Language of document : ECLI:EU:C:2018:671

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 6. September 2018(1)

Verbundene Rechtssachen C412/17 und C474/17

Bundesrepublik Deutschland

gegen

Touring Tours und Travel GmbH (C412/17),

Sociedad de Transportes SA (C474/17)

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Verordnung (EG) Nr. 562/2006 – Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) – Art. 20 und 21 – Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen des Schengen‑Raums – Regelung eines Mitgliedstaats, wonach einem Veranstalter von Busreisen aufgetragen wird, beim Überschreiten der Binnengrenzen des Schengen‑Raums die Reisepässe und Aufenthaltstitel der Passagiere zu kontrollieren – Richtlinie 2002/90/EG – Rahmenbeschluss 2002/946/JI – Beihilfe zur unerlaubten Einreise“






I.      Einleitung

1.        Der internationale Linienverkehr mit Autobussen ermöglicht es zwar den Bürgern der Europäischen Union und den rechtmäßig aufhältigen Angehörigen von Drittstaaten, sich in der Union frei zu bewegen, bietet jedoch auch illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen die Gelegenheit, sich die Möglichkeiten dieses Raums der Freizügigkeit zunutze zu machen, und dient daher als Vehikel für die illegale Zuwanderung.

2.        Wie soll man, abgesehen von der vorübergehenden Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen, innerhalb des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dessen Rahmen sich der Schengen-Raum einfügt, gegen diese illegale Einwanderung vorgehen, ohne die Freizügigkeit zu beeinträchtigen, die den Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen, die sich in der Union rechtmäßig aufhalten, zugesichert wurde?

3.        Kann ein Mitgliedstaat von Busunternehmen(2) im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze verlangen, dass sie vor Überschreiten der Binnengrenze überprüfen, ob die Passagiere im Besitz der für die Einreise in das nationale Hoheitsgebiet erforderlichen Reisedokumente sind, und Verletzungen dieser Pflicht mit Sanktionen belegen, ohne dort Grenzen wieder einzuführen, wo sie grundsätzlich abgeschafft sind?

4.        Diese Fragen stellen sich im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Touring Tours und Travel GmbH und der Sociedad de Transportes SA, zwei Busunternehmen mit Sitz in Deutschland bzw. in Spanien, und der Bundesrepublik Deutschland, wegen Verfügungen, mit denen ihnen untersagt wurde, Ausländer ohne den gemäß § 13 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet(3) vom 30. Juli 2004 erforderlichen Pass oder Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet zu befördern, und ihnen bei Verstoß gegen dieses Verbot ein Zwangsgeld in Höhe von 1 000 Euro pro Ausländer angedroht wurde.

5.        Um sicherzustellen, dass die Ausländer die nach dieser Bestimmung für den Grenzübertritt erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, verlangt der deutsche Gesetzgeber von Unternehmen für die Beförderung auf dem Luft-, See- und Landweg mit Ausnahme des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs, zu prüfen, ob die Ausländer im Besitz der erforderlichen Reisedokumente sind.

6.        § 63 AufenthG („Pflichten der Beförderungsunternehmer“)(4), dessen Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das Unionsrecht hier zu beurteilen ist, schreibt vor:

„1.      Ein Beförderungsunternehmer darf Ausländer nur in das Bundesgebiet befördern, wenn sie im Besitz eines erforderlichen Passes und eines erforderlichen Aufenthaltstitels sind.

2.      Das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur einem Beförderungsunternehmer untersagen, Ausländer entgegen Absatz 1 in das Bundesgebiet zu befördern und für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld androhen. …

3.      Das Zwangsgeld gegen den Beförderungsunternehmer beträgt für jeden Ausländer, den er einer Verfügung nach Absatz 2 zuwider befördert, mindestens 1 000 und höchstens 5 000 Euro. …

4.      Das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle kann mit Beförderungsunternehmern Regelungen zur Umsetzung der in Absatz 1 genannten Pflicht vereinbaren.“

7.        Diese Rechtsvorschriften setzen sowohl in Bezug auf die damit auferlegte Verpflichtung als auch in Bezug auf die damit festgelegte Sanktion die Verpflichtungen nach Art. 26 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen(5), ergänzt durch die Richtlinie 2001/51/EG(6), um. Es handelt sich daher nicht um im Alleingang erlassene Rechtsvorschriften(7). Nach Art. 26 SDÜ müssen diese Rechtsvorschriften für Beförderungsunternehmer aus einem Drittstaat gelten, für den der Schengen-Besitzstand nicht gilt.

8.        Art. 63 AufenthG ist daher nicht zu beanstanden, wenn er auf Beförderungsunternehmer angewandt wird, die einen Ausländer befördern und dabei die Außengrenze eines Mitgliedstaats überschreiten.

9.        Es ist jedoch schon eher zu beanstanden bzw. bereitet hier jedenfalls Schwierigkeiten, wenn diese Vorschrift auf Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze angewandt wird, die einen Ausländer somit zur Binnengrenze eines Mitgliedstaats bringen(8). Der Wegfall der Kontrollen an den Binnengrenzen bildet den Kern des Schengen-Raums(9).

10.      In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) beschlossen, die bei ihm anhängigen Verfahren auszusetzen, und den Gerichtshof mit einem Vorabentscheidungsersuchen zu befassen.

11.      Mit zwei Vorlagefragen möchte es vom Gerichtshof wissen, ob Art. 67 Abs. 2 AEUV sowie die Art. 20 und 21 des Schengener Grenzkodex der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift durch einen Mitgliedstaat auf Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze entgegenstehen, die zum einen von den Beförderungsunternehmern verlangt, dass sie vor dem Überschreiten der Grenze kontrollieren, ob die Passagiere im Besitz des für die rechtmäßige Einreise in das nationale Hoheitsgebiet erforderlichen Reisepasses und Aufenthaltstitels sind, und zum anderen Verletzungen dieser Kontrollpflicht mit Sanktionen belegt.

12.      Die Fragen, mit denen uns das Bundesverwaltungsgericht konfrontiert, sind noch nicht geklärt.

13.      In den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 22. Juni 2010, Melki und Abdeli(10), vom 19. Juli 2012, Adil(11), und vom 21. Juni 2017, A.(12), geführt haben, hat der Gerichtshof nämlich geprüft, ob die Kontrollen, die von mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Behörden durchgeführt und innerhalb des Gebiets eines Mitgliedstaats selbst, an der Grenze oder im Grenzgebiet dieses Staates vorgenommen werden, mit den Vorschriften des Schengener Grenzkodex vereinbar sind. Die in Anwendung von § 63 AufenthG durchgeführten Kontrollen werden hier jedoch vom Personal privater Beförderungsunternehmer durchgeführt, die nicht über polizeiliche Befugnisse verfügen, und müssen vor Überschreiten der Binnengrenze und daher außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats erfolgen.

14.      Die Bedeutung der Antworten auf die Vorabentscheidungsfragen des vorlegenden Gerichts ist klar.

15.      Es geht darum, zu ermitteln, inwieweit Rechtsvorschriften wie die in Rede stehenden – die darauf abzielen, illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen die Möglichkeit zu nehmen, sich unter Nutzung eines Transportmittels, im vorliegenden Fall von Bussen im Linienverkehr, von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu begeben –, eine im Sinne von Art. 3 EUV „geeignete Maßnahme“ in Bezug auf die Einwanderung in einen Raum, der sich als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen versteht, dies jedoch in einer Zeit, in der Terrorismus, grenzüberschreitende Kriminalität und die Gefahren von Sekundärmigration durch Personen, die die Außengrenzen illegal überschritten haben, die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit der Mitgliedstaaten gefährden.

16.      Heutzutage fordern viele die Wiedereinführung der Binnengrenzen – indem sie sich auf Lücken und Mängel der Kontrollen an den Außengrenzen des Schengen-Raums berufen – und passen ihre Rechtsvorschriften an(13). In seiner Vorlageentscheidung betont das Bundesverwaltungsgericht daher, dass die in Rede stehenden Rechtsvorschriften eine „wirksame Gegenmaßnahme“ gegen diese Sekundärmigration sein können und es ermöglichen, der Durchlässigkeit der Außengrenzen des Schengen-Raums dort entgegenzuwirken, wo keine vorübergehenden Kontrollen an den Binnengrenzen wieder eingeführt wurden.

17.      In einem ersten Schritt werde ich die in Rede stehenden Kontrollen anhand der Vorschriften des Schengener Grenzkodex prüfen, auf die das vorlegende Gericht sein Vorabentscheidungsersuchen stützt.

18.      Insoweit werde ich die Gründe erläutern, weshalb diese Kontrollen meiner Ansicht nach den gemäß Art. 20 des Schengener Grenzkodex verbotenen „Grenzübertrittskontrollen“ gleichzustellen sind. Macht nämlich ein Mitgliedstaat durch die Einführung einer solchen Kontrollpflicht von Rechtsvorschriften Gebrauch, die ursprünglich für Kontrollen an den Außengrenzen gedacht waren, führt er versteckt Grenzen dort wieder ein, wo sie grundsätzlich abgeschafft wurden, und umgeht das in Art. 1 und 20 des Schengener Grenzkodex aufgeführte grundsätzliche Verbot.

19.      Wenngleich die Mitgliedstaaten ein völlig legitimes Interesse daran haben, die illegale Einwanderung zu kontrollieren, glaube ich nicht, dass diese illegale Einwanderung durch die Einführung eines Mechanismus zu bekämpfen ist, der außerhalb des Rahmens und der Grenzen des Schengener Grenzkodex errichtet wurde und der von den Beförderungsunternehmen verlangt, auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Kontrollen durchzuführen und Beurteilungen vorzunehmen, die normalerweise nur den Polizeibehörden vorbehalten sind.

20.      Ein solcher Mechanismus ist ineffizient und im Hinblick auf den Schutz bestimmter Grundrechte, wie des Rechts auf Asyl nach Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, kritikwürdig(14).

21.      Ihn zu legitimieren ginge meiner Ansicht nach nicht nur zu Lasten der Grundsätze, auf denen der Schengen-Raum beruht, sondern auch an der Realität dieses Raums vorbei, weil es heute den Unionsbürgern und den rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen erlaubt ist, die Vorteile der Freizügigkeit voll auszuschöpfen, die er gewährleistet. Dies hieße auch, die polizeilichen Befugnisse, die weiterhin in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, um die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit auf ihrem Hoheitsgebiet sicherzustellen, und die ihnen auch zur Verfügung stehenden Instrumente der Zusammenarbeit außer Acht zu lassen. Schließlich liefe dies darauf hinaus, dass man sich über zahlreiche Rechtsinstrumente, die innerhalb der Union erlassen wurden, um die Migrationsströme besser zu bewältigen, und insbesondere über die im Bereich der Verwaltung und der Kontrolle der Außengrenzen und der Bekämpfung der Schleusung von Migranten erlassenen Maßnahmen hinwegsetzte.

22.      Um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu geben, werde ich dem Gerichtshof in einem zweiten Schritt vorschlagen, die in Rede stehenden Rechtsvorschriften anhand der Bestimmungen des Unionsrechts zu prüfen, die sich speziell mit der Bekämpfung der illegalen Einwanderung befassen und insbesondere anhand der Bestimmungen zur Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt in der Richtlinie 2002/90/EG(15) und im Rahmenbeschluss 2002/946/JI(16).

23.      Ich werde in diesem Zusammenhang darlegen, dass, falls die zuständigen nationalen Behörden feststellen sollten, dass Beförderungsunternehmen wie die in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten in Rede stehenden in Wirklichkeit ihre Tätigkeit nutzen, um Drittstaatsangehörigen vorsätzlich Beihilfe bei der illegalen Einreise in das nationale Hoheitsgebiet zu leisten, und entscheiden sollten, dass sowohl die objektiven als auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Straftat der Beihilfe zur unerlaubten Einreise erfüllt sind, diese Behörden die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen haben, um sicherzustellen, dass diese Straftat Gegenstand einer wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden strafrechtlichen Sanktion gemäß den in der Richtlinie 2002/90 und im Rahmenbeschluss 2002/946 dargelegten Grundsätzen ist.

II.    Sachverhalt der Ausgangsrechtsstreitigkeiten

24.      Die in Rede stehenden Beförderungsunternehmen bieten Autobusreisen an und bedienen vor allem den Linienverkehr nach Deutschland über die deutsch-niederländische und die deutsch-belgische Grenze.

25.      Da man davon ausging, dass diese Unternehmen unter Verstoß gegen § 63 Abs. 1 AufenthG in erheblicher Anzahl Ausländer ohne die erforderlichen Reisedokumente nach Deutschland befördert hatten, richtete das Bundespolizeipräsidium (Deutschland) im November 2013 bzw. im März 2014 an sie eine „Abmahnung“, in der es die Fälle unerlaubter Beförderung auflistete und auf der Grundlage von § 63 Abs. 2 AufenthG ankündigte, dass es ihnen im Fall fortgesetzter Zuwiderhandlungen untersagt werden werde, Ausländer auf nationales Gebiet zu befördern, wenn diese nicht im Besitz der erforderlichen Reisedokumente seien.

