Language of document : ECLI:EU:T:2011:192

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DER DRITTEN KAMMER
DES GERICHTS

3. Mai 2011(*)

„Vertraulichkeit“

In der Rechtssache T‑384/09

SKW Stahl-Metallurgie Holding AG mit Sitz in Unterneukirchen (Deutschland),

SKW Stahl-Metallurgie GmbH mit Sitz in Unterneukirchen,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Birnstiel, S. Janka und S. Dierckens,

Klägerinnen,

unterstützt durch

Arques Industries AG mit Sitz in Starnberg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Grave, A. Scheidtmann und B. Meyring,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch N. von Lingen und A. Antoniadis als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Böhlke,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung K (2009) 5791 endg. der Kommission vom 22. Juli 2009 in einem Verfahren nach Art. 81 des Vertrags und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) (Sache COMP/39.396 − Calciumcarbid und Reagenzien auf Magnesiumbasis für die Stahl‑ und Gasindustrien) betreffend ein Kartell auf dem Markt für Calciumcarbidpulver und ‑granulate sowie Magnesiumgranulate in einem bedeutenden Teil des EWR im Zusammenhang mit Preisfestsetzung, Marktaufteilung und Informationsaustausch sowie, hilfsweise, Aufhebung oder Herabsetzung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße

erlässt

DER PRÄSIDENT DER DRITTEN KAMMER DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

1        Die SKW Stahl-Metallurgie Holding AG (im Folgenden: SKW Holding) und die SKW Stahl-Metallurgie GmbH (im Folgenden: SKW) haben Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung K(2009) 5791 endg. der Kommission vom 22. Juli 2009 in einem Verfahren nach Art. 81 des Vertrags und Art. 53 des EWR‑Abkommens (Sache COMP/39.396 − Calciumcarbid und Reagenzien auf Magnesiumbasis für die Stahl‑ und Gasindustrien, im Folgenden: Entscheidung), mit der die Europäische Kommission insbesondere festgestellt hat, dass die Klägerin und die Streithelferin Arques Industries AG dadurch gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen haben, dass sie sich an einem Kartell auf dem Markt für Calciumcarbidpulver und ‑granulate sowie dem Markt für Magnesiumgranulate in einem bedeutenden Teil des EWR beteiligt haben. Mit ihrer Klage beantragen die Klägerinnen die Nichtigerklärung der Entscheidung, soweit sie sie betrifft, hilfsweise die Aufhebung oder Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße und die Verurteilung der Kommission zur Tragung der Kosten.

2        Aus der Entscheidung (Erwägungsgründe 26, 29 und 30) geht hervor, dass SKW in der Zeit vom 30. August 2004 bis 16. Januar 2007, dem Zeitpunkt, zu dem die mit der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung beendet war, soweit es die Klägerinnen betraf, eine 100%ige Tochter von SKW Holding war, die ihrerseits bis zum 30. November 2006 zu 100 % und sodann bis zum Ende der Zuwiderhandlung mehrheitlich von Arques Industries gehalten wurde.

3        Ferner geht aus der Entscheidung (226. Erwägungsgrund) hervor, dass die Kommission die unmittelbare Beteiligung von SKW am Kartell festgestellt hatte. In Bezug auf SKW Holding und Arques Industries war die Kommission der Ansicht, dass sie für das Verhalten von SKW hafteten, da sie während des größten Teils des Zuwiderhandlungszeitraums die Möglichkeit gehabt hätten, entscheidenden Einfluss auf deren Marktverhalten auszuüben und einen solchen Einfluss tatsächlich ausgeübt hätten (227. Erwägungsgrund der Entscheidung).

 Zum Streithilfeantrag

4        Arques Industries hat mit Schriftsatz, der am 21. Januar 2010 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen beantragt.

5        Dieser Antrag ist den Parteien gemäß Art. 116 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts zugestellt worden.

