Language of document : ECLI:EU:T:2020:592

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

9. Dezember 2020(*)

„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Unionsbildmarke BASIC – Ältere nationale Handelsnamen basic und basic AG – Relative Eintragungshindernisse – Benutzung eines Zeichens von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung im geschäftlichen Verkehr – Art. 8 Abs. 4 und Art. 53 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 4 und Art. 60 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung [EU] 2017/1001) – Teilweise Nichtigerklärung – Entscheidung, die ergangen ist, nachdem das Gericht eine ältere Entscheidung aufgehoben hat – Zurückverweisung der Sache an eine Beschwerdekammer – Unzuständigkeit der zurückverweisenden Stelle – Art. 1d der Verordnung (EG) Nr. 216/96 – Anschlussklage“

In der Rechtssache T‑722/18,

Repsol, SA, mit Sitz in Madrid (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J.‑B. Devaureix und J. C. Erdozain López,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch H. O’Neill und V. Ruzek als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Basic AG Lebensmittelhandel mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin D. Altenburg,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 22. August 2018 (Sache R 178/2018‑2) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Basic Lebensmittelhandel und Repsol

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins (Berichterstatter) sowie der Richter V. Kreuschitz und G. De Baere,

Kanzler: A. Juhász-Tóth, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 7. Dezember 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 4. März 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 27. Februar 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der am 27. Februar 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Anschlussklage der Streithelferin,

aufgrund der am 10. Juli 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Anschlussklagebeantwortung der Klägerin,

aufgrund der am 28. Juni 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Anschlussklagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der Antworten auf die prozessleitenden Maßnahmen, die das EUIPO am 4. März 2020 und die Klägerin am 6. März 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht haben,

auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2020

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 29. Januar 2007 meldete die Klägerin, die Repsol, SA, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke [ABl. 2009, L 78, S. 1] in geänderter Fassung, die ihrerseits durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1] ersetzt worden ist) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Bildzeichen unter Beanspruchung der Farben Blau, Rot, Orange und Weiß:

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3        Die Marke wurde u. a. für folgende Dienstleistungen der Klassen 35 und 39 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 35: „Gewerblicher Einzelhandel in Bezug auf Tabak, Presse, Batterien, Spielsachen“;

–        Klasse 39: „Vertrieb von Grundnahrungsmitteln, feinen Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis, Fertiggerichten, Tabak, Presseerzeugnissen, Batterien, Spielzeug“.

4        Die Anmeldung der Unionsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 34/2007 vom 16. Juli 2007 veröffentlicht.

5        Die angegriffene Marke wurde am 4. Mai 2009 unter der Nr. 5648159 eingetragen.

6        Am 26. September 2011 stellte die Streithelferin, die Basic AG Lebensmittelhandel, einen Antrag auf teilweise Nichtigerklärung der angegriffenen Marke in Bezug auf die oben in Rn. 3 aufgeführten Dienstleistungen.

7        Der genannte Antrag wurde auf Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 60 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001) in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 1 Buchst. b (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) und auf Art. 53 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 60 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001) in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 4 (jetzt Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001) gestützt.

8        Soweit der von der Streithelferin gestellte Antrag auf Nichtigerklärung auf Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 1 Buchst. b gestützt war, berief sich die Streithelferin auf folgende ältere Unionsbildmarke, die am 15. Januar 2004 angemeldet, am 29. April 2005 eingetragen und ordnungsgemäß verlängert worden war:

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9        Mit der genannten älteren Marke wurden Waren und Dienstleistungen der Klassen 29 bis 33, 35, 42 und 43 gekennzeichnet.

10      Soweit der von der Streithelferin gestellte Antrag auf Nichtigerklärung auf Art. 53 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 4 gestützt war, berief sich die Streithelferin auf die „Unternehmenskennzeichen“ im Sinne von § 5 des Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (im Folgenden: Markengesetz) vom 25. Oktober 1994 (BGBl. 1994 I, S. 3082, und BGBl. 1995 I, S. 156) basic und basic AG, die sie im geschäftlichen Verkehr in Deutschland und in Österreich für die Erbringung von „Einzelhandelsdienstleistungen betreffend Nahrungsmittel, Drogeriewaren, Bioprodukte und andere Waren des täglichen Bedarfs, Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen (Lebensmittel)“ benutze.