26.      In der Folge erließ das Bundespolizeipräsidium nach Feststellung einer fortgesetzten Zuwiderhandlung jeweils am 26. September 2014 bzw. am 18. November 2014 solche Untersagungsverfügungen mit der Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1 000 Euro für jede neue Zuwiderhandlung.

27.      Diese Verfügungen wurden damit begründet, dass die in Rede stehenden Beförderungsunternehmen gemäß § 63 Abs. 1 AufenthG verpflichtet seien, hinreichende Anstrengungen zu unternehmen, um die Beförderung von allen Ausländern auf deutsches Gebiet zu verhindern, die nicht über die erforderlichen Reisedokumente verfügten, wobei sie in der Lage seien, diese Pflichten sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht zu erfüllen. Zu diesem Zweck seien die Unternehmen verpflichtet, diese Dokumente beim Einstieg in den Bus zusammen mit der Fahrkartenkontrolle zu prüfen und könnten Ausländer, die nicht über die erforderlichen Reisedokumente verfügten, daran hindern, in den Bus einzusteigen.

28.      Das Verwaltungsgericht (Deutschland), bei dem die in Rede stehenden Beförderungsunternehmen Klage gegen diese Verfügungen erhoben hatten, hob diese auf und stellte im Wesentlichen fest, dass § 63 Abs. 2 AufenthG aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unangewendet bleiben müsse, da seine Anwendung auf Beförderungsunternehmen, die Ausländer über eine Schengen-Binnengrenze nach Deutschland beförderten, im Widerspruch zu Art. 67 Abs. 2 AEUV und zu den Art. 20 und 21 des Schengener Grenzkodex stehe. Die diesen Unternehmen auferlegten Kontrollen seien nämlich als „Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen“ im Sinne von Art. 21 dieses Kodex einzustufen, wenn man insbesondere ihren systematischen Charakter und die Tatsache berücksichtige, dass sie vorgenommen würden, noch bevor die Grenze überschritten werde.

29.      Die Bundesrepublik Deutschland legte gegen dieses Urteil beim vorlegenden Gericht Revision ein und machte vor allem geltend, das Unionsrecht und insbesondere die Richtlinie 2002/90 sowie der Rahmenbeschluss 2002/946, die die spezielleren Regelungen gegenüber dem Schengener Grenzkodex seien, verpflichteten dazu, Verstöße gegen Beförderungsverbote wie die in § 63 AufenthG vorgesehenen zu ahnden.

30.      Jedenfalls könne die gemäß dieser nationalen Vorschrift geforderte Kontrolle von Reisedokumenten nicht als „Maßnahme gleicher Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen“ im Sinne von Art. 21 Buchst. a des Schengener Grenzkodex angesehen werden. Es werde nämlich nicht das Ziel verfolgt, den Grenzübertritt zu kontrollieren, sondern die Beachtung der Einreisevorschriften. Da diese Kontrollen nicht von staatlichen Bediensteten, sondern von privatem Personal durchgeführt würden, blieben sie nach Umfang und Tiefe hinter einer Grenzkontrolle zurück. So könnten beispielsweise keine Zwangs- oder Fahndungsmaßnahmen ergriffen werden, wenn die Kontrolle verweigert werde.

III. Die Vorlagefragen

31.      Unter diesen Umständen hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Stehen Art. 67 Abs. 2 AEUV sowie die Art. 20 und 21 des Schengener Grenzkodex der nationalen Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze im Ergebnis verpflichtet, die Grenzübertrittsdokumente ihrer Passagiere vor dem Überschreiten einer Binnengrenze zu kontrollieren, um einer Beförderung von Ausländern ohne Pass und Aufenthaltstitel in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entgegenzuwirken?

Insbesondere:

a)      Stellt die generelle gesetzliche Pflicht oder die an einzelne Beförderungsunternehmen gerichtete behördliche Verpflichtung, Ausländer nicht ohne den erforderlichen Pass oder einen erforderlichen Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet zu befördern, die nur durch eine Kontrolle der Grenzübertrittspapiere aller Passagiere vor Überschreiten der Binnengrenze durch die Beförderungsunternehmen erfüllt werden kann, eine Personenkontrolle an den Binnengrenzen im Sinne von Art. 20 des Schengener Grenzkodex dar bzw. ist sie einer solchen gleichzustellen?

b)      Ist die Auferlegung der unter 1. genannten Pflichten an Art. 21 Buchst. a des Schengener Grenzkodex zu messen, obwohl die Beförderungsunternehmer keine „polizeilichen Befugnisse“ im Sinne dieser Vorschrift ausüben und mit der staatlichen Inpflichtnahme zu Kontrollen auch nicht förmlich zur Inanspruchnahme hoheitlicher Befugnisse ermächtigt werden?

c)      Falls die erste Frage Buchst. b bejaht wird: Liegt in den von den Beförderungsunternehmern geforderten Kontrollen unter Berücksichtigung der Kriterien des Art. 21 Buchst. a Satz 2 des Schengener Grenzkodex eine unzulässige Maßnahme mit gleicher Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen?

d)      Ist die Auferlegung der unter 1. genannten Pflichten, soweit sie Busunternehmen im Linienverkehr betrifft, an Art. 21 Buchst. b des Schengener Grenzkodex zu messen, wonach die Befugnis von Beförderungsunternehmern zu Sicherheitskontrollen bei Personen in See- und Flughäfen das Ausbleiben von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen nicht berührt? Folgt daraus die Unzulässigkeit von Kontrollen im Sinne der ersten Frage auch außerhalb von See- und Flughäfen, wenn sie keine Sicherheitskontrollen darstellen und nicht auch bei Personen vorgenommen werden, die Reisen innerhalb des Mitgliedstaats unternehmen?

2.      Gestatten die Art. 20 und 21 des Schengener Grenzkodex nationale Regelungen, nach denen zur Einhaltung der Pflicht eine Untersagungsverfügung und Zwangsgeldandrohung gegen ein Busunternehmen erlassen werden kann, wenn infolge der unterlassenen Kontrollen auch Ausländer ohne Pass und Aufenthaltstitel in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befördert worden sind?

32.      Die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundespolizeipräsidium, sowie die deutsche Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und mündliche Ausführungen gemacht.

IV.    Vorbemerkungen

33.      Vor der Prüfung der vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen erscheint es mir wichtig, zunächst auf die Pflichten einzugehen, die die Mitgliedstaaten in einer Lage wie der in Rede stehenden erfüllen müssen.

34.      Nach Art. 3 Abs. 2 EUV „[bietet d]ie Union … ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen, in dem – in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in Bezug auf die Kontrollen an den Außengrenzen, das Asyl, die Einwanderung sowie die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität – der freie Personenverkehr gewährleistet ist“.

35.      In diesem Raum ohne Binnengrenzen, der der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist, müssen die Mitgliedstaaten zum einen den freien Personenverkehr und zum anderen die Kontrolle der Zuwanderungsströme, die die Bekämpfung der illegalen Einwanderung mit sich bringt, gewährleisten.

36.      Als Erstes sind die Mitgliedstaaten daher gehalten, die Freizügigkeit der Unionsbürger und der Drittstaatsangehörigen, die legal in die Union eingereist und dort aufhältig sind, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit nicht durch Kontrollen an ihren Binnengrenzen zu behindern.

37.      Dies fällt unter die „[a]llgemeine[n] Bestimmungen“ im Sinne von Art. 67 Abs. 2 AEUV, der vorsieht, dass die Union sicherstellt, dass Personen an den Binnengrenzen nicht kontrolliert werden, sowie unter Art. 77 Abs. 1 Buchst. a AEUV, der im Rahmen der „Politik im Bereich Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung“ bestimmt, dass die Union eine Politik entwickelt, mit der sichergestellt werden soll, dass Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit beim Überschreiten dieser Grenzen nicht kontrolliert werden.

38.      Für die Unionsbürger stellt das Recht, sich frei und ungehindert im Gebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen, ein Grundrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 EUV sowie Art. 20 Abs. 2 und Art. 21 AEUV dar.

39.      Rechtmäßig aufhältige Drittstaatsangehörige sind aufgrund der Abschaffung der Nationalitätsklausel durch Art. 20 des Schengener Grenzkodex und durch Art. 67 AEUV während des für sie in der Regelung vorgesehenen Zeitraums ebenfalls Begünstigte der Freizügigkeit ohne Kontrollen an den Binnengrenzen.

40.      Die Mitgliedstaaten sind somit verpflichtet, die Kontrollen an den Binnengrenzen in Anwendung von Art. 20 des Schengener Grenzkodex und alle sonstigen Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie die Durchführung von Kontrollen im Sinne von Art. 21 dieses Kodex abzuschaffen.

41.      Allerdings berührt nach Art. 72 AEUV die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit.

42.      Der Unionsgesetzgeber gestattet den zuständigen nationalen Behörden nach Art. 21 Buchst. a des Schengener Grenzkodex, ihre polizeilichen Befugnisse nach Maßgabe des nationalen Rechts auszuüben, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat, wobei dies auch in Grenzgebieten gilt. Nach dieser Vorschrift darf die Ausübung dieser Befugnisse „nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden, wenn die polizeilichen Maßnahmen

i)      keine Grenzkontrollen zum Ziel haben;

ii)      auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen und insbesondere auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität abzielen;

iii)      in einer Weise konzipiert sind und durchgeführt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet;

iv)      auf der Grundlage von Stichproben durchgeführt werden …“

43.      Gemäß Art. 21 Buchst. b des Schengener Grenzkodex gestattet der Unionsgesetzgeber zudem den zuständigen nationalen Behörden die Durchführung von Sicherheitskontrollen bei Personen in See- oder Flughäfen.

44.      Als Zweites sind die Mitgliedstaaten außerdem verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die illegale Einwanderung zu bekämpfen, da Drittstaatsangehörige, die illegal in die Union eingereist sind und sich dort nicht rechtmäßig aufhalten, nicht die durch die Verträge gewährten Rechte wahrnehmen können(17).

45.      Der Unionsgesetzgeber hat daher mehrere Maßnahmen entwickelt.

46.      Mit den ersten Maßnahmen werden analog zur betreffenden nationalen Regelung Kontrollpflichten für Beförderungsunternehmer eingeführt, die Drittstaatsangehörige zur Außengrenze des Schengen-Raums verbringen, um die illegale Einwanderung zu verhindern.

47.      Diese Maßnahmen wurden im Rahmen des SDÜ erlassen. Es handelt sich um „[w]eitere Maßnahmen“, die in Art. 26 SDÜ definiert sind. Dieser Artikel bestimmt:

„1.      Vorbehaltlich der Verpflichtungen, die sich aus der Genfer Konvention vom 28. Juli 1951 über den Flüchtlingsstatus in der Fassung des Protokolls von New York vom 31. Januar 1967 ergeben, verpflichten sich die Vertragsparteien, die nachstehenden Regelungen in ihre nationalen Rechtsvorschriften aufzunehmen:

a)      Wird einem Drittausländer die Einreise in das Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien verweigert, so ist der Beförderungsunternehmer, der ihn auf dem Luft-, See- oder Landweg bis an die Außengrenze gebracht hat, verpflichtet, ihn unverzüglich zurückzunehmen. …

b)      Der Beförderungsunternehmer ist verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sich zu vergewissern, dass der auf dem Luft- oder Seeweg beförderte Drittausländer über die für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien erforderlichen Reisedokumente verfügt.

2.      Vorbehaltlich der Verpflichtungen, die sich aus der Genfer Konvention vom 28. Juli 1951 über den Flüchtlingsstatus in der Fassung des Protokolls von New York vom 31. Januar 1967 ergeben, verpflichten sich die Vertragsparteien, unter Berücksichtigung ihres Verfassungsrechts Sanktionen gegen Beförderungsunternehmer einzuführen, die Drittausländer, welche nicht über die erforderlichen Reisedokumente verfügen, auf dem Luft- oder Seeweg aus einem Drittstaat in ihr Hoheitsgebiet verbringen.

3.      Die Absätze 1 Buchstabe b) und 2 finden auf Beförderungsunternehmer Anwendung, die im internationalen Linienverkehr Gruppen von Personen in Autobussen befördern, mit Ausnahme des Grenzverkehrs.“

48.      Diese Vorschriften wurden durch die Richtlinie 2001/51 ergänzt.

49.      Die Erwägungsgründe 1, 2 und 4 dieser Richtlinie bestimmen:

„(1)      Um die illegale Einwanderung wirksam zu bekämpfen, ist es von grundlegender Bedeutung, dass sich alle Mitgliedstaaten einen Regelungsrahmen geben, der die Verpflichtungen der Beförderungsunternehmen festlegt, die ausländische Staatsangehörige in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verbringen. Damit dieses Ziel wirksamer erreicht werden kann, ist ferner … eine möglichst weit gehende Harmonisierung der derzeit in den Mitgliedstaaten vorgesehenen finanziellen Sanktionen für Beförderungsunternehmen, die sich nicht an diese Kontrollverpflichtungen halten, angezeigt.