6        Mit Beschluss vom 2. Juli 2010 hat der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts dem Antrag auf Zulassung als Streithelfer stattgegeben. Da die Klägerinnen gemäß Art. 116 § 2 der Verfahrensordnung beantragt hatten, einige vertrauliche Unterlagen von der Übermittlung an die Streithelferin auszunehmen (siehe nachstehende Randnr. 8), und für die Zwecke dieser Übermittlung eine nicht vertrauliche Fassung der betreffenden Schriftsätze und Unterlagen vorgelegt hatten, hat das Gericht angeordnet, der Streithelferin eine nicht vertrauliche Fassung eines jeden den Parteien zugestellten Schriftstücks zu übermitteln.

7        Infolge der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist der ursprünglich benannte Berichterstatter der Dritten Kammer zugewiesen worden, an die die vorliegende Rechtssache demzufolge verwiesen worden ist. Wegen der teilweisen Neubesetzung des Gerichts ist die vorliegende Rechtssache einem neuen Berichterstatter in derselben Kammer zugewiesen worden.

 Zum Antrag auf vertrauliche Behandlung

8        Mit am 22. Februar und 23. April 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsätzen haben die Klägerinnen die vertrauliche Behandlung einiger Textpassagen und Unterlagen in der Klageschrift und einer Randnummer ihrer Erwiderung beantragt. Im Einzelnen haben die Klägerinnen die vertrauliche Behandlung

–        der Randnrn. 27, 56 bis 63, 70, 72, 115 und 116 der Klageschrift;

–        der Anlagen A.3 bis A.11 und A.13 zur Klageschrift;

–        der Randnr. 17 der Erwiderung

beantragt.

9        Zur Stützung ihrer Anträge auf vertrauliche Behandlung machen die Klägerinnen geltend, dass die betreffenden Textpassagen der Schriftsätze und die Anlagen Ausführungen zum Verhältnis zwischen den Klägerinnen und der Streithelferin und deren möglicher Haftung für die angeblich von SKW begangene Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG sowie Geschäftsgeheimnisse enthielten.

10      Die Klägerinnen fügen hinzu, sie sähen von einer weiteren Begründung ihrer Anträge auf vertrauliche Behandlung im Hinblick auf die Tatsache ab, dass diese Anträge der Streithelferin zugestellt würden. Sie seien bereit, eine ausführliche Begründung zu geben, wenn das Gericht dies verlange und ihnen die vertrauliche Behandlung dieser Begründung zusichere.

11      Mit Schriftsatz, der am 30. Juli 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Streithelferin Einwände gegen die Anträge auf vertrauliche Behandlung außer in Bezug auf die Anlagen A.4 bis A.11 und A.13 der Klageschrift erhoben.

12      Allgemein führt die Streithelferin aus, dass das Verhältnis zwischen ihr und den Klägerinnen (einschließlich ihrer möglichen Haftung für die diesen zur Last gelegten Zuwiderhandlungen) ihr gegenüber nicht vertraulich sein könne. Daher könnten nur mögliche Geschäftsgeheimnisse in den Textpassagen der Schriftsätze und den Anlagen, auf die sich die Anträge auf vertrauliche Behandlung bezögen, die Zulassung dieser Anträge der Klägerinnen rechtfertigen. Infolgedessen müssten diese erläutern, welchen Grund sie in Bezug auf welche Textpassagen geltend machten, um die Vertraulichkeit der einzelnen Textpassagen in den Schriftsätzen und den einzelnen Anlagen, auf die sich ihre Anträge bezögen, zu rechtfertigen.

13      Gestützt auf das Vorbringen der Klägerinnen in den Schriftsätzen der Kommission gehe die Streithelferin davon aus, dass in den Randnrn. 27, 56 bis 63 und 70 der Klageschrift die Ansicht vertreten werde, dass der entscheidende Einfluss einer Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft die Haftung einer Zwischengesellschaft, wie im vorliegenden Fall der ersten Klägerin, SKW Holding, für die Zuwiderhandlungen der Tochtergesellschaft ausschließe. Obwohl die Streithelferin eine andere Ansicht zu der Frage vertrete, ob sie auf die Klägerinnen bestimmenden Einfluss ausgeübt habe, könnten die das Verhältnis zu diesen kennzeichnenden Tatsachen nicht als ihr gegenüber vertraulich erachtet werden.