11      Zur Substantiierung ihrer Rechte an den genannten Unternehmenskennzeichen legte die Streithelferin ihrem Antrag auf Nichtigerklärung eine Reihe von Beweisstücken bei, die Screenshots von ihrer Website, ihre Jahresberichte für die Jahre 2004 bis 2006, Lieferantenschreiben, einen Lieferschein, Rechnungen, Verkaufsstatistiken, eine eidesstattliche Erklärung eines Mitglieds ihrer Vertriebsabteilung, detaillierte Tabellen ihrer Umsätze, Geschäftsbroschüren, Werbematerial, ein Diplom „Unternehmer des Jahres 2006“ für zwei ihrer Führungskräfte, Presseausschnitte aus den Jahren 2003 bis 2006 und ein Urteil des Landgerichts München I (Deutschland) vom 9. September 2006 umfassten.

12      In ihrem Antrag auf Nichtigerklärung führte die Streithelferin auch die einschlägigen Vorschriften der §§ 5 und 15 des Markengesetzes und Entscheidungen deutscher Gerichte an, in denen diese Vorschriften ausgelegt werden.

13      Am 24. Mai 2012 antwortete die Streithelferin auf die am 29. Dezember 2011 eingereichte Stellungnahme der Klägerin und legte eine Reihe von Beweisstücken zum Nachweis dafür vor, dass die oben in Rn. 8 wiedergegebene ältere Bildmarke ernsthaft benutzt worden sei. Ihrer am 4. März 2013 eingereichten Stellungnahme legte sie ergänzende Beweisstücke bei.

14      Mit Entscheidung vom 8. Oktober 2013 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag auf Nichtigerklärung auf der Grundlage von Art. 53 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 4 statt und erklärte die angegriffene Marke teilweise für nichtig, nämlich insoweit, als sie für die oben in Rn. 3 aufgeführten Dienstleistungen eingetragen war. Nach Ansicht der Nichtigkeitsabteilung brauchte daher der auf Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 1 Buchst. b gestützte Nichtigkeitsgrund nicht geprüft zu werden.

15      Am 2. Dezember 2013 legte die Klägerin beim EUIPO nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001) Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

16      Mit Entscheidung vom 11. August 2015 bestätigte die Erste Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung und wies die Beschwerde zurück. Ihrer Ansicht nach hatte die Nichtigkeitsabteilung den in Art. 53 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 4 vorgesehenen Nichtigkeitsgrund korrekt angewandt. Insoweit stellte sie u. a. fest, dass sich aus den von der Streithelferin vorgelegten Beweisstücken rechtlich hinreichend ergebe, dass die älteren Zeichen basic und basic AG mit mehr als lediglich örtlicher Bedeutung im Sinne der letztgenannten Bestimmung im geschäftlichen Verkehr benutzt worden seien. Ebenso wie die Nichtigkeitsabteilung war sie der Ansicht, dass der auf Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 1 Buchst. b gestützte Nichtigkeitsgrund nicht geprüft zu werden brauche.

17      Mit am 29. Oktober 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob die Klägerin eine unter der Rechtssachennummer T‑609/15 in das Register eingetragene Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Beschwerdekammer vom 11. August 2015.

18      Mit Urteil vom 21. September 2017, Repsol YPF/EUIPO – Basic (BASIC) (T‑609/15, EU:T:2017:640), hat das Gericht die Entscheidung der Beschwerdekammer vom 11. August 2015 mit der Begründung aufgehoben, dass die Beschwerdekammer allein auf der Grundlage der Beweise, auf die sie die Entscheidung gestützt habe, nämlich die oben in Rn. 11 genannten, nicht den Schluss habe ziehen können, dass die Voraussetzung der Benutzung der geltend gemachten Zeichen im geschäftlichen Verkehr erfüllt sei. Das Gericht hat in Bezug auf den relevanten Zeitraum festgestellt, dass der Streithelferin der Nachweis oblegen habe, dass die Zeichen basic und basic AG im geschäftlichen Verkehr in Deutschland nicht nur zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung der angegriffenen Marke, sondern auch zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Nichtigerklärung benutzt worden seien. Die betreffenden Beweisstücke belegten in rechtlich hinreichender Weise zwar, dass die fraglichen Zeichen zum zuerst genannten Zeitpunkt im geschäftlichen Verkehr in Deutschland benutzt wurden, doch belegten sie nicht, dass diese Zeichen im zuletzt genannten Zeitpunkt noch immer benutzt worden wären.