(2)      Diese Maßnahme gehört zu einem Regelungspaket zur Kontrolle der Zuwanderungsströme und zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung.

(4)      Den Mitgliedstaaten sollte unbenommen bleiben, zusätzliche Maßnahmen oder Sanktionen gegen die Beförderungsunternehmen beizubehalten oder einzuführen, unabhängig davon, ob diese unter diese Richtlinie fallen oder nicht.“

50.      Diese Richtlinie regelt in ihren Art. 2 und 3 die Voraussetzungen für die Geltung der Verpflichtung zur Rückbeförderung und in ihren Art. 4 und 5 die Natur und den Betrag der geltenden Sanktionen, wenn sich die Beförderungsunternehmen nicht an ihre Kontrollverpflichtungen halten.

51.      Die Mitgliedstaaten müssen somit nach Art. 4 der Richtlinie 2001/51 sicherstellen, dass die für Beförderungsunternehmen gemäß den Regelungen nach Art. 26 Abs. 2 und 3 SDÜ vorgesehenen Sanktionen abschreckend, wirksam und angemessen sind, wobei der Unionsgesetzgeber einen Höchstbetrag und einen Mindestbetrag für diese Sanktionen festlegt. Zudem können die Mitgliedstaaten nach Art. 5 dieser Richtlinie andere Sanktionen verhängen oder beibehalten, wie die zeitweilige Aussetzung oder den Entzug der Betriebsgenehmigung.

52.      Die zweiten Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung wurden im Rahmen der Richtlinie 2002/90 und des Rahmenbeschlusses 2002/946 erlassen und zielen darauf ab, die Beihilfe zur illegalen Einwanderung zu ahnden(18).

53.      Nach Art. 5 der Richtlinie 2002/90 und Art. 10 des Rahmenbeschlusses 2002/946 wird der ursprünglich durch Art. 27 SDÜ eingeführte Mechanismus aufgehoben(19).

54.      Gemäß ihrem zweiten Erwägungsgrund finden die Richtlinie 2002/90 und der Rahmenbeschluss 2002/946 bei unerlaubtem Übertritt der Binnengrenzen eines Mitgliedstaats Anwendung(20).

55.      Während die Richtlinie 2002/90 die Tatbestände der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt definiert, legt der Rahmenbeschluss 2002/946 die Mindestvorschriften betreffend die Natur der zu verhängenden Sanktionen, die Verantwortlichkeit von juristischen Personen und die Gerichtsbarkeit der jeweiligen Mitgliedstaaten fest.

56.      Art. 1 der Richtlinie 2002/90 („Allgemeiner Tatbestand“) bestimmt in seinem Abs. 1:

„Jeder Mitgliedstaat legt angemessene Sanktionen für diejenigen fest, die

a)      einer Person, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaats ist, vorsätzlich dabei helfen, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Verletzung der Rechtsvorschriften des betreffenden Staates über die Einreise oder die Durchreise von Ausländern einzureisen oder durch dessen Hoheitsgebiet zu reisen;

…“

57.      Nach Art. 2 dieser Richtlinie müssen diese Sanktionen auch für diejenigen gelten, die Anstifter oder als Gehilfen beteiligt sind oder versuchen, eine solche Handlung zu begehen.

58.      Art. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946 schreibt vor, dass die strafbare Handlung der Beihilfe zur unerlaubten Einreise mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Strafen bedroht sein muss. Die strafbare Handlung kann somit zu einer „Auslieferung“, zur Einziehung des Verkehrsmittels, das zur Begehung der strafbaren Handlung benutzt wurde, zum Verbot, die berufliche Tätigkeit auszuüben, in deren Rahmen die strafbare Handlung begangen wurde, sowie zu einer Freiheitsstrafe führen, wenn sie als Handlung einer kriminellen Vereinigung begangen wurde oder bei ihrer Begehung das Leben der Personen gefährdet wurde, auf die sich die strafbare Handlung bezog.

59.      Diese Maßnahmen können im Rahmen der Prüfung der in Rede stehenden nationalen Regelung relevant sein, soweit sie auf das Überschreiten der Binnengrenzen eines Mitgliedstaats anwendbar sind.

V.      Würdigung

60.      Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob Art. 67 Abs. 2 AEUV und die Art. 20 und 21 des Schengener Grenzkodex der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften auf Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze entgegenstehen, die verlangen, dass die Beförderungsunternehmen vor dem Überschreiten der Grenze kontrollieren, ob ihre Passagiere im Besitz des für die rechtmäßige Einreise in das nationale Hoheitsgebiet erforderlichen Reisepasses und Aufenthaltstitels sind.

61.      Insbesondere möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Anwendung dieser Rechtsvorschriften durchgeführten Kontrollen „Grenzübertrittskontrollen“ im Sinne von Art. 20 des Schengener Grenzkodex sind oder diesen gleichgestellt werden können oder ob sie „Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets“ im Sinne von Art. 21 Buchst. a dieses Kodex sind. Falls Letzteres zutrifft, möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob diese Kontrollen unter Berücksichtigung der Kriterien dieser Vorschrift eine unzulässige Maßnahme mit gleicher Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen sein können.

62.      Mit seiner zweiten Vorabentscheidungsfrage möchte das vorlegende Gericht zudem vom Gerichtshof wissen, ob die Art. 20 und 21 des Schengener Grenzkodex dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den in Rede stehenden entgegenstehen, nach denen gegen Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze eine Verfügung erlassen werden kann, die ihnen untersagt, illegal aufhältige Drittstaatsangehörige in das nationale Hoheitsgebiet zu befördern, und außerdem ein Zwangsgeld angedroht werden kann, wenn sie die Zuwiderhandlung fortsetzen.

63.      In seiner Vorlageentscheidung konzentriert sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Analyse auf die in den Art. 20 und 21 des Schengener Grenzkodex vorgesehenen Bestimmungen, die die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raums ins Werk setzen.

64.      Die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen sind, wie bereits erwähnt, neu.

65.      Im Rahmen von bei ihm anhängigen Rechtsstreitigkeiten hat der Gerichtshof nämlich geprüft, ob die Kontrollen, die von mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Behörden durchgeführt und innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats selbst, an der Grenze oder im Grenzgebiet dieses Staates vorgenommen werden, mit den Vorschriften des Schengener Grenzkodex vereinbar sind.

66.      Zunächst waren die Beteiligten in der Rechtssache, in der das Urteil vom 22. Juni 2010, Melki und Abdeli(21), ergangen ist, von der französischen Polizei gemäß Art. 78‑2 Abs. 4 des Code de procédure pénale (Strafprozessordnung) in einem Gebiet zwischen der Landgrenze von Frankreich zu Belgien und einer diesseits im Abstand von 20 km zu ihr gezogenen Linie kontrolliert worden. Ziel dieser Kontrolle war die Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf den Besitz, das Mitführen und das Vorzeigen von Urkunden und Bescheinigungen.

67.      Sodann war der Beteiligte in der Rechtssache, in der das Urteil vom 19. Juli 2012, Adil(22), ergangen ist, nach einer Kontrolle durch die Koninklijke Marechaussee (Königliche Marechaussee, Niederlande) gemäß Art. 4.17 Buchst. a des Vreemdelingenbesluit 2000 (Ausländerverordnung 2000) als Fahrgast eines Autobusses des Unternehmens Eurolines inhaftiert worden. Die Kontrolle hatte an der von Deutschland in die Niederlande führenden Autobahn im Gebiet einer Grenzgemeinde dieses Mitgliedstaats stattgefunden. Nach der in dieser Rechtssache anwendbaren nationalen Regelung sollte diese Anhaltung die Feststellung der Identität, der Staatsangehörigkeit und des aufenthaltsrechtlichen Status der Person im Rahmen der Bekämpfung eines illegalen Aufenthalts nach Grenzübertritt ermöglichen, und da es sich um eine Beförderung auf dem Landweg handelte, wurde die Kontrolle ausschließlich im Rahmen der Kontrolle von Ausländern auf Straßen in einem Gebiet bis zu 20 km ab der gemeinsamen Grenze mit Belgien oder Deutschland ausgeübt.

68.      Schließlich war der Beteiligte in der Rechtssache, in der das Urteil vom 21. Juni 2017, A.(23), ergangen ist, von einer Streife der Bundespolizei (Deutschland) kontrolliert worden, als er zu Fuß die Europabrücke von Straßburg (Frankreich) nach Kehl (Deutschland) überquerte und sich zum etwa 500 m entfernten Bahnhof begeben hatte. Nach Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Bundespolizei(24) vom 19. Oktober 1994 kann die Bundespolizei die Identität einer Person im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten feststellen.

69.      Die gemäß § 63 AufenthG durchgeführten Kontrollen unterscheiden sich daher sehr deutlich von jenen, mit denen der Gerichtshof bislang zu tun hatte und deren Umfang auf Grenzgebiete innerhalb eines Mitgliedstaats beschränkt war. Die in Rede stehenden Kontrollen werden von Bediensteten privater Beförderungsunternehmen durchgeführt, die keine polizeilichen Befugnisse besitzen, und müssen vor Überschreiten der Binnengrenze und somit außerhalb des Gebiets des Mitgliedstaats durchgeführt werden.

70.      Die Bundesrepublik Deutschland weist mit Nachdruck darauf hin, dass die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften weit davon entfernt seien, eine gemäß Art. 20 des Schengener Grenzkodex verbotene Grenzübertrittskontrolle zu begründen, sondern in Wirklichkeit darauf abzielten, die auf internationaler und europäischer Ebene erlassenen Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung durchzuführen.

71.      Sie widmet ihre Erklärungen dem Nachweis, dass die in Rede stehenden Rechtsvorschriften durch Art. 11 des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität(25) auferlegt würden, dass sie zudem angesichts des Wortlauts der Richtlinie 2001/51 erlaubt seien, die die Kontrollpflichten regle, die den Beförderungsunternehmen durch Art. 26 SDÜ auferlegt seien, und schließlich, dass sie „in Übereinstimmung [mit den] und in Umsetzung“ der Vorgaben der Richtlinie 2002/90 und des Rahmenbeschlusses 2002/946 erlassen worden seien, die die Beihilfe zur unerlaubten Einreise in das Gebiet eines Mitgliedstaats bekämpften.

72.      Im Rahmen der vorliegenden Schlussanträge werde ich die in Rede stehenden Kontrollen anhand der Bestimmungen des Schengener Grenzkodex prüfen, auf die das vorlegende Gericht sein Vorabentscheidungsersuchen stützt, bevor ich die Bestimmungen des Unionsrechts analysieren werde, die sich speziell mit der Bekämpfung der illegalen Einwanderung befassen, insbesondere mit der Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt, auf die sich die Bundesrepublik Deutschland konzentriert.

A.      Zur Auslegung der Bestimmungen des Schengener Grenzkodex

73.      Aus den Gründen, die ich alsbald darlegen werde, bin ich der Ansicht, dass die in Rede stehenden Kontrollen den nach Art. 20 des Schengener Grenzkodex verbotenen „Grenzübertrittskontrollen“ gleichzustellen sind.

74.      Gemäß seinem Art. 1 „sieht [der Schengener Grenzkodex] vor, dass keine Grenzkontrollen in Bezug auf Personen stattfinden, die die Binnengrenzen zwischen den Mitgliedstaaten der … Union überschreiten“.

75.      Gemäß Art. 2 Nr. 9 dieses Kodex sind unter Grenzkontrollen „die an einer Grenze … unabhängig von jedem anderen Anlass ausschließlich aufgrund des beabsichtigten oder bereits erfolgten Grenzübertritts durchgeführten Maßnahmen, die aus Grenzübertrittskontrollen und Grenzüberwachung bestehen“, zu verstehen.

76.      Grenzübertrittskontrollen sind nach Art. 2 Nr. 10 dieses Kodex „die Kontrollen, die an den Grenzübergangsstellen[(26)] erfolgen, um festzustellen, ob die betreffenden Personen mit ihrem Fortbewegungsmittel und den von ihnen mitgeführten Sachen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen oder aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ausreisen dürfen“.

77.      Art. 20 des Schengener Grenzkodex konkretisiert den in seinem Art. 1 angeführten Grundsatz und bestimmt, dass „[d]ie Binnengrenzen … unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen [an den Grenzen] überschritten werden [dürfen]“.

78.      Diese Vorschrift bezweckt demnach, die Grenzübertrittskontrollen zu verbieten, wenn sie „an den Grenzen“ oder zum Zeitpunkt des Grenzübertritts erfolgen(27).