14      Gestützt auf einen anderen Teil der Klageschrift und auf die Klagebeantwortung gehe die Streithelferin davon aus, dass die Klägerinnen in Randnr. 72 ihrer Klageschrift geltend machten, dass SKW Holding auf SKW in Ermangelung von Kenntnissen der betreffenden Wirtschaftsbranche wie auch wegen langfristiger Lieferverträge, die diese abgeschlossen habe, keinen Einfluss habe nehmen können. Die Frage der Branchenkenntnis von SKW Holding betreffe in Wirklichkeit die eigenen Mitarbeiter der Streithelferin (deren Tochtergesellschaft SKW Holding war, wie oben in Randnr. 2 ausgeführt worden ist) und sei ihr gegenüber daher nicht vertraulich. Dagegen erhebe die Streithelferin, soweit sich Randnr. 72 auf die von den Klägerinnen geschlossenen Lieferverträge beziehe, keine Einwände gegen eine vertrauliche Behandlung.

15      In Bezug auf die Randnrn. 115 und 116 der Klageschrift vermutet die Streithelferin gestützt auf die Klagebeantwortung, dass darin zur Zugehörigkeit der Klägerinnen zu zwei Haftungsverbänden für zwei unterschiedliche Geldbußen und zu der Gefahr vorgetragen werde, dass die Klägerinnen Regresszahlungen an die anderen Gesamtschuldner leisten müssten. Sie räumt ein, dass Hinweise auf eine Gefährdung der Existenz der Klägerinnen durch Regressforderungen vertraulich zu behandeln seien. Dies gelte jedoch nicht für eine bloße Darstellung der Rechtslage in Bezug auf die Regressforderungen. Daher müssten die Klägerinnen erläutern, worauf sie genau in diesen Punkten der Klageschrift Bezug genommen hätten.

16      In Bezug auf Anlage A.3 zur Klageschrift verweist die Streithelferin darauf, dass sie die Antwort der Klägerinnen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalte, die ihnen die Kommission übersandt habe. Diese Anlage könne kaum in vollem Umfang ihr gegenüber vertraulich sein, und sie könne sinnvoll Stellung nur nehmen, wenn sie zumindest über eine nicht vertrauliche Fassung dieser Antwort verfüge.

17      Schließlich führt die Streithelferin zu Randnr. 17 der Erwiderung aus, aus der Gegenerwiderung der Kommission gehe offensichtlich hervor, dass darin vorgetragen werde, die SKW Holding habe keinen entscheidenden Einfluss auf die SKW nehmen können. Dies sei kein Geschäftsgeheimnis, so dass der Antrag auf vertrauliche Behandlung dieser Randnummer der Erwiderung zurückzuweisen sei.

18      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass einem Antrag auf vertrauliche Behandlung stattzugeben ist, soweit er Angaben betrifft, hinsichtlich deren keine oder keine ausdrücklichen und präzisen Einwände von einem Streithelfer erhoben worden sind (vgl. Beschluss des Präsidenten der Siebten Kammer des Gerichts vom 14. Oktober 2009, vwd Vereinigte Wirtschaftsdienste/Kommission, T‑353/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Da im vorliegenden Fall die Streithelferin keine Einwände gegen die vertrauliche Behandlung der Anlagen A.4 bis A.11 und A.13 der Klageschrift erhoben hat (siehe oben, Randnr. 11), ist im vorliegenden Beschluss nur über die von der Streithelferin bekämpften Anträge auf vertrauliche Behandlung der Randnrn. 27, 56 bis 63, 70, 72, 115 und 116 der Klageschrift, der Anlage A.3 zur Klageschrift und der Randnr. 17 der Erwiderung zu entscheiden.