19      Auf der Grundlage der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1430 der Kommission vom 18. Mai 2017 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 207/2009 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 und der Verordnung (EG) Nr. 216/96 (ABl. 2017, L 205, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Delegierte Verordnung [EU] 2018/625 der Kommission vom 5. März 2018 zur Ergänzung der Verordnung 2017/1001 und zur Aufhebung der Delegierten Verordnung 2017/1430 [ABl. 2018, L 104, S. 1]) und insbesondere auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 4 (jetzt Art. 35 Abs. 4 der Delegierten Verordnung 2018/625) wurde am 24. Januar 2018 die Sache im Nachgang des Urteils vom 21. September 2017, BASIC (T‑609/15, EU:T:2017:640), durch den Präsidenten der Beschwerdekammern an die Zweite Beschwerdekammer unter dem Aktenzeichen R 178/2018‑2 zurückverwiesen.

20      Mit Entscheidung vom 22. August 2018 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Zweite Beschwerdekammer nach Prüfung aller von der Streithelferin geltend gemachten Nichtigkeitsgründe die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung insoweit auf, als mit ihr dem Antrag auf Nichtigerklärung für die Dienstleistungen des „[gewerblichen Einzelhandels] in Bezug auf Tabak, Presse, Batterien, Spielsachen“ der Klasse 35 und des „Vertrieb[s] von Tabak, Presseerzeugnissen, Batterien, Spielzeug“ der Klasse 39 stattgegeben worden war. Dagegen bestätigte sie die zuletzt genannte Entscheidung insoweit, als mit ihr dem Antrag auf Nichtigerklärung für den „Vertrieb von Grundnahrungsmitteln, feinen Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis, Fertiggerichten“ der Klasse 39 stattgegeben worden war. Die genannte Beschwerdekammer kam zu diesen Schlussfolgerungen, nachdem sie im Rahmen ihrer Prüfung des in Art. 53 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 4 vorgesehenen Nichtigkeitsgrundes u. a. die von der Streithelferin am 24. Mai 2012 vorgelegten Beweisstücke (siehe oben, Rn. 13) gewürdigt hatte.

 Anträge der Parteien

 Zu den zur Stützung der Klage gestellten Anträgen

21      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

22      Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Zu den zur Stützung der Anschlussklage gestellten Anträgen

23      Die Streithelferin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung insoweit aufzuheben, als mit ihr die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung aufgehoben wird;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

24      Die Klägerin beantragt,

–        die Anschlussklage abzuweisen;

–        der Streithelferin die Kosten ihrer Anschlussklagebeantwortung aufzuerlegen.

25      Das EUIPO beantragt,

–        der Anschlussklage insoweit stattzugeben, als sie auf die teilweise Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 4 gerichtet ist;

–        hilfsweise, die Anschlussklage insoweit abzuweisen, als sie auf die teilweise Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 1 Buchst. b gerichtet ist.

 Rechtliche Würdigung

26      Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin zwei Gründe geltend. Erstens und primär rügt sie einen Verstoß gegen Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 72 Abs. 6 der Verordnung 2017/1001). Der zweite, hilfsweise geltend gemachte Klagegrund wird auf einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 gestützt.

27      Zur Stützung der Anschlussklage macht die Streithelferin zwei Gründe geltend. Der Erste wird auf eine fehlerhafte Anwendung des in Art. 53 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 4 vorgesehenen Nichtigkeitsgrundes gestützt. Der Zweite wird auf eine fehlerhafte Anwendung des in Art. 53 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 1 Buchst. b vorgesehenen Nichtigkeitsgrundes gestützt.