79.      Art. 21 des Schengener Grenzkodex („Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets“) untersagt Kontrollen, die im gesamten Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder in dessen Grenzgebieten stattfinden und im Rahmen der Ausübung polizeilicher Befugnisse die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hätten(28).

80.      Aus welchem Blickwinkel soll man die gemäß § 63 AufenthG durchgeführten Kontrollen betrachten?

81.      Zunächst scheinen mir diese Kontrollen nicht in den Anwendungsbereich von Art. 21 des Schengener Grenzkodex zu fallen. Sie werden nämlich nicht innerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats, sondern außerhalb durchgeführt und die Beförderungsunternehmer müssen die Fahrgäste beim Einstieg in den Bus zusammen mit der Fahrkartenkontrolle kontrollieren.

82.      Hingegen können diese Kontrollen aus dem Blickwinkel von Art. 20 des Schengener Grenzkodex betrachtet werden, da sie meines Erachtens den „Grenzübertrittskontrollen“ gleichgestellt werden können.

83.      Zwar finden die gemäß § 63 AufenthG durchgeführten Kontrollen nicht beim Überschreiten der Grenze, sondern vor deren Überschreiten statt. Es gibt daher im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Richtlinie 2008/115/EG(29) keinen „unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang“ zu dem Grenzübertritt(30).

84.      Dennoch sind diese Kontrollen ihrem Wesen nach den Grenzübertrittskontrollen gleichsetzbar.

85.      Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut von Nr. 63.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG, in der es heißt, dass „[d]urch die Kontrollpflicht [nach § 63 AufenthG] sichergestellt werden [soll], dass der Ausländer die für den Grenzübertritt nach § 13 Absatz 1 erforderlichen Voraussetzungen erfüllt“(31). In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland im Übrigen durchaus eingeräumt, dass diese Kontrollen aufgrund des Überschreitens der Binnengrenze erfolgen. Sie haben daher den alleinigen Zweck, sicherzustellen, dass den Personen an Bord eines Busses, die die Absicht haben, die Grenze des Bestimmungsmitgliedstaats zu überschreiten, tatsächlich erlaubt werden darf, in dessen Hoheitsgebiet einzureisen. In gleicher Weise wie Kontrollen durch die Grenzschutzbehörden bei Überschreiten der Binnengrenzen haben sie außerdem zur Folge, dass die Fahrgäste daran gehindert werden, sich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben, wenn sie nicht über die erforderlichen Reisedokumente verfügen. Die Weigerung, einen illegal aufhältigen Ausländer zu befördern, kommt hier einer Zurückweisung gleich.

86.      In Wirklichkeit führt der untersuchte Mechanismus zu einer Unterbrechung des unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs mit dem Überschreiten der Grenze, indem die territorialen Grenzen verschoben werden und etwas eingeführt wird, das Kommentatoren als „Kontrolle aus der Ferne“ oder „ausgelagerte“ Kontrolle bezeichnen(32). Die Zurückweisung findet nicht an den Grenzen, sondern weit vor deren Überschreiten statt.

87.      Zudem ist ab dem Zeitpunkt, zu dem es das Gesetz den Beförderungsunternehmern verbietet, Drittstaatsangehörige ohne die für eine rechtmäßige Einreise erforderlichen Reisedokumente in das nationale Hoheitsgebiet zu verbringen, und diese Beförderungsunternehmer für den Fall eines Verstoßes gegen dieses Verbot mit einem Zwangsgeld bedroht, davon auszugehen, dass es sich hier um eine systematische Kontrollpflicht handelt, die unbedingt einzuhalten ist und deren Verletzung zu einer Verurteilung führt. Es ergibt sich im Übrigen klar aus dem Wortlaut von Nr. 63.2.0 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG, dass diese Kontrollen „in jedem Einzelfall“ durchzuführen sind.

88.      Die Tatsache, dass diese Kontrollen vom Personal der Transportunternehmen durchgeführt werden, reicht meiner Ansicht nach nicht aus, um sie vom Anwendungsbereich von Art. 20 des Schengener Grenzkodex auszuschließen. Wäre dies der Fall, wäre es einfach, die genannten Verbote zu umgehen.

89.      Zum einen ändert diese Delegierung weder das Ziel noch die wesentlichen Merkmale der durchgeführten Kontrollen, da anderenfalls ihrer Wirksamkeit Abbruch getan würde.

90.      Wenn man zum anderen die Tragweite ihrer Verpflichtungen und die Gefahr von Sanktionen berücksichtigt, der sie ausgesetzt sind, haben die Beförderungsunternehmer heutzutage die Funktion von Kontrolleuren oder Grenzpolizisten, was nicht geleugnet werden kann(33) und was heute auch grundsätzliche, von der Rechtslehre regelmäßig erörterte Fragen aufwirft.

91.      Die Inpflichtnahme und die Sanktionierung der Beförderungsunternehmer sind Instrumente der Migrationspolitik, die nicht neu sind(34).

92.      Art. 26 SDÜ, der durch die Richtlinie 2001/51 ergänzt wurde, erlegt den Beförderungsunternehmern, die Drittstaatsangehörige auf dem Luft-, See- oder Landweg bis an die Außengrenzen des Schengen-Raums verbringen, Kontroll- und Rückbeförderungspflichten auf, deren Verletzung dazu führt, dass diese Beförderungsunternehmer mit Sanktionen belegt werden.

93.      Die Richtlinie 2004/82/EG(35) fügt zu den Verpflichtungen Letzterer die Pflicht hinzu, auf Anfrage der mit der Durchführung der Personenkontrollen an den Außengrenzen beauftragten Behörden Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln; die Verletzung auch dieser Pflicht führt zu Sanktionen gegen die Beförderungsunternehmer. Nach Art. 1 dieser Richtlinie geht es darum, die Grenzkontrollen zu verbessern und die illegale Einwanderung zu bekämpfen, indem die Beförderungsunternehmen Angaben über die beförderten Personen vorab an die zuständigen nationalen Behörden übermitteln. Diese Richtlinie ist insofern komplementär zur Richtlinie 2001/51, als sie die gleichen Ziele mit anderen Mitteln verfolgt.

94.      Zuletzt wurden den Beförderungsunternehmern zusätzliche Pflichten auferlegt.

95.      Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2017/2226(36) ergänzt die Kontrollpflichten nach Art. 26 Abs. 1 Buchst. b SDÜ. Im Rahmen dieser Kontrolle sind die Beförderungsunternehmer nunmehr verpflichtet, über den im Rahmen des integrierten Schutzes der Außengrenzen entwickelten Web-Dienst den Nachnamen, die Vornamen, das Geburtsdatum, die Staatsangehörigkeit sowie das Geschlecht der Drittstaatsangehörigen zu übermitteln, die im Besitz eines Visums für einen kurzfristigen Aufenthalt sind, jedoch auch die Art, die Nummer, das Datum des Ablaufs des Reisedokuments und den aus drei Buchstaben bestehenden Code des ausstellenden Landes, um zu überprüfen, ob diese die Zahl der mit diesem Visum zulässigen Einreisen bereits in Anspruch genommen haben(37). Mit Ausnahme des Gesichtsbildes handelt es sich dabei um Angaben, auf deren Grundlage die Grenzbehörden das persönliche Dossier der betreffenden Personen anlegen.

96.      Zudem haben auf nationaler Ebene viele Mitgliedstaaten, wie die Französische Republik, verlangt, dass die Beförderungsunternehmer die Echtheit und Gültigkeit der Reisedokumente prüfen, was die Bewertung von Unregelmäßigkeiten wie Identitätsdiebstahl, Verfälschung, Fälschung oder Ablauf einschließen musste(38). Bestimmte Mitgliedstaaten, wie das Königreich Spanien, haben zudem für Beförderungsunternehmen ausdrücklich die Verpflichtung vorgesehen, ihr Personal für die Erkennung gefälschter Dokumente zu schulen, was die Frage aufwirft, in welcher Funktion sie die Überprüfungen durchführen(39).

97.      Nach Ansicht des Conseil constitutionnel (Verfassungsrat, Frankreich) können die Vorschriften über Sanktionen für Beförderungsunternehmer „nicht dahin ausgelegt werden, dass sie dem Beförderungsunternehmer polizeiliche Befugnisse anstelle der öffentlichen Gewalt verleihen“, da sich der Beförderungsunternehmer, wenn er die Rechtmäßigkeit von Reisedokumenten prüft, darauf beschränken muss, „die Lage des Beteiligten zu erfassen, ohne auch nur irgendwelche Nachforschungen anstellen zu müssen“(40). Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts erfolgt auch keine Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf die Beförderungsunternehmen. Die Überprüfung der Passagiere im Hinblick auf die Reisedokumente sei in den Beförderungsvorgang eingebettet, der im Rahmen des privatrechtlichen Beförderungsvertrags erfolge. Der Gesetzgeber überlasse es auch dem Beförderungsunternehmer, auf welche Art und Weise und mit welchen Mitteln er seinen Verpflichtungen nachkomme.

98.      Dennoch steht fest, dass die Beförderungsunternehmer hier Beurteilungen vornehmen und Maßnahmen erlassen müssen, die ihrem Wesen nach in die Zuständigkeit der Zoll- und Polizeibehörden fallen, obwohl sie dazu weder berufen sind noch zwangsläufig die Mittel dafür haben(41).

99.      Dies beeinträchtigt die Wirksamkeit des Mechanismus. Die Beförderungsunternehmer können illegal aufhältigen Personen, die im Gebiet des Abgangsmitgliedstaats bleiben, nur das Einsteigen verbieten, ohne dass eine „Entscheidung über die Einreiseverweigerung“ in das Hoheitsgebiet gemäß Art. 13 des Schengener Grenzkodex(42) mit den darin enthaltenen Garantien erlassen werden kann und ohne dass die komplementären Vorschriften zum Asylrecht und internationalen Schutz eine Rolle spielen können.

100. Durch die Einführung einer solchen Kontrollpflicht macht der Mitgliedstaat in Wirklichkeit Gebrauch von Rechtsvorschriften, die ursprünglich für Kontrollen an den Außengrenzen gedacht waren, führt versteckt und mit offensichtlich geringerer Wirksamkeit Grenzen dort wieder ein, wo sie grundsätzlich abgeschafft wurden, und umgeht das in den Art. 1 und 20 des Schengener Grenzkodex aufgeführte grundsätzliche Verbot. Er verlangt somit von privaten Betreibern, dass sie Kontrollen vornehmen, die die zuständigen nationalen Behörden gemäß diesen Vorschriften an den Binnengrenzen nicht mehr durchführen dürfen und für deren Vornahme sie auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats auch keine Befugnis haben.

101. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und um nicht die Verwirklichung des in Art. 3 Abs. 2 EUV, in Art. 26 Abs. 2 AEUV sowie in Art. 67 Abs. 2 AEUV verankerten und in den Art. 1 und 20 des Schengener Grenzkodex festgeschriebenen Ziels der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen zu gefährden, erscheint es mir entscheidend, dass die in Anwendung von § 63 AufenthG durchgeführten Kontrollen „Grenzübertrittskontrollen“ im Sinne von Art. 20 des Schengener Grenzkodex gleichgestellt werden.

102. In Anbetracht dieser Gesichtspunkte meine ich, dass die Kontrollen, die von Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze vorgenommen werden müssen und im Rahmen deren diese verpflichtet sind, vor Überschreiten der Binnengrenze zu überprüfen, ob die Fahrgäste im Besitz der für die Einreise in das nationale Hoheitsgebiet erforderlichen Reisedokumente sind, nach Art. 20 des Schengener Grenzkodex verbotenen „Grenzübertrittskontrollen“ gleichzustellen sind(43).

103. Da die in Rede stehenden Kontrollen meines Erachtens im Widerspruch zum Unionsrecht stehen, können die aufgrund der Verletzung dieser Pflichten verhängten Zwangsgelder, die angesichts ihrer Funktion (Abschreckung und Sanktion) Geldstrafen gleichkommen, nicht gerechtfertigt sein.

104. Nach alledem bin ich der Ansicht, dass Art. 67 Abs. 2 AEUV und Art. 20 des Schengener Grenzkodex nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, die von Beförderungsunternehmern verlangen, vor Überschreiten der Grenze zu prüfen, ob die Fahrgäste im Besitz des für die rechtmäßige Einreise in das nationale Hoheitsgebiet erforderlichen Reisepasses und Aufenthaltstitels sind, und die Letzteren für den Fall der Verletzung dieser Pflicht ein Zwangsgeld androhen, wenn diese Rechtsvorschriften für Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze gelten.

105. Zu diesem Ergebnis sind zwei Anmerkungen zu machen.

106. Als Erstes bedeutet diese Auslegung der Regeln des Schengener Grenzkodex jedoch nicht, dass die Mitgliedstaaten der Mittel beraubt würden, die ihnen die legitime Bekämpfung der illegalen Einwanderung in ihr Hoheitsgebiet ermöglichen.

