin die Voraussetzungen einer individuellen Betroffenheit nicht erfülle.

50      Erstens trägt die Kommission vor, dass die angefochtene Verordnung zum einen ein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung sei, der das Wirksamwerden von (durch die Zollbehörden der Mitgliedstaaten erlassenen) Durchführungsmaßnahmen erfordere und eine nahezu unendliche Zahl von Personen betreffe (erga omnes), und dass sie zum anderen jede Person in Moldau und jede Person in der Union, die die betreffende Ware aus oder über Moldau ausführen oder einführen wolle, in gleicher Weise betreffe. Folglich ist die Kommission der Ansicht, dass die Anwendung der angefochtenen Verordnung aufgrund einer objektiv bestimmten Situation erfolge, die keine Merkmale aufweise, die eine Individualisierung ermöglichten.

51      Zweitens führt die Kommission aus, dass die angefochtene Verordnung keine hybride Natur in dem Sinne aufweise, dass sie Einzelfallentscheidungen enthalte, die die Klägerin personalisierten und somit eine „Klasse“ bildeten. Die Kommission weist darauf hin, dass diese Natur zwar im Fall der Antidumping- und Antisubventionsverordnungen anerkannt worden sei, dies jedoch auf besonderen Merkmalen dieser Verordnungen beruhe (nämlich der individuellen und persönlichen Festsetzung des Antidumping- oder Ausgleichszollsatzes für jeden Händler oder ausführenden Hersteller allein auf der Grundlage seiner individuellen Daten), die die Verordnungen zur Einführung von Schutzmaßnahmen, deren Zweck es sei, den Stahlmarkt der Union vor einem plötzlichen Anstieg der Einfuhren zu schützen, nicht aufwiesen.

52      Drittens ist die Kommission der Auffassung, dass die angefochtene Verordnung keinesfalls eine Klasse „auswähle“ und eine solche Klasse auch nicht von den Zollbehörden der Mitgliedstaaten, die diese Verordnung umsetzten, „ausgewählt“ werde. Der Umstand, dass die angefochtene Verordnung bestimmte Kategorien von Stahlerzeugnissen mit Ursprung in einer Reihe von Ländern erfasse, stelle nichts anderes dar als die objektiv definierte Festlegung der rechtlichen Voraussetzungen für die Einfuhr dieser Erzeugnisse in die Union. Die Frage, ob diese Verordnung die Anzahl oder sogar die Identität der Wirtschaftsteilnehmer, auf die die Maßnahme Anwendung finde, mehr oder weniger genau bestimme oder nicht, ändere daher nichts an der Form der Maßnahme, die ein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung bleibe und diese „Klasse“ in keiner Weise individualisiere. Jede Person, die bereit und in der Lage sei, die betreffende Ware aus Moldau auszuführen, könne nämlich jederzeit der „Klasse“ der Ausführer und Händler der Warenkategorien Nr. 13 und Nr. 16 beitreten und dies auch auf der Seite der Einführer der Union tun.

53      Nach Auffassung der Kommission wird diese Beurteilung durch die Unmöglichkeit bestätigt, diesen Rechtsakt in Bezug auf eine Person oder eine individualisierte Kategorie von Personen teilweise für nichtig zu erklären, weil die Schutzmaßnahme auf der Grundlage der Einfuhren aus allen Ländern und nicht der Einfuhren von bestimmten Unternehmen oder spezifischen Ländern anwendbar sei.

54      Viertens deutet nach Ansicht der Kommission – selbst wenn es eine Art für Moldau spezifischer „Klasse“ gäbe – nichts darauf hin, dass die Klägerin die Interessen dieser gesamten „Klasse“ vertritt. In diesem Zusammenhang bestreitet die Kommission nicht nur, dass die Klägerin ausführende Herstellerin sei, sondern auch, dass in der angefochtenen Verordnung alle Verweise auf Einfuhren aus Moldau de facto Verweise auf die Klägerin seien, wie diese behaupte.

55      Fünftens ist die Kommission der Auffassung, dass die Rechtsprechung, wonach die bloße Teilnahme an einem von den Organen der Union durchgeführten Verfahren nicht bedeute, dass die teilnehmende Person von dem nach Abschluss des Verfahrens erlassenen Rechtsakt betroffen sei, auf Schutzmaßnahmenuntersuchungen anwendbar sei. Folglich würde selbst die „aktive“ Teilnahme der Klägerin an der Untersuchung nicht zu ihrer Individualisierung durch die angefochtene Verordnung führen. Der betroffene Wirtschaftsteilnehmer werde daher erst dann individualisiert, wenn die Zollbehörden der Mitgliedstaaten die nationale Durchführungsmaßnahme erließen, was es ihm dann ermögliche, die betreffende Maßnahme vor den Gerichten dieser Mitgliedstaaten anzufechten.

56      Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

57      Nach ständiger Rechtsprechung erlaubt es Art. 263 Abs. 4 AEUV natürlichen und juristischen Personen nur dann, eine Klage gegen einen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung wie eine Verordnung zu erheben, wenn dieser Rechtsakt sie nicht nur unmittelbar betrifft, sondern sie auch wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten eines Beschlusses (Urteile vom 25. Juli 2002, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, C‑50/00 P, EU:C:2002:462, Rn. 36, und vom 10. April 2003, Kommission/Niederländische Antillen, C‑142/00 P, EU:C:2003:217, Rn. 65). Mit anderen Worten müssen die von der Klägerin behaupteten Verstöße geeignet sein, sie in ähnlicher Weise zu individualisieren, wie dies beim Adressaten des Rechtsakts der Fall wäre (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 8. Mai 2019, Carvalho u. a./Parlament und Rat, T‑330/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:324, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Als Erstes sind die Einwände der Kommission zurückzuweisen, die sich auf die Natur einer Verordnung zur Einführung von Schutzmaßnahmen stützen.

59      Zunächst schließt der Umstand, dass die angefochtene Verordnung ihrem Wesen nach Erga-omnes-Wirkung entfaltet, nämlich nicht aus, dass ein solcher Rechtsakt Maßnahmen enthalten kann, die individuell für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer gelten (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 30. April 2003, VVG International u. a./Kommission, T‑155/02, EU:T:2003:125, Rn. 40 bis 42). Obwohl die Anwendung der angefochtenen Verordnung aufgrund einer objektiv bestimmten Situation erfolgt, kann die Klägerin daher gleichwohl Umstände geltend machen, die geeignet sind, sie in ähnlicher Weise zu individualisieren wie den Adressaten des Rechtsakts.

60      Ferner schließt der Umstand, dass im Fall einer Verordnung zur Einführung von Schutzmaßnahmen dasjenige Merkmal fehlt, das die Anerkennung der hybriden Natur der Antidumping- und Antisubventionsverordnungen ermöglicht hat, nämlich die Verwendung der Zahlenangaben von Wirtschaftsteilnehmern, die somit individualisiert werden, nicht aus, dass es besondere Eigenschaften der Klägerin oder tatsächliche Umstände geben kann, die sie von allen anderen Personen unterscheiden und sie in ähnlicher Weise individualisieren wie einen Adressaten.

61      Insofern ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, die Teilnahme an einer Untersuchung bedeute nicht, dass das teilnehmende Unternehmen von dem Rechtsakt individuell betroffen sei. Obwohl die bloße Teilnahme als solche nicht ausreicht, ist sie nämlich im Rahmen der Beurteilung der individuellen Betroffenheit nicht irrelevant (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 1996, Sinochem Heilongjiang/Rat, T‑161/94, EU:T:1996:101, Rn. 47 und 48). Im vorliegenden Fall war die Klägerin, wie die Kommission einräumt, die einzige Herstellerin in Moldau, die im Rahmen der Untersuchung, die zur Einführung der in Rede stehenden Maßnahmen führte, kooperiert hatte.

62      Was schließlich die Erwägungen der Kommission zum Vorliegen von Durchführungsmaßnahmen (siehe oben, Rn. 55 a. E.) angeht, ist festzustellen, dass die individuelle Betroffenheit einer klagenden Partei anhand der Kriterien zu beurteilen ist, die in der oben in Rn. 57 angeführten Rechtsprechung aufgestellt worden sind, und dass diese Rechtsprechung nicht auf das Vorliegen von Durchführungsmaßnahmen Bezug nimmt. Folglich gehen diese Erwägungen ins Leere.

63      Als Zweites ist zu der von der Kommission vorgenommenen Analyse der Zahlenangaben, die sie zu der Annahme veranlasst, dass die Klägerin nicht die einzige Ausführerin der betroffenen Ware in Moldau sei, zum einen festzustellen, dass die Klägerin, ohne dass ihr in diesem Punkt ausdrücklich widersprochen worden wäre, darauf hingewiesen hat, dass die Einfuhren aus Moldau, die zu anderen Kategorien von Stahlerzeugnissen als den Kategorien Nr. 13 und Nr. 16 gehörten, marginal seien. Daher ist die Tatsache, dass die Klägerin die wichtigste ausführende Herstellerin der den Schutzmaßnahmen unterliegenden Waren ist, zwar für sich genommen nicht geeignet, die Klägerin zu individualisieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Januar 2002, Rica Foods/Kommission, T‑47/00, EU:T:2002:7, Rn. 39), aber gleichwohl nicht ohne Relevanz, weil diese Tatsache zu einer Reihe von Umständen gehört, die eine besondere Situation begründen, die die Klägerin im Hinblick auf die in Rede stehende Maßnahme aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebt (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Mai 1991, Extramet Industrie/Rat, C‑358/89, EU:C:1991:214, Rn. 17).

64      Zum anderen ist die Kommission in Bezug auf die Analyse des Zahlenmaterials, die sie zu der Annahme veranlasst, dass die Klägerin nicht die einzige Ausführerin der Warenkategorien Nr. 13 und Nr. 16 in Moldau sei, aufgefordert worden, sich in der mündlichen Verhandlung sowohl zu den von der Klägerin im schriftlichen Verfahren vorgelegten Dokumenten, die das Gegenteil beweisen sollen, als auch zu den Erklärungen der Klägerin zu den Unstimmigkeiten zu äußern, die sie festgestellt haben will. Die Kommission mag zwar Bedenken hinsichtlich des Wahrheitsgehalts dieser Angaben geäußert haben, hat aber eingeräumt, diese nicht weiter überprüft zu haben. Daraus ist zu schließen, dass die Kommission keine Beweise vorgelegt hat, die gegen die von der Klägerin in dieser Hinsicht vorgetragenen Anhaltspunkte sprechen.

65      Als Drittes ist in Anbetracht der oben in Rn. 64 dargelegten Erwägungen zur Situation der Klägerin das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, es sei unmöglich, die angefochtene Verordnung teilweise für nichtig zu erklären, denn eine solche teilweise Nichtigerklärung wäre insoweit möglich, als sie die speziell für die Warenkategorien Nr. 13 und Nr. 16 mit Ursprung in der Republik Moldau festgelegten Kontingente betrifft.

66      Was als Viertes den von der Kommission gegen das Vorliegen einer geschlossenen Klasse vorgebrachten Einwand betrifft, dass jeder im Gebiet der Union ansässige tatsächliche oder potenzielle Einführer von Waren aus Moldau, die unter die von den Schutzmaßnahmen erfassten Kategorien fielen, von dem angefochtenen Rechtsakt ebenfalls betroffen sei, ist das Bündel von Umständen zu ermitteln, das eine Individualisierung der Klägerin im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung kennzeichnen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 1991, Extramet Industrie/Rat, C‑358/89, EU:C:1991:214, Rn. 17).

67      In diesem Zusammenhang ist erstens festzustellen, dass die angefochtene Verordnung für jede der beiden Warenkategorien, die zur wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin gehören, ein spezifisches Kontingent vorsieht, zweitens, dass die angefochtene Verordnung diese Kontingente nach Ländern festlegt und insbesondere Moldau ein spezifisches Kontingent zuweist (vgl. Anhang IV der angefochtenen Verordnung), drittens, dass die Klägerin, ohne dass die Kommission dem substantiiert widersprochen hätte, Beweisdokumente und Zahlenmaterial (zusammen mit Erwiderungen auf die Einwände gegen die Zuverlässigkeit und Kohärenz dieser Informationen) vorgelegt hat, die belegen sollen, dass sie die einzige ausführende Herstellerin von Waren der Kategorien Nr. 13 und Nr. 16 in Moldau sei, viertens, dass die Klägerin sich aktiv an der Schutzmaßnahmenuntersuchung beteiligt hat, und fünftens, dass die in der angefochtenen Verordnung verwendeten Daten über Moldau, auch wenn sie von Eurostat stammen, insoweit mit den Daten der Klägerin übereinstimmen, als deren Stellung als einzige ausführende Herstellerin von Waren der Kategorien Nr. 13 und Nr. 16 in diesem Land nicht mit Erfolg widerlegt worden ist.