28      Der erste Klagegrund der Klägerin ist in zwei Teile gegliedert. Im Rahmen des ersten Teiles macht sie geltend, die Sache sei der Zweiten Beschwerdekammer auf einer unzutreffenden Rechtsgrundlage, nämlich Art. 35 Abs. 4 der Delegierten Verordnung 2017/1430, neu zugewiesen worden. Im Rahmen des zweiten Teiles ihres Klagegrundes rügt sie einen Verstoß gegen Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009, indem sie im Kern der Beschwerdekammer zum Vorwurf macht, diese habe dadurch gegen die Rechtskraft des Urteils vom 21. September 2017, BASIC (T‑609/15, EU:T:2017:640), verstoßen, dass sie in der angefochtenen Entscheidung bei ihrer Prüfung des in Art. 53 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 in Verbindung mit deren Art. 8 Abs. 4 vorgesehenen Nichtigkeitsgrundes ergänzende Beweisstücke berücksichtigt habe, die am 24. Mai 2012 vorgelegt worden seien.

29      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

30      Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes der Klägerin ist festzustellen, dass – wie im Übrigen zwischen den Parteien unstreitig ist – die Vorschrift, auf deren Grundlage die Sache im Nachgang des Urteils vom 21. September 2017, BASIC (T‑609/15, EU:T:2017:640), erneut einer Beschwerdekammer hätte zugewiesen werden müssen, nicht Art. 35 Abs. 4 der Delegierten Verordnung 2017/1430, sondern Art. 1d der Verordnung (EG) Nr. 216/96 der Kommission vom 5. Februar 1996 über die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (ABl. 1996, L 28, S. 11) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2082/2004 der Kommission vom 6. Dezember 2004 (ABl. 2004, L 360, S. 8) geänderten Fassung war.

31      Denn mit Art. 80 der Delegierten Verordnung 2017/1430 wurde zwar u. a. die Verordnung Nr. 216/96 aufgehoben, doch sah er vor, dass diese Verordnung „im Fall laufender Verfahren, für welche [die Delegierte Verordnung 2017/1430] gemäß Artikel 81 nicht [galt], … weiterhin bis zu deren Abschluss“ galt. Aus Art. 81 Abs. 2 Buchst. j der Delegierten Verordnung 2017/1430 ging indessen hervor, dass ihr Titel V, zu dem u. a. ihr Art. 35 Abs. 4 gehörte, nicht für Beschwerden galt, die vor dem 1. Oktober 2017 bei der Beschwerdekammer eingereicht wurden. Dies ist hier aber der Fall, da das Urteil vom 21. September 2017, BASIC (T‑609/15, EU:T:2017:640), mit dem die Entscheidung der Beschwerdekammer vom 11. August 2015 vollständig aufgehoben worden ist, bewirkt hat, dass dieser Entscheidung rückwirkend ihr rechtlicher Bestand genommen worden ist und die von der Klägerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung am 2. Dezember 2013 – also vor dem 1. Oktober 2017 – beim EUIPO eingelegte Beschwerde wieder anhängig geworden ist.

32      Art. 1d („Zurückverweisung einer Sache aufgrund eines Urteils des Gerichtshofs“) der Verordnung Nr. 216/96 in der geänderten Fassung sah Folgendes vor:

„(1)      Wenn die Maßnahmen nach Artikel [65] Absatz 6 der Verordnung [Nr. 207/2009], die sich aus einem Urteil des Gerichtshofs ergeben, durch das die Entscheidung einer Beschwerdekammer oder der Großen Kammer ganz oder teilweise aufgehoben wird, eine erneute Prüfung der Sache durch die Beschwerdekammern beinhalten, entscheidet das Präsidium, ob die Sache an die Kammer, die die Entscheidung getroffen hat, zurückverwiesen oder an eine andere Kammer oder die Große Kammer verwiesen wird.

(2)      Wird die Sache an eine andere Kammer verwiesen, so gehört dieser keines der Mitglieder an, die die angefochtene Entscheidung getroffen haben. Diese Bestimmung gilt nicht, wenn die Sache an die Große Kammer verwiesen wird.“

33      Art. 35 Abs. 4 der Delegierten Verordnung 2017/1430 sah Folgendes vor:

„Wurde eine Entscheidung einer Beschwerdekammer durch ein rechtskräftiges Urteil des Gerichts oder gegebenenfalls des Gerichtshofs aufgehoben oder abgeändert, weist der Präsident der Beschwerdekammern mit Blick auf die Umsetzung dieses Urteils gemäß Artikel 65 Absatz 6 der Verordnung … Nr. 207/2009 den Fall nach Absatz 1 dieses Artikels erneut einer Beschwerdekammer zu, der jene Mitglieder, welche die aufgehobene Entscheidung getroffen haben, nicht angehören dürfen, es sei denn, der Fall wird der erweiterten Beschwerdekammer … zugewiesen oder die aufgehobene Entscheidung wurde von der Großen Kammer getroffen.“