20      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 116 § 2 der Verfahrensordnung dem Streithelfer alle den Parteien zugestellten Schriftstücke zu übermitteln sind, dass aber der Präsident auf Antrag einer Partei geheime oder vertrauliche Unterlagen von der Übermittlung ausnehmen kann.

21      In dieser Bestimmung wird der Grundsatz aufgestellt, dass alle den Parteien zugestellten Schriftstücke den Streithelfern zu übermitteln sind und nur ausnahmsweise bestimmte geheime oder vertrauliche Aktenstücke oder Angaben von dieser Verpflichtung zur Übermittlung ausgenommen werden können (vgl. Beschluss des Präsidenten der Achten Kammer des Gerichts vom 2. März 2010, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, T‑336/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Die Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts sieht in Art. 6 Abs. 2 vor, dass ein Antrag auf vertrauliche Behandlung den Bestimmungen der Praktischen Anweisungen für die Parteien entsprechen muss (Nrn. 74 bis 77).

23      Nach Nr. 75 dieser Anweisungen ist ein Antrag auf vertrauliche Behandlung auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken und kann sich keinesfalls auf einen ganzen Schriftsatz und nur ausnahmsweise auf eine ganze Anlage zu einem Schriftsatz beziehen. In der Regel kann nach dieser Nummer nämlich eine nicht vertrauliche Fassung eines Schriftstücks, in der bestimmte Passagen, Wörter oder Zahlen entfernt sind, übermittelt werden, ohne dass dadurch die in Rede stehenden Interessen beeinträchtigt werden.

24      Ferner sind nach Nr. 76 der Praktischen Anweisungen für die Parteien in dem Antrag auf vertrauliche Behandlung die betreffenden Angaben oder Passagen genau zu bezeichnen, und er muss eine kurze Begründung des geheimen oder vertraulichen Charakters für jede dieser Angaben oder Passagen enthalten. Fehlen diese Hinweise, kann das Gericht den Antrag zurückweisen.

25      Es ist daher Sache der Partei, die einen Antrag auf vertrauliche Behandlung gestellt hat, die entsprechenden Aktenstücke oder Angaben genau zu bezeichnen und deren vertraulichen Charakter angemessen zu begründen (vgl. Beschluss Telefónica und Telefónica de España/Kommission, oben in Randnrn. 21 angeführt, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Kürze der Begründung eines Antrags auf vertrauliche Behandlung wird in den Fällen, in denen die Prüfung der Angaben, auf die er sich bezieht, nicht mit hinreichender Sicherheit ihren vertraulichen Charakter erkennen lässt, zu berücksichtigen sein (Beschluss des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts vom 1. März 2007, Viasat Broadcasting/Kommission, T-16/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 34, und Beschluss des Präsidenten der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts vom 11. Juni 2007, Deutsche Post/Kommission, T‑266/02, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 23).

26      Aus der oben in den Randnrn. 21 und 25 angeführten Rechtsprechung, die sich auf „Informationen“ bezieht, lässt sich ableiten, dass ein Antrag auf vertrauliche Behandlung nur Tatsachen betreffen kann, die geheim oder vertraulich sind. Somit können rein rechtliche Erwägungen an sich nicht Gegenstand einer vertraulichen Behandlung sein. Dies gilt dann nicht, wenn sich diese Erwägungen auf geheime oder vertrauliche Tatsachen stützen oder, allgemeiner, solche Tatsachen offenlegen.