68      Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Klägerin erstens zu einem geschlossenen Kreis gehört, zweitens in der angefochtenen Verordnung identifizierbar ist, drittens an der Untersuchung zur Vorbereitung der Einführung der Schutzmaßnahmen mitgewirkt hat und viertens der einzige Wirtschaftsteilnehmer ist, dessen Geschäftsdaten zur Festlegung der Zollkontingente für Moldau herangezogen wurden.

69      Somit ergibt sich aus dem Akteninhalt, wie er in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, dass es eine Reihe von tatsächlichen und rechtlichen Umständen gibt, die eine besondere Situation begründen, die die Klägerin im Hinblick auf die angefochtene Verordnung aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebt und somit eine individuelle Betroffenheit im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV belegt.

70      Ohne dass die anderen von der Klägerin in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente geprüft werden müssen, ist folglich festzustellen, dass die Klägerin von der angefochtenen Verordnung individuell betroffen ist.

71      Die Klage ist daher für zulässig zu erklären.

 Zur Begründetheit

72      Die Klägerin stützt ihre Klage auf acht Klagegründe.

73      Zunächst macht sie geltend, dass die Rechtmäßigkeit der von der Kommission getroffenen Entscheidungen, soweit es um über die Erfüllung der Voraussetzungen für die Einführung von Schutzmaßnahmen nach Art. 16 der Verordnung (EU) 2015/478 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 über eine gemeinsame Einfuhrregelung (ABl. 2015, L 83, S. 16, im Folgenden: Grundverordnung über Schutzmaßnahmen) gehe, im Licht des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) 1994 und des Übereinkommens der Welthandelsorganisation (WTO) über Schutzmaßnahmen sowie der damit einhergehenden Rechtsprechung der WTO geprüft werden müsse oder dass diese Abkommen und diese Rechtsprechung zumindest hilfsweise nützliche Auslegungshilfen für die Festlegung der Bedingungen und Anforderungen sein könnten, die erfüllt sein müssten, um die Einführung von Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen.

 Vorbemerkungen zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle

74      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verfügen die Unionsorgane im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, besonders im Bereich handelspolitischer Schutzmaßnahmen, wegen der Komplexität der von ihnen zu prüfenden wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Sachverhalte über ein weites Ermessen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Juli 2012, Rat/Zhejiang Xinan Chemical Industrial Group, C‑337/09 P, EU:C:2012:471, Rn. 106 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 5. April 2017, Changshu City Standard Parts Factory und Ningbo Jinding Fastener/Rat, C‑376/15 P und C‑377/15 P, EU:C:2017:269, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Daraus folgt, dass die Nachprüfung der Beurteilungen dieser Organe durch den Unionsrichter auf die Prüfung der Frage zu beschränken ist, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, ob der Sachverhalt, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2017, Changshu City Standard Parts Factory und Ningbo Jinding Fastener/Rat, C‑376/15 P und C‑377/15 P, EU:C:2017:269, Rn. 47).

 Erster Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler und Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung

76      Mit ihrem ersten Klagegrund weist die Klägerin darauf hin, dass die Republik Island, das Fürstentum Liechtenstein und das Königreich Norwegen als Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) (im Folgenden: die genannten EWR-Mitgliedstaaten) von der Anwendung der angefochtenen Verordnung ausgenommen worden seien. Sie ist im Wesentlichen der Ansicht, dass sich die Republik Moldau, soweit es um die zur Rechtfertigung dieser Ausnahme angeführten Gründe gehe, in einer vergleichbaren Lage befinde. Die Republik Moldau hätte daher in gleicher Weise behandelt werden müssen.

77      Erstens hätte das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits (ABl. 2014, L 260, S. 4) – in gleicher Weise wie das EWR-Abkommen – eine enge wirtschaftliche Integration zwischen der Union und Moldau begründet, insbesondere in Bezug auf den Handel mit Waren, zu denen die von der angefochtenen Verordnung betroffene Ware gehöre.

78      Zweitens könne eine Expansion oder Fragmentierung der moldauischen Industrie keine tatsächlichen Auswirkungen auf das Einfuhrvolumen in die Union haben, weil die Klägerin die einzige ausführende Herstellerin der betroffenen Ware in Moldau sei.

79      Drittens sei der Anteil Moldaus an den Gesamteinfuhren in die Union geringer als der der genannten EWR-Mitgliedstaaten.

80      Folglich befänden sich die genannten EWR-Mitgliedstaaten und Moldau im Hinblick auf die enge Wirtschaftsintegration mit dem Markt der Union, die Gesamteinfuhrzahlen und die geringe Gefahr einer Handelsumlenkung in einer vergleichbaren Lage. Sie seien jedoch ohne jede objektive Rechtfertigung unterschiedlich behandelt worden.

81      In diesem Zusammenhang fügt die Klägerin zum einen hinzu, dass Art. 15 Abs. 5 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen im Licht von Art. 2 Abs. 2 des WTO-Übereinkommens über Schutzmaßnahmen dahin auszulegen sei, dass er die Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung im Rahmen von Schutzmaßnahmenuntersuchungen verlange. Zum anderen macht sie geltend, es gebe keine Beweise dafür, dass die Stahlmärkte der genannten EWR-Mitgliedstaaten enger in den Unionsmarkt integriert seien als der moldauische Markt.

82      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

83      Zunächst ist festzustellen, dass der erste Klagegrund der Klägerin auf der Prämisse beruht, dass es einen Grundsatz gebe, der die Kommission verpflichte, verschiedene Drittländer in Bezug auf die Anwendung von Schutzmaßnahmen gleich zu behandeln. Die Klägerin ist der Auffassung, dass sich ein solcher Grundsatz aus Art. 15 Abs. 5 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen im Licht von Art. 2 Abs. 2 des WTO-Übereinkommens über Schutzmaßnahmen ergebe, wobei die letztgenannte Bestimmung den in Art. 1 Abs. 1 des GATT 1994 verankerten Grundsatz der Meistbegünstigung widerspiegele. Somit müsse bei der Durchführung von Schutzmaßnahmen der Grundsatz der Nichtdiskriminierung beachtet werden.

84      In Anbetracht der Antwort der Klägerin auf eine in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage, mit der der Inhalt des ersten Klagegrundes geklärt werden sollte, hat sich jedoch herausgestellt, dass es für die Zurückweisung dieses Klagegrundes in Wirklichkeit nicht erforderlich ist, über die von der Klägerin behauptete Verletzung der Meistbegünstigungsklausel zu entscheiden. Dagegen bleibt zu prüfen, ob die Kommission, indem sie Moldau anders behandelt hat als die genannten EWR-Mitgliedstaaten, gegen das Diskriminierungsverbot als tragenden Grundsatz des Unionsrechts verstoßen hat.

85      Insoweit ergibt sich aus den Schriftsätzen, dass die Parteien bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit der Situationen nicht von der gleichen Grundlage ausgehen.

86      Die Analyse, die die Klägerin vornimmt, besteht nämlich darin, die Lage der Republik Moldau anhand derjenigen Kriterien zu prüfen, die in der vorläufigen Verordnung angeführt werden, um die genannten EWR-Mitgliedstaaten vom Anwendungsbereich dieser Maßnahmen auszunehmen. So kommt sie zu dem Schluss, dass sich die genannten EWR-Mitgliedstaaten und die Republik Moldau, was die enge Integration mit dem Markt der Union, die Gesamteinfuhrzahlen und die geringe Gefahr einer Handelsumlenkung betreffe, in einer vergleichbaren Lage befänden.

87      Bei ihrem auf diese Kriterien beschränkten Vergleich übersieht die Klägerin jedoch, dass der Ansatz der Kommission in der vorläufigen Verordnung vor allem auf der Prämisse beruht, dass es um die genannten EWR-Mitgliedstaaten geht. Im 80. Erwägungsgrund der vorläufigen Verordnung heißt es nämlich ausdrücklich, dass die Union „[d]urch das EWR-Abkommen … eine enge wirtschaftliche Integration mit den Märkten der EWR-Länder … geschaffen [hat]“. Dort ist in der Tat von „den Märkten“ die Rede, ohne dass dies allein auf den Stahlmarkt beschränkt wäre. Daher ist es verfehlt, die Erwägungen der Kommission, die dem Ausschluss der genannten EWR-Mitgliedstaaten zugrunde liegen, ohne Beachtung des Kontexts auszulegen, der sich aus dem in Rede stehenden Abkommen ergibt. Unter Verweis auf den 80. Erwägungsgrund der vorläufigen Verordnung bestätigt die angefochtene Verordnung diese Auslegung, indem sie in ihrem 193. Erwägungsgrund darauf hinweist, dass dieser Ausschluss u. a. aufgrund der engen Integration der Märkte der EWR-Mitgliedstaaten gerechtfertigt ist.

88      Diese Beurteilung wird darüber hinaus durch den Ansatz bestätigt, der im 193. Erwägungsgrund a. E. der angefochtenen Verordnung in Bezug auf Botswana, Côte d’Ivoire, Eswatini, Fidschi, Ghana, Kamerun, Lesotho, Mosambik, Namibia und Südafrika angewandt wurde. Diese Länder sind „[z]ur Erfüllung bilateraler Verpflichtungen“ ebenfalls vom Anwendungsbereich der angefochtenen Verordnung ausgenommen. Allerdings ist nicht jeder Drittstaat, der gegenüber der Union bilaterale „Verpflichtungen“ eingegangen ist, allein aus diesem Grund vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen.

89      Da bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit der Situationen der Kontext der Beziehungen zwischen der Union und dem betreffenden Drittstaat berücksichtigt werden muss, kann der Kommission somit nicht vorgeworfen werden, dass sie die Lage Moldaus als mit der Lage der genannten EWR-Mitgliedstaaten nicht vergleichbar erachtet hat.

90      Die Feststellung, dass das EWR-Abkommen – das das Bestehen einer langjährigen Beziehung aufzeigt, die zu einer kontinuierlichen und tiefgreifenden Integration der Märkte geführt hat, und auf die möglichst umfassende Verwirklichung der Freizügigkeit und des freien Waren‑, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs abzielt, um den innerhalb der Union verwirklichten Binnenmarkt auf die genannten EWR-Mitgliedstaaten auszuweiten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. November 2016, SECIL, C‑464/14, EU:C:2016:896, Rn. 125 und die dort angeführte Rechtsprechung) – und das Assoziierungsabkommen zwischen der Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Moldau andererseits – mit dem eine vertiefte und umfassende Freihandelszone geschaffen wurde, das aber erst im Juli 2016 in Kraft getreten ist – sich in ihrem Wirkungsbereich, ihren Zielen und ihren institutionellen Mechanismen unterscheiden, lässt nämlich keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler erkennen.

91      Nach alledem ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 18 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen

92      Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Kommission gegen Art. 18 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verstoßen habe, weil sie die Einfuhren mit Ursprung in Moldau (als einem Entwicklungsland) nicht vom Anwendungsbereich der Schutzmaßnahmen ausgenommen habe.

93      Die Klägerin ist der Ansicht, obwohl die Kommission die betroffene beurteilte Ware als aus sämtlichen 26 Warenkategorien bestehend definiert habe, seien die für den Ausschluss von Entwicklungsländern maßgeblichen Schwellenwerte entgegen Art. 18 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen für jede Warenkategorie separat untersucht worden. Diese Bestimmung räume der Kommission aber keinen Ermessensspielraum ein und stelle ihr daher nicht frei, sich den Datensatz auszusuchen, der ihren Interessen am besten entspreche. Insoweit trägt die Klägerin vor, entgegen dem Vorbringen der Kommission habe diese nie eine wirkliche Analyse nach Warenkategorien durchgeführt, weil sie eine solche Analyse nur zur Veranschaulichung, nicht aber im Rahmen einer begründeten und angemessenen Prüfung der Einfuhrtrends und der Schädigung für jede der 26 Warenkategorien vorgenommen habe.

94      Die Klägerin fügt hinzu, ihre Auslegung von Art. 18 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen stehe im Einklang mit der vom Berufungsgremium der WTO aufgestellten Verpflichtung, eine Parallelität zwischen dem Anwendungsbereich einer Schutzmaßnahmenuntersuchung und dem einer Schutzmaßnahme zu beachten. Unter Hinweis darauf, dass die Untersuchung im vorliegenden Fall alle 26 Warenkategorien insgesamt betroffen habe, macht sie geltend, dass sich auch der Anwendungsbereich der Schutzmaßnahmen auf alle 26 Warenkategorien insgesamt erstrecken müsse. Da die Nichtanwendung dieser Maßnahmen auf Entwicklungsländer ein wesentliches Merkmal des Anwendungsbereichs der Schutzmaßnahmen sei, müsse sich dieser Ausschluss ebenfalls auf den Geltungsbereich der Untersuchung stützen, d. h., die 26 Warenkategorien insgesamt umfassen.