107. Da nämlich erstens die zuständigen nationalen Behörden unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens, wie die Bundesrepublik Deutschland in ihren schriftlichen und mündlichen Erklärungen ausgeführt hat, über konkrete Erkenntnisse verfügen, die es ihnen ermöglichen, die Straßenabschnitte zu bestimmen, auf denen die größte Gefahr einer illegalen Einwanderung besteht, hindert den Abgangsmitgliedstaat und den Bestimmungsmitgliedstaat nichts daran, bestehende Instrumente der operativen Zusammenarbeit zu verwenden, um gemeinsam diese illegale Einwanderung zu bekämpfen, indem sie ihre polizeilichen Befugnisse in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet und insbesondere auf dem Gelände von Busbahnhöfen und in deren Umgebung ausüben.

108. Die operative Zusammenarbeit beruht gemäß den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere vom 15. und 16. Oktober 1999 auf der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und der Aufteilung der Zuständigkeiten. Es handelt sich um eine Verpflichtung nach Art. 16 des Schengener Grenzkodex, wobei die Mitgliedstaaten gehalten sind, zur wirksamen Durchführung von Grenzkontrollen alle sachdienlichen Informationen auszutauschen, einander zu unterstützen und eine enge Zusammenarbeit zu pflegen. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, unter denen die Mitgliedstaaten die Unzulänglichkeiten der Kontrollen an den Außengrenzen betonen, hindert diese meiner Ansicht nach nichts daran, diese Instrumente zu verwenden, um gemeinsam die Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung auch innerhalb des Schengen-Raums zu koordinieren.

109. Dies würde eine wesentlich effektivere Kontrolle ermöglichen als die im Rahmen der in Rede stehenden Rechtsvorschriften eingeführte und sich zudem perfekt in den Rahmen der Zuständigkeiten einfügen, die den Mitgliedstaaten gemäß Art. 21 Buchst. a des Schengener Grenzkodex vorbehalten sind.

110. Es sei daran erinnert, dass es diese Vorschrift den Mitgliedstaaten ermöglicht, die Personalien und Aufenthaltstitel innerhalb ihres Hoheitsgebiets und in Grenzgebieten zu kontrollieren, um eine illegale Einreise in das Hoheitsgebiet zu verhindern oder zu stoppen oder die Begehung von Straftaten zu verhindern, vorausgesetzt allerdings, dass die praktische Ausübung dieser Kontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat.

111. Wie bereits erwähnt, hatte der Gerichtshof beispielsweise im Urteil vom 21. Juni 2017, A.(44), über solche Kontrollmaßnahmen der Bundesrepublik Deutschland im Gesetz über die Bundespolizei zu entscheiden, wobei der Betroffene eine Person war, die einer Identitätskontrolle einer Streife der deutschen Bundespolizei unterzogen wurde, als er gerade zu Fuß die Europabrücke von Straßburg nach Kehl überquert und sich zu dem etwa 500 m entfernten Bahnhof begeben hatte.

112. Ebenfalls ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten heute berechtigt sind, ihre polizeilichen Kontrollen in ihrem gesamten Hoheitsgebiet zu intensivieren. Die Kommission hat nicht nur den Druck erkannt, den die massiven Ströme illegal aufhältiger Migranten und die Zunahme von Terroranschlägen auf die öffentliche Ordnung ausüben, sondern auch Lücken, die die Wirksamkeit der Schengen-Architektur unterminieren.

113. In ihrer Empfehlung vom 12. Mai 2017(45) hat die Kommission den Schwerpunkt auf die Art und Weise gelegt, wie die Mitgliedstaaten ihre polizeilichen Befugnisse in ihrem gesamten Hoheitsgebiet und in den Grenzgebieten ausüben müssen. In der Erwägung, dass sich „[d]as ordnungsgemäße Funktionieren dieses Raums … nicht nur auf die einheitliche Anwendung des Besitzstands der Union [stützt], sondern auch [auf] die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit im Rahmen der nationalen Zuständigkeiten im Einklang mit den Zielen des Schengen-Besitzstands“(46), hat sie nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Intensivierung der Polizeikontrollen im gesamten Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten als notwendig und gerechtfertigt anzusehen sei, wobei sich Letztere als wirksamer als Kontrollen an den Binnengrenzen erweisen und leichter neuen Gefahren angepasst werden könnten(47).

114. Sollten zweitens die zuständigen nationalen Behörden darüber hinaus feststellen, dass bestimmte Busunternehmen ihrer Kontrollpflicht nicht nachkommen, um sich an der Schleusung von Migranten zu beteiligen, so können sie diese Unternehmen auf der Grundlage der in der Richtlinie 2002/90 und im Rahmenbeschluss 2002/946 festgelegten Regeln unter Strafe stellen, da die Beihilfe zur unerlaubten Einreise eine strafbare Handlung darstellt, deren Tatbestandsmerkmale ich nachfolgend darlegen werde. Die Bundesrepublik Deutschland hat diese Vorschriften im Übrigen im Rahmen der §§ 95 bis 97 AufenthG umgesetzt.

115. Gelangen schließlich drittens die nationalen Behörden zu der Ansicht, dass eine schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit vorliege, können sie nach Art. 23 Abs. 1 des Schengener Grenzkodex die Kontrollen an ihren Binnengrenzen vorübergehend wiedereinführen(48). Es ist festzuhalten, dass die Kommission unter Berücksichtigung der zunehmenden Sekundärbewegungen von illegal aufhältigen Migranten und der zunehmenden Gefahr durch den grenzübergreifenden Terrorismus eine Neufassung des bestehenden Rahmens zur Bewältigung dieser Herausforderungen vorschlägt(49).

116. Als Zweites müssen mit dieser Auslegung der Regeln des Schengener Grenzkodex die Mitgliedstaaten in die Pflicht genommen werden, all diese Maßnahmen zur Verstärkung der Kontrollen und des Schutzes der Außengrenzen(50) durchzuführen. Ich weise darauf hin, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 14 des Schengener Grenzkodex(51) zur Gewährleistung effizienter Grenzkontrollen mit hohem und einheitlichem Standard an ihren Außengrenzen geeignete Kräfte in ausreichender Zahl und angemessene Mittel in ausreichendem Umfang für die Durchführung von Grenzkontrollen an den Außengrenzen zur Verfügung stellen müssen.

B.      Zur Auslegung der Unionsrechtsbestimmungen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung

117. Nunmehr ist zu prüfen, ob davon auszugehen ist, dass diese Kontrollen, wie die Bundesrepublik Deutschland in ihren Erklärungen nachdrücklich behauptet, im Rahmen der Vorschriften des Völkerrechts und Europarechts erlassen wurden, die zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung verabschiedet worden sind.

1.      Die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Einreise gemäß der Richtlinie 2002/90 und dem Rahmenbeschluss 2002/946

118. Als Erstes widmet die Bundesrepublik Deutschland ihre Erklärungen dem Nachweis, dass die in Rede stehenden Rechtsvorschriften „in Übereinstimmung [mit den] und in Umsetzung“(52) der Vorgaben der Richtlinie 2002/90 und des Rahmenbeschlusses 2002/946 zur Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Einreise in das Gebiet eines Mitgliedstaats erlassen worden seien.

119. Zum einen insofern „in Übereinstimmung“, als Rechtsvorschriften wie die in Rede stehenden eine wichtige Maßnahme bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung innerhalb des Schengen-Raums darstellten und es den Beförderungsunternehmen ermöglichten, nicht wegen Beihilfe zur unerlaubten Einreise verurteilt zu werden.

120. Zum anderen insofern „in Anwendung“, als die Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinie 2002/90 und des Rahmenbeschlusses 2002/946 berechtigt und verpflichtet seien, Sanktionen gegen diejenigen zu verhängen, die Hilfe zur unerlaubten Einreise über Binnengrenzen leisteten. Dies schließe strafrechtliche Sanktionen gegen individuell Verantwortliche sowie verwaltungsrechtliche Sanktionen gegen juristische Personen ein.

121. Die Bundesrepublik Deutschland macht geltend, jedes Beförderungsunternehmen, das einen Ausländer ohne die erforderlichen Reisedokumente übernehme und ihn unter Verletzung der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats in dessen Hoheitsgebiet befördere, leiste notwendigerweise Beihilfe zur unerlaubten Einreise im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2002/90. Ein solches Unternehmen, das von den zuständigen Behörden unterrichtet worden sei, dass seine Busverbindungen bereits zu unerlaubten Einreisen genutzt worden seien, und daher genau über diese Rechtsverstöße Bescheid wisse, und das dann gleichwohl die erforderlichen Kontrollmaßnahmen unterlasse, wenngleich diese möglich und zumutbar seien, nehme mindestens teilweise billigend in Kauf, auch weiterhin unerlaubte Einreisen zu ermöglichen und handle mit bedingtem Vorsatz (dolus eventualis).

122. Ich teile diese von der Bundesrepublik Deutschland in ihren Erklärungen vertretene Ansicht nicht.

123. Erstens unterlässt es die Bundesrepublik Deutschland, darauf hinzuweisen, dass die Straftat der Beihilfe zur unerlaubten Einreise, die in Art. 1 der Richtlinie 2002/90 definiert und verurteilt wird, in den §§ 95 bis 97 AufenthG über die Beihilfe zur illegalen Einreise in deutsches Recht umgesetzt wurde(53).

124. Zweitens tragen zwar die in Rede stehenden Rechtsvorschriften tatsächlich zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung bei – da sie bezwecken, den Beförderungsunternehmern die Verpflichtung aufzuerlegen, Personenkontrollen durchzuführen, um eine unerlaubte Einreise in das nationale Hoheitsgebiet zu verhindern – jedoch reicht dies nicht für die Feststellung aus, dass sie „in Übereinstimmung [mit den] und in Umsetzung“ der Vorgaben der Richtlinie 2002/90 und des Rahmenbeschlusses 2002/946 erlassen worden seien.

125. Dies hieße nämlich, den Gegenstand und den Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/90 und des Rahmenbeschlusses 2002/946 zu verkennen.

126. Dies hieße auch, die strafrechtliche Natur der im Rahmen dieses Maßnahmenpakets verabschiedeten Vorschriften zu leugnen, wonach gemäß dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen sowohl die objektiven als auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale dieser Straftat eng auszulegen sind.

127. Die Richtlinie 2002/90 und der Rahmenbeschluss 2002/946 bilden eine Gesamtheit von untrennbar miteinander verbundenen Maßnahmen zur Ergänzung des Instrumentariums für die Bekämpfung der illegalen Einwanderung(54). Als „Maßnahmenpaket für Schleuser“(55) bekämpfen sie Schleuser- und insbesondere illegale Beförderungsnetzwerke.

128. Dies ergibt sich sehr klar aus dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/90 und des Rahmenbeschlusses 2002/946, wonach der Unionsgesetzgeber mit diesen Maßnahmen „die Beihilfe zur illegalen Einwanderung … bekämpfen [möchte], und zwar sowohl, wenn diese den unerlaubten Grenzübertritt im engeren Sinne betrifft, als auch, wenn dadurch ein Netzwerk zur Ausbeutung von Menschen unterhalten wird“(56). In Wirklichkeit geht aus diesem Erwägungsgrund klar und unmissverständlich der Grund für dieses Maßnahmenpaket hervor, das verabschiedet wurde, nachdem im Jahr 2000 in Dover (Großbritannien) 58 Leichen von Chinesen entdeckt worden waren, die versucht hatten, in einem versiegelten Container eines in den Niederlanden zugelassenen Lastwagens illegal einzuwandern, als die Mitgliedstaaten die Französische Republik, die damals die Ratspräsidentschaft innehatte, ersuchten, Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Verbrechen und gegen die rasche Ausbreitung von Schleusernetzwerken in der Union vorzuschlagen.

129. Um zu verhindern, dass die kriminellen Netzwerke die fehlende Kriminalisierung und fehlende Sanktionen in bestimmten Mitgliedstaaten für die Entwicklung ihrer Tätigkeiten nutzen und bei der Wahl ihrer Einreiserouten ein Forum-Shopping betreiben(57), bezweckt dieses Maßnahmenpaket dadurch eine Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften, dass zum einen in der Richtlinie 2002/90 eine gemeinsame Definition der Straftat der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt und dass zum anderen im Rahmenbeschluss 2002/946 Mindestvorschriften darüber, welche Sanktionen verhängt werden können, sowie die geltenden Regeln für die Verantwortlichkeit von juristischen Personen und die Gerichtsbarkeit der jeweiligen Mitgliedstaaten festgelegt sind(58).