27      Es ist Sache des Präsidenten, zunächst zu prüfen, ob die einzelnen Aktenstücke und Angaben, deren Vertraulichkeit bestritten wird und deren vertrauliche Behandlung beantragt worden ist, geheim oder vertraulich sind (vgl. Beschluss Telefónica und Telefónica de España/Kommission, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Die Begründungspflicht, die dem Antragsteller hinsichtlich des Antrags auf vertrauliche Behandlung obliegt, ist mit Blick auf den geheimen Charakter oder die Vertraulichkeit jedes einzelnen Aktenstücks und jeder einzelnen Angabe zu beurteilen. Es ist nämlich zwischen den Angaben, die ihrem Wesen nach geheim – wie etwa Geschäftsgeheimnisse wirtschaftlicher, wettbewerbsrechtlicher, finanzieller oder buchhalterischer Art – oder vertraulich – wie etwa reine Geschäftsinterna – sind, einerseits und den Aktenstücken oder Angaben, die aus Gründen, die vom Antragsteller vorzutragen sind, geheim oder vertraulich sein können, andererseits zu unterscheiden. Somit kann der geheime oder vertrauliche Charakter von Aktenstücken oder Angaben, für die über die Beschreibung ihres Inhalts hinaus keine weitere Begründung geliefert wird, nur anerkannt werden, soweit sie als ihrem Wesen nach geheim oder vertraulich angesehen werden können (vgl. Beschluss Telefónica und Telefónica de España/Kommission, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnrn. 33 und 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Was Geschäftsgeheimnisse angeht, umfasst dieser Begriff insbesondere Informationen wirtschaftlicher, wettbewerbsrechtlicher, finanzieller oder buchhalterischer Art, wenn diese üblicherweise unternehmensfremden Dritten nicht zugänglich sind und sie nicht wegen ihres Alters historischen Charakter haben. Informationen können nämlich ihre geheime oder vertrauliche Natur verlieren, wenn die breite Öffentlichkeit oder bestimmte Fachkreise darauf zugreifen können (Beschluss des Präsidenten der Dritten Kammer des Gerichts vom 5. Juli 2010, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 13).

30      Kommt der Präsident aufgrund seiner Prüfung zu dem Ergebnis, dass bestimmte Aktenstücke und Angaben, deren Vertraulichkeit bestritten wird, geheim oder vertraulich sind, so hat er in einem zweiten Schritt jeweils eine Würdigung und Abwägung der Interessen vorzunehmen. Wird die vertrauliche Behandlung im Interesse eines Klägers beantragt, muss der Präsident für jedes dieser Aktenstücke oder jede dieser Angaben das berechtigte Interesse des Klägers daran, dass seine Interessen nicht ernsthaft verletzt werden, gegen das ebenso berechtigte Interesse der Streithelfer abwägen, über die für die Ausübung ihrer Verfahrensrechte erforderlichen Angaben zu verfügen. Auf jeden Fall muss ein Kläger unter Berücksichtigung des kontradiktorischen und öffentlichen Charakters der gerichtlichen Erörterung die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sich bestimmte geheime oder vertrauliche Aktenstücke oder Angaben, deren Aufnahme in die Akten ihm wichtig war, als für die Ausübung der Verfahrensrechte der Streithelfer erforderlich erweisen und diesen folglich übermittelt werden müssen (vgl. Beschluss Telefónica und Telefónica de España/Kommission, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnrn. 35 bis 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Anhand dieser Erwägungen sind die in der vorliegenden Rechtssache eingereichten Anträge auf vertrauliche Behandlung zu prüfen.

32      Was erstens den Antrag auf vertrauliche Behandlung bestimmter Randnummern der Klageschrift und der Erwiderung angeht, wird in den Randnrn. 27, 56 bis 63, 70 und 72 der Klageschrift sowie in Randnr. 17 der Erwiderung vorgetragen, dass SKW Holding, die Muttergesellschaft von SKW keinen tatsächlichen Einfluss auf SKW ausgeübt habe, da sie selbst eine Tochtergesellschaft der Streithelferin sei, so dass die angebliche Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG allenfalls durch eine gegen SKW und die Streithelferin und nicht gegen SKW Holding verhängte Geldbuße geahndet werden könnte.

33      Diese Randnummern der Klageschrift und der Erwiderung enthalten somit Rechtsausführungen. Die einzigen Tatsachen, auf die diese Bezug nehmen, betreffen die Beziehungen zwischen den Klägerinnen und der Streithelferin und können nicht als der Letztgenannten gegenüber geheim oder vertraulich betrachtet werden.