95      Die Klägerin kommt zu dem Ergebnis, dass eine rechtmäßige Anwendung von Art. 18 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen dazu geführt hätte, dass die Republik Moldau hinsichtlich aller Warenkategorien vom Anwendungsbereich der mit der angefochtenen Verordnung eingeführten endgültigen Schutzmaßnahmen ausgenommen worden wäre.

96      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

97      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass sich aus der allgemeinen Systematik von Kapitel V der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen ergibt, dass Schutzmaßnahmen verhältnismäßig und in Ausnahmefällen anzuwenden sind.

98      Art. 18 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen betrifft die Anwendung dieser Maßnahmen. Er bestimmt nämlich:

„Schutzmaßnahmen werden nicht auf eine Ware mit Ursprung in einem Entwicklungsland-Mitglied der WTO angewandt, solange dessen Anteil an den Einfuhren der betreffenden Ware in die Union 3 v. H. nicht übersteigt, vorausgesetzt, dass auf die Entwicklungsland-Mitglieder der WTO mit einem Einfuhranteil von weniger als 3 v. H. zusammen nicht mehr als 9 v. H. der Gesamteinfuhren der betreffenden Ware in die Union entfallen.“

99      Im vorliegenden Fall hat die Kommission bei der Prüfung der materiellen Voraussetzungen für die Einführung von Schutzmaßnahmen die „betreffende Ware“ zwar als aus allen 26 Warenkategorien insgesamt bestehend definiert, jedoch im Rahmen der Anwendung dieser Maßnahmen eine detailliertere Analyse durchgeführt.

100    So hat die Kommission im Einklang mit dem oben in Rn. 97 genannten Erfordernis in Anwendung von Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen die am besten geeigneten Maßnahmen geprüft, was sie dazu veranlasst hat, jede einzelne Warenkategorie zu untersuchen, um die Zollkontingente festlegen zu können (vgl. hierzu Anhang III.2 der angefochtenen Verordnung in Verbindung mit ihrem 191. Erwägungsgrund). In diesem Zusammenhang hat sie, wie in den Erwägungsgründen 190 und 191 der angefochtenen Verordnung dargelegt, das in Art. 18 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen genannte 3%-Kriterium berücksichtigt. Auf diese Weise hat sie es vermieden, Einfuhren aus Entwicklungsländern, die Mitglieder der WTO sind, für sämtliche Warenkategorien den Schutzmaßnahmen zu unterwerfen, obwohl diese Einfuhren in Wirklichkeit nur einige wenige Kategorien betrafen. Ein solcher Ansatz ermöglicht somit ein Ergebnis, das im Gegensatz zu demjenigen, zu dem die von der Klägerin befürwortete Auslegung von Art. 18 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen geführt hätte, in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen steht.

101    Abgesehen davon wäre das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe gegen das Gebot der Parallelität zwischen dem Anwendungsbereich einer Schutzmaßnahmenuntersuchung und dem einer Schutzmaßnahme verstoßen, selbst dann unbegründet, wenn dieses Vorbringen zu berücksichtigen wäre.

102    Die Einhaltung eines solchen Gebots erfordert nämlich, dass die Entscheidung, Schutzmaßnahmen einzuführen, auf einer vollkommenen Übereinstimmung mit der „betreffenden Ware“ beruht. Im vorliegenden Fall ist die Kommission jedoch sehr wohl in dieser Weise vorgegangen, weil die Prüfung der materiellen Kriterien in Bezug auf alle 26 Warenkategorien insgesamt erfolgte, was die Klägerin nicht bestreitet.

103    Die Tatsache, dass der in Art. 18 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen genannte Schwellenwert auf der Grundlage jeder einzelnen Warenkategorie angewandt wurde, spiegelt somit die in der WTO-Rechtsprechung anerkannte Flexibilität bei der Anwendung von Art. 9 des WTO-Übereinkommens über Schutzmaßnahmen wider, wie sie von der Kommission in ihren Schriftsätzen angeführt wurde, und insbesondere die Erwägungen des WTO-Panels in seinem Bericht im Fall Dominikanische Republik – Schutzmaßnahmen für Polypropylensäcke und Schlauchgewebe (WT/DS415/R, WT/DS416/R, WT/DS417/R, WT/DS418/R, 21. Januar 2012, Abs. 7.367 bis 7.391) zu den insoweit relevanten Gesichtspunkten im Bericht des WTO-Berufungsgremiums im Fall Vereinigte Staaten – Endgültige Schutzmaßnahmen betreffend Einfuhren geschweißter Leitungsrohre aus Kohlenstoffstahl mit kreisförmigem Querschnitt aus Korea [United States – Definitive Safeguard Measures on Imports of Circular Welded Carbon Quality Line Pipe from Korea] (WT/DS202/AB/R, 15. Februar 2002, Rn. 181).

104    Folglich lassen die von der Klägerin vorgebrachten Gesichtspunkte nicht den Schluss zu, dass die Kommission im vorliegenden Fall bei der Anwendung von Art. 18 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat. Daher ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

 Dritter Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und des Vertrauensschutzes, offensichtlicher Beurteilungsfehler und Verstoß gegen Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen

105    Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission einen Fehler begangen habe, indem sie nicht geprüft habe, ob die Voraussetzungen für die Einführung von Schutzmaßnahmen für jede einzelne Warenkategorie erfüllt gewesen seien. Der dritte Klagegrund der Klägerin gliedert sich in drei Teile.

–       Erster Teil des dritten Klagegrundes: Die Kommission habe gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen, indem sie nur eine einzige Beurteilung für alle 26 Warenkategorien vorgenommen habe

106    Die Klägerin macht geltend, in der Bekanntmachung der Einleitung der Schutzmaßnahmenuntersuchung sei der Umfang der Untersuchung durch Bezugnahme auf „Waren“ im Plural definiert worden und die Kommission habe angekündigt, ihre Analyse auf der Grundlage einer Einzelprüfung jeder der Warenkategorien durchführen zu wollen. Insoweit bestreitet sie die Behauptung der Kommission, diese Bekanntmachung habe zahlreiche klare und eindeutige Hinweise auf die Absicht enthalten, die zu untersuchenden Warenkategorien als eine einzige Warengruppe zu behandeln. Die Klägerin ist daher der Ansicht, dass die Kommission, indem sie dies unterlassen habe, gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen habe.

107    Darüber hinaus trägt sie vor, dass die durch die Einleitungsbekanntmachung geweckten berechtigten Erwartungen durch zwei nachfolgende Dokumente aufrechterhalten und bestätigt worden seien. So vertritt sie die Auffassung, dass die interessierten Parteien bis zum Erlass der vorläufigen Maßnahmen präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Informationen darüber erhalten hätten, dass die Analyse für jede Warenkategorie getrennt durchgeführt würde, so dass sie insoweit berechtigte Erwartungen hätten hegen können.

108    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

109    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass aus der angefochtenen Verordnung hervorgeht, dass die Kommission eine Prüfung in Bezug auf alle 26 Warenkategorien insgesamt vorgenommen hat, die durch detailliertere Analysen auf der Ebene bestimmter Warenkategorien ergänzt wurde (siehe oben, Rn. 99).

110    Zweitens spiegelt sich dieser Ansatz in den Formulierungen in Abschnitt 2 der Bekanntmachung der Einleitung der Schutzmaßnahmenuntersuchung wider. Nachdem die Kommission mehrfach darauf hingewiesen hat, dass ihre Analyse auf den „Gesamteinfuhren der betroffenen Waren“ beruhe, heißt es am Ende des zweiten Absatzes dieses Abschnitts 2: „Gegenstand der Untersuchung wird die Lage der betroffenen Waren, einschließlich der Lage bei jeder Warenkategorie für sich genommen, sein“. Diese Formulierung kann nur so verstanden werden, dass „die Lage der betroffenen Waren“ auf eine Gesamtanalyse hinweist.

111    Folglich ist die Behauptung der Klägerin sachlich unrichtig.

112    Selbst wenn der Grundsatz des Vertrauensschutzes auf eine Bekanntmachung der Einleitung einer Schutzmaßnahmenuntersuchung anwendbar wäre, hätte die in Rede stehende Bekanntmachung daher zu keinem Zeitpunkt ein solches Vertrauen in die Anwendung einer individualisierten und getrennten Analysemethode auf die von der Schutzmaßnahmenuntersuchung betroffenen Waren wecken können.

113    Nach alledem erweist sich der erste Teil des dritten Klagegrundes als unbegründet.

–       Zweiter Teil des dritten Klagegrundes: Die Kommission habe gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und gegen Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verstoßen, indem sie die betreffende Ware als eine einzige Warengruppe für alle 26 Warenkategorien definiert habe

114    Die Klägerin macht geltend, dass die Prüfung der 26 Warenkategorien als Ganzes zum einen nicht zu rechtfertigen sei, weil zwischen diesen Waren kein Zusammenhang bestehe, und dass sie zum anderen dazu führe, die Feststellungen zum Anstieg der Einfuhren, zur Gefahr eines ernsthaften Schadens und zum Kausalzusammenhang zu verfälschen, weil die Voraussetzungen für die Einführung von Schutzmaßnahmen nicht notwendigerweise für jede einzelne Kategorie erfüllt seien.

115    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

116    Was als Erstes den Zusammenhang zwischen den in Rede stehenden Waren betrifft, macht die Klägerin zunächst im Wesentlichen geltend, dass die meisten Stahlerzeugniskategorien – abgesehen von zwei als Rohstoffe verwendbaren Warenkategorien – nicht für die Herstellung eingesetzt werden könnten, ferner, dass diese Waren in wirtschaftlicher Hinsicht nicht austauschbar seien und nicht die gleichen Anforderungen der Verbraucher erfüllten, und schließlich, dass die verschiedenen Kategorien von Stahlerzeugnissen nicht mit denselben Produktionsanlagen hergestellt würden, so dass die Gefahr, dass Einfuhren von Erzeugnissen, die Schutzmaßnahmen unterlägen, durch solche ersetzt würden, die keinen Schutzmaßnahmen unterlägen, aufgrund der hierfür erforderlichen hohen Investitionen wenig wahrscheinlich sei. Da die Kommission diese Gesichtspunkte entgegen ihrem Vorbringen nicht berücksichtigt habe, habe sie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen.

117    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 15. Erwägungsgrund der vorläufigen Verordnung ausgeführt hat, dass sich viele Hersteller in der Union mit der Produktion der meisten Warenkategorien befassten, was beweise, dass die Stahlhersteller ihre Produktion auf verschiedene Arten von Warenkategorien ausrichten könnten.

118    Hierzu erwidert die Klägerin lediglich, selbst wenn die Hersteller in der Union mehr als eine Warenkategorie herstellen könnten, bedeute dies nicht, dass die Produktionsketten leicht unterbrochen und neu ausgerichtet werden könnten. Für ihre Behauptung, dass kein Zusammenhang zwischen den Warenkategorien bestehe, trägt die Klägerin jedoch keine Anhaltspunkte vor.

119    Was als Zweites den Umstand betrifft, dass die aggregierte Analyse der Kommission zu falschen Feststellungen in Bezug auf die nach Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen zu erfüllenden Voraussetzungen geführt haben soll, macht die Klägerin geltend, dass dieser Ansatz zum einen zur Folge habe, dass Schwankungen in der Entwicklung der Einfuhren insofern ausgeglichen würden, als selbst dann, wenn die Einfuhren bei bestimmten Warenkategorien möglicherweise zurückgegangen seien, dieser Rückgang durch höhere Steigerungen bei anderen ausgeglichen werde, und sich zum anderen aus diesem Ansatz keine Bestätigung dafür herleiten lasse, dass die Einfuhren der betreffenden Ware tatsächlich eine ernsthafte Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union verursachten oder zu verursachen drohten, weil die Einfuhren auf einem Markt nicht immer die gleichen Auswirkungen hätten wie die Einfuhren auf einem anderen Markt. In diesem Zusammenhang bestreitet die Klägerin das Vorbringen der Kommission, dieses Argument beruhe auf einer falschen Prämisse, weil die Kommission die Warenkategorien auch getrennt betrachtet habe.

120    Wie oben in den Rn. 117 und 118 festgestellt, lässt sich jedoch ein Zusammenhang zwischen den Warenkategorien nicht ausschließen. Aufgrund dieses Zusammenhangs kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, die Auswirkungen des Anstiegs der Einfuhren auf einer aggregierten Grundlage untersucht und sich zu der Frage, ob ein ernsthafter Schaden drohe, in Bezug auf die Gesamtheit aller Warenkategorien geäußert zu haben.