130. Sowohl die objektiven als auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Beihilfe zur unerlaubten Einreise sind in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2002/90 wie folgt definiert:

„Jeder Mitgliedstaat legt angemessene Sanktionen für diejenigen fest, die

a)      einer Person, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaats ist, vorsätzlich dabei helfen, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Verletzung der Rechtsvorschriften des betreffenden Staates über die Einreise oder die Durchreise von Ausländern einzureisen …“(59)

131. Die Straftat der Beihilfe zur unerlaubten Einreise wurde in das Unionsrecht als „allgemeiner Tatbestand“ eingeführt, was sich aus der Überschrift von Art. 1 der Richtlinie 2002/90, aber auch aus der Verwendung allgemeiner Formulierungen durch den Unionsgesetzgeber ergibt. Der Anwendungsbereich dieser Straftat ist daher besonders groß und lässt sich durch die Notwendigkeit der Bekämpfung der Schleusernetzwerke erklären. Der Begriff „Beihilfe“, der immerhin eines der Tatbestandsmerkmale der Straftat ist, wird hier nicht genau definiert, was die Einbeziehung verschiedener Formen der Beihilfe zur illegalen Einwanderung ermöglicht und somit den modus operandi der Schleuser bei der Beförderung stricto sensu beinhaltet sowie die Beihilfe zur Abwicklung dieser Beförderung, zur Herstellung oder Überlassung gefälschter Dokumente, zur Organisation von Scheinehen oder sämtliche sonstigen Mittel, die die Ein- oder Durchreise oder den Aufenthalt erleichtern sollen(60).

132. Zudem hat der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er die von „denjenigen“ geleistete Beihilfe mit Sanktionen belegt hat, der Anzahl und Verschiedenheit der Profile der möglicherweise involvierten Personen Rechnung getragen, ob sie nun in Gewinnabsicht handeln oder nicht(61), um alle Mitglieder eines Schleusernetzes einzubeziehen, so beispielsweise Menschenhändler, Anführer, Anwerber oder auch Fahrer oder Bootsführer, Boten, Späher, Passfälscher, Lieferanten (Eigentümer von Booten, Fahrzeugen, Autos), Beamte und korrupte Dienstleister(62).

133. Im Übrigen ist der Tatbestand unabhängig davon erfüllt, ob die Beihilfe zur illegalen Einwanderung die unerlaubte Überschreitung einer Binnengrenze oder einer Außengrenze des Schengen-Raums betrifft. Der Unionsgesetzgeber stellt nämlich die Beihilfe zur illegalen Einwanderung unter Strafe, wenn sie die Einreise „in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats“ betrifft, wobei er zuvor im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/90 angegeben hat, dass diese zu bekämpfen sei, wenn sie den unerlaubten Grenzübertritt „im engeren Sinne“ betreffe.

134. Die erfolgte Einstufung als „Zwangsgeld“, um die tatsächlich auf einen Beförderungsunternehmer angewandte Maßnahme zu definieren, scheint mir an der rechtlichen Realität vorbeizugehen.

135. Wie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angegeben worden ist, besteht das Zwangsgeld nach § 63 Abs. 3 AufenthG in einer finanziellen Sanktion nicht unerheblicher Höhe (mindestens 1 000 Euro und maximal 5 000 Euro), die gegen den Beförderungsunternehmer für jeden Fahrgast verhängt wird, der gegen die Vorschriften verstößt, die die Voraussetzungen für die Einreise von Ausländern in das deutsche Hoheitsgebiet regeln. Das ebenso deutlich zum Ausdruck gebrachte Ziel dieser Rechtsvorschrift besteht darin, den Beförderungsunternehmer von einem Verzicht auf die erforderliche Kontrolle abzuhalten und ihn jedes Mal zu bestrafen, wenn festgestellt wurde, dass keine Kontrolle stattgefunden hat.

136. Die Funktion dieser Sanktion, nämlich gleichzeitig vorzubeugen und zu strafen, ist genau die der Strafe, mit der eine Zuwiderhandlung geahndet wird. Daher stellt sich im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen, der besagt, dass das Gesetz alle die Zuwiderhandlung begründenden Umstände und insbesondere die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale festlegen muss, die unumgängliche Frage nach dem Vorsatz.

137. Ich bin überzeugt, dass der Gesetzgeber mit Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2002/90 nicht jene unter Strafe stellen wollte, die das Risiko eingehen, einer illegal aufhältigen Person Beihilfe bei der Einreise in das Hoheitsgebiet zu leisten (dolus eventualis), sondern jene, bei denen die verbrecherische Absicht vorliegt, gerade die gesetzlich verbotene Handlung vorzunehmen (dolus specialis).

138. In ihren Erklärungen hat die Bundesrepublik Deutschland tatsächlich auf eine Form von Vorsatz Bezug genommen, die sie als „doluseventualis“ bezeichnet und als „bedingten Vorsatz“ definiert. Diese Form von Vorsatz zielt auf eine Person ab, die die Zuwiderhandlung nicht in vollem Umfang ausführen wollte. Wir sind hier mit einer Situation konfrontiert, in der der Beteiligte keinen deliktischen Willen hat, eine schwere Straftat zu begehen, die darin besteht, mit einem Netzwerk von Schleusern zusammenzuarbeiten, sondern in der er aus Leichtsinn, Unvorsichtigkeit oder fahrlässig handelt. Zwar steht es dem Unionsgesetzgeber frei, fahrlässige Verstöße gegen die Rechtsvorschriften zu ahnden, jedoch muss dies in der Vorschrift, die den Verstoß unter Strafe stellt, klar zum Ausdruck gebracht und definiert sowie auf eine nicht unverhältnismäßige Art und Weise sanktioniert werden.

139. Es ist festzustellen, dass diese Definition des dolus eventualis und das daraus folgende Strafsystem mit dem Wortlaut von Art. 1 der Richtlinie 2002/90 unvereinbar ist, der die rechtliche Grundlage des Strafsystems darstellt und weder in Bezug auf seinen Wortlaut noch auf sein Ziel und seine Systematik einen Zweifel aufkommen lässt.

140. In der französischen Fassung fordert der Unionsgesetzgeber, dass die natürliche oder juristische Person „sciemment“ handelt, in der deutschen Fassung wird der Ausdruck „vorsätzlich“ verwendet, in der englischen heißt es „intentionally“, in der italienischen „intenzionalmente“, in der niederländischen „opzettelijk“, in der rumänischen „în mod conștient“ und schließlich in der slowakischen „úmyselne“.

141. Dieser Wortlaut ist innerhalb der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen und seine Bedeutung muss vor allem unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Autonomie des Strafrechts und dessen allgemeiner Grundsätze ermittelt werden.

142. Der französische Begriff „sciemment“, der mit den Termini „vorsätzlich“, „absichtlich“ oder auch „willentlich“ ohne Abweichung in die anderen Sprachfassungen der Richtlinie übersetzt wurde, verdrängt per se den Begriff dolus eventualis. Es ist festzuhalten, dass eine Person, die „willentlich“ oder „vorsätzlich“ einem Drittstaatsangehörigen Beihilfe zur unrechtmäßigen Einreise in das Hoheitsgebiet leistet, nicht dieselbe verbrecherische Absicht hat wie jemand, der dies nur fahrlässig in Kauf nimmt.

143. Zudem zeugt die Systematik, in die sich Art. 1 der Richtlinie 2002/90 einfügt, eindeutig davon, dass der Unionsgesetzgeber beabsichtigt, jene zu bekämpfen, die bewusst und vorsätzlich handeln, um die verbotene Handlung auszuführen. Es geht hier tatsächlich darum, nicht nur jene mit strafrechtlichen Sanktionen zu belegen, die eine Zuwiderhandlung begehen, sondern nach Art. 2 dieser Richtlinie auch jene, die versuchen, eine solche zu begehen, jene die Anstifter oder Gehilfen sind. Was die in Art. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946 festgesetzten Sanktionen betrifft, so müssen diese abschreckend sein. Man kann nur jemanden abschrecken, der die Absicht hat, die gesetzlich verbotene Handlung zu begehen oder erneut zu begehen. Im Übrigen schließt meiner Ansicht nach die Schwere der Sanktionen, die in einer „Auslieferung“ oder Freiheitsstrafen bestehen können, aus, dass solche Sanktionen gegen jene verhängt werden, die nur in Kauf nehmen, die Straftat zu begehen.

144. Schließlich besteht das eindeutige Ziel der Richtlinie 2002/90 darin, jene zu bekämpfen, die Schleppernetzwerken angehören und von der illegalen Einwanderung leben.

145. Angesichts dieser Erwägungen kann ich den Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland daher nicht teilen, wonach jedes Busunternehmen, das im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze Ausländer ohne die erforderlichen Reisedokumente in die Busse einsteigen lässt, zwangsläufig Beihilfe zur unerlaubten Einreise nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2002/90 leistet. Man kann daher nicht durch eine Ausweitung des Begriffs „dolus eventualis“ zu einer Gleichstellung von Personen, die „mit bedingtem Vorsatz“ gehandelt haben, mit Gehilfen oder Mittätern gelangen.

146. Auch wenn die Beihilfe zur illegalen Einwanderung tatsächlich Beförderungstätigkeiten erfasst und Dienstleister wie Verkehrsunternehmen einbeziehen kann, die ihre Tätigkeiten auf dem Hoheitsgebiet der Union ausüben, ist es gleichwohl notwendig, den Nachweis zu führen, dass sowohl die objektiven als auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Straftat erfüllt sind. Dies fällt in die Befugnis des nationalen Gerichts, das von Fall zu Fall zu beurteilen hat, ob der Beförderungsunternehmer durch das Verbringen eines Ausländers in das nationale Hoheitsgebiet vorsätzlich an einer kriminellen Tätigkeit teilgenommen hat, die darauf abzielte, illegal aufhältige Personen in das nationale Hoheitsgebiet einreisen zu lassen und die Sekundärmigration dieser Personen im Schengen-Raum zu erleichtern.

147. Nach alledem bin ich der Ansicht, dass, falls die zuständigen nationalen Behörden feststellen, dass ein Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze seine Tätigkeit benutzt, um vorsätzlich Drittstaatsangehörigen Beihilfe bei der illegalen Einreise in das Hoheitsgebiet des Bestimmungsmitgliedstaats zu leisten, und entscheiden, dass sowohl die objektiven als auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Straftat der Beihilfe zur unrechtmäßigen Einreise im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2002/90 erfüllt sind, diese Behörden die notwendigen Maßnahmen ergreifen müssen, um sicherzustellen, dass diese Straftat Gegenstand einer wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden strafrechtlichen Sanktion gemäß den im Rahmenbeschluss 2002/946 dargelegten Grundsätzen ist.

2.      Die Bekämpfung der Schleusung von Migranten gemäß dem Zusatzprotokoll der Vereinten Nationen

148. Als Zweites macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften stünden im Einklang mit den Vorschriften im Rahmen des Zusatzprotokolls der Vereinten Nationen, an das sowohl die Union als auch die Mitgliedstaaten gebunden seien.

149. Es trifft zwar zu, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 11 dieses Protokolls die Grenzkontrollen verstärken müssen, die zur Verhütung und Aufdeckung der Schleusung von Migranten erforderlich sind, und dass sie in diesem Rahmen geeignete Maßnahmen an den Grenzen treffen müssen, um zu verhindern, dass die von gewerblichen Beförderungsunternehmern betriebenen Beförderungsmittel für die Begehung dieser Straftat benutzt werden(63). Gegebenenfalls müssen die Vertragsstaaten somit u. a. unter Androhung von Sanktionen die Verpflichtung gewerblicher Beförderungsunternehmer, einschließlich Beförderungsunternehmen oder Betreiber aller Arten von Beförderungsmitteln, vorsehen, sich dessen zu vergewissern, dass alle beförderten Personen im Besitz der für die Einreise in den Aufnahmestaat erforderlichen Reisedokumente sind.

150. Es ist jedoch der Vorbehalt gemäß Art. 11 Abs. 1 des Zusatzprotokolls der Vereinten Nationen zu berücksichtigen der in Abs. 3 dieser Bestimmung wiederholt wird, wonach diese Verpflichtungen „unbeschadet der internationalen Verpflichtungen betreffend den freien Personenverkehr“ gelten, die die Mitgliedstaaten übernommen haben.

151. Zu berücksichtigen ist auch die Erklärung der Union anlässlich ihres Beitritts zum Zusatzprotokoll der Vereinten Nationen am 6. September 2006, in der sie darauf hingewiesen hat, „dass sie Zuständigkeiten in Bezug auf das Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten besitzt; so legt sie Normen und Verfahren für die Durchführung von Personenkontrollen an diesen Grenzen … fest [und ist außerdem zuständig für] einwanderungspolitische Maßnahmen betreffend die Einreise- und Aufenthaltsbedingungen sowie für Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung und des illegalen Aufenthalts …“.

152. Da die Bundesrepublik Deutschland Vertragspartei des SDÜ und Mitgliedstaat der Union ist, kann sie die in Art. 11 Abs. 2 bis 4 dieses Protokolls aufgeführten Verpflichtungen nur umsetzen, soweit sie mit den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts und insbesondere den Vorschriften, die im Rahmen des SDÜ, der Richtlinie 2002/90 und des Rahmenbeschlusses 2002/946 erlassen wurden, vereinbar sind.