34      Somit fiel gemäß Art. 1d Abs. 1 der Verordnung Nr. 216/96 in der geänderten Fassung die Entscheidung, eine Sache im Nachgang zu einem Aufhebungsurteil erneut einer Beschwerdekammer zuzuweisen, in die Zuständigkeit des Präsidiums der Beschwerdekammern, während gemäß Art. 35 Abs. 4 der Delegierten Verordnung 2017/1430 diese Entscheidung in die Zuständigkeit des Präsidenten der Beschwerdekammern fiel. Folglich ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die Entscheidung, die Sache im Nachgang des Urteils vom 21. September 2017, BASIC (T‑609/15, EU:T:2017:640), der Zweiten Beschwerdekammer zuzuweisen, von einer dafür unzuständigen Stelle getroffen wurde, nämlich dem Präsidenten der Beschwerdekammern.

35      Das EUIPO stellt die vorstehende Schlussfolgerung zwar nicht in Frage, macht aber geltend, dass die erneute Zuweisung der betreffenden Sache zwar auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 4 der Delegierten Verordnung 2017/1430 vorgenommen worden sei, in der Praxis aber dennoch den Anforderungen von Art. 1d der Verordnung Nr. 216/96 in der geänderten Fassung entsprochen habe. Seiner Ansicht nach kann nämlich angenommen werden, dass im vorliegenden Fall das Präsidium die Neuzuweisung der Sache an die Zweite Beschwerdekammer geprüft und gebilligt habe, da es in seiner Sitzung vom 23. April 2018 keine Einwände gegen diese Neuzuweisung erhoben habe; diese Neuzuweisung sei in einem Bericht erwähnt worden, der gemäß einer seit 1. Oktober 2017 anwendbaren Entscheidung des Präsidenten der Beschwerdekammern von diesem gebilligt und dem Präsidium vorgelegt werde, um es über die in einem bestimmten Zeitraum aufgehobenen Sachen zu informieren und ihm die Möglichkeit zu geben, zu deren Neuzuweisung gegebenenfalls Stellung zu nehmen.

36      Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Denn die bloße Tatsache, dass das Präsidium über eine Entscheidung der Neuzuweisung, die von einer unzuständigen Stelle, nämlich einer anderen Stelle als es selbst, getroffen worden war, in Kenntnis gesetzt worden ist und dass es gegen diese Entscheidung keine Einwände erhoben hat, kann nicht bedeuten, dass es als Urheber der fraglichen Entscheidung anzusehen und mithin die oben in Rn. 34 festgestellte Rechtswidrigkeit geheilt worden ist. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das EUIPO keine Rechtsvorschrift angegeben hat, die die entgegengesetzte Schlussfolgerung zuließe.

37      Auch das Vorbringen des EUIPO, dem sich die Streithelferin in der mündlichen Verhandlung angeschlossen hat, ist zurückzuweisen, wonach im vorliegenden Fall bei Anwendung von Art. 1d der Verordnung Nr. 216/96 in der geänderten Fassung das Ergebnis in dem Sinne dasselbe gewesen wäre, dass die Sache dann ebenfalls einer Beschwerdekammer zu erneuter Prüfung zugewiesen worden wäre, und wonach die Klägerin nicht erkläre, inwiefern die Anwendung von Art. 35 Abs. 4 der Delegierten Verordnung 2017/1430 statt der oben genannten Vorschrift ihr einen Schaden verursacht habe.