121    Folglich hat die Klägerin keine ausreichenden Beweise für einen offensichtlichen Beurteilungsfehler in Bezug auf diesen Aspekt der Analyse der Kommission erbracht.

122    Nach alledem ist der zweite Teil des dritten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

–       Dritter Teil des dritten Klagegrundes: Die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und gegen Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verstoßen, indem sie festgestellt habe, dass die globale Analyse sämtlicher 26 Warenkategorien durch eine getrennte Analyse von drei verschiedenen Produktfamilien gestützt werde

123    Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Analyse der Einfuhrtrends und der Schädigung auf der Ebene von drei Produktfamilien (Flacherzeugnisse, Langerzeugnisse und Rohre) entgegen der Behauptung der Kommission zu einem anderen Ergebnis führe, das die Kommission hätte veranlassen müssen, eingehender zu prüfen, für welche Warenkategorien Schutzmaßnahmen gerechtfertigt seien und für welche nicht.

124    Folglich habe die Kommission mit ihrer Feststellung, die auf der Ebene der 26 Warenkategorien durchgeführte globale Analyse werde durch eine getrennte Analyse von drei verschiedenen Produktfamilien bestätigt, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, der einen Verstoß gegen Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen darstelle.

125    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

126    Soweit es erstens um die Analyse des Anstiegs der Einfuhren geht, ist auf die nachstehenden Rn. 140 und 144 zu verweisen, weil die Klägerin ihre Argumente hierzu hauptsächlich im Rahmen ihres vierten Klagegrundes darlegt.

127    Soweit es zweitens um die Analyse der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union geht, legt die Klägerin Zahlen vor, aus denen sich zum einen ergibt, dass bei Flacherzeugnissen und Langerzeugnissen die Marktanteile zurückgingen und die Rentabilität stieg, und zum anderen, dass bei Rohren der Marktanteil stabil blieb, obwohl die Rentabilität sank. Diese Zahlen entsprechen den Erwägungen, die die Kommission in den Erwägungsgründen 77 und 84 der angefochtenen Verordnung im Rahmen ihrer Analyse jeder der drei Produktfamilien angestellt hat.

128    Diese Entwicklungen stimmen mit den im Rahmen der globalen Analyse beobachteten und in den Erwägungsgründen 68 und 72 der angefochtenen Verordnung wiedergegebenen Entwicklungen offensichtlich überein.

129    Die Gesichtspunkte, auf die sich die Argumentation der Klägerin stützt, wie etwa die verbesserte Rentabilität von Flacherzeugnissen, erlauben es nämlich nicht, die gesamte Analyse in Frage zu stellen, weil nicht außer Acht gelassen werden darf, dass die Kommission im 90. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung festgestellt hat, dass sich der Wirtschaftszweig der Union trotz dieser kurzzeitigen Verbesserung nach wie vor in einer labilen Lage befinde und die Gefahr eines ernsthaften Schadens bestehe, falls sich der Aufwärtstrend bei den Einfuhren mit dem damit verbundenen Preisverfall und Rentabilitätsrückgang bis unter die Grenze der Nachhaltigkeit fortsetzen sollte.

130    Was die Gefahr einer ernsthaften Schädigung betrifft, lässt die Auswahl der Daten, auf deren Grundlage die Klägerin zu dem Schluss kommt, dass sich die drei Produktfamilien unterschiedlich entwickelten, somit keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler in Bezug auf die von der Kommission im 87. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung getroffene Feststellung erkennen, wonach aus der sowohl global als auch für jede der drei Produktfamilien durchgeführten Analyse hervorgehe, dass sich der Wirtschaftszweig der Union bis 2016 in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befunden und 2017 nur teilweise erholt habe.

131    Nach alledem ist festzustellen, dass der dritte Teil des dritten Klagegrundes – vorbehaltlich der Beurteilung der Stichhaltigkeit der von der Klägerin im Rahmen des vierten Klagegrundes vorgebrachten Analyse des Anstiegs der Einfuhren – unbegründet ist.

 Vierter Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler, Verletzung der Sorgfaltspflicht sowie Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen

132    Die Klägerin macht geltend, dass die angefochtene Verordnung nicht belege, dass es in der jüngeren Zeit einen plötzlichen, steilen und deutlichen Anstieg der Einfuhren der betreffenden Ware gegeben habe, wie es Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verlangten.

133    Erstens vertritt die Klägerin im Hinblick auf die von der Kommission in der angefochtenen Verordnung vorgenommene globale Analyse die Auffassung, dass der einzige plötzliche, steile oder deutliche Anstieg der Einfuhren, der angeführt werden könne, zwischen 2013 und 2016, d. h. drei Jahre vor dem Erlass dieser Verordnung, stattgefunden habe. Folglich sei der von der Kommission festgestellte Anstieg der Einfuhren nicht hinreichend zeitnah gewesen, um die Einführung von Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen. Dieses Verständnis des Merkmals „zeitnah“ stehe im Einklang mit der Rechtsprechung der WTO. In diesem Zusammenhang trägt die Klägerin vor, aus dieser Rechtsprechung ergebe sich auch, dass es zum einen nicht ausreiche, dass die Einfuhren zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit gestiegen und dann stabil geblieben seien, um die Einführung von Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen, und dass zum anderen die Analyse der Trends in jüngster Zeit den plötzlichen und zeitnahen Charakter des Anstiegs der Einfuhren untermauern müsse, was aus der qualitativen Analyse der Entwicklung der Einfuhren im vorliegenden Fall nicht hervorgehe.

134    Daher habe die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und gegen Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verstoßen, als sie davon ausgegangen sei, dass der Anstieg der Einfuhren der betreffenden Ware in die Union die Einführung von Schutzmaßnahmen rechtfertige.

135    Außerdem fügt die Klägerin hinzu, die von der Kommission vorgeschlagene Auslegung höhle das Erfordernis aus, dass der Anstieg der Einfuhren zeitnah und plötzlich erfolgt sein müsse, und laufe dem Zweck von Schutzmaßnahmen, wie ihn insbesondere die Rechtsprechung der WTO verstehe, zuwider.

136    Zweitens vertritt die Klägerin im Hinblick auf die von der Kommission in der angefochtenen Verordnung auf der Grundlage der drei Produktfamilien vorgenommene Analyse die Auffassung, dass diese drei Familien im Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2018, der als jüngste Zeit bezeichnet worden sei (im Folgenden: jüngste Zeit), sehr unterschiedliche Trends aufgewiesen hätten. Da die Analyse nach Produktfamilien voneinander abweichende Trends aufzeige, sei sie folglich nicht geeignet, die globale Analyse zu untermauern.

137    Unter Berufung auf die WTO-Rechtsprechung, die die Bedeutung von Zwischentrends für die Schlussfolgerung hervorhebe, dass die Einfuhren im Sinne von Art. 2 Abs. 1 des WTO-Übereinkommens über Schutzmaßnahmen gestiegen seien, trägt die Klägerin zudem vor, dass in Fällen, in denen bei verschiedenen Warenkategorien, aus denen sich eine einzige betroffene Ware zusammensetze, divergierende Trends festgestellt würden, nichts die Schlussfolgerung stütze, dass die Einfuhren der einzigen betroffenen Ware gestiegen und Schutzmaßnahmen daher rechtlich gerechtfertigt seien. Insoweit hält sie das Vorbringen der Kommission, dass die Rechtsprechung der WTO der Auffassung der Klägerin widerspreche, in Anbetracht der Besonderheiten des Falles für nicht relevant.

138    Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen ist die Klägerin der Ansicht, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, indem sie aus ihrer Analyse nach Produktfamilien nicht die richtigen Schlussfolgerungen gezogen habe, und auch gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen habe, weil sie nicht alle ihr zur Verfügung stehenden relevanten tatsächlichen und rechtlichen Umstände sorgfältig ermittelt und geprüft habe.

139    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

140    In einem ersten Schritt ist die Rüge der Klägerin zu prüfen, dass die Kommission bei der Durchführung ihrer Analysen Fehler begangen habe, insbesondere was die fehlende Übereinstimmung zwischen der globalen Analyse und der Analyse der drei Produktfamilien betreffe.

141    Zum einen geht den Erwägungsgründen 32 und 33 der angefochtenen Verordnung zufolge aus der globalen Analyse hervor, dass die Einfuhren in absoluten Zahlen um 71 % stiegen, wobei der Marktanteil in relativen Zahlen von 12,7 % auf 18,8 % wuchs. Der deutlichste Anstieg erfolgte im Zeitraum 2013 bis 2016. In der Folge verlangsamte sich der weitere Anstieg der Einfuhren, bevor er sich in jüngster Zeit wieder beschleunigte.

142    Zum anderen geht den Erwägungsgründen 34 und 35 der angefochtenen Verordnung zufolge aus der Analyse nach Produktfamilien hervor, dass die Einfuhren der drei Produktfamilien (Flacherzeugnisse, Langerzeugnisse und Rohre) im Zeitraum von 2013 bis in die jüngste Zeit in absoluten Zahlen um 64 %, 97 % bzw. 60 % stiegen. Im selben Zeitraum stiegen die Einfuhren auch in relativen Zahlen; die Marktanteile wuchsen jeweils von 14,2 % auf 20,9 %, von 8,6 % auf 14 % bzw. von 20,4 % auf 25,7 %.

143    Aus den vorstehenden Angaben lässt sich erstens schließen, dass beide Analysemethoden zu ähnlichen Ergebnissen gelangen, zweitens, dass die Kommission tatsächlich sowohl die Extremwerte als auch die Zwischentrends analysiert hat, und drittens, dass die Entwicklung der Einfuhren in jüngster Zeit sehr wohl berücksichtigt wurde.

144    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Argumentation der Klägerin auf einer partiellen Analyse der Daten beruht, welche Zeiträume in den Vordergrund stellt, die zeitlich zu kurz sind, um signifikant zu sein. Beispielsweise macht sie geltend, dass die Einfuhren von Flacherzeugnissen zwischen 2017 und der jüngsten Zeit zurückgegangen seien. Während das Volumen tatsächlich von 20 299 000 Tonnen auf 20 202 000 Tonnen zurückging (ein Rückgang um 97 000 Tonnen), blieb der Marktanteil gleichwohl konstant (20,9 %) und vor allem blieb das Volumen im Vergleich zum Zeitraum 2013 bis 2015 auf einem sehr hohen Niveau (+1 811 000 Tonnen im Vergleich zu 2015).

145    In einem zweiten Schritt ist die Behauptung der Klägerin zu prüfen, dass die Kriterien, die ein Anstieg der Einfuhren erfüllen müsse, um die Einführung von Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen, nicht erfüllt gewesen seien.

146    Insoweit wird, wie die Klägerin ausführt, in Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen der Ausdruck „derart erhöhte Mengen“ verwendet, und Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen stellt auf einen „erheblichen“ Anstieg ab. In seinem Bericht vom 14. Dezember 1999 im Fall „Argentinien – Schutzmaßnahmen für Einfuhren von Schuhen (Argentinien – Schuhe [EG])“ betonte das WTO-Berufungsgremium das Erfordernis, dass „der Anstieg der Einfuhren so zeitnah, so plötzlich, so steil und so bedeutend gewesen sein muss, sowohl in Bezug auf die Menge als auch auf die Qualität, dass er einen ‚erheblichen Schaden‘ verursacht oder zu verursachen droht“. In den Erwägungsgründen 39 und 47 der angefochtenen Verordnung hat die Kommission sich u. a. auf diese Rechtsprechung gestützt, als sie bestätigte, dass der in Rede stehende Anstieg der Einfuhren diese Voraussetzungen erfülle.

147    Hierzu genügt der Hinweis, dass die Kommission, wie aus dem Vorstehenden hervorgeht, bei der Beurteilung, ob der Anstieg der Einfuhren zeitnah erfolgte, über einen gewissen Beurteilungsspielraum verfügt, weil sie bei der Ermittlung des Anstiegs der in Rede stehenden Einfuhren nicht an einen bestimmten Zeitrahmen gebunden ist und ihre Prüfung des Anstiegs dieser Einfuhren sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht ergeben hat, dass er so steil, plötzlich und hinreichend zeitnah erfolgte, dass er eine bedeutende Schädigung verursachte oder zu verursachen drohte.

148    Im vorliegenden Fall durfte die Kommission in Anbetracht der Entwicklung der in Rede stehenden Einfuhren (siehe oben, Rn. 127 und 141) zu dem Schluss kommen, dass deren Anstieg die erforderlichen Kriterien erfüllte.

149    Darüber hinaus würde die von der Klägerin vorgeschlagene Auslegung des Kriteriums „zeitnah“ die Überwachungsmaßnahmen, die das für die Ausarbeitung von Schutzmaßnahmen gemäß Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen eingerichtete System ergänzen, unwirksam machen.