34      Dies gilt auch für Randnr. 72 der Klageschrift, die entgegen der von der Streithelferin in ihrem Schriftsatz geäußerten Vermutung keine konkreten Bezugnahmen auf von den Klägerinnen geschlossene Lieferverträge enthält.

35      Die Randnrn. 115 und 116 der Klageschrift fügen sich in den Rahmen des Vorbringens ein, dass wegen der gesamtschuldnerischen Haftung von SKW für zwei verschiedene Geldbußen die Gefahr bestehe, dass diese aufgrund von Regressforderungen Beträge zahlen müsse, die über der in der Entscheidung als ihr gegenüber angemessenen Geldbuße lägen.

36      Somit enthalten diese beiden Randnummern der Klageschrift ebenfalls Rechtsausführungen, die als solche nicht als geheim oder vertraulich betrachtet werden können. Die einzigen dort erwähnten Tatsachen sind die Höhe der gegen SKW verhängten Geldbußen, die der Streithelferin, die selbst Adressatin der Entscheidung ist, bekannt sind, ein Hinweis auf die Behauptung eines anderen Unternehmens, die in der Entscheidung (237. Erwägungsgrund) wiedergegeben und somit der Streithelferin ebenfalls bekannt ist, und schließlich die Behauptung, die Streithelferin habe „der [Kommission] gegenüber bereits signalisiert, keinerlei Zahlungen vornehmen zu können“, die offensichtlich gegenüber der Streithelferin selbst ebenfalls nicht geheim oder vertraulich sein kann. Ferner ist entgegen der Ansicht der Streithelferin in diesen beiden Randnummern der Klageschrift nicht von einer Bedrohung der Existenz der Klägerin die Rede.

37      Somit ergibt sich – auch unter Berücksichtigung, gemäß der oben in Randnr. 25 angeführten Rechtsprechung, der Kürze der Begründung, auf die die Klägerinnen ihre Anträge auf vertrauliche Behandlung der erwähnten Randnummern der Klageschrift und der Erwiderung stützen –, dass keine dieser Randnummern geheime oder vertrauliche Angaben enthält, so dass diese Anträge, soweit sie diese Randnummern betreffen, zurückzuweisen sind.

38      Zweitens enthält, was die Anlage A.3 zur Klageschrift angeht, diese die Antwort der Klägerinnen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die die Kommission ihnen übersandt hat.

39      Der Präsident der Siebten Kammer des Gerichts hat zwar in seinem Beschluss vom 8. September 2010, Performing Right Society/Kommission (T‑421/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 38), in Bezug auf ein solches Schriftstück entschieden, dass es als seiner Natur nach geheim zu betrachten ist.

40      Allerdings lässt sich diese Feststellung nicht auf die vorliegende Rechtssache übertragen, deren Umstände deutlich anders gelagert sind. Denn zum einen geht aus Randnr. 29 des Beschlusses Performing Right Society/Kommission, oben in Randnr. 39 angeführt, hervor, dass das vom Antrag auf vertrauliche Behandlung in jener Rechtssache erfasste Schriftstück die Antwort eines nicht an dem Rechtsstreit beteiligten Unternehmens auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte war.

41      Zum anderen war in der Rechtssache, in der der Beschluss Performing Right Society/Kommission, oben in Randnr. 39 angeführt, ergangen ist, die vom Antrag auf vertrauliche Behandlung betroffene Streithelferin eine Berufsvereinigung ohne Beziehung zur Klägerin, während es sich im vorliegenden Fall bei der Streithelferin um die ehemalige Muttergesellschaft von SKW Holding handelt, die ihrerseits Muttergesellschaft von SKW ist.

42      Angesichts dieser Eigenschaft der Streithelferin und in Ermangelung zusätzlicher genauer Angaben kann vernünftigerweise unterstellt werden, dass die in der Antwort der Klägerinnen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführten Tatsachen gegenüber der Streithelferin nicht geheim oder vertraulich waren.