38      Es trifft zu, dass nach der Rechtsprechung ein Verfahrensfehler nur dann die vollständige oder teilweise Aufhebung einer Entscheidung nach sich zieht, wenn die angefochtene Entscheidung ohne ihn nachweislich einen anderen Inhalt hätte haben können (vgl. Urteil vom 1. Februar 2018, Philip Morris Brands/EUIPO – Explosal [Superior Quality Cigarettes FILTER CIGARETTES Raquel], T‑105/16, EU:T:2018:51, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Im vorliegenden Fall ist allerdings festzustellen, dass das Vorbringen des EUIPO zu den Auswirkungen des Verstoßes gegen Art. 1d der Verordnung Nr. 216/96 in der geänderten Fassung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung völlig spekulativ ist. Zwar hätte das Präsidium in Anwendung dieser Vorschrift die Sache einer Beschwerdekammer zugewiesen, damit diese erneut über sie befinde. Desgleichen trifft es zu, dass die Wahl des Präsidiums auch auf die Zweite Beschwerdekammer hätte fallen können. Allerdings hätte es die Sache aber genauso gut an eine andere Beschwerdekammer verweisen können, einschließlich derjenigen, die die vom Gericht aufgehobene Entscheidung erlassen hatte, und sogar ohne im zuletzt genannten Fall im Gegensatz zu Art. 35 Abs. 4 der Delegierten Verordnung 2017/1430 verpflichtet zu sein, diese Kammer so zusammenzusetzen, dass ihr keines der Mitglieder angehört, die am Erlass der aufgehobenen Entscheidung beteiligt waren. Da die Auswahl und die Zusammensetzung der Beschwerdekammer ein dem Erlass der Entscheidung vorausgehender Schritt ist und einen maßgeblichen Einfluss auf deren Inhalt hat, lässt sich weder behaupten noch widerlegen, dass bei Verweisung einer Sache an eine andere Beschwerdekammer die von dieser zu erlassende Entscheidung eine andere wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juli 2013, Cytochroma Development/HABM – Teva Pharmaceutical Industries [ALPHAREN], T‑106/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:340, Rn. 31).

40      Schließlich macht das EUIPO ohne Erfolg geltend, dass die Klägerin vor der Zweiten Beschwerdekammer nicht die Frage aufgeworfen habe, dass die Neuzuweisung der Sache auf einer unzutreffenden Rechtsgrundlage erfolgt sei, obwohl ihr mit Schreiben der Geschäftsstelle der Beschwerdekammern vom 24. Januar 2018, also fast sieben Monate vor Erlass der angefochtenen Entscheidung, mitgeteilt worden sei, dass diese Sache auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 4 der Delegierten Verordnung 2017/1430 an die Zweite Beschwerdekammer verwiesen worden sei. Dieses Schreiben stellte nämlich nur ein einfaches Informationsschreiben dar, das keine Aufforderung zur etwaigen Stellungnahme enthielt.

41      Nach alledem greift der erste Teil des ersten Klagegrundes durch, so dass die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang aufzuheben ist, ohne dass der zweite Teil dieses Klagegrundes oder der zweite Klagegrund geprüft zu werden brauchen. Da diese Aufhebung zur Folge hat, dass die Anschlussklage, die auf die teilweise Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gerichtet ist, gegenstandslos wird, ist die Anschlussklage in der Hauptsache erledigt.

 Kosten

42      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Ferner entscheidet nach Art. 137 der Verfahrensordnung das Gericht über die Kosten nach freiem Ermessen, wenn es die Hauptsache für erledigt erklärt.

43      Im vorliegenden Fall sind in Bezug auf die Klage, da das EUIPO und die Streithelferin insoweit unterlegen sind, sie entsprechend dem Antrag der Klägerin zu verurteilen, ihre eigenen Kosten und die Kosten der Klägerin zu tragen. Hierbei tragen das EUIPO und die Streithelferin jeweils die Hälfte der Kosten der Klägerin.

44      In Bezug auf die Anschlussklage sind in Anbetracht dessen, dass die Begründetheit der Klage zum Wegfall des Gegenstands der Anschlussklage geführt hat, das EUIPO und die Streithelferin ebenfalls zu verurteilen, ihre eigenen Kosten und jeweils die Hälfte der Kosten der Klägerin zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 22. August 2018 (Sache R 178/20182) wird aufgehoben.

2.      Die Anschlussklage ist in der Hauptsache erledigt.

3.      Das EUIPO und die Basic AG Lebensmittelhandel tragen ihre eigenen Kosten und jeweils die Hälfte der Kosten der Repsol, SA.

Collins

Kreuschitz

De Baere

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. Dezember 2020.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.