150    Nach alledem ist der vierte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

151    Im Einklang mit den Rn. 126 und 131 des vorliegenden Urteils ist auch der dritte Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen, weil dem Vorbringen der Klägerin zum Anstieg der Einfuhren, das im Rahmen ihres dritten Klagegrundes angeführt, aber im Rahmen ihres vierten Klagegrundes weiter ausgeführt wurde, nicht zu folgen war.

 Fünfter Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler, Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, Verletzung der Sorgfaltspflicht sowie Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2, Art. 9 Abs. 2 und Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen

152    Mit ihrem fünften Klagegrund, der sich in vier Teile gliedert, macht die Klägerin geltend, dass die angefochtene Verordnung das Vorliegen der Gefahr eines ernsthaften Schadens nicht belege (erster Teil), dass diese Gefahr zu Unrecht ausschließlich auf eine Handelsumlenkung gestützt werde (zweiter Teil), dass sich die Kommission bei der Feststellung dieser Gefahr jedenfalls nicht auf die Tatsachen gestützt habe (dritter Teil) und dass die Kommission bei der Beurteilung dieser Gefahr die von der European Steel Association (Eurofer) mitgeteilten Schadensindikatoren hätte berücksichtigen müssen (vierter Teil).

–       Erster Teil des fünften Klagegrundes: Die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und gegen Art. 9 Abs. 2 und Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verstoßen, indem sie festgestellt habe, dass die Lage des Wirtschaftszweigs der Union auf die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinweisen könne

153    Mit ihrem ersten Teil macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Kommission auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Daten und Informationen keine Gefahr eines ernsthaften Schadens hätte feststellen dürfen.

154    Zur Stützung ihrer Rüge weist die Klägerin erstens darauf hin, dass von den elf von der Kommission untersuchten Schadensindikatoren nur drei einen leicht negativen Trend hätten erkennen lassen (Marktanteil, Lagerbestände und Beschäftigung), was nicht auf einen Wirtschaftszweig in einer „labilen“ oder „schwierigen“ Lage im Sinne der WTO-Rechtsprechung hindeute, sondern vielmehr auf einen soliden und robusten Wirtschaftszweig, wie dies insbesondere aus der Untersuchung des Schlüsselindikators Rentabilität hervorgehe.

155    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

156    Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission in der Klagebeantwortung die Zulässigkeit des ersten Teils des fünften Klagegrundes mit der Begründung bestritten hat, dass das Vorbringen der Klägerin nicht den in Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung aufgestellten Voraussetzungen genüge. In der Gegenerwiderung ist die Kommission jedoch von ihrer Beurteilung offensichtlich abgerückt, weil sie der Auffassung war, dass die von der Klägerin in der Erwiderung gegebenen Erläuterungen ein besseres Verständnis des Vorbringens ermöglichten, auf dem der erste Teil des fünften Klagegrundes beruhe. Auf die Frage in der mündlichen Verhandlung, ob die Kommission ihre gegen die Zulässigkeit dieser Argumentation erhobene Einrede aufrechterhalten wolle, hat sie erklärt, sie stelle die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts, was im Sitzungsprotokoll festgehalten worden ist.

157    Aus dem Schriftwechsel zwischen den Parteien, sowohl im schriftlichen als auch im mündlichen Verfahren, geht jedoch hervor, dass die Klägerin ihre Argumente in Bezug auf den ersten Teil des fünften Klagegrundes hinreichend klar und präzise vorgebracht hat, um es der Kommission zu ermöglichen, darauf zu erwidern, und dem Gericht, seine Kontrolle auszuüben. Daher sind die Einwände der Kommission gegen die Zulässigkeit des ersten Teils des fünften Klagegrundes zurückzuweisen und dessen Begründetheit zu prüfen.

158    In dieser Hinsicht ist die Relevanz der von der Klägerin vorgenommenen Bewertungen aufgrund ihres bruchstückhaften und isolierten Charakters zu relativieren. Die Klägerin weist nämlich einerseits darauf hin, dass der Inlandsverbrauch und die Inlandsverkäufe gestiegen seien, und andererseits, dass die Produktion ebenfalls zugenommen habe, während die Produktionskapazität und die Kapazitätsauslastung stabil geblieben seien. Diese Feststellungen sind jedoch im Licht der Tatsache zu betrachten, dass aus der von der Kommission in den Erwägungsgründen 63 bis 89 der angefochtenen Verordnung vorgenommenen Analyse hervorgeht, dass erstens die Produktion zwar gestiegen war, dieser Anstieg jedoch geringer ausfiel als der des Inlandsverbrauchs, dass zweitens die EU-Verkaufspreise im gesamten Untersuchungszeitraum – mit Ausnahme einer Erholung ganz am Ende dieses Zeitraums – zurückgegangen waren und dass drittens die Gewinne während des gesamten Untersuchungszeitraums unter den Zielgewinnspannen geblieben waren (und 2017 nur aufgrund gesunkener Produktionskosten und der Wirksamkeit der von der Union ergriffenen handelspolitischen Schutzmaßnahmen hatten steigen können). Zu diesen Beobachtungen ist noch hinzuzufügen, dass der Marktanteil zurückgegangen war.

159    Auch wenn die Klägerin den kontinuierlichen Anstieg der Rentabilität und die Verbesserung des Cashflows hervorhebt, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 97. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ausdrücklich ausgeführt hat, dass „sich trotz der Tatsache, dass sich das Rentabilitätsniveau 2017 gegenüber den Vorjahren (in denen sich der Wirtschaftszweig der Union in einer Verlustsituation oder an der Kostendeckungsschwelle befand) deutlich verbessert hatte, die Lage schnell umkehren [könnte], wenn Einfuhren weiter zunehmen (oder infolge der Maßnahmen der USA nach Abschnitt 232 oder anderer Faktoren massiv ansteigen)“.

160    So geht aus dieser Beurteilung hervor, dass das erreichte Rentabilitätsniveau nicht isoliert betrachtet werden könne, weil es sich zwar im Vergleich zum Vorjahr verbessert habe, die festgestellte Gefahr einer Handelsumlenkung jedoch ein Schlüsselelement sei, das sich negativ auf die wirtschaftliche Lage des Wirtschaftszweigs der Union auswirken würde, wenn keine Maßnahmen getroffen würden. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die drohende Umlenkung der Handelsströme negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage des Wirtschaftszweigs der Union gehabt hätte, wenn keine Maßnahmen eingeleitet worden wären, so dass sich die Erholung schnell wieder hätte umkehren können.

161    In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen lässt sich kein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission bei der Beurteilung der Lage feststellen, in der sich der Wirtschaftszweig der Union befand.

162    Zweitens ist die Klägerin der Auffassung, dass die Entwicklung der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union zwischen 2013 und dem ersten Halbjahr 2018 keinen Rückschluss auf das Vorliegen einer „Gefahr einer bedeutenden Schädigung“, insbesondere im Sinne der Rechtsprechung der WTO, zulasse. Außerdem fügt sie hinzu, die jüngsten Daten in den Akten deuteten darauf hin, dass die zusätzlichen Einfuhren nicht die von der Kommission behauptete Auswirkung gehabt hätten.

163    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

164    Insoweit genügt der Hinweis, dass das Vorbringen der Klägerin zur Art und Weise der Berücksichtigung vorausschauender Elemente nicht mehr relevant ist, weil die Analyse der Klägerin in den Rn. 158 bis 161 des vorliegenden Urteils zugunsten der von der Kommission vorgeschlagenen Analyse zurückgewiesen worden ist.

165    In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen lässt sich kein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission feststellen, soweit sie zu dem Schluss gekommen ist, dass die Lage des Wirtschaftszweigs der Union auf die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinweisen könnte.

166    Daher ist der erste Teil des fünften Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zweiter Teil des fünften Klagegrundes: Die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und gegen Art. 9 Abs. 2 und Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verstoßen, indem sie ihre Feststellung, dass ein ernsthafter Schaden drohe, nur auf eine mögliche Handelsumlenkung gestützt habe

167    Mit dem zweiten Teil des fünften Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass die Kommission die Gefahr einer bedeutenden Schädigung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen nicht hätte feststellen dürfen, weil sie ihre Schlussfolgerungen allein auf eine Handelsumlenkung gestützt habe.

168    Nach Auffassung der Klägerin stützt die Kommission die Gefahr eines ernsthaften Schadens nicht auf das Niveau der Einfuhren zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung oder auf anhaltende Einfuhren auf diesem Niveau, sondern vielmehr auf einen nicht belegten und theoretischen Anstieg künftiger Einfuhren, der sich aus einer Umlenkung der Handelsströme unter dem Einfluss der Maßnahmen der USA nach Abschnitt 232 ergebe. Auf diese Weise habe die Kommission die hypothetische Gefahr eines Anstiegs der Einfuhren mit der Gefahr eines ernsthaften Schadens gleichgesetzt. Damit habe sie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und gegen Art. 9 Abs. 2 und Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verstoßen. In diesem Zusammenhang weist die Klägerin darauf hin, dass diese Beurteilung durch die Rechtsprechung der WTO bestätigt werde.

169    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

170    Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission im 90. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung zu dem Schluss gelangt ist, dass für den Wirtschaftszweig der Union „die Gefahr eines ernsthaften Schadens [bestehe], sollte sich der Aufwärtstrend bei den Einfuhren fortsetzen, mit dem damit verbundenen Preisverfall und Rentabilitätsrückgang bis unter die Grenze der Nachhaltigkeit“. Die Klägerin hält diese Aussage jedoch für unbegründet und durch die Aktenlage widerlegt, weil sie im Rahmen des ersten Teils ihres fünften Klagegrundes nachgewiesen habe, dass die Lage des Wirtschaftszweigs der Union im Jahr 2017 und in den ersten beiden Quartalen des Jahres 2018 nicht aufgezeigt habe, dass dieser Wirtschaftszweig angesichts des Umfangs der Einfuhren in diesem Zeitraum kurz vor dem Zusammenbruch gestanden habe und somit ein ernsthafter Schaden eindeutig vorhersehbar gewesen sei oder unmittelbar bevorgestanden habe.

171    Da der erste Teil des fünften Klagegrundes zurückgewiesen wurde, ist die Prämisse, von der das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des zweiten Teils dieses Klagegrundes ausgeht, falsch. Der zweite Teil des fünften Klagegrundes ist daher nur im Hinblick auf das Vorbringen zu prüfen, dass die Beweise, die die Kommission vorgelegt habe, um einen möglichen Anstieg der Einfuhren darzutun, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler erkennen ließen.

172    Aus den Akten geht jedoch hervor, dass sich die Kommission zum Nachweis der Gefahr eines ernsthaften Schadens nicht nur auf die Feststellung einer möglichen Handelsumlenkung gestützt, sondern auch andere Faktoren berücksichtigt hat. In den Erwägungsgründen 99 und 100 der angefochtenen Verordnung werden nämlich auf der Basis einer Analyse der aktuellsten verfügbaren Daten die Steigerungsrate der Ausfuhren sowie die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Anstiegs der Ausfuhren untersucht. Darüber hinaus zeigen die in den Kapiteln 5.6.1 und 5.6.2 der angefochtenen Verordnung wiedergegebenen und analysierten Statistiken den anhaltenden Aufwärtstrend der Einfuhren und die Tatsache auf, dass die ersten Anzeichen einer Handelsumlenkung schon in den Monaten nach dem Inkrafttreten der Maßnahmen der USA nach Abschnitt 232 zu beobachten waren.

173    Folglich hat sich die Kommission in der Tat auf Beweise gestützt, die nicht nur eine Handelsumlenkung erkennen ließen, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, dass die normalerweise für den US-Markt bestimmten Einfuhren nunmehr zunehmend in die Union umgeleitet würden.

174    Aus dem detaillierten Bündel von Indizien, auf das sich die Analyse der Kommission stützt, lässt sich somit kein offensichtlicher Beurteilungsfehler ableiten.

175    Selbst wenn das WTO-Übereinkommen über Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen wäre, ist jedenfalls festzustellen, dass der Ansatz der Kommission mit Art. 4 Abs. 1 Buchst. b dieses Übereinkommens im Einklang steht, weil der Nachweis eines möglichen Anstiegs der Einfuhren im vorliegenden Fall nicht auf bloßen Behauptungen, Vermutungen oder entfernten Möglichkeiten beruht.

176    Daher ist der zweite Teil des fünften Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

–       Dritter Teil des fünften Klagegrundes: Die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und gegen Art. 9 Abs. 2 und Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verstoßen, indem sie keine umfassende, auf Tatsachen gestützte Beurteilung der von ihr festgestellten Gefahr eines ernsthaften Schadens vorgenommen habe

177    Im Rahmen des dritten Teils des fünften Klagegrundes führt die Klägerin drei Argumente an, um darzulegen, dass die Kommission – selbst für den Fall, dass der drohende Anstieg der Einfuhren die Gefahr eines ernsthaften Schadens mit sich bringen könnte – insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechung der WTO nicht hinreichend nachgewiesen habe, dass tatsächlich die Gefahr einer erheblichen Handelsumlenkung bestehe, die einen ernsthaften Schaden verursachen könne.