153. Unter diesen Umständen bin ich nicht der Ansicht, dass sich die Bundesrepublik Deutschland nach dem Stand der Dinge auf das Zusatzprotokoll der Vereinten Nationen berufen kann, um die Rechtmäßigkeit ihrer Kontrollen zu begründen.

3.      Die Verpflichtungen der Beförderungsunternehmer nach der Richtlinie 2001/51

154. Als Drittes und Letztes macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, der Wortlaut der Richtlinie 2001/51 und insbesondere ihr vierter Erwägungsgrund gestatte den Mitgliedstaaten, Kontrollen wie die, die auf der Grundlage von § 63 AufenthG durchgeführt würden, beizubehalten oder einzuführen.

155. Die Bundesrepublik Deutschland verkennt hier die Tragweite dieser Richtlinie und insbesondere ihres vierten Erwägungsgrundes.

156. Ihrem Titel entsprechend zielt die Richtlinie 2001/51 auf eine „Ergänzung der Regelungen nach Art. 26 [SDÜ]“ ab.

157. Gemäß diesem Art. 26 müssen die Vertragsstaaten Beförderungsunternehmern, die im internationalen Linienverkehr Gruppen von Personen in Autobussen befördern und im Rahmen dieser Dienstleistung einen Drittausländer „bis an die Außengrenze“(64) bringen, die Verpflichtung, die Reisedokumente zu kontrollieren und die Verpflichtung zur Rückbeförderung auferlegen, deren Verletzung zu sanktionieren ist(65). Diese Verpflichtungen sind, wie aus der Überschrift von Kapitel 6 hervorgeht, in dem sie enthalten sind, „[w]eitere Maßnahmen“ zur Abschaffung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen, die im Grundsatz in Art. 2 SDÜ niedergelegt ist.

158. Im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/51 – auf den sich die Bundesrepublik Deutschland stützt – führt der Unionsgesetzgeber aus, dass es den Mitgliedstaaten nach dieser Richtlinie unbenommen bleiben sollte, zusätzliche Maßnahmen oder Sanktionen „gegen die Beförderungsunternehmen“ beizubehalten oder einzuführen, „unabhängig davon, ob diese unter diese Richtlinie fallen oder nicht“. Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland gestattet ein solcher Erwägungsgrund den Mitgliedstaaten, Kontrollpflichten für Beförderungsunternehmer beizubehalten oder einzuführen, die Drittstaatsangehörige mit dem Bus zu den Binnengrenzen eines Mitgliedstaats verbringen.

159. Die vom Unionsgesetzgeber im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/51 verwendete Wendung „unabhängig davon, ob diese unter diese Richtlinie fallen oder nicht“ ist nicht glücklich gewählt, da sie durch ihre Allgemeinheit in einen Rechtstext über die Verhängung von strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen gegen Beförderungsunternehmer ein Element der Unsicherheit einführt. Sie ist daher unter Berücksichtigung des Gegenstands und der Systematik dieser Richtlinie, in die sich dieser Erwägungsgrund einfügt, eng auszulegen.

160. Was den Zweck dieser Richtlinie anlangt, so ist offensichtlich, dass sie nicht darauf abzielt, die Tragweite der Kontrollpflichten für Beförderungsunternehmen zu ändern oder über den Anwendungsbereich dieser in Art. 26 SDÜ definierten Verpflichtungen hinaus auszuweiten. Die Richtlinie 2001/51 zielt darauf ab, diese Vorschriften zu ergänzen, was ausdrücklich in ihrem Titel und in ihrem Art. 1 festgestellt wird. Während die Art. 2 und 3 dieser Richtlinie die Voraussetzungen für die Geltung der Verpflichtung zur Rückbeförderung darlegen, beschränken sich ihre Art. 4 und 5 darauf, Art und Höhe der Sanktionen zu nennen, die im Fall der Verletzung der Kontrollpflicht durch die Beförderungsunternehmen anwendbar sind.

161. Der vierte Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/51 kann daher nicht dahin ausgelegt werden, als habe er für sich allein eine solche Wirkung, denn dies hieße, eindeutig den Sinn und die Tragweite des Rechtstexts zu verkennen, in den er eingebettet ist, und dem Grundsatz der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen nach Art. 3 Abs. 2 EUV, Art. 26 Abs. 2 AEUV und Art. 67 Abs. 2 AEUV, der auch in Art. 20 des Schengener Grenzkodex vorgesehen ist, auf dem diese Richtlinie beruht, die praktische Wirksamkeit zu nehmen.

162. Was die Systematik der Richtlinie 2001/51 betrifft, ist festzustellen, dass der in ihrem vierten Erwägungsgrund aufgestellte Grundsatz, wonach die Mitgliedstaaten über einen Ermessensspielraum verfügen, zusätzliche Maßnahmen oder Sanktionen einzuführen oder beizubehalten, in Art. 5 dieser Richtlinie nur teilweise konkretisiert wird, da sich der Gesetzgeber darauf beschränkt, „Beförderungsunternehmen“ zu nennen und die Wendung „unabhängig davon, ob diese unter diese Richtlinie fallen oder nicht“ unerwähnt lässt.

163. In Anbetracht dieser Gesichtspunkte meine ich, dass der Wortlaut der Richtlinie 2001/51 und insbesondere ihr vierter Erwägungsgrund nicht dahin ausgelegt werden können, dass sie den Mitgliedstaaten gestatten, Kontrollpflichten für Beförderungsunternehmer beizubehalten oder einzuführen, die im internationalen Linienverkehr Gruppen von Drittstaatsangehörigen in Autobussen zu den Binnengrenzen eines Mitgliedstaats befördern, da dies bedeuten würde, den Zweck des Art. 26 SDÜ und die Grundsätze, auf denen er beruht, eindeutig zu verkennen.

164. Die im Rahmen von Art. 26 SDÜ erlassenen Maßnahmen, deren Durchführungsmodalitäten durch die Richtlinie 2001/51 festgelegt werden, gelten nur für das Überschreiten der Außengrenzen.

VI.    Ergebnis

165. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Die Kontrollen, die von Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze vorgenommen werden müssen und im Rahmen deren diese verpflichtet sind, vor Überschreiten der Binnengrenze zu prüfen, ob die Passagiere im Besitz der für die Einreise in das nationale Hoheitsgebiet erforderlichen Reisedokumente sind, sind „Grenzübertrittskontrollen“ im Sinne von Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen in der durch die Verordnung (EU) Nr. 610/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 geänderten Fassung gleichzustellen.

2.      Art. 67 Abs. 2 AEUV und Art. 20 der Verordnung Nr. 562/2006 stehen nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegen, die von Beförderungsunternehmern verlangen, vor Überschreiten der Grenze zu prüfen, ob die Passagiere im Besitz des für die rechtmäßige Einreise in das nationale Hoheitsgebiet erforderlichen Reisepasses und Aufenthaltstitels sind, und die diesen Beförderungsunternehmern für den Fall der Verletzung dieser Pflicht ein Zwangsgeld androhen, wenn diese Rechtsvorschriften für Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze gelten.

3.      Falls die zuständigen nationalen Behörden feststellen, dass ein Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze seine Tätigkeit benutzt, um vorsätzlich Drittstaatsangehörigen Beihilfe bei der illegalen Einreise in das Hoheitsgebiet des Bestimmungsmitgliedstaats zu leisten, und entscheiden, dass sowohl die objektiven als auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Straftat der Beihilfe zur unrechtmäßigen Einreise im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2002/90 des Rates vom 28. November 2002 zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt erfüllt sind, müssen diese Behörden die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass diese Straftat Gegenstand einer wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden strafrechtlichen Sanktion gemäß den im Rahmenbeschluss 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt dargelegten Grundsätzen ist.


1 Originalsprache: Französisch.


2      Nach der Definition des Unionsgesetzgebers in Art. 2 Nr. 14 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (ABl. 2006, L 105, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 610/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 geänderten Fassung (ABl. 2013, L 182, S. 1) (im Folgenden: Schengener Grenzkodex) ist unter einem „‚Beförderungsunternehmer‘ eine natürliche oder juristische Person, die gewerblich die Beförderung von Personen durchführt“, zu verstehen. Die Verordnung Nr. 562/2006 wurde aufgehoben und durch die Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. 2016, L 77, S. 1) ersetzt. Zum Zeitpunkt der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ereignisse war die Verordnung Nr. 562/2006 anwendbar.


3      BGBl. 2004 I, S. 1950 in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: AufenthG).


4      Die Durchführung dieses Paragrafen ist in den Nrn. 63.1 und 63.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 (GMBl. 2009, S. 878, im Folgenden: Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG) geregelt.


5      Übereinkommen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, unterzeichnet in Schengen (Luxemburg) am 19. Juni 1990 (ABl. 2000, L 239, S. 19, im Folgenden: SDÜ).


6      Richtlinie des Rates vom 28. Juni 2001 zur Ergänzung der Regelungen nach Artikel 26 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen (ABl. 2001, L 187, S. 45).


7      Vgl. insoweit die vergleichende Analyse von Bruycker, P., „Rapport de synthèse concernant la transposition de la directive visant à compléter les dispositions de l’article 26 de la Convention d’Application de l’Accord de Schengen du 14 juin 1985“, Actualité du droit européen de l’immigration et de l’asile, Bruylant, Brüssel, 2005, S. 417 bis 424, sowie jene des Europäischen Migrationsnetzwerks mit dem Titel „Ad-Hoc Query on implementing Council Directive 2001/51/EC“ vom 13. Dezember 2012, abrufbar unter folgender Internetadresse: https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/networks/european_migration_network/reports/docs/Ad-hoc-queries/eu-acquis/436_emn_ad-hoc_query_on_implementing_council_directive_200151ec_5november2012_wider_dissemination_de.pdf.


8      Wie aus der in Fn. 7 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Studie des Europäischen Migrationsnetzwerks hervorgeht, machen die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften ebenso wie, so scheint es, viele andere keinen Unterschied zwischen Beförderungsunternehmern, die die Passagiere aus einem Mitgliedstaat des Schengenraums und solchen, die sie aus einem Drittstaat verbringen.


9      Vgl. Labayle, H., „La suppression des contrôles aux frontières intérieures de l’Union“, Les frontières de l’Union européenne, Bruylant, Brüssel, 2013, S. 19 bis 53, der darauf hinweist, dass „diese Abschaffung … die Grundlage für eine der bemerkenswertesten Errungenschaften der Union … ist, nämlich für einen ‚Raum‘, in dem die Personenfreizügigkeit möglich ist“ (S. 19).


10      C‑188/10 und C‑189/10, EU:C:2010:363.


11      C‑278/12 PPU, EU:C:2012:508.


12      C‑9/16, EU:C:2017:483.


13      So befreien bestimmte Mitgliedstaaten die Busunternehmen von der Geldbuße, die für die Verletzung ihrer Kontrollpflicht bei Überschreiten der Außengrenzen vorgesehen ist, wenn sie entweder eine Kontrolle bei der Einreise in das Gebiet eines Mitgliedstaats, für den der Schengen-Besitzstand gilt, oder eine Kontrolle durch die zuständigen Stellen bei der Einreise in das nationale Hoheitsgebiet nachweisen.


14      Ich halte einen solchen Mechanismus für kritikwürdig, weil er bei Drittstaatsangehörigen, die nicht die erforderlichen Reisedokumente besitzen, keinen Unterschied zwischen Illegalen und Asylbewerbern macht. Sekundäre Migrationsbewegungen schließen auch Personen ein, die internationalen Schutz in Anspruch nehmen können. Beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts sind Asylbewerber zwar gehalten, ihren Antrag im ersten Mitgliedstaat zu stellen, in den sie einreisen, jedoch gibt es viele, die sich illegal im Schengen-Raum bewegen, weil sie glauben, in einem bestimmten Mitgliedstaat größere Chancen zu haben, einen Flüchtlingsstatus zu erlangen, als in einem anderen, da trotz Harmonisierung noch ein System nationaler Asylregelungen besteht.


15      Richtlinie des Rates vom 28. November 2002 zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. 2002, L 328, S. 17).


16      Rahmenbeschluss des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. 2002, L 328, S. 1).


17      Diese Maßnahmen gelten unbeschadet des Schutzes, der für Flüchtlinge und Asylbewerber zu gewähren ist.


18      Nach Art. 6 des Rahmenbeschlusses 2002/946 gilt dieser Mechanismus unbeschadet des Schutzes, der Flüchtlingen und Asylbewerbern zu gewähren ist.