43      Aus diesem Grund hat das Gericht die Klägerinnen im Wege prozessleitender Maßnahmen gebeten, unter Berücksichtigung der Randnrn. 75 und 76 der Praktischen Anweisungen für die Parteien ihren Antrag auf vertrauliche Behandlung zu erläutern und die genauen Passagen anzugeben, die ihrer Ansicht nach vertrauliche Angaben über die Streithelferin oder Geschäftsgeheimnisse enthalten, sowie eine neue, nicht vertrauliche Fassung dieser Anlage zu übermitteln, die dem Rechnung trägt.

44      In ihrer Antwort, die am 3. Februar 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen ihre Ansicht wiederholt, wonach diese Anlage vollumfänglich der Vertraulichkeit gegenüber der Streithelferin unterliege.

45      Neben einer vagen und nicht substantiierten Behauptung, dass diese Anlage „Geschäftsgeheimnisse“ enthalte, haben sich die Klägerinnen auf das Vorbringen beschränkt, dass die Streithelferin für die Anfertigung ihres Streithilfeschriftsatzes der Einsicht in diese Anlage nicht bedürfe. In diesem Zusammenhang haben sie insbesondere angeführt, dass ihre Stellungnahmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte durch die Kommission der Streithelferin „im Wesentlichen bekannt“ gewesen seien. Die Streithelferin bestehe auf dem Erhalt einer Kopie der betreffenden Anlage nur zu dem Zweck, sie im Rahmen des Verfahrens über eine Klage zu verwenden, die sie vor einem deutschen Gericht gegen sie erhoben habe.

46      Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Unabhängig davon, dass nach der Rechtsprechung die Parteien und Streithelfer die ihnen übermittelten Verfahrensunterlagen nur für die Ausübung ihrer Verfahrensrechte nutzen dürfen (Urteil des Gerichts vom 17. Juni 1998, Svenska Journalistförbundet/Rat, T‑174/95, Slg. 1998, II‑2289, Randnr. 137; Beschlüsse des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichts vom 5. August 2003, Glaxo Wellcome/Kommission, T‑168/01, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 28, und des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 22. Februar 2005, Hynix Semiconductor/Rat, T‑383/03, Slg. 2005, II‑621, Randnr. 47), ist zu beachten, dass die Streithelfer Zugang zu allen den Parteien zugestellten Schriftstücken haben, ohne dafür ein besonderes Interesse nachweisen zu müssen, wobei eine Ausnahme von dieser Regel nur bei geheimen oder vertraulichen Aktenstücken oder Angaben möglich ist (vgl. die oben in Randnr. 21 angeführte Rechtsprechung).

47      Der Anlage A.3 zur Klageschrift haben sich auf den ersten Blick keine Angaben entnehmen lassen, die allein und ohne zusätzliche Erläuterungen als Geschäftsgeheimnisse betrachtet werden könnten, von denen die Streithelferin als ehemalige Muttergesellschaft von SKW Holding keine Kenntnis gehabt hätte.

48      Unter diesen Umständen und auch unter Berücksichtigung zum einen der außerordentlichen Kürze der von den Klägerinnen zur Stützung ihres Antrags auf vertrauliche Behandlung dieser Anlage vorgetragenen Begründung und zum anderen des Umstands, dass die Klägerinnen trotz des Erlasses einer entsprechenden prozessleitenden Maßnahme in keiner Weise erläutert haben, welche vertraulichen Angaben oder Geschäftsgeheimnisse in diesem Schriftstück enthalten sein sollen, ist der Antrag auf vertrauliche Behandlung von Anlage A.3 zur Klageschrift zurückzuweisen.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DER DRITTEN KAMMER DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Die von den Klägerinnen SKW Stahl-Metallurgie Holding AG und SKW Stahl-Metallurgie GmbH gestellten Anträge auf vertrauliche Behandlung der Randnrn. 27, 56 bis 63, 70, 72, 115 und 116 der Klageschrift, der Randnr. 17 der Erwiderung und der Anlage A.3 der Klageschrift gegenüber der Streithelferin Arques Industries AG werden zurückgewiesen.

2.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 3. Mai 2011

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      O. Czúcz


* Verfahrenssprache: Deutsch.