178    Erstens habe die Kommission nicht in Betracht gezogen, dass es andere Exportmärkte gebe, die in der Lage seien, eine mögliche Handelsumlenkung aus den Vereinigten Staaten auszugleichen. Die Erwägungen, auf die sich die Kommission zum Beweis des Gegenteils stütze, seien entgegen ihrer Behauptung bloße Behauptungen ohne Beweiskraft.

179    Zweitens gehe aus der Analyse des Zahlenmaterials in den Akten nicht hervor, dass die festgestellte Handelsumlenkung einen ernsthaften Schaden zu verursachen drohe, da diese Handelsströme begrenzt gewesen seien. Die Kommission habe ihre gegenteiligen Behauptungen nicht durch Tatsachen untermauert.

180    Drittens habe die Kommission die Entwicklung der Einfuhren in die Union und in die Vereinigten Staaten in den ersten Monaten des Jahres 2018 in absoluten Zahlen analysiert, und diese Einfuhren seien nicht notwendigerweise unter Bedingungen oder in einer Weise erfolgt, die die Gefahr eines ernsthaften Schadens mit sich brächten. Daher habe die Kommission keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sie hätte schließen können, dass zusätzliche Einfuhren zu einem Preisverfall und Rentabilitätsrückgang führen würden. Dem fügt die Klägerin hinzu, dass die Kommission nicht erläutert habe, aus welchen Gründen sie zu dem Schluss gekommen sei, dass der behauptete starke Anstieg der Einfuhren einen ernsthaften Schaden zu verursachen drohe.

181    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

182    Was erstens den Vorwurf betrifft, die Kommission habe den Umstand nicht geprüft, dass die Handelsumlenkung – unabhängig von einer möglichen Schließung des US-Marktes – begrenzt und die Gefahr eines durch sie verursachten ernsthaften Schadens wenig wahrscheinlich sei, ist zum einen festzustellen, dass sich sowohl aus den Erwägungsgründen 35 und 67 der vorläufigen Verordnung als auch aus den Erwägungsgründen 107 und 173 der angefochtenen Verordnung ergibt, dass dieser Vorwurf unbegründet ist, weil die Erwägungen der Kommission notwendigerweise auch andere Märkte berücksichtigt haben. Zum anderen ist in Anbetracht der Ausführungen in den Rn. 172 bis 174 des vorliegenden Urteils der gegenüber der Kommission erhobene Vorwurf zurückzuweisen, dass es sich bei den genannten Erwägungsgründen lediglich um bloße Behauptungen handele, die durch keinerlei Beweise untermauert seien, und dass es insbesondere keine Beweise dafür gebe, dass die Handelsströme in die USA – was die Produktpalette und die Ausfuhrländer betreffe – den Handelsströmen in die Union entsprächen.

183    Was zweitens die Behauptung anbelangt, dass die mögliche Handelsumlenkung aus den USA zu gering sei, um die Gefahr eines ernsthaften Schadens auszulösen, bestreitet die Klägerin die von der Kommission vorgenommenen Berechnungen. Nach den oben in den Rn.74 und 75 genannten Grundsätzen kommt es jedoch nicht darauf an, ob eine andere Analyse, wie die Klägerin sie vorschlägt, durchgeführt werden könnte, weil sich die Kontrolle durch den Unionsrichter im vorliegenden Fall darauf beschränkt, etwaige offensichtliche Beurteilungsfehler festzustellen, die die Analyse, auf die sich die angefochtene Verordnung stützt, rechtsfehlerhaft machen. Ein solcher Fehler geht jedoch aus den Akten nicht hervor. In den Erwägungsgründen 107 und 179 der angefochtenen Verordnung heißt es nämlich, dass die Kommission Simulationen unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien durchgeführt und ihr Wirtschaftsmodell mit den aktuellsten verfügbaren Daten untermauert habe. Darüber hinaus ermöglichte der von der Kommission verfolgte Ansatz die Feststellung, dass im ersten Halbjahr 2018 eine Handelsumlenkung stattgefunden hat, deren Volumen ausreichte, um den Schluss der Kommission auf die Gefahr eines erheblichen Schadens zu rechtfertigen.

184    Was drittens die Behauptung betrifft, es seien keine Beweise für die Schlussfolgerung vorgelegt worden, dass der Anstieg der Einfuhren zu einem Preisverfall und Rentabilitätsrückgang führen würde, so dass ein ernsthafter Schaden drohe, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie bereits anerkannt worden ist (siehe oben, Rn. 158 bis 161), rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass sich der Wirtschaftszweig der Union in einer schwierigen Lage befand und daher im Licht dieser Lage zu prüfen ist, ob die Kommission stichhaltig dargetan hat, dass aufgrund des Anstiegs der Einfuhren die Gefahr eines ernsthaften Schadens bestanden habe. In diesem Rahmen kann der Kommission kein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorgeworfen werden, soweit sie davon ausging, dass der zusätzliche Druck, der sich aus dem festgestellten beschleunigten Anstieg der Einfuhren nach Einführung der von den Vereinigten Staaten von Amerika gemäß Abschnitt 232 beschlossenen Maßnahmen ergebe, in Anbetracht der sehr geringen Gewinne, die im Untersuchungszeitraum erzielt worden seien, zu einem Preisverfall und Rentabilitätsrückgang führen werde, der die Gefahr eines ernsthaften Schadens mit sich bringe. Insoweit sind die Erwägungen der Klägerin hinsichtlich der Verbesserung der Rentabilität aus denselben Gründen zurückzuweisen, wie sie bereits in den Rn. 158 bis 161 in Verbindung mit Rn. 165 des vorliegenden Urteils dargelegt wurden.

185    Nach alledem ist der dritte Teil des fünften Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

–       Vierter Teil des fünften Klagegrundes: Die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, ihre Sorgfaltspflicht verletzt und gegen Art. 5 Abs. 2 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verstoßen, indem sie die positive Entwicklung der Schadensindikatoren für das erste Halbjahr 2018 nicht berücksichtigt habe

186    Mit dem vierten Teil des fünften Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, ihre Sorgfaltspflicht verletzt und gegen Art. 5 Abs. 2 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verstoßen, als sie beschlossen habe, die von Eurofer für das erste Halbjahr 2018 mitgeteilten Schadensindikatoren nicht zu berücksichtigen.

187    Nach Ansicht der Klägerin kann keiner der von der Kommission angeführten Gründe diese Nichtberücksichtigung rechtfertigen, weil die Kommission berechtigt gewesen wäre, diese aktualisierten Informationen mit oder ohne Überprüfung zu berücksichtigen, gegebenenfalls zusätzliche Informationen anzufordern und sich, soweit erforderlich, auf die verfügbaren Daten zu stützen.

188    Die Klägerin vertritt zunächst die Auffassung, diese Indikatoren zeigten, dass der Wirtschaftszweig der Union seine Wettbewerbsposition verbessert habe, und seien folglich ein positiver Beweis dafür, dass keine Gefahr eines ernsthaften Schadens bestanden habe.

189    Sodann bestreitet die Klägerin die Behauptung der Kommission, dass sie selbst dann, wenn sie die Schadensindikatoren für das erste Halbjahr 2018 berücksichtigt hätte, letztlich zu demselben Ergebnis gekommen wäre. Hierzu weist die Klägerin darauf hin, dass der Aufwärtstrend der Rentabilität im Zeitraum von Januar 2018 bis Juni 2018 die endgültige Feststellung der Kommission, die auf der Annahme beruhe, dass ein Anstieg der Einfuhrmengen zu einem Rückgang der Preise und der Rentabilität führen werde, nicht bestätigen könne.

190    Schließlich ist die Klägerin der Ansicht, entgegen dem Vorbringen der Kommission ergebe sich aus der Rechtsprechung, dass das Gericht im vorliegenden Fall befugt sei, zu prüfen, ob die Kommission im Einklang mit dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung gehandelt habe.

191    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

192    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin ihre Analyse in ihren Schriftsätzen wiederholt auf von Eurofer bereitgestellte aktualisierte Schadensindikatoren stützt, deren Relevanz Gegenstand des vierten Teils des fünften Klagegrundes ist.

193    Die Analyse der Klägerin beruht jedoch auf dem Rentabilitätsfaktor. Wie oben in den Rn. 158 bis 161 in Verbindung mit Rn. 165 ausgeführt, muss die Bedeutung dieses Faktors aber relativiert werden, so dass er für sich allein nicht zur Feststellung eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers führen kann. Folglich geht der vierte Teil des fünften Klagegrundes ins Leere.

194    Jedenfalls lassen die zahlreichen Gründe, die die Kommission angeführt hat, um die Nichtberücksichtigung der von Eurofer für die ersten beiden Quartale des Jahres 2018 mitgeteilten Schadensindikatoren zu rechtfertigen, trotz der Einwände der Klägerin keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler erkennen. In dieser Hinsicht ist die Unvollständigkeit der genannten Daten kennzeichnend. Die Indikatoren von Eurofer deckten nämlich nicht die gesamte betreffende Ware ab. Auch wenn die Klägerin der Auffassung ist, dass die erfassten Warenkategorien den mengenmäßig weitaus größten Teil der betreffenden Ware ausmachten und dass die Kommission nach Art. 5 Abs. 6 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen berechtigt gewesen wäre, die verfügbaren Angaben zu verwenden, weil das Fehlen von Informationen über die anderen Warenkategorien vermutlich auf die Nichtübermittlung dieser Daten durch den Europäischen Stahlrohrverband (ESTA) zurückzuführen sei, lässt sich daraus keine Verpflichtung der Kommission ableiten, dies auch zu tun. Die Kommission ist vielmehr in der Tat berechtigt, die Daten in Anbetracht dieser Unvollständigkeit als nicht relevant anzusehen, ohne dass dies einen offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht oder den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung darstellt.

195    Nach alledem ist der vierte Teil des fünften Klagegrundes und damit der fünfte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Sechster Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler und Verstoß gegen Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen

196    Mit ihrem sechsten Klagegrund, der sich in drei Teile gliedert, will die Klägerin dartun, dass die Kommission gegen Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verstoßen habe, weil sie keinen Kausalzusammenhang zwischen dem festgestellten Anstieg der Einfuhren und der festgestellten Gefahr einer ernsthaften Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union nachgewiesen habe.

–       Erster Teil des sechsten Klagegrundes: Weil die Gefahr eines ernsthaften Schadens von künftigen Einfuhren abhängig gewesen sei, habe die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie unter Verstoß gegen Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen einen Kausalzusammenhang zwischen dieser Gefahr und dem Anstieg der Einfuhren hergestellt habe

197    Im Rahmen des ersten Teils des sechsten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, aus der angefochtenen Verordnung gehe hervor, dass die Kommission nicht festgestellt habe, dass die bei Erlass der angefochtenen Verordnung bestehenden Einfuhren einen ernsthaften Schaden verursacht hätten oder zu verursachen drohten, sondern dass diese Gefahr auf Einfuhren beruhe, die noch nicht stattgefunden hätten, was u. a. im Widerspruch zur Rechtsprechung der WTO stehe.

198    Die Kommission habe somit gegen Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verstoßen, indem sie sich auf „einen künftigen und theoretischen Anstieg der Einfuhren“ gestützt habe.

199    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

200    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission ihre Feststellung auf eine Bewertung der bestehenden und künftigen Einfuhren gestützt hat. Aus ihrer Analyse geht nämlich hervor, dass die Gefahr eines ernsthaften Schadens im vorliegenden Fall zwar von den künftigen Einfuhren ausging, deren möglicher Umfang sich aus dem oben in den Rn. 172 bis 174 genannten Bündel von Indizien ergab, diese Gefahr aber aufgrund der besonderen Lage bestand, in der sich der Wirtschaftszweig der Union infolge der zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung festgestellten Einfuhren befand.

201    Der von der Kommission bei der Anwendung von Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verfolgte Ansatz steht somit im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 dieser Verordnung, der gerade vorsieht, dass die Kommission im Fall der Gefahr einer bedeutenden Schädigung die Steigerungsrate der Ausfuhren in die Union prüfen muss, um festzustellen, ob klar abzusehen ist, dass eine bestimmte Lage zu einer tatsächlichen Schädigung führen kann.

202    Mit anderen Worten: Ohne die durch die bestehenden Einfuhren hervorgerufenen Auswirkungen wären künftige Einfuhren möglicherweise unproblematisch gewesen. Somit waren die bestehenden Einfuhren der Grund dafür, dass sich in Anbetracht der prognostizierten Steigerungsrate der Ausfuhren in die Union die Gefahr eines ernsthaften Schadens abzeichnete.