19      In Kapitel 6 („Weitere Maßnahmen“) forderte Art. 27 Abs. 1 SDÜ, dass sich „[d]ie Vertragsparteien verpflichten …, angemessene Sanktionen gegen jede Person vorzusehen, die zu Erwerbszwecken einem Drittausländer hilft oder zu helfen versucht, in das Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien unter Verletzung ihrer Rechtsvorschriften in Bezug auf die Einreise und den Aufenthalt von Drittausländern einzureisen oder sich dort aufzuhalten“.


20      Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/90 und des Rahmenbeschlusses 2002/946 führte der Unionsgesetzgeber aus, dass „Maßnahmen getroffen werden [sollten], um die Beihilfe zur illegalen Einwanderung zu bekämpfen, und zwar sowohl, wenn diese den unerlaubten Grenzübertritt im engeren Sinne betrifft, als auch, wenn dadurch ein Netzwerk zur Ausbeutung von Menschen unterhalten wird“, Hervorhebung nur hier.


21      C‑188/10 und C‑189/10, EU:C:2010:363.


22      C‑278/12 PPU, EU:C:2012:508.


23      C‑9/16, EU:C:2017:483.


24      BGBl. 1994 I, S. 2978.


25      Dieses Protokoll wurde im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2006/616/EG des Rates vom 24. Juli 2006 über den Abschluss – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität in Bezug auf diejenigen Bestimmungen des Zusatzprotokolls, die in den Anwendungsbereich der Artikel 179 und 181a des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft fallen (ABl. 2006, L 262, S. 24), und durch den Beschluss 2006/617/EG des Rates vom 24. Juli 2006 über den Abschluss – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität in Bezug auf diejenigen Bestimmungen des Zusatzprotokolls, die in den Anwendungsbereich von Titel IV des Dritten Teils des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft fallen (ABl. 2006, L 262, S. 34), genehmigt (im Folgenden: Zusatzprotokoll der Vereinten Nationen).


26      In Art. 2 Nr. 8 dieses Kodex werden Grenzübergangsstellen als von den zuständigen Behörden für das Überschreiten der Außengrenzen zugelassene Orte des Grenzübertritts definiert.


27      Vgl. insoweit Urteile vom 19. Juli 2012, Adil (C‑278/12 PPU, EU:C:2012:508, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 21. Juni 2017, A (C‑9/16, EU:C:2017:483, Rn. 42).


28      Vgl. insoweit fünfter Erwägungsgrund und erste Empfehlung der Empfehlung der Kommission vom 12. Mai 2017 zu verhältnismäßigen Polizeikontrollen und zur polizeilichen Zusammenarbeit im Schengen-Raum (C[2017] 3349 final).


29      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. 2008, L 348, S. 98).


30      Dieses Kriterium wurde vom Gerichtshof in Rn. 72 des Urteils vom 7. Juni 2016, Affum (C‑47/15, EU:C:2016:408), zur Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/115 angewandt. Diese Vorschrift bestimmt, dass das Aufgreifen oder Abfangen des Drittstaatsangehörigen „in Verbindung mit dem illegalen Überschreiten“ einer Außengrenze erfolgen muss. Nach Auffassung des Gerichtshofs setzt dies einen unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zu dem Grenzübertritt voraus und betrifft Drittstaatsangehörige, die von den zuständigen Behörden zum Zeitpunkt des illegalen Überschreitens der Außengrenze selbst oder nach dem Übertritt in der Nähe dieser Grenze aufgegriffen oder abgefangen worden sind.


31      Hervorhebung nur hier.


32      Vgl. hierzu Lantero, C., „La politique de sanction des transporteurs“, Les flux migratoires au sein de l’Union européenne, Bruylant, Brüssel, 2017, S. 265 bis 281, der von „dispositifs de non-entrée“ („Mechanismen der Nicht-Einreise“) spricht (S. 265), Cuttitta, P., „Le monde frontière. Le contrôle de l’immigration dans l’espace globalisé“, Cultures et conflits, OpenEdition, Marseille, 2007, Nr. 68, S. 61 bis 84, der wiederum von einer „flexibilisation … de la frontière à travers la délocalisation des contrôles“ („Flexibilisierung … der Grenze über die Auslagerung der Kontrollen“) spricht (S. 69), Guiraudon, V., „Logiques et pratiques de l’État délégateur: les compagnies de transport dans le contrôle migratoire à distance, parties 1 et 2“, Cultures et conflits, OpenEdition, Marseille, 2002, Nr. 45, S. 51 bis 79, und Rossetto, J., „Le contrôle de l’immigration“, Les frontières de l’Union européenne, Bruylant, Brüssel, 2013, S. 111 bis 129, insbesondere S. 121.


33      Vgl. Cruz, A., Nouveaux contrôleurs d’immigration: transporteurs menacés de sanctions, L’Harmattan, Paris, 1995.


34      Vgl. insoweit zusätzlich zu den bereits angeführten Werken und Aufsätzen Carlier, J.‑Y., „Les transporteurs, nouveaux contrôleurs des migrations internationales? À propos des sanctions à charge des transporteurs qui prennent à leur bord des personnes non munies des documents requis pour leur entrée dans le pays de destination“, Liber amicorum Jacques Putzeys, études de droit des transports, Bruylant, Brüssel, 1996, S. 15 bis 35, Dumas, P., L’accès des ressortissants de pays tiers au territoire des États membres de l’Union européenne, Dissertation 2010, Bruylant, Brüssel, 2013, S. 220 ff., und Le Bourhis, K., Les transporteurs et le contrôle des flux migratoires, L’Harmattan, Paris, 2001, S. 61.


35      Richtlinie des Rates vom 29. April 2004 über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln (ABl. 2004, L 261, S. 24).


36      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2017 über ein Einreise-/Ausreisesystem (EES) zur Erfassung der Ein- und Ausreisedaten sowie der Einreiseverweigerungsdaten von Drittstaatsangehörigen an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten und zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zum EES zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken und zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen sowie der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008 und (EU) Nr. 1077/2011 (ABl. 2017, L 327, S. 20).


37      Auf der Grundlage dieser Angaben erhalten Beförderungsunternehmer von dem Web-Dienst entweder die Antwort „OK“ („zulässig“) oder „NOT OK“ („nicht zulässig“). Beförderungsunternehmer dürfen die übermittelten Angaben und die erhaltene Antwort speichern und müssen ein Authentifizierungssystem einrichten, mit dem sichergestellt wird, dass nur dazu befugtes Personal Zugriff auf diesen Dienst hat.


38      Ministère de l’Intérieur (Innenministerium), „Rapport au Parlement: responsabilité des transporteurs. L’application de la loi n° 92‑190 du 26 février 1992 du 1er mars 1993 au 31 décembre 1995“, Direction des Libertés publiques et de l’action judiciaire, Paris, 1996.


39      Garcia Coso, E., „Spain – Report on the transposition of the Directive supplementing Article 26 of the Schengen Convention“, Actualité du droit européen de l’immigration et de l’asile, Bruylant, Brüssel, 2005, S. 481 bis 485, insbesondere S. 484.


40      Vgl. Décision n° 92‑307 du Conseil constitutionnel (France), du 25 février 1992, sur la loi portant modification de l’ordonnance n° 45‑2658 du 2 novembre 1945 modifiée relative aux conditions d’entrée et de séjour des étrangers en France (Beschluss Nr. 92‑307 des Verfassungsrats [Frankreich] vom 25. Februar 1992 über das Gesetz zur Änderung der geänderten Verordnung Nr. 45‑2658 vom 2. November 1945 über die Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen von Ausländern in Frankreich) (32. Erwägungsgrund).


41      Vgl. hierzu Lochak, D., „Commentaire de la décision du Conseil constitutionnel du 25 février 1992 (Entrée et séjour des étrangers)“, Journal du droit international (Clunet), LexisNexis, Paris, Juli 1992, S. 669 bis 692, insbesondere S. 690, und Dumas, P., a. a. O., insbesondere S. 224.


42      Wenn man diesen hier entsprechend auf die Binnengrenzen anwendet.


43      Angesichts der Auslegung, die ich dem Gerichtshof vorschlage, werde ich die Unterfragen des vorlegenden Gerichts zur Auslegung von Art. 21 Buchst. a und b des Schengener Grenzkodex nicht beantworten.


44      C‑9/16, EU:C:2017:483.


45      Empfehlung angeführt in Fn. 28 der vorliegenden Schlussanträge.


46      Vgl. erster Erwägungsgrund dieser Empfehlung.


47      Vgl. sechster Erwägungsgrund dieser Empfehlung.


48      In Rn. 1 ihres Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 in Bezug auf die Vorschriften über die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen (COM[2017] 571 final) weist die Kommission darauf hin, dass wegen der Migrationskrise und terroristischer Anschläge die Kontrolle an den Binnengrenzen, deren Grundsätze und Modalitäten im Schengener Grenzkodex geregelt sind, wiedereingeführt und seit September 2015 fast 50-mal verlängert wurde, sei es wegen einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit (Art. 25 dieses Kodex), sei es aufgrund außergewöhnlicher Umstände, die das Funktionieren des Schengen-Raums insgesamt gefährden (Art. 26 dieses Kodex).


49      Siehe den in der vorstehenden Fußnote angeführten Vorschlag.


50      Zu diesen Maßnahmen, die die Kommission in ihrer Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat mit dem Titel „Schengen bewahren und stärken“ (COM[2017] 570 final) aufzählt, gehören vor allem die neue Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex), die Schaffung von Hotspots und aufgrund terroristischer Bedrohungen die Verpflichtung, alle Reisenden, auch Unionsbürger, einem systematischen Abgleich mit den einschlägigen Datenbanken zu unterziehen (S. 5 bis 7).


51      Diese Vorschrift ist gleichlautend mit Art. 15 der Verordnung 2016/399, die den auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Schengener Grenzkodex ersetzt hat.


52      In der Verfahrenssprache: „in Übereinstimmung und in Umsetzung“.


53      Diese Vorschriften wurden vom Gerichtshof im Rahmen des Urteils vom 10. April 2012, Vo (C‑83/12 PPU, EU:C:2012:202), geprüft.


54      Vgl. deren fünften Erwägungsgrund.


55      Vgl. Briefing des Europäischen Parlaments mit dem Titel „Bekämpfung der Schleusung von Migranten in die EU, Wichtigste Instrumente“, April 2016, abrufbar unter folgender Internetadresse: http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2016/581391/EPRS_BRI%282016%29581391_DE.pdf (S. 2, 6 und 14).


56      Hervorhebung nur hier.


57      Der Markt für Schleuser ist außerordentlich flexibel, wobei die handelnden Personen ihre Strategien an verstärkte nationale Rechtsvorschriften und Grenzkontrollen anpassen.


58      Vgl. dritter Erwägungsgrund dieser Richtlinie und dieses Rahmenbeschlusses.


59      Nach Art. 3 dieser Richtlinie müssen diese Handlungen Gegenstand wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen sein, deren Art und Ausmaß in Art. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/946 festgelegt sind.


60      „Die Schleusung von Migranten ist ein komplexer Sachverhalt, die Vorgehensweise der Schleuser ist oft sehr flexibel und ändert sich häufig. Daher ist es wichtig, das Thema von einer ganzheitlichen Perspektive aus anzugehen …“, Briefing des Europäischen Parlaments, in Fn. 55 der vorliegenden Schlussanträge angeführt (S. 14).


61      Die Definition der Straftat in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2002/90 zielt ebenso wie die in dessen Vorläuferartikel 27 SDÜ auf die Bekämpfung von Schleusernetzen mit Gewinnabsicht ab.


62      Das Europäische Migrationsnetzwerk hat betont, dass sich diese handelnden Personen sowohl in Drittländern als auch in Mitgliedstaaten der Union befinden, wo sie die Sekundärmigration erleichtern. Innerhalb der Union besitzen die Schleuser oft die Staatsangehörigkeit des Transit- oder Bestimmungslandes. Vgl. Studie zur Schleusung von Migranten, Charakteristika, Antworten und Zusammenarbeit mit Drittländern, Zusammenfassung, September 2015, abrufbar unter folgender Internetadresse: https://emnbelgium.be/sites/default/files/publications/study_on_smuggling_of_migrants_executive_summary_french_091115_pdf.pdf (Nr. 1.3.2).


63      Die Schleusung von Migranten ist eine Straftat im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. a des Zusatzprotokolls der Vereinten Nationen. Nach Art. 3 Buchst. a dieses Protokolls wird diese Straftat in ihren objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen definiert als die vorsätzliche Herbeiführung der illegalen Einreise einer Person in einen Vertragsstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht ist oder in dem sie keinen ständigen Aufenthalt hat, mit dem Ziel, sich unmittelbar oder mittelbar einen finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteil zu verschaffen.


64      Vgl. Abs. 1 Buchst. a dieses Artikels, Hervorhebung nur hier.


65      Vgl. neue Vorschriften im Rahmen der Verordnung 2017/2226, insbesondere deren 16. Erwägungsgrund und deren Art. 13 Abs. 3.