203    Die Klägerin ist jedoch der Ansicht, aus Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen ergebe sich, dass es allein darauf ankomme, ob die bestehenden Einfuhren einen ernsthaften Schaden verursachten oder zu verursachen drohten.

204    Die Prämisse des Vorbringens der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Teils beruht daher auf einem falschen Verständnis der Art des Kausalzusammenhangs zwischen dem festgestellten Anstieg der Einfuhren und der festgestellten Gefahr einer ernsthaften Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union.

205    Nach alledem ist der erste Teil des sechsten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zweiter Teil des sechsten Klagegrundes: Da kein Kausalzusammenhang bestehe, habe die Kommission unter Verstoß gegen Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen

206    Mit dem zweiten Teil des sechsten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass die Kommission keinen Kausalzusammenhang nachgewiesen und daher die Anforderungen von Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen nicht beachtet habe.

207    Im Einzelnen macht die Klägerin geltend, dass die Akten belegten, dass der bestehende Umfang der Einfuhren, selbst in jüngster Zeit, weit davon entfernt gewesen sei, die Gefahr eines ernsthaften Schadens heraufzubeschwören, und den Wirtschaftszweig der Union nicht daran gehindert habe, im Wettbewerb zu bestehen und ansehnliche Gewinne zu erzielen. Gemäß der Rechtsprechung der WTO hätte die Kommission in einem solchen Fall aber eine zufriedenstellende, begründete und nachvollziehbare Erklärung liefern müssen, warum die Daten gleichwohl auf einen kausalen Zusammenhang hingedeutet hätten, was sie aber nicht getan habe.

208    Darüber hinaus bestreitet die Klägerin die von der Kommission behauptete Irrelevanz der von Eurofer vorgelegten Zahlen in Bezug auf das Rentabilitätskriterium und führt aus, dass selbst auf der Grundlage der in der angefochtenen Verordnung genannten Zahlen im Zeitraum zwischen 2013 und 2017 kein Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Einfuhren und einer Verschlechterung der Lage des Wirtschaftszweigs der Union erkennbar gewesen sei.

209    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

210    Einleitend ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin zum Fehlen eines Kausalzusammenhangs, auf das sie den zweiten Teil ihres sechsten Klagegrundes stützt, im Wesentlichen auf ihrer Interpretation der Steigerung der Rentabilität beruht, die durch die von Eurofer vorgelegten Zahlen gestützt wird.

211    Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Kriterium der Rentabilität nicht ausschlaggebend erscheint (siehe oben, Rn. 158 bis 161 in Verbindung mit Rn. 165), ferner, dass die von Eurofer vorgelegten Zahlen nicht berücksichtigt werden können (siehe oben, Rn. 194), und schließlich, dass die Kommission den Kausalzusammenhang zwischen dem zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung bestehenden Niveau der Einfuhren und der Gefahr eines ernsthaften Schadens rechtlich hinreichend nachgewiesen hat (siehe oben, Rn. 200 bis 205).

212    Nach alledem ist der zweite Teil des sechsten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

–       Dritter Teil des sechsten Klagegrundes: Die Kommission habe die Auswirkungen der früheren Dumping- oder Subventionierungspraktiken auf die Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union nicht ordnungsgemäß beurteilt, so dass ihre Beurteilung der Kausalität unter Verstoß gegen Art. 16 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sei

213    Mit dem dritten Teil des sechsten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass die Kommission die möglichen Auswirkungen der früheren Dumping- und Subventionierungspraktiken nicht berücksichtigt habe, was ihre zur Bewertung der Schädigung getroffenen Feststellungen fehlerhaft gemacht habe, so dass ihre Analyse des Kausalzusammenhangs mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sei.

214    Im Einzelnen führt die Klägerin aus, dass die Feststellung der Kommission in der angefochtenen Verordnung, der Wirtschaftszweig der Union habe sich bis 2016 in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befunden, zumindest teilweise mit einer erheblichen früheren Schädigung durch frühere Dumping- und Subventionierungspraktiken zu erklären sei, gegen die handelspolitische Schutzmaßnahmen ergriffen worden seien. In diesem Zusammenhang trägt sie vor, dass es unerheblich sei, ob Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen im Vergleich zu Schutzmaßnahmen unterschiedlichen Zwecken dienten oder auf bestimmte Waren abzielten.

215    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

216    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass aus dem 95. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung hervorgeht, dass die Kommission bei der Beurteilung der Lage des Wirtschaftszweigs der Union weder das Vorliegen der in Rede stehenden früheren Dumping- und Subventionierungspraktiken noch die Auswirkungen der dagegen ergriffenen Maßnahmen außer Acht gelassen hat. Deren Berücksichtigung war im Übrigen der Grund dafür, dass die Kommission sich nicht in der Lage sah, das Vorliegen eines ernsthaften Schadens festzustellen.

217    Somit weisen die Erwägungen der Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler hinsichtlich der Auswirkungen früherer Dumping- und Subventionierungspraktiken auf ihre Analyse des Kausalzusammenhangs zwischen dem Anstieg der Einfuhren und der Gefahr eines ernsthaften Schadens auf.

218    Zweitens kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, diese Praktiken nicht eingehender berücksichtigt zu haben, weil sie auch dann, wenn sie sich auf einen erheblichen Teil der betreffenden Ware ausgewirkt haben sollten, wie die Klägerin behauptet, gleichwohl nur bestimmte Kategorien von Waren mit Ursprung in bestimmten Ländern betrafen.

219    Daher reichte es aus, diese Praktiken in der oben in Rn. 216 beschriebenen Weise zu berücksichtigen, um jede Feststellung eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers auszuschließen.

220    Nach alledem ist der dritte Teil des sechsten Klagegrundes als unbegründet und damit der sechste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Siebter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 16 und Art. 5 Abs. 1 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen

221    Mit ihrem siebten Klagegrund macht die Klägerin geltend, dass es in der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen keine Rechtsgrundlage dafür gebe, dass die Kommission von sich aus eine Schutzmaßnahmenuntersuchung einleite. Zur Einleitung einer solchen Untersuchung sei sie nur dann berechtigt, wenn ihr die Informationen (und letztlich ein Antrag) von einem Mitgliedstaat übermittelt worden seien.

222    Konkret stützt die Klägerin ihre Auffassung, dass nur die Mitgliedstaaten die Initiative zur Einleitung einer Schutzmaßnahmenuntersuchung ergreifen könnten, auf den im Licht der Erwägungsgründe 7 und 8 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen verstandenen Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung, der in deren Kapitel III enthalten ist, auf das Art. 16 dieser Verordnung verweist. Sie weist zum einen darauf hin, dass die Kommission in der Bekanntmachung der Einleitung der Untersuchung ausdrücklich angegeben habe, diese Untersuchung von Amts wegen eingeleitet zu haben, und stellt zum anderen anhand verschiedener Anhaltspunkte in den Akten fest, dass die Untersuchung auf der Grundlage von Informationen eingeleitet worden sei, deren Herkunft von einem Mitgliedstaat nie nachgewiesen worden sei.

223    Schließlich fügt die Klägerin erstens hinzu, dass die Kommission die Untersuchung nicht allein auf der Grundlage der Informationen habe einleiten dürfen, die sie im Rahmen der Überwachungsmaßnahmen erhalten habe, weil diese Maßnahmen nur die Einfuhren im Zeitraum von 2015 bis 2017, nicht aber im Zeitraum von 2013 bis 2014 erfasst und zudem keine Informationen über die Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union enthalten hätten. Zweitens macht sie geltend, dass es unabhängig von den Befugnissen, die der Kommission nach der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen tatsächlich übertragen worden seien, keine Bestimmung gebe, die es ihr gestatte, Untersuchungen von Amts wegen einzuleiten.

224    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

225    Erstens ist festzustellen, dass sich aus Art. 5 Abs. 1 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen im Licht ihrer Erwägungsgründe 7 und 8 entgegen dem Vorbringen der Klägerin keine ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Initiative zur Einleitung einer Schutzmaßnahmenuntersuchung ergibt.

226    Zunächst heißt es im siebten Erwägungsgrund der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen, dass „[d]ie Kommission … durch die Mitgliedstaaten von jeder Gefahr unterrichtet werden [sollte], die sich aus der Entwicklung der Einfuhren ergibt und die die Einführung einer Überwachung durch die Union oder die Anwendung von Schutzmaßnahmen erforderlich machen könnte“.

227    Dieser Erwägungsgrund bezieht sich nicht auf die Befugnis der Kommission, eine Untersuchung einzuleiten, sondern auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Informationen zu übermitteln, damit die Kommission den ihr vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union zum Schutz der Interessen der Europäischen Union im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik übertragenen Aufgaben nachkommen kann, und zwar sowohl in Bezug auf die Einführung einer Überwachung der Einfuhr einer Ware mit Ursprung in einem Drittland gemäß Kapitel IV der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen als auch in Bezug auf die Einführung von Schutzmaßnahmen gegenüber einer in die Union eingeführten Ware gemäß Kapitel V dieser Verordnung.

228    Aus dem Wortlaut dieses Erwägungsgrundes ergibt sich dagegen keine Ausschließlichkeit in Bezug auf die Quelle der Informationen, die es der Kommission ermöglichen, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

229    Sodann heißt es im achten Erwägungsgrund der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen, dass „[d]ie Kommission … in einem solchen Fall die Einfuhrbedingungen, die Einfuhrentwicklung und die verschiedenen Aspekte der Wirtschafts- und Handelslage sowie die gegebenenfalls erforderlichen Maßnahmen prüfen [sollte]“.

230    Dieser Erwägungsgrund bezieht sich nicht auf die Befugnis der Kommission, eine Untersuchung einzuleiten, sondern zielt darauf ab, der Kommission in einer bestimmten Situation eine Untersuchungspflicht aufzuerlegen, nämlich dann, wenn sie die im siebten Erwägungsgrund der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen genannte Art von Informationen erhält.

231    Aus dem Wortlaut des achten Erwägungsgrundes der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen ergibt sich zwar eine auf einen bestimmten Fall beschränkte Verpflichtung, die jedoch die Möglichkeit der Kommission, eine solche Prüfung auch in anderen Fällen durchzuführen, weder einschränkt noch ausschließt.

232    Schließlich heißt es in Art. 5 Abs. 1 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen u. a.: „Wenn für die Kommission ersichtlich ist, dass ausreichende Nachweise vorliegen, um die Einleitung einer Untersuchung zu rechtfertigen, leitet sie innerhalb eines Monats nach dem Zeitpunkt des Eingangs der Information aus einem Mitgliedstaat eine Untersuchung ein und veröffentlicht eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union.“

233    Diese Bestimmung bietet einem Mitgliedstaat, der der Kommission eine Information übermittelt hat, die Gewähr, dass die Kommission eine Entscheidung über die daraus zu ziehenden Konsequenzen für die Einleitung einer möglichen Untersuchung treffen wird. Somit zielt die vorgeschriebene Frist definitionsgemäß auf die Situation ab, in der sich die Kommission befindet, wenn sie der im achten Erwägungsgrund der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen genannten Überprüfungspflicht unterliegt.

234    Wie oben in den Rn. 228 und 231 dargelegt, schließt diese Situation jedoch andere Fallgestaltungen nicht aus, weil die Kommission andernfalls an der Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben gehindert wäre.

235    Dies trifft zumindest dann zu, wenn – wie im vorliegenden Fall – Überwachungsmaßnahmen durchgeführt wurden.

236    Nach Art. 10 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen kann die Kommission beschließen, solche Maßnahmen ohne vorherige Untersuchung anzuwenden, weil das in Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehene Erfordernis für diesen Fall nicht gilt.

237    So wurde die Durchführungsverordnung 2016/670 u. a. auf der Grundlage von Art. 10 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen erlassen.

238    Nach dem zwölften Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung 2016/670 bestand das Ziel der Einführung einer vorherigen Überwachung darin, statistische Vorabdaten schnell für eine Trendanalyse der Einfuhren aus allen Drittstaaten verfügbar zu machen.

239    Wie aus der Bekanntmachung der Einleitung der Schutzmaßnahmenuntersuchung hervorgeht, war die Kommission insbesondere angesichts der im Rahmen des Überwachungssystems eingeholten Informationen der Auffassung, es lägen ausreichende Beweise dafür vor, dass diese Einfuhrtrends anscheinend Schutzmaßnahmen erforderlich machten.

240    In diesem Zusammenhang kann die Kommission nach Art. 15 Abs. 1 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen zur Wahrung der Interessen der Union u. a. von sich aus solche Maßnahmen einführen, wenn bestimmte materielle Voraussetzungen erfüllt sind.

241    Allerdings dürfen gemäß Art. 4 Abs. 1 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen außer in den in Art. 7 dieser Verordnung genannten dringenden Fällen keine Schutzmaßnahmen ohne vorherige Einleitung einer Untersuchung eingeführt werden.

242    Daher hat die Kommission beschlossen, eine solche Untersuchung der Einfuhren von Stahlerzeugnissen von sich aus einzuleiten.

243    Aus dem Vorstehenden folgt, dass nicht nur das der Kommission nach Art. 15 Abs. 1 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen eingeräumte Initiativrecht in seiner Wirkung eingeschränkt würde, sondern vor allem auch der eigentliche Zweck des Überwachungsmechanismus beeinträchtigt würde, wenn die Initiative zur Einleitung einer Schutzmaßnahmenuntersuchung ausschließlich bei den Mitgliedstaaten läge, wie die Klägerin geltend macht.

244    Die von der Klägerin vertretene Auslegung, die darauf hinausläuft, die Einleitung einer Untersuchung von der Befassung der Kommission durch einen Mitgliedstaat abhängig zu machen, würde nämlich die Auswertung der im Rahmen dieses Mechanismus erhobenen Daten ihres wesentlichen Nutzens berauben.

245    Folglich ist die Auslegung, die die Klägerin in Bezug auf die Initiativbefugnis zur Einleitung einer Untersuchung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen vertritt, mit der Struktur des in dieser Verordnung vorgesehenen Systems unvereinbar.

246    Dem kann außerdem hinzugefügt werden, dass die von der Klägerin vertretene Auslegung von Art. 5 Abs. 1 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen offenbar auch im Widerspruch zu anderen Bestimmungen dieser Verordnung steht.

247    So erlaubt Art. 7 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen der Kommission u. a., in dringenden Fällen vorläufige Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Nach Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung ist die Ausübung dieser Befugnis von der Einhaltung des Erfordernisses befreit, dass vor der Einführung dieser Maßnahmen eine Untersuchung durchgeführt werden muss. Allerdings sind nicht alle Untersuchungsmaßnahmen entbehrlich. Art. 7 Abs. 3 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen stellt nämlich klar, dass die Kommission umgehend die noch erforderlichen Untersuchungsmaßnahmen vorzunehmen hat. Die Einleitung einer solchen Untersuchung hängt jedoch nicht davon ab, dass die Kommission zuvor durch einen Mitgliedstaat befasst wurde. Es wäre nämlich unlogisch, eine solche Voraussetzung aufzustellen, wenn insbesondere gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen festgestellt worden ist, dass ausreichende Nachweise dafür vorliegen, dass durch den Anstieg der Einfuhren eine bedeutende Schädigung entstanden ist oder zu entstehen droht. Die gleiche Erwägung erklärt, warum die Kommission eine Untersuchung ohne vorherige Befassung durch einen Mitgliedstaat einleiten kann, wenn bereits Überwachungsmaßnahmen in Kraft sind, die hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Entwicklung der Einfuhren die Anwendung von Schutzmaßnahmen erforderlich machen könnte.

248    Ebenso wenig ist die Kommission an das Erfordernis gebunden, von einem Mitgliedstaat befasst worden zu sein, bevor sie die Befugnisse ausübt, die ihr zum einen durch Art. 15 Abs. 1 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen, der sie zur Einführung von Schutzmaßnahmen ermächtigt, und zum anderen durch Art. 20 dieser Verordnung übertragen wurden, der sie ermächtigt, die Auswirkungen der geltenden Schutzmaßnahmen zu untersuchen und ihre Modalitäten zu ändern oder sie sogar aufzuheben. All diese Maßnahmen, die die Kommission von sich aus ergreifen kann, folgen einer Logik, der zufolge die Kommission vor der Ausübung ihrer Befugnisse über Beweise für das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer problematischen Situation für EU-Erzeuger verfügen muss, ohne dass es auf die Herkunft dieser Beweise ankommt.

249    Aus diesen Bestimmungen ergibt sich daher ein kohärentes System, das eine globale Logik einführt, nach der die Kommission die Möglichkeit hat, von sich aus tätig zu werden, wenn sie über ausreichende Beweise verfügt, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen.

250    Art. 5 Abs. 1 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen ist daher im Licht dieser Logik auszulegen, was somit zu dem Schluss führt, dass im Rahmen der Einleitung von Untersuchungen nach diesem Artikel die Möglichkeit der Kommission, von sich aus tätig zu werden, anzuerkennen ist.

251    Darüber hinaus ist festzustellen, dass es keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, die die Auffassung der Klägerin stützen. Es ist nämlich unstreitig, dass die Mitgliedstaaten keine Einwände gegen diese Untersuchung erhoben und in diesem Rahmen sogar im Einklang mit Art. 5 Abs. 1 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen mit der Kommission zusammengearbeitet haben.

252    Zweitens findet das Vorbringen der Klägerin, das sich darauf stützt, dass die Informationen von ganz bestimmten Quellen stammen müssten, was den Umfang der Untersuchung einschränke, in den einschlägigen Bestimmungen keine Stütze. Aus deren Wortlaut ergibt sich nämlich kein Argument, das für eine Verpflichtung der Kommission sprechen könnte, Informationen außer Acht zu lassen, die sie zusätzlich zu den von den Behörden der Mitgliedstaaten im Rahmen der Überwachungsmaßnahmen übermittelten Informationen hat erlangen können.

253    Wie die Kommission ausführt, verwechselt die Klägerin jedenfalls die Daten, die die Einleitung der Untersuchung ausgelöst haben (d. h. den kontinuierlichen Anstieg der Einfuhren von Stahlerzeugnissen), mit den Daten, die sich auf den Zeitraum beziehen, den die Kommission untersucht hat, um ihre Schlussfolgerungen zu ziehen.

254    Nach alledem ist der siebte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Achter Klagegrund: Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren

255    Im Rahmen ihres achten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass ihr Recht auf ein faires Verfahren, das Bestandteil ihrer Verteidigungsrechte sei, dadurch verletzt worden sei, dass die Kommission bestimmte Informationen während der Schutzmaßnahmenuntersuchung nicht offengelegt habe.

256    Konkret vertritt die Klägerin – unter Hinweis auf die besondere Bedeutung, die der Einhaltung der Verfahrensgarantien, zu denen das Recht auf ein faires Verfahren gehöre, im Bereich der handelspolitischen Schutzmaßnahmen zukomme, in dem die Organe der Union über einen weiten Ermessensspielraum verfügten – zum einen die Auffassung, dass die Kommission dadurch, dass sie die ihr vorliegenden statistischen Informationen für die jüngste Zeit nicht offengelegt habe, die interessierten Parteien, zu denen die Klägerin gehöre, daran gehindert habe, sich zu wesentlichen Informationen zu äußern, die insbesondere als Grundlage für die Feststellung eines Anstiegs der Einfuhren gedient hätten. Zum anderen ist die Klägerin der Ansicht, durch die erheblich verzögerte Weitergabe der von Eurofer übermittelten Informationen habe die Kommission den interessierten Parteien, darunter auch ihr, die Gelegenheit genommen, zur aktualisierten Schädigung eines großen Teils des Wirtschaftszweigs der Union Stellung zu nehmen und ihre Ansichten darzulegen. Insoweit sei es unerheblich, dass die Kommission diese Daten nicht verwendet habe, weil die Argumentation der Klägerin auf dem Informationsstand beruht habe, der ihr für ihre Meinungsbildung zur Verfügung gestanden habe.

257    Dem fügt die Klägerin erstens hinzu, dass die Kommission entgegen ihrem Vorbringen zum einen verpflichtet gewesen sei, sie im Verwaltungsverfahren in die Lage zu versetzen, sich in sachdienlicher Weise zur Richtigkeit und Erheblichkeit der behaupteten Tatsachen und Umstände sowie zu den Beweisen zu äußern, die herangezogen worden seien, um die Behauptung zu stützen, dass ein Anstieg der Einfuhren und die Gefahr eines ernsthaften Schadens vorgelegen hätten, und es zum anderen unterlassen habe, die Akte rechtzeitig auf dem neuesten Stand zu halten. Zweitens macht die Klägerin geltend, dass sie nicht in die Lage versetzt worden sei, in sachdienlicher Weise zu den Informationen über die Verwendung der Einfuhrstatistiken für die jüngste Zeit einerseits und zu den aktualisierten Schadensindikatoren von Eurofer andererseits Stellung zu nehmen.

258    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

259    Vorab ist zum einen festzustellen, dass aus den Schriftsätzen der Klägerin hervorgeht, dass ihr Vorbringen zu den Informationen über die Verwendung der Einfuhrstatistiken für die jüngste Zeit zwar ursprünglich eine Rechtswidrigkeit dartun sollte, die sich aus einer unterbliebenen Offenlegung dieser Informationen ergeben habe, dass sie in der Folge aber die Auffassung vertreten hat, die Rechtswidrigkeit ergebe sich daraus, dass sie nicht in die Lage versetzt worden sei, ihren Standpunkt in sachdienlicher Weise darzulegen. Somit wird nicht mehr eine fehlende, sondern eine verspätete Offenlegung gerügt. Folglich stimmt das Vorbringen der Klägerin zu diesen Informationen im Wesentlichen mit der Rüge überein, die sie in Bezug auf die Bereitstellung der Informationen über die aktualisierten Schadensindikatoren von Eurofer vorgebracht hat.

260    Zum anderen ist der Einwand der Kommission zurückzuweisen, dass der achte Klagegrund ins Leere gehe, weil das Recht auf ein faires Verfahren im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Wie die Kommission nämlich in der Gegenerwiderung einräumt, ergab sich aus dem Schriftwechsel im schriftlichen Verfahren, dass die Klägerin mit diesem Klagegrund in Wirklichkeit eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte geltend macht, die darauf beruhen soll, dass sie im Verwaltungsverfahren nicht in die Lage versetzt worden sei, zu einer Reihe von Informationen Stellung zu nehmen.

261    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Einzelheiten des Rechts der interessierten Parteien, ihren Standpunkt darzulegen, Zugang zu bestimmten Informationen zu erhalten und gehört zu werden, in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und c und in Art. 5 Abs. 4 und 5 der Grundverordnung über Schutzmaßnahmen geregelt sind.

262    Auch wenn der Hinweis der Kommission zutrifft, dass die Klägerin nicht ausdrücklich angibt, gegen welche Bestimmung die Kommission verstoßen haben soll, ist gleichwohl anzuerkennen, dass die Kommission, um die Ausübung der oben in Rn. 261 genannten Rechte zu ermöglichen, verpflichtet ist, die ihr im Rahmen der Untersuchung erteilten Informationen – vorbehaltlich einiger Ausnahmen – den Parteien rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.

263    In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der Klägerin zur verspäteten Übermittlung der Informationen über die Verwendung der Einfuhrstatistiken für die jüngste Zeit und der Informationen über die aktualisierten Schadensindikatoren im Hinblick darauf zu prüfen, ob die Kommission ihrer Verpflichtung nachgekommen ist, den Parteien die ihr im Rahmen der Untersuchung erteilten Informationen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.

264    Hierzu genügt es, darauf hinzuweisen, dass die Klägerin am 21. Dezember 2018 Zugang zu den von Eurofer bereitgestellten Schadensindikatoren und am 4. Januar 2019 Zugang zu den statistischen Informationen für die jüngste Zeit hatte. Die angefochtene Verordnung wurde jedoch am 31. Januar 2019 erlassen.

265    Auch wenn der Klägerin nicht sehr viel Zeit zur Verfügung stand, ist erstens darauf hinzuweisen, dass diese Informationen lediglich andere Informationen ergänzten, zu denen sie sich schon während des gesamten Verfahrens geäußert hatte, und zweitens darauf, dass es sich bei Schutzmaßnahmen um Dringlichkeitsmaßnahmen handelt, deren Erlass nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden kann.

266    Folglich ist festzustellen, dass die Klägerin im vorliegenden Fall in die Lage versetzt worden ist, sich rechtzeitig zu äußern, und dass die Kommission nicht gegen ihre Verpflichtung verstoßen hat, den Parteien die ihr im Rahmen der Untersuchung erteilten Informationen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.

267    Im Ergebnis kann somit keine Verletzung der Verteidigungsrechte festgestellt werden.

268    Nach alledem ist der achte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass über den Einwand der Kommission entschieden zu werden braucht, dass der achte Klagegrund ins Leere gehe, weil die aktualisierten Schadensindikatoren für das erste und das zweite Quartal des Jahres 2018 nicht verwendet worden seien.

 Kosten

269    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

270    Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Uzina Metalurgica Moldoveneasca OAO trägt die Kosten.

Kanninen

Jaeger

Porchia

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. Mai 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.